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21.12.13 / Schöner die Kassen nie klingeln

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-13 vom 21. Dezember 2013

Moment mal!
Schöner die Kassen nie klingeln
von Klaus Rainer Röhl

Erst kommen die Weih-nachtsmärkte, ihren Geruch haben wir noch in der Nase. Glühwein mit Zimt und gebrannte Mandeln. Dazu das Durcheinander-Gedudel von Weihnachtsliedern aus den Lautsprechern, die die Jüngeren gar nicht mehr auswendig kennen. Die halten „Jingle Bells“ für ein deutsches Weihnachtslied, neben „O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit“ und „Stille Nacht“. Andere kennen sie nicht, wenn sie nicht gerade im Kirchenchor singen. Da singen sie auch Weihnachtslieder aus Brasilien und der Tschechei. Wer nicht beim Gang durch die Stadt über den Weihnachtsmarkt stolperte, den spornten die Medien an, ja nicht dieses schöne Erlebnis zu versäumen oder, wenn möglich, noch in eine andere Stadt zu fahren, um den dortigen Weihnachtsmarkt zu besuchen. „Haben Sie schon den Weihnachtsmarkt in Aachen gesehen, das ist ein Erlebnis!“ „Aber erst der Christkindlesmarkt in Nürnberg, einmalig.“

Einmalig wie alle. Von Westerland bis Regensburg. Die gleichen Kerzenständer und Karussells aus dem Erzgebirge, die Zuckerwatte, die Pommes frites, die gebrannten Mandeln, der durchdringende Duft nach billigem Glühwein, den auch die Jugendlichen von Flensburg bis zum Bodensee gern trinken, die am Abend über den Markt ziehen, bevor sie sich wieder über ihr Handy beugen, um irgendjemandem eine Nachricht zu schicken oder das gerade aufgenommene Foto vom Weihnachtsmarkt zu „posten“.

Nicht zu vergessen die kleinen Kinder, die von den Erwachsenen hinter sich hergezogenen, trotz Geburtenrück-gang immer noch gefühlt vielen Kinder, die gutgelaunt mit herumziehen und alles bestaunen, aber auch alles in Frage stellen. „Darf ich noch eine Zuckerwatte?“ Die dürfen dem abenteuerlich herausgeputzten Bettler oder der rumänischen Bettlerin mit Baby im Arm ein paar Münzen zustecken. „Die armen Leute, da siehst du mal, wie gut wir es haben!“

Die Produktion der Schokoladen-Weihnachtsmänner begann im Mai. Gegenwärtig wird mit Hochdruck an den Osterhasen gearbeitet. Die Tannenbäume sind, zu früh wie immer, abgehauen. Macht nichts, wenn sie also bald nadeln und nicht lange halten, in der ersten Woche nach dem Fest holt die Müllabfuhr sie sowieso pünktlich ab.

Weihnachten, das Fest der Geburt von Jesus von Nazareth, ist für die Geschäftswelt gelaufen. Ein gutes Geschäft. Bei dem man milde und freigiebig gestimmt wird. Und am Ende während der Gala „Ein Herz für Kinder“ spendet.

Bei der Gala kommt es für die eingeladenen Schauspielerinnen und Politiker-Gattinnen sehr darauf an, eine ga-rantiert unverwechselbare Robe von einem bedeutenden Mode-Schneider vorzuführen. Wo sie die erworben haben, das wird noch am gleichen Abend von den „Bild“-Reportern abgefragt („Knallrote Roben wie die von Maria Furtwängler – entworfen von Victoria Beckham – geben jetzt den Ton an“!); und TV-Spaßmacher Oliver Pocher und seine neue Freundin, Tennis-Star Sabine Lisicki, teilen außerdem mit, dass sie sich „gerade gegenseitig sehr guttun“. „Wir sehen uns nicht jeden Tag wie andere Pärchen. Aber wir kommunizieren auf allen Kanälen; Facebook, Skype, SMS, sind ständig in Kontakt.“ Das nebenbei.

