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23.11.13 / Wider die Alleinschuldthese / Historiker belegt, dass Deutschland nicht den Ersten Weltkrieg angezettelt hat und es sogar Friedensgespräche suchte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-13 vom 23. November 2013

Wider die Alleinschuldthese
Historiker belegt, dass Deutschland nicht den Ersten Weltkrieg angezettelt hat und es sogar Friedensgespräche suchte

Der 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges ist der Grund, dass zwei Bücher über den Ersten Weltkrieg erschienen sind, die die größte Aufmerksamkeit besonders in Deutschland verdienen. Da ist zum einen das voluminöse Werk des australischen Historikers Christopher Clark, das den Titel „Die Schlafwandler“ trägt, wobei der Autor an die Regierungen denkt, die 1914 bis 1919 die Geschicke der Mächte leiteten. Und da ist zum anderen das schmale, aber inhaltsreiche Buch des emeritierten Professors für Neue und Neueste Geschichte an der Universität Freiburg i. B. Hans Fenske „Der Anfang vom Ende des alten Europa. Die alliierte Verweigerung von Friedensgesprächen 1914 bis 1918“. Beide Autoren widersprechen den Behauptungen politisch angepasster Historiker und Journalisten, die allein Deutschland die Schuld am Ersten Weltkrieg zuschieben. Davon könne keine Rede sein, meinen unabhängig voneinander die beiden Historiker.

Obwohl Fenskes Hauptthema die Bemühungen der Reichsregierung während des Krieges sind, mit den Gegnern in Verhandlungen über ein Kriegsende einzutreten, schaltet er ein Kapitel vor, in dem er knapp, aber faktenreich über den Beginn des Krieges berichtet und beweist, dass Behauptungen von einer deutschen Alleinschuld nichts anderes sind als beflissene Übernahme alliierter Propagandathesen. Dann zählt er sachlich die Versuche auf, die es während des Krieges mit dem Ziel gegeben hat, die Kriegführenden zu Verhandlungen über die Einstellung der Feindseligkeit zu bewegen. Und solche Versuche gab es fast nur von deutscher Seite. Sie erfuhren eine schroffe Ablehnung vor allem von englischer Seite, die sogar beleidigende Formen annahm. Die Friedensinitiative des Papstes vom 1. August 1917 wurde zwar von der deutschen Regierung begrüßt, von den Alliierten aber sofort abgelehnt. Nach der bolschewistischen Revolution in Russland schlug der kommunistische Volkskommissar für Auswärtiges, Leo Trotzki, den Westmächten vor, sich an Friedensverhandlungen zu beteiligen. Er blieb ohne Antwort.

Als Ursachen für die strikten Ablehnungen vor allem durch Großbritannien führt Fenske die Kriegsziele der Westalliierten an. Sie wollten den unter der politischen Führung Bismarcks vier Jahrzehnte zuvor gegründeten kleindeutschen Nationalstaat zerschlagen, um in Mitteleuropa wieder einen Flickenteppich von Kleinstaaten – wie vor 1871 – zu schaffen, die sich jederzeit den Einmischungen der sie umgebenden Länder beugen sollten. London beobachtete Deutschlands wirtschaftliche Entwicklung mit zunehmender Ablehnung, entwickelte sich das Deutsche Reich doch zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz auf dem Weltmarkt. Der britische Premierminister Lloyd George erklärte, England werde kämpfen, „bis der preußische Militarismus auf ewig zerstört“ sei, eine geradezu absurde Behauptung angesichts der Tatsache, dass England seit dem 17. Jahrhundert weitaus mehr Kriege geführt hatte als Preußen/Deutschland und sich damit ein Viertel der Erdoberfläche untertan gemacht hatte.

Die hasserfüllte Haltung setzte sich durch, als 1918 Deutschland unter der Übermacht zusammenbrach und die Sieger im Versailler Vertrag, den Fenske einen Gewaltfrieden nennt, die Bedingungen diktierten. Jede Verhandlung lehnten die Siegermächte, an der Spitze Frankreich und England, ab und sie drohten, die Kämpfe wieder aufzunehmen, wenn Deutschland nicht bedingungslos unterzeichnete. Alle deutschen Parteien von links bis rechts lehnten ab, die Sieger-Behauptung durch Unterschrift zu bestätigen, Deutschland trage am Krieg die Alleinschuld. Aber die Drohungen der Sieger ließen keine Wahl: Berlin musste unterschreiben.

Die Folgen spüren wir bis heute. Fenske führt auf, welche Gebiete Deutschland an die Sieger abtreten musste, was Deutschland abzuliefern und zu zahlen hatte – eine wichtige Zusammenstellung, weiß doch heute kaum noch ein Deutscher, was das Land damals zu erleiden hatte. Sein Buch schließt mit der Bemerkung, dass er das Manuskript am 12. Ok-

tober 2010 abgeschlossen habe, „zwölf Tage, nachdem die Bundesrepublik Deutschland die letzte Zahlung im Zusammenhang mit den dem Deutschen Reich im Versailler Vertrag auferlegten Verpflichtungen geleistet hatte“ – 92 Jahre nach Unterzeichnung des Diktats.

Hans-Joachim von Leesen

Hans Fenske: „Der Anfang vom Ende des alten Europa. Die alliierte Verweigerung von Friedensgesprächen 1914 bis 1918“, Olzog, München 2013, brosch., 144 Seiten, 19,90 Euro


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