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14.12.13 / Im Pulverdampf geboren / Die Geschichte des Deutschen Roten Kreuzes, das von der reinen Soldatenhilfe zum Großunternehmen wurde

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-13 vom 14. Dezember 2013

Im Pulverdampf geboren
Die Geschichte des Deutschen Roten Kreuzes, das von der reinen Soldatenhilfe zum Großunternehmen wurde

Henri Dunant hat in den „Erinnerungen an Solferino“ sein Entsetzen über die Schlacht am 24. Juni 1859 zwischen Österreich und den Italienern samt Franzosen festgehalten: „Eines der schrecklichsten Schauspiele, das sich erdenken lässt. Das Schlachtfeld ist bedeckt mit Leichen von Menschen und Pferden.“ Dunant, von Haus aus keineswegs ein Samariter, war derart betroffen, dass er sofort nach Linderung des Elends trachtete. Sein Appell, in möglichst vielen Ländern Hilfskomitees zu gründen, löste eine Welle der Hilfsbereitschaft aus. In Genf wurde 1863 das Internationale Rote Kreuz (mit farblich umgekehrter Schweizer Flagge als Kennzeichen) gegründet, im selben Jahr entstanden auch in Deutschland erste Hilfsvereine; der Deutsch-Dänische Krieg von 1864 war bereits die erste und erfolgreiche Bewährungsprobe für die preußischen Rot-Kreuz-Mannschaften.

Die 150-Jahrfeiern in diesem Jahr waren Anlass für Stefan Schonmanns Buch „Im Zeichen der Menschlichkeit. Geschichte und Gegenwart des Deutschen Roten Kreuzes“. Der als Journalist für zahlreiche Zeitschriften schreibende Autor hat in intensiver Quellenarbeit die Geschichte des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) und zu Beginn auch die Gründung in Genf nachgezeichnet. Sein Buch lebt vor allem dadurch, dass er viele persönliche Zeugnisse wie Briefe, Tagebücher und Berichte auswertet. So wird jede Ära der wechselvollen DRK-Geschichte, in der sich ja zwangsläufig die allgemeine Geschichte spiegelt, unmittelbar anschaulich.

Die Absicht, verwundeten Soldaten zu helfen, war lange die Grundidee und rückte in den Weltkriegen auch massiv in den Vordergrund. Aber schon im Kaiserreich und in der Weimarer Republik drängten sich auch zivile Aufgaben wie Sozialarbeit und Wohlfahrtspflege auf. Wie selbstverständlich wurden drängende gesellschaftliche Probleme aufgegriffen, ja für deren Bewältigung ein Monopol gegenüber anderen Organisationen wie etwa Samariter-Bund oder Bergwacht geltend gemacht. Dabei konnten die Rot-Kreuz-Gesellschaften – erst seit 1921 gibt es mit dem Zusammenschluss der einzelstaatlichen Organisationen ein Deutsches Rotes Kreuz – fast immer auf die tatkräftige Unterstützung seitens der Regierenden rechnen.

Schomann bringt viele Beispiele, wie sich totalitäre Regime – Nationalsozialismus als auch die DDR – das DRK gefügig machten und wie sich umgekehrt führende Rot-Kreuz-Repräsentanten für politische Ziele einspannen ließen. Das ist kein Ruhmesblatt in der sonst so anerkennenswerten Geschichte des Roten Kreuzes in Deutschland. Nur zögerlich begann darüber eine Auseinandersetzung.

Heute, im wieder vereinten Deutschland, hat das DRK eine schier überbordende Fülle von Aufgaben: Eine umfassende Wohlfahrts- und Sozialarbeit gründet auf 500 Alten- und Pflegeheimen, 50 Krankenhäuser, knapp 170 Wohnheime, 25 Werkstätten für Behinderte, 1300 Kindertagesstätten, auf der ungemein rührigen Wasser- und Bergwacht, auf dem Blutspendendienst mit etwa 3,5 Millionen Spenden im Jahr und auf Bereitschaftsdiensten mit rund 160000 Ehrenamtlichen. Für die internationale Hilfe steht ein riesiges Logistikzentrum in Berlin-Schönefeld bereit.

Schomann will bewusst unterhalten, weshalb ein Apparat mit Anmerkungen und Register weggelassen wurde. Kritisch ist jedoch anzumerken, dass jüngste internationale Entwicklungen im Roten Kreuz kaum erwähnt sind. Bei aller Eigenständigkeit der nationalen Gesellschaften geben ja doch Liga und Internationales Komitee in Genf die große Richtung vor, sei es bei Fragen zu Kriegen, zu innerstaatlichen Konflikten, zu Kombattanten und Häftlingen sowie vielem mehr. Davon ist auch das Deutsche Rote Kreuz tangiert, wenigstens im Ansatz hätte darauf eingegangen werden müssen. Überdies ist die Lage in Deutschland selbst gar nicht so rosig, wie es das letzte Kapitel glauben macht; DRK-Präsident Rudolf Seiters verhehlte kürzlich in Berlin seine Sorge um immer weniger Nachwuchs nicht; die Mitgliederzahlen stagnieren, fraglich ist, ob langfristig der derzeitige Stand zu halten ist. Dirk Klose

Stefan Schomann: „Im Zeichen der Menschlichkeit. Geschichte und Gegenwart des Deutschen Roten Kreuzes“, DVA, München 2013, geb., 385 Seiten, 24,99 Euro


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