Im Getümmel von 800 geladenen Gästen befanden sich auch Boxweltmeister Wladimir Klitschko und die blonde Hollywood-Sängerin Hayden Pannetiere. An ihrem Finger funkelte der XXL-Diamant-Verlobungsring, während sie verlautete: „Ich würde für Wladimir sogar in die Ukraine ziehen.“

Dieses Wort würde ich nicht unbedingt auf die Goldwaage legen. Wohl aber die Zusage der Superreichen über eine Spende von 500000 Euro aufwärts. Beim Spenden ließen sich die meisten nicht lumpen. Mancher, wie der Eigentümer von Lidl, ließ sogar eine Million Euro springen, und als kurz vor Schluss der Sendung erst 16 Millionen Euro zusammengekommen waren, fand sich ein bekannter Millionär, der aus purem Jux und Dollerei noch mal eine Million drauflegte. Kostet ja nüscht, ihn jedenfalls nicht, da bekanntlich alle Spenden steuerabzugsfähig sind.

Die Rubrik, unter der ein solches Steuergeschenk eingetragen wird, heißt nicht zufällig „Werbeaufwand“. Merke: Es schenkt also nicht Lidl, sondern die Staatskasse zahlt die angeberisch auf den Tisch geknallte Million für die Springer-Aktion „Ein Herz für Kinder“. Also wir.

Viel wurde von den Krankheiten und dem schreck-lichen Schicksal der betroffenen Kinder geredet und die Opfer wurden gezeigt, der krebskranke vierjährige Philip, der geheilt wurde, die sechsjährige, fast blinde Jyoiti aus Nepal, die mit Hilfe der Aktion wieder sehen kann, und auch die barmherzige Nonne Raphaela Händler kam ins Bild, die den Ehrenpreis der Veranstaltung für ihre Verdienste um die Zukunft der Kinder in Afrika erhielt, und, wie üblich, wurden dazwischen Kinder als Nachrichtensprecher vorgeführt, die die Nachrichtensprecher des Fernsehens nachäfften und die, wie sollte man es anders erwarten, „ihre Sache großartig machten“, und Johannes B. Kerner, der Moderator, tröstete den Kinderstar Michèle, der an diesem Abend 13 Jahre alt wurde, aber vor Rührung zu weinen anfing. Dann aber war Schluss mit der Trauer. Danach wurde geturtelt, gefeiert und getrunken.

„Nach der Gala glühten die Herzen vor Glück“, titelte „Bild“. Und alle spürten, was schon der Dichter spürte und beschrieb: „Das Elend der Welt ist größer als angenommen – und köstlicher der Wind.“

Nun kann das Fest kommen. Morgen, Kinder, wird’s was geben. Meistens iPads und Tablets, die die so Beschenkten in eine stumme, fast autistische Schar von Fingerwischern verwandeln werden. Das Leben geht weiter. Neue Gefahren bedrohen die Welt. Nein, nicht was Sie denken. Die Finanzwelt hat Angst vor einer „Luxus-Blase“: Kunst, Diamanten und andere Luxusgüter werden immer teurer. Den Superreichen dieser Welt scheint kein Preis zu hoch zu sein. So legte ein unbekannter Käufer kürzlich für den Diamanten „Pink Star“ in Zürich 61,7 Millionen Euro auf den Tisch, und in New York wurden vor vier Wochen für das Bild „Three Studies of Lucian Freud“ von Francis Bacon 142,4 Millionen Dollar gezahlt. Bestimmt ein Weihnachtsgeschenk.

Jesus Christus übrigens, dessen Geburt eigentlich gefeiert wurde, hat bekanntlich die Händler aus dem Tempel getrieben: „Und das Passahfest der Juden war nahe, und Jesus zog hinauf nach Jerusalem. Er fand im Tempel die Händler, die Rinder, Schafe und Tauben verkauften, und die Wechsler, die da saßen. Und er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle zum Tempel hinaus samt den Schafen und Rindern und schüttete den Wechslern das Geld aus und stieß die Tische um und sprach zu denen, die die Tauben verkauften: „Tragt das weg und macht nicht meines Vaters Haus zum Kaufhaus!“ (Johannes 2, 13-17).

Seine Geburt feiern wir an diesem Weihnachtsabend. Das nur zur Erinnerung!


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