20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Preußische Allgemeine Zeitung - Aktuelle Ausgabe

© Preußische Allgemeine Zeitung Folge 24/14 vom 14.06.2014

S. 1 Preußische Allgemeine Zeitung

Jetzt sind wir dran
EZB erzwingt lieber gigantische Massenenteignung deutscher Sparer als Reformen

Bislang mochten die Deutschen die Euro-Krise für ein Phänomen halten, das ausschließlich in den sogenannten „Krisenländern“ des Süden wütet, sie selbst aber weitgehend ungeschoren lässt. Das war von Anfang an eine Illusion, die sich nun auflöst.

Mit den schmerzlichen Kürzungen bei den zur Auszahlung fälligen Lebensversicherungen haben die Deutschen einen ersten akuten Schlag einstecken müssen – also einen, der nicht erst langfristig wirkt wie Kreditausfälle bei den „Rettungsschirmen“ und real negative Zinsen.

Die Entscheidung der EZB, den Einlagenzins für Banken ins Minus zu drücken, ein historischens Novum, kündigt an, dass dies erst der Anfang einer gigantischen Massenenteignung war, mit der die Deutschen für den Fortbestand des Euro bluten sollen.

Den Einlagenzins zahlen Geschäftsbanken, die Geld bei der Zentralbank deponieren. Ab sofort bekommen sie dafür Laut EZB-Chef Mario Draghi keine Zinsen mehr, sondern müssen welche bezahlen. Kein Zweifel, dass sie die Kosten dafür den Sparern aufdrücken.

Ziel sei es, die Banken, vor allem in Südeuropa, dazu zu drängen, mehr Kredite an Privat- und Geschäftskunden auszugeben, statt Geld zu horten, so die EZB. Damit solle die lahmende Wirtschaft angekurbelt werden.

Experten weisen dies als Blütentraum zurück. In dem verheerenden Wirtschaftsumfeld Süd- europas werde auch dann kaum jemand investieren, wenn Kredite noch billiger seien.

Die Fachwelt befürchtet etwas ganz anderes: Die dringend reformbedürftigen Länder werden die noch niedrigeren Zinsen nutzen, um schmerzhafte (und daher unpopuläre) Einschnitte zu unterlassen. Dies fällt ihnen nun noch leichter, denn da neue Kredite nun so günstig sind, wie nie zuvor, machen sie einfach neue Schulden. Damit verlieren ihre Länder aber nur weitere Jahre, fallen weiter zurück und erleben danach ein noch brutaleres Erwachen.

Damit zahlen die deutschen Sparer nur dafür, dass die Politiker in den einstigen Weichwährungsländern, welche die Euro-Zone heute beherrschen, sich abermals zurücklehnen können. Dafür, dass sie sich nach der Devise „Nach uns die Sintflut“ Ruhe für die nahe Zukunft kaufen können, weil für sie die fernere sowieso nicht so wichtig ist.

Längerfristig gewinnen wird ledigleich eine winzig kleine, aber märchenhaft reiche Schar von Riesenspekulanten, die mit dem Billiggeld, zu dem die Euro-Zentralbank die Ersparnisse der Deutschen gemacht hat, weitere Blasen aufpumpt und absahnt. Die Immobilien- und Aktienpreise laufen bereits heiß.

Wer ein Gedächtnis hat, der weiß noch, wie die erste Euro-Krise begann: genauso. Nur dass wir heute auf einem weitaus brüchigeren Fundament mit viel höheren Schulden balancieren. Verblüffend ist, wie regungslos die Deutschen ihre Enteignung hinnehmen. Hans Heckel


Maulkorb für Steinbach
Volker Bouffier verbittet sich weitere Debatten in Hessen-CDU zur AfD

Vergleichsweise lange hatte Hessens Ministerpräsident und CDU-Landeschef Volker Bouffier zur Debatte innerhalb seiner Partei über eine mögliche Kooperation mit der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) geschwiegen, doch Pfingsten sprach er ein Machtwort. Die Debatte sei „absurd“, so der mit den Grünen im Landtag koalierende Regierungschef, der damit renommierten Politikern seiner Partei einen Maulkorb erteilte. Für ihn sei die AfD vor allem ein „wirrer Haufen“, der weder politik- noch regierungstauglich sei, so Bouffiers Begründung.

Diese eindeutige Positionierung trifft vor allem die Bundestagsabgeordnete und Präsidentin des Bundes der Vertriebenen Erika Steinbach. Das zum konservativen Flügel der CDU zählende Polit-Urgestein hatte im „Spiegel“ lobende Worte für die neue Partei von Bernd Lucke gefunden: „Die AfD ist nach meinen Beobachtungen eine rechtsstaatliche, demokratische Gruppierung und damit ebenso unser Konkurrent wie unser möglicher Partner.“ Unterstützung erhielt sie vom Bundestagskollegen Klaus-Peter Willsch und dem früheren hessischen CDU-Fraktionsvorsitzenden Christean Wagner. Alle drei hoffen, mit einer Öffnung gegenüber der AfD auch die CDU wieder ein wenig nach rechts bewegen zu können.

Zudem gibt es auch gute Sachargumente, die dafür sprechen, die AfD zum Thema zu machen. So hat die CDU in Hessen bei der EU-Wahl mit 30,6 Prozent ein ziemlich ernüchterndes Ergebnis erzielt. Die Lucke-Partei hingegen kam mit 9,1 Prozent auf ein Ergebnis, das über ihrem Bundes-Durchschnitt lag. Vieles spricht also dafür, dass der CDU Wähler Richtung AfD davongelaufen sind – eine Erfahrung, die die CDU bundesweit machen musste, auf die sie aber offenbar nicht zu reagieren gewillt ist. Bel

(Siehe Kommentar Seite 8.)


»Spinner« ist erlaubt
Bundesverfassungsgericht: Gauck darf NPD-Anhänger beleidigen

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem von der NPD angestrengten Organstreitverfahren entschieden, dass Bundespräsident Joachim Gauck die Anhänger der Partei als „Spinner“ bezeichnen darf. Das Staatsoberhaupt hatte im September 2013 in einer Diskussion mit Schülern die NPD-Anhänger als solche bezeichnet. Nach Ansicht der Verfassungsrichter hat der Bundespräsident damit nicht willkürlich Partei ergriffen oder die Chancengleichheit der NPD verletzt.

In der Begründung heißt es, der Bundespräsident könne den mit seinem Amt verbundenen Erwartungen nur gerecht werden, wenn er auf gesellschaftliche Entwicklungen und allgemeinpolitische Herausforderungen entsprechend seiner Einschätzung eingehen könne. Dabei sei der Amtsinhaber in der Wahl der Themen ebenso frei wie „in der Entscheidung über die jeweils angemessene Kommunikationsform“. Wie er seine Repräsentations- und Integrationsaufgaben mit Leben erfülle, entscheide er grundsätzlich selbst. Einzelne seiner Äußerungen könnten gerichtlich nur dann beanstandet werden, wenn er willkürlich Partei ergreife.

Der Bundespräsident habe mit der Bezeichnung „Spinner“ zwar ein negatives Werturteil abgegeben, das „isoliert betrachtet durchaus als diffamierend empfunden werden und auf eine unsachliche Ausgrenzung der so Bezeichneten hindeuten“ könne. Hier jedoch diene sie „als Sammelbegriff für Menschen, die die Geschichte nicht verstanden haben und, unbeeindruckt von den verheerenden Folgen des Nationalsozialismus, rechtsradikale, nationalistische und antidemokratische Überzeugungen vertreten“. Die mit der Bezeichnung „Spinner“ in diesem Zusammenhang vorgenommene Zuspitzung sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. J.H.


Jan Heitmann:
Lob und Tadel

Man mag es kaum glauben: In Hamburg wird eine Uferpromenade nach der 1893 geborenen britischen Schriftstellerin Vera Brittain benannt. Nicht, weil sie praktizierende Pazifistin war, sondern weil sie als solche 1944 in ihrer Schrift „Massacre by bombing“ vehement gegen den Bombenterror gegen die deutsche Zivilbevölkerung protestierte. Dass demnächst eine Verkehrsfläche in dem im Feuersturm 1943 untergegangenen Stadtteil Hammerbrook ihren Namen tragen wird, ist Gerfried Horst, dem Vorsitzenden des Vereins „Freunde Kants und Königsbergs“, zu verdanken, der den Anstoß zu der Benennung gab. Lob verdienen aber auch die Bezirksgremien und der Hamburger Senat, weil sie seinem Vorschlag gefolgt sind. Um der historischen Wahrheit und der deutsch-britischen Verständigung willen, die nur auf dem Boden dieser Wahrheit ehrlich gedeihen kann.

Befremdlich dagegen ist die Entscheidung zur Errichtung eines Deserteursdenkmals in der Hansestadt, wird damit doch suggeriert, Fahnenflucht sei ausnahmslos ein Akt der Opposition gegen das NS-Regime gewesen. Zweifellos haben viele Deserteure aus diesem lauteren Motiv gehandelt. Aber längst nicht alle Fahnenflüchtigen haben für ihr Verhalten eine Ehrung verdient. Kritikwürdig ist auch die Wahl des Standortes in zentraler Lage direkt neben dem 1936 für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges errichteten Ehrenmal und einem nie fertiggestellten „Gegendenkmal“. Denn damit wird eine Botschaft ausgesendet, die nicht der historischen Wahrheit entspricht: hier der per se böse Soldat, dort der per se gute Deserteur. Dafür gibt es einen Tadel.


S. 2 Aktuell

Wille zur Aufklärung fehlt
Amerikanische Spur bei einem der »NSU-Morde« offenbar doch existent, aber BND fragte nie nach

Als die Illustrierte „Stern“ im November 2011 mit der Meldung aufwartete, US-Geheimdienstler seien Zeugen gewesen, als in Heilbronn die Polizistin Michèle Kiesewetter mutmaßlich vom Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) ermordet wurde, waren die Zweifel stark verbreitet. Nun hat der Vorgang allerdings eine erstaunliche Wendung genommen.

Gestützt auf ein Observationsprotokoll des militärischen US-Geheimdienstes DIA (Defense Intelligence Agency) hatte der „Stern“ berichtet, US-Kräfte seien am 25. April 2007 damit beauftragt gewesen, einen Islamisten zu observieren. Als es auf der Heilbronner Theresienwiese zu einer Schießerei – dem Mord an der Polizistin – gekommen war, sei der Einsatz abgebrochen worden, so die Darstellung des „Stern“. Waren zuerst Formfehler angeführt worden, um Zweifel an der Authentizität des veröffentlichten Observationsprotokolls zu säen, schien mit einem späteren amtlichen Dementi die Darstellung insgesamt als erledigt. Die Hinweise auf eine angebliche Anwesenheit von US-Sicherheitsbehörden hätten sich als „nicht tragfähig“ erwiesen, so ein Sprecher der Bundesanwaltschaft im Oktober 2012.

Inzwischen hat der Vorgang nochmals eine erstaunliche Wendung genommen. Gestützt auf Dokumente des Bundesnachrichtendienstes (BND) haben die „Stuttgarter Nachrichten“ am 28. Mai dieses Jahres nun abermals über eine Anwesenheit von US-Sicherheitskräften beim Heilbronner Polizistenmord berichtet. Wie aus BND-Unterlagen hervorgehen soll, habe zum Zeitpunkt der Schießerei auf der Theresienwiese eine Operation der US-Bundespolizei FBI in Heilbronn stattgefunden, so die „Stuttgarter Nachrichten“. Demzufolge soll sich ein für die „Koordinierung der US-Geheimdienste in Süddeutschland“ verantwortlicher US-Vertreter am 2. Dezember 2011 an deutsche Sicherheitsbehörden in Stuttgart gewandt haben. Wie die damals für Bayern und Baden-Württemberg zuständige BND-Verbindungsreferentin mit dem Dienstnamen „Ingrid Corell“ an die BND-Zentrale weitergemeldet hat, soll der US-Agent erst dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) und dann der Stuttgarter BND-Verbindungsstelle 2I71 berichtet haben, bei einer Operation am 25. April seien zwei FBI-Männer auf deutschem Boden in Heilbronn eingesetzt gewesen. In einer weiteren E-Mail drei Tage später heißt es sogar, die US-Seite habe erkennen lassen, dass eine eigene Untersuchung der Ereignisse die „Beteiligung“ von zwei FBI-Mitarbeitern ergeben habe.

Bemerkenswert ist nicht nur der 2. Dezember als angegebener Zeitpunkt der Kontaktaufnahme durch die Amerikaner, war doch der „Stern“ nur wenige Tage zuvor mit seiner spektakulären Veröffentlichung zu den Heilbronner Ereignissen an die Öffentlichkeit gegangen. Ebenso erstaunlich ist die Reaktion der deutschen Sicherheitsbehörden auf den Hinweis. Die Anregung der US-Nachrichtendienste, mit der Stuttgarter BND-Verbindungsstelle in diesem Fall offiziell in Verbindung treten zu dürfen, soll ausgeschlagen worden sein. Es werden „keine weiteren BND-Maßnahmen eingeleitet“, so eine handschriftliche Notiz auf einem später für den NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages kopierten Ausdruck des Mailverkehrs. Sollte die Darstellung zutreffen, scheint sich zumindest beim BND der Wille zur Aufklärung in der Angelegenheit sehr in Grenzen gehalten zu haben.

Ins Bild passt ein Aktenvermerk vom 27. April 2012, den die „Stuttgarter Nachrichten“ ebenfalls zitieren. Mit Blick auf den NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages ist da vermerkt, der BND verfüge „über auch juristisch abgesicherte Textbausteine, die in den letzten Untersuchungsausschüssen, in denen der BND beteiligt gewesen ist, erfolgreich eingesetzt wurden“. Diese offensichtliche Ignoranz gegen-über gewählten Abgeordneten des Bundestages ist bemerkenswert.

Knapp ein Jahr, nachdem der Schlussbericht des Bundestagsuntersuchungsausschuss zum NSU vorgelegt worden ist, scheint offensichtlich, dass nicht nur rund um den Heilbronner Polizistenmord viele Fragen offen geblieben sind. So stellen selbst Obleute des ehemaligen NSU-Ausschusses wie Eva Högl (SPD), Petra Pau (Linke) oder Clemens Binninger (CDU) mittlerweile infrage, dass die These einer „NSU aus nur drei Personen mit einem kleinen Helferkreis“ noch aufrecht erhalten werden kann. Eva Högl zweifelt ebenso an, dass die Polizistin Michèle Kiesewetter zufällig zum Opfer geworden sei, wie dies noch im 2013 fertiggestellten Abschlussbericht dargestellt wurde. Nach neuen Erkenntnissen gingen sie und ihre ehemaligen Ausschusskollegen nun davon aus, dass Kiesewetter gezielt ermordet worden sei, so Högl. Der Verdacht birgt einige Brisanz in sich. Die Polizistin hatte ihren Dienst kurzfristig mit einem Kollegen getauscht. Wann und wo Kiesewetter im Einsatz war, war eigentlich nur sehr wenigen Personen und nur polizeiintern bekannt.

Norman Hanert


Mega-Wahllokale für Türken
Bei türkischer Präsidentschaftswahl 1,4 Millionen hier wahlberechtigt

Die türkische Präsidentschaftswahl findet vom 31. Juli bis 3. August statt. Die Botschaft der Türkei in Berlin hatte mit einer Verbalnote beantragt, dass erstmals auch in Deutschland die Stimmabgabe bei einer türkischen Präsidentschaftswahl erfolgen kann, und zwar an sieben Standorten. Wie das Bundesinnenministerium (BMI) auf Anfrage der PAZ mitteilt, wurde dies am 28. Mai vom Auswärtigen Amt nach Beteiligung des BMI und der Sicherheitsbehörden des Bundes genehmigt. Die türkische Botschaft rechnet mit 1365274 wahlberechtigten türkischen Staatsangehörigen in Deutschland. Nach dem deutschen Ausländerzentralregister leben bei uns 1392142 türkische Staatsangehörige über 18 Jahre. Die meisten Türken leben in Nordrhein-Westfalen (510000). In Berlin sind die Türken mit 101000 Personen die größte Ausländergruppe. Rechnet man den Migrationshintergrund dazu, stammen in Berlin 177000 Menschen aus der Türkei. 144000 von ihnen sind bei der Präsidentschaftswahl wahlberechtigt.

