24.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
07.12.13 / Ein landesweites Echo / Die rosarote Welt der Helene Fischer – Das Volksmusik-Phänomen trällert auf allen Kanälen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-13 vom 07. Dezember 2013

Ein landesweites Echo
Die rosarote Welt der Helene Fischer – Das Volksmusik-Phänomen trällert auf allen Kanälen

Schon seit Monaten, ja, sogar Jahren sind ihre Namen aus den deutschen Albumcharts nicht mehr wegzudenken: Helene Fischer und Andrea Berg. Die beiden Schlagersängerinnen dominieren die Verkaufslisten. Wer denkt, das liege allein daran, dass inzwischen weniger junge Leute Alben als CD kaufen, der muss wissen, dass die ermittelten Albumcharts auch die am Computer erfolgten legalen Downloads berücksichtigen, auch wenn der digitale Kauf nur etwas über 20 Prozent der gesamten Käufe ausmacht.

Es spricht also vieles dafür, dass nicht nur Angehörige älterer Semester die beiden Schlagersängerinnen bewundern. Für jemanden, der schon vor zehn Jahren rätselte, wieso sich junge Paare bei ihrer Hochzeit das Lied „Du hast mich tausend Mal belogen“ der heute 47-jährigen Andrea Berg wünschen konnten, ist der Rummel um Helene Fischer ein noch größeres Mysterium. Auf ihrem neuen Album „Farbenspiel“ heißt es in den Liedern unter anderem „Keiner ist fehlerfrei, was ist denn schon dabei“, „Für Schokolade sterbe ich, was wäre ein Tag bloß ohne dich“, „Lass uns das Versprechen auf Biegen und Brechen“, „Manchmal bin ich kein Held, kauf ein ohne Geld“. Das spricht dafür, dass es nicht die anspruchsvollen Texte und kunstvollen Reime sein können, die die Massen in die Konzerte der 29 Jahre alten, in Sibirien geborenen Russlanddeutschen treiben. Auch Rhythmus und musikalische Begleitung sind für das Genre üblich und stechen keineswegs durch Originalität hervor.

Trotzdem moderierte Fischer in diesem Jahr die Verleihung des Musikpreises Echo, wurde vom Fußballverein Borussia Dortmund als Stargast bei der Feier zum Champions-League-Finale geladen und ist als einzige deutsche Schlagersängerin in Berlin bei Madame Tussauds als Wachsfigur zu bestaunen. Die schlanke Blondine sorgte also dafür, dass Schlager sein verstaubtes Image verlor und plötzlich sogar als Erfolgsmodell gilt, schließlich siegte im Frühjahr bei „Deutschland sucht den Superstar“ mit Beatrice Egli auch ein dem Schlager verfallenes Möchtegernsternchen.

Vieles deutet also darauf hin, dass der Wirbel um Helene Fischer, aber auch Andrea Berg nicht nur auf ihre Persönlichkeiten zurückzuführen ist. Auch wenn man sagen muss, dass beispielsweise die charmante, natürliche Art Fischers und ihr trotz noch so kurzer Glitzerkleider jungfräulicher Sexappeal ihr die Herzen vieler zu­fliegen lassen.

Es hat der durch ihre aufwendigen Shows bekannten Sängerin nicht ge­schadet, dass sie seit 2008 mit dem Schlager-Moderator Florian Silbereisen liiert ist, der außerhalb seines direkten Umfelds gern Opfer von Satire-Sendungen ist. Stattdessen hat Fischer dem 32-jährigen Silbereisen, der wegen seiner geschmacklich umstrittenen Ak­kordeon-Auftritte geliebt oder gehasst wird, ein neues positives Image verpasst.

Aber auch wenn das Drumherum passt, so liegt es nicht an Fischer und Berg alleine, dass das Genre Schlager für immer mehr Menschen infrage kommt. Vielmehr scheint es in der deutschen Gesellschaft eine Hinwendung zu Dingen zu geben, die harmlos und ungefährlich, zugleich ursprünglich wirken. Nur so lässt sich erklären, dass Zeitschriften wie „Landlust“ sich über eine Druck­auflage von einer Million verkauften Exemplaren freuen können, während politische Magazine wie der „Spiegel“ oder „Focus“ froh sind, wenn sie ihre Auflage halten. Auch die neu erwachte Liebe der Deutschen zum Handarbeiten, Gärtnern, Handwerken und jeder anderer Form des Selbermachens deuten in die Richtung.

Und so versuchte sogar der Nachrichtensender ntv in dem Beitrag „Rosarote Traumwelt boomt“, sich dem Phänomen der neuerwachten Schlagerbegeisterung zu nähern. Doch auch hier stand am Ende nur die Erkenntnis, dass immer mehr junge Leute finden, dass Schlager Spaß mache und man so schön mitsingen könne. Selbst als Fischer bei der Moderation der „Bambi“-Verleihung im November patzte und ausversehen vom „Echo“ sprach, fanden die meisten ihren Fehler charmant und menschlich. Doch als am Sonnabend nach der Verleihung das ZDF mit der Ausstrahlung eines Fischer-Konzertes einen massiven Quoteneinbruch vor allem beim jungen Publikum erlebte, war für jene, für die der neue Schlagerhype ein Rätsel ist, die Welt für einen Moment wieder im Lot. Rebecca Bellano


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren