26.04.2024

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Preußische Allgemeine Zeitung - Aktuelle Ausgabe

© Preußische Allgemeine Zeitung Folge 22/14 vom 31.05.2014

S. 1 Preußische Allgemeine Zeitung

Sturm über Europa
EU-Wahl bringt wichtige Regierungen in heftige Bedrängnis

Das EU-Projekt soll weitergehen wie bisher. Doch die etablierte Politik wird ein „Weiter so“ kaum noch durchsetzen können.

Noch am Abend der Wahl begannen die Schönredner ihr Konzert: Die Euro-Skeptiker von links bis rechts seien trotz ihrer Erfolge eine Minderheit geblieben, die etablierten Parteien behielten im EU-Parlament ja die Mehrheit. Die „Zeit“ beruhigt sich gar mit dem Eingeständnis, dass das Parlament ohnehin kaum etwas zu sagen habe, weshalb das Wahlergebnis den Gang der europäischen Dinge wenig beeinflussen werde.

Aus dieser fragwürdigen Selbstberuhigung spricht genau jene Arroganz des EU-Establishments, die erst zu diesem Wahlergebnis geführt hat. Die Aussage dahinter lautet nämlich: Völker und Bürger Europas, macht doch was ihr wollt, wir ziehen unser „Projekt“ trotzdem durch, wenn nicht mit euch, dann eben über euch hinweg oder auch gegen euch!

Zudem deutet die vielfach aufgewärmte Behauptung, das Wahlergebnis ändere ja nicht viel, weil die eigentlichen Entscheidungen nicht vom Parlament, sondern bei den Kommissaren und den hinter ihnen stehenden Nationalregierungen gefällt würden, in die falsche Richtung. Gerade etliche Nationalregierungen sind am Sonntag schließlich in erhebliche Schwierigkeiten geraten, und das wird sich in der EU auswirken. In Großbritannien und Frankreich, zwei der vier größten Nationen in der EU, sind die Euro-Skeptiker an den Regierungsparteien vorbeigezogen. James Cameron und François Hollande werden schon aus Gründen des Selbsterhalts darauf reagieren müssen. Da dürfte es ungemütlich werden für die „Weiter so“-Europäer.

An der Wahl hat sich auch gezeigt, dass die EU die Menschen verblüffend kalt lässt und vor allem als materielle Zugewinngemeinschaft betrachtet wird, die plötzlich nicht mehr liefert, was sie versprochen hat. Die erfolgreichen Euro-Skeptiker teilen sich daher in zwei gegensätzliche Lager, die sich auch geografisch zuordnen lassen: In den reicheren Geberländern sind sie bürgerlich, in den ärmeren Nehmerländern links, in Frankreich, das an der Schwelle zwischen Nord und Süd steht, hat sich die rechtslinke Mischung des Front National durchgesetzt.

Hier zeigt sich: Während Nordeuropäer das Zahlen satt haben, fordern Südeuropäer nur noch mehr „Umverteilung“ zu ihren Gunsten. Das kann nicht aufgehen. Die Deutschen gaben ihrer AfD im EU-Vergleich bescheidene sieben Prozent. Wer aber weiß, was daraus noch werden kann, wenn die Rechnungen der Euro-Schuldenstaaten, für die Deutschland geradesteht, fällig gestellt und damit schmerzhaft spürbar werden?

An der Notwendigkeit der europäischen Eintracht zweifelt niemand. Möglicherweise aber erweisen sich EU und Euro als historische Fehlzündungen auf diesem Weg. Dann war der Sonntag die Zäsur und es wird Zeit, über Europa ganz neu nachzudenken.

Hans Heckel


Niederlage für Wowereit
Berliner stimmten gegen Bebauung des Tempelhofer Feldes

Beim Volksentscheid über die Zukunft des ehemaligen Flughafens Berlin-Tempelhof hat eine deutliche Mehrheit gegen dessen Bebauung gestimmt – und damit gegen den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Bei dem Volksentscheid ging es um zwei Gesetzesvorschläge. Die Bürgerinitiative „100 Prozent Tempelhofer Feld“ hatte gefordert, dass der Senat das Gelände weder verkaufen noch bebauen dürfe. Dagegen hatte die Regierungskoalition aus SPD und CDU einen Vorschlag gemacht, der lediglich eine Randbebauung vorsah.

Insgesamt haben 30 Prozent aller 2,5 Millionen abstimmungsberechtigten Berliner gegen eine Bebauung gestimmt und damit das Quorum erfüllt. Im Einzelnen haben 64,3 Prozent für den Plan der Initiative votiert, 35,7 Prozent stimmten gegen einen Erhalt der Freifläche. Für den Entwurf der Großen Koalition stimmten 40,8 Prozent der Berliner, 59,2 Prozent hingehen lehnten auch die Randbebauung ab.

Für Wowereit ist das eine herbe Niederlage, die er sich selbst zuzuschreiben hat. Die Planungen für die Bebauung des Tempelhofer Feldes wurden von Beginn an als unvollständig und intransparent kritisiert. Der Gesetzentwurf des Senats war zudem erkennbar mit heißer Nadel gestrickt und ließ keinerlei Verhandlungs- oder Kompromissbereitschaft erkennen. Wowereit kündigte an, nun an anderer Stelle zu bauen. Alle Planungen zu Tempelhof seien einzustellen. Deutlicher kann das Eingeständnis seines totalen Scheiterns nicht ausfallen. Für den „Tagesspiegel“ ist klar: „Wohl kaum einer glaubt noch daran, dass diese Koalition überhaupt einen Plan hat – und diesen dann auch noch in einem halbwegs verträglichen Zeit- und Kostenrahmen umsetzen könnte.“ Und laut Felix Herzog, Initiator des Volksentscheids, hat die Große Koalition in Berlin nach diesem Ergebnis „keine Berechtigung mehr“. J.H.


Keine Ehrung für Barroso
Polnische Professoren verweigern die Ehrendoktorwürde

Die Antwort der Professoren des Instituts für Internationale Studien der Universität Krakau auf den Vorschlag des Universitätspräsidenten, dem scheidenden EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso die Ehrendoktorwürde zu verleihen, war kurz und bündig: „nicht würdig“. Sie hätten den Antrag ganz einfach mit Hinweis darauf, dass kein aktiver Politiker Ehrendoktor werden dürfe, ablehnen können, doch sie wollten, dass jeder weiß, was sie von dem portugiesischen Europapolitiker halten. Als ehemaliger Maoist und Kommunist sei der heutige Konservative ein „politisches Chamäleon“. Als ein weiteres Argument für die Ablehnung einer Ehrung des seit zehn Jahren amtierenden EU-Kommissionspräsidenten führten sie dessen offensives Eintreten für das sogenannte Gender Mainstreaming an, durch das er versuche, jedes noch vorhandene Rollenverständnis von Mann und Frau zu beseitigen und die Geschlechter zu nivellieren.

Eigentlich hätte Barroso während des Festaktes anlässlich des 650. Jahrestages der Gründung der Krakauer Universität für „seine Verdienste um Mitteleuropa“ geehrt werden sollen. Der 1956 geborene promovierte Jurist, Politik- und Wirtschaftswissenschaftler begann seine politische Laufbahn im Alter von 18 Jahren. Er war einer der Parteiführer der „Kommunistischen Partei der portugiesischen Werktätigen – Bewegung zur Reorganisation der Partei des Proletariats“ (PCTP-MRPP), wandte sich später den Konservativen zu und ist seit knapp 30 Jahren als Berufspolitiker tätig. Für den ebenfalls konservativen EU-Parlamentarier Ryszard Legutko ist er nur ein „durchschnittlicher Beamter und Politiker, glatt und unauffällig“. Wie Barroso, der bereits über die geplante Ehrung informiert war, auf die Blamage reagiert hat, ist nicht bekannt. J.H.


Jan Heitmann:
Jetzt ist ab

Nach fest kommt ab, könnte man sagen, wenn man das Abschneiden der CSU bei der EU-Wahl betrachtet. Es ist typisch für die Christsozialen, kurz vor einer Wahl noch schnell dem Volk aufs Maul zu schauen und ihm dann nach dem Mund zu reden. Bisher ist diese Rechnung immer irgendwie aufgegangen. Doch der Versuch, in letzter Minute gleichermaßen europafreundlich wie europakritisch daherzukommen, konnte nicht gelingen, denn der Spagat zwischen beidem war einfach zu groß. Wenn die etablierten Parteien die Stimmung im Volk aufnehmen, ist das an sich höchst löblich. In diesem Fall allerdings war der Spagat kein aus Überzeugung, sondern zu offensichtlich ein aus Angst vor der AfD gewachsenes Wahlkampfmanöver.

Beim CSU-Parteivorsitzenden Horst Seehofer weiß man ohnehin nicht mehr, wofür er eigentlich steht, so oft wechselt er seine Positionen. Ein Franz Josef Strauß und auch ein Edmund Stoiber konnten dieses Mittel und auch die Kunst, gleichzeitig gegenläufige Meinungen zu vertreten, virtuos zu ihrem Vorteil einsetzen. Seehofer dagegen hat seine Glaubwürdigkeit eingebüßt, denn er hat es mit seiner Zickzack-Ideologie übertrieben. Die Wähler sind eben nicht so dumm, wie die Politiker sie gern hätten. Sie haben lieber das Original, nämlich die AfD, ins EU-Parlament gewählt und die CSU mit dem schlechtesten Ergebnis bei einer landesweiten Wahl seit 60 Jahren abgestraft. Wieder einmal hat die Seehofer-CSU dem Volk allzu ostentativ nach dem Mund geredet, doch diesmal dafür vom ihm aufs Maul bekommen. Nach fest kommt eben ab.


S. 2 Aktuell

Ruhe nach dem Sturm?
Ukrainischer Präsident Poroschenko vor schwierigen Aufgaben: Er will Krim und Donezk zurückholen

Pjotr Poroschenko geht als eindeutiger Sieger der Präsidentenwahl der Ukraine hervor. Sowohl der Westen als auch Moskau begrüßen den Wahlausgang. Die Zeichen für eine Entspannung der Lage stünden gut, wären da nicht die Separatisten im Südosten der Ukraine, die weiter auf Konfrontation setzen. Poroschenko ist ein Hoffnungsträger, dessen Verhandlungsgeschick auf dem Prüfstand steht.

An dem Ergebnis gibt es nichts zu rütteln. Rund 54 Prozent der ukrainischen Wähler schenkten Poroschenko ihre Stimme. Ausgenommen sind die im Donezk lebenden Menschen, wo Separatisten sie an der Wahlteilnahme hinderten. Hier blieben alle Wahllokale geschlossen.

Umfragen vor der Wahl zeigen, dass die Ukrainer sich wünschen, dass wieder Normalität in ihr Leben zurückkehrt. Nun hängt es vom Geschick des neu gewählten Präsidenten ab, der erklärte, er werde die Krim zurückholen, ob die Ukraine als geeintes Land aus der Krise hervorgehen wird.

Poroschenko kündigte an, sobald als möglich in die Donezk-Region zu reisen. Er setzt einerseits auf Gespräche vor Ort, gleichzeitig droht er mit weiteren „Anti-Terror-Operationen“ gegen Separatisten. Er kündigte die Aufrüstung der Armee und die Erhöhung ihrer Einsatzfähigkeit an.

Der Schokoladenzar hatte sich von Beginn der Majdan-Unruhen an für die EU-Integration seines Landes ausgesprochen. Diese erklärte er auch nach seiner Wahl zum vordringlichsten Ziel. Kürzlich hat die EU hat die erste Tranche der zugesagten Finanzhilfe in Höhe von 100 Millionen Euro ausgezahlt. Allerdings hat der Internationale Währungsfonds (IWF) schon Anfang Mai die Lösung der Situation in der Industrieregion des Donezk-Beckens als Voraussetzung für weitere Zahlungen zur Bedingung erklärt. Die Zeit sitzt Poroschenko im Nacken, denn die Industrieregion im Osten ist die Hauptquelle, aus der Gelder ins Staatsbudget sprudeln. Die östlichen Regionen sorgen für einen Finanzausgleich für die wirtschaftlich schwächeren im Westen, wofür die Industrie Subventionen für Energie erhält.

Es stellt sich die Frage, welche Rolle die Oligarchen im Osten bei der Separatismusbewegung spielen. Da der neue Präsident selbst Milliardär ist, scherzen Kritiker bereits, das Volk habe lediglich einen Verbrecher gegen einen anderen ausgetauscht. Rinat Achmetow, Stahlmagnat und reichster Ukrainer, überraschte in der vergangenen Woche damit, dass er die Arbeiter seiner eigenen Fabriken zum Streik aufrief. Sie sollten gegen Separatismusbestrebungen auftreten. Wie Poroschenko hatte er sich schon zu Beginn der Majdan-Proteste für die Einheit des Landes ausgesprochen, aber eine Dezentralisierung der Macht unterstützt. Jedoch dementierte er, die Separatisten finanziell zu unterstützen. Zwar gibt es Hinweise darauf, dass Oligarchen Separatisten gekauft und Bürokraten manipuliert haben, allerdings bilden die Abtrünnigen selbst keine Einheit. Insofern könnte Achmetow Einfluss auf einige Separatisten haben, aber eben nicht auf alle. So fiel der Oligarch bei der Übergangsregierung genauso in Ungnade wie bei der Donezker Volksrepublik, deren Führer von ihm den Treueschwur verlangten, andernfalls drohten sie ihm mit der Enteignung seines Besitzes. Kiew warf Achmetow vor, durch seine Untätigkeit die Kontrolle völlig aus den Händen verloren zu haben. Viele glauben, er habe abwarten wollen, um den Retter der Nation spielen zu können. Nun drohe er, Opfer seiner eigenen Rhetorik zu werden. Die Separatisten müssten nur zum Streik gegen den Oligarchen aufrufen und die Menschen davon überzeugen, dass dieser für die „Junta in Kiew“ arbeite.

Die Übergangsregierung hat auf Druckausübung und Isolation der Separatisten gesetzt. Zunächst schickte sie Panzer nach Osten, doch nachdem die Militäroperation gegen die Aufständischen sich als wenig effektiv erwiesen hatte, setzte Innenminister Arsen Awakow auf das Einfrieren von Renten und Arbeitslöhnen in Slawjansk und Kramatorsk. Die Post, der Bahnhof und andere öffentliche Einrichtungen sollten geschlossen bleiben. Bewohner, die ihre Rente gewöhnlich von der Post abholen, sollten leer ausgehen. Fraglich, ob der neue Präsident solch ein Vorgehen gutheißen wird.

Poroschenko hat angekündigt, sich Mitte Juni mit Wladimir Putin zu treffen, den er persönlich kennt. Vorher reist er am 4. Juni nach Polen, da der polnische Präsident Bronisław Komorowski ihn als erster eingeladen hatte. Dem Treffen mit Putin wird ein Besuch bei Barack Obama vorausgehen. Dies signalisiert deutlich, welche Prioritäten der neue Präsident setzt, aber auch, dass er die Beziehung zu Moskau nicht auf Eis legen wird.

Entgegen zahlreicher Meldungen und Spekulationen in westlichen Medien kann Russland im Grunde an einer Spaltung der Ukraine nicht gelegen sein. Darauf lässt auch das Votum zahlreicher Abgeordneter der Staatsduma für einen Zusammenhalt der Ukraine vor der Wahl schließen. Die Abgeordneten wollen, dass das Donezker Gebiet in der Ukraine und im Dialog mit Kiew bleibt.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow erklärte, Moskau begrüße die Wahl, mit der Einschränkung, dass die Rechte der Menschen im Osten gewahrt werden müssten. Nach den schleppenden Wirtschaftsverhandlungen mit China wird erkennbar, dass Putin die wirtschaftliche Kooperation mit der EU auf jeden Fall erhalten will. Putin-Berater Sergej Glasjew sagte, eine militärische Einmischung in der Ukraine sei das, was die Amerikaner Russland andichten wollten. Moskau setze lediglich auf die Absetzung „der Faschisten in Kiew“.

In der Region Donezk wächst die Angst der Bevölkerung vor bewaffneten Überfällen. Viele trauen sich nicht mehr auf die Straße.

Mit Poroschenko ist ein legitim gewählter Präsident im Amt, der vor der schwierigen Aufgabe steht, die in ihn gesetzten Erwartungen zu erfüllen. M. Rosenthal-Kappi


Ränder weiter erstarkt
EU-Wahl: Extrem-linke und -rechte Parteien siegen in Griechenland

Noch schwieriger als bisher dürfte nach den EU-Wahlen das Regieren für die Koalition aus Pasok und Nea Dimokratia in Griechenland werden. Griechenlands Wähler haben die EU-kritische Syriza mit über 26 Prozent Stimmanteil zur stärksten Partei gemacht. Zwar fiel der Sieg nicht so eindeutig aus, wie dies Meinungsumfragen vorab vermuten ließen, der Vorsprung von mehreren Prozentpunkten zur Nea Dimokratia von Premier Antonis Samaras ist aber deutlich genug. Trotz Wahlgeschenken wie einer Zulage für sozial Schwache wurde die Nea Dimokratia klar auf Rang zwei verwiesen.

Ihr kleiner Koalitionspartner, die Pasok, wurde von den Wählern sogar regelrecht abgestraft. 2009 noch der Sieger der EU-Wahl, musste Pasok ein Minus von fast 29 Prozent verkraften. Ein Elia (Olivenbaum) getauftes gemeinsames Wahlbündnis mit einigen sozialistischen Kleinparteien rettete Pasok zwar vor dem völligen Absturz, am Ende reichte es für die jahrzehntelange Regierungspartei aber auch nur für einen Stimmanteil von rund acht Prozent.

Das Bündnis aus Pasok und Nea Dimokratia wird durch das Wählervotum noch stärker als bisher belastet. Schon seit zwei Jahren kann sich die Koalition nur auf eine hauchdünne Mehrheit von zwei Sitzen im Parlament stützen. Den Sieg bei der EU-Wahl im Rücken, drängt Syriza-Chef Alexis Tsipras nun auf vorgezogene Neuwahlen in Griechenland. In die Hände spielen könnte Tsipras dabei die desolate Lage der Pasok. In Athen halten Beobachter es durchaus für möglich, dass sich unter dem Eindruck des Wahldebakels in der Pasok-Parlamentsfraktion Selbstauflösungserscheinungen breit machen, welche die Koalition in Gefahr bringen und Neuwahlen auslösen. Spätestens mit den 2015 anstehenden Präsidentenwahlen dürfte Tsipras seine Chance auf Neuwahlen erhalten. Blockiert Syriza im Parlament die Wahl eines neuen Staatspräsidenten, muss das Parlament aufgelöst werden.

Legt man die Ergebnisse von Europa- und Kommunalwahlen zugrunde, kann sich nicht nur die linksradikale Syriza Chancen ausmalen, von Neuwahlen zu profitieren. Die neonazistische Partei „Goldene Morgenröte“ (Chrysi Avgi) ist auf dem besten Weg, sich als drittstärkste politische Kraft Griechenlands zu etablieren. Erst im Jahr 1993 registriert, lagen die Wahlergebnisse der „Goldenen Morgenröte“ über Jahre hinweg bei weniger als einem halben Prozent. Die mit NS-Symbolik auftretende Partei galt zwar als extreme, aber auch als unbedeutende Splittergruppe. Schlagartig geändert hat sich dies mit der Wirtschaftskrise in Griechenland. Bei der Wahl im Juni 2012 zog die Partei mit sieben Prozent zum ersten Mal ins Parlament ein. Mit rund zehn Prozent, die bei der EU-Wahl eingefahren wurden, hat sich die „Goldene Morgenröte“ nach Syriza und Nea Dimokratia nun auf Rang drei unter Griechenlands Parteien katapultiert. Angekündigt hatte sich der Erfolg bei der EU-Wahl bereits bei der ersten Runde der Kommunalwahlen am 18. Mai. Überraschend hatte es Elias Kasidiaris, der Kandidat der „Goldenen Morgenröte“ für das Amt des Athener Bürgermeisters, auf elf Prozent gebracht. N.H.


Gericht trickst
Verfassungsklage wegen AfD gescheitert

Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerde des ehemaligen AfD-Mitglieds Elias Mößner gegen die Zulassung der AfD als Partei für die EU-Wahlen nicht zur Entscheidung angenommen (siehe PAZ 18/2014). Der einstimmige Beschluss vom 19. Mai erging ohne mündliche Verhandlung und Begründung. Er ist unanfechtbar. Dieses Verfahren ist möglich, wenn das Gericht der Sache keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung beimisst oder eine Entscheidung zur Durchsetzung bestimmter verfassungsmäßiger Rechte für nicht „angezeigt“ erachtet.

Damit ist die Kammer einem begründeten Urteil ausgewichen und hat sich so aus einer heiklen Lage befreit. Denn hätten sich Mößners Argumente als stichhaltig erwiesen, hätten die Verfassungsrichter in einer Zwickmühle gesteckt. Bei ihren Entscheidungen zur Euro-Rettung haben sie stets Rechtsverstöße erkannt, diese jedoch toleriert und die Beschwerden abgewiesen. Hätten sie nun ausgerechnet der Partei, deren Existenz eine mittelbare Folge ihrer Entscheidungen ist, die Teilnahme an der EU-Wahl mit Hinweis auf Formalien verwehrt, wäre dies kaum nachvollziehbar gewesen.

Mößner hatte in seiner Beschwerde bemängelt, dass das Verfahren zur Aufstellung der AfD-Kandidaten „mehrfach demokratische und rechtsstaatliche Mindeststandards verletzt“ habe, die vom Grundgesetz gefordert seien. Den Ablehnungsbeschluss betrachtet er gleichwohl als „persönlichen Sieg“. Seine Argumente seien wohl zu überzeugend gewesen, so dass dem Gericht kein anderer Ausweg als die begründungslose Ablehnung geblieben sei, um sich nicht mit ihnen auseinandersetzen zu müssen. Obwohl der Beschluss keinerlei rechtliche Ausführungen enthalte, könne man ihm, so der Jurist Mößner weiter, eine „ganz gravierende staatsrechtliche Aussage“ entnehmen: „Das demokratische Prinzip ist uns egal! Es ist bedeutungslos! Du bist nicht der Souverän! Aber Du kannst gern weiter daran glauben!“ J.H.


MELDUNGEN

Posselt nicht mehr dabei

München – Das schlechte Abschneiden der CSU bei der EU-Wahl hat ein prominentes Opfer gefordert. Bernd Posselt, seit 1994 Abgeordneter in Brüssel und stets ein Garant für den Wahlerfolg seiner Partei, hat den Wiedereinzug ins EU-Parlament verpasst. Mit dem Scheitern des Bundesvorsitzenden der Sudetendeutschen Landsmannschaft verlieren die deutschen Vertriebenen eine Stimme in Brüssel. Der 1956 geborene Posselt ist zudem Landesvorsitzender der Union der Vertriebenen in der CSU und gehört zu den Gründungsmitgliedern des konservativen Studienzentrums Weikersheim. Die Schuld für sein Scheitern gibt er der CSU, da diese „ihren proeuropäischen Kurs“ hätte deutlicher machen müssen. J.H.

 

1200 Piraten vor Gericht

Berlin – Seit Beginn der Anti-Piraterie-Operation „Atalanta“ im September 2008 standen nach Angaben des Auswärtigen Amtes weltweit über 1200 Personen wegen des Verdachts auf Piraterie vor Gericht oder wurden bereits verurteilt, davon elf in Deutschland. Wichtigste Ursache für die Piraterie sei die Abwesenheit funktionierender staatlicher Sicherheitsstrukturen. Von den Angeklagten oft angeführte Entlastungsgründe wie die in ihrer Heimat herrschende Armut oder die Arbeitslosigkeit der Fischer, denen internationale Fangflotten die Meere leerfischen würden, seien nicht zu belegen. Wäre die Armut tatsächlich der ausschlaggebende Grund, müssten auch andere Küstenregionen der Welt ein ähnliches Piraterie-Problem haben, was aber nicht der Fall sei. Seit dem Start der multinationalen EU-Mission „Atalanta“ ist die Piraterie in dem Operationsgebiet vor der Küste Somalias, am Horn von Afrika und im Golf von Aden spürbar zurückgegangen. J.H.


S. 3 Preussen/Berlin

CDU ringt um beschädigtes Profil
Innensenator Frank Henkel lässt Zuwandererlager an der Gedächtniskirche räumen

„Ein jegliches hat seine Zeit“, heißt es in der Bibel: Für Berlins Senat ist zur Europawahl die Zeit des Verhandelns mit Zuwanderern einer Zeit des Durchgreifens gewichen – zumindest scheinbar, denn die Strategie ist Eigenschutz.

Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) hat den Breitscheidplatz, quasi das Herz des alten West-Berlin, vorletzten Dienstag von Zuwanderern räumen lassen. Ein Polizeiaufgebot von 120 Beamten stellte die Identität von elf dort lagernden Zuwanderern fest. Einige von ihnen gaben in den Medien zuvor ihren Verstoß gegen die Residenzpflicht und damit das Asylrecht demonstrativ bekannt. Nun hat die Polizei sie zurück nach Sachsen-Anhalt geschickt.

Während der „Tagesspiegel“ noch fragt, „warum CDU-Chef Frank Henkel 120 Polizisten zum Flüchtlingscamp an der Gedächtniskirche schickte, um eine Ordnungswidrigkeit prüfen“ zu lassen, fragt die linke „taz“ nach einer „Zäsur in der Berliner Flüchtlingspolitik“. Der politische Richtungsstreit um eben jene schien nach der freiwilligen Aufgabe des Oranienplatzlagers durch dort lagernde Zuwanderer für Berlins Politik im April gelöst. Die Besetzer des Platzes und einer Schule verteilten sich auf bereitgestellte Unterkünfte. Einige wollten ihren lagernden Protest gegen deutsches Asylrecht und ausbleibende pauschale Anerkennung durch die Politik fortsetzen. Dem hat Senator Henkel nun sichtbar ein vorläufiges Ende gesetzt. Nach Feststellung ihrer Identität und Klärung der Frage, ob die Männer gegen die im Asylverfahrens- und im Aufenthaltsgesetz geregelte Residenzpflicht verstoßen, schickte die Polizei sie nach Halle. Die Residenzpflicht verbietet Asylbewerbern, den Landkreis oder das Bundesland, in dem ihr Verfahren bearbeitet wird, ohne Genehmigung zu verlassen. Die Verstetigung neuer Protestlager ist nun also gebremst.

Der Pfarrer der nahen Gedächtnis-kirche protestierte gegen den Polizeieinsatz. Das sei der Bruch eines Versprechens. „Das Besondere an der Situation war ja gerade, dass die Polizei gesagt hat: Wir geben euch als Kirche den Raum, jetzt in einer angemessenen Weise eine Lösung zu finden, und sehen für einen Zeitpunkt davon ab, die Verletzung der Residenzpflicht zum Grund unseres Handelns zu machen“, sagte Pastor Martin Germer. Er wirft Henkel vor, sich nicht an Absprachen gehalten zu haben.

Germer lässt dabei außer Acht, dass die Polizei nicht auf die Durchsetzung des Rechts verzichten kann. Die Kalkulation kirchlicher wie linker Gruppen, ein neues Kirchenasyl nach Hamburger Vorbild zu etablieren, dürfte Henkel tatsächlich abgeschreckt haben. Die CDU musste kurz vor der Wahl noch im eigenen Lager punkten, denn bei der regierenden SPD hatte Henkel eine Räumung des Oranienplatzlagers seinerzeit nicht durchsetzen können. Seine CDU dümpelte jüngst im Umfragetief bei 19 Prozent. Nicht einmal eine Kontrolle der offensichtlich gegen Auflagen verstoßenden Kampierer ließ Henkel durch die Polizei damals vornehmen, was ihm ausgerechnet Berlins Grüne nun in der Frage der elf Zuwanderer vorhalten. So wird es in Berlin nicht nur im Freien wärmer und begünstigt die Sommersaison das Kampieren – beginnt eine heißere Phase, in der sich die CDU gegenüber dem linken SPD-Flügel behaupten muss.

Manche der Oranienplatzbesetzer marschierten zur Europawahl von Berlin aus nach Brüssel. Ihr Ziel ist die Veränderung deutschen Asylrechts. Die Abschaffung des Dublin-Verfahrens, das Asylbewerbern vorgibt, im Land ihrer Ersteinreise in die EU Asyl zu beantragen und nicht im wohlhabenden Deutschland, steht mehr denn je im Fokus der Flüchtlingslobby. So zitiert die „Berliner Zeitung“ den türkischen Aktivisten Turgay Ulu: „Wir haben den Oranienplatz besetzt, sind von Würzburg nach Berlin gelaufen und in den Hungerstreik getreten. Aber das Problem liegt nicht in Deutschland, sondern in der EU.“

Eine Verlagerung des Konflikts weg von Berlin käme der dortigen Politik allzu gelegen. Die der Senatorin Dilek Kolat (SPD) als freiwillige Räumung zugeschriebene „Lösung“ für das Oranienplatzlager hat indes die Duldungsbereitschaft der Hauptstadt-SPD medienwirksam zur Schau gestellt. Anders als in Hamburg, wo die regierende SPD auf der Durchführung geltenden Rechts pocht und dafür eingeworfene Scheiben von Parteilokalen und Hass vom linken bis ins grüne Lager erntet, sagte Berlins Senat erneute Prüfung zu, und zwar auch bereits rechtsstaatlich abschlägig beschiedener Asylverfahren. Die „Mauer der Ignoranz“, welche die grüne Vizepräsidentin des Bundestages, Claudia Roth, vor Tagen Hamburgs SPD beim demonstrativen Besuch auf Gruppenanerkennung beharrender Zuwanderer vorwarf, gilt somit nicht für Berlins SPD, insbesondere nicht für deren linken, um Aufstieg bemühten Flügel.

Damit Kolats „Vermittlung“ weiter glänzen kann, darf freilich ein neues von Zuwanderern errichtetes Lager nicht entstehen. Es würde den Frieden im rot-schwarzen Senat zerreißen. So gab sich die SPD uninformiert über Henkels Vorstoß. Berlins SPD-Innenpolitiker Frank Zimmermann: „Wir haben ja die gemeinsame Linie, dass wir keine erneute Verfestigung von Camps wollen.“ Und Kolat wollte gleich gar nicht Stellung beziehen. Henkels Sprecher Stefan Sukale argumentierte noch vorsichtiger. „Die Polizei stellt Identitäten wie am Breitscheidplatz fest, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen“, sagte er. „Diese gibt es zurzeit am Oranienplatz nicht.“

Sverre Gutschmidt


Ein Blatt verspielt seinen Einfluss
von Theo Maass

Zu einer Großstadt gehören ein Boulevard und eine entsprechende Zeitung. Auch Hamburg, München und Köln haben ein solches Blatt. In Berlin gibt’s gleich drei: die überregionale „Bild“, den Platzhirschen „BZ“ – beide vom Springer-Verlag – und den auf Ost-Berlin fokussierten „Kurier“. Zwischen 1998 und 2013 büßte die „BZ“ mehr als die Hälfte der verkauften Auflage ein. Auch andere Blätter wie beispielsweise die Münchener „Abendzeitung“ verlieren Leser, aber der Absturz der „BZ“ ist einzigartig. Wie bei jeder anderen Zeitung gibt es auch den typischen Leser des Boulevards. Er besitzt geringe Schulbildung und ist als Arbeiter oder „kleiner Angestellter“ tätig. Das haben Erhebungen ans Licht gebracht. Daher rümpft das linksintellektuelle Milieu gern die Nase über Leser und Redaktion.

Ein Beispiel für eine erfolgreiche Boulevard-Zeitung ist die in Wien erscheinende, allerdings in ganz Österreich vertriebene „Kronen-Zeitung“. Ihr Auflagenverlust hält sich in Grenzen, und sie ist kampagnenfähig. Das heißt, sie greift Strömungen im Volk auf und beeinflusst den öffentlichen Diskurs. Die „Krone“ warnt regelmäßig vor einer Asylantenflut, forderte gelegentlich Volksabstimmungen und beteiligt sich selten an der Hetze gegen die FPÖ. Sie rangierte 2005 auf Platz 45 der 100 größten Tageszeitungen weltweit.

Von der Kampagnenfähigkeit ist die „BZ“ weit entfernt. Mit Ausnahme des Kolumnisten Gunnar Schupelius versucht sich die Redaktion lieber in volkspädagogischer Besserwisserei. 2010 hatte Schupelius einen positiven Beitrag über den CDU-Abweichler René Stadtkewitz verfasst. Online war er einige Stunden zu lesen. In der gedruckten Ausgabe fehlte er. Schupelius „flüchtete“ 2011 zum „Focus“ – kehrte aber nach einem halben Jahr wieder zur „BZ“ zurück. Mit der Edelfeder des Blattes scheint es Reibereien zu geben. Ulrike Ruppel – leitende Redakteurin des Blattes – verfasste zeitweilig die Kolumne „Politik weiblich – 100% macho-frei“. Erst langsam sprach sich in der Redaktion offenbar herum, dass die „BZ“-Leser keine Feminismusfans sind. In den letzten Wochen betrieb das Blatt Euro-Wahlkampf und befeuerte US-Aktivitäten in der Ukraine. Hierfür wurde die Rubrik „Hero Zero“ nutzbar gemacht. Dass Persönlichkeiten wie Silvio Berlusconi, Viktor Janukowitsch oder Dmitri Medwedjew Bösewichter sein sollen, dürfte die Zielgruppe des Blattes kaum interessiert haben. Ein Glanzstück der Orientierungslosigkeit bot die „BZ“ am 22. Mai. Auf Seite 8 forderte Gunnar Schupelius Fairness für die AfD, die bei einem lokalen „Fest der Demokratie“ ausgegrenzt worden war, während Ruppel auf Seite 3 gegen Euro-Kritiker stänkerte. Weiß die rechte Hand, was die linke tut?


Für Zivilcourage geehrt
Sturz ins U-Bahn-Gleisbett und Beinbruch bei Hilfsversuch

Der 23-jährige Erik Golebiowski ist von der Berliner Polizei für seine Zivilcourage geehrt worden. Der Chemiestudent hatte am 16. März um 8 Uhr morgens in der U-Bahn-Haltestelle Voltastraße im Stadtteil Gesundbrunnen einen flüchtenden Dieb aufzuhalten versucht. Dieser hatte einem Fahrgast in der U-Bahn ein teures Mobiltelefon gestohlen und war davongerannt.

Golebiowski versuchte, ihm ein Bein zu stellen. Beim heftigen Zusammenprall mit dem Täter oder dem darauffolgenden Sturz in das Gleisbett der U-Bahn brach er sich das linke Schien- und Wadenbein, er musste später operiert werden. Wegen des Beinbruchs konnte Golebiowski nicht mehr ohne fremde Hilfe aus dem Gleisbett herausklettern. Es blieben nur wenige Minuten bis zur Einfahrt der nächsten U-Bahn.

Polizeioberrat Ralph Grambow vom Polizeiabschnitt 36 in der Pankstraße hat Golebiowski jetzt mit einer Dankurkunde im Beisein vieler Polizeibeamter geehrt. Außerdem erhielt der sympathische junge Mann einen Gutschein im Wert von 200 Euro für einen Elektronikmarkt.

Wie die Polizei mitteilt, hatte Golebiowski eine detaillierte Beschreibung des Täters – der bis jetzt nicht gefasst ist – geben können. Auf Frage der PAZ erklärte Golebiowski, dass es sich bei dem Täter um einen „Südländer“ handele, „vermutlich ein Türke“, Alter etwa 35 bis 40 Jahre. Obwohl es Fotos des Täters aus einer Überwachungskamera gibt, sind diese bis jetzt – mehr als zwei Monate nach der Tat – laut Polizei wegen „Datenschutz“ nicht veröffentlicht worden. Keine einzige Berliner Zeitung hat über die Ehrung des tapferen Helfers berichtet. M. Leh


Große Chancen
Berlin in internationaler Rangliste weit vorn

Während Berlin bei nationalen Vergleichen oft abgeschlagen auf hinteren Plätzen landet, schneidet Deutschlands Hauptstadt international erstaunlich gut ab. In einer Untersuchung der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC) hat es Berlin auf Platz 11 der 30 zukunftsträchtigsten Metropolen der Welt gebracht.

In der „Cities of Opportunity“ (Chancenreiche Städte) betitelten Studie landet Berlin zwar bei der Wirtschaftskraft abgeschlagen auf Rang 22, dafür wird der Stadt aber eine hohe Lebensqualität bescheinigt. So erhielt Berlin Bestwerte für seine Kulturszene. Pluspunkte konnten ebenso mit der Umweltsituation gesammelt werden. Insgesamt landete die Stadt bei allen Aspekten, unter denen die Lebensqualität gemessen wird, in der Gruppe der ersten Fünf, auch wenn dies für viele Berliner angesichts von jahrelangem S-Bahnchaos, Schlaglöchern und Dauerbaustellen erstaunlich klingen mag. Im internationalen Vergleich fließt in Berlin der Verkehr flüssiger und funktionieren Bahnen und Busse reibungsloser als in den meisten anderen Weltmetropolen.

Als Empfehlung wird Berlin mit auf den Weg gegeben, mehr für Unternehmensgründungen zu tun. „Wir werden in Berlin wohl nie rauchende Fabrikschlote sehen. Deshalb ist es wichtig, die Stärken in Kreativbereich und Forschung zu nutzen. Berlin muss dafür die Strukturen für Unternehmen und vor allem Unternehmensgründungen verbessern, so dass es einfacher wird, Arbeitsplätze zu schaffen“, so das Fazit eines Vertreters der Unternehmensberatung PwC. Norman Hanert


Linke-Politiker für Montagsdemo

Seit acht Wochen demonstriert die „Friedensbewegung 2014“ jeden Montag vor dem Brandenburger Tor. Die Zahl der Teilnehmer ist von zunächst einigen Hundert auf Tausende angewachsen. Die Bewegung hat sich inzwischen auf mehrere Dutzend andere Städte in Deutschland ausgeweitet. Linkspartei, Grüne und die ihnen nahestehenden Zeitungen „taz“ und „Junge Welt“ sind davon nicht begeistert. Sie haben das weder organisiert noch die Deutungshoheit darüber. Dafür zeichnet der 32-Jährige Eventmanager Lars Mährholz verantwortlich, dem seine Kritiker keine rechtsradikale Vergangenheit andichten können. Dennoch werden aus der linksradikalen Ecke zunehmend die entsprechenden Vorwürfe laut. So wird das Auftreten des „Nationalbolschewisten“ Jürgen Elsässer beanstandet. Aber die „Front“ bröckelt. Vor wenigen Tagen rief der „Linken“-Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko dazu auf, sich „wenn möglich“ an den Demos zu beteiligen. T.M.


S. 4 Hintergrund

Sprache als politische Waffe
Absicht, Wörter »diskriminierungsfrei« zu gestalten, öffnet der Willkür Tür und Tor

Mit Vorschlägen zur „Frauisierung“ der Sprache hat eine Arbeitsgruppe von der Berliner Humboldt-Universität bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Ein Blick auf die „antidiskriminierenden“ Sprachempfehlungen dürfte bei Otto Normalverbraucher im besten Fall Erheiterung auslösen.

So wird etwa vorgeschlagen, „diskriminierende“ Wortendungen mit Neuschöpfungen wie „Professx“ oder „computa“ zum Verschwinden zu bringen. Mittels @-Zeichen oder Unterstrichen innerhalb von Wörtern soll wiederum für Sensibilisierung gesorgt werden. Die Bemühungen zur gendergerechten Sprache bleiben allerdings immer öfter nicht bei „Lautsprecha“, „Drucka“ und „hum@n“ stehen. Ergänzt wird die „Sprach-Frauisierung“ nämlich immer stärker durch einen zweiten Import aus den Hörsälen linksliberaler US-Universitäten: den Ableismus. Abgeleitet von dem Englischen „to able“ (in der Lage sein/fähig sein), steht im Kern der Anspruch, Sprache solle generell jede Form von Benachteiligung ausschließen. Da ein Wort wie „dargestellt“ Geh-Behinderte ausgrenzen könnte, wird der Gebrauch der Neuschöpfung „dar_ge_stellt_setzt_legt“ empfohlen. „Re_produktion“ soll wiederum den Begriff „Produktion“ in Frage stellen, weil dieser Arbeitslose benachteiligen würde.