Für die Abstimmung müssen „Mega-Wahllokale“ eingerichtet werden. In Berlin etwa ist das Olympiastadion dafür vorgesehen, in Essen die Messehallen. Eine Briefwahl soll nicht möglich sein. Daher wird mit einem großen Andrang an den Wahllokalen gerechnet. Für die deutschen Sicherheitsbehörden wird ein großer Aufwand nötig. Falls im ersten Wahlgang keine Entscheidung fällt, soll vom 17. bis 20. August ein weiterer Wahlgang folgen.

Wie das Statistische Bundesamt auf Anfrage der PAZ mitteilt, gab es am Zensus-Stichtag 9. Mai 2011 etwa 530000 deutsch-türkische Doppelstaatler. Das entspricht ungefähr der Einwohnerzahl der Landeshauptstadt Bremen. Von der über eine halbe Million deutsch-türkischer Doppelstaatler waren 2011 knapp 129000 Personen über 18 Jahre und somit wahlberechtigt. Für die Jahre 2000 bis 2009 nennt das Statistische Bundesamt die Zahl von zusammen 167381 Kindern türkischer Eltern in Deutschland, die der Optionspflicht unterlagen. Die große Mehrheit von ihnen entschied sich bisher für die deutsche Staatsangehörigkeit. Nach dem künftigen weitgehenden Wegfall der Optionspflicht bei doppelter Staatsangehörigkeit wird die Zahl deutsch-türkischer Doppelstaatler steigen. Junge Männer werden bedenken, dass sie mit deutscher und zugleich türkischer Staatsangehörigkeit in der Türkei der Wehrpflicht unterliegen. Mit derzeit 6000 Euro können sie sich allerdings davon freikaufen. Ein die Wehrpflicht von Doppelstaatlern regelndes Wehrpflichtabkommen zwischen Deutschland und der Türkei gibt es nicht.

Wer die türkische und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, kann auch bei einem Wegzug in die Türkei noch jahrzehntelang den Bundestag mitwählen. Das Bundeswahlgesetz schreibt nur vor, dass man nach dem 14. Lebensjahr mindestens drei Monate ununterbrochen in Deutschland eine Wohnung hatte oder sich sonst gewöhnlich dort aufhielt und der Aufenthalt nicht länger als 25 Jahre zurückliegt.

Michael Leh


Neu beim Bund
Niederländische Brigade jetzt Teil der DSK

Seit letztem Donnerstag ist die niederländische 11. Lucht­mobiele Brigade Teil der Division Schnelle Kräfte (DSK) des deutschen Heeres. Der in Schaarsbergen in der Nähe von Arnheim stationierte luftbewegliche Verband mit drei Kampfbataillonen und Unterstützungskräften untersteht damit nicht mehr dem Generalstab des niederländischen Heeres, sondern direkt dem deutschen Divisionskommando im hessischen Stadt­allendorf. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihre niederländische Amtskollegin Jeanine Hennis-Plasschaert besiegelten diesen einmaligen Schritt in Gegenwart von Delegationen beider Parlamente mit einer feierlichen Vertragsunterzeichnung in Schaarsbergen und einem anschließenden militärischen Appell in Stadtallendorf.

Hennis-Plasschaert und der damalige deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maizière hatten vor einem Jahr die Intensivierung der Zusammenarbeit vereinbart. Mit der Eingliederung der 2100 niederländischen Luftlandesoldaten in den deutschen Großverband soll nun ein „Synergieeffekt mit Modellcharakter“ entstehen.

In der DSK sind seit Anfang des Jahres fast alle luftbeweglichen Teile, die Heeresflieger und die Spezialkräfte des deutschen Heeres zusammengefasst. Ihre 9500 Soldatinnen und Soldaten (ohne niederländischen Anteil) sind in kurzer Zeit auch über große Entfernungen einsetzbar. Die Division ist in der Lage, gleichzeitig zwei räumlich voneinander unabhängige Operationen durchzuführen. Ihr Einsatzspektrum reicht von Evakuierungsmaßnahmen über den Kampf gegen irreguläre Kräfte, schnelle Anfangs- und Abschlussoperationen bis hin zu Operationen in der Tiefe des gegnerischen Raumes. Die niederländische Brigade ist schon lange auf derartige Aufgaben spezialisiert und hat auf dem Balkan, im Irak und in Afghanistan viel Erfahrung auf diesem Feld gesammelt. Auch in den Niederlanden entscheidet das Parlament über einen Militäreinsatz – allerdings deutlich großzügiger als die deutschen Abgeordneten. Welche Auswirkungen das auf den Einsatz der DSK hat, bleibt abzuwarten. J.H.


MELDUNGEN

Alex weiter Gefahrenzone

Berlin – Trotz Einrichtung einer mobilen Polizeiwache bleibt Berlins Alexanderplatz Schauplatz von Gewalttaten. Einem Bericht des „Tagesspiegel“ zufolge umringte am Abend des 30. Mai eine aus etwa zehn Jugendlichen bestehende Gruppe plötzlich einen 44-jährigen Fußgänger und schlug ihm mehrmals ins Gesicht. Dem Angegriffenen gelang es, sich loszureißen und in der Nähe befindliche Polizeibeamte anzusprechen. Bei der Überprüfung der türkisch- und arabischstämmigen Gruppe verhielt sich diese nach Polizeiangaben „verbal aggressiv und beschimpfte die Polizisten“. Nur wenige Stunden später ereignete sich ebenfalls auf dem Alexanderplatz eine weitere Schlägerei. N.H.

 

Hessenrundfunk ist einsichtig

Frankfurt/M. – Helmut Reitze, Intendant des Hessischen Rundfunks, bedauert die mangelnde Sorgfalt seiner Redakteure bei der Darstellung der Geschichte Ostpreußens. Die Landsmannschaft Ostpreußen hatte sich zuvor darüber beschwert, dass in einem Bericht der „Hessenschau“ über das Deutschlandtreffen der Ostpreußen in Kassel davon gesprochen wurde, dass Ostpreußen „seit 1945 wieder ein Teil von Polen, Litauen und Russland“ sei. Das Wort „wieder“ suggeriere, dass Ostpreußen schon vor 1945 Teil dieser Länder gewesen sei und erst durch den Krieg vorübergehend zum Deutschen Reich gehört habe. Dieser Fehler sei, so Reitze in seinem Antwortschreiben, besonders ärgerlich, weil er sich mit der gebotenen Sorgfalt leicht hätte vermeiden lassen. Leider hätten seine Redakteure jedoch ihrer „vermeintlichen geschichtlichen Kenntnis“ vertraut, statt den Sachverhalt „schlicht anhand leicht erreichbarer, zweifelsfreier Quellen zu überprüfen“. J.H.


S. 3 Preussen/Berlin

Tempel des Missverständnisses
Berliner Initiative will ein Bet-Haus für Christen, Juden und Moslems bauen

In Berlin wirbt der Verein „Bet- und Lehrhaus Petriplatz“ für ein interreli-giöses Gebets- und Begegnungshaus für Christen, Juden und Muslime zur gemeinsamen Nutzung. Das Konzept mit drei Gebetsräumen ist schwammig, offene Kritik am moralisch überfrachteten Plan wagt dennoch kaum jemand. Neben der örtlichen protestantischen und der jüdischen Gemeinde Berlins unterstützen Anhänger der umstrittenen islamischen Gülen-Bewegung „The House of One“.

Der katholische Schriftsteller Martin Mosebach nennt das Projekt spöttisch „Pharaonengrab“. Nach Jahren der Planung, während derer es an Geld fehlte, wollen die Initiatoren 2015 den Grundstein legen. Die Idee kommt von der evangelischen Kirchengemeinde St. Petri/St. Marien. Gregor Hohberg, Pfarrer der Kirchengemeinde, ist zugleich Vorsitzender des neuen Vereins.

Einen neuen religiösen Mix aus den drei künftig im Bethaus vorgesehenen Weltreligionen will er nicht entstehen sehen, „vielmehr wollen wir lernen, in Würde und Respekt miteinander umzugehen“. Konkret stellt sich der Verein eine jährlich wiederkehrende Aufführung von Gotthold Ephraim Lessings Drama „Nathan der Weise“ in dem geplanten Kubus mit 32 Meter hohem Turm vor.

Rund 40 Millionen Euro soll der Bau kosten, zu finanzieren durch Spenden, so die Initiatoren. In einem weltweit ausgeschriebenen Architekturwettbewerb haben sie das Berliner Architektenbüro Kuehn Malvezzi zum Sieger gekürt. Das muss allerdings schon baulich widerstrebenden Ansprüchen gerecht werden: Moslems erhalten einen quadratischen Raum für maximales Fassungsvermögen, Juden Platz auf dem Dach für das Laubhüttenfest und ständig kommen neue Nutzungskonflikte hinzu. Das „fördert den Dialog“, sagen die Macher.

Der grundlegende Konflikt, im Namen angeblich eines Gottes für alle Religionen zu bauen, gerät darüber in Vergessenheit. Auch symbolisch ist das Projekt hoch brisant: Der Neubau entsteht auf den Fundamenten der einstigen St. Petri-Kirche in Berlin-Mitte, im einstigen Cölln, dort, wo die Anfänge der Stadt liegen, dokumentiert durch archäologische Grabungen vor Ort 2007.

Die DDR-Machthaber ließen den letzten Petrikirchbau 1964 sprengen. Ähnlich der ebenfalls zu DDR-Zeiten gesprengten Paulinerkirche in Leipzig sieht die protestantische Amtskirche nun einen zergliederten und vielen Zwecken zugewandten Andachtsort vor, der zudem den heiklen Versuch eines ersten großen multikonfessionellen Gotteshauses in Deutschland startet. „Das Haus des Einen“ taugt mithin als Signal des Rückzugs und Mitgliedersterbens der evangelischen Kirche.

Auch existieren in Berlin schon Begegnungsstätten und interreligiöse Räume. Diese sind streng genommen keine Gotteshäuser, dennoch stehen sie Anhängern aller Religionen zur Verfügung. In Berlin gibt es darüber hinaus den „Raum der Stille“, sogar an prominentem Ort, im Brandenburger Tor. Dieser an Konfessionen nicht gebundene Ort der Begegnung steht unter der Schirmherrschaft des einstigen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD). Rund 70000 Besucher kommen nach Angaben des „Förderkreises Raum der Stille in Berlin“ jährlich, um die Einrichtung zu nutzen. Der Entwurf des Baus, dessen Turm an die zerstörten Twin Towers in New York und dessen Sockel an eine gelb geziegelte Moschee erinnert – wäre somit überflüssig.

Das am Petri-Projekt beteiligte „Forum für Interkulturellen Dialog“ (FID) gehört zudem zur Bewegung des türkischen Predigers Fethullah Gülen. Von den USA aus steuert er ein weltweit wachsendes Netzwerk von Schulen und Universitäten, repräsentiert aber nur eine Minderheit der türkischen Moslems in Berlin. Der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan machte Gülen gar als „Hauptfeind der Türkei“ aus. Somit scheinen politische Konflikte programmiert. Selbst die rasche Unterstützung seitens der Jüdischen Gemeinde von Berlin und des Abraham-Geiger-Kollegs Potsdam kaschiert kaum die einseitigen Erwartungshaltungen von protestantischer Seite als Pulsgeber.

So beklagt eine neue Studie der Uni Bremen „Interreligiöse und interkulturelle Dialoge mit Muslimen in Deutschland“ angesichts der vielen darin untersuchten religiösen Dialoginitiativen die „zahlenmäßig ungleiche Beteiligung von Muslimen und Christen im Dialog“. Das „Dialoggeschehen“ sei „insgesamt bildungsbürgerlich geprägt“. Zudem, so formuliert die Studie vorsichtig, müsse man dem Umstand gerecht werden, „dass möglicherweise Moscheevereine – ähnlich wie auch (zumindest historisch betrachtet) viele katholische Gemeinden – eine andere (Bildungs-)Klientel ansprechen als protestantische Gemeinden“.

Auch in Berlin geht die Initiative vor allem vom protestantischen Umfeld aus. Ob dessen „bildungsbürgerliche“ Erwartungshaltungen an „The House of One“ bei Moslems überhaupt eine Entsprechung finden, darf bezweifelt werden. Das gilt schon deshalb, da Moslems ihrer Religion weit weniger distanziert intellektuell gegenüberstehen, sondern selbstbewusst darin beheimatet sind. Entsprechend schwierig gestaltete sich die Suche nach einem islamischen Partner, die schließlich beim FID endete. Sverre Gutschmidt


Die »Linke« und der Populismus
von Theo Maass

Gern kritisieren Politiker der Linkspartei Andersdenkende als (Rechts-)Populisten. Der Vorwurf lautet gemeinhin, um auf Stimmenfang bei den Bürgern zu gehen, würden angeblich „rechte“ Ansichten und Forderungen vertreten, die sich als letztlich nicht durchsetzbar erwiesen.

Der von den „Linken“-Ministern mitgetragene Kabinettsbeschluss in Brandenburg zur Braunkohle (siehe Meldung unten) ist – unabhängig davon, ob man den Abbau der Braunkohle gutheißt oder nicht – indes ein schönes Beispiel dafür, dass der den „Rechten“ vorgeworfene unseriöse Populismus, der falsche, unrealistische Erwartungen wecke, letztlich von den „Linken“ in Reinkultur praktiziert wird.

Vor der Landtagswahl 2009 in Brandenburg ging die „Linke“ mit der Unterstützung eines – allerdings erfolglosen – Volksbegehrens gegen den Braunkohleabbau auf Stimmenfang. Die vergleichsweise wirtschaftsfreundliche SPD machte den Wählern vor der Wahl hingegen nichts vor – sie ist für den Braunkohletagebau und hat ihn nun ja auch durchgesetzt.

Die Gegner des Tagebaus hofften damals, mit ihrer Stimmabgabe für die „Linke“ Einfluss auf die Landespolitik nehmen zu können. Mit einem Votum für die in der Mark recht schwachen Grünen war nämlich bestenfalls Oppositionspolitik zu ernten. Die SED-Erben hingegen waren Regierungspartei im Wartestand. Auch auf Bundesebene agitiert die „Linke“ gern gegen die angeblich klimaschädliche Braunkohle. Während die Bundesvorsitzende Katja Kipping weiter Ausstiegsphantasien propagiert, backen die brandenburgischen „Linken“-Landesminister kleinere Brötchen. Brandenburgs Vize-Regierungschef Helmuth Markov dreht nun sogar noch eine Schleife des Hin und Her und fabuliert: „Der Kabinettsbeschluss bedeutet noch nicht, dass der Tagebau kommt.“ Der Beschluss könne revidiert werden, die Bürger könnten ja klagen. Umweltministerin Anita Tack sei mitnichten vor dem Koalitionspartner SPD eingeknickt und die Braunkohle sei eine „Brückentechnologie“ bis man mit den Erneuerbaren Energien unabhängig von der Kohle sei. Wen soll dieses diffuse Gerede aus der Linkspartei noch überzeugen?

Die SPD in Brandenburg hat sich dagegen clever verhalten. Sie hat die – in Brandenburg raren – Arbeitsplätze gesichert und Wirtschaftskraft erhalten. Nach dem Wahltag kann sie vermutlich wieder zwischen zwei Koalitionsoptionen auswählen, denn die CDU steht schon bereit. Allerdings könnten mit dem Einzug der „Alternative für Deutschland“ in den Brandenburgischen Landtag auch andere Machtoptionen entstehen.


