19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
21.12.13 / Lichtgestalt versus Finsterling? / Das vorherrschende Bild der US-Präsidenten John F. Kennedy und Richard Nixon bedarf einer Revision

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-13 vom 21. Dezember 2013

Lichtgestalt versus Finsterling?
Das vorherrschende Bild der US-Präsidenten John F. Kennedy und Richard Nixon bedarf einer Revision

Die Rollen sind verteilt. Lichtgestalt der eine, Finsterling der andere. Im zu Ende gehenden Jahr wurde des 50. Todestages von John F. Kennedy gedacht. Und des 100. Geburtstages von Richard Nixon, der allerdings deutlich weniger Beachtung fand.

Beide US-amerikanischen Präsidenten hatten mit den gleichen politischen Problemen zu kämpfen – und lösten im Urteil der Öffentlichkeit absolut gegensätzliche Reaktionen aus. Richard Nixon brachte das Phänomen auf den Punkt: „Wenn die Amerikaner mich sehen, sehen sie sich selbst. Wenn sie John F. Kennedy sehen, sehen sie sich, wie sie gerne sein wollen.“ Wer genauer hinsieht, könnte sein Urteil ändern.

Vergleicht man Herkunft und Jugend, sollte der am 9. Januar 1913 zur Welt gekommene Nixon punkten. „Ich wurde in einem Haus geboren, das mein Vater selbst aufgebaut hatte“, begann Richard Milhous Nixon seine Memoiren. Es war ein eher bescheidenes Haus in Yorba Linda in Kalifornien. Der Vater verkaufte Lebensmittel und betrieb eine Tankstelle. Die Eltern waren strenge Quäker, mieden Alkohol, Spielen, Tanzen und Fluchen. Wenn ihr Sohn Missionar geworden wäre, hätte sich der schönste Traum der Mutter erfüllt.

Wie anders sah die Welt des am 29. Mai 1917 in Brookline, Massachusetts geborenen John Fitzgerald Kennedy aus. Seine Eltern waren auch nach US-amerikanischen Maßstäben sehr reich. Das Vermögen stammte aus den Erträgen eines Investmentunternehmens. Den Sommer verbrachte die Familie in ihrem Haus am Atlantik, die Wintertage auf ihrem Sitz in Palm Beach, Florida. John F. besuchte Privatschulen.

Nach Abschluss der öffentlichen High School erhielt Nixon ein Stipendium des Harvard-Clubs. Dennoch musste Nixon verzichten, Kost und Logis hätten die Familie überfordert. Er studierte an einem College der Quäker.

Hätte Nixon sein Studium an der Elite-Universität angetreten, wäre ihm der aus einer vollkommen anderen Welt stammende Kennedy möglicherweise bereits schon früher begegnet. Kennedy studierte nämlich in Harvard von 1936 bis 1940 Politik.

In dieser Zeit spürte Kennedy, wie stark er auf Frauen wirkte. „Ich werde jetzt hier Playboy genannt“, schrieb er einem Freund. Und später befand die „New York Times“: „Die Wirkung, die er auf weibliche Wähler hat, ist geradezu unanständig.“ Immer wieder wurde Kennedy mit Affären in Verbindung gebracht. Die bekannteste ist die mit der Schauspielerin Marilyn Monroe. Zwei Jahre lang hatte Kennedy eine Sexbeziehung zu einer Frau, die zur selben Zeit mit landesweit bekannten Mafiabossen innig verkehrte. Als Herr im Weißen Haus ließ sich der Präsident Callgirls zuführen. Zu ihnen gehörte auch Ellen Rometsch, die aus der DDR stammte. Sie wurde verdächtigt, eine Spionin zu sein und ausgewiesen – kurz vor dem Mord an Kennedy.

Wie farblos und geradezu rührend altmodisch wirkte dagegen Nixon, wenn es um Liebe und Frauen ging. Genau genommen wirkte er überhaupt nicht. Das mag auch mit seinem Äußeren zu tun gehabt haben. Bei einem Footballspiel waren ihm die Vorderzähne ausgeschlagen worden, sie wurden durch eine Brücke ersetzt. Die wurde – ausgerechnet im Stammland der politischen Korrektheit – zur Vorlage für ein bleckendes Gebiss in sich ständig wiederholenden Karikaturen. Mehr aber als sein Äußeres ließ Nixon seine konservative Erziehung zurückhaltend ge­­gen­über Frauen sein. In einer Gruppe von Laienschauspielern lernte er eine Lehrerin kennen, die nach anfänglichem Zögern seinem Werben nachgab und ihn 1940 heiratete. Das war’s dann.

Den Zweiten Weltkrieg erlebten Nixon als auch Kennedy bei der US-Marine. Nixon brachte es zum Lieutenant Commander, was ungefähr einem Korvettenkapitän entspricht. Kennedy wurde Kommandant eines Schnellbootes. Beide hatten sich nachdrücklich bei der Marine beworben. Als Quäker hätte Nixon nicht zum Militär gemusst. Kennedy war wegen seines Rückenleidens abgelehnt worden, erst die Beziehungen des Vaters brachten ihn an Bord.