Zu Ende gedacht, könnte sich der Ableismus auch schnell als letzter Sargnagel jeglicher Bildungspolitik erweisen, indem Lernen und Wissen als Diskriminierung Lernbehinderter eingestuft werden.

Eine Neudefinition des Begriffs „lernbehindert“ dürfte dabei nur eine Frage der Zeit sein. Teil der Gedankenwelt des Ableismus ist nämlich der Anspruch, dass die Betroffenen selbst definieren, wodurch sie sich diskriminiert fühlen. So skurril derartige Forderungen momentan auch klingen mögen, es besteht die Gefahr, dass sich das dahinterstehende Denken zu einer politischen Waffe mit hoher Durchschlagskraft entwickelt.

Als entscheidender Hebel könnte sich dabei eine neue EU-Antidiskriminierungsrichtlinie erweisen. Geplant ist nicht nur eine Ausweitung der Gleichbehandlungsvorgaben hinsichtlich Religion, Behinderung, Alter, Rasse oder sexueller Ausrichtung. Vielmehr sollen bei Verstößen künftig sogar Haftstrafen verhängt werden. Bisher hängt das Vorhaben noch in den Mühlen des EU-Apparates fest.

Einen Vorgeschmack, was unter dem Etikett „Kampf gegen Diskriminierung“ alles möglich ist, liefert das 2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Im Gesetz ist nicht nur eine Beweislastumkehr enthalten, bei der der Beklagte seine Unschuld beweisen muss. Klagen von Männern, die sich im Arbeitsleben diskriminiert fühlen, haben sich im Regelfall auch als wenig aussichtsreich herausgestellt. Das wiederkehrende Argument dabei: Solange keine „echte“ Gleichstellung gegeben ist, müssen Männer eine Benachteiligung in Kauf nehmen.

Dass unter solchen Vorzeichen Befürchtungen vor einer politischen Instrumentalisierung des „Antidiskriminierungskampfs“ nicht grundlos sind, macht der Siegeszug des „Gender Mainstreaming“ (durchgängige Gleichstellungsorientierung) deutlich. Auch hier liegt das Versprechen zugrunde, jede Form von Diskriminierung verschwinden zu lassen. Zweifelhaft sind aber nicht nur die bisher erreichten Ergebnisse, sondern auch die Grundlagen des gesamten Vorhabens. So ignorieren Kernaussagen der Gender-Forschung wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse der Biologie und Anthropologie. Postuliert wird etwa, dass die Unterschiede zwischen Mann und Frau nur kulturell konstruiert, quasi nur das Resultat von Erziehung seien. Im Gegensatz zu Norwegen gilt es hierzulande noch nicht als opportun, Zweifel anzumelden, ob es sich bei den Gender-Studien um eine empirische Wissenschaft oder doch um eine Pseudowissenschaft im Stil des „Wissenschaftlichen Sozialismus“ im Ostblock handelt. N. Hanert


Gegen die Natur
Gender-Ideologen schrecken auch vor Menschenversuchen nicht zurück

Als einflussreicher Wegbereiter der Gender-Ideologie gilt der Psychiater John Money, der ab 1951 an der John-Hopkins-Universität Baltimore tätig war. Money stellte die These auf, dass das soziale Geschlecht (engl. „gender“) dem Menschen im Zuge der Erziehung willkürlich zugewiesen werde und vom biologischen Geschlecht („sex“) sogar vollständig abweichen könne.

1967 sah Money die Möglichkeit gekommen, seine Ansichten zu beweisen. Er unterzog den zweijährigen Bruce Reimer, der bei einer Genitalbeschneidung versehentlich verstümmelt worden war, einer Geschlechtsumwandlung. Ein Vergleich mit dem eineiigen Zwillingsbruder von Bruce sollte den Beweis erbringen, dass „Geschlecht“ nur eine in den frühen Lebensjahren erlernte Rollenidentität sei. Der Menschenversuch endete tragisch. „Brenda“ Reimer, so der Name des Kindes nach der Geschlechtsumwandlung, wollte sich weder mit typischem Mädchenspielzeug beschäftigen noch Kleider tragen.

Als „Brenda“ später von den Eltern erfuhr, dass „sie“ als Junge auf die Welt gekommen war, ließ „sie“ die Geschlechtsumwandlung wieder rückgängig machen. Im Jahr 2004 beging Reimer Selbstmord. Die Mutter glaubt, dass ihr Sohn noch am Leben wäre, wenn er nicht das Opfer jenes „katastrophalen Experiments“ geworden wäre. Mit schweren psychischen Problemen hatten auch viele andere ehemalige Patienten Moneys zu kämpfen, die sich später in Selbsthilfegruppen zusammentaten.

Ungeachtet des Fehlschlags der Experimente diente Moneys These eines bloß anerzogenen sozialen Geschlechts Teilen der Frauenbewegung als Beleg für das Konzept eines Gleichheitsfeminismus. Ausgehend von US-Universitäten, an denen sich in den 60er und 70er Jahren immer mehr Frauen-Forschung und später Gender-Forschung etablierten, folgte später daraus der Ansatz des „Gender Mainstreaming“ (durchgängige Gleichstellungsorientierung). Der politische Durchbruch für dieses Konzept kam mit der 4. Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking. Das Wort „Sex“ im Sinne des biologischen Geschlechts wurde auf der Konferenz durch den Begriff „Gender“ ersetzt. Noch viel weiter ging die EU: Im Amsterdamer Vertrag wurde 1999 den EU-Mitgliedsländern das „Gender Mainstreaming“ als „Leitprinzip und Querschnittsaufgabe“ rechtlich verbindlich festgeschrieben und die Mitgliedstaaten wurden zu einer aktiven Gleichstellungspolitik verpflichtet.

Eine starke Schlappe erlebte die Gender-Ideologie im Jahr 2011 ausgerechnet in Norwegen, das bis dahin als ein genderpolitisches Vorzeigeland galt. Eine Fernsehreportage machte nicht nur deutlich, dass die Gender-Theorie letztendlich nur eine Ansammlung von unbewiesenen Behauptungen, aber keine Wissenschaft ist. Viele Norweger hörten auch erstmals vom Gender-Paradox. Demnach ändert auch jahrzehntelange „gendersensible“ Erziehung offenbar nichts an den altbekannten Vorlieben für männertypische und frauentypische Berufe. In Norwegen ist die Polarisierung bei der Berufswahl paradoxerweise sogar besonders größer. N.H.


Klagewelle angeschoben

Nicht zuletzt auf Druck der EU wurde im Jahr 2006 mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) der gesetzliche Diskriminierungsschutz hinsichtlich Behinderung, Alter und sexueller Orientierung stark erweitert. Gut acht Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes ist klar erkennbar, dass die Neuregelung auch negative Folgeerscheinungen nach sich gezogen hat. Gerichte bekommen es immer wieder mit einem Phänomen namens „AGG-Hopping“ zu tun. Professionelle Diskriminierungskläger suchen dabei Stellenausschreibungen von Unternehmen und Behörden gezielt nach Verstößen gegen das Gleichbehandlungsgesetz ab. Wird man fündig, folgt pro forma eine Bewerbung, die erwartungsgemäß meist mit einer Absage beantwortet wird. Postwendend steht dann der Vorwurf einer Diskriminierung und eine Schadensersatzforderung im Raum.

Zugute kommt solchen Klägern eine Beweislastumkehr, die in Paragraf 22 des AGG angelegt ist. Dabei genügt es, wenn erfolglose Bewerber glaubhaft Indizien vortragen können, die eine Benachteiligung vermuten lassen. Dem Arbeitgeber bleibt es dann überlassen zu beweisen, dass keine Diskriminierung vorgelegen hat.

Völlig neue Missbrauchsmöglichkeiten könnten sich künftig eröffnen, wenn in einem seit Ende April in München geführten Verfahren ein rechtskräftiges Urteil vorliegt. Verhandelt wird über die Klage eines aus Afrika stammenden Mannes, der in mehreren Clubs der bayerischen Hauptstadt keinen Zutritt erhalten hatte. Der Mann aus Burkina Faso macht geltend, er sei wegen seiner Hautfarbe nicht hineingelassen worden, und klagt auf Unterlassung sowie Schmerzensgeld – auf der Grundlage des AGG. N.H.


Zeitzeugen

Harald Eia – 2011 stieß der Soziologe in Norwegen mit einer Fern-sehreportage unter dem Titel „Hjernevask“ („Gehirnwäsche“) eine breite Genderdebatte an. In Interviews mit bekannten Wissenschaftlern verdeutlichte Eia, dass zentrale Aussagen der Gender-Theorie nicht von Erkenntnissen der Biologie oder Anthropologie gedeckt sind, dass es sich bei der Gender-Forschung faktisch um eine Pseudowissenschaft handelt. Als Folge stellte Norwegen Ende 2011 die staatliche Förderung für das Nordic Gender Institute ein.

Annica Dahlström – 2011 publizierte die Professorin Daten, die Schweden als Vorzeigeland des „Gender Mainstreaming“ und vermeintlich vorbildlicher Familienpolitik kein gutes Zeugnis ausstellen. Hiernach haben bei jungen Schwedinnen die Raten bei Selbstmord, Suizidversuchen und Depressionen innerhalb von zehn Jahren um bis zu 400 Prozent zugenommen.

Susanne Baer – Von SPD und Grünen nominiert, wurde Susanne Baer am 11. November 2010 vom Wahlausschuss des Deutschen Bundestags zur Richterin am Bundesverfassungsgericht gewählt. Von 2003 bis 2010 war Baer Direktorin des GenderKompetenzZentrums an der Humboldt-Universität Berlin. Baer, die sich bereits 1999 als Feministin eingeordnet hat, ist die erste in einer „eingetragenen Partnerschaft“ lebende Bundesverfassungsrichterin.

Catharine McKinnon – Die US-Professorin für Rechtswissenschaft gehört zu den wichtigsten Vertreterinnen des sogenannten Radikalfeminismus. Nach früheren Aussagen McKinnons stellt jede Form von Sex, sogar ein einvernehmlicher zwischen Verheirateten, einen gegen Frauen verübten Gewaltakt dar. Seit 1990 hat McKinnon eine Professur an der University of Michigan Law School inne, an der 1993 auch Susanne Baer, die spätere Richterin am Bundesverfassungsgericht, ihren Abschluss Master of Laws erhielt.

Gloria Steinem – Die 1934 geborene Herausgeberin des feministischen Magazins „Ms.“ gilt bis heute als eine der bekanntesten US-Frauenrechtlerinnen. 1975 wurde die Frage aufgeworfen, ob sie vom Geheimdienst gezielt als Führerin der feministischen Bewegung aufgebaut worden sei. In Interviews mit der „New York Times“ und der „Washington Post“ hatte Steinem 1967 eingeräumt, dass sie in den 50er und frühen 60er Jahren für Stiftungen gearbeitet hat, die vom CIA finanziert worden waren.


S. 5 Deutschland

Ein glorreicher Sieger, viele Verlierer
Kleinparteien: Während die AfD nach Kommunalwahlen keine mehr ist, wird die FDP bedeutungslos

An den neuen „Player“ im politischen Geschäft muss sich der eine oder andere Landeswahlleiter noch gewöhnen. Denn zum Wochenbeginn wurde der große Gewinner der Kommunalwahlen am vergangenen Sonntag nur unter den „Sonstigen“ geführt.

Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) ist bei den Abstimmungen in zehn Bundesländern aus dem Stand in Hunderte von Stadträten sowie Gemeinde- und Kreistagen eingezogen. Die endgültige Auszählung, das Bekanntwerden der exakten Zahl der errungenen Sitze zog sich bis zur Wochenmitte hin, dennoch stand bereits am frühen Montagmorgen fest: Der Partei um Bernd Lucke ist nicht nur ein fulminanter Erfolg bei den Wahlen zum Europäischen Parlament gelungen – sie hat es nur ein Jahr nach ihrer Gründung auch geschafft, sich eine kommunale Basis zu erobern.

Den größten Erfolg erzielte die AfD dabei in Sachsen. Bei der EU-Wahl schaffte sie im Freistaat mit mehr als zehn Prozent den bundesweiten Spitzenwert, und auch bei den regionalen Abstimmungen konnte die Formation um Landeschefin Frauke Petry punkten. Ob in Dresden, Leipzig oder Chemnitz – überall übersprang die Partei Fünf-Prozent-Hürde. In der Landeshauptstadt Dresden erzielte sie sogar mehr als sieben Prozent. Fast überall, wo die AfD in Sachsen angetreten ist, reicht es zum Fraktionsstatus. „Für die Landtagswahl im kommenden Herbst ist das natürlich ein sehr ermutigendes Zeichen. Wir werden nun weiter kämpfen und nicht nachlassen“, kündigte Petry am Wahlabend an.

Ähnlich euphorisch äußerte sich auch der brandenburgische AfD-Vorsitzende Alexander Gauland, der mit seinem Landesverband mehr als acht Prozent bei der EU-Wahl erzielte und ebenfalls die kommunalen Vertretungen stürmte: „Wir sind überall, wo wir angetreten sind, auch eingezogen. Das ist ein tolles Signal für die Landtagswahl“, sagte der ehemalige CDU-Politiker.

Im Norden und Westen der Republik konnte die AfD dagegen bei den Kommunalwahlen keine Höchstwerte erzielen, schaffte aber auch nahezu mit jeder Liste den Einzug in die Parlamente. In den baden-württembergischen Großstädten Stuttgart und Karlsruhe errang sie rund fünf Prozent der Stimmen, in der rheinland-pfälzischen Industriestadt Ludwigshafen kam sie auf rund neun Prozent. Schwach schnitt die AfD dagegen in der Landeshauptstadt Mainz ab, wo sie nur auf 2,5 Prozent kam. Im Saarland trat die Partei nahezu flächendeckend an, schaffte überall auch mindestens ein Mandat, kam aber in der Hauptstadt Saarbrücken nur auf 4,6 Prozent. Zu berücksichtigen bleibt allerdings die Tatsache, dass die AfD gerade in den südwestdeutschen Gemeinden mit den traditionell starken freien Wählergemeinschaften große Konkurrenz hatte.

Mit Spannung erwartet wurde das Abschneiden der kleinen Parteien in Nordrhein-Westfalen. Dort tat sich die AfD lange schwer, regionale Strukturen aufzubauen. Mit knapp über fünf Prozent erzielte sie dort am Sonntag auch ein eher schwaches Ergebnis bei der EU-Wahl. Dennoch gelangen ihr einige Achtungserfolge. So zog sie zum Beispiel in Fraktionsstärke in die Stadträte von Gelsenkirchen, Duisburg und Bochum ein.

An Rhein und Ruhr trat die AfD oftmals in Konkurrenz zur „Bürgerbewegung Pro NRW“ an. Diese rechtsgerichtete Partei um den Leverkusener Rechtsanwalt Markus Beisicht erlebte einen unbefriedigenden Wahlabend. Vom selbst erklärten Ziel, überall dort, wo man auf dem Stimmzettel stand, auch mehr als fünf Prozent zu erzielen, war man meilenweit entfernt. Ein Desaster erlebte die „Bürgerbewegung Pro Köln“, die selbst ernannte Keimzelle der „Pro-Bewegung“. In der Domstadt verlor die Partei mehr als die Hälfte ihrer Stimmen, die erzielten 2,5 Prozent reichten nicht einmal mehr für den Fraktionsstatus.

Die NPD, die vor allem die Kommunalwahlen in Mitteldeutschland als Startphase für den Landtagswahlkampf nutzen wollte, erzielte zwar in einigen regionalen Hochburgen in Brandenburg, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern gute Ergebnisse, blieb dafür aber in den bevölkerungsreichen Großstädten weit unter den anvisierten fünf Prozent.

Die rechtskonservativen Republikaner dürften sich bereits endgültig von der politischen Bühne verabschiedet haben. Die Partei um den Stuttgarter Rechtsanwalt Rolf Schlierer verlor auch noch die letzten Hochburgen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz und ist nur noch in wenigen Gemeinden mit Einzelkämpfern kommunal vertreten.

Zum ganz großen Verlierer wurde allerdings die FDP. Endete die Europawahl mit 3,4 Prozent schon beinahe erwartungsgemäß de­saströs, so kam es bei den Kommunalwahlen noch schlimmer. Bundesweit dürfte die Partei von Christian Lindner fast zwei Drittel ihrer Mandate eingebüßt haben. Dramatisch verlief der Wahlabend in den bisherigen Hochburgen des Südwestens. Egal ob in Stuttgart, Karlsruhe, Mainz oder Saarbrücken – überall stürzte die FDP von zweistelligen Ergebnissen auf teilweise unter fünf Prozent ab. In Sachsen, wo sie noch an der Landesregierung beteiligt ist, wurde sie regional zur Splitterpartei. Dennoch sieht Lindner die FDP „auf einem Weg in die Stabilisierung“. Sein innerparteilicher Gegenspieler, der EU-Kritiker Frank Schäffler, nannte das Kind dagegen beim Namen: „Das Ergebnis ist ein absolutes Desaster.“ Peter Entinger


Mehr gegen Diebstähle tun
Grenzkriminalität: Brandenburger verlangen mehr Schutz von Polizei

Brandenburgs Grenzbewohner sehen die Sicherheitslage nach wie vor kritisch. Eine Wählergruppe, die sich „Wir Gubener Bürger“ nennt, startet nun eine Petition für mehr Sicherheit an der Grenze. Das Papier soll der rot-roten Landesregierung im Landtag vorgelegt werden und verlangt deutliche Maßnahmen gegen Grenzkriminalität.

Nicht nur einzelne Bürger, auch die Stadtverordneten Gubens ziehen bei der Aktion mit, was dem Ansinnen einigen politischen Sprengstoff verleiht. Der Protest zielt zudem auf die rot-rote Polizeireform. Die Petition ist im Rathaus für alle Bürger einsehbar und kann dort unterschrieben werden, gab die Stadtverwaltung Guben bekannt. Dank der Rückendeckung durch die Stadtverordneten liegen die Unterschriftslisten für die Petition auch im Service-Center der Stadtverwaltung aus.

Die Kritik des Papiers an der Landesregierung ist eindeutig: „Kernaufgaben werden in Guben und dem grenznahen Bereich in keiner Weise zufriedenstellend wahrgenommen“, heißt es. Dazu zählt die Petition die öffentliche Sicherheit sowie die Vorbeugung und die Ahndung von Straftaten.

Acht Forderungen leitet das Papier daraus ab: Die Polizeireform müsse sofort ausgesetzt, ein zusätzliches Polizeifahrzeug bereitgestellt sowie die Wache Guben Tag und Nacht besetzt und personell so verstärkt werden, dass sie auch Gewahrsamnahmen durchführen könne. Außerdem gelte es, die „Zentralisierung der Einsatzleitzentralen nicht um den Preis verlängerter Wegzeiten bei Notrufen“ umzusetzen, „Polizeistreifen zu Fuß und zu Rad“ zu verstärken, die „Präsenz der Bundespolizei auch an den EU-Binnengrenzen zu Polen im Zusammenspiel mit den Brandenburger Polizeibehörden“ sicherzustellen und einen „Hilfsfond des Landes für durch Kriminalität geschädigte Unternehmer, denen Versicherungsleistungen versagt werden“ einzurichten. Der Fond solle zudem „zur Aufrüstung der Betriebsgelände mit Sicherungstechnik“ dienen. Auch die grenzübergreifende Zusammenarbeit ist demnach ausbaufähig: „Die Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung erwarten darüber hinaus mittel- und langfristige Konzepte, die im Zusammenspiel zwischen Kommunen, Land und Bund, aber auch durch vertragliche Regelungen mit der polnischen Seite gewährleisten, dass der staatliche Schutzauftrag gesichert wird.“

Anfang Juni will die Wählergruppe die Listen und die Petition persönlich im Potsdamer Landtag abgeben. Das Vorhaben soll laut Mitgliedern den Druck auf die Landespolitik erhöhen, die seit Jahren Versprechen abgebe, denen keine Ergebnisse folgten. „Aber Jahr für Jahr bangen die Gubener Unternehmen wegen Diebstählen um ihre Existenz. Und die Bürger der Stadt haben das Gefühl von Unsicherheit“, so ein Mitglied.

Vorbild ist eine Petition aus der Uckermark vor rund zweieinhalb Jahren. Damals machten regionale Unternehmer auf ihre bedrohte Existenz aufgrund anhaltender Diebstähle aufmerksam. In Reaktion darauf stellte das Land Brandenburg Hundertschaften der Bereitschaftspolizei im Grenzgebiet bereit. Obwohl deren Präsenz andauert, nehmen Autodiebstahl und Einbruch in der Grenzregion nach zwischenzeitlichen Erfolgen wieder zu. SV


Teure Totalüberwachung
Stadt Essen engagiert wegen jugendlichen Straftäters Sicherheitsfirma

In einem bundesweit bisher einmaligen Fall lässt die Stadt Essen einen jugendlichen Intensivtäter seit einigen Wochen von einer privaten Sicherheitsfirma bewachen. Die mit 3,4 Milliarden Euro verschuldete Ruhrgebiets-Kommune muss für die Rund-um-die-Uhr-Überwachung 1500 Euro bezahlen – und zwar täglich.

Gerade erst 14 Jahre alt geworden, gehen auf das Konto des dauerbewachten jugendlichen Russlanddeutschen bereits diverse Delikte. Nach Angaben der Polizei hat der Junge mindestens 14 Raubüberfälle begangen, bei denen der schmächtig Wirkende als Bandenanführer seine Opfer mit Hammer, Stechbeitel, Springmesser oder Eisenstange bedrohte. Neben Raubdelikten wird ihm zudem Körperverletzung vorgeworfen. So kollidierte er inzwischen auch schon mit einem ihn verfolgenden Streifenwagen der Polizei, als er mit einem gestohlenen Mofa auf der Flucht war. Bisheriger Höhepunkt der kriminellen Karriere: 30 Straftaten innerhalb von drei Monaten.

Nach geltender Rechtslage waren den Behörden bisher die Hände gebunden. Bis zum Sommer 2012 besuchte der Junge eine Förderschule. Zwar nur sporadisch, aber immerhin noch so oft, „dass man zähneknirschend von einer halbwegs regelmäßigen Beschulung sprechen konnte“, so ein Vertreter des Jugendamtes. Allerdings hinterließ der damals erst Zwölfjährige schon bei seinen Schulbesuchen „schwerst traumatisierte Opfer“. Versuche einer späteren Unterbringung in offenen Einrichtungen scheiterten durchweg. Der Junge sei stets sofort entwischt, so das Essener Jugendamt. Nachdem es offenbar zu einer massiven Bedrohung des Personals gekommen war, weigerte sich sogar ein geschlossenes Heim, den Intensivtäter bei sich zu behalten. Noch nicht 14 Jahre alt, war der Junge allerdings für den Jugendknast zu jung.

Als die Stadt Essen vor diesem Hintergrund keinen anderen Weg mehr sah, wurde ein privater Sicherheitsdienst engagiert. Bezahlt aus dem Topf für „erzieherische Hilfen“ des Jugendamtes, ist nun 24 Stunden täglich eine Sicherheitsfirma für die Überwachung des Jungen zuständig. Sobald er die elterliche Wohnung verlässt, folgen dem Jungen zwei Männer. „Meine Leute haben nur das Jedermannsrecht. Wenn etwas passiert, rufen sie die Polizei“, so der Chef der beauftragten Firma. Bislang wurden keine weiteren Vorfälle gemeldet.

Eine Rolle dürfte dabei spielen, dass der Junge inzwischen 14 Jahre alt und damit nach deutschem Recht strafmündig geworden ist. Obwohl die Strafunmündigkeit Heranwachsender etwa von südosteuropäischen Banden immer öfter gezielt ausgenutzt wird, ist die Herabsetzung der Altersgrenze für die Politik bisher noch kein Thema. Einige europäische Länder gehen in dieser Sache andere Wege. In der Schweiz unterliegen alle Minderjährigen ab dem vollendeten zehnten Lebensjahr dem Jugendstrafrecht. Auch in Großbritannien gilt man ab dem zehnten Lebensjahr als strafmündig.

Die in Essen praktizierte Dauerüberwachung des Jugendlichen war bislang eher von entlassenen Sexualstraftätern bekannt, die als stark rückfallgefährdet gelten. Ebenso auf Steuerzahlers Kosten pausenlos überwacht werden Islamisten, bei denen die Sicherheitsbehörden die Sorge haben, dass sie Anschläge vorbereiten. Die Zahl dieser behördenintern „islamistische Gefährder“ genannten Personen wird bundesweit auf über 50 geschätzt. N.H.


MELDUNGEN

»Laienschar« ausgebaut

Berlin – Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will die McKinsey-Unternehmensberaterin Katrin Suder als beamtete Staatssekretärin berufen. Das meldet das Nachrichtenmagazin „Spiegel“. Bei der Position handelt es sich um eine der wichtigsten Stellen im Bundesverteidigungsministerium. Die mögliche Berufung der 42-jährigen studierten Physikerin, die nie zuvor mit Rüstungsfragen befasst war, gelte im Ministerium als problematisch, da von der Leyen eine „fast freundschaftliche Beziehung“ mit Suder unterhalte. Gegenüber „tagesschau.de“ erklärte ein führender Offizier, falls Suder tatsächlich komme, sei die „Laienschar“ an der Spitze des Ministeriums komplett. Suder hat als bekennende Lesbe zwei Kinder geboren, für die sie sich vermutlich künstlich besamen ließ. M.L.

 

Bahn: Hälfte der Brücken marode

Düsseldorf – Der miserable Zustand von Eisenbahnbrücken in Nordrhein-Westfalen war inzwischen nicht nur Thema im dortigen Landtag, sondern auch im Bundestag. Doch zeitnahe Lösungen nicht zu leugnender Missstände wurden nicht präsentiert. Von insgesamt 4369 Eisenbahnbrücken in Nordrhein-Westfalen weisen 1923 Brücken „umfangreiche“ oder „gravierende Schäden“ auf und sind deshalb „dringend sanierungsbedürftig“. Die zuständige Deutsche Bahn (DB), die zu 100 Prozent im Besitz des Bundes ist, will nun 270 der vom Eisenbahnamt beanstandeten Brücken innerhalb der nächsten zehn bis 15 Jahre sanieren. Konkrete Pläne gibt es jedoch noch nicht, da die DB derzeit mit dem Bund über die Finanzierung verhandelt. Bahn-Chef Rüdiger Grube beziffert den Investitionsstau bei der Bahn auf insgesamt 30 Milliarden Euro (siehe auch S. 8). Bel


S. 6 Ausland

Lampedusa ist Symptom der Krankheit
Falsche Entwicklungshilfe mitschuldig an Wanderungsströmen – Zu wenig Druck auf Herrschercliquen

2013 hat Deutschland 10,6 Milliarden Euro an Entwicklungshilfe gezahlt, was 0,38 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) entspricht. Eigentlich hat sich Berlin verpflichtet, 0,7 Prozent des BIP als Hilfe für Arme anzustreben. Doch geht es den Hilfsbedürftigen überhaupt besser? Volker Seitz, von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das Auswärtige Amt unter anderem in Niger, Guinea und Libyen tätig und nacheinander Botschafter in Benin, Armenien und Kamerun, äußert Zweifel.

Das Armenhaus Afrika ist seit über 50 Jahren ein Versuchslabor der Entwicklungshilfeindustrie. Dennoch hat die Armutsbekämpfung nur rudimentäre Fortschritte erzielt. Ein falsches Helferverhalten trägt bis heute wesentlich dazu bei, dass wir uns im Übermaß für die Entwicklung Afrikas zuständig fühlen. Aus dieser Haltung heraus zu handeln verstößt gegen das Subsidiaritätsprinzip, weil es die Eigenverantwortung der Partner geringachtet und behindert. Die Betroffenen werden selbst nicht gefragt, wie sie zur Entwicklungshilfe stehen und was ihnen ihrer Meinung nach helfen könnte. Afrikaner als Mündel zu betrachten, das ist die unausgesprochene Geschäftsgrundlage der allermeisten „Projekte“. Die Liste der Kritiker klassischer Entwicklungshilfe ist in den letzten Jahren ständig gestiegen. Einzelne Hilfsprojekte mögen sinnvoll sein. Aber Projekte ersetzen keine Strukturen.

Zu den schärfsten Kritikern gehören der nigerianische Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka, der ugandische Journalist Andrew Mwenda, die Publizistin Akua Djanie aus Ghana, der nigerianische Schriftsteller Chika Onyeani sowie der ghanaische Wirtschaftswissenschaftler George Ayittey. Sie wenden sich gegen eine abhängige Opfer- und Bittstellerrolle. „Die afrikanischen Länder haben bisher stets eine Politik der Sammelbüchse betrieben und immer nur gebettelt: mehr Hilfe, mehr Hilfe, mehr Hilfe. Genau das muss sich ändern, kann sich aber nicht ändern, solange die großen Länder in Europa und anderswo selbst die Bedeutung der Entwicklungshilfe betonen“, sagt Themba Sono, Wirtschaftswissenschaftler aus Südafrika.

Seit Jahrzehnten tut die traditionelle Entwicklungspolitik so, als ob die Verbesserung der Lebensumstände in Afrika primär von der Höhe der eingesetzten Hilfsgelder abhängig sei. Entwicklungshilfe sei ein Gebot der Menschlichkeit, heißt es. Wer anderer Meinung ist, sei herzlos. An der Idee, etwas Gutes zu tun, wird festgehalten, obwohl die Realität diese schon längst widerlegt hat. Aus meiner 17-jährigen Erfahrung als deutscher Diplomat auf verschiedenen Positionen weiß ich, dass das meiste Entwicklungshilfegeld bisher nur zwei Gruppen wirklich zugutegekommen ist: Herrschaftscliquen mit ihrer Misswirtschaft und Veruntreuung in Afrika einerseits und dem Aufbau und Erhalt einer Entwicklungshelferökonomie in den Industriestaaten andererseits. Bei den Bedürftigen, der mittellosen Landbevölkerung, ist kaum Hilfe gelandet.

Es ist schwer, die jahrzehntelang gelebte Entwicklungshilfe-Ideologie zu bekämpfen. Dabei ist längst bewiesen, dass dort, wo Rechtsstaatlichkeit und die Respektierung grundlegender Menschenrechte fehlen, Korruption sich breitmacht. Dort bringen Entwicklungshilfegelder nichts, weder Menschlichkeit noch Wachstum. Insofern bestätigt sich auch hier, dass Wohlstand und Wohlfahrt nicht durch Verteilung entstehen, sondern durch Bildung unternehmerische Kreativität, Innovation – und durch gute staatliche Rahmenbedingungen.

Die Bevölkerung in Subsahara-Afrika hat sich seit 1990 fast verdoppelt. Nigeria hat 160 Millionen Einwohner. Uno-Prognosen sprechen von einem Anstieg auf 730 Millionen bis zum Jahr 2100. Mit diesem extremen Bevölkerungszuwachs werden sich keine Wohlstandsfortschritte erreichen lassen. Wer soll diese Menschen ernähren? Die Hilfsindustrie setzt sich nicht mit diesen Tatsachen auseinander und macht stattdessen für die fortgesetzte Notlage Afrikas den angeblich reichen Westen verantwortlich – und sichert sich eine glänzende Einkommensquelle.

Nächstenliebe mag sich gut anfühlen, doch sie löst keine Probleme in einer nachhaltigen Form. Die Armen würden lieber selbst aktiv werden. So wie das Geld der Euro-Retter in Wirklichkeit nicht den notleidenden Menschen in den Schuldnerstaaten zugutekommt, sondern den Gläubigerbanken, so hat Entwicklungshilfe korrupte Machthaber finanziert und stabilisiert. Viele afrikanische Ökonomien kranken daran, dass es dort kein funktionierendes Steuersystem gibt. Ohne Entwicklungshilfe müssten die Regierenden Gewerbe, Landwirtschaft und Handel fördern, Steuern erheben – und wären so dem Volk verpflichtet.

Ein großes Problem ist fast überall die Erhaltung bestehender Strukturen, in Wartung wird nicht investiert und so verkommt die Infrastruktur, fällt Strom, Wasser aus, bis ein Geberland dieses wieder in Ordnung bringt. Lampedusa ist das Symptom einer Krankheit, die in den schlecht regierten Staaten Afrikas wurzelt. Um immer neue Lampedusas zu verhindern, müssten vor allem die Zustände vor Ort – durch Druck der Geber – viel entschlossener als bislang verändert werden.

Ein größerer Teil der deutschen Hilfe sollte in Risikokapital umgewandelt werden. Mit Hilfe bei der Aufstellung von Geschäftsplänen könnte freies Unternehmertum gefördert und damit Arbeitsplätze geschaffen werden. Lokales Know-how und umfassende Betreuung über mehrere Jahre könnten ein Schlüssel zum Erfolg werden. Denn Einheimische – außerhalb der Ministerien – kommen oft auf die beste Lösung. Mit Krediten könnten dann Konserven-, Zement-, Pharma- oder Zuckerfabriken errichtet werden, in denen nicht nur eine qualifizierte Arbeiterschaft, sondern auch ein afrikanisches Management herangebildet werden könnte. Unternehmerschulung also nicht durch Studium im Ausland, sondern durch Praxis zu Hause. Dabei helfen könnte die Diaspora. Die Afrikanische Diaspora zählt allein in Deutschland Tausende von Menschen. Die (zeitweise) Rückkehr der Diaspora könnte neue Ideen und Kapital für neue Unternehmen bringen.

Seitz ist Autor des Buches „Afrika wird armregiert oder Wie man Afrika wirklich helfen kann“.


USA selbst Spionageopfer
Israel soll Verbündeten auskundschaften – Tel Aviv dementiert

Es sind schwere Vorwürfe, die das US-Magazin „Newsweek“ vor Kurzem an die Adresse der israelischen Regierung gerichtet hat. Israel spioniere seinen amerikanischen Verbündeten in großem Stil aus, so das Wochenmagazin unter Berufung auf diverse Quellen in FBI und CIA. Zitiert wurden unter anderem Kongressmitarbeiter, die gestützt auf Erkenntnisse der US-Spionageabwehr das Vorgehen Israels in den USA als „sehr ernüchternd, alarmierend, ja schockierend“, bezeichnet haben: „Dutzendfach, jedoch ohne Erfolg seien die Israelis deshalb gewarnt worden.“ Gegen-über Parlamentsausschüssen hätten Abwehrspezialisten unter anderem berichtet, dass Israel bei der Ausnutzung der Sicherheitspartnerschaft mit den USA sehr viel weiter gehe als andere enge Verbündete wie Deutschland, Frankreich, Großbritannien oder Japan.

Für Verdruss scheint bei den US-Diensten auch das Selbstverständnis zu sorgen, mit dem israelische Agenten auf amerikanischem Boden vorgehen. „Du erwischst sie in flagranti, und sie zucken mit den Schultern und sagen, ,okay, was gibt es sonst noch?‘“, so die Aussage eines Informanten, den „Newsweek“-Autor Jeff Stein wiedergibt. Im Visier der Israelis soll dabei nicht nur die Beschaffung von relevanten Informationen über US-Strategien im Nahen Osten stehen, sondern auch das Ausspähen von Hochtechnologie. Israelische Regierungsmitglieder haben den Bericht des Nachrichtenmagazins umgehend dementiert. Israel betreibe „nichts auch nur annähernd Derartiges“, so Außenminister Avigdor Lieberman.

Aus Sicht Tel Alvivs kommt die Diskussion über israelische Spionageaktivitäten in den USA zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Israel bemüht sich nämlich darum, auf die Liste jener Staaten aufgenommen zu werden, deren Bürger ohne Visa in die USA einreisen können. In Washington sind die entsprechenden Wünsche bisher allerdings auf Ablehnung gestoßen. Die Chancen für die gewünschte Einreiseerleichterung dürften sich mit den aktuellen Spionagevorwürfen gegen Israel kaum erhöht haben.

Offizielle Linie von israelischer Seite war bisher stets, dass seit dem Auffliegen des israelischen Spions Jonathan Pollard im Jahr 1986 keine Spionage mehr gegen die USA betrieben werde. Bis heute gilt der Fall des Top-Spions Pollard als eine der schwersten Belastungsproben in den Beziehungen beider Länder. Als Nachrichtenoffizier bei der US-Marine tätig, hatte Pollard rund anderthalb Jahre lang geheime Unterlagen an den israelischen Nachrichtendienst Lakam weitergegeben. Im Jahr 1987 zu lebenslanger Haft verurteilt, sitzt Pollard bis heute in US-Haft. Für Thomas Brooks, den Ex-Chef des US-Marine-Geheimdiensts, ist das Ausmaß von Pollards Geheimnisverrat bisher nur von Edward Snowden überboten worden.

Trotz dieser Vorgeschichte scheint Israel wie kaum ein anderer Verbündeter von der Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten der USA zu profitieren. Wie der „Guardian“ unter Berufung auf Snowden-Dokumente bereits vergangenen September berichtet hat, soll die NSA seit Jahren unter anderem ungefilterte Rohdaten an den israelischen Geheimdienst Israeli Sigint National Unit (ISNU) weitergeben. Die übermittelten Daten sollen aus dem eigenen Aufkommen der NSA stammen, aber auch von den Verbündeten Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland im Zuge der „Five Eyes“-Vereinbarung an die NSA geliefert worden sein. N.H.


Roms Fesseln anerkannt
Neuer SVP-Chef lehnt Unabhängigkeitsforderungen für Südtirol ab

In Meran ist der 29 Jahre „alte“ Philipp Achammer zum neuen Vorsitzenden der Südtiroler Volkspartei (SVP) gewählt. Achammer ist der fünfte Nachfolger Silvius Magnagos, des „Vaters der Autonomie“, auf dem Stuhl des Parteiobmanns und zugleich der jüngste in der Parteigeschichte.

Als befreundeter österreichischer Amtsträger war der um ein Jahr jüngere Außenminister Sebastian Kurz aus Wien angereist, um seinen Alters- und Gesinnungsgenossen Achammer zu unterstützen, sprich „die Mauer zu machen“, wie der gelernte Österreicher sagt. Ideologische Mauern müssen die beiden auch gar nicht überwinden, denn ihre Positionen zu Grundfragen der Südtirol-Politik sind deckungsgleich. Kurz bekennt sich uneingeschränkt zum SVP-Konzept einer „Vollautonomie“. Wie oft der damit derzeitige Zustand einer „Teil-“ oder allenfalls „Halbautonomie“ von Rom in den letzten Jahren beschnitten worden ist, lässt er, sofern er davon überhaupt eine Vorstellung hat, unter den Tisch fallen.

SVP-Pendant Achammer tut es ihm darin gleich. Geflissentlich übergehen beide, dass Rom Bozen scheibchenweise selbst die bisher gewährten Zuständigkeiten und Südtirol zustehende, weil selbst erwirtschaftete Finanzmittel entzogen hat. Stattdessen schimpfen sie jene „Ewiggestrige“ und „Phantasten“, die, wie die damit immer erfolgreicher agierenden Südtiroler Oppositionsparteien, nach Auswegen aus dieser Misere im Beschreiten anderer Pfade suchen.

„Freistaats- und Unabhängigkeitsphantasien führen die Menschen in die Irre“, sagte Kurz in Meran. Achammer hat noch nie etwas anderes als ähnliche Standardsätze von sich gegeben. Weshalb sich unter den Glückwünschen, die er nach seiner „alternativlosen Wahl“ zum SVP-Obmann erhielt, auch Vorbehalte zweier Jungfunktionäre der „Süd-Tiroler Freiheit – Freies Bündnis für Tirol“ (STF) befanden: „Als junger Mensch ist Achammer sicherlich ein positives Beispiel für gelungene Jugendpolitik, seine Ansichten zu Fragen der Selbstbestimmung bleiben jedoch zweifelhaft und werden die Ausrichtung der SVP weiter in Richtung Rom verschlechtern, anstatt sich von der staatlichen Fessel Italiens zu lösen.“

Achammer und Kurz scheinen wie SVP und ÖVP, für die sie stehen, zu ignorieren, was sich in der Selbstbestimmungsfrage tut; auch und gerade in Italien, diesem seit seiner staatlichen Einigung in den 1860er Jahren labilen Staat.

Ob Geschehnisse und Ergebnisse wie bei der Online-Befragung zu einer möglichen Unabhängigkeit Venetiens „niemanden juckt“, wie Karl Zeller, SVP-Senator, bemerkte? Nicht nur in Rom befürchtet die politische Klasse angesichts wachsender regionaler Erosionserscheinungen eine Art „Domino-Effekt“. Zumal da Beppe Grillo von der „Fünf Sterne“-Partei schon der „Auflösung Italiens in seine Einzelteile“ begrüßend das Wort redet.