Hilflos vor Bürgerzorn
Brandenburgs Grenzkriminalität: Hitzige Debatte in Frankfurt/Oder

Brandenburgs Polizeipräsident Arne Feuring erntete in Eisenhüttenstadt den Zorn der Bürger über die Hilflosigkeit der Landespolizei in Sachen Grenzkriminalität. Sowohl Feuring als auch der mitgereiste Innenstaatssekretär Rudolf Zeeb (SPD) standen bei einer Bürger­diskussion der Zunahme von Straftaten in der Region hilflos gegenüber. Feuring führte Statistiken ins Felde, Zeeb betonte die Bürgerpflicht, Eigentum „selbst zu schützen“.

Der SPD, deren Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) zu der Veranstaltung eingeladen hatte, gehen die Antworten aus, denn die Sozialdemokraten halten an der verfehlten Polizeireform fest. Das machte Feuring vor Ort deutlich. Er sagte, als das Land noch 9000 oder gar 10000 Polizisten statt der heute 8000 gehabt habe, sei die Kriminalität statistisch höher gewesen. Ein von der FES bestellter Kriminologe schlug den Bürgern Vernetzung als Antwort auf die Grenzkriminalität vor – sie antworteten mit einer erbosten Zustandsbeschreibung.

Ein Gubener hielt den politischen Beamten die 860 Straftaten allein in den ersten vier Monaten des Jahres vor Augen, Aufklärungsquote: 33 Prozent. Von 88 Fahrzeugdiebstählen habe die Polizei in 80 Fällen keine Erkenntnisse zu den Tätern gewinnen können. Die Leiterin der Bauverwaltung in Neuenhagen berichtete, wie sie sich selbst ein Bild der Lage verschaffte, Maßnahmen zur Gebäudesicherung einleitete – eigentlich nicht ihr Job.

Das Innenministerium steht derweil durch sich formierende Bürgerwehren unter Druck, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen: „Sicherheitspartnerschaften ja – Bürgerwehren nein“, lautet die offizielle Losung. Brandenburgs Landesregierung nimmt lieber selbst als Ordnungshüter auftretende Bürger in Kauf, als für mehr Sicherheit zu sorgen.

Einer Diskussion darüber, warum das mit der Tschechei ebenfalls an Osteuropa grenzende Bayern eine deutlich bessere Bilanz vorweist, gehen Potsdams Politiker aus dem Weg. Die oppositionelle CDU warf Feuring sogar vor, die Statistik gefälscht zu haben. Die CDU stützte sich auf Berichte des RBB-Politmagazins „Klartext“ sowie ein Gutachten des Bochumer Kriminologen Thomas Feltes. Laut diesen Erkenntnissen seien per Dienstanweisung aus mehreren Einzeltaten mit mehreren Opfern ein Delikt gemacht und damit Straftaten verfälscht und Aufklärungsquoten verzerrt worden (siehe auch PAZ Nr. 14). SV


BER: Totalabriss?
Jetzt droht auch noch Bestechungsskandal

Zwei Jahre nach der einst vorgesehenen Eröffnung ist die Lage am Bau des neuen Berliner Flughafens BER verfahrener denn je. Bestechlichkeit, Verschwendung und zielloses Bauen prägen die Tagesordnung. Rückt der Totalabriss nahe?

Vor Gericht erzielt der Flughafen inzwischen mehr Erfolge als auf der Baustelle: Ein Vergleich mit Air Berlin kostet den BER-„Betreiber“ (ohne Betrieb im eigentlichen Sinne) nicht 48 Millionen Euro, wie von der Fluggesellschaft gefordert, sondern weniger als zwei.

Der Prozess um die Kündigung der Architekten geht indes weiter, und auch der Fall des gekündigten einstigen BER-Chefs Rainer Schwarz wegen Fortzahlung seines Gehalts dauert an. Seine Forderung, weiter Gehalt bis 2016 zu erhalten, mutet im Vergleich zu den anderen kostentreibenden Problemen geradezu nebensächlich an. Rund 355000 Euro Jahresgehalt bezog Schwarz zuletzt.

Hauptkostentreiber ist die Entrauchungsanlage, die nun auch Gegenstand von Korruptionsvorwürfen ist. BER-Technik-Chef Jochen Großmann ist Ziel staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen, nicht etwa weil er die für die Eröffnung als Haupthindernis geltende Anlage neu ausschreiben und planen lassen will, sondern weil er dabei von einer Firma Bestechungsgeld im Gegenzug für die Auftragserteilung gefordert haben soll. Die Vorwürfe treffen mit ihm als Aushängeschild des „Sprint- Teams“ zur Baubeschleunigung BER-Chef Hartmut Mehdorn und dessen Baumanagement. Kritiker sehen mittlerweile das gesamte Projekt eher auf den Abriss zusteuern statt auf eine Eröffnung. SV


Tagebau geht weiter

Die brandenburgische Landesregierung hat einstimmig beschlossen, den von Vattenfall betriebenen Tagebau in Welzow-Süd offen zu halten. Dort sollen bis 2042 rund 200 Millionen Tonnen Braunkohle abgebaut und 2020 die 800 Bewohner des Dorfes Proschim sowie Teile der Stadt Welzow umgesiedelt werden. Um einen Bruch der Koalition zu vermeiden, stimmten auch die Minister der Linkspartei dem Beschluss zu. Finanzminister Christian Görke, zugleich Landeschef der „Linken“, meinte: „Es geht um die Weiterführung eines bestehenden Tagebaus.“ Die Bergbaugewerkschaft IG BCE sowie Beschäftigte im Braunkohlebergbau zeigen sich zufrieden. Greenpeace und betroffene Bewohner sind dagegen empört. Die FDP – in den Umfragen in Brandenburg nicht mehr gelistet – fordert einen Volksentscheid zum Thema Braunkohle in Brandenburg. Braunkohlegegner hatten zeitweise die Bundeszentrale der Linkspartei in Berlin besetzt. H.L.


S. 4 Hintergrund

Falle der Abhängigkeit
Ukraine-Konflikt gefährdet europäische Raumfahrt-Missionen

„Blue Dot“ oder „blauer Punkt“, so nennt Alexander Gerst seine 166 Tage dauernde Mission im All. Anregung war ein Foto der US-amerikanischen Raumsonde „Voyager 2“, das die Erde aus großer Entfernung als blauen Punkt zwischen den Sternen zeigte.

„Der Moment, auf den ich mich am meisten freue, ist der Blick zurück zur Erde“, sagt Gerst. Ein Sojus-Schiff bietet diesen Ausblick nicht, aber auf der Internationalen Raumstation (ISS) ist das kein Problem. Nach der Begrüßung durch die Besatzung an Bord wird Gerst von der Aussichtskuppel aus den Blick auf die Erde genießen.

Gerst startete am 28. Mai von Baikonur aus und wird ein halbes Jahr bleiben. Nach Hans Schlegel, der 2008 auf der ISS arbeitete, ist Gerst der zweite Deutsche, der den menschlichen Außenposten in der Erdumlaufbahn besucht.

Gerst gehört seit Mai 2009 zum Europäischen Astronautenkorps. Seitdem durchlief er das aufwendige und fordernde Astronautentraining in den USA und in

der russischen „Sternenstadt“ (Swjosdny Gorodok), dem Trainingszentrum für die russischen Raumfahrer, bereitete sich in der Zentrifuge auf die hohen Belastungen beim Raketenstart vor und übte im Wassertank die schwerelose Arbeit im Weltraum. Dabei pendelte der 38-Jährige zwischen Hou-ston, Moskau, Köln und Tokio hin und her. Die letzten 14 Tage vor dem Start verbrachte er mit seinen Kameraden Maxim Suraev und Reid

Wiseman in Quarantäne. Gerst wird rund 100 Experimente durchführen. Ihr Spektrum reicht von Materialphysik über Weltraummedizin bis zur Biologie. 25 Experimente sind deutsche Projekte aus Forschung und Industrie. Im Juli wird er die Inbetriebnahme eines Schmelzofens überwachen, mit dem Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) neue Metalllegierungen testen wollen.

Gerst ist der elfte deutsche Raumfahrer. Zu seinen Vorgängern gehören Siegmund Jähn, Ulf Merbold und Thomas Reiter. Merbold war mit drei Missionen am häufigsten im All, Reiter kann mit zwei Langzeitmissionen auf die längste Flugdauer zurückblicken. Weniger bekannt ist Hans Schlegel mit zwei Raumflügen. Deutsche Raumfahrer flogen auf russischen Sojus-Schiffen und amerikanischen Space Shuttles. Sie arbeiteten an Bord der Raumstation „Mir“ und nutzen auf der ISS das von EADS Space, früher Astrium, in Bremen gebaute Raumlabor „Columbus“. Das Labor ist seit 2008 Teil der ISS.

Die Entscheidung zum Bau von „Columbus“ fiel bereits 1985 auf einer Tagung des Ministerrats der Europäischen Weltraumorganisation (Esa). Mit dem Raumlabor erwarb die Esa das Recht, 51 Prozent seiner Kapazitäten zu nutzen. Das entspricht etwa fünf Prozent der westlichen Gesamtnutzung der ISS. Schlegel nahm zusammen mit dem Franzosen Léopold Eyharts das Labor in Betrieb. Seitdem überwacht das DLR-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen die Arbeit. Obwohl deutsche Astronauten selten auf der ISS waren, ist Deutschland über seine Esa-Beteiligung von Anfang an mit Experimenten und Know-how an der ISS beteiligt. Die Bundesrepublik ist der größte Beitragszahler und finanziert 41 Prozent der europäischen Infrastruktur zum Betrieb der Station.

Der Nutzen für die deutsche Forschung und die Industrie ist beträchtlich. Ob diese Investitionen aufgrund eines neuen Ost-West-Konflikts verloren sind, muss die Zukunft zeigen. Für die Europäer rächt sich, dass sie die Entwicklung eigener Raumfähren in den 90er Jahren aufgaben.

Friedrich List


Erst Gegner, dann Partner
Raumfahrt begann als verbissener Wettkampf zwischen Ost und West

Der erste Flug eines Deutschen ins All war ein östlicher Sieg im Propagandakrieg zwischen Ost und West. Siegmund Jähn, Jagdflieger in den Luftstreitkräften der NVA, war DDR-Bürger. Am 26. August 1978 startete er von Baikonur mit dem sowjetischen Kosmonauten Valerij Bykowski zur Raumstation Saljut-6. Jähn blieb acht Tage im All und führte Experimente durch. Außerdem nutzte er seinen Flug für wissenschaftliche Erdbeobachtungen mit einer von Carl Zeiss in Jena entwickelten Spezialkamera.

Im Westen verhandelte die Vorläuferorganisation der Europäischen Weltraumorganisation (Esa), die European Space Research Organisation (ESRO), bereits seit 1969 mit der US-Raumfahrtbehörde Nasa über gemeinsame Projekte. Nachdem die USA 1972 beschlossen hatten, den Space Shut-tle zu bauen, brachten die Europäer das Spacelab auf den Weg, ein modular aufgebautes Weltraumlabor, das in der Ladebucht des Space Shuttle Platz finden sollte.

Drei Industriekonsortien bewarben sich, und der um das damalige Unternehmen VFW-Fokker in Bremen gruppierte Entwicklungsring Nord (ERNO) bekam den Zuschlag. 1983 startete das Spacelab zum ersten Mal ins All. Mit an Bord von STS-9 war ein Deutscher – der Astronaut Ulf Merbold, der fünf Jahre für diesen Flug trainiert hatte. Er betreute 71 wissenschaftliche Experimente, mehr als bei jeder anderen Raumfahrtmission vorher. Merbold nahm 1992 erneut an einer Shuttle-Mission teil.

Das Spacelab selbst war bis 1998 22-mal im All. Zwei dieser Missionen, Spacelab D1 vom Oktober / November 1985 und Spacelab D2 im April / Mai 1993 fanden unter Federführung der damaligen Deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DFVLR), dem heutigen Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) statt. Die D1-Mission mit den Deutschen Ernst Messerschmid und Reinhard Furrer sowie dem Holländer Wubbo Ockels wurde als erste Nasa-Mission nicht von der Nasa selbst betreut. Während der D2-Mission untersuchten Hans Schlegel und Ulrich Walter das Verhalten des menschlichen Körpers in Schwerelosigkeit.

Als der Kalte Krieg endete, standen die Zeichen auf Kooperation. 1992 flog mit Klaus-Dietrich Flade erstmals ein Deutscher zur russischen Raumstation „Mir“. Weitere Missionen dienten als Vorbereitung für die Arbeit auf der Internationalen Raumstation (ISS). Auf EuroMir 94 und 95 wurden Erfahrungen bei Langzeitmissionen gesammelt. Dazu gehörten auch Außeneinsätze über mehrere Stunden.

Während der zweiten EuroMir-Mission stellte Thomas Reiter einen neuen Aufenthaltsrekord für Weltraumflüge auf. Er wurde zum Westeuropäer mit der bis dato längsten Flugdauer. EuroMir 97 mit Reinhold Ewald erlangte traurige Berühmtheit, weil an Bord ein Feuer ausbrach – das die Besatzung aber zum Glück löschen konnte.

2000 startete Ewald Thiele an Bord eines Shuttles zu einer besonderen Mission. Mit speziell konstruierten Radars, einem davon aus Deutschland, vermaß er die Erde und erstellte die erste dreidimensionale Karte der gesamten Erd-oberfläche. F.L.


Trainer der Astronauten

Er ist seit drei Jahrzehnten bei fast jeder Raumfahrt-Mission dabei. Trotzdem kennt ihn außerhalb des Raumfahrtbetriebs kaum jemand. Raimund Lentzen gehört mit seinem „Crew Support Team“ zu den hunderten von Menschen, deren Arbeit auf der Erde erfolgreiche Flüge ins All überhaupt erst möglich machen.

Lentzen leitet die Abteilung Astronautentraining beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Das „Crew Support Team“ unterstützt die Astronauten der European Space Agency (Esa) bei ihrem Training und bei der Vorbereitung auf den Flug selbst. Während des Fluges ist das Team Mittler zwischen den Astronauten und ihren Familien. Nach der Landung nimmt es sie in Empfang.

„Wir vom Crew Support kümmern uns um alles, was der Astronaut braucht, um effektiv arbeiten zu können“, sagt Lentzen über seine Arbeit. Er arbeitet seit 1985 in der Raumfahrt. Damals wechselte der studierte Gießereikundler von der RWTH Aachen ins Bodenteam der D1-Spacelab-Mission. Lentzen kehrte zwar kurzeitig an die RWTH zurück, aber nur um ein Jahr später wieder für das DLR zu arbeiten – erst als Crew Training Engineer, dann als stellvertretender Leiter des Astronautenbüros. Inzwischen ist dieses Büro Teil der Esa mit Lentzen als Vertreter des DLR.

Lentzen begleitet die Esa-Astronauten bei ihren Missionen. Er hat Reinhold Ewald betreut, den Italiener Luca Parmi-tano und die D2-Astronauten Hans Schlegel und Ulrich Walter. Er organisiert den Aufenthalt in der russischen „Sternenstadt“ (Swjosdny Gorodok), Flüge, Unterkunft und die zweiwöchige Quarantäne vor dem Start. Und er ist bei den Ersten, die die Raumfahrer nach der Landung daheim begrüßen. F.L.


Zeitzeugen

Sigmund Jähn – Jähn war ursprünglich Jagdflieger in den Luftstreitkräften der Nationalen Volksarmee (NVA). Der Vogtländer flog 1978 als erster Deutscher in den Weltraum. In den 90er Jahren war er in der „Sternenstadt“, dem Ausbildungszentrum für Kosmonauten nahe Moskau, erst für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), dann für die Esa zuständig für die Kontakte mit der russischen Raumfahrtbehörde.

