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07.12.13 / Mogelpackung Mindestlohn / Experte: Viele könnten sogar weniger verdienen – Das abschreckende Beispiel Frankreichs

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-13 vom 07. Dezember 2013

Mogelpackung Mindestlohn
Experte: Viele könnten sogar weniger verdienen – Das abschreckende Beispiel Frankreichs

Die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns findet breite Zustimmung in der Bevölkerung. Doch was bringt die Untergrenze von 8,50 Euro wirklich? Paradox: Ein Experte warnt gar, die Reform könnte für zahlreiche Arbeitnehmer sogar eine Absenkung ihrer Bezüge heraufbeschwören.

Ein Argument warfen die Befürworter des gesetzlichen Mindestlohns immer wieder in die Waagschale: Fast alle anderen EU-Staaten hätten längst eine solche Untergrenze. Warum glaube daher ausgerechnet das „reiche Deutschland“, sich dies nicht leisten zu können?

Beim Blick auf diese Nachbarn zerfällt das Argument jedoch schnell. In Polen etwa beträgt die Lohnuntergrenze derzeit umgerechnet nur rund 2,20 Euro, obwohl viele Produkte dort längst nicht mehr wesentlich günstiger sind als diesseits der Oder. Dies könnte für eine Gruppe von Polen bald bittere Folgen haben.

Es geht um die Saisonarbeiter. Brandenburger Produzenten von Spargel oder Gurken klagen, sie könnten zu 8,50 Euro Stundenlohn nicht mehr profitabel arbeiten, müssten ihren Betrieb einstellen. Damit würden die Anbaugebiete vermutlich nach Polen abwandern. Nicht nur die in Deutschland festangestellten Mitarbeiter der Spargelbauern, die schon jetzt besser verdienen als die Saisonarbeiter, verlören ihre Stellen. Auch die polnischen Saisonkräfte dürften auf der Verliererseite landen: Sie erhielten statt wie bisher um die fünf Euro womöglich nur noch die Hälfte beim neuen Arbeitgeber in ihrer Heimat.

In Frankreich ist die Lage umgekehrt. Dort rangiert der gesetzliche Mindestlohn mit 9,43 Euro bereits heute weit über der für Deutschland angepeilten Marke. Das traurige Resultat entlädt sich seit Jahren bei wiederkehrenden, oft blutigen Unruhen in den Problemvierteln von Paris, Marseilles und anderer Metropolen. Hier ist eine Generation junger Menschen, zum Großteil Nachfahren arabischer und schwarzafrikanischer Einwanderer, herangewachsen, die ohne jede Perspektive auf einen Arbeitsplatz jederzeit zur sozialen Explosion neigt. Das Problem: Die meisten verfügen über keine ausreichende Ausbildung, um einen Stundenlohn von 9,43 Euro zu erwirtschaften. Resultat: Geringqualifizierte sind vom legalen Arbeitsmarkt praktisch ausgesperrt. Die Arbeitslosigkeit ist doppelt so hoch wie in Deutschland.

Das trifft vor allem die Jungen, bei denen die Arbeitslosenquote sogar fast dreieinhalb mal so hoch liegt wie in der Bundesrepublik. Die Betroffenen flüchten sich in Schwarzarbeit oder in illegale „Geschäfte“ wie Drogenhandel, Hehlerei oder gleich ganz in Raub und Diebstahl.

Die Schwierigkeiten, welche die französische Gesellschaft mit dieser Bevölkerungsschicht hat, stellen die (ebenfalls schon erheblichen) Integrationsprobleme in Deutschland noch weit in den Schatten. Kritiker räumen ein, dass die dramatische Lage keinesfalls allein auf den hohen Mindestlohn geschoben werden könne. Sie sehen in ihm aber einen wesentlichen Grund dafür, dass Geringqualifizierte, darunter vor allem Jugendliche, keinen Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten und abgleiten.

Auf eine weitere mögliche Folge des gesetzlichen Mindestlohns, die in der öffentlichen Debatte nahezu völlig unter den Tisch fällt, wies Ende November Arnd Diringer, Leiter der Forschungsstelle für Arbeitsrecht an der Hochschule Ludwigsburg, in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine“ hin: Es sei ein Irrtum anzunehmen, dass es bislang keinen Mindestlohn in Deutschland gebe.

Diringer verweist auf den „richterlichen Mindestlohn“: Durch ihn hätten Tariflöhne auch für solche Arbeitgeber eine gewisse Bindekraft, die gar nicht tarifgebunden seien. Denn Löhne, die um mehr als ein Drittel unter der untersten Tarifgrenze der Branche lägen, würden von Richtern als „sittenwidrig“ verboten. So betrage der mindeste tarifliche Stundenlohn der Metallbranche in Nordrhein-Westfalen derzeit 14,17 Euro. Dazu kämen vereinbarte Zulagen von bis zu zehn Prozent.

Auch Arbeitgeber, die nicht im Tarifverbund seien, wären daher richterlich gezwungen, mindestens 9,45 Euro zu zahlen, im Südwesten liege der Tariflohn und damit der davon abgeleitete „richterliche Mindestlohn“ der Metallbranche sogar deutlich höher.

Sobald aber ein Gesetz den Mindestlohn regelt, entfällt laut Diringer die bisherige richterliche Regelung. Im Klartext könnte dies also bedeuten, dass erst der „gesetzliche Mindestlohn“ außertariflichen Arbeitgebern die Möglichkeit eröffnet, ihre Arbeitnehmer weit schlechter zu bezahlen als bisher.

Ohne Belang in der Mindestlohndebatte war die Frage, wie es zum Lohnverfall so breiten Ausmaßes überhaupt kommen konnte, dass die Forderung nach der gesetzlichen Untergrenze aufkam. Fakt ist, dass unter wohlklingenden Vokabeln wie „Arbeitnehmer-Freizügigkeit“, „kulturelle Bereicherung“ und „Willkommenskultur“ seit mindestens zwei Jahrzehnten ein nicht abreißender Strom von Menschen ins Land gelangt, die auch für weitaus weniger Geld zu arbeiten bereit sind, als dies zuvor in Deutschland üblich war.

Daraus entwickelte sich ein stetes Überangebot von Arbeitskräften – besonders bei den Geringqualifizierten, deren Entgelte seitdem massiv zurückgegangen sind. Aus weltanschaulichen Gründen aber verweigert sich insbesondere die politische Linke, diesen Aspekt anzusprechen, obschon sie sich als Anwalt der Arbeiterschaft geriert. Auf Arbeitgeberseite besteht dazu kein Anlass, da man von Zustrom und Lohnverfall profitiert. Daraus entstand eine Allianz des Schweigens. Der gesetzliche Mindestlohn erscheint vor dem Hintergrund nur wie der Versuch scheinbarer Sozialpolitiker, die sozialen Folgen ihres ideologisch motivierten Versagens in der Zuwanderungsfrage zu kaschieren. Hans Heckel


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