Kurz und Achammer hingegen, ausgestattet allenfalls mit rudimentärer politischer Erfahrung, schicken sich als „junge Unvollendete“ an, quasi in Vorbildfunktion den politkarrieristischen „Paradigmenwechsel“ auch für andere Parteien zu erzwingen. So sich die „Stars“ nicht als Sternschnuppen erweisen und alsbald verglühen. R. Liesing


MELDUNGEN

Belgien vor Zerreißprobe

Antwerpen – Der Bürgermeister des flämischen Antwerpen und Parteichef der Neu-Flämischen Allianz (N-VA), Bart De Wever, kann nach den Wahlen in Belgien hoffen, künftig auch im Parlament in Brüssel ein gewichtiges Wort mitzureden. So konnte die N-VA, die lange auf eine Aufspaltung des Landes in Flandern und Wallonien setzte, nun jedoch nur noch für stärkere Autonomie der Regionen eintritt, deutliche Stimmengewinne verzeichnen. Premierminister Elio Di Rupo von den Sozialisten hingegen konnte selbst in seinen frankophonen Stammgebieten nur knapp stärkste Kraft bleiben. Vieles spricht derzeit dafür, dass die N-VA an der Regierung beteiligt werden muss, obwohl das alle etablierten Parteien vor der Wahl abgelehnt hatten. Bel

 

War EU-Mission Ziel?

Dschibuti – Bei einem Terroranschlag im ostafrikanischen Dschibuti sind neben drei Deutschen auch Franzosen und sechs niederländische Soldaten verletzt worden. Der Ort des Anschlags, das Restaurant „La Chaumiére“, in der Hauptstadt des rund 750000 Einwohner zählenden Landes gilt als beliebter Treffpunkt von Angehörigen der zivil-militärischen EU-Mission Eucap Nestor, die im Zusammenspiel mit der militärischen EU-Mission Ata-lanta bei der Bekämpfung der Piraten vor der somalischen Küste agiert. Die dschibutische Regierung vermutet Angehörige der somalischen Schabab-Miliz hinter dem Attentat. Der dschibutische Präsident Ismail Omar Guelleh betonte, dass die Tat keine Auswirkungen auf die Entschlossenheit seines Landes habe, sich weiter an dem internationalem Sicherungsprogramm zu beteiligen. Bel


S. 7 Wirtschaft

Gefahr der falschen Sicherheit
EZB will Politik des billigen Geldes noch verstärken und könnte damit eine neue Krise entfachen

Die Bundesbank warnt vor neuen Risiken an den Finanzmärkten, verschweigt jedoch, wer für diese maßgeblich verantwortlich ist: die Europäische Zentralbank (EZB).

„Mario Caesar Draghi“ titelte das „Handelsblatt“ vor wenigen Tagen und widmete dem EZB-Chef und seiner Euro-Rettungsstrategie gleich mehrere Seiten. Zwar habe er die Euro-Krise entschärft, so der Tenor, doch schaffe die EZB mit ihrer Politik des billigen Geldes nicht den Nährboden für die nächste, vielleicht größere Krise?

Dies sieht offenbar auch Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret so. Zwar seien die Märkte derzeit ruhig, doch genau dies sei auch ein Zeichen für versteckte Risiken. Bereits im Jahr 2007, kurz vor Beginn der Bankenkrise, habe es auffällig geringe Schwankungen an den weltweiten Börsen und Finanzmärkten gegeben. Und nicht nur diese Ähnlichkeit veranlasst den bisher für die Finanzstabilität zuständigen, nun in den Bereich Finanzaufsicht wechselnden Dombret zu seiner Warnung. In vielen europäischen Ländern seien die Immobilienpreise sehr hoch, gleichzeitig herrsche Wohlfühlstimmung an den Börsen, und nicht nur der Dax nähere sich seinem historischen Hoch, obwohl die Gewinne der in dem Index verzeichneten Unternehmen keineswegs durch die Decke springen.

„Die geringen Schwankungen an den Märkten verleiten die Marktakteure dazu, sich in Sicherheit zu wiegen“, so der 54-Jährige, schließlich symbolisieren Kurschwankungen Risiken. Er verweist auch darauf, dass es rational nicht nachvollziehbar sei, dass die Zinsen portugiesischer Staatsanleihen von rund 18 Prozent innerhalb von zwei Jahren auf unter vier Prozent gefallen seien, obwohl Portugal noch lange nicht auf den Pfad des Wirtschaftswachstums und der gesunden Staatsfinanzen zurückgekehrt ist. Das gleiche gelte für irische Staatsanleihen, deren Zinssätze von 14 Prozent im Jahr 2012 auf unter drei Prozent gesunken sind. Wieso müsse Irland weniger Zinsen für Kredite zahlen als Großbritannien, das weniger Schulden habe, fragt Dombret, ohne jedoch die Antwort mitzuliefern. Denn für die Iren steht die Euro-Währungsgemeinschaft in der Gesamthaftung samt EZB im Schlepptau, die immer wieder deutlich macht, dass sie jedes ihr mögliche Mittel einzusetzen bereit ist, um den Euro zu retten.

Am 5. Juni will die EZB nicht nur eine erneute Zinssenkung verkünden, sondern auch neue geldpolitische Wege gehen. Dies haben vorab bereits drei EZB-Direktoriumsmitglieder verkündet, was die weltweiten Börsen sofort einen Satz nach oben machen ließ. Die Europäer kopieren die Strategie der US-Notenbank Fed, obwohl deren Politik des billigen Geldes Mitverursacher der weltweiten Finanzturbulenzen der letzten Jahre war.

Dabei will die EZB offiziell gar nicht die Börsen treiben und Kurse von Staatsanleihen senken. Nach ihrem eigenen Bekunden will sie mit der erneuten Senkung der Zinsen dafür sorgen, dass die Unternehmen in südlichen Euro-Ländern wieder günstiger an Kredite kommen. Doch diese Theorie hat schon bei den letzten Zinssenkungen nicht gefruchtet. Denn obwohl die EZB den Leitzins ständig senkte, schrumpften die Kredite an die Realwirtschaft in den letzten zwei Jahren um zehn Prozent. Es ging also weniger statt mehr Geld als Kredit an die Unternehmen.

Wieso hätte es auch mehr sein sollen? Die Wirtschaftslage in Italien, Spanien, Griechenland, Portugal und Zypern gibt keinen Grund zum Hoffen. In all diesen Ländern erreicht die jährliche Zahl von Insolvenzen neue Rekorde. Firmenneugründungen bei einem aufgrund hoher Arbeitslosigkeit schlechtem Konsumklima sind nicht ratsam. Und dass die selbst finanziell kränkelnden Banken Firmen in Notlage ohne Besserung der Konjunktur frische Kredite geben, ist in den meisten Fällen nicht zu erwarten. Schon jetzt gilt beispielsweise in Griechenland insgesamt jeder dritte Kredit als faul, das heißt mit einer Rückzahlung dieses verliehenen Geldes ist kaum noch zu rechnen. Und da sich die Wettbewerbsfähigkeit der Südländer in den letzten Jahren nicht wirklich verbessert hat, somit die Konjunkturaussichten eingetrübt sind und viele Banken weit davon entfernt sind, als gesund bezeichnet zu werden, vermeiden sie übergroße Risiken.

Doch wohin dann mit dem Geld, das die EZB zu so niedrigen Zinsen unter die Banken bringt? Was liegt da näher, als es an den Börsen zu investieren, die doch immer neue Rekordmarken erklimmen? Oder eben in Staatsanleihen, die doch jetzt laut Politikeraussagen wieder so viel sicherer seien, da die Euro-Krise weitestgehend überstanden sei. All dies wirkt doch auf den ersten Blick so viel sicherer und einträglicher als die Vergabe von Krediten an Unternehmen.

„Das ist keine gesunde Entwick­lung“, kommentierte bereits der US-Währungshüter Richard Fisher den Umstand, dass es an den Börsen allenfalls nur noch Bewegungen nach oben, nicht aber mehr nach unten gibt. Und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) warnte die EZB davor, mit ihren Ankündigungen und dem Versprechen von langfristig niedrigen Zinsen Anleger dazu zu ermuntern, Risiken einzugehen.

Experten gehen davon aus, dass auch dieses Mal das Geld nicht in der Realwirtschaft ankommt, dafür aber die Banken verstärkt Staatsanleihen verschuldeter Staaten kaufen, wodurch Reformen verschleppt werden, und an den Börsen investieren, so dass sich an den Märkten Blasen bilden. „Ich bin sicher, es wird ein böses Ende nehmen“, unkt der Börsenanalyst Jeremy Grantham und warnt hier zwar speziell vor einer Blase am US-Aktienmarkt, doch wie die jüngste Vergangenheit gezeigt hat, hängen die weltweiten Finanzmärkte eng zusammen.

Rebecca Bellano


Risiken und Nebenwirkungen
Freihandelsabkommen mit den USA könnte Krankenkosten erhöhen

Als Folge der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP) drohen die Krankenkassenbeiträge zu steigen. Auf eine bisher kaum beachtete Folgewirkung, die mit dem Vertrag droht, hat der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassenversicherung (GKV) aufmerksam gemacht. Wird bei den Verhandlungen nicht aufgepasst, dann drohen hiesigen Patienten und Versicherten kostspielige Nachteile.

Anlass der Warnung ist die im Mai begonnene fünfte Verhandlungsrunde zum TTIP-Abkommen, bei der Themen wie Medizinprodukte, Arzneimittel und Fragen zum Patentschutz auf der Tagesordnung stehen. Bisher haben Deutschland und andere europäischen Staaten Regelungen getroffen, mit denen ein Kostenanstieg bei den Krankenversicherungen abgebremst werden konnte. So verhandeln deutsche Kassen mit Pharmaherstellern regelmäßig Rabattvereinbarungen aus. Derartige Rabatte können durch das Freihandelsabkommen aber künftig als Handelshemmnis angesehen und untersagt werden, so die Sorge bei den gesetzlichen Krankenkassen.

Doris Pfeiffer, die Vorsitzende des Kassen-Spitzenverbandes, fürchtet, dass Vereinbarungen zwischen Krankenkassen und einzelnen Herstellern zur Kostensenkung künftig zu einem Fall für die umstrittenen Schiedsgerichte zum Investitionsschutz werden. Die Befürchtung, dass Pharmaproduzenten versuchen könnten, entgangene Gewinne einzuklagen, ist nicht ganz unbegründet. So hat der Tabakkonzern Philipp Morris 2011 den australischen Staat wegen dessen Anti-Tabak-Politik auf finanzielle Entschädigung verklagt.

Als heikler Punkt könnten sich auch die unterschiedlichen An­sichten zum Patentschutz bei Arzneimitteln herausstellen. Im Schnitt beträgt die Patentlaufzeit in der EU zwölf Jahren. Die Verhandlungslinie der Amerikaner ist es hingegen, den „Schutz geistigen Eigentums“ weiter auszubauen. Im Klartext: Die Laufzeit von Patenten soll eher länger als kürzer werden. Setzen sich die US-Amerikaner mit dieser Haltung bei den Verhandlungen durch, droht dies das Preisniveau bei Medikamenten nach oben zu treiben. Je länger der Patentschutz läuft, desto später dürfen preiswerte Nachahmerprodukte, Generika genannt, auf den Markt gebracht werden.

Alles zusammengenommen kann sich das Freihandelsabkommen im ungünstigen Fall zu einem Kostentreiber für die Krankenkasse entpuppen. „Das kann Milliarden kosten“, so die Warnung der Vorsitzenden des GKV-Spitzenverbandes.

Zumindest auf einem Teilbereich sind für die europäischen Patienten allerdings auch Verbesserungen in Aussicht. Bei Medizinprodukten wie etwa Herzschrittmachern ist der Marktzugang und die Überwachung in den USA besser und transparenter geregelt als in Europa. So veröffentlicht die US-Zulassungsstelle für Medizinprodukte, die Food and Drug Administration (FDA), wichtige Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit von Medizinprodukten und gibt auch Warnungen an die Öffentlichkeit heraus, falls bei Produkten ein Gefahrenpotenzial erkennbar wird. N.H.


Duell der Ökonomen
EU und Euro bewirken Wettstreit der Wirtschaftswissenschaftler

Schon Wochen vor der EU-Wahl veröffentlichten einige Ökonomen einen Aufruf an jene „EU-Institutionen, die nach der EU-Wahl Verantwortung tragen“. Klar definierten sie ihre Wünsche an die dann Herrschenden und wurden dabei von den Sozialisten im EU-Parlament unterstützt. „Call of Change“ lautet der Titel des Appells, der klare Handlungsanweisungen gibt. Gefordert wird, dass die Regierungen der Euro-Zone ihre Sparkurse beenden und stattdessen über schuldenfinanzierte Investitionen und gemeinsame Sozialversicherungen die beklagte Ungleichheit in den 18 Ländern abschaffen. Unterzeichner des politisch links einzuordnenden Aufrufes sind jedoch nicht irgendwelche Politiker und Gewerkschaftsführer, sondern der deutsche Wirtschaftsweise Peter Bofinger und der US-Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Joseph E. Stiglitz.

Bofinger ist allerdings nicht nur Initiator des Appells, er ist auch einer der schärfsten Kritiker, wenn es um Aufrufe seiner Fachkollegen geht. „Das ist schlimmste Stammtisch-Ökonomie“, lautete etwa sein Urteil zu einem offenen Brief, der 2012 veröffentlicht und inzwischen von 270 Wirtschaftsprofessoren unterzeichnet wurde. Die von Walter Krämer mit Unterstützung von ifo-Chef Hans-Werner Sinn ins Leben gerufene Erklärung warnte vor gemeinsamer Bankenunion und kollektiver Haftung. Offen traten sie für Steuerzahler, Rentner und Sparer der noch soliden Länder ein und forderten, dass Banken auch scheitern dürfen müssten.

Doch während jene, für die sie eintraten, den Aufruf kaum zur Kenntnis nahmen, bezeichnete Bundeskanzlerin Angela Merkel die Behauptungen der Ökonomen als haltlos. Und Dennis Snower, Präsident des Instituts der Weltwirtschaft (IfW), meinte, der Aufruf schüre allenfalls Ängste.

Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), dessen Amtsvorgänger Klaus F. Zimmermann den offenen Brief von Krämer und Sinn unterstützte, tat sich wiederum mit Kollegen vom Brüsseler Wirtschaftsforschungsinstitut Bruegel, dem German Marshall Fund und dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung zusammen und startete im letzten Oktober einen Gegenaufruf. Die Glienicker Gruppe ist für Bankenunion, eine europäische Wirtschaftsregierung und überzeugt, dass eine Währungsunion ohne kontrollierte Transferelemente nicht dauerhaft stabil sein könne. Im Februar schlossen sich ihnen 14 französische Ökonomen an, unter ihnen der neue Star der Wirtschaftswissenschaftlerszene, Thomas Piketty. Die setzen jedoch noch Forderungen oben drauf und verlangen eine europäische Steuer und die Vergemeinschaftung der Schulden der Euro-Zonen-Länder.

All das zeigt, dass die Wirtschaftswissenschaften – genau wie die Politik – nicht die eine klare Wahrheit bieten, sondern es viele konkurrierende Strömungen gibt. Nicht jeder Ökonom jedoch hat Lust, sich im Kampf der Theorien zu verlieren. Manche wollen auch in der Praxis mitmischen. Einer von ihnen ist Bernd Lucke, Mitunterzeichner des offenen Briefes, Gründer und Chef der 2013 ins Leben gerufenen Partei „Alternative für Deutschland“. Bel


MELDUNGEN

Fracking: Ein Traum platzt

Washington – Die US-Energiebehörde EIA hat dieser Tage mit einem Schlag die Hoffnungen von US-Industrie und US-Regierung platzen lassen: So wurden die Prognosen für das Ölvorkommen der kalifornischen Monterey-Formation um 96 Prozent reduziert. Wurden hier 2011 noch 13,7 Milliarden Fass Öl mit einem Wert von 1,4 Billionen US-Dollar und somit jährliche Steuereinnahmen in Höhe von 25 Milliarden vermutet, heißt es jetzt, es sei nur ein Bruchteil via Fracking förderbar. Somit sind die gesamten vermuteten US-Schieferöl-Reserven um zwei Drittel kleiner als angenommen. Bel

 

China vor Immobilienkrise

Peking – Derzeit stehen in China rund 10,2 Millionen Wohnungen leer. Da die Bautätigkeit nur leicht rückläufig ist, wird sich das Überangebot in den nächsten Jahren um weitere vier Millionen Wohnungen erhöhen. Der von Peking infolge der Weltfinanzkrise angefachte Bauboom hat somit eine gefährliche Immobilienblase bewirkt. Bel

 

Angst um die Credit Suisse

Zürich – Das offizielle Eingeständnis der Großbank Credit Suisse, jahrzehntelang illegale Geschäft mit US-Kunden betrieben zu haben, war Schweizer Medienberichten zufolge von Bemühungen um die Verhinderung eines Ban-kensturms begleitet. Nach Angaben des Finanzjournals „Inside Paradeplatz“ haben Topmanagement der Bank und Behörden versucht, Großkunden und Investmentbanken zu überzeugen, dass die Credit Suisse auch mit der Brandmarkung als kriminelle Organisation ein stabiler Partner bleibe. Hintergrund sollen Befürchtungen vor einem Rückzug wichtiger Kunden und Geschäftspartner sein. N.H.


S. 8 Forum

»Wieder« weg
von Manuel Ruoff

Die Zeitung „Der Tagesspiegel“ hatte in seiner Berichterstattung über das Deutschlandtreffen in Kassel ursprünglich die Behauptung aufgestellt, dass Ostpreußen „seit 1945 wieder Teil Polens, Litauens und Russlands ist“. Das ist gleich doppelt falsch. Zum einen ist Ostpreußen nicht seit 1945 polnisch, litauisch beziehungsweise russisch und zum anderen nicht „wieder“.

Wenigstens der zweite Fehler wurde bezüglich Russlands korrigiert, zu dem Ostpreußen in der Tat kein einziges Mal in der Geschichte gehört hat. Die Korrektur erfolgte nicht nur durch die Streichung des Wortes „wieder“ in der Online-Version. Vielmehr wurde sie in einer bemerkenswerten Anmerkung erläutert, in der es in löblicher Selbstkritik heißt: „In diesem Artikel wurde nachträglich ein Fehler korrigiert ... Das ,wieder‘ wurde nachträglich gestrichen. Das Gebiet Ostpreußens war in der Geschichte nicht Teil Russlands. Das ehemals preußische Königsberg, heute Kaliningrad, ging erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs an Russland.“ Wenn jetzt auch noch wie „wieder“ „seit 1945“ gestrichen würde, wäre die Fehlerfreiheit erreicht.


Wo bleibt das Geld?
von Rebecca Bellano

Im Grunde ist es unglaublich, dass man es so weit hat kommen lassen. Inzwischen gilt laut Eisenbahnbundesamt fast die Hälfte der Eisenbahnbrücken in Nordrhein-Westfalen als „dringend sanierungsbedürftig“. In anderen Bundesländern ist die Lage nicht viel besser. Zu lange hat sich die dem Bund gehörende Deutsche Bahn (DB) zulasten von Investitionen für den Börsengang hübsch gemacht. Doch aus dem wurde nichts und einen Plan, wie der Sanierungsstau in Höhe von rund 30 Milliarden Euro zeitnah behoben werden könnte, gibt es nicht.

Wobei: Die Hauptkritik gilt hier nicht dem DB-Vorstand, sondern dem Bund. Er ist Eigentümer der Bahn und war nur auf den Börsengang und auf möglichst hohe Gewinne aus dem Unternehmen, die man in den Bundeshaushalt einbringen konnte, fixiert. Noch gelten die Brücken zwar als befahrbar, aber da einige bereits bröckeln, ist es nur eine Frage der Zeit, bis es zu Streckenschließungen oder – noch viel schlimmer – zu Unfällen kommt.

Und all das in Zeiten, in denen die Steuereinnahmen eine Rekordmarke nach der nächsten knacken. Trotzdem macht der Staat noch Schulden und vermeidet, so gut er kann, Investitionen.

Da fragt man sich, wofür das viele zusätzlich eingenommene Geld ausgegeben wird. Gern denkt man hier reflexartig an die Umverteilungskosten in Form von Hartz IV, doch die Zahl der Empfänger ist seit 2007 offiziell um fast eine Million zurückgegangen. Auch die Zahl der Arbeitslosen ist rückläufig. Trotzdem gab der Bund 2013 rund 48,1 Prozent seines Budgets für den Bereich Soziale Sicherung aus. Verflixt, wohin fließt das ganze Geld?


Woanders undenkbar
von Jan Heitmann

Die Bundesrepublik Deutschland begeht mit einer Feierstunde den 65. Geburtstag ihres Grundgesetzes und das Staatsoberhaupt weigert sich, aus diesem Anlass eine Rede zu halten, weil es sich darüber geärgert hat, dass sich der Bundestagspräsident über seine Reden geärgert hat. Damit stellt Bundespräsident Joachim Gauck seine persönliche Befindlichkeit über das Interesse des Staates. Das ist inakzeptabel. Wenn ein Land daran erinnert, dass es 65 Jahre zuvor nach Diktatur, Krieg und Fremdherrschaft eine Verfassung bekommen hat, die bis heute weltweit als vorbildlich gilt, kann es keinen anderen Festredner als das Staatsoberhaupt geben.

Nicht weniger befremdlich als das Verhalten des Bundespräsidenten ist, dass das Bundestagspräsidium Navid Kermani, einen muslimischen Orientwissenschaftler und Schriftsteller iranischer Abstammung, für „ganz offensichtlich besonders geeignet“ hielt, an Stelle des Staatsoberhauptes zu sprechen. Denn es sei an der Zeit, das Grundgesetz „auch einmal aus Sicht eines Bürgers mit Migrationshintergrund zu beleuchten“. Kermani ist ein Mann, der das christliche Kreuz als „Gotteslästerung“ verunglimpft und nicht den Anstand hat, sich zu Deutschland zu bekennen, indem er die iranische Staatsbürgerschaft abgibt.

Die im Reichstag versammelte Festgemeinde ließ er wissen, dass ihm die Worte von Bundespräsident Gauck, Deutschland sei „das beste, das wir kennen“, „nicht so leicht über die Lippen gehen“ würden. Deutschland sei nach dem Zweiten Weltkrieg „vollständig entehrt“ gewesen und habe seine Würde erst durch den Kniefall Willy Brandts in Warschau wiedererlangt. Folgt man den weiteren Worten Kermanis, die zu einer geradezu peinlichen Lobeshymne auf Brandt ausarteten, muss man glauben, dieser sei der bis heute präsente Über-Kanzler der Republik, neben dessen heller staatsmännischen Sonne alle anderen Regierungschefs allenfalls wie blasse Monde dastehen würden. Erwartungsgemäß hat Ker­mani die deutsche Flüchtlingspolitik scharf kritisiert und mehr legale Einwanderung gefordert. Immerhin konnte sich der Festredner dazu durchringen, das Grundgesetz als bedeutsame Errungenschaft zu bezeichnen, auch wenn er dessen „Verstümmelungen“ hinsichtlich des Asylrechts anprangerte. Dass er es überhaupt positiv erwähnte, dürfte wohl nur dem Anlass seiner Rede geschuldet sein. Auch sein abschließend formuliertes „Danke, Deutschland“ war schal, denn vorab fühlte er sich zu der Bemerkung bemüßigt, dass er dies „trotz Verbrechen wie den NSU-Morden“ sage.

Wenigstens hat Kermani selbst erkannt, dass es nicht viele Staaten in der Welt gibt, in denen bei einer Verfassungsfeier ein Redner wie er auftreten dürfte. Da hat er wohl Recht, allerdings aus ganz anderen Gründen als denen, die er dabei im Sinn hat.


Frei gedacht
EU-Wahl: Was ist eigentlich links und was rechts?
von Eva Herman

Während ich diesen Text schrieb, zählten wir nur wenige Tage bis zur Europawahl 2014. Die Berichterstattung im Vorfeld war beeindruckend, überall wurden wir mit bunter Wahlwerbung konfrontiert: Linke, Rechte, Grüne, Rote, Schwarze und so weiter priesen sich an. Auffällig: Die Sorgen und Ängste der Regierenden und Oppositionellen klangen immer öfter durch, denn sie spürten: Da ist etwas im Gange …

Nie zuvor sind sich die Mächtigen der Politik-Elite ihres Erfolges so unsicher gewesen wie heute: Man hat die Gespenster rechts und links in Stellung gebracht, an dieser Linie entscheidet sich nun, wer für oder gegen das System ist. An diesem Punkt entscheidet sich in diesen Tagen offenbar das gesamte Schicksal Europas! Wir wollen darüber nachdenken, was diese Begriffe bedeuten, welche Berechtigung sie in Wahrheit haben.

Was die offiziellen Deutungsbegriffe rechts und links angeht, so geht es in Frankreich, England, Italien, Ungarn, Österreich und weiteren Ländern seit einiger Zeit hoch her: Die EU-Kritiker stehen auf der Matte, Euro-Gegner formieren sich, sie alle eint der Gedanke: Schluss mit dem Zentralisierungswahnsinn in Brüssel! Sie wollen ihre natürlichen, die nationalen Rechte zurück-haben, möchten ihren Anspruch auf eigenständiges, regionales Leben zurückerobern und sich nicht von den ungewählten Politikern Brüssels zentral kaputtregieren lassen. Sie erkennen, der EU-Zug hat an Fahrt aufgenommen: Was heute an nationalen Völkerrechten einfach gestrichen wird, ist morgen uneinholbar verloren. Die Menschen beginnen zu kämpfen, für ihre Heimat, für ihr Recht auf ihr Land, für ihre Sprache, ihre eigene Mentalität, ihre Zukunft! Und die wollen sie selbst bestimmen, handelt es sich hier doch einzig und allein um ihr Leben.

Und auch in Deutschland zeigte sich vor der Europawahl eine gespaltene Situation: Etablierte Parteien, die seit Jahrzehnten das Heft in der Hand hielten, können sich nun nicht mehr sicher sein, das Volk wendet sich zunehmend ab. Dafür erhalten kleine konservative Parteien Zulauf. Die Etablierten strickten in der Vergangenheit am großen Modell der Europäischen Union eifrig mit, mal von der Regierungsbank aus, dann wieder als Opposition. Doch sprachen sie dabei die ganze Zeit von Europa: Und stifteten damit Verwirrung. Denn die meisten Menschen im Abendland sind zwar klar für Europa, für eine gemeinsame Grundlage von Kultur, Tradition und Vielfalt, im richtigen Sinne allerdings. Doch sprechen sich diese Menschen gleichzeitig gegen das EUngeheuer in Brüssel aus, das mit seinem Gleichmachungswahn ihre Lebensformen beschneidet und ihnen die Identität raubt.

Gerade für diese Haltung werden die Menschen von der Politik und den Systemmedien als rechts bezeichnet. Letztere helfen nicht, die auffallend unterschiedlichen Begriffe EU und Europa sauber zu erklären. Die offizielle Lesart lautet platt: Bist Du gegen die EU, so bist Du gegen den Euro, und damit bist Du gegen Europa! Das bedeutet ganz klar: Du bist rechts!

Und was geschieht weiter? Die Regierungsoberhäupter und ihre Medienleute erheben die Begriffsverwirrung über sämtliches Geschehen, um mit diesem Werkzeug die Stimme der EU-Gegner (es handelt sich übrigens um die überwältigende Mehrheit der Bürger Europas) schnell und wirksam zu eliminieren: Diese werden einfach als rechts abgeurteilt, als rechtspopulistisch, als rechtsextrem. Diese Begriffe werden im Moment des Aussprechens bereits mit dem unrühmlichsten Teil der deutschen Geschichte eng verknüpft, und schwupp, gehört man auch schon dazu.

Flugs wird man, aufgrund einfach überzeugender, sachlicher Kritik an dem ja schon sichtbar zusammenbrechenden System, auf diesem Wege automatisch zum geschichtlichen Mittäter abgestempelt, der jetzt besser den Mund halten sollte, wenn er keinen Ärger will. Währenddessen erfüllen die systemtreuen Medien ihren Auftrag, um unterstützend diesen Eindruck zu verfestigen. Und so wird so manch braver Bürger über Nacht als ein Rechter, als ein Rechtsradikaler, als Nazi diffamiert. Ist man heute also schon ein Nazi, wenn man seine Kultur verteidigt?

Gleichzeitig dürfen die Linken angriffslustig auftreten. Sie haben wenig zu befürchten. Denn sie sorgen sich nicht um den Erhalt ihrer Traditionen, sie pfeifen drauf! Sie suchen keine individuelle Kultur, denn sie glauben, alle Menschen seien gleich. Sie finden das Deutsche peinlich, wollen ihre Identität lieber heute als morgen loswerden. Deswegen werden sie auch von den Mächtigen unterstützt, die mit der Brüsseler Zentralregierung die Hoheit über Gesamteuropa wollen, ohne deutsche, ohne individuelle, ohne irgendwelche Eigenheiten. Und so randalieren die Linken munter drauflos, sie greifen rechte Bürger an, rhetorisch wie auch körperlich, sie zünden Autos an, werfen Farbbeutel auf Häuser und Eier auf Menschen.

Links gegen rechts. Ist das alles noch zeitgemäß? Wohl nicht, denn die Begriffe stimmen ja nicht mehr, sie stehen nicht richtig, werden falsch ausgelegt, vollkommen umgedeutet. Wer seine kulturelle Identität wahren will, ist rechts? Ja, warum denn eigentlich nicht? Schauen wir uns einmal die beiden Begriffe rechts und links noch genauer an, was bedeuten sie denn im ursprünglichen Sinne?

Der Begriff rechts entstammt dem indogermanischen Wortstamm reg, der die sprachgeschichtliche Wurzel darstellt für folgende Ausdrücke: sich aufrichten, recken, geraderichten, aufrichten. Wer sich zum Beispiel die Semantik zur allgemeinen Rechtsprechung anschaut, findet hier den Begriff rechts außerordentlich ausgeprägt: Rechtsordnung, Recht und Gesetz, das Rechte wollen, das Richtige und vieles mehr. Es passt also genau zusammen, wenn wir den ursprünglichen Wortstamm reg zugrunde legen. Rechts hat durchweg eine positive Begrifflichkeit. Schauen wir noch einen Schritt weiter:

Des Menschen Tat- und Arbeitshand ist allermeist die rechte. Ausnahmen bestätigen die Regel. Es ist also nicht die linke Hand. Wer seine Kleidung falsch herum anzieht, trägt sie links. Wer sich falsch bewegt, ist linkisch. Wer gegen andere Menschen hintertrieben agiert, wird als linker Vogel bezeichnet, der jemanden linkt, also betrügt. Das neuhochdeutsche links stammt aus dem mittelhochdeutschen linc, lenc. Die ursprüngliche Bedeutung war ungeschickt.

Übrigens wächst die Zahl jener Regionen in Europa, die Unabhängigkeit, also ihre nationale Identität, anstreben, rasant. So wollen sich zahlreiche Schotten vom Vereinigten Königreich abspalten. Ebenso strebt Katalonien seine Unabhängigkeit von Spanien an. Im März stimmten über zwei Millionen Einwohner der Region Venetiens für die Loslösung Roms, das waren fast 90 Prozent. Ebenso sprechen sich immer mehr Sarden für die Unabhängigkeit von Rom aus, und selbst in Sizilien gibt es zunehmende Strömungen dafür. Belgien ist in Flamen und Wallonen aufgeteilt, auch in der Bretagne gibt es Loslösungswünsche von Paris. In Südtirol gärt es schon lange, ein unabhängiger Freistaat wird hier von den EU-Gegnern ins Visier genommen … Und so weiter … Europa 2014: Ein Kontinent voller rechter Bürger? Warum eigentlich nicht?


S. 9 Kultur

Wie elektrisiert
Baden-Baden stellt den preußischen Impressionisten Lesser Ury ganz groß ins Rampenlicht

Der aus Posen stammende Lesser Ury ist einer der großen Maler des deutschen Impressionismus. Aber kaum einer kennt ihn. Eine Ausstellung in Baden-Baden soll das ändern.

Nur in wenigen deutschen Museen ist Ury mit Bildern heutzutage noch vertreten. Zwei Privatsammler sind denn auch die Hauptleihgeber der sehenswerten Schau „Lesser Ury und das Licht“, die auf sein originelles Schaffen aufmerksam macht. Im Museum für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts sind Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafik aus allen Werkphasen ausgestellt.

Der 1861 in Birnbaum bei Posen geborene Lesser Ury wuchs in Berlin auf. Seine künstlerischen Lehrjahre verbrachte er in Düsseldorf, Brüssel, Antwerpen, Paris und München. Gegen Ende seines Lebens erfreute sich der 1931 in Berlin gestorbene Maler breiter künstlerischer Anerkennung. Doch da er jüdischer Abstammung war, brachte ihn die NS-Herrschaft um den verdienten Nachruhm.

Aber bereits vor Hitlers Macht­ergreifung versagte Ury bei der Selbstvermarktung, wie der Baden-Badener Museumsdirektor Matthias Winzen berichtet. Der persönliche Umgang mit Ury muss nicht eben einfach gewesen sein: Er wird als schroff, unverblümt und misstrauisch charakterisiert. Ury selbst war mit seinem Dasein unzufrieden: „Das Leben war nicht angenehm für mich, die Kunst auch nicht und die Kritik erst recht nicht.“

Dass das so war, lag nicht zu­letzt an seinem Zerwürfnis mit dem berühmten und einflussreichen impressionistischen Malerkollegen Max Liebermann. Der Streit entzündete sich an Liebermanns Gemälde „Flachsscheuer in Laren“ (1897). Der Kunsthistoriker Max Osborn berichtete: „Ury hat immer wieder darauf hingewiesen, dass die violetten Lichteffekte, die dem Bild seinen eigenen Charakter verleihen, von ihm stammen.“ Das kam Liebermann zu Ohren, der fortan Ury das Leben schwer machte.

Tatsache ist, dass Lichteffekte den Reiz und die besondere Qualität von Urys Kunst ausmachen. Fast schon brachial entfalten sie sich auf dem Pastell „Flusslandschaft − Abendstimmung“ (1889). Zwischen zwei dunklen Bereichen, die im Vor­dergrund einen Weg mit Rasenstreifen und im Mittelgrund eine Baumzone bezeichnen, erstrecken sich zwei kräftig gelbe Bahnen, die den Himmel und einen Wasserlauf beschreiben. Geradezu behutsam breiten sich hingegen die Effekte auf dem Ölbild „Mondaufgang am Grunewaldsee“ (1898) aus: Je länger man es anschaut, desto klarer nimmt man seine feinen farblichen Abstufungen wahr.

Ganz eigentümlich hat Ury seine Mitmenschen ins Bild gesetzt. Er wirft einen distanzierten und unverwandten Blick auf sie. So zeigt das Gemälde „Pariser Interieur“ (1881) eine im Schatten liegende Wohnhöhle. Ganz hinten am Sprossenfenster sitzt eine lesende Frau. Etwas Tageslicht fällt auf ihr Buch und den Teppich. Doch im Grunde bleibt die Helligkeit ausgesperrt und ist Ereignis hinter dem Fenster. Merkwürdig ist dabei, dass der Blick durchs Fenster vom Draußen nichts als die gegenüberliegende Hausfassade zeigt.

Auf anderen Gemälden und Grafiken schiebt der Künstler regelrecht Barrieren zwischen uns und die dargestellten Personen. Die Radierung „Herr mit Zylinder vor einem Kaffeehausfenster in Rückenansicht“ (1923) zum Beispiel zeigt im Vordergrund einen leeren Stuhl und eine durch das Spiel von Licht und Schatten belebte Tischplatte. Der Herr hinten am sich über die gesamte Bildgröße erstreckenden Fenster qualmt Zigarre. Eigenartig: Die Grenze zwischen dem drin sitzenden Raucher und der Straßenszene mit Droschke und Passanten draußen ist einerseits völlig aufgelöst, aber andererseits durch die Stange mit der zur Seite geschobenen Gardine doch markiert. Auch die Kohlezeichnung „Im Café Bauer“ (1895) setzt uns einen leeren Stuhl und Tisch vor die Nase. Dahinter sitzt eine junge Dame. Sie schaut durch zwei geschlossene Fensterflügel auf die Terrasse. Dort sitzt sich ein Paar gegenüber. Für die sinnbildliche innere Distanz zwischen dem Mann und der Frau sorgt der mittlere Rahmen der Fensterflügel, der das Paar optisch voneinander trennt. Sechs elektrische Hängelampen − einige „real“, einige als Fensterspiegelungen − sorgen für besondere Lichteffekte.

Die Darstellung des elektrischen Lichts in der nächtlichen Großstadt ist geradezu Urys Alleinstellungsmerkmal. Die seinerzeit revolutionär neue Lichterzeugung durch Elektrizität vergegenwärtigen uns die ausgestellten historischen Lampen und Werbeplakate. Zu ihnen treten Urys radierte und gemalte Straßenszenen im künstlichen Licht. Deren Höhepunkt ist das Gemälde „Nächtliches Berlin“ (1919). Als dunkle Silhouetten treten Passanten auf dem regennassen Boulevard in Erscheinung. Zwischen ihnen befinden sich gleißende Lichtspiegelungen. Eine Straßenbahn fährt vorbei, während sich eine lange Kette von Straßenlaternen in die Bildtiefe zieht.

Treffend urteilt Museumsdirektor Winzen, dass Ury mit seiner Behandlung des Lichts und der dadurch erzeugten Bildatmosphäre einen eigenständigen Beitrag zur malerischen Moderne geleistet hat. Veit-Mario Thiede

Bis 31. August im Museum für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts, Lichtentaler Allee 8, Baden-Baden. Dienstag bis Sonntag und an allen Feiertagen von 11 bis 18 Uhr. Informationen: Tel.: (07221) 5007960, Internet: www.museum.la8.de. Eintritt: 7 Euro. Der Katalog aus dem Athena-Verlag kostet 19 Euro.


Der Engel muss hängen!
Berliner Oper feiert mit »Billy Budd« Brittens 100. Geburtstag nach

Das Jahr 2013 war das Jahr der Komponisten. Wagner, Verdi und der britische Komponist Benjamin Britten hatten runde Jubiläen. Bei Britten war es der 100. Geburtstag. Als Nachklang bescherte die Deutsche Oper Berlin mit „Billy Budd“ jetzt eine Premiere voll dunkler Schönheit und mit atemberaubender Präzision.

Der Zweiakter nach einer Erzählung des „Moby-Dick“-Autors Herman Melville ist eine reine Männeroper. Die finstere Gewaltpoesie von Seeleuten wird aber nur an wenigen Stellen kurz durchleuchtet vom Knabenchor der Pulverjungen auf dem Kriegsschiff „Indomitable“. Dorthin wird der von John Chest verkörperte herzensgute und treuherzig schlichte Vortoppmann William (Billy) Budd des Handelsschiffes „Rights o’ Man“ (Menschenrechte) zwangsrekrutiert.

Der später tödliche Streit beginnt bereits mit Billy Budds Abschied an die „Menschenrechte“: „Farewell, Rights o’ Man!“ Vorsätzlich böswillig missversteht ihn der finstere Waffenmeister John Claggart (Gidon Saks). Der Komponist selbst neigte dazu, den Kapitän Vere (Burkhard Ulrich) als zentrale Figur des Dramas zu sehen. Dessen Reflektionen gehören auch Eingang und Schluss des Stücks. Wenn er von einer Rück­schau über Jahrhunderte singt, bis zu jenem Ereignis im Jahr 1797, dann macht Britten kunstvoll die gegenwärtigen Zuhörer sogar noch vier Jahrzehnte über sein eigenes Ableben hinaus zu Zeugen des Geschehens.

Der Chor und das Orchester der Deutschen Oper unter dem Britten-Exegeten Donald Runnicles erbringen eine Spitzenleistung. Besonders die Bläser müssen immer wieder mit solistischer Raffinesse durchdringen. Diese Musik ist packend und plastisch. Eine Oper, die große Stellen aufweist, die mit den wirksamsten des Genres mithalten können. So die große Attacke auf den vorbeisegelnden Franzosen vor der Denunziation durch Claggart oder das Trio der Offiziere in der Standgericht-Szene.