Ulf Merbold – Er flog als erster Nicht-Amerikaner an Bord einer US-Raumfähre. Merbold war insgesamt dreimal im All und kann somit die meisten Flüge unter den Deutschen aufweisen. Er war auch der erste Esa-Astronaut, der an einer russischen Mission teilnahm. Zwischen 1999 und 2004 hatte er eine verantwortliche Position in der Esa-Abteilung für bemannte Raumfahrt inne.

Thomas Reiter – Einer der wohl prominentesten deutschen Raumfahrer. Er ist ausgebildeter Jet-Pilot und wechselte 1989 von der Luftwaffe zur bemannten Raumfahrt. Reiter verbrachte insgesamt 350 Tage im All und ist damit der Westeuropäer mit der größten Flugerfahrung. Im Rahmen der EuroMir95-Mission unternahm er als erster deutscher Astronaut einen Außeneinsatz. Von 2007 bis 2011 saß er im Vorstand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Heute ist Reiter Esa-Direktor für die Bemannte Raumfahrt.

Gerhard Thiele – Der studierte Physiker war 2000 mit dem Space Shuttle und einem Radarsystem im All. Unter seiner Obhut entstand die erste Drei-D-Karte der Erde. Danach arbeitete er als CapComm (zuständig für den Kontakt zwischen Raumfahrzeug und Bodenkontrolle) bei der Nasa in Houston. Er war der erste Deutsche auf dieser Position.

Reinhard Furrer – Furrer war der dritte deutsche Astronaut und nahm an der Spacelab-Mission D1 teil. „Ich flieg da mit“, soll er bei seiner Bewerbung als Astronaut 1978 gesagt haben. 1987 nahm Furrer eine Professur in Berlin an und wurde Direktor des damals neuen Instituts für Weltraumwissenschaften der FU Berlin. Der begeisterte Sportflieger verunglückte 1995 tödlich mit einer Messerschmitt Bf 108 „Taifun“.


S. 5 Deutschland

Es geht ums Überleben
FDP muss bei Landtagswahl in Sachsen den Einzug schaffen, sonst verliert sie ihre letzte starke Basis

Im Spätsommer und Herbst finden drei Landtagswahlen in den neuen Bundesländern statt. Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) hofft auf Parlamentssitze und die CDU auf eine Überraschung in Brandenburg. Die FDP kämpft um ihre Existenz.

Die FDP muss sparen. Nach der Niederlage bei der EU-Wahl am 25. Mai gab Bundesschatzmeister Hermann-Otto Solms bekannt, dass sich das Jahresbudget um 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr verringern werde. Doch Parteichef Christian Lindner stellte in einer internen Mitteilung an die Landesverbände umgehend klar, dass für Schwerpunktwahlkämpfe auch künftig genug Geld da sein werde. Die FDP stellt sich demnach auf eine Entscheidungsschlacht am 30. August in Sachsen ein. Dort muss die Trendwende gelingen. Niemand geht mehr von einer Wiederholung des Erfolgs von 2009 aus, als die Partei um den Rechtsliberalen Holger Zastrow auf zehn Prozent kam und als Juniorpartner in die Dresdner Staatskanzlei einzog. Doch der Wiedereinzug in den Landtag ist das Minimalziel und am Ende könnte ein Ergebnis von knapp oberhalb der Fünf-Prozent-Hürde reichen, um neuerlich in Regierungsverantwortung zu gelangen, sollte die CDU wie geplant stark zulegen und die NPD den Wiedereinzug verpassen.

Ministerpräsident Stanislaw Tillich befindet sich gut zwei Monate vor der Abstimmung in einer glänzenden Ausgangslage. Seiner CDU wird ein Ergebnis zwischen 43 und 46 Prozent vorhergesagt und sollte es nicht zur Allein-Regierung reichen, kann sie sich den Koalitionspartner aussuchen. Denn SPD, Grüne und Linke kommen nicht einmal gemeinsam an die CDU heran. Ob Tillich nun eine Große Koalition wünscht oder aber mit schwachen Grünen oder einer dezimierten FDP regieren möchte, lässt er offen. Gleiches gilt für den Umgang mit der AfD.

Die junge Partei erzielte im Freistaat bei der EU-Wahl mit 10,1 Prozent ihr bestes Ergebnis, kam dort bereits bei der Bundestagswahl auf annähernd sieben Prozent und verfügt in Sachsen unter Führung der Bundessprecherin Frauke Petry über einen straff organisierten Verband und neuerdings auch über eine Vielzahl von kommunalen Parlamentariern. Das Kalkül der AfD ist simpel und einleuchtend: „Wenn wir in Sachsen ein gutes Ergebnis erzielen, erhalten wir zusätzlichen Rückenwind für die Wahlen in Brandenburg und Thüringen, die zwei Wochen später stattfinden“, schreibt Parteichef Bernd Lucke seinen Mitgliedern und argumentiert damit ähnlich wie die FDP-Spitze.

Bei einem Scheitern in Sachsen wären die Aussichten der Liberalen am 14. September in Brandenburg und Thüringen verschwindend gering. In dem mitteldeutschen Bundesland kam die FDP bei der EU-Wahl nur noch auf 2,1 Prozent und verlor bei den gleichzeitig stattfinden Kommunalwahlen zwei Drittel ihrer Mandate. In den jüngsten Meinungsumfragen liegt sie nur noch knapp oberhalb der Wahrnehmungsgrenze.

Problematisch für die FDP in Thüringen ist zudem die Tatsache, dass die CDU zwar wiederum die besten Chancen hat, stärkste Partei zu werden, aber wohl kaum an die 40-Prozent-Marke heran kommen wird. So sind die Christdemokraten um Ministerpräsidentin Christiane Lieberknecht auf eine Neuauflage der Großen Koalition mit der SPD angewiesen.

Doch bei den Sozialdemokraten mehren sich die Stimmen, die ein rot-rot-grünes Bün-dnis mit der Linkspartei wünschen. Nach den Landtagswahlen 2009 war dies an der SPD gescheitert, obwohl die stärkere Linkspartei auf ihren Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten verzichtet hatte. „Wir sind jetzt fünf Jahre weiter“, sagte der SPD-Landesvorsitzende Christoph Matschie der „Thüringer Allgemeinen“. Derzeit ist nicht ausgeschlossen, dass die SPD auch als Juniorpartner in ein solches Bündnis geht und den designierten „Linken“-Spitzenkandidaten Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten wählt.

Das Abschneiden der AfD in Thüringen ist unterdessen eine große Unbekannte. Der Landesverband gilt als zerstritten, zudem trat die Partei bei den Kommunalwahlen nur schwach in Erscheinung. Bei der EU-Wahl kam die AfD allerdings auf mehr als sieben Prozent in Thüringen, so dass sich Parteichef Lucke sicher ist: „Wir können auch dort einziehen.“

Dass dies seiner Partei in Brandenburg gelingen wird, daran besteht kaum ein Zweifel. In der Mark ist die AfD mit dem ehemaligen CDU-Politiker Alexander Gauland an der Spitze bestens aufgestellt. Bei der Europawahl erzielte sie 8,8 Prozent und errang gleichzeitig 39 kommunale Mandate. Der konservative Publizist bietet sich der CDU bereits als Juniorpartner an.

Die Christdemokraten haben nach fünf Jahren auf der Oppositionsbank im Nordosten wieder Mut gefasst. Ziel der CDU sei es, bei der Landtagswahl stärkste Kraft zu werden, sagte Generalsekretärin Anja Heinrich den „Potsdamer Neuesten Nachrichten“. Die SPD, seit 1990 an der Macht und derzeit mit den Linken in einer Koalition, schwächelt. Ministerpräsident Dieter Woidke kommt an die Popularitätswerte seiner Vorgänger Manfred Stolpe und Matthias Platzeck nicht heran. Zudem belastet das Theater um den Flughafen BER auch die Landesregierung in Potsdam. Zuletzt schnitt die SPD bei der Bundestagwahl und den Kommunalwahlen äußerst schwach ab: „Der Wind dreht sich“, glaubt Anja Heinrich.

Für die FDP gilt das offenbar nicht. In der jüngsten Meinungsumfrage für Brandenburg wird die Partei nicht mehr gesondert aufgeführt. Peter Entinger


Frei unter Einfluss
Studie zur Pressefreiheit besorgniserregend

Noch ziehen Deutschlands Journalisten eine positive Bilanz der Pressefreiheit. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach unter 432 Zeitungsjournalisten von mehr als 230 Redaktionen. Demnach halten 93 Prozent die Pressefreiheit in Deutschland für gut bis sehr gut verwirklicht. Allerdings haben 60 Prozent bereits Behinderungen und Beeinflussungen ihrer Arbeit erlebt, die sie als Eingriff in die Pressefreiheit empfanden. Diese Eingriffe zielten zumeist auf Behinderungen von Recherchen oder auf Einflussnahmen, um eine wohlwollende Berichterstattung zu erreichen, häufig in Verbindung mit der Ausübung wirtschaftlichen Drucks.

Rund 70 Prozent der befragten Journalisten mussten zumindest gelegentlich hinnehmen, dass zur Behinderung der Berichterstattung wichtige Anfragen hinhaltend oder gar nicht beantwortet wurden. Bei 60 Prozent versuchten Politiker, Verbände oder Unternehmen, die Berichterstattung in ihrem Sinne zu lenken oder Recherchen zu behindern. Fast die Hälfte berichtet, dass hierbei wirtschaftlicher Druck ausgeübt worden sei.

Ebenfalls jeder zweite hat den Eindruck, dass Einschränkungen und Behinderungen der Pressefreiheit in den letzten Jahren zugenommen haben. Besonders die Aus-übung wirtschaftlichen Drucks und die Veränderung von Interviewantworten vor der Autorisierung hätten zugenommen, während die Versuche, durch Vorteile und Vergünstigungen eine positive Berichterstattung zu erreichen, seltener geworden seien. Für die Zukunft geht jeder zweite befragte Politik-, Wirtschafts- und Lokaljournalist von einer Zunahme der Einflussnahme auf die Berichterstattung aus. Über 42 Prozent sind davon überzeugt, dass sie heute aus wirtschaftlichen Gründen stärker als früher dazu gezwungen seien, dies zu akzeptieren.

Rund drei Viertel beklagen, dass sie wegen der strukturellen Umbrüche in der Zeitungsbranche zu wenig Zeit für eine gründliche Recherche und das Schreiben hätten. Diesen Zeitmangel sehen 48 Prozent, die wirtschaftlichen Interessen ihres Arbeitgebers 34 Prozent als größte Gefahr für die Pressefreiheit in Deutschland an. J.H.


Kita statt Kampfbereitschaft
Bundeswehr: Von der Leyens Schwerpunktsetzung wirft Fragen auf

Sollte es zu einem Einsatz der Bundeswehr im Rahmen des Ukraine-Konflikts kommen, werden deutsche Soldaten vermutlich dabei sein, wenn die Reden bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar des Bundespräsidenten Joachim Gauck, des Außenministers Frank Walter Steinmeier und der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, in denen die Bereitschaft Deutschlands zur Übernahme stärkerer Verantwortung auch mit militärischen Mitteln hervorgehoben wurde, nicht schon nach wenigen Monaten als Leerfloskeln erkannt werden.

Es gibt genügend Informationen über einsatzrelevante Mängel in der Ausrüstung und Bewaffnung unserer Soldaten. Die Berichte des Wehrbeauftragten der letzten Jahre bieten eine Fülle von haarsträubenden Beispielen. In dieser Situation kann es für die politische Leitung und für die militärische Führung der Bundeswehr nur ein Ziel geben: die Reaktions- und Einsatzbereitschaft der Soldaten und ihrer Truppenteile für den Einsatz zu verbessern.

Stattdessen redet die deutsche Verteidigungsministerin in dieser brisanten Situation davon, dass die Bundeswehr ein attraktiver Arbeitgeber werden solle, Teilzeitarbeit auch für Führungskräfte angeboten werden müsse und keine Präsenzpflicht herrschen brauche, wenn keine „Arbeit“ anliege. Sie öffnet die Türen für Übergewichtige, fordert Kitas in allen Standorten und Flachbildschirme für die Stuben. Dabei müsste beispielsweise erst einmal der Bedarf an Kindertagesstätten sorgfältig ermittelt werden. Da immer mehr Familien nicht an den Standorten des Soldaten leben, ist der Bedarf sehr unterschiedlich. Auch ist der Vorschlag von Kindertagesstätten in Kasernen nicht neu. Vor 40 Jahren haben die Ehefrauen und Mütter eines Heeresgeneralstabslehrganges den ersten Kindergarten erkämpft – an der Führungsakademie in Hamburg.

Es kann niemanden überraschen, wenn ehemalige Berufssoldaten bis hinauf zu einem ehemaligen Generalinspekteur dieser Ministerin und ihrer Entourage jegliches Verständnis für das Militär absprechen. Die deutschen Streitkräfte sind seit Jahren im Einsatz. Es sind Tausende von Soldaten, die ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit riskiert haben. Über 50 Soldaten haben in den Einsätzen ihr Leben verloren. Auch wegen bedenklicher Einsatzregeln, wegen einer unzureichenden Ausrüstung und Bewaffnung.

Das Parlament hat „seine Armee“ in den Einsatz geschickt, ohne die notwendigen Kräfte und Mittel bereitzustellen. Schlimm ist das laute Schweigen der militärischen Führung. Wo bleibt deren Aufschrei angesichts der Tatsache, dass diese Ministerin den fatalen Irrweg ihrer Vorgänger fortsetzt?

Sie macht die Soldaten zum Gespött der Medien und der Öffentlichkeit. Sie werden als „Warmduscher“ oder „Teilzeitarbeiter“ ausgelacht. Das Ansehen der Bundeswehr und ihrer Soldaten ist auf einem Tiefstand angelangt. Es ist jedoch unfair, die Soldaten die Führungsfehler ausbaden zu lassen. Wie sollen mit diesem Image „die Besten“ für die Bundeswehr gewonnen werden? Und – wer sind „die Besten“ für die Bundeswehr? Der Charakter und die Einsatzbereitschaft sind die entscheidenden Voraussetzungen – nicht die Schulnoten. Die Fürsorge des Dienstherren einer Einsatzarmee muss in erster Linie einer einsatzorientierten Ausbildung, Erziehung, Bewaffnung und Ausrüstung gelten. Erfolgreich und gesund aus einem Einsatz zurückzukommen, hebt das Selbstwertgefühl der Soldaten und das Ansehen der deutschen Streitkräfte. Die Ministerin hat ihre falschen Personalentscheidungen der ersten Tage nur unzureichend korrigiert. Ihr fehlen die Berater, die das Bundesverteidigungsministerium und die Streitkräfte aus der eigenen Praxis kennen. Die Bugwelle nichtgetätigter Investitionen für Ausrüstung und Bewaffnung mindert die Einsatzbereitschaft der Truppe in der Ausbildung und im Einsatz in den kommenden Jahren. Dieter Farwick


MELDUNGEN

Ausnahme bei Kultur

Berlin – Seit Monaten attackiert Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) das geplante Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen der EU und den USA. Zwar befürworte sie das Abkommen grundsätzlich, doch sie fordert eine Generalschutzklausel für den Kulturbereich, der künftig nicht nur unter reinen Wettbewerbsaspekten betrachten werden dürfe. Kultur müsse kritisch, sperrig und heterogen sein, das könne sie nur, wenn der Staat sie auch durch Finanzierung ermutige, so die Merkel-Vertraute. Ihr gehe es zudem nicht nur um die Sicherstellung der Freiheit von Kultur und Wissenschaft, sie sei auch überzeugt, dass speziell der deutsche Staat in der Lage sein müsse, die hier übliche „Erinnerungskultur“ zu subventionieren. Zudem beklagt sie, dass sie keine Details des TTIP kenne, da die Verhandlungen geheim seien. Bel

 

Richter kritisiert »Neusprech«

Berlin – Scharfe Kritik an der seit April 2013 in einer geschlechtsneutralen Sprache abgefassten Straßenverkehrsordnung (StVO) hat der Richter Urban Sandherr vom Berliner Kammergericht in der „Deutschen Richterzeitung“ geübt. Die Reform erinnere an das „Neusprech“ in Georg Orwells Buch „1984“, „in dem eine Diktatur eine perfide Sprachpolitik betrieben habe“. „Wenn die vollziehende Gewalt für ihre Verordnungen aus pädagogischen Gründen eine Sprache verwendet, die kein Mensch spricht, hat das etwas Vordemokratisches und Totalitäres“, so Sandherr. Die Geschlechtsneutralisierung der StVO mit Bezeichnungen wie „Rad Fahrende“ statt „Radfahrer“ oder „der zu Fuß geht“ statt des althergebrachten „Fußgänger“ war noch vom damaligen Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) auf den Weg gebracht worden. N.H.


