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21.12.13 / Weihnachten wie es früher war / Erinnerungen an eine Kinderweihnacht im alten Mohrungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-13 vom 21. Dezember 2013

Weihnachten wie es früher war
Erinnerungen an eine Kinderweihnacht im alten Mohrungen

Es gibt ein kleines wunderschönes Gedicht von „der Weihnacht, wie sie früher war“, das mit wenigen Zeilen den Zauber unserer Kinderweihnacht erfasst und die Sehnsucht nach einem Fest ohne Hetze und Lieblosigkeit bekundet: „Es war einmal, schon lang ist’s her, da war so wenig so viel mehr“ – so sehen es auch viele unserer Leserinnen und Leser, und sie haben ihrer Sehnsucht in Gedichten und Geschichten Ausdruck gegeben. Eine schon bald nach Krieg und Flucht geschriebene Erinnerung an den „Weihnachtsabend im Elternhaus“ soll für alle stehen. Herr Eberhard H. Hohl aus Hameln fand sie im Nachlass seiner verstorbenen Schwiegermutter, die aus Mohrungen stammte. Und da er die Weihnachtsgeschichten im Ostpreußenblatt immer so interessant und anheimelnd fand, meinte er, dass diese Erinnerung auch gut in unsere Weihnachtsausgabe passen würde. Leider ist sie mit zwölf Seiten viel zu lang, und einige Aufzeichnungen betreffen auch den engeren Familienkreis, sie sind ein großer Dank an ein Elternhaus, das Liebe und Geborgenheit vermittelte, wie schon die Widmung beweist: „Für meine liebste Mutti, geschrieben zum Weihnachtsabend 1951 von ihrer Tochter Eva“. So haben wir bewusst einige Stellen ausgewählt, die mit den Erinnerungen anderer Leserinnen und Leser übereinstimmen und ihnen einen Hauch Kinderweihnacht zurück bringen.

„Weihnachten in Mohrungen. Der letzte Tag vor Heiligabend ist die goldene, noch verschlossene Türe zum Paradies. Am Nachmittag beginnt es in weichen, weißen Flocken zu schneien. Meine Schwester Christel und ich werden zum ,Luftschnappen‘ in den Garten geschickt, dort sind die Tannen schon zu Märchenbäumen geworden, man kann mit dem inneren Auge Lichtchen blinken sehen – bestimmt verbirgt sich dort schon der Weihnachtsmann. Es wird dunkel, und wie immer umfängt mich dieses beseeligende Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit, wenn ich ins Haus eintrete. Es duftet wunderbar nach Gebackenem, es riecht nach Tannengrün, hier und da glitzert ein Lamettafädchen. Aber es ist ja kein Lametta, sondern ein Haar vom Christkindchen, das bei uns war, als wir im Garten tollten.“

Leider bleibt das Christkind unsichtbar, auch am Heiligen Abend, genau wie der Weihnachtsmann, dessen Brummstimme aus dem Weih­nachtszimmer kommt. Als die Kinder klein waren, trat er auch optisch in Erscheinung, leider immer dann, wenn Muttchen gerade in der Stadt zum Einkaufen war! Die Stunden sind mit Ungeduld bis zum Rand gefüllt. Die Türe zum Weihnachtszimmer ist mit einem dicken Vorhang verdeckt, die Mädchen wissen nichts Rechtes mit sich anzufangen. Die Geschenkchen für die Eltern wie die Weihnachtsbogen mit den in der Schule gelernten Gedichten liegen schön verpackt und griffbereit da.

Um fünf Uhr soll sich für uns die Weihnachtsstube öffnen. Der Regulator über dem grünen Plüschsofa tickt hörbar weiter, trotzdem scheint er stille zu stehen. Unsere Herzen klopfen zum Zerspringen. Da dringt aus dem Weihnachtszimmer ein rötlicher Schein, und Kerzenduft erfüllt den Raum. Mutti spielt auf dem Klavier „Ihr Kinderlein kommet“ – und nun fällt der Vorhang! Irgendwie ist mir zum Weinen, so schön ist das alles. Wir treten in das Weihnachtszimmer, unsere kleinen Herzen sind gläubig ergriffen, wir spüren unbewusst die große Liebe unserer Eltern und ahnen den Geist, der unser Haus beseelt. In der linken Ecke leuchtet der Weihnachtsbaum, rote, blaue, grüne, silberne und goldene Kugeln werfen den Lichterschein tausendfältig zurück. Übersät mit Lametta steht die Tanne da wie ein Wunderbaum. Zwischen den Zweigen entdecke ich das ,Weinemännchen‘, ein zuckerweißes. glitzerndes Kerlchen mit bärtigem Papiergesicht. Zwei Papierengelchen blicken auf uns herab, und die Baumspitze funkelt und blitzt. Es gibt einfach keinen schöneren Weih­nachtsbaum!“

Und dann beginnt die Weihnachtsfeier mit dem gemeinsamen Singen von „Stille Nacht, Heilige Nacht“, mit dem Aufsagen der Gedichte und dem Überreichen der Weihnachtsbogen und kleinen Geschenke an die Eltern, und damit wird die Stimmung heiterer. Die Kinder werden an ihre bisher verdeckten Gabentische geführt, neben Nützlichem gibt es auch etwas zum Spielen, Basteln und Lesen. Der Bunte Teller, bis zum Rand gefüllt mit selbstgebackenem Marzipan, Pfefferkuchen und Nüssen, wird überfallen. Und obwohl alle „satt bis oben“ sind, schmeckt doch das Abendbrot, das im Falle der Mohrunger Familie traditionell aus Sülze besteht. Aber in Bezug auf das Weih­nachts­essen gibt es unter unseren Leserinnen und Lesern sicher ganz unterschiedliche Erinnerungen. Doch bei einer dürfte man sich wieder einig sein: Das geliebteste Geschenk wurde je nach Größe und Gewicht mit an oder in das Bett genommen. R.G.


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