20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
04.01.14 / Willkür mit Kalkül / Berlin ist die Hauptstadt der Straßenumbenennungen – Stringenz im Handeln ist jedoch selten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-14 vom 04. Januar 2014

Willkür mit Kalkül
Berlin ist die Hauptstadt der Straßenumbenennungen – Stringenz im Handeln ist jedoch selten

Berlin ist wieder geteilt. Nein, nicht ganz Berlin, sondern nur die Einemstraße, denn die ersten 300 Meter heißen seit dem 17. Dezember Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße. Der Fall demonstriert beispielhaft die eigenwillige Logik der Berliner beim Umgang mit Geschichte und Ideologien.

Seit Mitte Dezember entscheidet die Hausnummer über die genaue Adresse der Bewohner der zwischen Nollendorf- und Lützowplatz gelegenen Straße. Die Hausnummern 1 bis 12, die noch im Bezirk Schönefeld liegen, befinden sich jetzt offiziell in der Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße, alle weiteren, die zum Bezirk Mitte gehören, stehen wie bisher in der Einemstraße. Doch wie lange das noch so sein wird, ist ungewiss, denn eigentlich hat der Bezirk Mitte die Umbenennung ebenfalls beschlossen, doch die Widersprüche von 14 Anwohnern legten die Pläne vorerst auf Eis. Sabine Weißler (Grüne), Kulturstadträtin des Bezirks Mitte, findet die derzeitige Situation „unschön und verwirrend“.

Die Initiative ging bereits vor gut vier Jahren vom Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg (LSVD) aus. Da in der Einemstraße viele Anhänger des LSVD wohnen, befasste man sich näher mit dem Namensgeber der Straße. Und dabei fiel auf, dass dieser, der preußische Kriegsminister Karl von Einem (1853–1934), 1907 homosexuelle Offiziere aus den Reihen der Armee werfen wollte. Anlass war ein Skandal um den Diplomanten und Vertrauten des Kaisers Wilhelm II. Philipp zu Eulenburg-Hertefeld, dem von einem Journalisten 1906 vorgeworfen worden war, homosexuell zu sein. Die Gesellschaft reagierte mit Empörung und Homosexualität wurde an den Pranger gestellt. Einem, ein Kind seiner Zeit, ließ sich von der Stimmung anstecken und attackierte homosexuelle Militärs. Im Rahmen der Straßenumbenennung machte die „Berliner Zeitung“ daraus, dass Einem die Vernichtung homosexueller Offiziere gefordert habe, was verdächtig nach „Endlösung“ klingt, in Wahrheit ging es Einem um Entlassung entsprechender Personen aus den Reihen des Militärs.

Die Bezirksverordnetenversammlungen nahmen die Hinweise des LSVD gerne auf und beschlossen die Namensänderung. Schönebergs Stadtrat Daniel Krüger (CDU) lud am Tage der Umbenennung zu einer Informationsveranstaltung, bei der hervorgehoben werden sollte, dass Einems Grundeinstellungen zur Demokratie mit den heutigen Vorstellungen nicht mehr vereinbar seien. Dass diese Aussage auch auf Namensgeber wie Martin Luther, Karl Marx und Ernst Thälmann, ja fast alle historischen Personen, zutrifft, schließlich lebten sie in einer anderen Zeit, in der auch andere Auffassungen verbreitet waren, bleibt unerwähnt.

Das sehen aber auch einige Anwohner der noch nicht umbenannten Einemstraße so und legten deswegen Widerspruch ein. Doch nicht jeder Widerspruch ist für die Beibehaltung des Namens. Sie sind gegen den neuen Namensgeber Karl Heinrich Ulrichs, der ein homosexueller Rechtsanwalt war, der sich bereits 1867 beim deutschen Juristentag für die Straffreiheit gleichgeschlechtlicher Handlungen ausgesprochen hat, weil er keinen Bezug zu Berlin hat oder weil er keine Frau ist. Seit über zehn Jahren ist es nämlich in vielen Berliner Bezirken Gesetz, dass bei Straßenumbenennungen Frauen bevorzugt werden und zwar so lange, bis genauso viele Straßen nach Frauen wie nach Männern benannt sind.

Diese Regelung hatte im Frühjahr 2013 dazu geführt, dass der Wunsch des Jüdischen Museums in Friedrichshain-Kreuzberg, den Vorplatz des Hauses nach dem jüdischen Philosophen und Aufklärer Moses Mendelsohn zu benennen, abgelehnt wurde. Bezirksverordnete der Grünen waren gegen den Vorschlag und verwiesen darauf, dass ein Frauennamen her müsse. Der damalige Kulturstaatsminister Bernd Naumann und Bundesbildungsministerin Johanna Wanka versuchten die Grünen auf die Bedeutung Mendelssohns hinzuweisen, der Historiker Götz Aly meinte, es könne doch nicht sein, dass Mendelssohn, der in der Vergangenheit wegen seiner Religion, dann ab 1933 wegen seiner Rasse, jetzt wegen seines Geschlechts diskriminiert werde, doch die Grünen akzeptierten Mendelsohn nur unter der Bedingung, dass der Name seiner Frau mit auf das Straßenschild kommt. Und so wurde das Wortungetüm Fromet-und-Moses-Mendelsohn-Platz geboren. Aly lästerte dann müsse man auch gleich den Willy-Brandt-Flughafen Rut-und-Brigitte-Seebacher-und-Willy-Brandt-Flughafen-Berlin-Brandenburg nennen. Doch da verstehen die Grünen keinen Spaß.

Auch der Hinweis, dass sie selbst die Frauenquote ignoriert hatten, als es darum ging, Straßen nach dem Studentenführer Rudi Dutschke und dem ehemalige Hausbesetzer Silvio Meier umzubenennen, wurde überhört. Als Daimler-Benz hingegen die Straße vor seiner neuen Vertriebszentrale in Berlin nach Baronin Mercédès Jellinek, der Namenspatronin der Automarke, oder Bertha Benz, der Ehefrau des Unternehmensgründers Carl Benz, aber vor allem auch KfZ-Pionierin, benennen wollte, wetterte man dagegen. „Die können ja gerne hier ihre Zentrale bauen, aber wir sehen unsere Aufgabe nicht darin, Öffentlichkeitsarbeit für die zu machen“, wird die Grünen-Fraktionsvorsitzende Paula Riester in der „taz“ zitiert. Stattdessen wurde ein Rennfahrer aus den 20er Jahren von Seiten des Bezirks vorgeschlagen. Nur der Vorschlag der Piratenpartei, die jüdische Bildhauerin und KZ-Überlebende Edith Kiss als Namensgeberin zu wählen, sorgte schließlich dafür, dass die sonst von den Grünen so betonte Frauenquote doch noch eingehalten wurde.

Als im Frühjahr die Zimmerstraße im Gedenken an das DDR-Maueropfer Peter Fechter umbenannt werden sollte, war wiederum die Frauenquote ein Argument, den Plan zu boykottieren. Rebecca Bellano


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren