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21.12.13 / Sachsens Stuttgart 21 / Neuer Bahntunnel Leipzigs offenbart verkehrspolitisches Dilemma

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-13 vom 21. Dezember 2013

Sachsens Stuttgart 21
Neuer Bahntunnel Leipzigs offenbart verkehrspolitisches Dilemma

Bei öffentlichen Großprojekten, die in einem finanziellen Desaster endeten, spricht alles von der Elbphilharmonie, vom Berlin-Brandenburger Flughafen oder von Stuttgart 21. Dabei hatte auch Sachsen sein verkehrspolitisches Finanzdebakel à la Stuttgart, von dem kaum jemand hörte, da es nicht die Dimension wie das baden-württembergische Prestigeprojekt der Bahn hatte und von diesem in der Diskussion überlagert wurde.

Beinahe heimlich, still und leise wurde in Leipzig ein Bahntunnel fertiggestellt, der am dritten Advent der Bevölkerung vorgestellt wurde. Die nur anderthalb Kilometer lange Strecke verbindet den Leipziger Hauptbahnhof im Norden der City mit dem Bayerischen Bahnhof im Süden. Überlegungen, aus dem Kopfbahnhof im Norden einen Durchgangsbahnhof für den Bahnverkehr in Richtung Süden über eine unterirdische Verbindung einzurichten, gab es schon vor knapp 100 Jahren. Hätte man die Pläne damals schon verwirklicht, dann wäre der Tunnel wohl billiger geworden und schneller fertig gewesen.

Abgesehen davon, dass das Objekt erst nach zehn statt nach den ursprünglich vorgesehenen sechs Jahren fertig wurde, haben sich in dieser Zeit auch die Kosten seit Baubeginn auf 960 Millionen Euro fast verdoppelt. Vergleicht man diese Entwicklung mit Stuttgart, dann ist bei dem unterirdischen Bahnhof in Baden-Württemberg noch einiges zu erwarten: Aus Stuttgart 21 wird Stuttgart 30 (Fertigstellung 2030) und aus den geschätzten Baukosten von knapp fünf Milliarden Euro würden entsprechend zehn Milliarden Euro.

Das Problem bei unterirdischen Arbeiten ist nicht nur, dass keiner sagen kann, was noch auf einen zukommt. Der Einsturz des Kölner Stadtarchivs 2009 hatte verdeutlicht, welche Unwägbarkeiten es beim Bau einer U-Bahn gibt, die sowohl die Kosten in die Höhe treiben als auch den Bau verzögern. Ein Problem ist auch, dass es durch politische Ämterwechsel statt Kontinuität oft Kompetenzgerangel bei den Ämtern gibt, welche an den Großprojekten finanziell beteiligt sind. Der Architekt Volkwin Marg erklärte im „Hamburger Abendblatt“ das Desaster um die Elbphilharmonie, die statt 114 nun 865 Millionen Euro kostet und die 2017 mit siebenjähriger Verzögerung eröffnet werden soll, so: „Bauherr war doch die Kulturbehörde mit ihrer Senatorin? Die Stadt hat eine Baubehörde. Hat die gebaut? Hat sie nicht. Weil sie es nicht mehr kann. So ist es, wenn man Kompetenz durch Behördenabbau verliert.“

Für zukünftige Großprojekte ist das keine rosige Aussicht, wenn öffentliche Bauherren die Übersicht mangels Kompetenz verlieren. Um die Verkehrsströme zu bändigen, kommt auf die Städte in den nächsten Jahren einiges zu. Städte wie Frankfurt oder München, die wie Leipzig oder Stuttgart einen Kopfbahnhof haben, werden sich finanzierbare verkehrspolitische Untertunnelungs-Konzepte überlegen müssen, um ihre Innenstädte attraktiv und lebenswert zu gestalten.

Den Leipzigern ist jedenfalls ein stiller Coup geglückt. Sie haben von der Kostensteigerung kaum etwas mitbekommen. Der Tunnel war praktisch ein Weih­nachtsgeschenk der Bahn und des Freistaats Sachsen, die für den Großteil der Kosten aufkamen. Und Pendler freuen sich dafür um bis zu 20 Minuten weniger Fahrtzeiten. Harald Tews


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