Nachdem das Todesurteil gegen Billy Budd wegen Totschlags an Claggart ge­fallen ist, erklingt ein Harfensolo von überirdischer Schönheit. Britten ist mit dem Werk vielleicht eine britische Nationaloper geglückt. Nicht nur das Seefahrer-Milieu, sondern auch das ethische Dilemma des Kapitäns, der den engelsgleichen Budd durch das irdische Gesetz hinrichten lassen muss.

Wie schon „Peter Grimes“ war auch diese Titelrolle vom Komponisten für seinen Lebensgefährten, den Tenor Peter Pears, verfasst. Dieser Beziehung wird heute als bestimmend für die Oper um den schönen geliebten Matrosen Billy Budd angesehen. In Anbetracht der Tatsache, dass Britten selbst seine homosexuelle Neigung nie in den Vordergrund stellte, besteht nun auch der Regisseur David Alden darauf, diesen Um­stand diskret zu be­handeln. Er tat gut daran, denn damit belässt er dem eigentlichen Hauptkonflikt die ihm nötige Bedeutsamkeit.

Die Koproduktion mit der English National Opera und dem Bolschoi Theater wird so als große Oper auch in Moskau geschätzt werden können, wo man seit je sehr genau unterscheidet zwischen der Freiheit des Individuums und libertinistischen Parolen, zwischen Kunst und Propaganda. Sebastian Hennig

Nächste Vorstellungen: 3. und 6. Juni jeweils um 19.30 Uhr.


Kölner Bau-Kulissen
Die legendäre Werkbundausstellung von 1914 auf den Rheinwiesen

Bei der Jahreszahl 1914 denkt man an Krieg, an das Ende einer Epoche und an den Beginn einer unheilvollen Zeit. Doch vor genau 100 Jahren machte kurz vor Ausbruch des Krieges ein anderes Ereignis von sich reden: Im Sommer 1914 zeigte der „Deutsche Werkbund“ auf den Rheinwiesen in Köln auf 350000 Quadratmetern eine Architektur- und Kunstgewerbeausstellung. Sie wurde am 15. Mai durch den belgischen Architekten Henry van der Velde eröffnet und war die größte Leistungsschau ihrer Art in Europa. Deutsche Länder wie Bremen oder Württemberg waren jeweils mit eigenen Pavillons vertreten. Auch Österreich zeigte in einem eigenen Bauwerk die Erzeugnisse der Kunstschaffenden des Landes.

Der noch heute existierende Werkbund galt damals als die wichtigste deutsche Institution für Kunst und Kultur. In dem Bund hatten sich neben den Künstlern auch Industrielle und Politiker zusammengefunden. Der erste deutsche Bundespräsident, Theodor Heuss, war ab 1918 Geschäftsführer des Werkbundes. Bis zur NS-Zeit und auch nach dem Krieg war der Werkbund in allen Dingen der Gestaltung eine Autorität, die gehört und der gefolgt wurde.

Die Ausstellung des Werkbundes auf den Rheinwiesen in Köln-Deutz erscheint heute wie ein Fazit einer großen Epoche. Im Jahrzehnt vor 1914 hatten Kunst und Kultur in Mitteleuropa eine beispiellose Entwicklung genommen. Grundlagen der modernen Architektur wie der modernen Malerei wurden in dieser Dekade gelegt. Architekten wie Walter Gropius, Bruno Taut oder Henry van der Velde zeigten in Köln neue Werke, die das zukünftige Baugeschehen beeinflussen sollten. Im Kunsthandwerk und in der Möbelgestaltung griffen Typisierung und Serienfertigung um sich – vorangetrieben von Unternehmen wie den „Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk“ oder den „Deutschen Werkstädten“.

Mit dem „Niederrheinischen Dorf“ wurde in Köln eine Musterwohnsiedlung errichtet. Auch eine Mustervilla und eine Musterfabrik standen an der rechten Rheinseite. Als das herausragende Bauwerk der Ausstellung gilt heute der „Glaspavillon“ von Bruno Taut – das Ausstellungsgebäude der „Deutschen Glasindustrie“, das wie eine gläserne Knos­pe erscheint, definierte Architektur ganz neu.

1914 glaubten viele Menschen an eine arkadische Zukunft, an ein kommendes Paradies auf Erden. Dank deutscher Industrie und deutscher Kunst sollte dieses Ziel erreicht werden. Als am

8. August 1914 die Ausstellung kriegsbedingt geschlossen wurde, zogen Künstler und Architekten an die Front. Sie wollten für ein neues Deutschland kämpfen und glaubten, dass nach dem Krieg ihre Träume wahr würden. Der Krieg schien eine logische Form der rasanten industriellen und kulturellen Entwick­lung, schien eine Voraussetzung zu sein, dass die Ideen und Entwürfe, die in Köln gezeigt wurden, allgemeingültig wurden.

Natürlich kam alles anders als gedacht. Der Krieg entwickelte sich – gerade für Deutschland – zu einer Katastrophe. Statt als Quell kultureller Neuerung zu gelten, wurde Deutschland als Kriegsschuldiger hingestellt. Niemand hatte in der schweren Zeit nach Versailles noch Interesse, an die hehren Ziele des Werkbundes zu denken. Die Kölner Ausstellung schien vergessen. Und doch hat sich die neue sachliche Architektur, die 1914 auf den Rheinauen gezeigt wurde, allmählich durchgesetzt und wurde weiter populär. Die nachfolgende Werkbund-Ausstellung, die 1927 auf dem Weißenhof in Stuttgart stattfand, gilt heute als Wegbereiter des Neuen Bauens, das sich seit den 1930er Jahren über die ganze Welt zu verbreiten begann.

Schon im Herbst des Kriegsjahres 1914 waren die meisten Bauten der Kölner Ausstellung bereits wieder niedergelegt, das potemkinsche Dorf der Moderne verschwunden. Heute sind keine Spuren mehr vorhanden, die Einflüsse und Spätfolgen aber unverändert aktuell. Nils Aschenbeck


MELDUNGEN

Ostseebäder in Schloss Caputh

Potsdam − Im Schloss Caputh in Schwielowsee ist die Fotoausstellung „Zoppot, Cranz, Rigaer Strand. Ostseebäder im 19. und 20. Jahrhundert“ eröffnet worden. Bis zum 10. August stehen die drei Ostseebäder Zoppot [Sopot], Cranz [Selenogradsk] und Rigaer Strand [Jürmala] im Fokus, deren Entwicklung von ihren Anfängen als Seebäder bis in die Gegenwart dargestellt wird. Alle drei liegen nicht weit von den großen Städten Danzig, Königsberg und Riga entfernt und sind – wenn auch unterschiedlich – bis weit ins 20. Jahrhundert geprägt durch deutsche Geschichte und Kultur und haben die beiden Weltkriege, wechselnde staatliche Zugehörigkeit sowie die sozialistische Zeit erlebt. Das Deutsche Kulturforum östliches Europa hat die Schau unter anderen mit konzipiert. tws

 

»Tintenherz« zu Gast bei Grass

Lübeck − Mit ihren in 40 Sprachen übersetzten Jugendromanen wie „Tintenherz“, „Herr der Diebe“ oder „Wilde Hühner“, zählt die in Los Angeles lebende Hamburger Autorin und Illustratorin Cornelia Funke zu den er­folgreichsten deutschsprachigen Geschichtenerzählerin. Im Obergeschoss des Lübecker Günter-Grass-Hauses (Glockengießerstraße 21) führt nun die Ausstellung „Cornelia Funke: Eine andere Welt“ in die Phantasiewelten der Autorin ein. Bis zum 11. Januar 2015 erzählen 60 Originalzeichnungen, Tonaufnahmen, Filminstallationen und Objekte aus dem Privatbesitz der Schriftstellerin ihre Geschichten weiter. tws


S. 10 Geschichte

Ein Leben auf der Flucht
Johannes Calvins Einfluss auf die Entwicklung des evangelischen Zweiges der Christenheit wird gerne unterschätzt

Nicht der Wittenberger Reformator Martin Luther, sondern Johannes Calvin war im 16. Jahrhundert der meistgelesene Autor Europas, vor allen Dingen im französischen und angelsächsischem Raum. Bis heute prägt der große Theologe vor allen Dingen die reformierte Christenheit und die aus ihr hervorgegangenen Freikirchen, somit auch zahlenmäßig den weitaus größten Teil des evangelischen Christentums.

Als äußerst begabt galt der am 10. Juli 1509 im nordfranzösischen Noyon geborene Johannes Calvin, der eigentlich Jean Cauvin hieß, schon in seiner Kindheit. Sein Vater, ein angesehener Jurist und Geschäftsmann, vermittelte ihm eine umfangreiche geistige Ausbildung, seine Mutter eine tiefe katholische Frömmigkeit. Fleißig, intelligent, fromm – mit diesen drei Attributen könnte man den jungen Mann beschreiben, der schon bald wegen seiner Gelehrsamkeit Aufsehen erregte. Gefördert von der katholischen Kirche seines Heimatortes und der adligen Familie Montmor, blickten viele voller Hoffnung auf die Entwicklung des jungen Mannes, der nach seinem vielfältigen Studium eine aussichtsreiche Karriere als Humanist vor sich hatte. Doch im Alter von 24 Jahren erlebte Calvin eine tiefgreifende Bekehrung. Er verzichtete auf alle Studien und eine wissenschaftliche Karriere und widmete sich ausschließlich Gott und dem reformatorisch verstandenen Evangelium.

Die reformatorische Bewegung war in diesen Jahren 1533/34 bereits in vollem Gange. Luthers wichtigste Schriften waren geschrieben, Bauern hatten sich gegen ihre Herren erhoben, Kirchen waren von Bilderstürmern verwüstet worden. Doch die Reformatoren aus den mitteldeutschen Gebieten lagen mit ihren Schweizer Kollegen wegen des Sakramentes des Abendmahls über Kreuz.

Da veröffentlichte Jean Calvin im November 1533 sein erstes „protestantisches Manifest“ über den Zustand der christlichen Seele nach dem Tod. Die Schrift, die für alle gedacht war, die „zum Lichte des Evangeliums“ kommen wollten, verursachte in seiner katholischen nordfranzösischen Heimat sofort starken Widerstand. Calvin musste fluchtartig seine Heimat in Noyon verlassen. Damit begann für den jungen Mann ein Leben auf der Flucht vor katholischen oder protestantischen Gegnern, das bis zu seinem Tod am 27. Mai 1564 in Genf währte. Diese Unstetheit hinderte ihn jedoch nicht, wichtige Schriften zu verfassen, die seinen großen Ruf als „Theologe des Heiligen Geistes“ begründeten.

Nur vier Jahre nach seinem „Manifest und Glaubensbekenntnis“ veröffentlichte er 1538 die erste Fassung seiner „Institutio“, des „Unterrichtes in der christlichen Religion“, die ihn zu Weltruhm führte. An diesem Werk arbeitete er zeitlebens bis zu seinem Tode weiter. Sie gilt in der reformierten und freikirchlichen Christenheit als Standardwerk, vergleichbar mit Luthers frühen Schriften aus den Jahren 1517 bis 1520 über die Rechtfertigungslehre und die „Freiheit eines Christenmenschen“. Gestalt gewann dieses große Werk des protestantischen Theologen nicht im Elfenbeinturm der Wissenschaft, sondern in der praktischen Gemeindearbeit in Straßburg und Genf.

Nur widerwillig hatte sich Calvin von Glaubensfreunden zunächst in die kleine Gemeinde in Straßburg bewegen lassen, wo französische Glaubensflüchtlinge sich versammelten. Der Reformator wollte lieber weiter nur als Gelehrter arbeiten. Doch konnte er in Straßburg und später in Genf seine protestantischen Lehren in der Praxis erproben, den heimatlos gewordenen Menschen das „Licht des Evangeliums“ konkret zeigen. In großer Zahl strömten die Menschen zu seinen Predigten, obwohl er keinen theologischen oder akademischen Abschluss besaß.

Auf diese Weise entstand ein Christentum, das sich allein auf die Inspiration durch die Heilige Schrift, allein auf die göttliche Gnade und allein auf das Heilswerk Christi gründen wollte. Schnell wurden dabei nicht nur viele der altkirchlichen und katholischen Lehren über Bord geworfen. Auch zur lutherischen Christenheit in Deutschland, die sich gerade in verschiedenen Reichsstädten und Fürstentümern zu etablieren begann, entstanden tiefe Gräben. In späteren Phasen seines Wirkens sorgte Calvin sogar persönlich dafür, dass theologische Gegner auf dem Scheiterhaufen landeten. Unerbittlich ging Calvin auch gegen sogenannte Hexen vor, die in protestantischen Gebieten ebenfalls auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden.

Die christlichen Gemeinden, die in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten in der Schweiz, vor allen Dingen aber im angelsächsischen Raum entstanden, waren geprägt von moralischer Strenge, der protestantischen Bibelauslegung, Nüchternheit und dem Bilderverbot. Eine für alle gemeinsame Kirche, die „eine, heilige, katholische und apostolische“ aus dem Großen Glaubensbekenntnis, gab es bald nicht mehr. Vielmehr entstanden immer mehr Gemeinden und Spaltungen, weil sich jeder auf den Heiligen Geist und die jeweiligen Inspirationen berief. Ein Konzil, das die unterschiedlichen Lehrmeinungen hätte einigen können, hatten die Reformatoren abgeschafft. So war das Kind gleichsam mit dem Bade ausgeschüttet. Auf dem Boden der Lehren von Calvin und anderen Reformatoren entstand so die heutige „bunte Vielfalt“ des Protestantismus aus weltweit über 5000 verschiedenen Konfessionen und „Kirchen“.

55 Bände umfasst das Gesamtwerk Calvins in der Edition von Guilielmus Baum, Eduardus Cunitz und Eduardus Reuss. Neben dem wichtigsten Werk der „Institutio“ enthält diese Sammlung 30 Bibelkommentare zu fast jedem der Bücher des Alten und Neuen Testamentes. Sein pastorales Wirken als Seelsorger in Genf wird heute meist kritisch gesehen, weil er dort eine moralische Glaubensdiktatur in der Form eines Gottesstaates errichten wollte und damit letztlich scheiterte. Ob Calvin tatsächlich ein Wegbereiter des Kapitalismus war, wie Max Weber behauptete, gilt heute als unbewiesen, da sich das kapitalistische Wirtschaften ebenso erfolgreich in katholischen Gebieten ausbreitete.

Hinrich E. Bues


Vorboten der Friedlichen Revolution
Aus dem Tagebuch von Vera Lengsfeld: Mai 1989

Die PAZ-Autorin Vera Lengsfeld war seit den 1970er Jahren in der Opposition gegen das SED-Regime aktiv und seitdem Mitorganisatorin aller wichtigen Veranstaltungen der Friedens- und Umweltbewegung der DDR. 1988 wurde sie wegen „Versuchter Zusammenrottung“ verhaftet und nach einem Monat in den Westen abgeschoben. Am Morgen des 9. November 1989 in die DDR zurückgekehrt, wurde sie Mitglied der Verfassungskommission des Runden Tisches und später der ersten und zugleich letzten frei gewählten Volkskammer. Von 1990 bis 2005 gehörte sie dem Deutschen Bundestag an. An dieser Stelle berichtet die bekannte Bürgerrechtlerin monatlich aus eigenem Erleben über die Ereignisse vor 25 Jahren in der DDR.

Dieser Mai 1989 machte noch nicht alles neu, aber die Risse im Staatsgebilde der DDR waren nicht mehr zu übersehen. Mehr noch, es fielen immer mehr Steine aus dem Gemäuer. Das ging am 1. Mai los. In Leipzig passierte etwas Unerhörtes: Am Rande der offiziellen Maidemonstration fand ein Schweigemarsch statt, der sofort von der Polizei aufgelöst wurde. In Ost-Berlin dagegen schien alles wie immer zu sein: Honecker stand auf der Tribü̈ne und ließ drei Stunden lang die Demonstranten an sich vorbei marschieren. „Das ist der Mann, der von der Spitze des Daches an die Spitze des Staates trat“, kommentierte ein Fernsehreporter. In der Nacht darauf verkü̈ndete ein Graffito in der Rykestraße, im Berliner Prenzlauer Berg: „Wer hoch steigt, wird tief fallen.“

Dieser Fall begann wenige Tage später. Am Vorabend der Kommunalwahl erklä̈rte die Bürgerrechtlerin Bä̈rbel Bohley im Westfernsehen, worauf man zu achten habe, wenn man mit Nein stimmen wollte. Außerdem bekräftigte sie noch einmal die Ankündigung der Opposition, diesmal bei der Auszählung der Stimmen dabei zu sein. Die Opposition tagte in vielen kleinen Gruppen bis tief in die Nacht. In den vorausgegangenen Wochen hatten sich viele Menschen gemeldet, die bei der Stimmauszählung dabei sein wollten. Um der Gefahr zu entgehen, im entscheidenden Moment vor die Tür gesetzt zu werden, müssten in jedem Wahllokal mindestens drei unabhängige Beobachter sein. Unter den neuen Unterstützern befanden sich viele CDU-Mitglieder, die ihre Mitgliedskarte herausgekramt hatten, um sie am darauffolgenden Tag zum Einsatz zu bringen. Sie glaubten, als Mitglied einer Partei der „Nationalen Front“ nicht so leicht als Wahlbeobachter abgewiesen werden zu können. Die Spannung stieg. Viele könnten in dieser Nacht nicht ruhig schlafen.

Am 7. Mai, dem Tag der Kommunalwahl, demonstrierten in Leipzig mehr als 1000 Menschen gegen die Wahlpraxis in der DDR und forderten freie Wahlen. Als sich landesweit abzeichnete, dass die Beteiligung weit geringer ausfallen wü̈rde als in den Vorjahren, wurden ab Mittag verstä̈rkt die berüchtigten Schlepperkolonnen eingesetzt. Sie hatten die Aufgabe, die Wahlunwilligen mit Versprechungen oder mit Einschüchterungen zur Teilnahme an der Abstimmung zu bewegen. Bevor am Abend die Wahllokale geschlossen wurden, meldeten sich dort ungewöhnlich viele Menschen, die an der Stimmauszä̈hlung als Beobachter teilnehmen wollten. Sie notierten sich die Ergebnisse genau und gingen anschließend zu den von der Opposition vereinbarten Sammelpunkten. Dabei stellte sich heraus, dass die Ergebnisse in Hunderten von Wahllokalen kontrolliert worden waren. Und überall hatte sich dasselbe Resultat gezeigt: Die Nationale Front lag diesmal deutlich unter den vielbeschworenen 99-Prozent-Punkten. Erstmals hatten auch Mitglieder der Block­parteien CDU und LDPD sich an den Aktionen beteiligt. Gespannt warteten alle auf das offizielle Endergebnis. Als der Wahlleiter Egon Krenz am späten Abend wieder ein Ergebnis von 99 Prozent verkündete, ging ein Aufschrei durch das Land. Man hatte immer gewusst, dass die Wahlergebnisse geschö̈nt wurden. Nun hatte man den Beweis in der Hand, dass die SED selbst vor plumpen Fälschungen nicht zurückschreckte. Noch in derselben Nacht traf die Opposition die Vorbereitungen zur Veröffentlichung ihrer Zahlen. Eine Wahlzeitung wurde gedruckt, die an die Westmedien gegeben wurde, damit diese die wirklichen Zahlen im ganzen Land bekannt machten.

Natürlich wurde die Zeitung auch im Inland verbreitet und hundertfach kopiert. Als die ersten Oppositionellen am nächsten Tag demonstrativ Anzeigen wegen Wahlfä̈lschung erstatteten, folgten viele Bürger diesem Beispiel. Weil das „Neue Deutschland“ meldete, dass 98,85 Prozent der Wahlberechtigten fü̈r die Kandidaten der Nationalen Front gestimmt hätten, wurde es diesmal von Leuten gekauft, die sonst nie diese Zeitung in die Hand nahmen. Das „ND“ wurde als Beweismittel fü̈r die Wahlfä̈lschungen bei der Staatsanwaltschaft eingereicht. Es gingen so viele Anzeigen ein, dass die Staatssicherheit nur noch die Anweisung an die Staatsanwaltschaften geben konnte, die Bearbeitung so weit wie mö̈glich zu verzö̈gern.

Aus Moskau erhielt die Opposition unerwartete Unterstützung: Der sowjetische Außenminister Eduard Schewardnadse hatte eine Grundsatzrede zum Reformprozess in Osteuropa gehalten. Er erklärte unmissverstä̈ndlich, die „einzig korrekte Vorgehensweise“ wäre, die jeweilige Wahl zu respektieren. Schewardnadse wollte damit sagen, dass die Sowjetunion, anders als in früheren Jahren, die jeweiligen Reformen nicht behindern würde. Die Botschaft wurde von den Menschen in den sozialistischen Ländern nicht nur gehört, sondern zunehmend auch geglaubt.

Inzwischen hatte der Freiheitsfunke auch China erreicht. Auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking waren mehrere tausend Studenten fü̈r demokratische Freiheiten in den Hungerstreik getreten. Noch ahnte niemand, welch hohen Preis die mutigen jungen Leute zahlen müssten.

Während der Geist des Widerstandes wuchs und immer mehr Menschen erreichte, stellten die klügeren Politbürokraten bereits fest, dass sie nicht mehr weiter machen konnten wie bisher. In der zweiten Maihälfte warnte DDR-Planungschef Gerhard Schürer auf der wöchentlichen Sitzung des Politbü̈ros vor der steigenden Westverschuldung des Staates. Wenn der Trend anhalte, stü̈nde der Staat spätestens 1991 vor der Zahlungsunfähigkeit. Schü̈rer wusste, dass sich die DDR wegen der Nähe des Westens einen Kraftakt à la Nicolae Ceausescu, der das Lebensniveau der Rumänen drastisch reduziert hatte, um die Auslandsschulden zurü̈ckzuzahlen, nicht leisten konnte. Schon die aktuelle Versorgungslage, die sich seit Beginn des Jahres drastisch verschlechtert hatte, machte dem Planungschef größte Sorgen. Dessen ungeachtet galt die DDR offiziell nach wie vor als zehntstä̈rkste Industriemacht der Welt. Die DDR bröckelte noch weitgehend unbeachtet vor sich hin.

Dagegen zerfiel die Sowjetunion bereits sichtbar. Der Litauische Oberste Sowjet erklärt die Unabhängigkeit Litauens. Das müsste eigentlich wie eine Bombe einschlagen, aber vorerst blieben offizielle Stellungnahmen aus. Die Politik wartete ab, wie Michail Gorbatschow reagieren würde. Wenn Litauen sich für unabhängig erklä̈rte, würden andere bald folgen. Was würde dann aus der Sowjet­union?

Eine sowjetische Historikerkom­mis­sion räumte im polnischen KP-Organ „Trybuna Ludu“ erstmals die Existenz der geheimen Zusatzprotokolle zum Hitler-Stalin-Pakt über die Aufteilung Polens und des Baltikums ein. 50 Jahre hatten die Polen darauf warten müssen. Bis heute ist das volle Ausmaß dessen, was damals beschlossen worden ist, nicht im öffentlichen Bewusstsein verankert. Jü̈dische Emigranten wurden an NS-Deutschland ausgeliefert, auch Kommunisten.

Am letzten Tag des Monats hielt George Bush sen. auf seiner ersten Europareise als US-Präsident in der Rheingoldhalle eine wahrhaft erstaunliche Rede. Er sprach vom nahen Ende des Kalten Krieges. Die Zeit dafü̈r sei reif, die Politik des geteilten Europa stehe auf dem Prüfstand. Er forderte freie Wahlen in Osteuropa und den Abbau der Grenzen. In Ungarn habe dieser Abbau bereits begonnen. „Let Berlin be next.“ Die Mauer stehe für das Scheitern des Kommunismus. „It must come down.“ Wenn Gorbatschow diese Rede gehalten hä̈tte, wä̈re der Saal vor begeisterten Gorbi-Rufen f̈örmlich explodiert. Bush bekam höflichen Beifall, mehr nicht.

Bundeskanzler Helmut Kohl war immer noch überzeugt, dass die Deutsche Einheit nicht auf der Tagesordnung stehe. Es mussten erst die unbekannten Mauerbrecher kommen, ehe die „Architekten der Deutschen Einheit“ zur Tat schreiten konnten.

Die Autorin dieses Beitrags ist Verfasserin des unlängst erschienenen Buches „1989 – Tagebuch der Friedlichen Revolution – 1. Januar bis 31. Dezember“, TvR Medienverlag Jena.


S. 11 Preussen

Ein unbequemer ostpreußischer Theologe
Neben dem Königsberger Dom erinnert mittlerweile wieder ein Gedenkstein an den Publizisten und Hochschullehrer Julius Rupp

Vor dem Haus Pauperplatz 5, hinter dem Dom in Königsberg, stand ein Gedenkstein mit dem Porträt des Pfarrers Julius Rupp. Die Freie Evangelische Gemeinde hatte das Denkmal 1909 zur Hundertjahrfeier seiner Geburt setzen lassen. Das bronzene Relief stammte von seiner Enkelin Käthe Kollwitz. Dieses Jahr jährt sich zum 130. Mal der Todestag des so Geehrten.

Julius Rupp wurde am 13. August 1809 als Sohn des Kalkulators Daniel Friedrich Rupp und seiner Ehefrau Juliane Karoline Wolff zu Königsberg geboren. Er besuchte das Altstädtische Gymnasium, studierte anschließend – noch nicht 18 Jahre alt – an der Albertina Theologie, aber auch Philosophie, Geschichte sowie Kunst- und Literaturgeschichte. Besonders beeindruckte ihn der Philosoph und Pädagoge Johann Friedrich Herbart, der ab 1809 Immanuel Kants Lehrstuhl inne- und das Pädagogische Seminar an der Universität begründet hatte.

Kants Werk über „Die Religion innerhalb der Grenzen der Vernunft“ übte einen bescheidenen Einfluss auf Rupp aus. Nach dem Examen besuchte er das Wittenberger Predigerseminar, an dem Richard Rothe lehrte. In die Heimat zurückgekehrt, wurde Rupp Lehrer in den Fächern Deutsch, Religion und Geschichte an verschiedenen Königsberger Schulen. Nach der Promotion habilitierte er sich mit einer Arbeit über Baruch de Spinozas Philosophie und wurde Privatdozent an der Philosophischen Fakultät der Albertina. Um aktuelle Themen bemüht, las er Philosophie, Pädagogik, Geschichte und Literaturgeschichte. Im Jahre 1835 heiratete er Mathilde Schiller, aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor. Die älteste Tochter Katharina heiratete den Maurermeister und Prediger Carl Schmidt. Jener Ehe entstammte die Enkelin Käthe.

Im Jahr 1842 wurde Rupp Divisionspfarrer. Seine Predigten an der Königsberger Schlosskirche hatten einen großen Zulauf und wurden 1843 und 1845 auch gedruckt. Zu Friedrich Wilhelms IV. 47. Geburtstag, am 18. Oktober 1842, hielt Rupp eine Festrede in der Deutschen Gesellschaft über den „Christlichen Staat“, der den Völkerfrieden befestige, die Nationen lehre, sich selbst Gesetze zu geben, der keine Herren und Knechte wolle, sondern brüderliche Gleichheit. Die Rede fand viel Zustimmung, es gab auch eine Besprechung durch Karl Rosenkranz, der 1833 Herbart auf Kants Lehrstuhl gefolgt war. Von Seiten des Konsistoriums unter dem Generalsuperintendenten Ernst Wilhelm Christian Sartorius wurde diese Rede als ein Angriff auf die staatliche Kirchenpolitik verstanden und Kultusminister Johann Albrecht Friedrich von Eichhorn ließ Rupp an die Pflichten seines Amtes erinnern.

Zur gleichen Zeit wurde Rupp vom Magistrat der Stadt Königsberg zum Direktor des Kneiphöfischen Gymnasiums gewählt. Das Ministerium versagte jedoch der Wahl die Bestätigung. Mit seiner 1843 erschienenen Streitschrift „Der Symbolzwang und die protestantische Lehr- und Gewissensfreiheit“ verschärfte er seine Position gegenüber dem Konsistorium. Am 18. Januar 1844 hielt Rupp eine Festrede vor der Deutschen Gesellschaft über „Theodor von Hippel und seine Lehre über den Christlichen Staat“, worauf eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet wurde. Das Konsistorium erteilte einen Verweis „wegen Nichtbeachtung der früheren Mahnung“.

Die Bewegung der „Lichtfreunde“ trat zu dieser Zeit in Königsberg auf. Am 9. April 1844 wurde ein Zweigverein der protestantischen Freunde gegründet. Rupp gehörte zum Vorstand des Vereins, der jedoch am 26. August seines Gründungsjahres bereits wieder geschlossen wurde, was Rupp als einen Akt der Gewalt betrachtete. In seiner Predigt vom 29. Dezember 1844 sprach er über Galater 4, 1-7 zum Thema: „Der christliche Glaube ist der Glaube der Mündigen“ und erklärte, Christ zu sein und die Seligkeit von einer Glaubenssatzung abhängig zu machen, sei miteinander unvereinbar. Das brachte ihm ein Verfahren ein. Das Konsistorium enthob Rupp am 17. September 1845 seines Amts als Divisionspfarrer wegen wiederholter Verletzung seiner Pflichten. Das entsprechende Urteil wurde mit drei gegen zwei Stimmen gesprochen.

Noch während der Verhandlungen war Rupp vom Burgkirchenkollegium aufgefordert worden, sich um die Hofprediger-Adjunktenstelle zu bewerben, was er denn auch tat. Er wurde auch gewählt, doch wurde die Wahl vom Konsistorium nicht bestätigt. Inzwischen war es in Königsberg zur Gründung einer Freien Evangelischen Gemeinde gekommen, die Rupp im Januar 1846 zu ihrem Prediger wählte.

In der Zeit der Reaktion verlor Rupp 1851 seine Dozentur und damit seine letzte Tätigkeit außerhalb der Gemeinde, denn den Religionsunterricht an der Schule hatte er nach seiner Entlassung aus dem Amt freiwillig aufgegeben. Die Freie Gemeinde wurde polizeilich überwacht, schließlich geschlossen. Sie habe kein Bekenntnis, sei daher keine religiöse Gemeinde, sondern habe einen politischen Charakter, so die Argumentation. Rupp wurde mehrfach mit Strafen belegt, selbst die Freimaurerloge schloss ihn aus. Nach zwei Jahren gelang Rupp die Neugründung der Gemeinde unter dem Namen „Unsere Religionsgemeinschaft“. Seine Arbeit „Immanuel Kant. Über den Charakter seiner Philosophie und seine Bedeutung für die Gegenwart“ erschien 1857 in Königsberg.

Erst mit Beginn der Regentschaft des Prinzen Wilhelm von Preußen im Jahre 1858, die innenpolitisch einen Kurswechsel durch liberale Minister und die offene Verurteilung des herrschenden kirchlichen Systems brachte, konnte die Gemeinde den Namen „Freie evangelisch-katholische Gemeinde“ annehmen und mit anderen freien Gemeinden einen Bund bilden. Während der Zeit des Verfassungskonflikts war Rupp wieder politisch tätig und gab die Wochenschrift „Der Verfassungsfreund“ heraus. Ab 1863 wirkte er nur noch als Prediger in der Freien Gemeinde, bis ihn 1881 zunehmende Blindheit zwang, seine Tätigkeit zu beenden. Zur Feier des 50. Doktorjubiläums wurde er von der Philosophischen Fakultät der Albertina mit der Erneuerung seines Doktordiploms geehrt.

Das Porträtrelief für das Denkmal des Großvaters war die erste plastische Arbeit von Käthe Kollwitz, es trug die Inschrift „Wer nach der Wahrheit, die er bekennt, nicht lebt, ist der gefährlichste Feind der Wahrheit selbst“ und auf Rupps Grabstein stand „Der Mensch ist nicht dazu da, glücklich zu sein, sondern dass er seine Pflicht erfülle“. Das waren sicherlich Leitworte des Theologen und Philosophen, des Politikers und Journalisten Julius Rupp, der am 11. Juli 1884 in Königsberg starb.

Wenn das Denkmal für Julius Rupp neben dem Königsberger Dom auch seit der Schlacht um Königsberg verschollen ist, so hat der Berliner Bildhauer Harald Haacke es doch nach alten Vorlagen nacharbeiten können. Die Arbeit Haackes wurde 1991 als Stiftung des Vereins „Ännchen von Tharau“ der Stadt Königsberg übergeben und neben dem Dom wieder aufgestellt. E.B.


Gedenken an Österreicher in Norddeutschland
Zum 150. Jahrestag des Seegefechts bei Helgoland wurde in Altona und Cuxhaven der Opfer des Kaiserstaates gedacht

Aus Anlass des 150. Jahrestags des Seegefechts bei Helgoland zwischen österreichischen und preußischen sowie dänischen Schiffen im Rahmen des Deutsch-Dänischen Krieges (siehe PAZ Nr. 18) wurden an dem an die Opfer dieses Ereignisses erinnernden sogenannten Österreicher-Denkmal im einstmals preußischen und heute hamburgischen Altona Kränze niedergelegt. Gleich diverse Verbände und Vereine hatten zur Kranzniederlegung am Altonaer Elbuferweg eingeladen. Die Leitung hatte der Österreichische Marine-Verband (ÖMV). Zu den Gästen zählten Abordnungen der Deutschen Marine, des Verbandes der Reservisten der Deutschen Bundeswehr, des Arbeitskreises Reserveoffiziere Kiel und Eckernförde, der Reservistenkameradschaft Hamburg-Wandsbek und der Königlich-Dänischen Marine, die zwei Reserveoffiziere der Marine-Heimwehr entsandt hatte.

Die Gedenkrede hielt der Leitende katholische Militärdekan Rainer Schadt. Er hatte sich mit der Geschichte des Seegefechts befasst und gab allen Zuhörern einen umfassenden Überblick über die damalige Situation, die Zahl der beteiligten Schiffe und deren Stärke in Bezug auf die Zahl der Kanonen. Und er ging auch ein auf die Zahl der Opfer auf beiden Seiten. Die Gefallenen wurden im damals noch hamburgischen Cuxhaven beerdigt, die Verwundeten nach Hamburg selbst gebracht. Wer dort im Lazarett seinen Verwundungen erlag, wurde auch in der Hansestadt beerdigt. Im zweiten Teil seiner Gedenkrede ging Schadt auch auf die Geschichte des Denkmals ein, das erst seit 1958 seinen jetzigen Standort in einer Grünanlage an einem Geesthang hat. Ursprünglich stand es bei einem Waisenhaus, das 1864 als Lazarett gedient hatte. Die Stele mit Bronzeplakette wurde von einem Hamburger Komitee gestiftet und nach einem Entwurf des Rathausbaumeisters Martin Haller 1864/65 hergestellt. 31 Jahre später wurde die Bronzetafel mit dem habsburgischen Doppeladler hinzugefügt. Mit dem Lied „Der gute Kamerad“ endete die Feierstunde.

Danach hatte der langjährige Vorstandsvorsitzender des Axel-Springer-Verlages und wohl bedeutendste private Sammler zur Schifffahrts- und Marinegeschichte, Peter Tamm, alle Teilnehmer der Feierstunde in das Internationale Maritime Museum Hamburg in der Hamburger Hafen-City eingeladen, in der seine Sammlung seit 2008 ausgestellt ist. Tamm empfing seine Gäste persönlich mit Handschlag und bat zum Speisen ins Restaurant. In einer launigen Rede berichtete er, wie er dieses Museum aufgebaut hat und welche Unterstützung er dabei durch den Hamburger Stadtstaat erhielt. Er würdigte die Bedeutung der Kameradschaft in jeder Lebenslage und gab seiner Ansicht Ausdruck, dass man sie aber am besten auf einem Schiff erfahren könne.

Im Rahmen einer szenischen Darstellung in historischer Kleidung lieferten sich der Kommandeur des österreichischen Kontingents im Deutsch-Dänischen Krieg, Feldmarschall-Leutnant Ludwig Karl Wilhelm Freiherr von Gablenz, und dessen Kaiserin, Elisabeth (Sisi), ein Zwiegespräch über die schleswig-holsteinische Geschichte und die Gründe des Ausbruches dieses Krieges. Zitiert wurde hierbei der Ausspruch des britischen Premierministers Henry John Temple, 3. Viscount Palmerston, während der Londoner Konferenz von 1852: „Die schleswig-holsteinische Geschichte haben nur drei Männer gekannt, der eine ist der Prinzgemahl Albert, aber der ist darüber gestorben, der zweite ist ein deutscher Professor, der ist darüber verrückt geworden und der dritte bin ich, und ich habe sie wieder vergessen.“ Dem Mahl folgte eine sachkundige Führung durch das aus neun Stockwerken mit jeweils einer speziellen Thematik bestehende Museum mit seiner umfangreichen Sammlung von Modellen, Urkunden, Uniformen, Orden und Ehrenzeichen.

Die Mehrzahl der Teilnehmer reiste anschließend nach Cuxhaven. Im Anschluss an einen ökumenischen Gottesdienst in der Martinskirche wurde der restaurierte Obelisk auf der österreichischen Marinegrabanlage von 1864 feierlich enthüllt. Auf dem Friedhof in Cuxhaven-Ritzebüttel waren 51 gefallenen Matrosen der Fregatten „Schwarzenberg“ und „Radetzky“ zwei Tage nach dem Seegefecht bestattet worden. Zwei Jahre darauf war auf Veranlassung von Kaiser Franz-Joseph I. der Obelisk als Grabmal errichtet und gesegnet worden. A.M.


S. 12 Leserforum

Leserforum

Ukrainische Schicksals-Geschichte

Zu: Kein Vergleich mit der Sudetenkrise (Nr. 18)

Die Ereignisse in der Ukraine bewegen nun schon seit einiger Zeit die Welt und natürlich auch die Leser der Preußischen Allgemeinen Zeitung. Dabei wird aber auch immer wieder deutlich, wie wenig die meisten Menschen über dieses uns doch räumlich ziemlich nahe Land wissen.

Die derzeitigen Probleme der Ukraine mit separatistischen Bestrebungen resultieren nicht zuletzt aus einer ganz unterschiedlichen Geschichte der einzelnen Landesteile. Wenn im PAZ-Leserforum jedoch zum Ausdruck kommt, dass die Ukraine schon zu Russland gehörte, als Amerika noch nicht einmal entdeckt war, ist das schlicht falsch. Seit 1321 und auch noch 1492, als Kolumbus Amerika entdeckte, gehörte die westliche Ukraine zum Großfürstentum Litauen, während die Ostukraine zum Reich der Goldenen Horde gehörte. Während durch die polnisch-litauische Union Polen zum Herren der Westukraine wurde, löste Russland in der Ostukraine die Mongolenherrschaft der Goldenen Horde ab.

Inzwischen geriet jedoch der Süden der Ukraine unter den Einfluss des Osmanischen Reiches. Nachdem die Ukrainer unter Chmelnitzki das polnische Joch abgeschüttelt hatten, schlossen sie sich 1654 Russland an. Mit den Teilungen Polens kam auch ein Teil der Westukraine zu Russland, ein anderer zu Österreich. Die Südukraine wurde erst im 18. Jahrhundert von Russland dem Osmanischen Reich abgerungen.

Übrigens: Als „Ukraine“ wird das Land erst seit 150 Jahren bezeichnet. Vorher sprach man von Kleinrussland oder Ruthenien. Ruthenien ist übrigens von dem alten Wort der (Kiewer) Rus abgeleitet, was aber nichts mit Russland oder den Russen zu tun hat, welche man vielmehr zu dieser Zeit als Moskowiter bezeichnete.

Wer glaubt, dass der Umsturz in der Ukraine Anfang des Jahres nur mit massiver Unterstützung des Westens und reichlichem Dollarsegen zustande kam, kennt die Verhältnisse vor Ort nicht. Natürlich hat es westliche Unterstützung für radikale Randgruppen gegeben, aber der große Teil der Ukrainer hatte − ohne deshalb prowestlich zu sein − das Janukowitsch-Regime einfach satt. Dessen Korruption hatte solche Ausmaße angenommen, dass dagegen selbst manche berüchtigte afrikanische Staaten wie lupenreine Demokratien aussehen.

Wer glaubt, das Referendum auf der Krim wäre vollkommen demokratisch erfolgt, glaubt das sicherlich auch von den Wahlen der früheren DDR. Um einen geschichtlichen Vergleich zu ziehen: So etwa lief auch die Abstimmung nach dem ersten Weltkrieg in Eupen-Malmedy ab. Wer dort nicht für die neuen Herren stimmte, durfte innerhalb von 24 Stunden seine Koffer packen.

