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04.01.14 / Vom Feind zum Liebling der Stasi / Publikation beleuchtet die Bedeutung des SPD-Politikers Willy Brandt für die DDR-Führung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-14 vom 04. Januar 2014

Vom Feind zum Liebling der Stasi
Publikation beleuchtet die Bedeutung des SPD-Politikers Willy Brandt für die DDR-Führung

Bereits ab Mitte November begannen die großen Magazine wie „Spiegel“ und „Focus“ in Jubelartikeln den 100. Geburtstag von Ex-Bundeskanzler Willy Brandt zu feiern. Als am 18. Dezember endlich der Tag gekommen war, waren die meisten Deutschen schon mit Informationen gesättigt. Kleine Veröffentlichungen hatten da kaum eine Chance, mit ihren Details die breite Öffentlichkeit zu erreichen. Schon gar nicht, wenn es sich um eine nicht in Buchhandlungen frei zu erwerbende Publikation wie „Kampagnen, Spione, geheime Kanäle. Die Stasi und Willy Brandt“ aus der Schriftenreihe des Bundesbeauftragen für die Stasi-Unterlagen handelt, die nur bei der Behörde zu beziehen ist. Dabei lohnt sich die Lektüre der Schrift von Dr. Daniela Münkel, der Projektleiterin in der Forschungsabteilung des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, durchaus.

Doch vorab: Spektakuläre Anklagen gegen Brandt bezüglich einer Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit der DDR oder neue Details sind hier nicht zu finden. Trotzdem ist es interessant zu erfahren, was die Stasi in dem SPD-Politiker sah und inwieweit prominente SPD-Mitglieder durchaus mit dem verlängerten Arm der kommunistischen Machthaber zusammengearbeitet haben.

Bereits 1957 habe sich die Stasi mit Brandt zu beschäftigen begonnen. In seiner Funktion als Regierender Bürgermeister West-Berlins habe die DDR-Führung in ihm den „Inbegriff des ,Kalten Kriegers‘“ gesehen, wie Münkel schreibt. Daher habe die Stasi versucht, den SPD-Politiker zu diskreditieren. Hier galt es, an im Westen verbreitete Vorurteile gegen Emigranten anzuknüpfen, denn Brandt, der eigentlich Herbert Frahm hieß, war während der NS-Zeit nach Norwegen ins Exil gegangen. Und so seien von der Stasi Artikel lanciert worden, laut denen Brandt während des Zweiten Weltkrieges als Spion für Großbritannien und die USA gearbeitet habe. Zugleich sei aber auch versucht worden, Brandt Verbindungen zur NS-Geheimpolizei Gestapo zu unterstellen.

Doch all das habe nichts gebracht: Brandt machte weiter ungebremst Karriere und wurde 1969 sogar Bundeskanzler. Doch zu diesem Zeitpunkt habe die SED bereits einen Sinneswandel vollzogen, betont die Autorin. Nicht nur die Passierscheinverhandlungen der SED mit Brandt hätten gezeigt, dass dieser sich aufgeschlossen gegenüber der DDR zeigte. Seine Ostpolitik, die unter dem Schlagwort „Wandel durch Annäherung“ in die Geschichte einging, habe in Ostberlin die Hoffnung auf die langersehnte staatliche Anerkennung unter einem Kanzler Brandt keimen lassen. Doch Münkel fand in den Stasi-Unterlagen Belege dafür, dass die Stasi bereits 1965 überlegt habe, wie sie Brandt Wahlkampfhilfe leisten könne. Und so habe die Stasi Brandt über einen Mittelsmann Dokumente gegen seinen parteiinternen Konkurrenten Fritz Erler zugespielt, die dieser jedoch nie einsetzte. Münkel betont jedoch, dass Brandt gar nicht die Zeit gehabt habe, die Dokumente zu verwenden, da Erler 1966 wegen einer Krebserkrankung alle Ämter abgeben musste.

In Münkels Publikation taucht immer wieder der Name Egon Bahr auf. Der Brandt-Vertraute und SPD-Politiker hat hiernach den Kontakt zur Stasi beziehungsweise zum Mittelsmann gepflegt.

„Zweimal beeinflusste die Staatssicherheit – einmal gewollt und einmal ungewollt – den Werdegang von Willy Brandt“, so die Autorin. Beim Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Brandt 1972 wegen seiner Ostpolitik stützt sich Münkel auf Berichte von Hermann von Berg. Der westdeutsche Journalist und Bahrs Verbindung zur Stasi behauptet, er habe mit diesem über die Bestechung zweier Unions-Politiker gesprochen. Bahr jedoch behauptet, dieses Gespräch habe nicht stattgefunden. Fakt ist aber, dass die Stasi die Abstimmung gekauft hat. Doch hatte sie Brandt 1972 noch im Amt halten können, so trug sie 1974 Mitschuld an seinem Abgang, da damals herauskam, dass Brandts Vertrauter Günter Guillaume Agent der Stasi war. Münkel zitiert jedoch aus Stasi-Dokumenten, in denen die Stasi sich ihre Mitschuld kleinzureden versucht, denn der „Fall Guillaume“ sei nur eine von mehreren Ursachen für Brandts Sturz. „Eine ganze Reihe von Schwierigkeiten hängen mit seinen charakterlichen Eigenschaften zusammen“, heißt es da.

Richtig warm sei die Stasi aber mit Brandt nie geworden, er sei nur die bessere Alternative unter den westdeutschen Kanzlerkandidaten gewesen, hebt Münkel hervor. Denn da Brandt ein Hoffnungsträger für die DDR-Bürger gewesen sei, führten deren spontane Sympathiebekundungen der DDR-Führung stets vor Augen, dass ihr Rückhalt in der eigenen Bevölkerung begrenzt war. Rebecca Bellano

Daniela Münkel: „Kampagnen, Spione, geheime Kanäle. Die Stasi und Willy Brandt“, Schriftenreihe des Bundesbeauftragen für die Stasi-Unterlagen, zu beziehen unter: Telefon (030) 23 24-71 71, Berlin 2013, 83 Seiten, Schutzgebühr 2,50 Euro


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