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07.12.13 / Er schuf Illusionen für Millionen / Biografie über den Erfinder Hollywoods Carl Laemmle

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-13 vom 07. Dezember 2013

Er schuf Illusionen für Millionen
Biografie über den Erfinder Hollywoods Carl Laemmle

Einer der bedeutendsten Filmbosse in der Frühzeit des amerikanischen Kinos war der Deutsche Carl Laemmle (1867–1939). Doch sein Name und seine Lebensleistung sind weitgehend in Vergessenheit geraten. Dabei ist das von Laemmle in Hollywood gegründete Filmunternehmen Universal Pictures, auch Universal Studios genannt, seit über 100 Jahren weltberühmt. Laemmle, ein jüdischer Immigrant aus dem schwäbischen Städtchen Laupheim, war 1884 nach New York eingewandert und in Chicago ansässig geworden. Er war tatsächlich „der Mann, der Hollywood erfand“; so lautet der Untertitel einer spannenden Biografie von Cristina Stanca-Mustea über Laemmle. Das Buch der 1982 in Bukarest geborenen Kulturwissenschaftlerin geht aus ihrer Dissertation hervor. Es eröffnet einen guten Einblick in die Verhältnisse des amerikanischen und internationalen Filmmarkts bis zum Zweiten Weltkrieg und ist nicht zuletzt deshalb eine lohnenswerte Lektüre.

Erst 1906, im Alter von fast 40 Jahren, fand Laemmle das Geschäftsfeld, das ihn faszinierte und dessen immense Entwick-lungsmöglichkeiten er voraussah. Die Autorin lässt uns an seinem zähen Ringen um den Aufstieg in der Filmindustrie teilnehmen, die seinerzeit von einem Firmenkonsortium durch Patentrechte kontrolliert wurde. In Chicago eröffnete Laemmle mehrere helle, saubere Nickel-Odeons, so die Bezeichnung für die ersten Filmtheater in den USA. Seit 1907 besaß er einen eigenen Filmverleih, 1909 gründete er seine erste Produktionsgesellschaft und gewann bekannte Schauspieler wie Mary Pickford für seine Filme. Im Laufe der darauf folgenden Jahre setzte er sich gegen den Monopolisten Thomas Alva Edison durch, wobei ihm auch stets ein Quäntchen Glück half, wie er später in Interviews gern betonte. „David gegen Goliath“ hat Stanca-Mustea das Kapitel über Laemmles Kampf gegen die mächtige Edison Company denn auch überschrieben. Sie erläutert sein Erfolgsrezept: Laemmle erfand den Starkult um Filmschauspieler und das Genre des abendfüllenden Spielfilms. Und er wollte unterhaltsame Filme machen, die auf der ganzen Welt verstanden wurden.

Das Kapitel „Geburt einer Legende“ handelt von den Anfängen der Produktionsfirma „Universal Film Manufacturing Company“, die 1912 in New York durch Zusammenschluss von Carl Laemmles „Independent Motion Picture Company“ und anderen unabhängigen Studios entstand. Präsident des Unternehmens wurde Laemmle, der bald danach die Produktion der Filme von der Ost- an die Westküste der USA verlegte. Mit der Eröffnung seiner Studiostadt „Universal City“ gab er 1915 den Startschuss, der Hollywood, einen einsamen Vorort von Los Angeles in den Santa Monica-Bergen, in eine Filmwelt verwandelte. In den Kulissen von Universal City entstanden zahlreiche Wildwest-, Grusel- und Horrorfilme, später anspruchsvolle und teure Filme wie „Der

Glöckner von Notre Dame“ (1923). Es kam auch zu einer Geschäftsbeziehung mit der deutschen Ufa. Laut Stanca-Mustea koordinierte Laemmle weltweit 52 Subunternehmen.

Den umtriebigen Filmmogul zeichnet die Autorin als großzügigen Menschen, der es weiterhin vorzog, mit unabhängigen Kinobesitzern zusammenzuarbeiten. Beinahe jedes Jahr zog es ihn nach Laupheim, um seine Familie und seine Freunde wiederzusehen. Dem populären Sohn und Mäzen Laupheims wurde die Ehrenbürgerwürde verliehen – und wieder aberkannt, als sein umstrittener Anti-Kriegsfilm „Im Westen nichts Neues“ (1930) in Deutschland unter dem Einfluss der Nationalsozialisten zeitweilig verboten wurde. Als Jude durfte Laemmle nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten nicht mehr nach Deutschland reisen. Seither widmete er sich engagiert der Hilfe für deutsche Juden, die auswandern wollten. Mehr als 300 Menschen konnten durch seine Bürgschaften in die USA einreisen und entkamen so dem Tod im Konzentrationslager.

1936 mussten Laemmle und sein Sohn in einer finanziellen Zwangslage ihre Filmproduktionsgesellschaft Universal Pic­tures verpfänden und dann verkaufen. Laemmle starb am 24. September 1939. Außer einem Stern auf dem Hollywood-Boulevard gibt es heute in Los Angeles und Santa Monica nur wenige Orte, die an ihn erinnern. Die Biografin Cristina Stanca-Mustea glaubt daher, dass man in den Vereinigten Staaten seiner nicht gedenken mochte und mag, weil der Mann, der den Hollywood-Film erfand, deutscher Herkunft war. Dagmar Jestrzemski

Cristina Stanca-Mustea: „Carl Laemmle. Der Mann, der Hollywood erfand“, Osburg Verlag, Hamburg 2013, gebunden, 246 Seiten, 24,90 Euro


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