Schließlich: Dass der Lebensstandard in Russland dreimal höher sein soll als in der Ukraine, kann mir, wenn es nicht so traurig wäre, nur ein müdes Lächeln entlocken. Die gute Nachricht wird bestimmt die Frauen eines mir bekannten Ortes 100 Kilometer hinter Moskau freuen, die ihre Wäsche auch heute noch am Fluss waschen.

Übrigens, ich habe sehr gute persönliche Verbindungen nach Kiew, nach Donezk und nach Simferopol auf der Krim, aber auch nach Russland. Ich weiß also, wovon ich rede.

Norbert Neumann, Görlitz

 

 

Gut behütet

Zu: Keinen Erfolg (Nr. 11) und Schindluderei (Nr. 5)

Als Schweizer hoffe ich, dass die Bilder, die der Besitzer des Münchener Kunstschatzes, Cornelius Gurlitt, hinterlassen hat, ihren Weg in mein Land finden.

Die Situation ist alles andere als einfach: Der bayerische Staat empfindet gar keine Freude, dass der verstorbene Gurlitt ihm in seinem Testament ein Schnippchen schlägt. Die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt dazu: „Die Bayern hätten die Sammlung gern in ein Türmchen gesteckt und Herrn Gurlitt in ein Zimmerchen.“

Nachdem nun die Todesursache eindeutig feststeht − keine Fremdeinwirkung! −, werden die weiteren Schritte gegen dieses unerwünschte Testament sich mit der geistigen Verfassung von Gurlitt zu dem Zeitpunkt befassen, als er durch einen Notar seinen letzten Willen hat festhalten lassen: im Januar 2014.

Unter diesen Umständen ist es klug, dass der Direktor des Kunstmuseums Bern, Matthias Frehner, sich in seinen Äußerungen noch zurückhält. Dieser Tage reist nun eine Berner Delegation nach Deutschland, um sich einen Überblick über die Sammlung zu verschaffen. Frehner selber ist Experte für Raubkunst. Zudem kann er sich auf in solchen Fällen versierte Juristen stützen.

In der Sammlung Gurlitt sollen sich auch Werke befinden, die als Raubkunst zu klassifizieren seien. Betreffend ‚Raubkunst‘ haben am 3. Dezember 1998 insgesamt 44 Staaten, darunter auch die Schweiz, die „Washingtoner Erklärung“ (Washington Principles) unterzeichnet. Diese, die Staaten rechtlich nicht bindende Übereinkunft, setzt sich zum Ziel, die während der Zeit des Nationalsozialismus beschlagnahmten Kunstwerke der Raubkunst zu identifizieren, deren Vorkriegs­eigentümer oder Erben ausfindig zu machen und eine „gerechte und faire Lösung“ zu finden. Museumsdirektor Frehner hat festgehalten, dass für ihn diese Übereinkunft bindend sein werde.

Apropos Raubkunst: Seit 1945 sind fast 70 Jahre verstrichen, und kein bayerisches Ministerium beziehungsweise Gericht hat sich mit dem Vater von Cornelius Gurlitt, dem 1956 gestorbenen Kunstsammler Hilde­brand Gurlitt, auseinandergesetzt. Und dass, obschon alle zuständigen Personen gewusst haben, dass dieser während der NS-Zeit Deutschlands ein offizieller Aufkäufer beschlagnahmter und enteigneter Bilder gewesen ist.

Hingegen ist der Besitz von „entarteter Kunst“ rechtlich nicht problematisch. Die Deutschen hätten sich damals quasi selbst beraubt und die Bilder aus ihren Museen entfernt, erklärte Frehner. Zahlreiche Museen in aller Welt besitzen solche Bilder, auch das Berner Kunstmuseum.

Wie schon so oft im Zusammenspiel von Deutschland und der Schweiz ist auch hier Deutschland der Auslöser. Durch ihr Verhalten haben die bayerischen Behörden Cornelius Gurlitt verletzt und verärgert. Dies und nicht „geschäftliche Verbindungen in die Schweiz“ oder „familiäre Hintergründe“ haben Gurlitt bei der Aufsetzung seines Testamentes geleitet. Er wollte seine Bildersammlung in Bern, dem Hauptort der Schweizerischen Eidgenossenschaft, behütet und ausgestellt haben. Uns kann es nur recht sein.

Jürg Walter Meyer, Leimen

 

 

Der richtige Mann

Zu: Ich gehöre nicht zu den Putin-Verstehern (Nr. 19)

Meist ist das Weltbild von Klaus Rainer Röhl auch meines, und ich lese seine Beiträge mit Sympathie. Bei dem Gastkommentar zu Putin ist das ausnahmsweise einmal nicht der Fall, weil Röhl sich darin kaum von der Einheitsmeinung der „Leitmedien” unterscheidet. Hat nicht der Westen durch seine massive Einmischung in der Ukraine die Krise erst entfacht? Die jetzigen Machthaber sind durch einen Putsch gegen den gewählten Präsidenten an die Macht gekommen. Ist Mehrheitsmeinung kein demokratischer Wert an sich?

Russland ist der ideale Wirtschaftspartner für uns. Das Land hat alles, was wir brauchen, und Putin ist der richtige Mann, das Land zu regieren, nicht solche Leute wie Jelzin, der Handlanger des Westens. Wir sollten unsere nationalen Interessen energischer vertreten!

Wolfgang Leistritz, Leipzig

 

 

Beschämend

Zu: Deutschlandtreffen 2014 (Nr. 21)

Nun haben sich vertriebene Deutsche aus Ostpreußen beim Deutschlandtreffen in Kassel in friedlicher Weise getroffen, wiedergesehen sowie Heimatverbundenheit gepflegt. Sie sind nur noch ein geringer Teil der über 15 Millionen Menschen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten. Es sind alles Menschen, die im Krieg vor rund 70 Jahren innerhalb von Deutschland von Ost nach West geflüchtet sind, die also vertrieben wurden, Haus und Hof, sowie Hab und Gut verloren haben. Davon wurden Zigtausende ermordet, erschlagen, vergewaltigt, sind ertrunken oder erfroren.

Nun gab es in Kassel eine linke Organisation, die sich „Bündnis gegen Rechts“ nennt, junge Menschen, die dieses Treffen stören, behindern oder dagegen protestieren wollten.

Welch ein beschämender Vorgang für unser Land!

Willi Glaß, Nordhorn

 

 

Ja zu Europa, aber nicht wenn Deutschland der Zahlmeister ist

Zu: Der Kern ist faul (Nr. 20)

Altkanzler Helmut Schmidt hat es auf den Punkt gebracht. Die EU-Beamten sind dem Größenwahn verfallen: Unter allen Umständen müsse die Ukraine der EU angegliedert werden. Eine totale Fehlentscheidung! Die bürgerkriegsähnlichen Zustände in der Ukraine hat auch die EU mit zu verantworten. Damit nicht genug, versucht man aktuell Georgien an sich zu binden.

Was sollen die Expansionsbestrebungen? Hat man nicht schon genug finanzielle Probleme mit den derzeitigen Beitrittsländern? Die EU-Beamten in Brüssel sind eine Katastrophe für ganz Europa. Der politische Schwachsinn kennt keine Grenzen. Jetzt soll Deutschland, ohnehin Zahlmeister der EU, eine Milliarde Euro an Kindergeld nachzahlen, an Kinder von EU-Ausländern. Diese Transferleistungen dürften ohnehin nur die Spitze eines Eisberges sein. Wenn die Politik in Deutschland ihren Bürgern einmal die Karten auf den Tisch legen würde, für was wir alles finanziell aufkommen, hätten wir in Deutschland schon lange Bürgerkrieg.

Dabei ist der Beamten-Apparat in Brüssel der größte Selbstbedienungsladen aller Zeiten. Da EU-Beamte ihre Daseinsberechtigung unter Beweis stellen wollen, verabschiedet man EU-Gesetze, wo man sich an den Kopf langen muss. Die Pizza-Verordnung ist hier nur ein Beispiel. Das Beamtenmonster in Brüssel schlägt alle Rekorde. Vom „Arbeitswahn“ bis hin zu schwindelerregenden Gehältern.

Mit Ausnutzung aller Zulagen erhält ein EU-Abgeordneter rund 214000 Euro jährlich. Kommen EU-Beamte in den Ruhestand, erhalten diese im Durchschnitt 4300 Euro monatlich. Auch die Sozialabgaben sind eher moderat. Die Damen und Herren zahlen nur zwölf Prozent Lohn- und Sozialversicherung sowie zwei Prozent des Grundgehaltes in die Krankenversicherung.

Die Arbeitnehmer in Europa, vor allem die in Deutschland, träumen von solchen Abgaben. Nun wird auch verständlich, warum viele darauf erpicht sind, einen EU-Beamtenposten zu erhalten. Laut Veröffentlichung des Steuerzahlerbundes sind die Bürger Europas der Meinung, dass sich eine Kaste in Brüssel schamlos und unverschämt ohne Kontrolle selbst bedient.

Wer hier Kritik äußert, wird damit abgespeist, hier würden Neidreflexe geboren und man sei ein Anti-Europäer. Die Spitzengehälter seien ihnen gegönnt, nur, es sollten Ergebnisse folgen, welche für den EU-Bürger nachvollziehbar sind. Aber, um mit den Worten des ÖVP-Politikers Ernst Strasser zu sprechen: „Die meisten Parlamentarier sind so faul wie ich. Den Großteil der anfallenden Arbeit wird von Mitarbeitern erledigt.“ Sind das nicht Zustände wie im Paradies?

Fakt ist auch, wie die Medien berichteten, dass die Parlamentarier pro Sitzung eine Pauschale von rund 350 Euro erhalten. Wohl gemerkt, nur für diese Personen, welche sich in punkto Anwesenheit auch eingetragen haben. Eintragen tun sich alle, aber die wenigsten sind im Parlament auch anwesend. Man verschwindet lieber, um das angenehme Leben eines EU-Abgeordneten zu genießen oder tritt den Wochenendurlaub vorzeitig an.

Es steht außer Zweifel: Wir wollen Europa, aber ein Europa der Vaterländer und nicht ein Europa, wo Deutschland der größte Zahler ist und am wenigsten in Brüssel zu melden hat. Kurzum, Deutschland ist in der EU ein Schwergewicht, und sein Mitspracherecht muss gewaltig erweitert werden. Quintessenz: Wer das Geld hat, bestimmt auch zum Großteil die Richtung.

Am 25. Mai hatten wir es alle in der Hand, die Partei zu wählen, bei der wir der Meinung sind, dass bei ihr unsere gewaltigen Transferleistungen in guten Händen sind und Deutschland von ihr gut vertreten wird. Hätte man sich an die Verträge von Lissabon gehalten, so gäbe es heute keine Rettungsschirme, und jeder EU-Staat wäre für seine Finanzen selbst verantwortlich.

Wolfgang Rohde, Sigmaringen

 

 

Umkehren und den Sinn ändern

Zu: Im Westen geht die Sonne unter – letzter Versuch“ (Nr. 20)

Eva Herman beschreibt im Kommentarforum der PAZ treffend die heutige gesellschaftliche Situation. Ich verstehe ihre Analyse der modernen Welt auch als Aufruf, so wie vor etwa 2000 Jahren Johannes der Täufer im Neuen Testament sagte: „Kehret um und ändert euren Sinn.“

Auch heute wäre so ein Umdenken wieder an der Zeit, denn es ist bei uns einiges in Unordnung geraten, aber einige Lobbygruppen wollen die Wahrheit nicht ans Licht kommen lassen. Es wäre, wie der britische Astrophysiker Stephen Hawking gesagt hat, ein geistiger Sprung zu einem modernen Weltbild erforderlich. Das materialistische Weltbild bietet nur eine begrenzte Sichtweise und ist nicht in der Lage, unser Handeln richtig zu beurteilen.

Es wäre Zeit zu erkennen, welchen grundsätzlichen, qualitativen Unterschied es zwischen einer materialistischen und einer geistorientierten Weltanschauung gibt. So hat zum Beispiel materiell gesehen derjenige, der etwas abgibt, immer weniger. Geistig gesehen wird aber derjenige, der abgibt, immer reicher.

Es muss gelingen, wie Eva Herman sagt, den „Draht nach oben“ wieder anzuknüpfen, um die Bedeutung von Rücksichtnahme, Verantwortung, Nächstenliebe, Barmherzigkeit erfassen zu können.

Martin Knappke, Karlsruhe

 

 

Erlebnisreicher Tag

Zu: Deutschlandtreffen 2014 (Nr. 21)

Meine Landsleute der Kreisgruppe Leipzig und ich waren alle freudig überrascht über die große Zahl der Ostpreußen, die zu dem Deutschlandtreffen nach Kassel gekommen waren. Für mich als Elbingerin gab es eine besondere Überraschung: das Modell des Elbinger Marktplatzes mit dem imposanten Rathaus und allen anliegenden Gebäuden. Ein Elbinger Heimatfreund hat mit viel Liebe und Treue zum Detail, großem Können und bestimmt mühevoller, geduldiger Arbeit dieses wunderschöne Modell angefertigt.

Leider habe ich den Namen des Herrn, der aus München angereist war, nicht aufgeschrieben und möchte mich hier noch einmal sehr herzlich für das kleine Kunstwerk von meiner Heimatstadt bedanken.

Emotional berührend war die Verleihung des Ostpreußischen Kulturpreises an Ingo v. Münch für sein Buch „Frau komm!“. Unverständlich für uns war, warum während der weiteren Ehrung für Dr. Tilitzki die Leute in Scharen den Saal verließen. Die Lesung mit Herbert Tennigkeit, bei der wir uns köstlich amüsiert haben, war dafür ein schöner Abschluss, leider mussten wir zu unserem Bus, denn wir hatten nur einen Tag Aufenthalt. Für mich war es ein erlebnisreicher und mit Freude erfüllter Tag.

Inge Scharrer, Leipzig

 

 

Kleine Muschel

Zu: Freakshow (Nr. 20)

Der Name Conchita Wurst bedeutet im Spanischen durchaus keine „unter der Gürtellinie liegende Vulgarität“. Conchita ist ein häufig gebrauchter spanischer Frauenname und bedeutet „kleine Muschel“. Das Wort „concha“ (Muschel) kann auch als poetische Metapher für das weibliche Geschlechtsteil verwendet werden – ohne vulgären Beigeschmack. Ganz im Gegensatz dazu steht das im Deutschen gebräuchliche „Karacho“ (in spanischer Schreibung: carajo), das ausschließlich das männliche Geschlechtsteil bezeichnet und in feiner Umgebung nicht verwendet wird.

Ulrich Kühn, Bückeburg


S. 13 Das Ostpreußenblatt

Schneller ins Stadtzentrum
Königsberg erhält erstmals in seiner Geschichte eine S-Bahn-Verbindung

Ende März wurde erstmals in der Geschichte des Königsberger öffentlichen Personennahverkehrs ein Triebwagen als S-Bahn genutzt. Zuvor hatte der Chef des Königsberger Stadtrats, Andrej Kropotkin, den schlechten Zustand des öffentlichen Busverkehrs beklagt: „Schmutzige alte Busse im Einsatz – das ist einfach eine Missachtung der Passagiere. Das muss anders werden.“ Tatsächlich wurden in den vergangenen Jahren die meisten Straßenbahnlinien eingestellt, Trolleybusse verkehren nur noch im Zentrum. Die Bevölkerung war so gezwungen, auf private Fahrzeuge umzusteigen oder Minibusse zu nutzen.

Doch jetzt gibt es eine Alternative. Der „Schienenbus“, wie ihn die Königsberger und die Organisatoren des Projekts nennen, verbindet den Stadtteil Ponarth mit dem Zentrum. Zuvor mussten die Bewohner sich über drei Brücken ins Zentrum quälen, eine wurde lange repariert, die anderen beiden waren nur eingeschränkt befahrbar. So dauerte der tägliche Weg zur Arbeit oft über eine Stunde, obwohl die Entfernung nur fünf Kilometer beträgt. Der gleiche Weg mit der Bahn dauert nur zwölf Minuten, was eine erhebliche Einsparung bedeutet. Diese Zeit benötigen Fahrgäste, um von der Station „Kiewskaja“ zum Nordbahnhof zu gelangen. Daneben wurde die Route Selma–Nordbahnhof in Betrieb genommen. Der neue Stadtteil Selma wächst in rasantem Tempo, mehrstöckige Häuser schießen förmlich aus dem Boden. Nun ist das Königsberger Zentrum sowohl mit den nördlichen als auch mit den südlichen Stadtteilen verbunden.

Die Idee einer S-Bahn ist weder neu noch originell. In vielen Städten Europas haben sich S- und U-Bahnsysteme bewährt. Für Königsberg ist es ein Novum, das vielen tausend Bürgern das Leben erleichtern wird. Die Fahrt mit der S-Bahn kostet genau so viel wie die mit anderen Verkehrsmitteln, nämlich 15 Rubel, umgerechnet 30 Cent. Um diesen niedrigen Preis bis Jahresende aufrecht erhalten zu können, wurden aus dem Haushalt der Stadt 4,2 Millionen Rubel, umgerechnet 85000 Euro, zur Verfügung gestellt.

Die städtischen Verkehrsbetriebe haben für die Bewohner des Königsberger Rajons eine Buszubringerlinie bis zur Station „Kiewskaja“ eingerichtet. Die im Bus gelöste Fahrkarte gilt für die Weiterfahrt mit der S-Bahn. Zwar wird der ehemalige Güterbahnhof als S-Bahn-Station erst noch bekannt werden und die eine steile Treppe zu den Gleisen für Gehbehinderte passierbar gemacht werden müssen, doch die Behörden rechnen mit schneller Abhilfe.

Ein S-Bahn-Waggon hat 78 Sitzplätze, mit Stehplätzen fasst er 110 Passagiere. Sollte die Nachfrage steigen, können weitere Waggons angehängt werden. Der Fahrplan sieht bislang sechs Fahrten zu den Stoßzeiten morgens und abends in beiden Richtungen vor. Die ersten Passagiere haben schon den Wunsch nach dem Ausbau des Fahrplans geäußert, damit auch diejenigen, die bereits früher mit der Arbeit beginnen, die Verbindung nutzen können.

Obwohl erst seit Kurzem in Betrieb genommen, erfreut sich die neue S-Bahn-Verbindung bereits großer Nachfrage. Die Waggons sind modern und komfortabel mit weichen Sitzen. Die Fahrt ist wesentlich angenehmer als die mit einem der stinkenden Busse, die regelmäßig im Stau des Berufsverkehrs stecken bleiben.

In Zukunft sollen auch „Schienenbusse“ in den Ort Metgethen, der als Verwaltungsstadt Königsbergs gilt und sich auf dem Weg nach Pillau befindet, eingerichtet werden. Es wird auch über den Bau einer U-Bahn von Tannenwalde, das sich auf dem Weg nach Rauschen befindet, nachgedacht. Das deutet auf eine stärkere Nutzung der Bahn schon in naher Zukunft hin. Jurij Tschernyschew


Ein Mann und sein Plakat
Richard Urban, Urgestein der deutschen Volksgruppe in Polen, feierte seinen 80. Geburtstag

Viele historische Ereignisse haben ihr „Pressefoto“. Bei der neuen Ostpolitik ist es der Kniefall Willy Brandts, bei der Mondlandung der erste Schritt Neil Armstrongs auf dem Erdtrabanten oder beim Mauerbau der Sprung von Volkspolizist Conrad Schumann in letzter Minute über die bereits mit Stacheldraht abgeschirmte Berliner Sektorengrenze. Und es gibt das Pressefoto schlechthin und sein Schlagwort, wenn über die deutsche Volksgruppe in Polen berichtet wird – das Bild vom Besuch der Regierungschefs Helmut Kohl und Tadeusz Mazowiecki 1989 in Kreisau mit dem beschwörenden Transparent „Helmut, du bist auch unser Kanzler“. Sein Schöpfer war in der Deutschen Minderheit nie in einer Spitzenposition, dennoch kennt ihn jeder. Am 10. Mai hat Richard Urban aus Himmelwitz bei Oppeln seinen 80. Geburtstag gefeiert, in seiner Schatzkiste gekramt und das Plakat wieder vorgeholt

Bis ins hohe Alter hat Urban sein Gefühl für das Wesentliche nicht verloren, das ihn mit seinem prägnanten Plakat quasi zum „Ghostwriter“ der Deutschen Minderheit in der Republik Polen hat werden lassen. „Mich ärgert oft, wenn man zu unseren Treffen oder Feiern kommt, dass man nur noch deutsch begrüßt wird und danach spricht man nur noch Polnisch. Wir sollten uns nicht schämen, denn wir leben in einem demokratischen Land und die Polen verlangen nicht von uns, dass wir Polnisch sprechen müssen. Zweisprachigkeit ist schön, aber wir verdecken mit der Zweisprachigkeit den Mangel unserer deutschen Sprache“, sagt Urban und nennt ein typisches Beispiel: „Ein Eichendorff-Abend für den großen Dichter aus unserer Region. Da erwartet man natürlich die deutsche Sprache. Und dann werden die Gedichte deutsch gesprochen, aber eben auch polnisch. Da frage ich mich: Warum?“ Richard Urban wäre nicht Richard Urban, würde er auch jetzt nicht weiter analysieren: „Aber vielleicht bin ich schon zu alt oder passe nicht mehr zu der Gesellschaft.“

Besonders frustriert ist der Jubilar, wenn es um das Thema deutsche Sprache und Kirche geht: „Hier sind wir machtlos, denn da hat der Pfarrer das Sagen“, fasst Urban das Kuschen vor kirchlichen Würdenträgern zusammen.

Der nahe St. Annaberg als Wallfahrtsort bringt Urbans Augen besonders zum Leuchten und wirft auch manches Schlaglicht auf die Jahre des Umbruchs 1989/90: „Norbert Blühm, der damalige Bundesarbeitsminister, kam nach Oppeln. Da wurde ich schnell angerufen: Komm schnell nach Oppeln ins Hotel. Dann ist er mit uns nach Annaberg gefahren, er hatte den Wunsch gehabt, noch in der Nacht um 22 Uhr dorthin zu fahren.“ Dabei ist Urban an sich ein Mensch, der immer vorbereitet sein will. Als die Bonner Politprominenz damals anrückte, schrieb der Gastronom für sie eine extra Speisekarte und der Chor wurde zusammengetrommelt und rührte mit unerwartetem deutschen Sangesgut die Delegationsteilnehmer zu Tränen. Auch über sein legendäres Transparent für Kreisau in Niederschlesien, das damals als Ort des Treffens beider Premiers gewählt wurde, da Polen in Oberschlesien eine Massenmanifestation der gerade erst als Minderheit anerkannten Deutschen fürchtete, hat Urban lange sinniert: „Wir sind mit zwei Bussen aus Himmelwitz hingefahren, und ich habe dieses Transparent mir einfallen lassen, denn ich dachte mir, alle werden ja bestimmt schreiben: ‚Die Stadt sowieso grüßt den Bundeskanzler‘. Ich dachte mir, du musst dir was Besonderes ausdenken. Und das hat dann eben Furore gemacht – alle Kameras waren auf das Transparent gerichtet.“

K. Kandzia/T. Scholtz-Knobloch


MELDUNGEN

Energiebrücke geplant

Lyck/Brüssel – Die Europäische Kommission hat 80 Millionen Euro für den Bau einer 112 Kilometer langen und auf etwa 300 Hochspannungsmasten ruhenden Hochspannungsleitung von Lyck zur Grenze nach Litauen bewilligt. Diese Leitung ist Teil der sogenannten Energiebrücke zwischen Litauen und Polen, welche die Sicherheit der Energieversorgung im Osten der Europäischen Union verbessern soll. Das Geld kommt aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Das Projekt hat ein Gesamtvolumen von 193,7 Millionen Euro. Der Bau der Verbindung begann offiziell diesen Monat im litauischen Alytus (Alitten, Olita). Das Teilstück zwischen dieser 70000 Einwohner zählenden Stadt im Südosten Litauens und der litauisch-polnischen Grenze ist 51 Kilometer lang. Die grenzüberschreitende polnisch-litauische Verbindung mit zusammen 163 Kilometern Länge und etwa 450 Hochspannungsmasten soll Anfang 2016 ferig sein. PAZ

 

Mini-Ampfitheater

Rößel – In Rößel entsteht an der Mickiewicza-Straße ein Mini-Amphitheater. Dort werden alle Freiluft-Veranstaltungen stattfinden. Der Bau soll etwa 800000 Zloty (über 190000 Euro) kosten. Das Mini-Amphitheater wird 560 Sitzplätze haben. Die erste Veranstaltung ist für Ende August geplant. Es wird das städtische Erntedankfest sein. PAZ


S. 14 Ostpreussische Familie

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

das große Treffen ist vorbei, aber noch lange nicht für die Teilnehmer und auch nicht für mich, die ich leider nicht dabei sein konnte. Aber die Redaktion hatte ja einen Briefkasten für Mitteilungen an die Ostpreußische Familie aufgestellt, und der wurde reichlich gefüllt. Vor allem mit vielen Dankesworten für die Familienarbeit und mit lieben Wünschen für mich und meine Gesundheit, für die ich nun sehr herzlich danke. Gefüllt natürlich auch mit kleinen Wünschen und Anfragen, von denen die meisten aber erst aufgrund von Nachfragen weitergegeben werden können. Denn wie soll man eine alte Freundin aus der Heimat suchen, wenn nicht einmal deren Name angegeben ist! Bei einigen Zuschriften ist auch zu erkennen, dass es sich um Teilnehmer handelt, denen die Ostpreußische Familie bisher nicht vertraut war – also Neuleser. Für sie – und auch für uns als kleine Rückschau – noch einmal einen kurzen Überblick über unserer Familienarbeit.

Als im Jahre 1972 diese Rubrik zum ersten Mal im Ostpreußenblatt erschien, konnte man noch nicht ahnen, dass sie auch nach über 40 Jahren noch Bestand hat. Ja, dass sie sogar zu einer beliebten Institution geworden ist, die auch die schwierigsten Leserwünsche zu erfüllen sucht. Wie viele Menschen, die nach verschollenen, vermissten, nicht mehr auffindbaren Angehörigen oder Freunden von einst suchten, sie zusammengebracht hat, ist kaum zu zählen. Auch heute noch, fast 70 Jahre nach der Flucht, geschehen so etwas wie Wunder – jedenfalls wird dies von den Suchenden so empfunden, – dank unserer Ostpreußischen Familie. Inzwischen wenden sich immer mehr Menschen aus den nachfolgenden Generationen an uns, die nach Familienangehörigen suchen oder nach Menschen aus dem Lebenskreis ihrer Eltern und Großeltern.

Auch unsere heutige Ausgabe zeigt die breite Themenfächerung, die sich aus vielen Zuschriften der letzten Wochen ergibt. Da ist vor allem die Suche nach Menschen aus der Heimat, die im Laufe der Zeit aus dem Blickfeld der Schreibenden verschwunden sind und nach denen bisher vergeblich geforscht wurde. So übermittelt uns Frau Monika Oschkinat aus Waren das von ihrem Bruder Hans Przykopp formulierte Anliegen an unsere Ostpreußische Familie in der Hoffnung, dass wir endlich helfen können:

„Ich bin ein fleißiger und aufmerksamer Leser unseres Ostpreußenblattes. Die Seite der Ostpreußischen Familie lese ich sehr aufmerksam und verfolge so viele Schicksale unzähliger Familien, die sich nach so vielen Jahren doch noch teilweise aufgeklärt haben. Ich habe jetzt den Mut gefasst, auch mit meinen quälenden Sorgen und Gedanken an Sie heranzutreten. Alle anderen Suchaktionen blieben bisher erfolglos. Meine Mutter und Tante Othilie Przykopp geborene Radowski, *18. Februar 1902 aus Garbassen, Kreis Treuburg, wurde am Gründonnerstag 1945 auf der Flucht von GPU-Leuten mit mehreren Frauen verschleppt und in einen Keller in Goldap gesperrt. Dort wurden sie einige Tage nach Ostern auf einen Lkw verladen, und es durfte niemand an sie heran, ehe sie abtransportiert wurden. Wir haben von diesem Tag an nichts mehr gehört und gesehen von den Verschleppten. Ich war zu der Zeit ein 15-jähriger Junge. Vielleicht gibt es noch Landsleute, die etwas wissen oder gehört haben, was mit diesen Frauen geschehen ist. Des Weiteren suche ich nach meiner Schwester Elli Przykopp, *19. Februar 1928, aus Garbassen, damals 16-jährig. Sie verschwand auf dem Flüchtlingstreck in Bischofsstein, wir waren dort in einer Schule untergebracht. Am nächsten Morgen ging der Treck weiter Richtung Rößel. Meine Schwester wollte noch mal nach unserer Cousine Ingrid Pyko aus Königsruh, Kreis Treuburg schauen, die sich am Ende des Trecks befand. Von diesem Alleingang kehrte meine Schwester nicht mehr zurück, da wir inzwischen von der russischen Artillerie beschossen wurden. Der Treck teilte sich, ging von der Hauptstraße ab, um auf mehreren Feldwegen Schutz zu suchen. Meine Schwester wie auch unsere Cousine blieben spurlos verschwunden. Sollte es auch hier noch jemanden geben, der uns auch nur den kleinsten Hinweise geben kann, wären wir dankbar.“

Dass nicht viel Hoffnung besteht, erkennt Herr Przykopp selber, aber ein Fünkchen bleibt immer bestehen. Dass es zum Glühen kommt, wäre den Geschwistern zu wünschen, die Mutter, Schwester, Tante und Cousine verloren haben im Nirgendwo. Mitteilungen bitte an Herrn Hans Przykopp, Nelkenweg 11 in 40764 Langenfeld/Rheinland, Telefon (02173) 23484, oder Monika und Erich Oschkinat, Johann-Sebastian-Bach-Straße 1 in 17192 Waren/Müritz, Telefon (03991) 168530.

In mancher Erfüllung eines Wunsches ist auch ein Wermutstropfen dabei. Den bekam Herr Konrad Moysich aus Bautzen zu spüren, und er schmeckte ihm wirklich ein wenig bitter. Er hatte schon seit längerer Zeit nach einem Geschwisterpaar Siegriet und Holger aus Berlin gesucht. Das Geschwisterpaar war mit seiner Mutter nach den Bombenangriffen evakuiert worden und hatte bei der Familie Moysich in Preußisch Holland Unterkunft gefunden. Es muss ein gutes Einvernehmen zwischen den Familien geherrscht haben, weil die Berliner Spielkameraden aus den Kriegsjahren 1943/44 für Konrad Moysich unvergessen blieben. Seine Hoffnung auf ein Wiederfinden setzte er auf unsere Ostpreußische Familie. Es sollte allerdings eine ganze Weile dauern, bis bei Herrn Moysich eine positive Nachricht eintraf. Es meldete sich die Tochter der besagten Siegriet und sie teilte ihm die Telefonnummer ihrer Mutter mit. Hocherfreut versuchte Herr Moysich nun, mit dieser in Verbindung zu treten – aber es misslang leider. Auf eine Art und Weise, die für den Suchenden unverständlich ist. Konrad Moysich schreibt: „Jemand stellte sich abblockend dazwischen. In einem zunächst etwas holprig verlaufenden Gespräch konnte ich den Grund für das offensichtliche Misstrauen nicht herausfinden. Ich bedauere das sehr, aber auf jeden Fall können wir die Suche als erfolgreich verbuchen. Vielleicht gibt es doch noch einmal einen besseren Ausgang für meinen gut gemeinten harmlosen Versuch, einem Menschen aus seiner früheren Zeit etwas Positives mitzuteilen.“

Ja, hoffen wir mit Herrn Moysich. Vielleicht liest die Tochter der Berlinerin diese Zeilen – sie hat ja auch die Suche gelesen oder mitgeteilt bekommen, sonst hätte sie sich nicht gemeldet – und spricht in Ruhe mit ihr über die Angelegenheit. Das Abblocken kann viele Gründe haben. Sie können persönlicher Art sein, wenn der oder die Betreffende die Erinnerung an eine bestimmte Lebenszeit gelöscht hat, weil auch schlimme Erlebnisse mit ihr verbunden sind, was aber hier kaum der Fall sein dürfte. Vielleicht ist es aber ein gewisses Misstrauen, das man heute leider bei unerwarteten Gesprächen aufbringen muss, vor allem als älterer Mensch. Es wird ja immer wieder davor gewarnt, auf Wünsche und Forderungen unerwarteter Anrufer einzugehen. Mit Recht – denn da kann ich aus eigener Erfahrung sprechen, weil ich zweimal von „Rate mal wer hier ist“-Anrufern um Hilfe gebeten wurde – einmal um 3000 Euro für einen Wohnungskauf, das andere Mal um ein nicht ganz so happiges Sümmchen für einen Gebrauchtwagen. Jedes Mal legte der angebliche „Neffe“ schnell auf, als ich ihm freundlich erklärte: Ich habe gar keinen Neffen! Aber dieses Miss-trauen scheint bei Herrn Moysich nicht gegeben, vielleicht war es ganz einfach eine Überrumpelung, auf die man auf Empfängerseite nicht eingestellt war. Wie auch immer: hier ist noch einmal Konrad Moysichs Telefonnummer: (03591) 41058!

Aber jetzt sollen die kleinen Wünsche endlich ihren Platz bekommen, die immer zurückstecken müssen, weil Suchfragen nach vielleicht noch Lebenden verständlicherweise Vorrang haben. Doch auch sie können zur Beglückung beitragen, wenn sie erfüllt werden. So würde sich bestimmt Frau Helga Lendzian aus Erkrath freuen, wenn sich der vollständige Text eines kleinen Sketches, den sie noch daheim in Königsberg oder Lyck bei Feiern aufführten, finden ließe. Er wurde so gespielt: Zwei junge Frauen sehr gegensätzlicher Art standen sich gegenüber: ein dralles Marjellchen mit Klotzkorken, die andere in modischen Schuhen mit Pfennigabsätzen. (High heels gab es ja zum Glück damals noch nicht!) Es ergab sich folgender Dialog: „He, Madamche, kenn’ Se nich kieken, ich bin ne Marjell vom Land! – Und ich eine Dame von besserem Stand, ich spreche drei Sprachen und spiele Klavier. – Und ich häw de Ossens und Schwienkes vor der Tür. – Pfui, Ochsen und Schweine, da halt ich mich fern. – Aber meine Schinken, die essen Se gern!“ Bis dahin hat Frau Lendian den Text noch im Kopf, aber wie geht er weiter? (Helga Lendzian, Gerhard-Hauptmann-Straße 119 in 40699 Erkrath, Telefon 0211/2009910.)

Auf einem früheren Ostpreußentreffen in Düsseldorf wurde Herrn Paul Salewski beim Kauf alter Ansichtskarten eine Aufnahme in Postkartenformat angeboten, die das Panorama einer kleinen ostpreußischen Stadt zeigen soll. Auch fachkundige Betrachter konnten den Ort nicht identifizieren. So bekam Herr Salewski die Aufnahme „margrietsch“, aber auch daheim konnte er trotz vergleichbarer Luftaufnahmen von anderen ostpreußischen Städten den Ortsnamen nicht enträtseln. „Vermutlich bleibt nur noch die Ostpreußische Familie, die Abhilfe schaffen kann“, meint Herr Salewski und legt uns eine Kopie mit der Bitte vor, ihm bei der Auffindung zu helfen. Ich vermute nicht nur, sondern weiß es, dass die Entschlüsselung des Namens „auffen Plutz“ erfolgen wird. (Paul Salew-ski, Rathenaustraße 58 in 99085 Erfurt, Telefon 0361/5611753.)

Die nächste Frage betrifft die Flucht über See in den ersten Monaten des Jahres 1945. Herr H. Göttlicher aus Rinteln stellt sie, weil seine Mutter mit ihren drei kleinen Kindern und dem Pflichtjahrmädchen an Bord des Seedienst-Schiffes „Hertha“ war. Das Schiff lief Ende Januar von Pillau aus und erreichte einige Tage später Gotenhafen. Herr Göttlicher konnte bisher nicht die genauen Abfahrt- und Ankunftszeiten ermitteln, die er gerne wissen möchte. Weiter stellt er die Frage, ob die „Hertha“ noch einmal nach Pillau zurück oder von Gotenhafen gleich weiter nach Kiel oder Lübeck fuhr. Später kam das Schiff nach Griechenland, wo es etwa zwei Jahre später nach einem Unglück gesunken sein soll. Herr Göttlicher hofft, dass ihm unsere Leser und Leserinnen, von denen einige vielleicht auch auf der „Hertha“ waren, helfen können, die Fragen zu lösen. (Herr H. Göttlicher, Händelweg 5 in 31737 Rinteln, Telefon 05751/74165.)

Und nun noch ein Wunsch aus unserem in Kassel aufgestellten Briefkasten, der wohl wirklich nur durch unsere Familie erfüllt werden kann: Es handelt sich um ein altes Firmenschild „Malermeister Emil Bortzick“. Der Firmeninhaber war der Großvater von Silke Bortzick, die immer noch auf der Suche nach diesem Schild ist, das lange nach dem Krieg an Deutsche verkauft wurde. Die Familie Bortzick hatte bis Anfang 1945 in Staßwinnen/Eisermühl im Kreis Lötzen gewohnt. Wer hat das Schild in Lötzen oder Umgebung erworben und mitgenommen? Die Enkelin wäre dankbar, wenn sich der heutige Besitzer – sicher ein Sammler – bei ihr melden würde. (Silke Bortzick, Schulstraße 10 in 65556 Limburg, Telefon 06431/778922, E-Mail: Silke-bortzick@t-online.de)

Eure Ruth Geede


Die wundersamen Gärten meiner Großmütter
Gisela Hannig hat ihren grünen Daumen von ihren Omas geerbt

Gerade zu Pfingsten ist für ältere Vertriebene die Sehnsucht nach den Gärten ihrer in der Heimat verbrachten Kindheit groß. Spät kam der Frühling in Ostpreußen, aber er kam dann in solcher Fülle, dass man sie kaum erfassen konnte. Birkenbüsche schmückten Tor und Tür, in den Fluren der Häuser roch es nach frischem Kalmus, der mit feinem Sand auf die Dielen gestreut war. Die festlich gedeckten Tische waren mit Sträußen von Pfingstrosen geschmückt, die großen Blüten der Päonien leuchteten aus allen Gärten. Eine Leserin, Gisela Hannig aus Friedrichshafen, hat versucht, ihre Erinnerung an die Gärten ihrer Großmutter in Worte zu fassen. Viele Leserinnen und Leser werden ihr gerne folgen, wenn sie sich auf die Rückreise in die Heimat begibt, die für die Schreiberin am Frischen Haff lag.

„Immer noch suche ich nach den besonderen Früchten, wie ich sie in den Gärten meiner Großmütter gefunden habe. Wo gibt es denn hier im Westen noch Bergamotten? Im Garten meiner Großmutter in Balga standen zwei riesengroße Bäume der Esperens Bergamotte, die diese so schmackhaften, aromatischen und saftigen Birnen trugen, aber die Form eines Apfels hatten. Da läuft mir heute noch das Wasser im Mund zusammen, wenn ich an diese Winterbirnen denke, die im Spätwinter ihre volle Reife entfalteten – ihr süßes, feines Aroma war unvergleichlich. In Frankreich gibt es Bergamotte-Likör, der dieses Aroma hat.

Ein sehr kleiner, niedriger Apfelbaum war ebenfalls eine Besonderheit in diesem Garten. Die Äpfel waren riesig, wogen bis zu 450 Gramm, und die Äste mussten gestützt werden, sonst wären sie abgebrochen. Mit einem Schulfreund zusammen versuchte ich einmal, solch einen Apfel zu essen, wir haben es nicht geschafft! Auch Johannesbeeren mit etwa 15 Zentimeter langen Rispen gab es in Großmutters Wundergarten in Balga. Nur einmal habe ich hier einen solchen Strauch gesehen, er stand in einem alten Garten in Frankfurt. Eine andere Sehenswürdigkeit waren Disteln von zweieinhalb Meter Höhe mit einer riesengroßen Blüte wie ein Teller. Diese Prachtexemplare standen im Pfarrgarten, den meine Großmutter gepachtet hatte, als der alte Pfarrer in Pension ging. Diese Disteln waren wohl nur zur Zierde da, denn ich glaube nicht, dass man daraus Öl gewinnen wollte. Alte Apfelsorten werden ja heute wieder nachgezüchtet, und ich warte sehr auf die so aromatischen Früchte, von denen ich nur die Hasenköpfe erwähnen möchte. Die Äpfel hatten wirklich die Form eines Hasenkopfes, wurden spät im Jahr reif und dufteten sehr intensiv.