S. 6 Ausland

Nachschub für Lampedusa
Da der Westen die Lage in Afrika mit seinen Aktionen eher destabilisiert, steigt die Flüchtlingszahl

Jeden Tag erreichen tausende Afrikaner die Küste Italiens. Insgesamt wurden in diesem Jahr bereits über 40000 registriert. Das milde Wetter macht nun eine Überfahrt zudem deutlich weniger riskant. Doch nicht nur wegen der Jahreszeit dürfte sich die Zahl der Richtung Europa ziehenden Afrikaner deutlich erhöhen.

Somalia, Äthiopien, Sudan, Eri-trea, Zentralafrika, Mali, Tunesien, Ägypten, Syrien und Libyen sind die Herkunftsländer vieler vor und an der Küste Italiens aufgegriffener Afrikaner. Wirtschaftsflüchtlinge, aber auch Flüchtlinge aktueller Krisenherde suchen in Europa ihr Heil. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten sehen ratlos zu. Wirtschaftsflüchtlingslobbyisten zuliebe hat man inzwischen sogar die italienische Küstenwache aufgefordert, die Schiffe der Menschenschmuggler nicht mehr Richtung Süden abzudrängen, sondern die Boote sicher an die italienische Küste zu geleiten. Dieser Geleitschutz minimiert die Gefahren der Überfahrt und veranlasst somit noch mehr Afrikaner, den Weg nach Norden zu wagen.

Zudem, und das ist wohl das größte Problem, gibt es nur in wenigen nordafrikanischen Ländern derzeit eine Hoffnung auf Besserung der Lage. Äthiopien erlebt beispielsweise zwar derzeit eine vergleichsweise friedliche Phase, doch das Land zählt immer noch zu den ärmsten der Welt. Was bringt ein Wirtschaftswachstum von fast zehn Prozent, wenn dieses durch das Bevölkerungswachstum wieder zunichte gemacht wird?

Bereits vor zehn Jahren machte der damalige Innenminister Otto Schily (SPD) den Vorschlag, Auffanglager für afrikanische Flüchtlinge bereits auf deren Kontinent einzurichten. Erstens diente dies ihrer Sicherheit, da sie sich nicht auf die gefährliche Reise über das Meer begeben würden und zweitens könnten Asylanträge dann vor Ort direkt bearbeitet werden. Drittens: „Afrikas Probleme müssen in Afrika gelöst werden.“ Ließe man aber dem Migrationsdruck freien Lauf, würden lediglich die Probleme Afrikas nach Europa verlagert.

Schily erhielt damals für seinen Vorschlag vor allem aus dem eigenen rot-grünen Lager massive Kritik. Einige jedoch erkannten, dass eine Verbesserung der Ausgangslage in Afrika auch den Zuwanderungsdruck von dort reduzieren würde. Doch anstatt den Gedanken aufzugreifen, haben die EU und ihre Mitgliedsstaaten durch falsche Reaktion bei aktuellen Krisen nicht nur in Syrien, Libyen, Ägypten und Tunesien diese eher noch befeuert und somit die Zahl jener, die dem Chaos in ihrer Heimat entkommen wollen, noch erhöht.

So beispielsweise in der Zentralafrikanischen Republik. Hier hatte 2012 das muslimische Rebellenbündnis Séléka begonnen, gegen die Regierung vorzugehen. Im März 2013 jagten sie Staatschef François Bozizé aus dem Amt und gingen gegen Christen vor. Es entwickelte sich eine Spirale der Gewalt, die immerhin durch das Eingreifen von Soldaten der Afrikanischen Union und vor allem des ehemaligen Kolonialherren Frankreich gebrochen werden konnte. Übergangspräsidentin Catherine Samba-Panza soll nun für Frieden sorgen, doch in Wirklichkeit haben sie und die 8000 internationalen Soldaten nur einen kleinen Teil des Landes unter ihrer Gewalt. In der Hoffnung auf einen klaren Ansprechpartner soll laut „Deutscher Welle“ die französische Militärmission Sangaris die Séléka-Rebellen aufgefordert haben, klare Strukturen aufzubauen. Doch diese erzwungene Neuaufstellung hat den Rebellen erst neue Führungspersönlichkeiten beschert, die nun die noch unter ihrer Kontrolle stehenden Gebiete besser verteidigen wollen.

Im ebenfalls einst zum französischen Kolonialreich gehörenden Mali sieht die Lage nicht besser aus. Hier griff Paris mit Segen der EU im Januar 2013 militärisch ein, nachdem Tuareg-Rebellen zusammen mit Islamisten versucht hatten, die Macht an sich zu reißen. Zeitweilig sah es so aus, als hätte man die Lage im Griff, doch zuletzt am 21. Mai eroberten Aufständische die Stadt Kidal. Zwar wird inzwischen über eine Waffenruhe verhandelt, doch ist noch nicht absehbar, wann Frankreich seine 2000 in Mali stationierten Soldaten zumindest teilweise in Richtung anderer afrikanischer Krisenherde wieder abziehen wird. Auch ist völlig ungewiss, wann die Hunderttausende von Flüchtlingen des Konflikts wieder in ihre Heimatorte zurückkönnen. Viele haben zudem nicht nur Massaker und Willkür von Seiten der Tuareg und ihrer Verbündeter erlebt, auch die von Frankreich unterstützte Regierungsarmee soll durch Plünderungen und Verbrechen an der Zivilbevölkerung aufgefallen sein. Doch ohne jegliches Vertrauen in irgendwen dürfte der Weg vieler Flüchtlinge statt zurück in ihre Ursprungsorte nun Richtung Europa führen.

Vielen dürfte es hierbei entgegenkommen, dass durch die instabile politische Lage in Libyen ein Vorgehen gegen die illegalen Zuwanderer von dieser Seite nicht zu erwarten ist. Denn während sich der 2011 mit Unterstützung Europas aus dem Amt gejagte libysche Machthaber Muammar al-Ghaddafi zumindest bedingt an ein Abkommen mit Italien hielt, die Küste seines Landes nicht zum Sprungbrett nach Europa werden zu lassen, ist derzeit völlig unklar, wem genau die libysche Küstenwache derzeit untersteht. Zwar greift sie hin und wieder verdächtige Personen auf, doch wer ist dann zuständig in einem Land, in dem nicht einmal geklärt ist, ob es nun von dem auf umstrittene Weise mit Unterstützung der Muslimbrüder ins Amt gelangten Regierungschef Ahmed Maiteeq regiert wird oder dem General Chalifa Haftar, der von großen Teilen der Bevölkerung und vielen Stämmen Unterstützung erfährt? Manchmal werden die Aufgegriffenen der UN übergeben, manchmal der italienischen Küstenwache, manchmal werden sie auf unbestimmte Zeit inhaftiert und manchmal wieder freigelassen, so dass die Reise dann weitergehen kann. Rebecca Bellano


Blamage pur
Prag versagt bei Rückholung von Forschern

Hendrik Küpper, tschechischer Biochemiker mit Arbeitsplatz in Konstanz, wollte mit Labor und handverlesenen Mitarbeitern heimkehren. Das wollten Landsleute wie der Genetiker Tomancak aus Dresden, der Biologe Riha aus Wien und weitere 15 Koryphäen. Daheim trafen sie auf internationale Experten wie den britischen Chemiker Andrew Miller, der in Brünn ein Forschungsteam für Nanotechnologie mit dem Londoner King’s College leitete. Alle warteten auf den wissenschaftlichen Neustart im Juli in Prag.

Im Zentrum stand das Förderprogramm vom November 2013, mit dem die akademische Welt der Tschechei personell und infrastrukturell nachgerüstet werden sollte, indem man Diaspora-Experten heimholte und ausländische anlockte. Dafür hatte die Prager Regierung über 36 Millionen Euro bereitgestellt, die zu 85 Prozent aus EU-Töpfen kamen. Doch dann beging das Prager Ministerium für Schule, Jugend und Sport „eine bürokratische, kurzsichtige Dummheit“, um es mit den Worten des Briten Miller zu sagen, und strich Ende Mai mit Blick auf einen „wahrscheinlichen künftigen Mangel an Finanzmitteln“ plötzlich das Programm. Zu aller Verwirrung kündigten die Hradschin-Büro-kraten gleichzeitig ein neues Programm für 2015 mit frischen EU-Mitteln an.

Die tschechische Öffentlichkeit beklagt nun eine „Rufschädigung und Blamage Tschechiens“, die betroffenen tschechischen Wissenschaftler machten ihrer „Enttäuschung“ in bitteren Interviews und anklagenden „Offenen Briefen“ Luft, in denen sechs von 18 Koryphäen das Ende des Programms als „unvereinbar mit einer zivilisierten wissenschaftlichen Umgebung“ rügten. Und Miller höhnte, dass es kein EU-Geld mehr für Prager Pläne und Ansätze gäbe, die seien „absolut tot“.

All dies ist bitter für die Heimat des großen Schulphilosophen und Welterziehers Jan Amos Komenius (1592–1670). Heute würde der sich wohl im Grabe umdrehen angesichts heimischer Schulverhältnisse: Die Behörden sind gleichgültig, die Lehrer ebenfalls, die Schulgebäude sind oft stark sanierungsbedürftig und der Unterricht läuft noch heute nach kommunistischer Maxime: „Schritt halten, Maul halten.“ Kein Wunder also, dass da am Ende zu wenig Neuakademiker herauskommen. W. Oschlies


Peking schert die Wahrheit nicht
Die Erinnerung an das Massaker am Tiananmen von 1989 wurde ausgelöscht

Niemand weiß, wohin sich China entwickelt. Nur eines ist sicher: An China kommt niemand mehr vorbei. Nicht die Russen, nicht die Europäer, nicht die USA. Die Japaner und andere Anrainer im Pazifik fürchten sich vor Chinas weiterem Aufstieg. In der vergangenen Woche hat man weltweit in vielen Ländern des Massakers am Tiananmen, dem Platz des himmlischen Friedens, in Peking vor 25 Jahren gedacht. Nur in China nicht, wenn man von Hongkong absieht. In China wurde ein öffentliches Gedenken von vornherein erfolgreich verhindert.

Das betrifft nicht nur die polizeilichen Maßnahmen. Den Machthabern ist es vielmehr weitgehend gelungen, bereits das Wissen über die Geschehnisse von 1989 zu tilgen. Damals gab es Schätzungen zufolge zwischen 200 und mehreren tausend Tote bei der Niederschlagung der Protestbewegung. Die Gewaltmaßnahmen wurden als nötig bezeichnet, um die „Stabilität“ aufrecht zu erhalten. Anführer und Teilnehmer der Proteste wurden als Kriminelle diffamiert. Nach Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker wurden 10000 Menschen wegen ihrer Beteiligung an den Protesten inhaftiert, und noch immer seien bis zu zwölf Personen in Haft. Doch Zensurmaßnahmen und viele andere Repressalien haben dazu geführt, dass besonders die meisten jungen Chinesen heute gar nichts von den Ereignissen wissen.

Bei uns im Westen wird dieses Vorgehen des Regimes häufig als Schwäche eines Herrschaftssystems interpretiert, das Angst vor der Wahrheit hat. Doch kann es auch eine andere Lesart geben. Der zufolge sitzt die KP Chinas so fest im Sattel, dass sie sich um die Wahrheit nicht zu scheren braucht. Das KP-Regime ist bisher so stark, dass es alles fest im Griff hat – ein Volk mit 1,3 Milliarden Menschen. China kann es sich leisten, auch einen Friedensnobelpreisträger wie Liu Xiaobo gefangen zu halten. Die internationalen Geschäfte mit China gehen ungerührt weiter.

Schon lange erlaubt auch kein Staat der Europäischen Union dem frei gewählten Präsidenten des demokratischen Taiwan die Einreise auch nur für einen Privatbesuch. Nicht für einen halben Tag. So tief geht längst der Kotau des Westens vor den roten Herrschern in Peking. Niemand in Deutschland oder der EU denkt auch nur darüber nach, vielleicht das Einreiseverbot für die obersten Repräsentanten Taiwans etwas zu lockern. So ernst sind die europäischen Sonntagsreden über Freiheit und Demokratie auch wieder nicht gemeint. Das weiß man in Peking und nutzt es aus.

Vergangene Woche hat das neu gegründete „Mercator Institut für China-Studien“ (Merics) in Berlin eine Podiumsdis-kussion anlässlich des Tiananmen-Jahrestages veranstaltet. Das Merics soll nach der Aufbauphase das größte europäische Institut für Forschung und Wissensvermittlung über das gegenwärtige China werden. Schon jetzt versammelt das Institut vorzügliche Experten und bietet eine Website mit sehr informativen Beiträgen (www.merics.org).

Merics-Direktor Sebastian Heilmann, einer der führenden deutschen Sinologen, erklärte in der Diskussion, er habe noch keinen chinesischen Präsidenten so selbstbewusst erlebt wie den amtierenden Xi Jinping. Bei dessen Amtsvorgängern seien immer noch gewisse Selbstzweifel spürbar gewesen. An Xi Jinping jedoch perle jede Kritik am chinesischen Regierungssystem ab. Xi halte es für das richtige System für China – „und damit hat es sich“. Was der Rest der Welt denke, sei diesem egal. „Der glaubt, was er sagt“, fügte Heilmann hinzu.

Nachdrücklich warnte der Professor davor, den aktuellen Zustand und die kommende Entwicklung Chinas nur nach unseren bisherigen politischen Erfahrungen im Westen beurteilen zu wollen. Heilmann wies auch auf die Gefährdungen des Herrschaftssystems hin – wenn etwa eine Wirtschaftskrise mit einer Spaltung der Partei und sozialem Protest einhergehen sollte. Bisher gebe es allerdings keine Anzeichen dafür. Auch Proteste wegen der massiven Umweltverschmutzung etwa blieben bisher lokal begrenzt. Ein „Bank Run“, ein Ansturm auf die Banken im Fall einer schweren Wirtschaftskrise, könne das Regime vielleicht eher gefährden.

