28.03.2024

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04.01.14 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-14 vom 04. Januar 2014

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

nun hat also wieder ein Neues Jahr begonnen, und ich hoffe, dass die vielen guten Wünsche für ein weiteres Gedeihen unserer Ostpreußischen Familie sich erfüllen werden. Für die wir uns sehr, sehr herzlich bedanken, gleich ob es sich um Glückwünsche oder Suchwünsche handelt, oft aber auch um beide in enger Verknüpfung, was natürlich die Formulierung des Suchwunsches schwieriger macht. Das dauert dann ein wenig Zeit, und so kann diese oder jene Frage erst mit etwas Verspätung veröffentlicht werden. Vorrang haben sowieso jetzt die Wünsche, die noch vor dem Fest gestellt wurden, aber aus Zeit- und Platzgründen nicht mehr gebracht werden konnten. Dazu gehören die Fragen, die unser in der Heimatforschung so engagierte Landsmann Alfred Warschat aus Köln stellt. Seine Eltern wurden in den Kirchspielen Norkitten und Jod­lau­ken/Schwal­bental geboren. In Heimatbüchern will er dokumentieren, wie früher die Dörfer dieser beiden Kirchspiele aussahen und wer die Bewohner waren. Dafür sucht er Kopien von Urkunden, anderen Dokumenten und alten Fotos. Herr Warschat ist bereits auf sehr gutem Wege, da er seit 15 Jahren Ratsmitglied bei der Kreisgemeinschaft Insterburg ist und große Unterstützung von der „Erlebnisgeneration“ erhielt. Inzwischen korrespondiert er mit den Kindern und Enkeln, die an seiner Heimatarbeit viel stärker interessiert sind, als manche Landsleute glauben wollen. Was ich ja nur bestätigen kann. Deshalb habe ich mich besonders über seine Feststellung gefreut. Der Heimatforscher ist heute in der Lage, von jedem der in den beiden Kirchspielen gelegenen Dörfer eine eigene Chronik zu erstellen. Aktuell sucht er nach den letzten Spuren bisher verschollener Familien, und aus diesem Grund wendet er sich an uns. Hier sind seine Fragen:

„Aus dem Geburtsort meines Vaters Kamputschen/Kampeneck im Kirchspiel Jod­lau­ken/Schwalbental suche ich nach einer Familie Hil(l)ger, die nach der Krieg auf dem Gebiet der ehemaligen DDR gelebt haben soll. Der Vater war Stellmacher/Tischler, seine Frau war eine geborene Motzkus. Das Ehepaar hatte sieben Kinder: Alfred, Herbert, Wolfgang, Waltraud und drei weitere Töchter, Vornamen leider unbekannt. Diese Familie scheint wie vom Erdboden verschwunden zu sein. Welche Leserinnen oder Leser haben da für meine Recherchen eine heiße Spur? Zur Rekonstruktion der im Januar 1945 verlorengegangenen Staatsarchive von Norkitten und Jodlauken suche ich Kopien von Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden. Sehr viele Landsleute haben ihre Dokumente auf der Flucht verloren, dennoch habe ich inzwischen ein paar hundert Urkunden erhalten. Aber auch früher waren die jungen Leute mobil. So hoffe ich, auf diesem Wege Landsleute aufzuspüren, die nach ihrer Geburt oder Eheschließung die Kirchspiele Norkitten oder Jodlauken verlassen haben. Bitte unterstützen Sie mein Wirken gegen das Vergessen“.

Das schreibt ein Mann, dessen Geburtsurkunde nicht in einem der Kirchspiele ausgestellt wurde, sondern im Ok­tober 1945 in einem dänischen Flüchtlingslager! (Alfred Warschat, Bürgershof 1 in 50769 Köln, Telefon 0221/7002670, E-Mail: alfredwarschat@freenet.de)

Wir hätten gedacht, die nächste Frage könnten wir selber beantworten – leider Fehlanzeige. Es geht um das Gut Radnicken [Rodniki] im Samland, 20 Kilometer nordöstlich von Königsberg gelegen. Es ist beziehungsweise war der Geburts- und Wohnort des Vaters des Fragestellers und wird in den Urkunden als Vorwerk bezeichnet. In Langes „Geographischem Ortsverzeichnis Ostpreußen“ wird Radnicken als Gut verzeichnet, das zur Gemeinde Eisliethen, Kirchspiel Pobethen gehört. Bei Google Maps wird Radnicken als Schloss bezeichnet. Der Name taucht noch einmal im Register als „Königl. Radnicken“ auf, wird dort aber als „kleiner Hof“ bezeichnet. Die Sache scheint noch verwirrender, wenn man im „Niekammer“, dem Landwirtschaftlichen Güter-Adressbuch der Provinz Ostpreußen, vergeblich nach einem Gut Radnicken sucht. Noch 1914 wird anlässlich der Gründung des Ostpreußischen Stutbuches für schwere Arbeitspferde als einer der Mitgründer Hartmann-Radnicken genannt. Des Rätsels Lösung: 1930 wurde das Gut aufgesiedelt, der 230 Hektar große Besitz in 40 Siedlungen aufgeteilt. So viel konnten wir herausbekommen, aber es bleiben noch einige Fragen offen. Die können wohl nur von Landsleuten aus dem Kirchspiel Pobethen beantwortet werden, vor allem von ehemaligen Bewohnern der Siedlung. Da wir für den Fragesteller ein volles Antwortpaket schnüren wollen, bitte eventuelle Antworten an die Ostpreußische Familie richten.