Am Vorgarten meiner Heiligenbeiler Großmutter blieben die Leute beim Vorbeigehen stehen, wenn zwei Meter hohe Dahlien mit ihren tellergroßen Blüten über den Zaun ragten. In der Mitte des Gartens stand ein Rosenstock neben einer großen Glaskugel. Diese edle Rose wurde im Winter herunter gebogen und mit Stroh umwickelt, so konnte sie die strengen Fröste gut überstehen. Die kleine Laube am Gartenrand schmückten üppige Geranien und Pelargonien. Meine Großmutter pflegte schon frühmorgens um 5 Uhr in ihrem Garten zu arbeiten, damit alles entsprechend gepflegt aussah, wenn die Leute auf ihrem Weg zur Arbeit oder zum Bahnhof vorbeikamen. An der Post hatten die Großeltern einen Gemüsegarten angelegt, in dem meterhohe Bohnen wuchsen, und ich lernte, dass man zur Beeteinfassung Pflücksalat zusammen mit Radieschensamen säen kann. Die Radieschen durfte man früh ziehen, während der Salat sich dann voll entwickeln konnte. Diese Methode habe ich später in Holstein aus-üben und weiter verbreiten können.

Offenbar habe ich von meinen Großmüttern ihren ,grünen Daumen‘ geerbt. Nach 14 berufsbedingten Umzügen nach Süd und West gab es immer wieder Gärten, in denen ich das bei ihnen Erlernte anwenden konnte. Den Höhepunkt durfte ich bei der Nato in Ramstein erleben, wo das Marjellchen aus Ostpreußen nach einem Ikebana-Kurs zur Gartenclubpräsidentin gewählt wurde. Die Amerikanerinnen waren nicht mit den klimatischen Verhältnissen in Old Germany vertraut und bepflanzten schon im Februar die Balkonkästen mit Geranien. Andererseits konnte man auch von ihnen lernen, doch was ihre Blumenpflege betraf, hätte meine lieben Großmütter doch arg verwundert.

Als ich im Jahr 1991 zum ersten Mal mit einer Hilfssendung nach Heiligenbeil und Balga reisen konnte, trafen wir eine russische Schulklasse, die an der Burgruine in Balga Bäume malen sollte. Einigen von den großen starken Eichen, Buchen und Zedern waren noch stehen geblieben nach dem Chaos, das sich dort 1945 abgespielt hatte. Gefällt wurden sie nicht, weil sie mit Granatsplittern übersät waren. Die Blumen der Gärten meiner Großmutter konnten sie nicht malen. Beide grünen Paradiese waren verwahrlost und verkommen, ein jammervoller Anblick – aber die Erinnerung lässt sie wieder blühen.“ R.G.


S. 15 Glückwünsche

Wir gratulieren

ZUM 99. GEBURTSTAG

Bökens, Gertrud, geb. Braun, aus Kleinerlenrode, Kreis Elchniederung, am 2. Juni

Fortak, Ottilie, geb. Latza, aus Ittau, Kreis Neidenburg, am 1. Juni

ZUM 98. GEBURTSTAG

Mrotzek, Gertrud, geb. Przytulla, aus Kölmersdorf, Kreis Lyck, am 6. Juni

ZUM 96. GEBURTSTAG

Cornelsen, Charlotte, geb. Philipp, aus Neufrost, Kreis Elchniederung, am 5. Juni

Nowitzki, Helmut, aus Dippelsee, Kreis Lyck, am 3. Juni

Schweiger, Erich, aus Kortmedien, Kreis Wehlau, am 5. Juni

ZUM 95. GEBURTSTAG

Johann, Hildegard, aus Fischhausen, Kreis Samland, am 6. Juni

Karasch, Fritz, aus Babeck, Kreis Treuburg, und aus Rumeyken, Kreis Lyck, am 1. Juni

Mootz, Else, geb. Salamon, aus Prostken, Kreis Lyck, am 4. Juni

ZUM 94. GEBURTSTAG

Baginski, Gisela, geb. Jedamski, aus Neidenburg, am 2. Juni

Golob, Hildegard, geb. Unruh, aus Zimmerbude, Kreis Samland, am 31. Mai

Heinrich, Helene, geb. Christochowitz, aus Prostken, Kreis Lyck, am 6. Juni

Karow, Käthe, geb. Kowalewski, aus Kutzen, Kreis Lyck, am 2. Juni

Runck, Ursula, geb. Arlat, aus Ebenrode, am 5. Juni

Schirmacher, Magdalene, geb. Lehwald, aus Gedwangen, Kreis Neidenburg, am 2. Juni

ZUM 93. GEBURTSTAG

Bonhof, Karl, aus Lyck, am 1. Juni

Geisler, Maria, geb. Sylla, aus Gorlau, Kreis Lyck, am 2. Juni

Lucke, Anna-Luise, aus Pillau, Kreis Samland, am 1. Juni

Lucks, Hildegard, geb. Meyer, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 26. Mai

May, Ursula, geb. Stoermer, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 4. Juni

Mirbach-Ziehe, Ruth, geb. Ziehe, aus Tutschen, Kreis Ebenrode, am 31. Mai

Müller, Wolf, aus Lyck, am 31. Mai

Pietsch, Gertrud, aus Karkeln, Kreis Elchniederung, am 2. Juni

Piontek, Anna, aus Statzen, Kreis Lyck, am 5. Juni

Schalk, Anneliese, geb. Kuchenbecker, aus Seckenburg, Kreis Elchniederung, am 2. Juni

Schüttke, Alfred, aus Richau, Kreis Wehlau, und aus Wartenhöfen, Kreis Elchniederung am 3. Juni

Sreball, Charlotte, aus Aschpalten, Kreis Elchniederung, am 5. Juni

Quilitzsch, Ruth, geb. Wagner, aus Klaussen, Kreis Lyck, am 1. Juni

ZUM 92. GEBURTSTAG

Benesch, Ursula, geb. Tollkühn, aus Irglacken, Kreis Wehlau, am 31. Mai

Dziedo, Maria, geb. Dausch, aus Kutzen, Kreis Lyck, am 1. Juni

Gojny, Elly, geb. Wischnewski, aus Neuhof, Kreis Neidenburg, am 31. Mai

Klimach, Siegfried, aus Reimannswalde, Kreis Treuburg, am 1. Juni

Kösters, Elfriede, geb. Schirrmann, verwitwete Eisele, aus Herzogskirchen, Kreis Treuburg, am 2. Juni

Lowack, Lina, geb. Roloff, aus Pannwitz, Kreis Heiligenbeil, am 5. Juni

Powilleit, Erika, geb. Sudau, aus Breitenhof, Kreis Elchniederung, am 2. Juni

Roßberg. Erika, geb. Cytrich, aus Rogallen, Kreis Lyck, am 1. Juni

Schumacher, Fritz, aus Andersgrund, Kreis Ebenrode, am 1. Juni

Spalding, Herta, geb. Mey, aus Wehlau, am 1. Juni

Stenner, Käthe, geb. Schirrmacher, aus Pillau, Kreis Samland, am 1. Juni

Stephan, Grete, geb. Neumann, aus Starkenberg, Kreis Wehlau, am 1. Juni

ZUM 91. GEBURTSTAG

Genzen, Erna, geb. Plietzka, aus Stucken, Kreis Elchniederung, am 4. Juni

Harborth, Gertrud, geb. Kröhnert, aus Schackwiese, Kreis Elchniederung, am 31. Mai

Hemberger, Hildegard, geb. Wölke, aus Ostseebad Cranz, Kreis Samland, am 2. Juni

Hennemann, Charlotte, geb. Evers, aus Hopfenbruch, Kreis Ebenrode, am 3. Juni

Klotzbücher, Irmgard, geb. Matthies, aus Sinnhöfen, Kreis Ebenrode, am 2. Juni

Leonhardy, Wolfgang, aus Neuhäuser, Kreis Samland, am 4. Juni

Pulpanek, Anna, geb. Meschkat, aus Neusorge, Kreis Elchniederung, am 4. Juni

Weber, Arno, aus Grünwiese/Pannwitz, Kreis Heiligenbeil, am 4. Juni

ZUM 90. GEBURTSTAG

Becker, Dora-Erika, geb. Laschat, aus Plein, Kreis Elchniederung, am 2. Juni

Bertuleit, Martha, geb. Priekuln, aus Dippelsee, Kreis Lyck, am 5. Juni

Brzoska, Robert, aus Burdungen, Kreis Neidenburg, am 5. Juni

Budzinski, Waltraut, geb. Hermann, aus Lyck, am 6. Juni

Fischer, Annelore, aus Nautzwinkel, Kreis Samland, am 31. Mai

Förster, Hildegard, geb. Sokoliß, aus Muschaken, Kreis Neidenburg, am 2. Juni

Galla, Paul, aus Ittau, Kreis Neidenburg, am 2. Juni

Geppert, Gerda, geb. Gallert, aus Gundau, Kreis Wehlau, am 1. Juni

Golz, Elisabet, geb. Dubaschny, aus Prostken, Kreis Lyck, am 4. Juni

Klisch, Gertrud, geb. Jeschonnek, aus Treuburg, am 5. Juni

Mehner, Lieselotte, geb. Mertins, aus Langenberg, Kreis Elchniederung, am 6. Juni

Milz, Sieglinde, aus Rauschen, Kreis Samland, am 31. Mai

Parzianka, Irmgard, aus Steinwalde, Kreis Lötzen, am 31. Mai

Ruppelt, Irene, geb. Plotzitzka, aus Moneten, Kreis Treuburg, am 1. Juni

Salz, Alfred, aus Jarken, Kreis Treuburg, am 4. Juni

Sulz, Werner, aus Haselberg, Kreis Schlossberg, am 4. Juni

Wonneberger, Gerda, geb. Siemokat, aus Altsnappen, Kreis Schloßberg, am 4. Juni

ZUM 85. GEBURTSTAG

Adam, Walter, aus Lesgewangen, Kreis Tilsit-Ragnit, am 5. Juni

Becker, Inge, geb. Raethjen, aus Hasenberg, Kreis Wehlau, am 1. Juni

Behm, Ingrid, geb. Alex, aus Grünau, Kreis Elchniederung, am 3. Juni

Borchert, Herbert, aus Klein Schläfken, Kreis Neidenburg, am 5. Juni

Bulda, Gerda, geb. Pyko, aus Garbassen, Kreis Treuburg, am 2. Juni

Doebler, Gertrud, geb. Pinnow, aus Wehlau, am 2. Juni

Dürr, Sofie, geb. Merk, aus Groß Udertal, Kreis Wehlau, am 6. Juni

Eichstaedt, Winfried, aus Arnsberg, Kreis Preußisch Eylau, am 6. Juni

Freundlieb, Margarete, geb. Joswig, aus Königswalde, Kreis Lyck, am 2. Juni

Greger, Heinz, am 31. Mai

Gritzka, Kurt, aus Lyck, am 3. Juni

Grunewald, Heinz-Erich, aus Lindendorf, Kreis Wehlau, am 2. Juni

Guse, Elli, geb. Petermann, aus Neplecken, Kreis Samland, am 1. Juni

Janke, Charlotte, geb. Moysesczik, aus Eichensee, Kreis Lyck, am 5. Juni

Kröhnert, Gerda, aus Ansorge, Kreis Elchniederung, am 4. Juni

Kromat, Horst, aus Baringen, Kreis Ebenrode, am 4. Juni

Kwast, Ursula, geb. Schröder, aus Königsberg-Liep, am 3. Juni

Laupichler, Heinz, aus Kuglacken, Kreis Wehlau, am 31. Mai

Linde, Elizabeth, geb. Linde, aus Wehlau, 31. Mai

Lorenzen, Ilse, geb. Butzlaff, aus Seckenburg, Kreis Elchniederung, am 4. Juni

Maszycki, Lydia, geb. Buberrek, aus Garbassen, Kreis Treuburg, am 2. Juni

Näther, Brigitte, geb. Naraschewski, aus Walden, Kreis Lyck, am 6. Juni

Pasternack, Alfred, aus Rogonnen, Kreis Treuburg, am 4. Juni

Paul, Inge, geb. Schlemminger, aus Lissau, Kreis Lyck, am 6. Juni

Piechottka, Wilhelm, aus Nußberg, Kreis Lyck, am 5. Juni

Plumm, Bernhard, aus Palmnicken, Kreis Samland, am 3. Juni

Schultz, Irma, geb. Stannies, aus Groß Allendorf, Kreis Wehlau, am 5. Juni

Thimm, Jürgen, aus Siemenau, Kreis Neidenburg, am 6. Juni

Wedrich, Edith, aus Haselberg, Kreis Schlossberg, am 4. Juni

ZUM 80. GEBURTSTAG

Brinckmann, Dieter, aus Pregelswalde, Kreis Wehlau, am 5. Juni

Eschment, Edith, geb. Holstein, aus Königsberg-Schönfließ, am 3. Juni

Friedrich, Irmgard, geb. Lehmann, aus Knäblacken, Kreis Wehlau, am 2. Juni

Geschke, Dieter, aus Friedrichsdorf, Kreis Wehlau, am 5. Juni

Haas, Irmgard, geb. Kottowski, aus Waldwerder, Kreis Lyck, am 4. Juni

Hantscher, Renate, geb. Niedzwetzki, aus Nußdorf, Kreis Treuburg, am 3. Juni

Heinl, Anni, geb. Hafke, aus Canditten, Kreis Preußisch Eylau, am 5. Juni

Herrmann, Ruth, geb. Piaszenski, aus Gorlau, Kreis Lyck, am 4. Juni

Jeromin, Karl, aus Alt Kriewen, Kreis Lyck, am 2. Juni

Kairies, Elfriede, geb. Seredszus, aus Wilhelmsheide, Kreis Elchniederung, am 5. Juni

Kappus, Horst, aus Platen, Kreis Ebenrode, am 3. Juni

Koberstein, Erika, geb. Palis, aus Klein Engelau, Kreis Wehlau, am 3. Juni

Lettau, Manfred, aus Absteinen, Kreis Ebenrode, am 2. Juni

Masannek, Erich, aus Soldau, Kreis Neidenburg, am 4. Juni

Meißner, Artur, aus Rundfließ, Kreis Lyck, am 2. Juni

Palzewski, Heinz, aus Heldenfelde, Kreis Lyck, am 1. Juni

Phillips, Edeltraud E., aus Lyck, am 6. Juni

Rama, Erich, aus Windau, Kreis Neidenburg, am 6. Juni

Rauhut, Sabine, geb. Rente, aus Heinrichswalde, Kreis Elchniederung, am 4. Juni

Schlothauer, Erich, aus Ostseebad Cranz, Kreis Samland, am 2. Juni

Schock, Klaus, aus Sorgenau, Kreis Samland, am 5. Juni

Schmidtke, Hans-Jürgen, aus Fließdorf, Kreis Lyck, am 6. Juni

ZUM 75. GEBURTSTAG

Birth, Gerd, aus Canditten, aus Kreis Preußisch Eylau, am 4. Juni

Bredenbröcker, Annemarie, geb. Staar, aus Roddau Per­kuiken, Kreis Wehlau, am 31. Mai

Claaßen, Renate, geb. Wohlgemuth, aus Neulinkuhnen, Kreis Elchniederung, am 31. Mai

Daase, Albert, aus Seckenburg, Kreis Elchniederung, am 1. Juni

Fredenburg, Dorothea. geb. Wichmann, aus Heiligenkreutz, Kreis Samland, am 3. Juni

Kannenberg, Manfred, aus Reuß, Kreis Treuburg, am 31. Mai

Landwehr, Gudrun, geb. Steinhof, aus Moneten, Kreis Treuburg, am 3. Juni

Pank, Waltraud, geb. Meyer, aus Erlen, Kreis Elchniederung, am 1. Juni

Schimanski, Alfred, aus Batzdorf, Kreis Neidenburg, am 6. Juni

Schuckart, Lore, geb. Skorloff, aus Erlenrode, Kreis Elchniederung, am 31. Mai

Spitz, Dietmar, aus Groß Hubnicken, Kreis Samland, am 4. Juni

Steinhof, aus Moneten, Kreis Treuburg, am 3. Juni


S. 16 Heimatarbeit

Landsmannschaftliche Arbeit

BUND JUNGES OSTPREUSSEN

Vorsitzender: Stefan Hein, Gst.: Buchtstr. 4, 22087 Hamburg, Tel.: (040) 4140080, E-Post: kontakt@junge-ostpreussen.de, www.junge-ostpreu­ssen.de.

BJO-Sommerfahrt vom 21. Juli bis 1. August 2014 nach Nordostpreußen mit Besuchen in Königsberg, Trakehnen, auf der Kurischen Nehrung und in der Rominter Heide. Die vollständige Einladung mit allen Einzelheiten ist unter www.junge-ostpreussen.de zu finden. Anmeldeschluss: 20. Juni 2014 (Visapflicht).

 

BADEN-WÜRTTEMBERG

Vors.: Uta Lüttich, Feuerbacher Weg 108, 70192 Stuttgart, Telefon und Fax (0711) 854093, Geschäftsstelle: Haus der Heimat, Schloßstraße 92, 70176 Stuttgart, Tel. und Fax (0711) 6336980.

Lahr – Donnerstag, 5. Juni, 18 Uhr, Gasthaus Zum Zarko, Schillerstraße 3: Die Gruppe trifft sich zum Stammtisch.

Stuttgart – Dienstag, 17. Juni, 14.30 Uhr, Haus der Heimat, Kleiner Saal, Schloßstraße 92: Treffen der Frauengruppe. Thema „Reiseberichte“ mit Gesang und Gedichten sowie einem Bericht über das Deutschlandtreffen der Landsmannschaft Ostpreußen in Kassel. Gäste sind herzlich willkommen.

 

BAYERN

Vorsitzender: Friedrich-Wilhelm Böld, Telefon (0821) 517826, Fax (0821) 3451425, Heilig-Grab-Gasse 3, 86150 Augsburg, E-Mail: info@low-bayern.de, Internet: www. low-bayern.de.

Altmühlfranken – Freitag, 13. Juni, 19 Uhr, Gasthof Hotel Krone, Gunzenhausen: Heimatliches Essen „Tilsiter Käse“, anschließend Lesung aus Robert Budzinskis „Entdeckung Ostpreußens“ mit Marie-Luise Rossius.

Ansbach – Sonnabend, 14. Juni, 15 Uhr, Orangerie: Treffen der Gruppe. Geplantes Thema: Hermann Löns – Mümmelmann und andere Tiergeschichten. Plachandern bei Kaffee und Kuchen.

Bamberg – Mittwoch, 18. Juni, 15 Uhr, Hotel Wilde Rose, Keßlerstraße: Monatstreffen. Vortrag „Künstlerkolonie in Nidden“.

Ingolstadt – Sonntag, 15. Juni, 14.30 Uhr, Gasthaus Bonschab, Münchener Straße 8: Monatliches Heimattreffen.

Kitzingen – Freitag, 6. Juni, 15 Uhr, Hotel Würzburger Hof: Bericht über das Deutschlandtreffen in Kassel. – Vom 15. bis 22. Juni findet eine VdK-Fahrt zum „Fritz, dem Wirt“ nach Seeboden/Millstätter See (Kärnten) statt.

Landshut – Dienstag, 17. Juni, 14 Uhr: Treffen im Biergarten der Insel.

München – Jeden Montag, 18 bis 20 Uhr, Haus des Deutschen Ostens: Ostpreußischer Sängerkreis. Kontakt: Dr. Gerhard Gräf, Offenbachstraße 60, 85598 Baldham, Telefon (08106) 4960. – Freitag, 6. Juni, 14 Uhr, Haus des Deutschen Ostens, Am Lilienberg 5, 81669 München: Zusammenkunft der Frauengruppe.

 

BERLIN

Vorsitzender: Rüdiger Jakesch, Geschäftsstelle: Forckenbeck-straße 1, 14199, Berlin, Telefon (030) 2547345, E-Mail: info@bdv-bln.de, Internet: www.ostpreussen-berlin.de. Geschäftszeit: Donnerstag von 14 Uhr bis 16 Uhr Außerhalb der Geschäftszeit: Marianne Becker, Telefon (030) 7712354.

Lyck – Sonnabend, 31. Mai, 15 Uhr, Kleiner Ratskeller, Am Rathaus 9, 10825 Berlin: Treffen der Gruppe. Anfragen bei Peter Dziengel, Telefon (030) 8245479.

Tilsit-Ragnit/Tilsit-Stadt – Sonnabend, 31. Mai, 15 Uhr, Ratskeller Charlottenburg, Otto-Suhr-Allee 102, 10585 Berlin. Anfragen bei Hermann Trilus, Telefon (03303) 403881.

Rastenburg – Sonntag, 1. Juni, 15 Uhr, Restaurant Stammhaus, Rohrdamm 24B, 13629 Berlin: Treffen der Gruppe. Anfragen bei Martina Sontag, Telefon (033232) 188826.

Frauengruppe – Mittwoch, 11. Juni, 13.30 Uhr, Pflegestützpunkt, Wilhelmstraße 116–117, 10963 Berlin: Referate über Ostpreußen und ihre Bewohner, wie es früher war. Anfragen bei Marianne Becker, Telefon (030) 7712354.

Gumbinnen/Johannisburg/Lötzen/Sensburg – Dienstag, 17. Juni, 13 Uhr, Restaurant Dalmata, Albrechtstraße 52, 12167 Berlin: Eröffnung der Zusammenkünfte im Jahr 2014, Sommerfest. Anfragen für Gumbinnen bei Joseph Lirche, Telefon (030) 4032681, für Johannisburg und Sensburg bei Andreas Maziul, Telefon (030) 5429917, für Lötzen bei Gabriele Reiß, Telefon (030) 75635633.

 

HAMBURG

Erster Vorsitzender: Hartmut Klingbeutel, Kippingstr. 13, 20144 Hamburg, Tel.: (040) 444993, Mobiltelefon (0170) 3102815. 2. Vorsitzender: Manfred Samel, Fried-rich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg, Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

KREISGRUPPE

Heiligenbeil – Sonnabend, 21. Juni, 14 Uhr, Seniorentreff der AWO, Bauerbergweg 7 (zu erreichen mit der Buslinie 116 von den U-Bahn-Stationen Hammer Kirche, Billstedt oder Wandsbek-Markt): Sommerfest. Alle Mitglieder und Freunde der Gruppe sind herzlich eingeladen, mit Kaffee, Kuchen und einem Filmvortrag über „Rominten – eine ostpreußische Jagdlegende“ in geselliger Runde einige fröhliche Stunden miteinander zu verbringen. Der Kostenbeitrag für Kaffee, Kuchen und Filmvortrag beträgt 5 Euro. Anmeldung bei Lm. Konrad Wien, Telefon (040) 53254950 bis zum 20. Juni.

Insterburg – Die Gruppe trifft sich jeden 1. Mittwoch im Monat (außer Januar und Juli) mit Liedern und kulturellem Programm um 12 Uhr, Hotel Zum Zeppelin, Frohmestraße 123–125. Kontakt: Manfred Samel, Friedrich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg. Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

Osterode – Sonnabend, 21. Juni, 14 Uhr, Café Prinzess, Alsterdorfer Straße 572, Hamburg-Ohlsdorf: Sommerfest. Einladung zu einem fröhlichen, gemütlichen Nachmittag. Beginn mit einer gemeinsamen Kaffeetafel, danach Singen von Sommerliedern und Plachandern.

BEZIRKSGRUPPE

Hamburg-Bergedorf – Donnerstag, 5. Juni, 15 Uhr, Harderhof, Moorfleeter Deich 395, Moorfleet: Trakehner-Fohlenschau und Erdbeeressen.

Hamburg-Harburg – Sonntag, 15. Juni, 11 Uhr, St. Johannes-Kirche, Bremer Straße 9 (zu erreichen mit der S-Bahn, Linie S3 und S31 bis zur Station Harburg-Rathaus): Ostpreußischer Heimatgottesdienst. Die Predigt halten Pastorin Sabine Kaiser-Reis und Gastpastor Fedinges aus Litauen. Die musikalische Umrahmung übernimmt Johann Gottlieb Janitsch. Im Anschluss lädt die Gemeinde zum Gespräch bei Kaffee, Tee und Gebäck in das Gemeindehaus ein.

 

HESSEN

Vorsitzender: Eberhard Traum, Wächtersbacherstraße 33, 63636 Brachtal, Telefon (06053) 708612.

Darmstadt-Dieburg – Sonnabend, 14. Juni, 15 Uhr, Luise-Büchner-Haus: Treffen vor der Sommerpause. Nach der Kaffeetafel gibt es einen Bericht über das Deutschlandtreffen der Ostpreußen in Kassel.

Kassel – Donnerstag, 5. Juni, 14.30 Uhr: Rückschau auf das Deutschlandtreffen der Ostpreußen – wie war es, was bleibt? Gerhard Landau und Besucher berichten. – Das Maitreffen sprach die erschienenen Landsleute besonders an, denn es stand eine Lesestunde auf dem Programm, die ein Freund der Gruppe, Rektor i.R. Helge Tismer, wohl zu füllen wusste. Der Pädagoge mit Spürsinn brachte mehr als ein halbes Dutzend Fibeln und Schullesebücher aus einer Zeit mit, welche die Anwesenden oder ihre Eltern prägten und bildeten. So manches der trefflich vorgetragenen Gedichte oder Lehrtexte rief Erinnerungen wach an die eigene Schulzeit in der Heimat oder später im Westen. Einige der Quellen und zitierten Titel seien hier genannt: Die Königsberger und die Ostpreußische Heimatfibel, die Masurenfibel, der Erntesegen, um nur diese zu nennen. Zu den vielfach wieder erkannten Texten zählen: „Die Krämerbrücke“, „Der Sprengwagen“, „Ein Sonntag in Rauschen“, „Der Scherenschleifer“, „Der Puppendoktor“ und „Gäste der Buche“. Der Eindruck täuschte nicht: Eine Erinnerungsreise in die eigene Schulzeit kann ebenso interessant sein wie ein gut vermittelter Reisebericht über die Heimat. Ein großes Dankeschön an den Vortragenden. Im Gedanken- und Informationsaustausch spielte natürlich das Deutschlandtreffen der Ostpreußen in Kassel eine große Rolle. Aber darüber soll später berichtet werden.

 

NIEDERSACHSEN

Vorsitzende: Dr. Barbara Loeffke, Alter Hessenweg 13, 21335 Lüneburg, Telefon (04131) 42684. Schriftführer und Schatzmeister: Gerhard Schulz, Bahnhofstraße 30b, 31275 Lehrte, Telefon (05132) 4920. Bezirksgruppe Lüneburg: Manfred Kirrinnis, Wittinger Straße 122, 29223 Celle, Telefon (05141) 931770. Bezirksgruppe Braunschweig: Fritz Folger, Sommerlust 26, 38118 Braunschweig, Telefon (0531) 2 509377. Bezirksgruppe Weser-Ems: Otto v. Below, Neuen Kamp 22, 49584 Fürstenau, Telefon (05901) 2968.

Helmstedt – Donnerstag, 12. Juni, 15 Uhr, Begegnungsstätte, Schützenwall 4: Treffen der Gruppe.

Oldenburg – Mittwoch, 11. Juni, 15 Uhr, Stadthotel Eversten: Nächstes Nachmittagstreffen. Der in Breslau geborene Künstler Joachim Kusber, heute Rastede, wird sein Werk vorstellen. Freunde und Gäste sind herzlich willkommen.

Rinteln – Donnerstag, 12. Juni, 15 Uhr, Hotel Stadt Kassel, Klosterstraße 42, 31737 Rinteln: Monatstreffen. Ekkehard Schlicht, Bad Salzuflen, spricht über „Die großen Plagen in Ost- und Westpreußen“. Der Eintritt ist frei. Neben den Mitgliedern der Gruppe sind auch Freunde und interessierte Gäste aus Nah und Fern herzlich willkommen! Weitere Auskünfte und Informationen zur landsmannschaftlichen Arbeit in Rinteln gibt es beim Vorsitzenden Joachim Rebuschat unter Telefon (05751) 5386 oder über: rebuschat@web.de

 

NORDRHEIN-WESTFALEN

Vorsitzender: Jürgen Zauner, Geschäftsstelle: Buchenring 21, 59929 Brilon, Tel. (02964) 1037, Fax (02964) 945459, E-Mail: Geschaeft@Ostpreussen-NRW.de, Internet: www.Ostpreussen-NRW.de

Düsseldorf – Jeden Mittwoch, 18.30 bis 20 Uhr, GHH/Eichendorff-Saal, 1. Etage: Chorprobe der Düsseldorfer Chorgemeinschaft. – Montag, 19. Mai, 19 Uhr, Jüdische Gemeinde Düsseldorf, Leo-Baeck-Saal, Zietenstraße 50: Vortrag von Carsten Eichenberger: „Alle Welt preist deine Herrlichkeit“. Die religiösen Gesänge des Joseph Schmidt. – Sonnabend, 31. Mai, 12.30 Uhr, Info-Stand Hauptbahnhof: Wandertreff. Ziel: Cromford-Museum, Ratingen. Abfahrt um 13 Uhr, Besichtigung der Spinnerei-Fabrik. – Mittwoch, 4. Juni, 15 Uhr, GHH/Raum 311/Siebenbürger Sachsen: Ostdeutsche Stickerei mit Helga Lehmann und Christel Knackstädt. – Dienstag, 10. Juni, 19 Uhr, GHH/Konferenzraum: „Kaiserdämmerung – Der Schattenwurf des Jahres 1914“. Gespräch mit Dr. Susanne Brandt und Prof. Dr. Holm Sundhaussen. – Mittwoch, 11. Juni, 19 Uhr, GHH/Eichendorff-Saal: Konzert mit dem Malinconia-Ensemble Stuttgart anlässlich des 300. Geburtstages von Christoph Willibald Gluck (1714–1787). – Donnerstag, 12. Juni, 8.45 Uhr: Tagesfahrt nach Kleve, der grünen Insel zwischen Rhein und Maas. – Donnerstag, 12. Juni, 19.30 Uhr, GHH/Raum 412: Offenes Singen mit Barbara Schoch. – Freitag, 13. Juni, 18 Uhr, Restaurant Lauren’s, Bismarckstraße 62: Stammtisch. – Sonnabend, 14. Juni, 10 Uhr, Infostand Hauptbahnhof: Wandertreff. Ziel: Oberschlesisches Landesmuseum, Hösel. „Mobilität in Schlesien“ und „Schönwälder Stickerei“. – Montag, 18. Juni, 19 Uhr, GHH/Eichendorff-Saal: Lesung mit Peter Härtling „Wer erzählt, erinnert sich“.

Gütersloh – Mittwoch, 12. Juni, 15.30 Uhr, Gütersloher Brauhaus, Unter den Ulmen 9: Ostpreußische Frauengruppe.

Hemer – In Zusammenarbeit mit dem Bürger- und Heimatverein Hemer sowie dem Kulturzentrum Ostpreußen, Ellingen wird die Ausstellung „Ostpreußen verzaubert“ in der Zeit vom 4. Juni bis 20. Juli gezeigt. Ausstellungsort: Felsenmeermuseum Hemer, Hönnetalstraße 1, 58675 Hemer. Öffnungszeiten: Montags und Sonnabends geschlossen; Diens-tag und Freitag 11 bis 13 Uhr, und 15 bis 17 Uhr; Mittwoch und Donnerstag 15 bis 17 Uhr; Sonntag 11 bis 13 Uhr. Informationen beim Museum unter Telefon (02372) 16454, bei Klaus-Arno Lemke unter (02372) 12993; E-Mail:

felsenmeer-museum@web.de lemke@ostpreussen-nrw.de. Internet-Präsenz: www.felsenmeer-museum.de.

Witten – Montag, 16. Juni, 15 Uhr, Evangelisch-Lutherische Kreuzgemeinde, Lutherstraße 6–10: Ostpreußische Kaffeetafel mit Gesang und Musik.

 

RHEINLAND-PFALZ

Vors.: Dr. Wolfgang Thüne, Wormser Straße 22, 55276 Oppenheim.

Mainz – Jeden Freitag, 13 Uhr, Café Oase, Schönbornstraße 16, 55116: Die Gruppe trifft sich zum Kartenspielen.

 

SACHSEN-ANHALT

Vors.: Michael Gründling, Große Bauhausstraße 1, 06108 Halle, Telefon privat (0345) 2080680.

Magdeburg – Dienstag, 3. Juni, 13.30 Uhr, Immermannstraße: Treffen der Stickerchen. – Freitag, 13. Juni, 16 Uhr, TuS, Zielitzer Straße: Treffen des Singekreises. – Sonnabend, 15. Juni, 14 Uhr, Sportgaststätte Spielhagenstraße: Treffen der Gruppe. Thema: „Bekanntes und Unbekanntes“.

 

SCHLESWIG-HOLSTEIN

Vors.: Edmund Ferner. Geschäftsstelle: Telefon (0431) 554758, Wilhelminenstr. 47/49, 24103 Kiel.

Bad Oldesloe – „Der Mai ist gekommen…“, Nach dem Lied wies Gisela Brauer darauf hin, dass von dem Text-Dichter Emanuel Geibel eine verwandtschaftliche Verbindung zur Familie von Mathias Claudius besteht, wie die Mathias-Claudius-Gesellschaft in Reinfeld berichtete. Katharina Makarowski las aus dem „Hausbuch des ostpreußischen Humors“ das Kapitel „Die wichtigsten Orte des Landes.“ In Königsberg waren die Fischweiber am Pregel und das „Blutgericht“, das als Weinlokal bekannt geblieben ist, eine Besonderheit. Weiter ging es mit Allenstein, Elbing, Angerburg, Mohrungen, Frauenburg mit Copernicus, Gerdauen, Passenheim, dem Pferdemarkt in Wehlau, Tapiau und Insterburg. Es ging auch um die Orte, deren Ortsnamen 1938 geändert wurden. Sie erhielten deutsch-klingende Namen, zum Beispiel , Seebrücken, bisher Lipinsken, Gut Riemken, bisher Rymken. Nach 1945 wurden die polnischen Ortsbezeichnungen zum Teil wieder an die ursprünglichen angelehnt. Zur Änderung der Ortsnamen 1938 erzählte Frau Makarowski folgende Geschichte: Ein Dorfbewohner war nach einem Krankenhausaufenthalt auf dem Weg nach Haus völlig verwirrt, als er durch die bekannten Orte mit ganz anderen Ortsschildern kam. Er dachte, er hätte sich verirrt, oder er glaubte, er müsse an seinem Verstand zweifeln. Geburtstagskinder des Monats waren Georg Baltrusch und Boris Makarowski.

Bad Schwartau – Donnerstag, 12. Juni: Ein erlebnisreicher Tag mit den Ostpreußen. Es startet der Tagesausflug der Landsmannschaft Ostpreußen nach Hamburg zum Polizeimuseum, das erst im März d. J. eröffnet wurde, aber bereits bis Ende 2014 bei den Führungen ausgebucht ist. Abfahrt ZOB Bad Schwartau um 8 Uhr. Beginn der Führung um 11 Uhr. Das Polizeimuseum ist barrierefrei. Alle Etagen sind über einen Fahrstuhl zu erreichen. Da das Museum sich auf dem sicherheitsüberwachten Gelände der Akademie der Polizei Hamburg befindet, müssen sich Besucher ausweisen können – also Personalausweis oder Pass mitbringen. – Mittagessen gibt es in der Polizeikantine, und am Nachmittag werden die Teilnehmer von Frau von Witzendorff auf ihrem Gutshof Groß Zecher am Schaalsee erwartet. Bei Kutschertorte und Kaffee oder Tee in der „Kutscherscheune“ können sich dann alle von den Erlebnissen im Polizeimuseum erholen. Preis inklusive 45 Euro. Um baldige Anmeldungen bei Gisela Rowedder, Telefon (04504) 3435 oder Regina Gronau, Telefon (0451) 26706 wird gebeten.

Pinneberg – Sonntag, 15. Juni, 15 Uhr: Treffen der Gruppe. Sommer, Sonne, Urlaubspläne. „Zogen einst fünf wilde Schwäne“. Informationen unter Telefon (04101) 62667, oder (04101) 73473.


S. 17 Heimatarbeit

Aus den Heimatkreisen

HEILIGENBEIL

Kreisvertreterin: Elke Ruhnke, Im Bökel 76, 42369 Wuppertal, Tel.: (0202) 46 16 13. E-Mail: ruhnke@kreis-gemeinschaft-heiligenbeil.de. Stellvertreter: Christian Perbandt, Im Stegfeld 1, 31275 Lehrte, Tel.: (05132) 57052. E-Mail: perbandt-@kreisge­meinschaft-heiligenbeil.de. 2. stellvertretender Kreisvertreter: Bernd Schmidt, Heideweg 24, 25578 Dägeling, Telefon (04821) 8 42 24. E-Mail: Schmidt.ploessen@gmx.de. 2. Schriftleiterin: Brunhilde Schulz, Zum Rothenstein 22, 58540 Meinerzhagen, Tel.: (02354) 4408, E-Mail: brschulz@dokom.net. Internet: www. kreisgemeinschaft-heiligenbeil.de

Ein fröhliches Fest für die Heimat Ostpreußen. Es war spannend! Wie viele Besucher würden fast 70 Jahre nach Flucht und Vertreibung noch zum Deutschlandtreffen der Ostpreußen kommen? Die Landsmannschaft Ostpreußen hatte gerufen und die Erwartungen wurden weit übertroffen. Nach offiziellen Angaben haben wieder mehr als 10000 Freunde unserer ostpreußischen Heimat das Treffen in Kassel besucht.

Auch unsere Kreisgemeinschaft war mit einem Stand und Teilen des Vorstandes vertreten. Da Kreisvertreterin Elke Ruhnke leider aus gesundheitlichen Gründen absagen musste, wurde unsere Delegation angeführt vom 1. Stellvertreter Christian Perbandt. Weiter waren Bernd Schmidt (2. Stellvertreter) sowie Ilse Thomann und Brunhilde Schulz vom Vorstand am Stand der Kreisgemeinschaft. Tatkräftig unterstützt wurden sie von Gudrun Schmidt und Siegfried Schulz. Insgesamt haben sich mehr als 70 Heiligenbeiler in unsere Anwesenheitslisten eingetragen. Wir danken allen, die gekommen sind!

Gemeinsam haben wir ein fröhliches Ostpreußen-Fest gefeiert und am Stand hat Vieles einen dankbaren Abnehmer gefunden.

Gestört wurde das Treffen nur von einem armen Häuflein jugendlicher Linksextremisten vor den Toren. Aber davon ließen sich die Ostpreußen nicht aus der Ruhe bringen. Mehr als 10000 Ostpreußen – das ist ein voller Erfolg, das fordert förmlich nach einem weiteren Treffen im Jahr 2017!

 

LÖTZEN

Kreisvertreter: Dieter Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg. Geschäftsstelle: Ute Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg, Telefon (040) 6083003, Fax: (040) 60890478, E-Mail: KGL.Archiv@gmx.de

Das Deutschlandtreffen der Ostpreußen in Kassel am 17. und 18. Mai wurde auch von vielen der Stadt oder dem Landkreis Lötzen verbundenen Menschen besucht. Fristgemäß hatte der Kreisvertreter Dieter Eichler zur Mitgliederversammlung eingeladen. Sie fand am Abend des 17. Mai im Restaurant „Bootshaus“ am Auedamm statt – ein unübersehbarer Bezug zur Wassersportgeschichte Lötzens. Auf der Mitgliederversammlung fand zum ersten Mal die neue Wahlordnung Anwendung. Der Erweiterte Vorstand der Kreisgemeinschaft Lötzen musste nach vier Jahren neu gewählt werden. Er setzt sich wie folgt zusammen: 1. Vorsitzender (Kreisvertreter): Dieter Eichler (geb. 1934 in Insterburg), 2. Vorsitzender: Dieter A. Milewski (geb. 1943 in Gr. Retzken, Kreis Treuburg), Schatzmeister: Bernd Sawatzki (geb. 1963 in Altlandsberg/Brandenburg). Die vier Beisitzer sind: Ute Eichler (geb. 1955 in Wiek auf Rügen), Hans-Werner Erdt (geb. 1933 in Martinshagen/Kreis Lötzen), Peter Peldszus (geb. 1935 in Berlin), Klaus Richter (geb. 1948 in Kisdorferwohld/Kreis Segeberg). Als Kassenprüfer wurden gewählt Heiko Heller und Heiner Simonsen. Beide wohnen in der Patenstadt Neumünster. Für den 1. Vorsitzenden (Kreisvertreter) Dieter Eichler ist es die zweite Wahlperiode – mit einem großen Unterschied: Er hat endlich einen Stellvertreter. Auch ist eine (leichte) Senkung des Durchschnittsalters dieses Vorstandes gegenüber dem vorangegangenen zu verzeichnen.