Ein erhebliches Problem sei auch ein verbreiteter Nationalismus. Dieser könne vielleicht einmal von der Regierung nicht mehr unter Kontrolle gehalten werden. Insgesamt sei die Ent- wicklung Chinas offen und verlaufe schnell „wie ein Wildbach“. Schlimmstenfalls könne uns China mit seinem System auch überlegen sein. Michael Leh


MELDUNGEN

Randalierer: Wien gibt sich hart

Wien – Der Bundesbürger Josef Slowik sitzt seit dem 24. Januar in Wien in Untersuchungshaft. Er hatte sich – anreisend aus Jena – an den gewalttätigen Krawallen unter dem Motto „Unseren Hass, den könnt ihr haben“ gegen den Akademikerball beteiligt. Dem jungen Mann, der in seiner Heimatstadt studiert und einem sozialistischen Jugendverband angehört, wird vorgeworfen, sich als Rädelsführer betätigt zu haben. Ein Video zeigt ihn in der Wiener Innenstadt beim Aufstellen eines Abfallbehälters, der später als Wurfgeschoß genutzt wurde. Der Strafprozess gegen Slowik begann am 6. Juni. Die Anklage lautet auf Landfriedensbruch, versuchte schwere Körperverletzung und schwere Sachbeschädigung. H.L.

 

Moschee statt Museum

Istanbul – Mit einem symbolischen Morgengebet vor der Hagia Sophia haben tausende Muslime Ende Mai in Istanbul die Rück-umwandlung des Museums in eine Moschee gefordert. Zu der Veranstaltung aufgerufen hatte die Anatolische Jugendvereinigung anlässlich des Jahrestages der Eroberung des damaligen Konstantinopels 1453 durch die Osmanen. Die fast 1500 Jahre alte Hagia Sophia gehört zu den berühmtesten Sehenswürdigkeiten der Welt und galt in der Spätantike als achtes Weltwunder. Das bis dahin größte Gotteshaus der Christenheit wurde nach der Eroberung Konstantinopels unter den Osmanen in eine Moschee umgewandelt. 1934 machte Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk die Hagia Sophia zu einem Museum. Für eine Rückumwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee hatten sich in letzter Zeit bereits Vertreter der Regierungspartei AKP stark gemacht. N.H.


S. 7 Wirtschaft

Erpressung als Geschäftsmodell
US-Justiz ermittelt immer öfter gegen europäische Banken und schwächt sie damit wirtschaftlich

Lange wurde in den USA kritisiert, dass die Justiz nicht entschlossen genug die Finanzkrise aufarbeitet. Abschreckende Exempel scheint Washington nun vorzugsweise an ausländischen Banken statuieren zu wollen

Angesichts einer eben eingefangenen Milliarden-Strafe ist es wahrscheinlich kein Zufall, dass es gerade die Credit Suisse ist, die sich Gedanken darüber macht, welche Gefahr von der US-Justiz für Europas Banken ausgeht. Basierend auf den bisher verhängten Bußgeldern drohe dem europäischen Bankensektor, dass er von Washington mit über 100 Milliarden US-Dollar zur Ader gelassen werde, so ein Bericht der „Baseler Zeitung“ auf der Grundlage von Berechnungen der Credit Suisse.

Europas ohnehin angeschlagenem Bankensektor droht allerdings größerer Schaden. Schon, wenn in den USA Ermittlungen aufgenommen werden, kommt der Börsenwert der betroffenen Banken unter Druck. So haben nach Berechnungen der Credit Suisse die Aktien der Finanzinstitute, gegen die in den USA ermittelt wird, seit letztem Oktober um 25 Prozent schlechter abgeschnitten als die Titel anderer Banken. Zudem müssen die betroffenen Banken in der Schweiz, in der Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien und Frankreich deutlich mehr Kapital aufnehmen, um die Kosten der Rechtsstreitigkeiten in den USA zu decken.

Wie schnell dies an die Substanz geht, könnte der Fall der französischen Großbank BNP-Paribas zeigen. Einem Bericht des „Wall Street Journal“ zufolge droht der Bank in den USA eine Strafzahlung von bis zu zehn Milliarden Dollar. Dabei befinden sich die Franzosen noch nicht einmal wegen Manipulationsvorwürfen oder Steuervergehen im Visier der US-Justiz. Die Bank soll von den USA verhängte Sanktionen gegen Staaten wie Kuba, den Iran, Syrien und Sudan nicht befolgt haben. Faktisch verlangt Washington damit, dass US-Gesetze auch dann Gültigkeit haben, wenn ausländische Unternehmen Geschäfte auf Dollar-Basis außerhalb der USA mit nicht-amerikanischen Geschäftspartnern durchführen. Welches Selbstverständnis auf globale Dominanz hinter solchem Vorgehen steht, machte unlängst US-Justizminister Eric Holder deutlich: „Keine Person, kein Unternehmen, die unserer Wirtschaft schadet, steht über dem Gesetz.“ Holder arbeitete von 2001 bis 2009 für die Anwaltskanzlei Covington & Burling, die die Interessen der Finanzwelt unterstützt. Zu ihren Kunden zählen Goldman Sachs, JPMorgan Chase, Citigroup, Bank of America, Wells Fargo.

Der Hebel, der zur Anwendung gebracht wird, damit Auslandsbanken wie BNP Paribas, UBS oder Credit Suisse zähneknirschend Milliardenstrafen akzeptieren, ist die Drohung eines Entzugs der Banklizenz für die USA. Verbunden wäre damit ein Ausschluss vom Dollar-Clearing am Finanzplatz New York. Ab einer bestimmten Größenordnung von Geschäften ist die Dollar-Verrechnung über New York allerdings ein „Muss“. Eine global operierende Großbank ohne Zugang zum amerikanischen Finanzmarkt ist kaum vorstellbar.

Dass US-Gesetzen weltweit Geltung verschafft werden soll, hat inzwischen nicht nur die französische BNP zu spüren bekommen. Bereits im Jahr 2011 sorgten die Auktionsplattform Ebay und der angeschlossene Online-Bezahldienst PayPal für negative Schlagzeilen, als sie hierzulande bei deutschen Händlern und Kunden US-Sanktionen gegen Kuba durchsetzen wollten. Online-Händlern, die kubanischen Rum oder Zigarren im Angebot hatten, sperrte PayPal kurzerhand den Zugriff auf ihre Konten. Ebenso erging es deutschen und österreichischen Händlern, die über Ebay kubanische Produkte angeboten hatten.

Dass es überhaupt zu dem Versuch gekommen war, hat viel mit dem kleinlauten Auftreten der EU zu tun. Auch im Fall der französischen BNP Paribas ist es wahrscheinlich kein Zufall, dass kein EU-Kommissar und auch nicht der EZB-Präsident Mario Draghi es für nötig gehalten hat, die Bank in Schutz zu nehmen. Es war Christian Noyer, Präsident der französischen Zentralbank, der sich demonstrativ vor das Institut gestellt hat. „Wir haben verifiziert, dass alle (von den Vereinigten Staaten beanstandeten) Transaktionen in Übereinstimmung mit französischen und EU-Regeln und Direktiven waren“, so Noyer. Gesetzesübertretungen habe es keine gegeben. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius drohte inzwischen sogar, das geplante transatlantische Freihandelsabkommen zu blockieren, sollte Washington dem Treiben nicht Einhalt gebieten.

Auch wenn es im Fall der BNP Paribas noch gelingen sollte, die Strafe herunterzuhandeln, auf die Bank kommt eine schwere Belastung zu, die nicht ohne Weiteres wegzustecken ist. Dass nach der Schweiz nun auch in Frankreich der Vorwurf laut wird, die USA betrieben per Banken-Bestrafung ganz gezielt einen finanziellen „Kalten Krieg“, um Konkurrenten zu schädigen, kann da kaum verwundern.

Dass es durchaus Möglichkeiten gibt, sich gegen den Dominanzanspruch der USA zur Wehr zu setzten, macht das Beispiel Russlands deutlich. Sanktionen im Zuge der Krim-Krise beantwortete Präsident Wladimir Putin zum einen mit harten Auflagen für US-Kredit-Kartenfirmen, die auf dem russischen Markt aktiv sind. Zum anderen wurde der Aufbau eines eigenen russischen Kreditkartenanbieters angekündigt. Ein weiter Angriff auf die weltweite Dollar-Dominanz ist bereits in Vorbereitung. Russen und Chinesen haben vor Kurzem bekannt gegeben, dass sie mit einer gemeinsamen Rating-Agentur das US-dominierte Oligopol von Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch brechen wollen. Entsprechende Pläne der EU zur Förderung einer konkurrenzfähigen europäischen Ratingagentur haben sich nach Jahren des Nichtstuns inzwischen in Luft aufgelöst. Norman Hanert


Vernichtender »Erfolg«
Erneuerbare Energien gefährden Pumpspeicherwerke

Als „Grüne Batterie“ standen Pumpspeicherwerke bisher im Ruf, die ideale Ergänzung für die Energiewende zu sein. Überschüssiger Strom aus Windrädern und Photovoltaikanlagen wird in den Speicherkraftwerken zum Hochpumpen von Wasser verwendet und damit zwischengespeichert. Bei Bedarf wird das hochgepumpte Wasser durch Ablassen wie bei einem Wasserkraftwerk zur Stromerzeugung genutzt, so das simple Konzept.

Inzwischen ist es allerdings der ungebremste Ausbau von Wind- und Solarstromanlagen selbst, der den Betrieb von Pumpspeicherwerken zunehmend zu einem unrentablen Geschäft macht. In ganz Europa stehen Planungen für neue Pumpspeicherwerke derzeit auf dem Prüfstand und werden neu bewertet. „Von Deutschland über die Schweiz bis Österreich hagelt es Absagen, Verschiebungen, Relativierungen“, so die ernüchternde Einschätzung des österreichischen Wirtschaftsmagazins „Format“.

Ein Beispiel sind die Ausbaupläne für das Tiroler Kraftwerk Kaunertal, mit 1,2 Milliarden Euro derzeit eines der größten und teuersten Kraftwerksprojekte Europas. Ausgerechnet Energie-experten, die im Auftrag von WWF und Greenpeace das Projekt untersucht haben, attestieren dem Vorhaben schlicht Unwirtschaftlichkeit. „Nach derzeitigen Berechnungen kann man durchaus mit jährlichen Verlusten von 30 bis 40 Millionen Euro rechnen“, so der Schweizer Energieexperte Heini Glauser zu dem Projekt.

Lange Zeit wie eine Lizenz zum Gelddrucken kommen auch schon bestehende Pumpspeicherwerke wirtschaftlich immer mehr in die Bredouille. Der hohe Zuwachs an Solaranlagen hat dazu geführt, dass mittlerweile die Verbrauchsspitze am Mittag an sonnigen Tagen gut mit Sonnenstrom abgedeckt werden kann. So hat die Zahl der Tage, an denen sich mit Pumpspeicherwerken Geld verdienen lässt, deutlich abgenommen. Deutlich geschrumpft ist die durchschnittliche Differenz zwischen dem billigen Basisstrompreis und dem teuren Spitzenpreis. Aktuell liegt die Differenz im Schnitt nur noch bei rund 15 Euro je Megawattstunde. Rentabel betreiben lassen sich die Pumpspeicherwerke aber erst bei einer Preisdifferenz von mindesten 30 Euro.

Der Abnahme der Wirtschaftlichkeit steht auf der anderen Seite ein klarer Bedarf an Stromspeichern gegenüber, falls Wind- und Solarstrom wetterbedingt ausfallen. Neben den Gaskraftwerken, die sich ebenfalls immer weniger rentabel betreiben lassen, aber trotzdem bereitgehalten werden müssen, droht nun mit den Pumpspeicherkraftwerken ein weiterer Bereich der Energiewirtschaft zum Subventionsfall zu werden.

Zunehmend in Luft löst sich das Vorhaben auf, Österreich zu einem Stromspeicher Europas zu machen. Auf Grund der geografischen Gegebenheiten gelten die Bedingungen in der Alpenrepublik eigentlich als günstig, tatsächlich droht das Geschäftsmodell „Pumpspeicherwerk“ allerdings zunehmend auszutrocknen. N.H.


Auch mit EU ohne Hoffnung
Kroatien steht ein Jahr nach dem Beitritt wirtschaftlich schlecht da

In wenigen Tagen jährt sich der EU-Beitritt Kroatiens. Zwar wuchsen die Erwartungen an die Folgen des Beitritts nicht in den Himmel, doch die kroatische Regierung erwartete für 2014 immerhin ein moderates Wachstum und für 2015 endlich wieder erfreuliche Zahlen.

Doch selbst die geringen Erwartungen wurden bitter enttäuscht. 2014 wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) erneut schrumpfen, vermutlich um 0,8 Prozent. Die Perspektiven für 2015 sind nicht viel besser. Dies liegt in erster Linie an der Regierung selbst, doch auch in Brüssel kann man sich eine gehörige Mitschuld zuschreiben, da man das Land in die EU gelassen hat, ohne dass dringend notwendige Reformen zuvor durchgesetzt worden wären. Die Justiz ist für ihre eigenwillige Rechtsauslegung berüchtigt, zudem dauert es Jahre, bis ein Urteil gesprochen wird. In Sachen Korruption liegt Kroatien im internationalen Vergleich selbst hinter Ländern wie Kuba und Namibia und laut Weltbank ist es eine echte Herausforderung, angesichts der zu erwartenden Bürokratie ein Unternehmen in dem Adrialand zu gründen. Daher wundert es wenig, dass Investoren dem Land trotz EU-Beitritts nicht die Türen einlaufen. Zudem sind die Lohnnebenkosten, Löhne und Steuern vergleichsweise hoch.

Angesichts der Ukraine-Krise und möglicher Einschränkungen russischer Gaslieferungen kursiert in Kroatien ein Witz: „Das kann unserer Industrie nichts anhaben. Wir haben ja gar keine!“ Und der EU-Beitritt hat die Lage sogar noch verschlimmert, da sich der Wettbewerb mit anderen europäischen Unternehmen noch verschärft hat. Lag die Arbeitslosenquote 2009 noch bei neun Prozent, so sind es jetzt 20. Und die Entlassungen gehen weiter. Dabei ist bereits jeder zweite junge Mensch ohne Arbeit. Doch sie müssen auch weitergehen. Derzeit ist die Hälfte aller kroatischen Arbeitnehmer direkt beim Staat oder in Unternehmen des Staates beschäftigt. Ein Viertel des Staatsbudgets ist für die Staatsdiener vorgesehen. Gleichzeitig dürfte das Land aber trotz aller seiner Bedürftigkeit auf absehbare Zeit EU-Nettobeitragszahler bleiben, weil nicht nur das Geld für die Co-Finanzierung möglicher, von der EU geförderter Projekte fehlt, sondern auch die Mitarbeiter, die in der Lage wären, die erforderliche Anträge zu stellen.

Hierfür trägt die seit zweieinhalb Jahren regierende Mitte-Links-Regierung die Verantwortung. Sie hat nach ihrem Wahlsieg fast alle von der konservativen Regierung zuvor eingestellten Behörden- und Abteilungsleiter durch eigene Leute ersetzt, die jedoch im Gegensatz zu ihren Vorgängern den EU-Beitritt nicht administrativ begleitet hatten und daher bis heute mit der nötigen Bürokratie überfordert sind.

