26.04.2024

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14.12.13 / Zu Weihnachten wird georgelt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-13 vom 14. Dezember 2013

Zu Weihnachten wird georgelt

Sie prägt noch immer das Bild in Fußgängerzonen und auf Weihnachtsmärkten: die Drehorgel, ein Glanzstück der Mechanik. Die oft liebenswerten Originale an der Kurbel, die altvertrauten Leierkastenmänner, vermitteln uns ein Stück Nostalgie in einer Welt aus Neon und Elektronik.

Als Hauptstadt des Orgelbaus gilt das baden-württembergische Waldkirch, wo bereits im Jahr 1999 das 200. Jubiläum gefeiert wurde. Bis zum Ersten Weltkrieg stieg Waldkirch fast konkurrenzlos zur europäischen Orgelbaumetropole auf: Kirchenorgeln, Karussellorgeln sowie Drehorgeln wurden von dort aus in die ganze Welt geliefert.

Viele Drehorgelfreunde pflegen ihre Leidenschaft für die Leierkästen in Vereinen. Die Internationalen Drehorgelfreunde Berlin zum Beispiel zählen 250 Mitglieder. Davon leben 70 in Berlin, der Großteil jedoch über den ganzen Rest der Republik verstreut. Einzelne Mitglieder kommen auch aus anderen Ländern Europas sowie den USA.

Schwerpunkt der Drehorgel ist jedoch Deutschland. Interessanterweise wurden in den letzten 30 Jahren sogar mehr Drehorgeln gebaut als noch vor 100 Jahren. In Deutschland gibt es etwa 1500 aktive Leierkästen. 

An der handgefertigten Herstellung einer Drehorgel mit bis zu über 100 Pfeifen ist ein Mitarbeiter zwischen 14 Tagen bis zu einem knappen halben Jahr beschäftigt. Die Bauzeit variiert je nach Größe und Ausstattung des Gehäuses. Je nach Ausstattung kann ein solches Instrument über 30000 Euro kosten, in einfacher Ausführungen um die 1600 Euro.

Der Ursprung der Drehorgel ist nicht eindeutig belegbar. Viele sehen in Pater Athanasius Kirchner (1601–1680) den Erfinder. Der aus Deutschland stammende Jesuit war mit der Aufsicht über die vatikanischen Museen beauftragt. In seinen lateinischen Schriften gibt er exakte Anleitungen, wie die Walze einer mechanischen Orgel aussehen sollte. Damals hießen die Leierkästen „Organo portatile“, also „tragbare Orgel“. Da viele Kirchen aus Geldmangel keine richtige Orgel besaßen, erklang in den Gotteshäusern häufig eine Drehorgel.

Gaukler, Artisten oder Kriegsinvaliden verdienten sich ihren Lebensunterhalt sozusagen im Handumdrehen an der Kurbel. Viele Drehorgelspieler platzieren noch heute ein Plüschäffchen an ihrem Instrument. Dies soll an die Zeit erinnern, als umherziehende Musikanten oft von einem Kapuzineräffchen begleitet wurden, das meist Münzen beim Publikum sammelte.

Mit der heutigen Nostalgiewelle kommt der Leierkasten wieder in Mode. Die glorreiche Geschichte des handbetriebenen Musikkastens ist in verschiedenen Mu­seen zu besichtigen, so im Heimatmuseum „Fürstenberger Hof“ in Unterhammersbach, in der Waldkirche Orgelstiftung, im Etztalmuseum in Waldkirch, im Triberger Schwarzwaldmuseum, im Deutschen Musikautomatenmuseum in Bruchsal, im Technik Museum Speyer, in Siegfried’s Mechanischem Musikkabinett in Rüdesheim, in Königslutter oder das Drehorgelmuseum in Ma­rienheide-Kempershöhe. Manche Enthusiasten kaufen sich das Instrument auch, um vor der Familie als kurbelnder Weih­nachtsmann die Festtagsstimmung anzuheizen. Joachim Feyerabend


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