Unsere ostpreußischen Ortsnamen machen uns die Suche nicht immer leicht, im Gegenteil, sie legen uns da manchmal ganz schöne Stolpersteine in den Weg. Oder wir finden gar nicht mehr weiter, wie im Falle einer kurzen Anfrage, die sich auf eine Ortschaft namens „Blume“ bezieht. Die blüht jedenfalls nicht in unseren Ortsregistern, höchstens im Plural, denn „Blumen“ war ein Vorwerk im Kreis Mohrungen. Weitere blumenreiche Ortsnamen wie Blumenau, Blumenberg, Blumental gibt es gleich mehrfach, aber sie dürften nicht in Frage kommen. Es ist anzunehmen, dass der gesuchte Ort, den der Anfragende von einem Suchdienst erhielt, gar nicht in Ostpreußen liegt, wie sein Vater immer behauptet hat. Ehe wir nun in Einzelheiten zu der mit diesem Ort verbundenen Personensuche gehen, fragen wir erst mal kurz und knapp: Wer weiß, wo ein Ort „Blume“ liegt oder jedenfalls vor dem Ersten Weltkrieg lag?

Und nun eine Geschichte, die keine Suchfrage enthält, sondern das Ergebnis einer Suche. Und in der auch wieder etliche Stolpersteine liegen – könnten, aber da verlasse ich mich lieber auf den Informanten, und das ist wieder unser Freund Bernd Dauskardt aus Hollenstedt, der ja auf jeder seiner Ostpreußenreisen irgendwie fündig wird. Diesmal geht es um ein altes Gutshaus und um Pläne, es wieder zum Leben zu erwecken und mit Leben zu erfüllen. Auf seinen vielen Reisen nach Nordostpreußen in den letzten Jahren war es immer sein Wunsch gewesen, einmal ein Gutshaus aus alten Zeiten aufzusuchen, es war ihm aber nie vergönnt, ein Herrenhaus zu finden, das noch als solches erkennbar und begehbar war. Doch diesmal wurde er fündig, und zwar auf recht eigenartige Weise. Es begann auf der Hinfahrt seiner letzten Ostpreußenreise Ende Juli 2013. Sein Sitznachbar im Bus war Herr Albrecht Dyck – auch dieser Name wird unseren Leserinnen und Lesern als Chronist von Schillen vertraut sein –, und da hatten sich die Richtigen gefunden. Die Gespräche waren so intensiv, dass man im Bus hellhörig wurde. Und nun lassen wir Herrn Dauskardt selber erzählen:

„Hinter uns saß ein baumlanger Mann, und sein Kopf schob sich immer weiter in unsere Richtung, unsere Gespräche schienen ihn zu interessieren. Beim Standquartier in Tilsit kamen wir uns näher, und wir stellten fest: die „Chemie“ stimmte. Er hieß Rudy Müller, geboren in Brasilien, ein weit gereister Manager, der jetzt mit seiner Familie in Deutschland lebte. Er erzählte mir von seinen ostpreußischen Ahnen und dass sein Großvater mütterlicherseits einmal Amtsvorsteher in Tilsenau-Jonienen war, wo er 1891 geboren wurde, später nach Brasilien auswanderte, wo er 1944 verstarb. Sein Hauptinteresse auf dieser Reise bezog sich auf ein Gut, von dem in der Familie immer gesprochen wurde. Es sollte südlich von Ragnit liegen, in unmittelbarer Nähe von Tilsenau. Wir verfügten über gute deutsch-russische Karten. Die Sache reizte mich.

Eines Morgens ging es per Taxi mit russischem Fahrer los. Nach der Karte entdeckten wir in Großfelde/Gudgallen ein noch relativ gut erhaltenes Gutshaus. Was wir da noch nicht wussten: Wir hatten das Vorwerk Damnitzhof gefunden. Das ergaben spätere Recherchen in Deutschland. Großfelde war durch die Kriegsereignisse vom Erdboden verschwunden. Das Haus ist zur Hälfte bewohnt, die dort lebenden Russen empfingen uns freundlich, aber auch mit Neugierde. So hatte ich mir immer ein ostpreußisches Gutshaus vorgestellt: Dacheindeckung mit roten Ziegeln, eine schwere Eichentür führt ins Haus. Die Treppe zum Haus ist beiderseits mit einem gusseisernen Geländer versehen, natürlich stark verrostet. Man hatte den Eindruck, dass hier jemand vor der Flucht abgeschlossen hatte – und seitdem alles ruhte. Die Russen scheinen sich nicht um den leer stehenden Teil des Hauses zu kümmern. Mein neuer Freund Rudy schmiedete gleich Pläne, er muss über seine Vorfahren zu diesem Gut eine Verbindung haben. Offensichtlich will er sich dort einen weiteren Wohnsitz schaffen, die Russen sollen in einer Hälfte des Hauses verbleiben. Ich sehe das alles recht nüchtern. Wer in Nordostpreußen etwas auf die Beine stellen will, kann böse Überraschungen erleben, es gibt da genug Beispiele. Jedenfalls stellen wir fest: Wir haben das Vorwerk Damnitzhof gefunden, ehemals Remonte-Amtsvorwerk, zuletzt zum Remonteamt Neuhof-Ragnit gehörend. In diesem Jahr werden Rudy und ich uns alles genauer ansehen. Pläne darf man schmieden, an Wunder glauben.“

Das werden sie auch müssen, die emsigen Spurensucher in Ostpreußen, von denen wir mit Sicherheit weiter hören werden. Und wir danken für diese schöne Geschichte, die so recht zum Jahresbeginn passt.

Eure Ruth Geede


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