Nach gut sechs Jahren Rezession und einem in diesem Zeitraum um 18 Prozent gesunkenen BIP, massiver Neuverschuldung des Staates bei gleichzeitiger Verschleppung notwendiger Reformen hat innerhalb der EU nur Griechenland schlechtere Zeiten erlebt. Die Kroaten selbst sehen die Hoffnungslosigkeit der Lage und reagieren mit einer ausufernden Privatverschuldung. Die Nachfrage nach Kreditkarten ist in dem 4,5-Millionen-Volk äußerst hoch. Bel


MELDUNGEN

Deutsche blitzen ab

Frankfurt am Main – Nicht nur die Volks- und Raiffeisenbanken, die Sparkassen sowie die gesamte deutsche Versicherungswirtschaft sind erzürnt über die langanhaltende Niedrigzinspolitik der EZB und deren neueste Maßnahmen, inzwischen warnen auch die privaten Banken vor den Folgen für deutsche Spareinlagen. Doch auf einen gemeinsamen Appell aller deutschen Banken und Versicherer an die EZB reagierte diese mit „kein Kommentar“. Dafür zitiert das „Handelsblatt“ einen nicht namentlich genannten Notenbanker wie folgt: „Die Herren, die den Brief geschrieben haben, haben offenbar nicht bemerkt, dass Deutschland 1999 in eine Währungsunion eingetreten ist.“ Bel

(Siehe auch Kommentar Seite 8)

 

Zumeist erst im Alter »reich«

Köln – In Deutschland zählt man ab einem Vermögen von mindestens 261000 Euro, bestehend aus Sach- wie Finanzwerten, zu den reichen zehn Prozent der Bevölkerung. Dies hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) anhand der Vermögensstudie der EZB ermittelt. Reichtum sei „oft das Ergebnis eines Lebenswerks“, so das Fazit des IW angesichts des zumeist reifen Alters der Vermögenden. Bel

 

EU: Und noch ein Armenhaus

Brüssel – Nachdem EU-Erweite-rungskommissar Stefan Füle Albanien als EU-Beitrittskandidaten vorgeschlagen hat, beraten die EU-Mitgliedsstaaten Ende des Monats über die Empfehlung. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt in dem Land bei unter einem Drittel des EU-Durchschnitts. Es gilt aber nicht nur als Armenhaus, sondern auch als Hort der Korruption und der Organisierten Kriminalität. Bel


S. 8 Forum

Im Abseits
von Rebecca Bellano

Recht hat er natürlich, der nicht genannt werden wollende Zentralbanker, wenn er die Beschwerde deutscher Banken und Versicherungen gegen die Niedrigzinspolitik der EZB, die deutsche Sparvermögen dahinschmelzen lässt, mit dem Hinweis abwatscht, man sei doch 1999 Mitglied einer Währungsgemeinschaft geworden. Denn obwohl selbst Laien erahnen können, dass Länder wie die Niederlande, Deutschland, Frankreich, Italien und Griechenland äußerst unterschiedliche Bedürfnisse in Sachen Geldpolitik haben, kam bei Einführung der Gemeinschaftswährung kaum Widerstand von deutschen Banken und Versicherungen. Vermutlich hoffte man damals, dass Deutschland den Ton angeben werde, doch schon ein Blick auf die Mehrheitsverhältnisse im EZB-Rat hätte ein Hinweis darauf sein können, dass das Wunschdenken war und nicht auf Fakten beruhte.

Nun haben die Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt, wer in der EZB den Ton angibt. Und letztendlich verdeutlicht der Kommentar des Zentralbankers dies auch nur: Die Interessen deutscher Banken und Versicherungen, ja sogar der Großbanken, sind der EZB nicht einmal eine offizielle Stellungnahme wert.


Union in der Falle
von Hans Heckel

Bernd Lucke kann sich nicht sattsehen am Gezerre in der Union über den richtigen Umgang mit seiner Partei. „Blanke Angst“ will der frohgemute Wahlsieger bei CDU und CSU entdeckt haben, Angst vor seiner „Alternative für Deutschland“ (AfD).

In der Tat sieht eine wachsende Zahl von Medien quer durch die Lager in der AfD mehr als nur eine Eintagsfliege, die bald wieder verschwinden werde. Die neue Partei, so der sich ausbreitende Tenor, könne eigentlich nur noch an sich selbst, an inneren Zerwürfnissen oder an schweren taktischen Fehlern scheitern.

Der Versuch, sie erst durch Totschweigen und später durch maßlose Dämonisierung zu ersticken, ist mit der EU-Wahl spektakulär gescheitert. Verzichtet die AfD indes auf die Selbstzerstörung, dann könnte das gesamte deutsche Parteiensystem ins Rutschen geraten.

Für CDU und CSU droht eine Falle zuzuschnappen, welche die Unionsparteien sich selbst gestellt haben. So wie es der FDP zum Verhängnis wird, den nationalliberalen Flügel in ihren Reihen niedergeknüppelt zu haben, so schlägt es nun auf die Union zurück, dass sie ihre konservativen Gefolgsleute jahrelang dermaßen an den Rand gedrängt hat, bis sie kaum noch eine Rolle spielten.

Was soll die Union aber jetzt tun? Ein Franz Josef Strauß würde empfehlen, schleunigst konservatives Terrain zurückzubesetzen. Doch dafür fehlt der Union heute jede Voraussetzung. Sie verfügt weder über die Köpfe noch die Konzepte noch die Kraft, um der AfD auf diese Weise das Wasser abzugraben.

Die alten konservativen Köpfe sind weg. Neue konnten sich im Rahmen der Ausrichtung zur linken Mitte nicht herausbilden. Für konservative Konzepte ist der Union die weltanschauliche Basis verloren gegangen.

Zudem benötigte die Union viel Kraft, um konservative und nationalliberale Positionen zurückzuerobern. Die nach allen Umfragen unter Journalisten von grünen und roten Parteigängern beherrschten Medien würden eine solche Wiederausweitung des Unionsspektrums mit wütenden Attacken bekämpfen. Das hielte die Partei beim Zuschnitt ihres derzeitigen Führungspersonals unterhalb von Angela Merkel keine drei Wochen durch.

Schließlich steckt die CDU auch in der Falle der politischen Konstellationen, in welche sie sich begeben hat. Nur noch in Sachsen regiert sie mit den Liberalen in einem rein bürgerlichen Bündnis, was wohl auch bald ein Ende haben dürfte. Sonst herrscht die Merkel-Partei, auf Bundes- wie auf Länderebene, nur noch mit SPD oder Grünen zusammen. Ein Schwenk der CDU zurück zu konservativen, ja selbst zu klassisch marktwirtschaftlichen Inhalten würde sämtliche dieser Koalitionen in eine tiefe Krise stürzen.


Einsatz hat Priorität
von Dieter Farwick

Statt verantwortungsbewusste Kritiker, die sich Sorgen um „ihre“ Bundeswehr machen, zu tadeln, sollte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ihnen dankbar sein. Sie ist im Frieden „Oberkommandierende“ der deutschen Streitkräfte, von denen allerdings tausende Soldaten jährlich im Krieg sind. Diese erwarten von der politischen Leitung und der militärischen Führung eine optimale Unterstützung für den gefährlichen Einsatz – dazu gehört aber vor allem ein treffsicheres Gewehr.

Von ihren ersten Tagen an wollte von der Leyen aus der Bundeswehr eine „Wohlfühlgesellschaft“ machen – keine Einsatzarmee. Diesem Ziel ordnete sie alles unter. In der Summe hat sie mit ihren Vorschlägen die Bundeswehr und ihre Soldaten im In- und Ausland dem Gespött ausgesetzt, aber die Fairness gebietet, sie nicht als die Hauptschuldige an der Misere der Streitkräfte zu bezeichnen – das ist ihre Vorgesetzte, die Bundeskanzlerin. Sie hat von der Leyen eingesetzt, obwohl sie um deren Defizite für diese schwierige Aufgabe wusste. In ihrer Kanzlerschaft hat sie die Abschaffung der Wehrpflicht, die Jahrhundertreform und die andauernde Unterfinanzierung der Bundeswehr entschieden.

Natürlich muss auch ein Soldat einer Einsatzarmee – wie sein Partner und seine Familie – mit Fürsorge und Respekt behandelt werden. Das hat aber auch die „Wehrpflichtarmee Bundeswehr“ seit Jahrzehnten mit Augenmaß und Erfolg praktiziert. Ohne die „moderne Menschenführung“ wäre es nicht gelungen, so viele qualifizierte Wehrpflichtige für eine Unteroffiziers- oder Offizierslaufbahn zu gewinnen.


Frei gedacht
Und ginge morgen die Welt unter ...
von Eva Herman

Und ginge morgen die Welt unter, so pflanzte ich heute ein Apfelbäumchen.“ So sagte es Martin Luther vor über 600 Jahren, jener Mann, der allen Mut der Welt zusammennahm, um sich gegen eine der größten irdischen Mächte, die Kirche, zu stellen.

Folgender Gedanke: Was wäre, wenn wir heute wissen würden, dass morgen die Welt untergeht? Sagen wir mal, nicht direkt morgen, sondern nehmen wir an, der Weltuntergang wäre exakt für den 30. Mai 2015 geplant. Wir hätten also ein knappes Jahr noch Zeit. Was würden wir tun?

Gewiss gäbe es eine ganze Reihe von Menschen, die in Angst erstarrten. Nur so kurz noch, würden sie sagen, dann ist alles aus! Vielleicht würden etliche dieser Leute ihrem Leben schon vorher ein Ende setzen, aus Furcht vor dem kommenden Geschehen. Die Willkür, die mit dieser Prophezeiung über sie käme, hielten sie einfach nicht aus.

Andere wiederum würden die anfängliche Schocksituation überwinden und sich in die Abenteuer des Lebens stürzen, wie Ertrinkende. Nach dem Motto: Jetzt kommt es auch nicht mehr drauf an, würde man feiern, trinken, tanzen – bis der Arzt kommt!

Dann wäre da wohl auch ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung, der – nach dem Prinzip: Augen zu und durch! – einfach weitermachen würde wie bisher. Er stünde morgens auf und ginge zur Arbeit. Am Abend käme er heim, schaltete den Fernseher ein und würde die Probleme der Welt zwar in flimmernden Bildern erklärt bekommen, doch immer noch wäre er kaum erreichbar für Not und Elend der Menschen und Tiere in anderen Erdteilen, oder auch direkt nebenan.

Und wahrscheinlich wäre es nur eine ganz verschwindende Minderheit, die etwas völlig anderes täte als all das vorher Genannte. Diese Menschen würden sich zurückziehen, um in Ruhe in ihre Kraft zu kommen. Sie würden sich vermutlich mit höheren Mächten in Verbindung zu setzen suchen, denen sie mehr vertrauen. Schnell könnten sie erkennen, dass die letzten Tage in Wahrheit eine lange Vorgeschichte haben. Und dass es alleine Menschen waren, welche die gefährliche Situation herbeiführten. Zahlreiche Beispiele würden sich vor dem geistigen Auge entrollen: unsägliches Leid seit Jahrtausenden durch Macht-, Glaubens- und Geldkriege. Deutlich träte die Wahrheit hervor: dass es nämlich stets die Herrscher gewesen waren, die Millionen Menschen ins Unglück führten, während diese Handvoll Entscheider meist nicht nur ungeschoren davon kam, sondern auch noch Profit aus dem vielfältigen Leid zog.

Auch die derzeit hoffnungslose Lage auf vielen Kontinenten würde plötzlich deutlicher werden: Millionen Menschen auf der Flucht, ohne Heimat, ohne Nahrung, ohne Wasser, ohne Verständnis höhergestellter Handelnder – ohne Nächstenliebe! Aller Glaube, alle Hoffnung in ihnen zerstört, die Liebe vernichtet, weil sie alleine gelassen wurden in ihrer Not, während es anderen Bevölkerungsteilen gut ging.

Ebenso deutlich würde in diesen letzten Tagen das Bild jener Menschenmassen auferstehen, die ohne Demut sind. Eigensinnig vertreten sie ihre Ansprüche, in dumpfem Eigenwollen übersehen sie die Naturgesetze, immer nur einem Ziel folgend: noch mehr Geld, noch mehr Macht zu scheffeln, um sich über andere erheben zu können. Doch sind diese Leute eigentlich als schlechter zu bezeichnen als alle die Verzagten, die jetzt aus lauter Angst vor Diffamierung und Diskriminierung ihre eigene Meinung sich nicht mehr auszusprechen trauen? Die lieber schweigen, und eine Kröte nach der anderen schlucken, um nur keinen Ärger zu bekommen?

Doch das wären noch längst nicht alle Probleme, die dieser geringste Teil der Menschheit in den Gefahren der letzten Tage erkennen könnte. Plötzlich wäre ihnen klar, wie viel Leid und Elend über jedes einzelne Tier auf dieser Erde gebracht worden war in all den zurückliegenden Jahrhunderten, welches, von berechnender Menschenhand gefüttert und gemästet, stets nur einem einzigen Zwecke zugeführt worden war: dem unersättlichen Fleischkonsum der Masse, die schon längst nicht mehr in Andacht für das tägliche Mahl zu danken wusste, sondern nur noch blindlings in sich hineinstopfte, was sie kriegen konnte, für möglichst billig Geld. Das Leid dieser geschundenen Tierseelen würde sich erheben und als einziger riesiger Vorwurf die Welt verdunkeln wie eine gewaltige Kraftzentrale der Mahnung.

Doch nicht genug damit, denn nun erstünden all die Qualen der kleinen Kinder, die seit Jahrzehnten aus der Wärme der Familie gerissen und in fremde Hände gegeben wurden. Ihr Schreien und Wehklagen war nie beachtet worden, es war verklungen im lauten Einheitsgeschrei des Fortschritts, wo es fast nur moderne Frauen gab, die ihre hohe Würde und Aufgabe eingetauscht hatten gegen ein anstrengendes Geschäft: den Feminismus. Plötzlich fiele es den letzten Erkennenden wie Schuppen von den Augen, entsetzt müssten sie erkennen, dass dieser Plan ein Irrtum auf der ganzen Linie war, der nur Verlierer kannte: die aufgeriebenen Frauen, die niemals mehr zur Ruhe kamen, weder im Job noch zu Hause bei den Kindern, noch als Partnerin eines Mannes.

Und auch die Männer, so wäre auf einmal klar, hatten ja nur gelitten: Zwar wussten diese selbst, dass es zwischen dem Weichei und dem gewaltbereiten Macho – beides hatten die sogenannten Emanzipierten erkoren zum Todfeind der Frau – noch eine Menge von Nuancen und Farbabstufungen, dass es da sogar etwas wie die große Liebe gegeben hatte. Doch längst hatten alle dies vergessen, im großen Kampf um die angebliche Unabhängigkeit.

Die Reise der Erkenntnis wäre immer noch nicht zu Ende für jene kleine Menschenschar, die der Wahrheit den Vorzug zu geben bereit war. Wie eine riesige Nebelwolke stünde plötzlich ein gewaltiger Vorwurf am Himmel, welcher durch keine Macht der Welt mehr vertrieben werden könnte: Ihr habt das Entscheidende vergessen! Ihr glaubtet, alles alleine entscheiden zu können, zu nehmen, zu genießen, zu konsumieren. Doch fragtet Ihr nur ein einziges Mal, woher alles gekommen war? Welcher hohen Quelle war es entsprungen? Das Essen – längst vergiftet, die Rohstoffe – ausgebeutet, die Felder voller Ähren – inzwischen durch Pestizide verseucht, die Winde und der Sauerstoff – durch unsachgemäße Behandlung stark verunreinigt, das Wasser – durch globale Profitgier sanktioniert und verpestet, stellenweise einer braunen, giftigen Kloake nur noch gleichend … Die Welt: ein Trümmerfeld. War es so wirklich vorgesehen?

Die wenigen Menschen, deren Binde Stück für Stück von den Augen fiele, erhielten in den letzten Tagen auch noch Besuch: Zahlreiche Vertreter aller Untugenden kämen vorbei, die diese Erde zu unbewohnbarem Gebiet gemacht hatten, als da wären: die Gier, Eitelkeit, Machtlust, Unterdrückung, Größenwahn, Unwahrheit, Vertuschung, Tarnung, Lüge – die Lieblosigkeit!

Zum Glück handelt es sich bei dieser Geschichte um ein reines Gedankenspiel. Ich kenne niemanden, der behauptet, im nächsten Jahr gehe die Welt unter. Doch in manchen Momenten frage ich mich, was ich in einem solchen Fall wohl tun würde?

Und ginge morgen die Welt unter, so pflanzte ich heute ein Apfelbäumchen. Wie es diesem Apfelbäumchen wohl morgen ginge?