 

NEIDENBURG

Kreisvertreter: Jürgen Szepanek, Nachtigallenweg 43, 46459 Rees-Haldern, Tel. / Fax (02850) 1017.

„Der Pfingstheimatbrief Nr. 142 ist inzwischen fertiggestellt und in Druck gegeben worden. Diese Ausgabe enthält neben vielen interessanten Themen auch eine Beschreibung zu unserem diesjährigen Heimattreffen, dass am Sonntag dem 14. September im Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg stattfindet. Alle Landsleute und Freunde der Kreisgemeinschaft, die in der Versandliste erfasst sind, erhalten den Heimatbrief noch vor Pfingsten. Wer den Heimatbrief noch nicht erhält, ihn aber haben möchte, teile bitte seine Anschrift dem Schriftleiter Jürgen Kowalek, Bromberger Str. 26, 28816 Stuhr, mit. Umgehend wird dann ein Exemplar zugesandt. Eine große Anzahl der Weihnachtsausgabe konnte leider auch diesmal nicht zugestellt werden, da sich die Anschriften der Landsleute geändert hatten. Alle Bezieher werden deshalb erneut dringend gebeten, Adressen- und sonstige Personenstandsänderungen sofort dem Mitgliederdatenverwalter Hans-Ulrich Pokraka, An der Friedenseiche 44, 59597 Erwitte, mitzuteilen. Sie vermeiden dadurch Zustellungsverzögerungen und kostenaufwendige Nachforschungen und Nachsendungen. Auch weisen wir daraufhin, dass wir Geburtstagsdaten nur veröffentlichen können, wenn sie vorhanden sind beziehungsweise uns bei Fehlen mitgeteilt werden

 

TILSIT-RAGNIT

Kreisvertreter: Dieter Neukamm, Am Rosenbaum 48, 51570 Windeck, Telefon (02243) 2999, Fax (02243) 844199. Geschäftsstelle: Eva Lüders, Telefon/Fax (04342) 5335, Kührenerstraße 1 b, 24211 Preetz, E-Mail: Eva.lueders@arcor.de.

Während der Kreistagssitzung der Kreisgemeinschaft Tilsit-Ragnit am 16. Mai in Kassel wurden fünf Kreistagsmitglieder geehrt. Das Ehrenabzeichen der Landsmannschaft Ostpreußen erhielten die Kirchspielvertreterin von Groß Lenkenau, Gerda Friz, und der Kirchspielvertreter von Ragnit Stadt und Neuhof Ragnit, Manfred Okunek. Mit dem Verdienstabzeichen der Landsmannschaft Ostpreußen wurden der Redakteur des gemeinsamen Heimatbriefes „Land an der Memel“ und „Tilsiter Rundbrief“, Heinz Powils, der Schatzmeister Helmut Subroweit und Winfried Knocks ausgezeichnet, der für die Öffentlichkeitsarbeit und die Datenverwaltung zuständig ist, ausgezeichnet. Kreisvorsitzender Dieter Neukamm hob die verdienstvolle Arbeit der Geehrten hervor.

Erfreulicherweise konnten zwei neue kommissarische Kreistagsmitglieder eingeführt werden. Renate Kunze aus Bergisch Gladbach übernimmt die Vertretung des seit langem verwaisten Kirchspiels Königskirch, und Heiner Coenen aus Geilenkirchen wird als Stellvertretender Revisor und als Organisator einer der von der Kreisgemeinschaft durchgeführten Heimatreisen tätig sein.

Schwierige Finanzlage: Ein Schwerpunkt in der Diskussion im Kreistag bildete die finanzielle Lage der Kreisgemeinschaft. Da keine Mitgliedsbeiträge erhoben werden, ist die Kreisgemeinschaft auf Spenden seiner Mitglieder angewiesen. Hier ist es aber leider so, dass das Spendenaufkommen seit einigen Jahren deutlich zurückgeht. Obwohl in den letzten Jahren große Einsparungserfolge erzielt wurden, musste zur Deckung der laufenden Kosten bereits mehrfach ein hoher Betrag der Rücklage entnommen werden. Dieses ist aber nicht auf Dauer möglich. Der größte Ausgabeposten wird durch den Druck und den Versand des Heimatbriefes „Land an der Memel“ verursacht. Dieser wird nicht verkauft, sondern auf der Basis freiwilliger Spenden abgegeben. Leider überweist aber offenbar nur ein Teil der Heimatbriefbezieher eine Spende an die Kreisgemeinschaft. Hier gibt es die Überlegung, den Heimatbrief künftig nur noch an diejenigen zu verschicken, die auch tatsächlich gespendet haben.

In den Berichten der Kirchspielvertreterinnen und -vertreter wurde deutlich, dass Kirchspieltreffen aufgrund der Altersstruktur der Mitglieder kaum noch möglich sind. Die Betreuung der Kirchspielmitglieder erfolgt immer mehr durch Brief- und Telefonkontakte. – Das nächste Regionaltreffen der Kreisgemeinschaften Elchniederung und Tilsit-Ragnit sowie der Stadtgemeinschaft Tilsit findet am 12. September 2015 in Bad Nenndorf statt. Im Vorfeld dieser Veranstaltung ist die Mitgliederversammlung der Kreisgemeinschaft Tilsit-Ragnit geplant.

 

TILSIT–STADT

Stadtvertreter: Hans Dzieran, Stadtgemeinschaft Tilsit, Postfach 241, 09002 Chemnitz. Geschäftsführer: Manfred Urbschat, E-Mail: info@tilsit-stadt.de.

Am Sonntag, 6. Juli, findet im Tilsiter Park Jakobsruh anlässlich der 207. Wiederkehr des Tilsiter Friedensschlusses die Einweihung des wiedererrichteten Königin-Luisen-Denkmals statt. Sie wird umrahmt von einem festlichen Zeremoniell. Die Stadtgemeinschaft Tilsit hat eine Busreise organisiert, mit der Tilsiter Gelegenheit haben, an diesem historischen Ereignis teilzunehmen. Am 7. Juli werden die Feierlichkeiten mit einer internationalen Tagung im Tilsiter Stadttheater fortgesetzt zum Thema „Vom Tilsiter Frieden zur Konvention zu Tauroggen“ und mit der Vernissage anlässlich einer Ausstellung im Stadtgeschichtlichen Museum. Die Bus-Sonderreise der Stadtgemeinschaft Tilsit findet von Sonnabend, 28. Juni, bis Mittwoch, 9. Juli, statt. Übernachtungen in Posen 1x , Königsberg 3x , Tilsit 6x, Posen 1x. Abfahrt Sonnabend, 28. Juni, 6 Uhr, Darmstadt Hbf/Omnibusbahnhof, Weiterfahrt über Berlin zum deutsch-polnischen Grenzübergang Küstrin nach Posen. Sonntag, 29. Juni Weiterreise über Thorn, Marienburg, Elbing zum polnisch-russischen Grenzübergang Braunsberg-Heiligenbeil nach Königsberg. Montag, 30. Juni Stadtrundfahrt mit Besichtigungen, unter anderem Dom, Kantgrab, Kantmuseum, Rupp-Denkmal. Eventuell Spaziergang „Rund um den Schlossteich“, unter anderem Kantdenkmal, Krankenhaus der Barmherzigkeit, Gedenkstein für E.T.A. Hoffmann. Dienstag, 1. Juli Tagesausflug mit Besichtigungen in Pillau – Hafen/Leuchtturm, Reformierte Kirche, Festungstor, Germau – Kriegsgräberfriedhof, Palmnicken – Bernsteinkombinat, Feldsteinkirche, Küste, Rauschen-Kurpark, Promenade, Küste (Bademöglichkeit). Neukuhren – Promenadenspaziergang. Mttwoch, 2. Juli Tagesausflug auf die Kurische Nehrung mit Besichtigungen in Sarkau mit Nehrungsmuseum – Rossitten – Vogelwarte, Kirche. Fakultativ: Großes ostpreußisch-russisches Picknick am Haff. Pillkoppen, Altdorfer Berg (Epha-Düne), Baden in der Ostsee. Die Gruppe der Stadtgemeinschaft Tilsit fährt weiter nach Tilsit. Abendessen und Übernachtung im Hotel Kronus in Tilsit. Donnerstag, 3. Juli Tag zur freien Verfügung, Möglichkeit zu Taxifahrten. Freitag, 4. Juli Tagesausflug nach Ragnit mit Stadtführung, Ostpreußen-Museum Breitenstein, Memelufer, Untereißeln. Sonnabend, 5. Juli Rundfahrt Elchniederung, Heinrichswalde, Kreuzingen. Sonntag, 6. Juli: An diesem Tag findet im Park Jakobsruh anlässlich der 207. Wiederkehr des Tilsiter Friedensschlusses die Einweihung des Königin-Luisen-Denkmals statt. Die Einweihung wird umrahmt von einem festlichen Zeremoniell, an dem Sie teilnehmen können. Montag, 7. Juli: Internationale Tagung im Tilsiter Stadttheater zum Thema „Vom Tilsiter Frieden zur Konvention zu Tauroggen“ und Vernissage anlässlich einer Ausstellung im Stadtgeschichtlichen Museum. Dienstag, 8. Juli: Nach dem Frühstück Abreise nach Insterburg. Weiter zum Grenzübergang Braunsberg/Heiligenbeil und zur Zwischenübernachtung in Posen. Mittwoch, 9. Juli: Von Posen über Frankfurt/Oder Heimreise. Der Reisepreis beträgt mit Übernachtung/Halbpension pro Person ab mindestens 30 Reiseteilnehmer inklusive vorgenannter Ausflüge 1067 Euro, Visum Russland (einfach) 90 Euro pro Person. Einzelzimmer-Zuschlag 220 Euro. Im Reisepreis enthalten sind vorgenannte Ausflüge laut Programm, Genehmigung Grenzgebiete, Stadtbesichtigung Königsberg mit Dom, Besichtigung Vogelwarte, Gebühr Kurische Nehrung. Anmeldung bitte direkt an: Greif-Reisen A. Manthey GmbH, Rübezahlstraße 7, 58455 Witten, Telefon (02302) 24044, Fax (02302) 25050 E-Mail: manthey@greifreisen.de Internet: www.greifreisen.de. Die Sitzplätze im Bus werden nach Eingang der Anmeldungen vergeben!


S. 18 Deutschlandtreffen 2014

»Hier bin ich zuhaus«
Ökumenischer Gottesdienst: Prinz von Preußen lobte Zentrum gegen Vertreibungen

Mit einem Ökumenischen Gottesdienst begann das Deutschlandtreffen der Ostpreußen in Kassel. Obwohl dieser in einer Messehalle statt in einer Kirche stattfand, verbreitete sich schnell eine festlich-besinnliche Stimmung unter den rund 2000 Gottesdienstbesuchern. Dies war auch den beiden Geistlichen zu verdanken.

Domherr André Schmeier richtete als erster die Worte an die Gemeinde. Der Katholik war bereits auf vielen Deutschlandtreffen und ist den heimatvertriebenen Ostpreußen seit Jahren bekannt. Tief in der Materie der Vertreibung fand Schmeier sofort den richtigen Ton und den Draht zu den Zuhörern.

Nach den Liedern „Die güldne Sonne voll Freud und Wonne“ und „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“, Psalm, Gebet und Schriftlesung ging es zur Predigt über, die von Philip Kiril Prinz von Preußen gehalten wurde. Während Schmeiers Auftritt einem Heimspiel gleichkam, hatte es der Pfarrer ungleich schwerer. Weder die Heimatvertriebenen noch deren Heimat Ostpreußen ist dem Ururenkel von Kaiser Wilhelm II. vertraut. Mit einem Psalm aus dem Hebräerbrief begann er: „Ihr habt mit den Gefangenen gelitten, und ihr habt es sogar mit Freuden ertragen, wenn man euch euer Hab und Gut wegnahm. Denn ihr wisst, dass ihr durch Christus etwas viel Besseres besitzt, einen bleibenden Wert.“ Ein Satz aus dem Petrusbrief folgte: „Wir aber warten eines neuen Himmels und einer neuen Erde nach seiner Verheißung, in welchen Gerechtigkeit wohnt.“

Danach versuchte der Pfarrer, mit einer persönlichen Anekdote das Eis zu brechen. Seine Heimat, die Holsteinische Schweiz, sei von der Landschaft her Ostpreußen nicht unähnlich, wenn auch nur fast so schön wie Ostpreußen, fügte er augenzwinkernd hinzu. Dort, im Hause seiner Schwiegereltern, habe er erstmals ein Gedicht gelesen, das ihm sofort eingefallen sei, als er die Predigt für das Deutschlandtreffen ausgearbeitet habe. „Der Mensch braucht ein Plätzchen / Und wär’s noch so klein / Von dem er kann sagen / Sieh! Dieses ist mein / Hier leb’ ich, hier lieb’ ich, / hier ruh’ ich mich aus / Hier ist meine Heimat / Hier bin ich zuhaus.“ Jeder Mensch brauche Heimat, so Philip Kiril Prinz von Preußen und er wusste in dem Moment alle im Publikum voll bei sich. Er lobte, dass nun ihn Berlin endlich ein Dokumentationszentrum über Flucht und Vertreibung entstehe und hob hervor, dass die Trauer um die verlorene Heimat nicht nur berechtigt sei, sondern auch feste Orte haben müsse.

Dann kam er darauf zu sprechen, dass Gläubige Gottes Willen akzeptieren müssten, denn nur so könnten Wunden heilen. Auch sprach er davon, dass die Vertreibung ein Teil von Gottes Gericht gewesen sei. Hierbei konnte ihm jedoch ein Teil der Gemeinde nicht folgen. Auch seiner Argumentation, die Vertriebenen sollten einerseits ihren Frieden mit dem Verlust der Heimat machen, andererseits sei er selbst noch nie in Ostpreußen gewesen, weil er es nicht ertragen könne, was seine Vorfahren mit dem Verlust Ostpreußens verloren hätten – hier nannte er das kaiserliche Privatgut Cadinen als Beispiel – erschien nicht jedem schlüssig. Als er dann auch noch betonte, dass er es bedaure, dass sein Ururgroßvater vor 100 Jahren kein Machtwort gesprochen habe, damit der Erste Weltkrieg nicht eskaliere, sah man auf vielen Gesichtern Missbilligung. Nach der Predigt merkten gleich mehrere an, es widerspräche den historischen Gegebenheiten, dem deutschen Kaiser auch nur annähernd so viel Einfluss zuzusprechen, als dass er etwas hätte aufhalten können, was überwiegend andere ins Rollen gebracht hätten.

Doch gleich danach fing der Prinz von Preußen seine Zuhörer mit einem Lob wieder ein, indem er die Ostpreußen als Avantgarde bezeichnete, da sie gelernt hätten, damit zu leben, dass alles endlich sei. Mit dem Hinweis auf die „ewige himmlische Heimat“ schloss er seine Predigt.

Der Bariton Christoph von Weitzel sorgte mit seiner Interpretation von „Gott des Himmels und der Erden“, bei dem er von der Organistin Angela Richter begleitet wurde, für bewegende Augenblicke, während die Kollekte gesammelt wurde. Das Apostolische Glaubensbekenntnis von Schmeier und von Preußen bildete zusammen mit dem Lied „Nun danket alle Gott mit Herzen“, Fürbitten und dem Vaterunser das Ende des Gottesdienstes, dem von Weitzel mit „Die Lust hat mich gezwungen“ einen krönenden Abschluss bot. Rebecca Bellano


Lieder und Bilder
Sänger BernStein sang Heimatliches

Beim kulturellen Programm des Deutschlandtreffens durfte Bernd Krutzinna nicht fehlen. Der als BernStein bekannte Heimatsänger versteht es, die Herzen seiner Landsleute mit Liedern aus Ostpreußen oder über Ostpreußen zu erobern. Einsam auf der großen Bühne der Rothenbach-Halle in Kassel stehend, erinnerte er, wenn er das Mikrofon in der einen Hand hält und den vor sich stehenden Laptop mit der anderen Hand bedient, manchmal an einen Profiverkäufer auf einer Kaffeefahrt, der Töpfe und Bettdecken verhökern will. Nein, er ist „nur“ ein geschickter Lied-Verkäufer. Dafür lieben ihn alle. Mit seinem Computer zauberte er stimmungsvolle Bilder an die Großleinwand. Die Fotos und oft selbstgetexteten Lieder über Masuren, Königsberg oder die Krutinna trieben so machem Landsmann Tränen der Wehmut und des heimatlichen Glücksgefühls in die Augen. Da tat es keinen Abbruch, dass die von BernStein elektronisch erzeugte Musik vom Band kam und er ein wenig Karaoke sang. Das Live-Erlebnis überwältigte alle, vor allem dann, wenn alle bei Heimathits wie „Ännchen von Tharau“ leise, zart und mitfühlend mitsingen konnten. tws


Auf Ostpreußisch!
Tennigkeit unternahm eine literarische Reise

Das heimatliche Idiom darf nicht vergessen werden.“ Mit diesem Bekenntnis zu seiner Muttersprache eröffnete der bekannte Schauspieler Herbert Tennigkeit, der in diesem Jahr sein 50-jähriges Bühnenjubiläum feiert, seine „literarische Reise nach Ostpreußen“.

„Ostpreußen – das ist das Land der Anekdoten, der weiten, ausgedehnten Felder, großer Namen, Landschaften, das Land von ,Muttchen‘ und ,Vatchen‘. Die Literatur hat ihren Anteil daran, dass Ostpreußen weiterleben wird. Die Technik wird dafür sorgen, dass man auch eines Tages, wenn längst niemand mehr den ostpreußischen Dialekt beherrscht, seinen weichen Klang hören wird, der jedem gefällt und vielen ,Tränen in die Augen‘ treibt. Besonders in heiteren Beiträgen kommt der Dialekt zum Ausdruck.

Tennigkeit hatte seine Lesung in einen Teil mit ernsten und einen mit heiteren Beiträgen unterteilt. Zu den ernsten zählten solche von Agnes Miegel, deren Erzählungen und Gedichte in der Schwermütigkeit der ostpreußischen Landschaft wurzeln. Tennigkeit erinnerte an große Namen der bildenden Kunst, der Philosophie und Naturwissenschaft, die Ostpreußen hervorgebracht hat.

Im heiteren Teil durfte natürlich die weltweit älteste aktive Journalistin, Ruth Geede, nicht fehlen, deren Erzählung „Der arme Sauerampfer“ Tennigkeit mit in ostpreußischem Platt gelesener wörtlicher Rede vortrug. Der Schauspieler trug auch Witze und Gedichte vor, zu denen er jeweils deren Entstehungsgeschichte erläuterte.

Umrahmt wurde die Lesung von ostpreußischen Volksliedern, vorgetragen vom Bariton Christoph von Weitzel, der vor allem mit seiner Interpretation des Liedes „Ännchen von Tharau“ überzeugte.

Zum Schluss wünschte sich das Publikum von Tennigkeit das heitere Gedicht vom „Flohche“, das er frei vortrug, wofür die Zuhörer sich mit lautem Applaus bedankten. MRK


Wohltuend
Staatssekretär lobte Vertriebene

Dass es nicht unbedingt einer programmatischen Rede oder einer Festansprache bedarf, um die Ostpreußen zu begeistern, bewies der hessische Staatssekretär für Europaangelegenheiten auf der Großkundgebung in der bis auf den letzten Platz gefüllten Rothenbach-Halle. In seinem Grußwort dankte Mark Weinmeister (CDU) der Landsmannschaft Ostpreußen zunächst dafür, dass sie die hessische Großstadt Kassel zum Austragungsort des 22. Deutschlandtreffens ausgewählt hatte. Denn das Bundesland sei den Vertriebenen sehr verbunden, hätten doch 30 Prozent seiner Bewohner einen familiären Hintergrund, der mit Flucht und Vertreibung zu tun habe. Deshalb habe Hessen mit der ehemaligen Landtagsabgeordneten Margarethe Ziegler-Raschdorf auch eine eigene Landesbeauftragte für Heimatvertriebene und Spätaussiedler. Der Heimat zu gedenken, so Weinmeister im Hinblick auf die Proteste gegen das Deutschlandtreffen, sei in einer demokratischen Gesellschaft ein Grundrecht. Unter großem Applaus bedankte sich Weinmeister bei den Ostpreußen, die ihre wunderschöne Heimat hätten verlassen müssen, für ihren großen Beitrag beim Wiederaufbau Deutschlands nach 1945. Die Vertreibung sei ein Unrecht, so der ehemalige Lehrer für Geschichte und Politik weiter, das sich nicht wiederholen dürfe. Kenntnisse darüber und über die Integration der Ostdeutschen seien für das Verständnis der Nachkriegsentwicklung Deutschlands notwendig, weshalb Flucht und Vertreibung in Hessen schon seit Jahren Thema im Schulunterricht seien.

Die Vertriebenen sind an oberflächliche Phrasen und seit Jahren auch an Distanzierungsversuche seitens der Politik gewöhnt. Umso wohltuender war es für sie, von einem Staatssekretär Worte der Sympathie und der ehrlichen Anteilnahme an ihrem Schicksal zu hören. J.H.


»Lauter!«
Rotkäppchen modernisiert

Für den Sonnabendabend hatten Jugendliche der deutschen Volksgruppe in Ostpreußen zum Theater in die Rothenbach-Halle gebeten. Das dargebotene Lustspiel war der Versuch, auf vergnügliche Weise das Grimmsche Märchen von Rotkäppchen zu aktualisieren. So war beispielsweise Rotkäppchen eine Tussie auf Männerjagd mit kurzem Rock und der böse Wolf ein Prolet, der sich mit den Fingern im Gebiss herumfuhr und sich ordinär am Bauch kratzte. Abgesehen von den immer wieder unerwarteten Wendungen, die das Theaterstück nahm, entstand der Humor vor allem aus dem Gegesatz zwischen den Schauspielern, die gerne aus der Reihe tanzten, sowie dem Erzähler, der sich verzweifelt, aber vergebens um Pathos und Werktreue bemühte.

Das Verständnis war nicht immer optimal. Das lag weniger an der Aussprache der Nichtmuttersprachler als daran, dass statt tragbarer stationäre Mikrofone genutzt wurden, von denen sich die Schauspieler manchmal gefährlich weit entfernten. „Lauter“-Rufe aus dem Publikum waren die Konsequenz. Aber auch das Publikum bewies Hunor. Als zwei Akteur sich auf der Bühne ein Geheimnis zuflüsterten, kam aus der Menge der Ruf: „Lauter!“ M.R.


S. 19 Heimatarbeit

Ewiges Heimweh
Sanden-Guja-Lesung in Goldenstedt

In den Ostdeutschen Heimatstuben in Goldenstedt/Ambergen stellte Frau Hollberg interessierten Zuhörern in einem Vortrag Leben und Wirken des ostpreußischen Künstlerpaares Edith und Walter von Sanden-Guja vor.

Hollberg, jahrelange Begleiterin und Vertraute des Ehepaares, berichtete nicht nur über Privates, sie brachte auch Exponate der begnadeten Tierbildhauerin Edith von Sanden-Guja mit sowie einige ihrer Bilder.

Aus dem literarischen Schaffen Walter von Sanden-Gujas stellte sie unter anderem sein Dümmerbuch „Der große Binsensee“ vor. Walter von Sanden erhielt für sein Engagement um Ökologie und Naturschutz am Dümmer das Verdienstkreuz des Landes Niedersachsen.

Beide waren in ihrer Heimat Ostpreußen verwachsen, beide haben ihr Heimweh in ihren Arbeiten zum Ausdruck gebracht, wovon nachfolgend Edith von Sanden-Gujas Gedicht Zeugnis gibt:

Ich möchte heim, wenn leis die Blätter fallen / Und wenn es Herbst wird über dem Land; / Wenn von dem See die Kranichrufe hallen, / die Ufer leuchten wie ein goldenes Band, / im Waldesschatten Glockenblumen blüh’n / am Wegesrande steht das Heidekraut, / die weißen Fäden leis vorüberziehen ... / hoch übern Eichenwald der Himmel blaut! / Dann zieh ich heim auf meiner Sehnsucht Flügel/ Und grüße unsichtbar mein Heimatland, / in tiefem Schmerze ziehend auf des Waldes Hügel, / wo einst so froh im Sonnenlicht ich stand.


Ostpreußens heimliche Hymne
Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen lud zur Ännchen-von-Tharau-Soiree

Es kann vielleicht als das beliebteste deutsche Volkslied gelten und ist gewiss Ostpreußens heimliche Hymne: Das Hochzeitslied auf das „Ännchen von Tharau“, die schöne junge Pfarrerstochter Anna Neander aus Tharau/Ostpreußen, im Jahre 1637 in samländischem Niederdeutsch verfasst von dem Barock-dichter Simon Dach, später ins Hochdeutsche übertragen von Johann Gottfried Herder und vertont von Friedrich Silcher. Das Ännchen, dessen Bronzefigur heute wieder einen Brunnen in Memel [Klaipeda] ziert – es wurde im Laufe der Jahrhunderte geradezu zum Mythos, einem Mythos, der indes kaum weniger gefährdet zu sein scheint als die Kirche des südlich von Königsberg gelegenen Ortes Tharau, bei der das Ännchen seine Kindheit verbrachte.

Zu der Soiree „Ännchen von Tharau – ihr Leben, ihr Lied, ihre Kirche – gestern und heute“ hatten die Bonner Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen und der Akademische Freundeskreis Ostpreußen die Teilnehmer des diesjährigen Kasseler Deutschlandtreffens der Ostpreußen eingeladen. Hans-Günther Parplies, Vorsitzender der Kulturstiftung und gleichzeitig Mitglied des Freundeskreises, zeigte sich erfreut über den Zustrom der Besucher, die der Saal kaum zu fassen vermochte, unter ihnen auch Angehörige der deutschen Minderheit aus Memel.

In einem ersten Teil des Abends brachten Betty Römer-Götzelmann (Rezitation) und Annette Subroweit (Gesang), einfühlsam begleitet von Nikolaj Abramschuk (Akkordeon), die Verse des Ännchen-Liedes gekonnt zu Gehör, auch auszugsweise in der niederdeutschen Urfassung und in der ersten zeitgenössischen Vertonung des Königsberger Domorganisten Heinrich Albert. Beeindruckend vermittelten sie die kraftvollen sprachlichen Bilder des Liedes, eigentlich eines Gelegenheitsgedichtes, dessen zeitlose Wirkung, über Jahrhunderte hinweg, von Simon Dach gewiss nicht vorausgesehen werden konnte. Die vortragenden Damen stellten das Lied dem von harten Schicksalsschlägen ebenso wie von glücklichen Phasen geprägten Leben des „Ännchen“ gegenüber und ermöglichten auf diese Weise spannende Einblicke die bewegte Geschichte und die reiche Kultur Ostpreußens im 17. Jahrhundert.

Hatte die mittelalterliche „Ännchen-Kirche“ von Tharau, herausragendes Zeugnis der landschaftsprägenden Backsteinbaukunst des Ordenslandes, samt ihrer wertvollen Barockausstattung den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden, so teilte sie doch rasch das Schicksal eines Großteils der Kirchen des Königsberger Gebietes, fiel sie der Plünderung und dem Verfall anheim. Vom Glanz, Untergang und Wiederauferstehen der Tharauer Kirche berichtete in einem zweiten Teil des Abends Dr. Dr. Ehrenfried Mathiak, Mitglied des „Förderkreises Kirche von Tharau“. Vor etwa 15 Jahren hatte sich diese Initiative unter dem Eindruck der erschütternden Dokumentation des Russen Anatolij Bachtin über den Untergang der ostpreußischen Landkirchen gegründet. Dank der Unterstützung aus Politik und Wirtschaft ist es dem rührigen Förderkreis inzwischen gelungen, die Kirche mit neuen Dächern zu versehen, das Mauerwerk zu stabilisieren und weiterem Verfall Einhalt zu gebieten. Gleichwohl sind noch erhebliche Anstrengungen erforderlich, um die Kirche einer die Zukunft sichernden Nutzung zuzuführen. Erfreulich ist allerdings nicht zuletzt die wachsende Identifizierung der russischen Bevölkerung mit der „Ännchen-Kirche“, wie sie etwa kurioserweise darin zum Ausdruck kam, dass jemand mit kyrillischen Buchstaben in einen Balken des Dachstuhls „Anke for ever“ ritzte.

Überhaupt kann man, so Hans-Günther Parplies, den Eindruck gewinnen, das Bewusstsein für den Wert der preußisch-deutschen Kultur Ostpreußens sei im heutigen russischen Umfeld lebendiger als im westlichen Deutschland. Dies gilt nicht nur für die Baudenkmäler, sondern auch für das literarische Erbe, konkret eben auch für das Ännchen-Lied und die weitere Dichtung Simon Dachs, dessen Choräle aus den evangelischen Gesangbüchern weitgehend verschwunden sind. Parplies rief daher dazu auf, sich an der Gründung eines „Freundeskreises Anke von Tharau“ zu beteiligen, der der Pflege des „Ännchen-Mythos“ gewidmet sein soll. Hieran Interessierte mögen sich gerne an die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen (Kaiserstraße 113, 53113 Bonn, Telefon (0228) 91512-0 wenden. Der wohlwollenden Unterstützung der Anwesenden für sein Vorhaben konnte sich Parplies angesichts des als Abschluss der Veranstaltung inbrünstig gemeinsam gesungenen Ännchen-Liedes sicher sein. Ernst Gierlich


S. 20 Heimatarbeit

»Unsere Toten sind bei uns«
Wolfgang Thüne, LO-Vorstandsmitglied, übernahm die Totenehrung anlässlich des Deutschlandstreffens

Unsere Toten sind bei uns, in unseren Herzen«; Ein jeder darf die Heimat lieben, sofern die Heimat ihm geblieben; falls wer geflüchtet, falls vertrieben, so darf er nicht die Heimat lieben, wie könnt’ er sich, fürwahr, erfrechen, von seiner Heimat noch zu sprechen, sich gar auch noch nach ihr zu sehnen, an Heimkehr denken, dies erwähnen!“ Silesius alter, 1990

Ich bitte Sie nun, sich von den Plätzen zu erheben, um uns in Ehrfurcht zu verbeugen vor allen Toten aller Völker, aller Zeiten. Insbesondere gedenken wir in Würde der Toten unseres deutschen Volkes wie unserer Heimat.

Wir gedenken aller Toten, die in fast 800jähriger Geschichte in ostpreußische Erde gebettet wurden. Mögen ihre Gräber auch eingeebnet und verwahrlost, aufgebrochen, ausgeraubt und geschändet worden sein – sie bleiben uns nah, denn sie gehören uns, wie wir ihnen gehören.

Wir gedenken der Mütter und Väter, der Kinder, Jugendlichen und Greise, die im Kriege, auf der Flucht, bei der Vertreibung, bei der Verschleppung wie in den Arbeits- und Elends- und Gefangenenlagern an Erschöpfung umkamen und ermordet wurden.

Wo auch immer sie ihre letzte Ruhe fanden, an den Wegen von Flucht und Vertreibung, in Häusern und Luftschutzkellern, im Eise des Haffes oder den Tiefen der Ostsee, sie sind nicht vergessen. Insbesondere gedenken wir der zahllosen Frauen und Mädchen, die geschändet, vergewaltigt und ermordet wurden.

Ihr aller Tod ist Mahnung an uns Lebende, stets die Bestie in uns Menschen in Schach zu halten, zu zähmen – mit den Waffen der Wahrheit, der Wahrhaftigkeit, des Rechts und der Nächstenliebe. In besonderer Ehrfurcht verneigen wir uns vor allen gefallenen Soldaten, die im Kampf für Volk und Vaterland, speziell unsere Heimat Ostpreußen, ihr Leben hingaben.

Wir denken auch an die tapferen und aufopferungsvollen Seeleute der Handels- und Kriegsmarine, die bei der größten Rettungsaktion der Geschichte mehr als zwei Millionen Menschen über die Ostsee vor der Kriegsfurie in Sicherheit brachten.

Ihr aller Heldenmut, ihre selbstlose Opferbereitschaft wird uns stets unvergessen bleiben.

Es muss uns als Deutsche schmerzlich berühren, dass ihr Idealismus und ihre gehorsame Pflichterfüllung zugunsten des Gemeinwohls von einem gottlosen Regime brutal und herzlos missbraucht wurden.

Aber – so der emeritierte Papst Benedikt XVI. – „das entehrt die jungen Menschen nicht, in deren Gewissen nur Gott hineinschauen kann.

Und jeder steht einzeln mit seinem Weg und seinem Sterben vor Gott, in dessen barmherziger Güte wir alle unsere Toten geborgen wissen.“

Die Toten fragen uns: Was tut ihr für den Frieden? Sie warnen vor einem Staat, der die Fundamente des Rechts verliert, der seine christlichen Wurzeln abschneidet. Die Toten mahnen uns:

Nur wenn wir Gott in unsere Welt hineinlassen, ihm in unseren Herzen Heimat geben, kann die Erde hell, kann die Erde menschlich sein.

Tot ist nur, wer vergessen ist. Unsere Toten sind bei uns, in unseren Herzen – sie mahnen uns zu Gemeinsinn, Toleranz und Frieden. Wolfgang Thüne


Fröhliches Treiben

Zum Deutschlandtreffen der Ostpreußen in Kassel kamen mehr Besucher als erwartet. Dass es ein buntes, kulturell vielfältiges Treffen war, dafür sprechen die Bilder. Ob an den Ständen der Kreisgemeinschaften, des Bundes Junges Ostpreußen oder der gewerblichen Anbieter: Überall entwickelten sich angeregte Gespräche, Erfahrungen wurden ausgestauscht.

Die Stimmung war fröhlich und man war sich einig: Es war ein fröhliches Treiben, ein gelungenes Ostpreußentreffen. MRK


S. 21 Reise

Fast wieder auferstanden aus Ruinen
Athen trotzt beharrlich der Euro-Krise − Antike Bauten locken weiterhin Millionen Besucher aus aller Welt an

Euro-Krise? Was und wo ist das? Das fragen sich Besucher, die sich in diesen Tagen in das quirlige und geschäftige Treiben der griechischen Hauptstadt stürzen. Nach außen hin versucht Athen den schönen Schein zu wahren.

Heute streiken die Bauern. Nikós schüttelt verzweifelt den Kopf. „Dieses tägliche Chaos im Zentrum“, stöhnt er und manövriert geschickt sein gelbes Taxi durch den mittäglichen Verkehr der Fünfmillionen-Stadt Athen. Oder leben hier nicht sogar über sechs Millionen Menschen? Wer weiß das schon! Sieben Jahre hat der Mann mit dem klassischen griechischen Profil in Deutschland gearbeitet. Sieben Jahre, die ihre Spuren hin­terlassen haben, wie er lachend bekennt. Sein Mercedes ist ge­wienert und ge­putzt, „keine billige Schrottlaube wie die da“, fügt er missbilligend hinzu und weist auf den mit Klebeband und Plastikteilen notdürftig reparierten Kleintransporter auf der Nebenspur.

Inzwischen haben sich die Streikenden auf dem Síntagma-Platz, dem politischen Zentrum der Stadt, versammelt. Das Parlamentsgebäude, der Sitz des Präsidenten, wird von einer Hundertschaft bis an die Zähne bewaffneter Polizisten bewacht. Während die wütenden Bauern ihre bunt bemalten Transparente schwingen und Parolen über schlechte Arbeitsbedingungen und noch schlechtere Einkommen skandieren, zelebrieren die „Evzonen“ genannten Elitesoldaten vor dem Grabmal des Unbekannten Soldaten ungerührt ihren Wachwechsel. Diese in malerische historische Gewänder gekleideten Wachsoldaten, den roten Fez kokett auf dem Kopf, sind die wahren Stars des Platzes. Von den Demonstranten nimmt jedoch kaum ein Passant Notiz. Viele rümpfen nur indigniert die Nase. Der Geruch von Tränengas ist hier allgegenwärtig und vertreibt sogar die Gäste von der Caféterrasse des feinen Traditionshauses „Hotel Grande Bretagne“.

In der sengenden Mittagshitze – bereits im Mai werden hier nicht selten Temperaturen von 30 Grad gemessen – gerät der Aufenthalt in der angenehm kühlen Metrostation unterhalb des Síntagma zu einem Hochgenuss. Zahlreiche der während des U-Bahnbaus zutage geförderten antiken Funde sind hier ausgestellt. Leider ha­ben Taschendiebe den „Bauch von Athen“ zu ihrem bevorzugten Jagdgebiet auf fremdes Eigentum erkoren. Einem Ehepaar aus London wurde während der U-Bahn-Fahrt zum Monastiráki-Platz der ganze Ruck­sack ausgeräumt.

Athen ist eine quirlige Stadt. In den schicken Einkaufsstraßen reiht sich ein teures Geschäft, ein Straßencafé an das nächste. Hier sitzt man, trinkt seinen Espresso und gegen Mittag auch einen Ouzo, schwätzt und genießt das süße Leben. Von Krise keine Spur. Die immer stärker um sich greifende Armut des „kleinen Mannes“ wird jedoch in den Gassen der Altstadt und in der Nähe antiker Stätten nur allzu offenbar. Viele Läden sind verwaist, die Schaufenster mit Graffiti be­schmiert. Und während Männer mit dem Verkauf von Lotterielosen oder „echten“ antiken Münzen ihren Lebensunterhalt zu verdienen suchen, bieten alte Frauen selbst gefertigtes Kunsthandwerk für wenig Geld an.

„Aber immer mehr − auch junge Leute – haben inzwischen verzagt und sind auf der Straße gelandet. Die Menschen finden keine Arbeit“: Unsere Begleiterin Anastasia macht uns auf ein junges Pärchen aufmerksam, das auf einer schmutzigen Wolldecke vor dem Eingang eines herunter-gekommenen Hauses kampiert.

Eine Busrundfahrt bringt Touristen zu allen Sehenswürdigkeiten des alten und modernen Athens. Neben dem Omónia-Platz (Platz der Einheit), dem lauten und verkehrsreichsten Ort der Stadt, führt der Weg über die sehenswerten Markthallen und den mondänen Kolónaki-Platz bis hin zu den Olympiastätten von 2004.

Viel Zeit zum Besichtigen bleibt da nicht. Wer in aller Ruhe das interessanteste Viertel der Stadt, die Plaka, auf sich wirken lassen will, der besteige den „Happy Train“, eine Lokomotive auf Gummirädern, die sich durch Straßen und Gassen zu den antiken Höhepunkten schlängelt, stets begleitet von den fröhlichen Zurufen der Händler und Schulkinder auf den Bürgersteigen. „Hier Sie sehen die Turm des Windes“, erklärt der junge Stadtführer, „und ganz oben Sie sehen schönste Burganlage von die Welt: die Akropolis.“

Jenen, die bisher Athen nicht sonderlich attraktiv fanden, wird beim Anblick des Parthenon, der gleich einer Fata Morgana hoch über dem Felsen zu schweben scheint, der Atem stocken. Von erlesener Schönheit ist das von sechs marmornen Mädchengestalten getragene Erechtheion, einzigartig der zierliche Niketempel, Weihgabe an die geflügelte Siegesgöttin.

Die italienische Gruppe hinter uns ist ganz aus dem Häuschen, als der polyglotte Stadtführer erklärt, dass die Agóra auf der linken Seite aus der Römerzeit stammt. „I romani“, rufen sie begeistert, „fantastico!“

Den absoluten Höhepunkt der Exkursion bildet der Besuch des Akropolis-Museums, das vom Schweizer Architekten Bernard Tschumi südlich des Felsens erbaut und 2009 eröffnet wurde. Es besteht zum größten Teil aus Glas und bietet dem Besucher auf jeder Ebene einzigartige Ausblicke auf die Akropolis. Ein richtungsweisender Musentempel, in dem die Objekte frei im Raum stehen, so dass sie von allen Seiten besichtigt werden können.