So weit die Menschen. Der politische Mensch aber wird angeblich nach anderen Kriterien vermessen.

Den frühen Politiker Nixon beherrschte eine Aufgabe: kommunistische Unterwanderung aufzudecken. 1946 für die Republikaner in den Kongress gewählt, gehörte er dem Ausschuss für unamerikanische Umtriebe an. Die Ära Joseph McCarthy prägte ihn, seine hartnäckige Verfolgung kommunistischer Staatsfeinde – vermeintlicher und tatsächlicher – brachte ihm den Spitznamen „Tricky Dick“ ein, den wurde er niemals mehr los.

Zur selben Zeit begann auch die politische Karriere des John F. Kennedy. Geplant war sie nicht. Der Vater hatte den Bruder Joseph dafür ausersehen. Joseph fiel im Krieg – und der Vater bestimmte nunmehr John F., Politiker zu werden, mit einem klar definierten Ziel: Präsident der USA. Für die Wahlkämpfe setzte der Vater trick­reich – und gegen die Gesetze – mehrere Millionen Dollar ein, gewährte er der Zeitung „Boston Post“ ein großzügiges Darlehen. Die Dollars hievten den Sohn 1952 in den Senat. Von „Tricky John“ sprach niemand.

Sie machten beide atemberaubende Karrieren. Nixon war acht Jahre, von 1953 bis 1961, Vizepräsident unter Dwight D. Eisenhower. Kennedy profilierte sich derweil zum Präsidentschaftskandidaten der Demokraten. Im Wahlkampf 1960 kam es zum ersten Fernsehduell der Fernsehgeschichte. Ein strahlender Kennedy siegte nicht nur dabei nach Punkten, sondern auch anschließend an den Wahlurnen, wenn auch sehr knapp.

Kennedys Präsidentschaft war kurz, nur 1036 Tage blieben ihm, dann fielen die tödlichen Schüsse von Dallas. Die Zeit sei zu kurz gewesen, sagen seine Anhänger, um wirklich etwas bewirken zu können. In der Tat fällt die Bilanz mager aus im Verhältnis zu den Erwartungen. Kennedy versprach, Amerikas unerfüllte Träume zu verwirklichen, brachte aber lediglich ein Drittel seiner Gesetzesinitiativen durch den Kongress. Das Wort „Frieden“ war sein ständiger Begleiter, während die USA aufrüsteten wie niemals zuvor. Er hatte das Debakel der Invasion in der Schweinebucht vor Kuba zu verantworten, hinderte die Sowjet­union aber, Raketen auf Kuba zu stationieren. Kennedy stieg massiv in den Vietnamkrieg ein, unter ihm wurde der Dschungel entlaubt und Napalm eingesetzt. Mehr als eine halbe Million US-Soldaten waren letztendlich im Einsatz. Gleichwohl wird bis heute an der Legende gestrickt, Kennedy hätte den Krieg beendet, hätte er nur lange genug gelebt.

Viele dieser Probleme erbte Nixon, als er 1969 das 37. Präsident der USA wurde. Unter ihm beendeten die USA den Vietnamkrieg, allerdings unter Umständen, die einer Kapitulation gleichkamen. Nixon machte den Umweltschutz zu seinem Thema, wollte die Nato beim Kampf gegen den Sauren Regen und die Erderwärmung einsetzen. Er bemühte sich in der Hochphase des Kalten Krieges um Entspannung, reiste als erster Präsident der USA in die Sowjet­union und nach China.

Trotz allem blieben am Ende nur „Tricky Dick“ und „Watergate“. Fünf Einbrecher waren 1972 in das Hauptquartier der Demokratischen Partei eingedrungen, hatten Wanzen gelegt und Dokumente fotografiert. Die Spur zum republikanischen Präsidenten war bald aufgenommen. Dennoch gewann Nixon kurz darauf die Wahl überzeugend mit 60 Prozent.

Doch kamen anschließend etliche Unappetitlichkeiten ans Licht, die vom Apparat des Präsidenten gegen den politischen Gegner veranlasst worden waren. Nixon trat 1974 zurück – als erster und bisher einziger Präsident der USA. Das Ende war kläglich. Eine Ei­gen­tümergesellschaft verweigerte dem gesellschaftlich geächteten Nixon den Kauf einer Wohnung in New York. 1994 starb er. Ein Staatsbegräbnis erhielt er nicht.

Als Kennedy 1963 auf dem Nationalfriedhof Arlington beigesetzt wurde, nahmen allein dort eine Million Menschen Abschied. Für viele wurde eine Heilsgestalt, ein Hüter des Grals zu Grabe getragen. Nixon hatte es vorausgeahnt: „Wenn die Amerikaner mich sehen, sehen sie sich selbst. Wenn sie John F. Kennedy sehen, sehen sie sich, wie sie gerne sein wollen.“ So leben Mythen fort. Klaus J. Groth


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren