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21.12.13 / Löchrig wie Schweizer Käse / Warum die Politik die Meinungsfreiheit längst ausgehöhlt hat

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-13 vom 21. Dezember 2013

Löchrig wie Schweizer Käse
Warum die Politik die Meinungsfreiheit längst ausgehöhlt hat

Im Untertitel seines Buches „Meinungsfreiheit im freiheitlichen Staat“ spricht der Marburger Professor Sebastian Müller-Franken von den „Verfassungsvoraussetzungen einer gefürchteten Freiheit“. Am Ende gibt er die Antwort, was die Furcht der Deutschen vor der Freiheit begründet: „Es ist ihre Unsicherheit, wohin es wohl führen würde, wenn sie Meinungsfreiheit wie andere freiheitliche Staaten ,zulassen‘ würden.“

Dazwischen erfährt der Leser, warum unser Verfassungsrecht auf Meinungsfreiheit bereits löchrig ist wie ein Schweizer Käse und wer dafür verantwortlich ist. Die Liste der Freiheitsbeschränker wird angeführt von unserem Bundespräsidenten Joachim Gauck, der zwar „Freiheit“ auf den Titel seines Buches gehoben hat, seit seinem Amtsantritt aber ein Freiheitsbild vertritt, das Meinungen unterteilt in solche, die „wir benötigen“ und deshalb „geduldig und umsichtig zu vermitteln“ haben, und solche, die, wie die Kanzlerin es nannte „nicht hilfreich“ sind. Inzwischen gibt es jede Menge Themen, bei denen die Richtung öffentlich festgelegt wurde: Europa („mehr“), Islam („friedlich“), Klima („schutzbedürftig“), unkontrollierte Einwanderung, um nur Einige aufzuzählen.

Vor diesem Hintergrund könne man von Deutschland bereits nicht mehr von einem freiheitlichen Staat sprechen, denn ein solcher verzichte darauf, „einen Anspruch auf Wahrheit zu erheben, das heißt im Besitz über die Bestimmung des Menschen, über die Gerechtigkeit und das Gemeinwohl zu sein“, so der Autor. Von allen Freiheitsrechten verlange die Meinungsfreiheit den staatlichen Machthabern am meisten ab. Sie bedeute für die staatliche Ordnung, dass sie sich infrage stellen lassen muss. Wie wenig unsere Politiker dem gewachsen sind, hat erst kürzlich der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer vorgeführt, der gleich nach dem Kadi rief, als eine Moderatorin seinem künftigen Ministerkollegen ein paar kritische Fragen stellte.

Historisch hat es lange gedauert, bis Meinungsfreiheit wenigstens auf dem Papier gewährt wurde. Doch die Praxis sieht düster aus. Es kommt nicht darauf an, ob eine Meinung grundlos, harmlos, gefährlich, verfassungskonform oder -feindlich, abwertend, polemisch oder abstoßend ist. Ein freiheitlicher Diskurs hat das zu ertragen. Es gibt keine „richtigen“ oder „falschen“ Meinungen. Ein freiheitlicher Staat verhält sich indifferent gegenüber diesen Kategorien.

In Deutschland macht sich die Große Koalition daran, nicht nur über die Meinungen, sondern auch die Gefühle der Bürger bestimmen zu wollen. Sie hat einen „Nationalen Aktionsplan“ gegen verschiedene „Phobien“ angeregt, was heißt, dass sie sich anmaßt, Zu- und Abneigungen von Menschen regulieren zu wollen. Schlimmer ist jedoch, dass kaum jemandem auffiel, was da beschlossen wurde.

Müller-Franken legt schlüssig dar, warum es in einem freiheitlichen Staat keinen Staatsfunk geben darf. „Die Meinungsbildung der Bürger muss im gesellschaftlichen Raum in Freiheit erfolgen, das heißt sich vor allem frei vom Staat, von unten nach oben, nicht von oben nach unten vollziehen können.“ In Deutschland würden die staatsfinanzierten Medien aber klar in den Dienst „der kommunikativen Durchsetzung staatlicher Ziele“, wie Klima- oder Europapolitik gestellt.

Wie verhält es sich mit gesellschaftlichen Normen, wie der politischen Korrektheit, die von gesellschaftlichen Gruppen durchgesetzt werden, vor allem mit der Drohung, wer sich nicht beuge, sei unanständig? Indem die politische Korrektheit durch verbale Ächtung und durch die berüchtigten „Wutstürme“ im Internet durch kleine, gut organisierte Gruppen die offene Diskussion immer mehr einschränkt, zerstöre sie die Meinungsfreiheit. Ein freiheitlicher Staat habe auch da Neutralität zu wahren. Er habe keinesfalls die Sprachregelungen der „political correctness“ zu übernehmen und nicht Gruppen, die sie vorantreiben, zu alimentieren. Doch die Realität in Deutschland ist weit davon entfernt. Immer mehr öffentliche Institutionen und politische Körperschaften übernehmen die Sprachregelungen und treiben sie voran. Auch dafür ist der im Koalitionsvertrag festgeschriebene „Nationale Aktionsplan“ gegen verschiedene Phobien ein Beispiel.

Wer Müller-Franken gelesen hat, weiß, dass es höchste Zeit ist, die Fehlentwicklungen zu stoppen. Ein guter Beginn wäre, von staatlichen Institutionen die Neutralität zu verlangen, zu der sie laut Grundgesetz verpflichtet sind. Vera Lengsfeld

Sebastian Müller-Franken: „Meinungsfreiheit im freiheitlichen Staat. Verfassungserwartungen und Verfassungsvoraussetzungen einer gefürchteten Freiheit“, Schöningh, Paderborn 2013, geb., 92 Seiten, 19,90 Euro


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