Nach diesem Ausflug in die heroische Vergangenheit des einstigen Stadtstaates ist es Zeit für eine Verschnaufpause in einer Taverne, in der wir nach einer Portion Moussaka eine orientalische Leckerei aus Mandeln und Honig genießen.

Eine Kalorienbombe, aber unwiderstehlich. Dazu ein Glas spritziger Wein von einer der umliegenden Inseln, und auf geht es zu neuen Abenteuern. Der Aufstieg zum Areopag, wo einst das Oberste Gericht von Athen Recht sprach, ist beschwerlich, der Blick über die Dächer der Stadt grandios. Den berühmten Hafen von Piräus haben wir uns bis zum Schluss aufgespart.

Bei einem Kaffee an der Hafenmole treffen wir drei Rucksack­touristen aus Köln, die mit der „Hellas Apollon“ von der Insel Ägina herübergekommen sind. Ob wir nicht Lust hätten, mit ihnen den Kerameikos, den antiken Friedhof Athens, zu besuchen. Wir haben diesen Abstecher nicht bedauert. Nach dem hektischen Treiben der Stadt erwartet den Besucher eine Oase der Ruhe voller herrlicher Stelen, marmorner Grabmale, seltener Pflanzen − und Landschildkröten. Uta Buhr


Wohlklingender Pfingst-Trubel
Beim Christenfest werden Städte in Frankreichs Franche-Comté zu Festivalbühnen − Schokolade gibt es im ehemals deutschen Mömpelgard

Ganz Dole ist auf den Beinen. So hat es jedenfalls den Anschein, wenn man zu Pfingsten die alte Hauptstadt der südlich ans Elsass und an Lothringen grenzenden französischen Region Franche-Comté be­sucht. Überall erklingt Musik. Die Leute klatschen im Takt, singen und tanzen. Klar: Es ist Festivalzeit in Dole. Beim Pfingstfest „Cirque et Fanfares“ wird der mittelalterliche Kern der Stadt zur Bühne für Blaskapellen, Clowns, Straßenkünstler und Artisten. Unterhalb der imposanten Stiftskirche, welche mit ihrem 75 Meter hohen Turm die Stadt regelrecht krönt, ist eine Gruppe von Blechmusikern und Trommlern versammelt, deren schwunghafte Melodien durch die engen Gassen hallen.

Hätte Louis Pasteur das alles erlebt, er hätte wohl kaum die Pasteurisation erfunden, so abgelenkt wäre er von dem ganzen Rummel gewesen. Unterhalb der Kirche befindet sich sein Geburtshaus, das jetzt als kleines, putziges Museum über den Lebensmittelchemiker und Mikrobiologen fungiert. Im 19. Jahrhundert hatte er die Methode zur Konservierung und Haltbarmachung flüssiger Lebensmittel wie Wein oder Essig erfunden. Erst später wurde seine Methode des Abtötens von Mikroorganismen durch Erhitzen erfolgreich auch auf Milchprodukte angewandt.

Doch zurück auf die Straßen von Dole. Am Platz Jules Grévy mit seinem Springbrunnen und der Weltkugel, auf der allegorische Figuren platziert sind, versammelt sich der Fanfarenzug. Der Marsch der Musikkapellen ist der Höhepunkt des Festivals. Mit Blech und Getöse ziehen die vielen Amateurbands die Hauptgeschäftsstraße entlang vorbei an der Stiftskirche zum zentralen Marktplatz. Kaum beendet, erleuchtet unten am Fluss Doubs ein prächtiges Feuerwerk die nächtliche Stadt.

Der Fluss sorgte im Mittelalter für den Reichtum der Stadt. Dole war so etwas wie das Lübeck von Frankreich. Von hier aus wurde das Salz aus der Jura-Ortschaft Salins-les-Bains verfrachtet. Dole wurde mit dem Salzhandel so wohlhabend, dass es bis 1676 Hauptstadt der Franche-Comté war. Als Ludwig XIV. die mit Spanien verbundene Freigrafschaft eroberte, machte er Besançon zur neu­en Hauptstadt.

Auf der Fahrt zum nächsten Pfingstfest in Bel­fort lassen wir Besançon links liegen. Für die an einer Flussschleife des Doubs liegende Hauptstadt haben wir trotz ihrer beeindruckenden Zitadelle, die seit 2008 zum Unesco-Weltkulturerbe zählt, diesmal keine Zeit. Dafür machen wir kurz Halt in der 25000-Einwohner-Stadt Montbéliard, die bis zur französischen Revolution Mömpelgard hieß. Die Stadt war lange Zeit eine württembergisch-protestantische Exklave, in der Deutsch gesprochen wurde. Noch heute ist dort Deutschunterricht Pflichtprogramm in den Schulen.

Das weiße Schloss der württembergischen Grafen und Herzöge ist weithin sichtbares Wahrzeichen der Stadt, die ansonsten eher bunt ist. Der Renaissance-Baumeister Heinrich Schickhardt hat hier seine Spuren hinterlassen mit schlichten Bauten in gelblichen, grünlichen oder rötlichen Tönen. Früher war hier die Kunst der Schokoladenherstellung zu Hause. Chocolatiers wie Ragot in der Rue de Belfort geben noch heute schmackhaftes Zeugnis dieses köstlichen Handwerks ab. Heute ist Montbéliard mit seinem Vorort Sochaux zur Autostadt geworden. Peugeot hat hier sein größtes Werk in Frankreich mit 12000 Mitarbeitern. Neben dem riesigen Werksareal befindet sich das Peugeot-Museum, das ein begehrtes Ziel von Oldtimer-Freunden aus aller Welt ist.

Im klimatisierten Wagen eines deutschen Herstellers geht es aber schnell weiter nördlich nach Belfort. Pfingsten kommt man je­doch mit dem Auto nicht in die Stadt hinein. Das Zentrum ist weiträumig für den Kraftverkehr abgesperrt: Die Innenstadt ge­hört an den Feiertagen ausschließlich den Fußgängern und den Musikern.

Zu Pfingsten wird die ganze Stadt zur Bühne des internationalen Musikfestivals „Fi­mu“, bei dem über 2500 junge Musiker größtenteils aus Musikhochschulen von Jazz über Pop und Chorgesang bis hin zur Klassik alle denkbaren Stilrichtungen präsentieren. Das Großartige dabei: Es gibt meisterliche Musik pur, wobei der Eintritt zu allen Veranstaltungen frei ist. Das Fest wird hauptsächlich von einem im Ort ansässigen US-Unternehmen großzügig gesponsert, das aber erfreulicherweise namentlich nirgends in Erscheinung tritt.

Während am Platz der Republik vor dem Rathaus und der roten Sandstein-Kathedrale gerade klassische Klänge ertönen, sorgt unterhalb der gewaltigen Zitadelle von Belfort ein Jazz-Konzert für Stimmung auf dem überfüllten Gelände. Der riesige steinerne Löwe, der die Festungsanlage ziert, scheint dabei selbst ganz Ohr zu sein. Der Schöpfer der New Yorker Freiheitsstatue, der Bildhauer Frédéric-Auguste Bartholdi, hat diesen 22 Meter langen und elf Meter hohen „Löwen von Belfort“ aus rosa Sandstein geschaffen.

Das Wahrzeichen der Stadt entstand kurz nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, als die Preußen die Stadt und die Zitadelle erst nach einer über 100-tägigen Belagerung einnehmen konnten. Die Anlage hat der Festungs-Baumeister Ludwigs XIV., Sébastien Vauban, 1686 entworfen, nachdem das einst zum Habsburgerreich gehörende Belfort im Westfälischen Frieden an Frankreich gegangen war.

Unten in der Stadt nimmt das musikalische Treiben kein Ende. An den drei Pfingsttagen wird bis spät in die Nacht musiziert und gefeiert. Während die älteren Semester nach dem Konzert eines Jugendorchesters im Kongress­zentrum langsam nach Hause schlendern, lässt sich das Jungvolk am Kai-Ufer des schmalen Flusses Savoureuse rockige Klänge gefallen. Keine Alkoholeskapaden, kein Gebrülle oder Gejohle stört an diesen drei Pfingsttagen das Fest. Alles ist friedlich, freundlich, feierlich. So soll es zu Pfingsten sein. Harald Tews


S. 22 Neue Bücher

Dem Tod stets nah
Erinnerung an Sowjet-Lager

Der heute in Oberfranken lebende Hans-Joachim Wolf hat mit „Du Werwolf. Erinnerungen aus der Zeit von 1945 bis 1950“ eine exemplarische Geschichte in Buchform gebracht. Als der Junge am 11. Juni 1945 von Offizieren der sowjetischen Geheimpolizei NKWD abgeholt wurde, hatte er nicht einmal eine Ahnung, was es mit dem Vorwurf einer Teilnahme am Werwolf auf sich hatte. „Das sind Partisanen“, lautete die Antwort des russischen Vernehmers auf seine naive Frage. Nicht einmal dem Onkel, der als alter Sozialdemokrat von den Russen als Bürgermeister eingesetzt wurde, gelang es, den Neffen aus dem russischen Lagersystem herauszuholen. Dessen Leidensweg führte nun über Buchenwald bei Weimar und Landsberg an der Warthe bis nach Karaganda in Kasachstan.

Ernst Jünger hat 1951 in seinem Essay „Der Waldgang“ die Ansicht geäußert, dass die Berichte der Menschen, die im Ringen mit den dämonischen Mächten des Jahrhunderts verstrickt sind, in späteren Zeiten den eigentlichen Wert unserer Literatur begründen werden. Die Details bewirken eine Vergegenwärtigung des Geschehenen in Geruch, Geschmack und Klang. Der Eintopf wird in einer Bezintonne gekocht. Die gierig Trinkenden liegen am Ufer der Warthe, in der noch der Kriegsschrott rostet.

Aufzeichnungen von zwei Leidensgenossen erweitern die Wahrnehmung. Nachdenklich stimmen die Erinnerungen von Julius Cöster. Er wurde abgeholt und in wechselnden NKDW-Kerkern ohne Verdachtspunkte weichgeprügelt, um die abscheulichsten Verbrechen einzugestehen. Wer mag damals nicht alles zusammengebrochen sein und schließlich die Anschuldigungen bestätigt haben? Der andere Einschub von Kurt Biederstädt über eine verhinderte Fahrt ab Landsberg wirkt als Satyrspiel in dieser Tragödie. Nach drei Wochen Bummelei auf nun polnischen Schienen und 80 Toten kam man wieder in Landsberg an. Nur durch eine Schlamperei war man dem russischen Arbeitslager entkommen.

Das Buch ist doppelt belehrend. Zum einen schildert es vergangene Umstände glaubhaft, die immer noch für manche schwer vorstellbar sind. Andererseits ist es durchzogen von einer Haltung des Widerstehens, die zeitlos auch für künftige Anfechtungen als Beispiel dienen kann.

In einem Japanerlager in Kasachstan lernt der Junge dann fernöstliche Höflichkeit. Man verbeugt sich und legt die Hände aneinander. Im Lazarett überlebt er nur dank des Beistands dreier hoher japanischer Offiziere, die ihm von ihrer privilegierten Kost abgeben. Später in Karaganda sind Felsbrocken in Pflastersteine zu spalten. Dann ist er als Stuckateur in der neu entstehenden sozialistischen Großstadt unterwegs. Mit einer gewissen Normalisierung des Arbeitslebens hebt aber auch die kommunistische Indoktrination an. Wolf kann sich der Umpolungsaktion schließlich durch Mitwirkung am Lagertheater entziehen. Mit großer Anteilnahme der Russen wird Goethes „Faust“ einstudiert. Der Autor erhält als Darsteller des Gretchen einen Blumenstrauß.

Das Buch von Hans-Joachim Wolf erlöst die schrecklichen Erlebnisse in den Fortgang einer bilderreichen Erzählung. In dieser abgeklärten Versöhnlichkeit ist das vielleicht auch erst heute möglich. Zum Abschluss seiner Mitteilung zitiert er zustimmend seine Frau: „Freunde, nur Mut, lächelt und sprecht. Die Menschen sind gut, bloß die Leute sind schlecht!“

Sebastian Hennig

Hans-Joachim Wolf: „Du Werwolf. Erinnerungen aus der Zeit von 1945 bis 1950“, Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 2013, broschiert, 249 Seiten, 24 Euro


Im Strudel der Interessen
1914: Autor fragt, wem aus damaliger Sicht Krieg hätte nützen können

Es ist erstaunlich. Obwohl schon so viel zum Ersten Weltkrieg publiziert worden ist, gelingt es Bruno Bandulet in „Als Deutschland Großmacht war. Ein Bericht über das Kaiserreich, seine Feinde und die Entfesselung des Ersten Weltkrieges“ die Fakten so zusammenzustellen, dass er bei seinen Lesern gleich mehrere Aha-Erlebnisse hervorruft. Der ehemalige Referent für Deutschland- und Ostpolitik der CSU und einstige Chef vom Dienst der Tageszeitung „Die Welt“ ist ein absoluter Bewunderer des australischen Historikers Christopher Clark. Entsprechend oft beruft er sich auf diesen, der mit „Die Schlafwandler“ den Bestseller zum 100. Jahrestag des Weltkriegsbeginns vorgelegt hat, auch wenn Bandulet dessen Rückschlüsse nicht vollends teilt.

Bandulet konzentriert sich auf seinen mit knapp 300 Seiten angesichts des Themas vergleichsweise schmalen Band auf die Frage, wem aus damaliger Sicht 1914 ein Krieg hätte nützen können. Hierbei beleuchtet er die Vorgeschichte zu den Ereignissen des Sommers 1914, die 33 Tage vom Attentat bis zum Kriegsbeginn sowie das Jahr 1917, in dem es aus seiner Sicht zu einem Verhandlungsfrieden hätte kommen müssen, wenn die USA nicht auf Seiten der Entente gegen die Mittelmächte in den Krieg gezogen wären.

Bandulet beginnt mit einem Gespräch von Lord Balfour, dem Parteichef der britischen Konservativen, mit dem US-Botschafter in London, Henry White, aus dem Jahr 1910, in dem Balfour gesagt haben soll: „Wir sind wahrscheinlich töricht, dass wir keinen Grund finden, um Deutschland den Krieg zu erklären, ehe es zu viele Schiffe baut und uns unseren Handel wegnimmt.“ Laut dem Autor bietet diese Aussage eine Erklärung dafür, warum die Briten im Juli/August 1914 nicht einen Krieg verhinderten, obwohl sie keine direkten Interessen gehabt hätten, die sie durch einen Krieg erreichen konnten. Anhand von Wirtschaftsdaten wird aber auch deutlich, dass der Anteil Deutschlands an der weltweiten Industrieproduktion zwischen 1880 und 1913 von 8,5 auf 14,8 Prozent zunahm, während der der Briten von 22,9 auf 13,6 Prozent sank. Dies belegt, dass London durchaus Interessen hatte.

Bandulet schildert Bismarcks Außenpolitik und nennt auch seine Motive, die sich auch die ihm nachfolgenden Reichskanzler hätten zu Herzen nehmen sollen. Auch Kaiser Wilhelm II. habe wie Bismarck auf Russland als Partner gesetzt, sei aber an Reichskanzler Bernhard von Bülow gescheitert. So stolperte Deutschland, so der Tenor des Buches, wegen der Unfähigkeit seines Führungspersonals zwar in die Isolation, aber damit noch nicht in den Krieg.

Die Stärke des Autors, historische Ereignisse spannend, ja fast romanhaft zu schildern, sorgt dafür, dass historisch bedeutende Ereignisse lebendig und damalige Stimmungen nachvollziehbar werden. Auch greift er Vorwürfe gegen das Kaiserreich auf und analysiert sie anhand der Fakten. So zum Beispiel, dass es zu einfach sei, die Abwendung einstiger Bündnispartner mit Deutschlands Stärke zu begründen: „Bei der Aufteilung Afrikas und Asiens hatten Frankreich und Russland aus englischer Sicht mehr zu bieten als Deutschland.“

Auch der deutsche Flottenbau und die Alternativen hierzu werden beleuchtet. Zudem fragt Bandulet, wie das Kaiserreich mit einem deutlich kleineren Marinehaushalt als England, die USA, Frankreich und Russland diese hätte von den Meeren fegen sollen. Und zu der Theorie, Deutschland haben einen Weltkrieg provoziert, wird unter anderem auf eine Mitteilung der deutschen Botschafter in Paris, London und St. Petersburg verwiesen, in der Berlin ausdrück-lich betont, dass man wünsche, dass der Konflikt zwischen Serbien und Österreich-Ungarn lokalisiert bleibe und alle anderen Mächte bitte von einer Einmischung absehen sollten.

Leider kommen in den Ausführungen die Motive Russlands und Frankreichs etwas zu kurz, dafür erfährt der Leser sehr viel über die verschiedenen Stimmungen in Großbritannien. Von Aufrufen wie etwa „Germaniam esse delendam“ („Deutschland muss zerstört werden“) in der „Saturday Review“ zur Jahrhundertwende über Jubelrufe für den deutschen Kaiser bei der Beerdigung der Queen, seiner Großmutter, 1901 in London.

Die Rolle der USA wird erst gegen Ende analysiert, dies geschieht jedoch sehr prägnant. So verdeutlicht der Autor, dass Wa-shington im Grunde schon lange vor seinem Kriegseintritt nicht neutral und 1917 wirtschaftlich und finanziell derart involviert war, dass eine Niederlage Frankreichs und Großbritanniens für die Vereinigten Staaten als deren Geldgeber und Waffenlieferant extrem kostspielig geworden wäre.

Am Ende hat Bandulet überzeugende Argumente für die These geliefert, dass das Kaiserreich im Vergleich zu seinen Gegnern durch einen Krieg wenig habe gewinnen können und hauptsächlich die Angst, mit Österreich-Ungarn den letzten Bündnispartner zu verlieren, Berlin in den Krieg getrieben habe. Rebecca Bellano

Bruno Bandulet: „Als Deutschland Großmacht war. Ein Bericht über das Kaiserreich, seine Feinde und die Entfesselung des Ersten Weltkrieges“, Kopp, Rottenburg 2014, geb., 304 Seiten, 19,95 Euro


Im Bann des Mythos
Seriöse und bizarre Theorien zu Atlantis

Der Mythos von einer Hochkultur in prähistorischer Zeit, angesiedelt auf einem heute versunkenen Kontinent, ist uralt. Deshalb existieren auch unzählige Veröffentlichungen hierüber, die inzwischen kaum mehr jemand überblicken kann. Einer, dem das noch gelingt, ist Joscelyn Godwin, ein englischer Musikwissenschaftler. Dabei analysiert der fachliche Quereinsteiger allerdings nicht vorrangig die Literatur über die Indizien für eine reale Existenz von Atlantis im Nordatlantik, der Arktis beziehungsweise Antarktis, der Sahara, auf Santorin, in Kleinasien, Lateinamerika und so weiter – diesem Unterfangen widmet er sich lediglich auf den ersten 40 Seiten seines Buches. Und das auch ohne jede eigene Positionierung, ob es Atlantis denn nun gegeben habe und wo es zu finden sei.

Wichtiger ist für Godwin die Darlegung der Ideen der okkulten Atlantis-„Forschung“, welche dem wissenschaftlichen Weltbild strikt zuwiderlaufen. Dabei verblüfft die Quellen- und Literaturkenntnis des Musikprofessors. Andererseits freilich offenbart sich im Hauptteil des Buches wiederum der spezielle Wesenszug der Godwinschen Darstellungsweise, der schon frühere Werke wie „Arktos. Der polare Mythos zwischen NS-Okkultismus und moderner Esoterik“ geprägt hat: Es dominiert das Anführen ohne jedwede Unterscheidung zwischen plausiblen und unsinnigen Behauptungen.

Ungeachtet der mangelnden analytischen Brillanz handelt es sich bei dem Band aber um ein gutes Kompendium sämtlicher Atlantis-Vorstellungen in den letzten zweieinhalb Jahrtausenden – zumindest gilt das für die ersten 274 Seiten. Denn danach wird es leider hochkonfus, wenn Godwin darlegt, wie manche Personen mittels einer dubiosen Methode namens „Channeling“ zu Informationen über Atlantis gelangt sein wollen. Komplett deplatziert und darüber hinaus auch weitgehend irrelevant sind zudem die abschließenden Zahlenspekulationen bezüglich der „Vier Weltzeitalter“, welche auf der hinduistischen Mythologie beruhen. Wolfgang Kaufmann

Joscelyn Godwin: „Atlantis. Der Ursprung der Zivilisation“, Aquamarin-Verlag, Grafing 2014, geb., 437 Seiten, 24,95 Euro


Liebe statt Bernsteinzimmer
Königsberger Romanhelden begeben sich auf die Suche nach dem Kunstschatz und landen in Schweden

Mit der dramatischen Flucht von sechs Menschen in einem alten Kahn von Pillau über die Ostsee Ende April 1945 beginnt der Abenteuerroman „Wimmerholz“ von Michael Paul. Darin kombiniert der 1963 geborene, im Schwarzwald lebende Autor geschickt historische Ereignisse mit einer packenden fiktiven Handlung. Es geht um die Jagd nach einem der „mysteriösesten Schätze der Welt“, wie im Klap-pentext angekündigt wird, womit nur das Bernsteinzimmer gemeint sein kann.

Dem Roman liegt eine von angeblich über 100 Theorien zum Verbleib des Bernsteinzimmers zugrunde; für ihren Wahrheitsgehalt kann und will sich Paul natürlich nicht verbürgen. Seinem Konzept nach führt die Spur des bei Kriegs-ende in einem Königsberger Kellergewölbe eingelagerten Kunstschatzes nach Schweden. Schauplätze sind die schwedische Ostseeinsel Gotland, die dänische Insel Bornholm und Eksjö, eine Stadt in der südschwedischen Region Småland.

In das fiktive Geschehen eingewoben sind die Ereignisse vom 30. November 1945, der als „Blutiger Freitag“ in die schwedische Geschichte einging. Damals wurden mehr als 2500 deutsche und einige baltische Soldaten, die kurz vor Kriegsende über die Ostsee in das während des Krieges neutrale Schweden geflüchtet waren, von Schweden an die Sowjetunion ausgeliefert. In mehreren Lagern untergebracht, hatten die Soldaten bis zu diesem Zeitpunkt noch auf ihre baldige Heimkehr gehofft. Man hatte ihnen zugesichert, dass sie nicht an die Sowjetunion ausgeliefert würden. Dennoch geschah dies, ungeachtet eines flehentlichen Gesuchs der Soldaten an den schwedischen König. Vor der Auslieferung an die Russen verstümmelten sich viele der aufgebrachten Männer in ihrer Verzweiflung selbst und wurden daraufhin von den angerückten schwedischen Staatspolizisten niedergeknüppelt. Mit erheblichem Aufwand führte der Autor in Schweden umfangreiche Recherchen zu diesen Vorfällen durch und traf sogar Angehörige von Betroffenen und Beteiligten.

Alles beginnt im Sommer 1944 in Königsberg. Hier kommt als eine von mehreren historischen Persönlichkeiten als Protagonist Alfred Rohde ins Spiel, der letzte Kurator der Königsberger Kunstsammlungen. In Erwartung des baldigen Angriffs der Alliierten auf Ostpreußens Hauptstadt trifft Rohde Vorkehrungen zur Rettung und späteren Wiederauffindung des Bernsteinzimmers. In diese Pläne eingebunden sind die zehnjährige Lena, Tochter eines Gutsbesitzers, und wenig später auch der Feldwebel Martin Greven. Doch von alledem ahnen beide nichts, auch nichts davon, welche wichtige Funktion der Geige des Mädchens dabei zukommt, die sie kurz vor dem Untergang Königsbergs mit auf die Flucht nimmt. „Wimmerholz“ nannten die Arbeiter auf dem Gut ihrer Eltern diese Geige immer in gutmütigem Spott, wenn Lenchen darauf übte und dazu sang. Die Suche nach dem verborgenen Kunstschatz setzt bei Kriegsende auch einige niederträchtige Gestalten in Bewegung, die sich an die Fersen der beiden Hauptprotagonisten heften. Sie gehören zu einer berüchtigten Partisanenbewegung.

Auch den Romanhelden Martin Greven hätte auf Gotland das Schicksal der deutschen Soldaten treffen können. Durch Zufall entgeht er der Internierung, und ebenso wie Lena entkommt er auch mehrmals seinen skrupellosen Häschern. Stattdessen trifft er seine große Liebe Greta, die Lena und ihn auf dem Bauernhof versteckt, den sie mit ihrem Vater und ihrem Bruder bewirtschaftet. Somit erwartet den Leser dieser spannenden Lektüre auch eine herzerwärmende Liebesgeschichte.

Für diejenigen, die das Schicksal der Hauptperson mit Interesse und Empathie verfolgen, gilt es allerdings, tapfer zu sein und durchzuhalten, wenn sprachliche Mängel, die auf das Konto des Lektorats gehen, den Lesegenuss dann und wann mindern, was man in diesem Fall wirklich bedauert.

Dagmar Jestzremski

Michael Paul: „Wimmerholz“, Verlag tredition, Hamburg 2014, broschiert, 439 Seiten, 17,80 Euro


S. 23 Rautenberg Buchhandlung

Rautenberg Buchhandlung


S. 24 Panorama

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Über dem Abgrund / Warum die Franzosen bestraft werden müssen, wie ARD und ZDF eisern auf Linie blieben, und warum die Briten ruhig austreten können

Als die ersten Prognosen zur EU-Wahl das politische Europa aus der Fassung brachten, lief auf Sat.1 gerade der Katastrophenfilm „Deep Impact“ („Tiefer Einschlag“). In dem US-Streifen gelingt es heroischen Raumfahrern, den Untergang der Welt durch einen Meteoriteneinschlag gerade noch zu verhindern. Es bleibt bei einer Katastrophe, der ein Neuanfang folgt.

Das hofft man auf den Fluren der EU-Administration jetzt auch und redet sich Mut zu. Vor allem aber galt es am Sonntag, mit den dummen Wählern abzurechnen, was die immer dienstbereiten Kommentatoren der Staatssender vorbildlich und mit aller gebotenen Härte erledigt haben.

Die Franzosen beispielsweise: Le Pen! Das ist glatte Befehlsverweigerung. Aus den Pariser Büros von ARD und ZDF hagelte es strenge Züchtigungen. Der ZDF-Mann verkündete das Strafmaß fürs Falschwählen: „Frankreich wird im europäischen Konzert nicht mehr die Rolle spielen wie bisher.“ Denn, wie der Kollege von der ARD das Urteil weiter ausführte: „Frankreich wird geschwächt aus dieser Europawahl hervorgehen.“

Ja, das habt ihr jetzt davon, ihr dreisten Franzmänner. Wer die Bösen wählt, der verliert Macht und Einfluss. So ist das in der Demokratie nach EU-Schnittmuster. Frankreich ist geschwächt. Und zwar nicht etwa, weil die Nachbarn vor zwei Jahren jemanden zum Präsidenten gemacht haben, der sich als ausgemachter Hanswurst entpuppen sollte. Unfähige Politiker sind völlig in Ordnung, solange sie brav der politischen Linie folgen. Nein, die Franzosen sind von der Linie abgewichen, und dafür gibt’s jetzt Machtentzug.

Zumal sie in die falsche Richtung abgewichen sind, nicht wie die Italiener, die massenhaft Beppe Grillo gewählt haben. Der geht zwar mit stampfender Wut-Rhetorik auf Brüssel und Merkel los, wogegen die zarte, faktenverpflichtete Kritik der AfD geradezu rührend professoral daherkommt. Doch Grillo ist links, und bei der ARD weiß man ideologisch zu unterscheiden. So betonen die Kollegen, dass bei dem Italiener „durchaus vernünftige Kräfte dabei“ seien, Linke eben, während man noch am Wahlabend die Hoffnung ausdrückt, dass „die Herren Lucke und Henkel“ eine Eintagsfliege bleiben mögen. Und während die linksradikale griechische Syriza, deren Forderungen mit „abenteuerlich“ noch schamhaft umschrieben sind, die „berechtigten Ängste der Menschen“ aufnehme, fördert die britische Ukip bloß „dumpfe Ressentiments“.

Von einem „politischen Erdbeben“ in Europa war nach der EU-Wahl die Rede. Na wenn schon, das muss uns keine Angst machen: ARD und ZDF haben sich als vollkommen erdbebensicher erwiesen. Ihre Schlagseite nach links blieb ebenso unverrückbar stehen wie ihre kalte Verachtung für falsch wählende europäische Bürger.

Von der bemerkenswerten Stabilität konnten indes nicht alle etablierten Parteien profitieren. Die langen Gesichter bei der FDP waren kaum zu ertragen. Oder waren es die langen Nasen von der jahrelangen Wählerverschaukelung? Egal, wer den gelben Spitzenkandidaten Alexander von Lambsdorff gesehen hat im kurzen Zweierduell mit AfD-Mann Hans-Olaf Henkel, der musste Angst bekommen. So, wie der Lambsdorff den Henkel anstierte, mochten die Zuschauer befürchten: Gleich springt er übers Moderatoren-Tischchen und beißt Henkel in den Hals!

Das war nicht Konkurrenz, das war Wut an der Schwelle zum Hass. Zum Endspurt des Wahlkampfs hatten die Liberalen noch einmal ganz tief in den Dreck­kübel gegriffen und der AfD bräunliche Schatten angedichtet. Doch plötzlich hat die Lucke-Truppe völlig unerwartet mit gleicher (und gleich unfairer) Münze zurückgezahlt: Die Freidemokraten hätten schließlich noch immer einen Ehrenvorsitzenden, der mal in der NSDAP gewesen sei. Das ging gegen Walter Scheel, der, Jahrgang 1919, seit 1942 bei der Hitler-Partei eingetragen war. Ihm das heute noch vorzuhalten, ist natürlich weder taktvoll noch angemessen. Die Botschaft der AfD kam aber an bei den Liberalen: Ihr wollt unfaire Dreckwerferei? Gekauft, können wir auch. Batsch!

Wie soll es weitergehen mit der EU? Die Szene erinnert an Daffy Duck, meinen Lieblings-Antihelden aus den schönen alten Disney-Trickfilmchen. Die lispelnde schwarze Ente rennt da alle naselang über einen steilen Abgrund hinaus in die leere Luft, ohne zu merken, dass unter ihr schon lange kein fester Grund mehr ist. Irgendwann kriegt Daffy das aber doch mit, blickt erschrocken nach unten, danach dem Zuschauer blöde ins Gesicht und dann erst stürzt er sausend in die Tiefe.

Womöglich hat der europäische Daffy den festen Boden schon vor Jahren hinter sich gelassen. Die Wahl vom Sonntag war der entgeisterte Blick in die leere Tiefe. Nun glotzt er uns verdattert an und versichert mit zittriger Stimme: Das scheint nur so, alles halb so wild.

Wirklich? Die Staats- und Regierungschefs von Britannien bis Frankreich, von Österreich bis Griechenland wurden am Sonntag geteert und gefedert. Mal sehen, wie die das verkraften.

Für die Briten könnte die von vielen dort ersehnte Volksabstimmung über die EU-Mitgliedschaft in greifbare Nähe rücken. Es ist ja wirklich zweifelhaft, was die Briten in der EU noch sollen. Seit Jahrhunderten folgte London der gleichen außenpolitischen Maxime: Säe Zwietracht unter den Festlandseuropäern, damit Britannien in Ruhe sein eigenes Spiel treiben kann. Zu diesem Behufe musste man schließlich auch in die von Anfang an wenig beliebte EWG/EG/EU eintreten, damit sich da nichts allzu fest zusammenfindet.

Doch wozu soll die Einmischung jetzt noch gut sein? Dank Euro und überbordendem EU-Zentralismus gehen Kontinentaleuropas Staaten und Medien so innig aufeinander los wie lange nicht. Die Euro-Krise trägt überdies dafür Sorge, dass das Zerwürfnis nicht auf der Ebene der Regierungen und Eliten hängenbleibt, sondern tief ins Volk hineinwächst. So bildet sich ein solides Hass-Fundament, das alle Spaltungsbemühungen von London aus überflüssig macht.

Ja, gut, da werden nachdenkliche Briten aber fragen: Wenn der Brüsseler Laden auseinanderfliegt, wird dann nicht Deutschland ganz automatisch die führende Macht sein? Was wir doch immer verhindern wollten?

Ach, keine Bange, liebe britische Freunde. Auch dagegen ist längst vorgesorgt. Zwar müssten alle wissen, dass der Euro eine französische Idee war. Damit wollte man den Deutschen die Vormacht ihrer D-Mark aus den Händen schlagen. Als Bonn die französische Zustimmung zur deutschen Vereinigung wollte, war es soweit, Paris forderte seinen Preis. Von da an lief alles wie am Schnürchen.

Wie gesagt, das sollten alle wissen. Das Gute ist: Sie tun es aber nicht! Stattdessen hat sich, gerade in den „Krisenländern“, eine Verschwörungstheorie fest eingenistet, dass der Euro eine deutsche List gewesen sei, um Europa zu unterjochen. Leiden die Deutschen (oberflächlich gesehen) nicht am wenigsten? Sagen nicht deutsche Politiker bei jeder Gelegenheit, dass die Deutschen „am meisten vom Euro profitieren“? Das muss man nur zitieren, was südlich der Alpen ausführlich praktiziert wird. Und ist es nicht bezeichnend, dass die deutschen Euro-Kritiker bei den EU-Wahlen im Vergleich so bescheiden abgeschnitten haben?

Es passt alles zusammen. Sollte der Euro dereinst an seinen angeborenen Fehlern bersten, was kaum zu vermeiden sein wird, werden die übrigen Europäer die „Befreiung vom deutschen Joch“ feiern, und keiner will mit den Teutonen mehr was zu haben. Da kann England seinen „Festlandsdegen“ also getrost wieder in die Scheide fahren lassen. Es geht alles wie von selbst, die Mühen früherer Jahrhunderte darf man sich sparen.


MELDUNGEN / ZUR PERSON

EU sperrt Landeplätze

Berlin – Laut Schätzung der Deutschen Krankenhausgesellschaft sind bis zu 50 Prozent der deutschen Landeplätze für Rettungshubschrauber schon bald nicht mehr anfliegbar. Grund ist eine EU-Verordnung, die Deutschland bis 28. Oktober umsetzen muss. Danach werden die Sicherheitsvorschriften für die Plätze deutlich verschärft. Viele Plätze genügen den Vorschriften dann nicht mehr, für Rettungseinsätze drohen deutlich längere Wege. H.H.

 

Wegen Islamisten geschlossen

Frankfurt am Main – Ein Jugendzentrum im Frankfurter Stadtteil Gallus musste schließen, weil Mitarbeiter und Jugendliche von Islamisten bedroht werden. Die Islamisten, die früher oft selbst als Jugendliche in dem Haus verkehrt haben, stören sich daran, dass Mitarbeiterinnen und weibliche Besucher nicht islamisch-züchtig gekleidet seien. Frankfurter Jugendzentren dienen offenbar auch als Rekrutierungs- und Treffpunkt für Salafisten. H.H.

 

Pralinen fürs Volk

Die Ukrainer hatten keine große Wahl. Milliardärin oder Milliardär, „Gasprinzessin“ oder „Schokoladenkönig“ – das war die Frage bei der Präsidentschaftswahl. Am Ende entschied sich das Volk, das wählen durfte – die Ostukrainer boykottierten größtenteils die Wahl –, gegen Julia Timoschenko und für Pjotr Poroschenko.

Wieder einmal soll ein Oligarch das Land retten. Mit seinem Schokoladenimperium Roshen, das Süßwaren nach ganz Osteuropa exportiert, hat der 1965 im Süden der Ukraine geborene Poroschenko ein laut „Forbes“ auf 1,6 Milliarden US-Dollar geschätztes Vermögen angehäuft. Zu seinem Imperium gehören inzwischen auch ein Schifffahrts- und ein Rüstungsunternehmen.

Ein Hoffnungsträger sieht eigentlich anders aus. Die Majdan-Demonstranten forderten einst, dass sich die 100 reichsten Ukrainer aus der Politik heraushalten sollten. Poroschenko regierte, indem er Brennholz und Trinkwasser auf den Platz karren ließ und zu den Aufständischen sprach. Er gab sich als einer der ihren aus. Aber keiner weiß, wo er politisch wirklich steht. Er unterstützte die Orangene Revolution und war unter Juschtschenko Außenminister des Landes. Und unter dem außer Landes gejagten Janukowitsch war er ebenso kurze Zeit Wirtschaftsminister. Dann vollzog er eine erneute Kehrtwende und schwenkte zu den Oppositionellen über.

Weil er das EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine vorantrieb, durfte er seine Pralinen nicht mehr nach Russland ausführen. Seitdem erleidet seine Firma Millionenverluste. Klar, dass er sie jetzt loswerden will. Vor der Wahl köderte er die Oligarchen-Skeptiker mit dem Satz: „Wenn ich Präsident werde, verkaufe ich Roshen.“ So vereinbart man Politik mit Geschäftsinteressen. tws


MEINUNGEN

Marc Friedrich und Matthias Weik, Autoren der Bücher „Der größte Raubzug der Geschichte“ und „Der Crash ist die Lösung“ monieren in der Zeitschrift „Szenario 7“ (21. Mai), warum sich die Finanz- und Euro-Krise noch verschärft hat:

„Seit Ausbruch der Krise haben Politik, Notenbanken und Finanzindustrie sich nur teuer Zeit erkauft und damit vor allem eines beschleunigt – die volkswirtschaftliche Schadensmaximierung auf Kosten von uns Bürgern. Nichts wurde aus der Krise gelernt und nichts wurde geändert ... Zudem haben sie (die Banken) Unglaubliches erreicht: Sie ist die einzige Branche, die außerhalb von Recht und Gesetz steht und anscheinend immer wieder auf weichen Federn landet trotz systematischen Betrugs, Lugs und Manipulationen am laufenden Band.“

 

 

Für Timo Stein („Cicero“, 22. Mai) ist mit dem Einzug der AfD ins EU-Parlament ein neues Parteiensystem entstanden, worauf sich vor allem die Union werde einstellen müssen:

„Der AfD-Chef Bernd Lucke steht stellvertretend für die vielen unzufriedenen Ex-Unionisten, die in der Merkel-CDU keine politische Heimat mehr sehen. Die AfD ist längst dabei, in das nationalkonservative Vakuum zu stoßen, das die heutige CDU/CSU in den Jahren der Regierungsverantwortung hinterlassen hat. Darüber hinaus kann die AfD durch den Niedergang der FDP auch nationalliberal punkten.“

 

 

Bettina Röhl wirft Union, SPD, Grünen und Linkspartei vor, einen EU-Wahlkampf am Rande der Verfassungsfeindlichkeit geführt zu haben. In der „Wirtschaftswoche“ (20. Mai) schreibt sie:

„Sie (alle Parteien des Bundestags) setzen zumeist Kritik am Euro, also die Kritik an der Währung namens Euro, mit Kritik an der EU gleich und Kritik an der supranationalen Organisation namens EU setzen sie mit Kritik an Europa an und für sich, der europäischen Kultur- und Wertegemeinschaft gleich. Diese Gleichsetzung ist, da zumeist von sehr böser Absicht getragen, nicht nur ein logikfeindliches Konstrukt, sondern eines, das auf Aushebelung der Meinungsfreiheit und damit der demokratischen Mitbestimmung jedes Einzelnen abzielt.“

 

 

Daniel Reinhardt kritisiert in „Focus Money“ (22. Mai) die Enteignung der Bürger:

„In der Praxis hat die Enteignung der Bürger längst begonnen. Die Bürger verlieren, der Staat kassiert. Negative Realzinsen lassen die Vermögen der Sparer von Jahr zu Jahr schrumpfen. Und Profiteur ist Finanzminister Wolfgang Schäuble, der trotz Rekordschuldenniveau Jahr für Jahr weniger Zinsen bezahlen muss.“

 

 

Selbst der Kommentator der „Süddeutschen Zeitung“, Thomas Kirchner, kritisierte kurz vor der Wahl (22. Mai) den Umgang von älteren Parteien und den meisten Medien mit der AfD:

„Unangenehme Kritiker zu dämonisieren, statt bessere Argumente zu liefern, ist politische Faulheit. Es läuft nicht rund in der EU. Wie eine Pflanze den Wind braucht, um stärker zu werden, braucht Europa Kritik –gerade aus Deutschland.“