S. 9 Kultur

Brechts lyrische »Lösung«
Parteigänger oder Dissident? Beim Aufstand vom 17. Juni ging der Dramatiker auf Distanz zu Ulbricht

Eine neue Monografie über Bertolt Brecht beleuchtet auch das Verhältnis des Dramatikers zum Aufstand vom 17. Juni 1953. Muss man das Bild vom staatstreuen Kommunisten Brecht revidieren?

Dieses Buch über die acht Ostberliner Jahre 1948/56 des Stückeschreibers Bertolt Brecht war längst fällig, konnte aber erst nach dem Mauerfall vom 9. November 1989 geschrieben werden, als Archive, Akten des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR und Nachlässe zugänglich wurden. Verfasser dieses kürzlich im Aufbau Verlag erschienenen Buches „Die Mühen der Ebenen: Brecht und die DDR“ (362 Seiten, 29,99 Euro) ist der 1926 in Leipzig geborene Literaturwissenschaftler Werner Hecht, der bei Hans Mayer studiert hat und 1959 von der Brecht-Frau, Schauspielerin und Intendantin Helene Weigel ans Berliner Ensemble verpflichtet worden ist. Er war von 1985 bis 2000 Mitherausgeber der 32-bändigen Werkausgabe im Suhrkamp-Verlag und ist Autor der Bücher „Brecht-Chronik“ (1997) und „Leben Brechts in schwierigen Zeiten“ (2007).

Das neunte Kapitel dieses höchst spannenden Buches, das den Titel trägt „Keine Lösung. Der 17. Juni 1953“, ist das aufschlussreichste, was das Verhältnis des bis zu seinem Tode 1956 parteilosen Kommunisten Brecht zum praktizierten Kommunismus des DDR-Staatschefs Walter Ulbricht angeht. Dieses Verhältnis war zwiespältig und voller Widersprüche, zumal der im Oktober 1948 aus Zürich eingereiste Dramatiker nie DDR-Bürger war, sondern 1950 die österreichische Staatsbürgerschaft annahm, seine Werke beim Suhrkamp-Verlag in Frankfurt am Main erscheinen und seine West-Tantiemen auf Schweizer Banken überweisen ließ. Selbst die ein Jahr vor seinem Tod erschienene „Kriegsfibel“ war strenger Zensur unterworfen: Sie wurde als Ausdruck des „reinsten Pazifismus“ verunglimpft und durfte nur in gereinigter Fassung und minimaler Auflage erscheinen. Die vollständige Ausgabe erschien 1994.

Am Spätnachmittag des 16. Juni 1953 erfuhr Brecht in Berlin-Weißensee vom Streik der Ostberliner Bauarbeiter. Am Abend dann trat der verängstigte SED-Vorsitzende Ulbricht im Berliner Fried­richstadtpalast auf und erklärte: „Die Partei hat die Verbindung zu den Massen verloren!“ Daraufhin nannte Brecht den Streik eine „selbstverschuldete Notwendigkeit“ und forderte im Gespräch mit seinem Mitarbeiter Manfred Wekwerth als radikale Lösung des Konflikts: „Die Streikenden bewaffnen!“

Seine Mitarbeiterin Käthe Rülicke schrieb mehr als fünf Jahre später, am 13. Dezember 1958, ihre Erinnerungen an den Tagesablauf Brechts am 16./17. Ju­ni 1953 nieder und übergab das Manuskript Hans Bunge, dem Leiter des Bertolt-Brecht-Archivs 1956 bis 1962. Dieser vertrauliche Bericht aber wurde von Helene Weigel, der Witwe, weggeschlossen und war niemandem zugänglich. Der Niederschrift Käthe Rülickes zufolge gingen sie, Brecht und sein Freund Jacob Walcher, ein 1951 aus der SED ausgeschlossener Kommunist, am frühen Morgen des 17. Juni durch Ostberlin. Der Generalstreik war ausgerufen, und Brecht soll „tief bestürzt“ gewesen sein, dass Arbeiter gegen die Arbeiterregierung streikten!

Eine Stunde später schrieb er drei Briefe: an den Sowjetbotschafter Wladimir Semjonow, an Ministerpräsident Otto Grotewohl und an Ulbricht. Von diesem dritten Brief ist am 21. Juni, als der Aufstand niedergeschlagen war, in der SED-Zeitung „Neues Deutschland“ lediglich der letzte Satz veröffentlicht worden, der Brechts Einschätzung des 17. Juni in ein völlig falsches Licht rückte: „Es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen in diesem Augenblick meine Verbundenheit mit der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands auszudrücken.“

Was der Absender aber im zweiten Satz seines Briefes kritisch angemerkt hatte, dass er jetzt eine „große Aussprache über das Tempo des sozialistischen Aufbaus“ erwarte, war unterschlagen worden. Das nämlich hätte zu einer „Fehlerdiskussion“ zwischen DDR-Bevölkerung und Staatspartei geführt, die unbedingt zu vermeiden war, bei Strafe des Untergangs!

Um 13 Uhr am 17. Juni wurde von der Besatzungsmacht der Ausnahmezustand verhängt. Die SED-Führung hatte längst be­schlossen, dass der Arbeiteraufstand keiner war, sondern ein von Westberlin aus gesteuerter „konterrevolutionärer Putschversuch“. Nicht die SED war schuld, sondern der „Klassenfeind“ jenseits der innerdeutschen Grenze!

Empört darüber, dass der Schlusssatz seines Briefes, der einen völlig falschen Eindruck vermittelte, von der Redaktion des „Neuen Deutschland“ in die Reihe der Ergebenheitsbekundungen an SED-Führung und DDR-Regierung eingerückt worden war, veröffentlichte Brecht einen zweiten Text in der SED-Zeitung, worin er von „berechtigter Unzufriedenheit“ der Arbeiter sprach und noch einmal die „so dringliche große Aussprache über die allseitig gemachten Fehler“ anmahnte. Ein Versuch, mit Ul­bricht über den Aufstand zu sprechen, misslang.

In Westdeutschland löste die angebliche Unterwerfung des Autors unter die Deutungshoheit der Partei „große Verwirrung“ und einen „Sturm der Entrüstung“ aus. Jetzt galt Brecht als Parteigänger Ulbrichts, dessen Dramen von den Theaterspielplänen abgesetzt wurden. Im Brief an seinen westdeutschen Verleger Peter Suhrkamp vom 1. Juli 1953 schrieb Brecht, die Arbeiter wären „zu Recht verbittert“ gewesen. Peter Suhrkamp wagte nicht, diesen Brief, wie es der dringliche Wunsch seines Verfassers gewesen war, zu veröffentlichen.

Der Dichter zog sich im Juli/August 1953 in sein Sommerhaus in Buckow in der Märkischen Schweiz zurück und arbeitete an der Gedichtsammlung „Buckower Elegien“, die erst 1964, acht Jahre nach seinem Tod, erscheinen konnte. Dort fand man das Gedicht „Die Lösung“, worin den unfähigen Politikern allgemein vorgeschlagen wurde, „die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes“. Ein Tagebucheintrag Brechts vom 20. August 1953 begann mit dem Satz: „Der 17. Juni hat die ganze Existenz verfremdet.“ Jörg Bernhard Bilke


Ein Berliner »Schelm«
Vor 300 Jahren starb der Baumeister des Berliner Stadtschlosses, Andreas Schlüter

Seitdem der Wiederaufbau des Berliner Schlosses im vollen Gang ist, feiert auch Andreas Schlüter so etwas wie seine Wiedergeburt nach 300 Jahren. Denn der Architekt, der mit seinen Bauten Berlin von einer ärmlichen Provinz- zu einer barocken Prunkstadt aufblühen ließ, war praktisch vergessen, nachdem seine bekanntesten Werke dem Krieg zum Opfer gefallen waren. Das Stadtschloss, dessen Bauleitung er 1698 übernahm, wurde erst von Bomben zerstört und dann von den DDR-Oberen dem Erdboden gleichgemacht. Und das Bernsteinzimmer, das nach Schlüters Entwürfen zuerst im Berliner Schloss eingerichtet wurde, ehe Friedrich Wilhelm I. es 1716 dem russischen Zaren Peter dem Großen schenkte, gilt bis heute als verschollen.

Doch am Schloss wird gebaut, und so erinnern sich die Berliner wieder an ihren großen Baumeister. Das Bode Museum ehrt ihn derzeit mit einer Ausstellung, in der auch einige erhaltene Kolossalfiguren zu sehen sind, die früher den als „Schlüterhof“ bezeichneten Innenhof des Schlosses schmück­ten. Schon seit längerer Zeit steht in der Kuppelhalle des Museums auch die Kopie vom Reiterdenkmal des Großen Kurfürsten, dessen Original heute am Schloss Charlottenburg steht, nachdem man es zu Beginn des Zweiten Weltkrieges von seinem ursprünglichen Standort auf der Langen Brücke vor dem Stadtschloss evakuiert hatte. Die von Schlüter entworfene monumentale Bronzefigur, die in einem einzigen Guss angefertigt wurde, war seinerzeit das größte Reiterstandbild nördlich der Alpen.

Kein Wunder, dass Schlüter aufgrund solcher imposanter Werke auch „Michelangelo des Nordens“ genannt wird. Tatsächlich holte sich Schlüter, von dessen Le­ben vieles im Dunklen liegt – vermutet wird, dass er 1659 oder 1660 in Danzig zur Welt kam –, seine Inspirationen bei den großen Renaissancemeistern. Als der in Königsberg ge­borene Kurfürst Fried­rich III. ihn 1694 aus den Diensten des polnischen Kö­nigs abwarb, schickte er den damals für sein Hauptportal der königlichen Ka­pelle an der Danziger Marienkirche sehr bewunderten Architekten auf Studienreisen in die Niederlande, nach Frankreich und Italien.

Zurück in Berlin machte er sich an die Arbeit, um als Hofbildhauer mit 1200 Talern Gehalt überall in der Stadt seine Spuren zu hinterlassen. Sein Arbeitgeber, Friedrich III., hatte große Ambitionen: Er wollte die Doppelstadt Berlin-Cölln zu einer repräsentativen Metropole verwandeln, in der er später als König residieren konnte. Tatsächlich wurde er 1701 in Königsberg zum König erhoben. Als König Friedrich I. verschaffte er Schlüter bedeutende Bauaufträge, von denen einige die Kriegszerstörungen überstanden ha­ben: Am Zeughaus sind die von ihm kunstvoll entworfenen Schlusssteine zu sehen, welche Prunkhelme so­wie lebensecht ge­staltete Kopftrophäen getöteter Krieger darstellen; einen Katzensprung weiter war er mitverantwortlich für die Prunksärge im Dom für Kö­nigin Sophie Charlotte und Friedrich I.; wieder nur ein paar Schritte weiter ist seine prächtige Kanzel aus Eichen- und Nadelholz sowie Sandstein und Alabaster in der Marienkirche zu bewundern; für den Hofgoldschmied Daniel Männlich entwarf er das schlichte, aber erhabene Grabmal in der Nikolaikirche; und schließlich steht am Charlottenburger Schloss neben dem erwähnten Reiterstandbild auch eine Bronzestatue Friedrichs III. zu Fuß. Es handelt sich dabei um den Nachguss einer Gipskopie. Das Original stand bis zum Krieg vor dem Königsberger Schloss. Seitdem ist es verschollen.

Schlüters Aufstieg schien un­aufhaltsam, bis er vom König den Auftrag für den Münzturm bekam. An dem Projekt, das die kurfürstliche Münze beherbergen sollte, verhob er sich. Es sollte Berlins erster Wolkenkratzer mit einer Höhe von 96 Metern werden. Als das Bauwerk eine Höhe von 60 Metern erreicht hatte, geriet es auf dem sumpfigen Untergrund ins Wanken, bekam Risse und brachte ein Gerüst zum Einsturz, bei dem viele Handwerker starben. Das Bauwerk wurde danach abgetragen, und der König ärgerte sich über „Scluter, der schelm, der den turm so verdorben gebauet“.

Als auch noch ein Schlütersches Lustschloss in Freienwalde bei einem Unwetter auf einem Sandhügel abrutschte, reichte es dem König: Er gab Schlüter 1713 den Laufpass. Der Architekt trat daraufhin in die Dienste des russischen Zaren, für den er aber nichts mehr bauen konnte. Nur ein Jahr später starb Schlüter in St. Petersburg am 23. Juni 1714. Harald Tews

Der neue Cicerone „Schlüter in Berlin“ (Hirmer Verlag, 80 Seiten, 9,90 Euro) informiert kurz und bündig über Schlüters Berliner Werke.


Klare Kante
Holzgrafiken von Kirchner in Hamburg

Noch bis zum 7. September zeigt das Hamburger Bucerius Kunstforum am Rathausmarkt einen Querschnitt aus dem druckgrafischen Schaffen des bedeutenden Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner (1880−1938). Leihgeber der rund 130 Werke ist das Berliner Brücke-Museum.

Kein anderer Maler der Avantgarde hat sich so anhaltend wie Kirchner mit dem Medium der Druck­grafik auseinandergesetzt. Schon während seines Architekturstudiums in München 1903/04 gewann er erste Anregungen durch die Holzschnitte Albrecht Dürers. Zusammen mit seinen Studienkollegen Erich Heckel, Fritz Bleyl und Karl Schmidt-Rottluff gründete Kirchner 1905 in Dresden die Künstlergruppe „Die Brücke“. Im Laufe der nächsten Jahre traten in seinem Malstil die Einflüsse von Jugendstil und französisch geprägtem Spätimpressionismus zurück.

Kirchner wandelte sich zum Expressionisten gemäß dem Programm der Brücke-Künstler, „unmittelbar und unverfälscht“ wiederzugeben, was jeden von ihnen zum Schaffen drängte. Für die Erprobung künstlerischer Möglichkeiten fand er mit dem Holzdruck, der Lithografie und der Kaltnadelradierung geeignete Mittel. Von seinen Lithosteinen und Druckstöcken nahm er eigenhändig Drucke in sehr kleiner Stückzahl ab, wobei er gelegentlich mit Primärfarben experimentierte. Kirchner blieb der gegenständlichen Darstellung verhaftet, verfremdete aber seine Motive mitunter fast bis zur Unkenntlichkeit. Mit kantiger Formgebung er­zielte er die gewünschte Übersteigerung des Ausdrucks. Die Themenkreise der Ausstellung sind Varieté und Tanz, Strandleben auf Fehmarn, Berliner und Dresdener Stadtansichten, Landschaften, Selbstbildnisse und Porträts.

Eine besondere Abteilung bildet die faszinierende Serie mit Drucken von Motiven nach „Peter Schlemihls wunderbare Ge­schichte“, dem Kunstmärchen von Adalbert von Chamisso. Die Blätter entstanden 1915 nach der Militärzeit Kirchners mit Fronteinsatz und zeugen von seiner tiefen Identitätskrise. Seit 1917 lebte der Künstler nach mehreren Sa­natoriumsaufenthalten im schweizerischen Davos. 1937 beschlagnahmten die Nationalsozialisten in den Museen über 600 seiner Bilder. Seine Arbeiten galten als „entartete Kunst“. Am 15. Juni 1938 nahm er sich durch Erschießen das Leben. D. Jestrzemski


»Wolfskinder« in Ludwigshafen

Zum zehnten Mal findet auf der Parkinsel Ludwigshafen das Festival des deutschen Films in der Metropolregion Rhein/

Neckar statt. Das Einzigartige dieses vom 18. Juni bis zum 6. Juli stattfindenden Filmfestes ist, dass es ausschließlich neue deutsche Produktionen vorstellt. Ausländische Filme haben keine Chance. Besondere Aufmerksamkeit dürfte ein Film genießen, der in Memel und Litauen gedreht wurde und der erstmals einem deutschen Publikum vorgestellt wird: „Wolfskinder“.

Der Debütfilm von Rick Ostermann verfolgt die brutale Odyssee von mehreren ostpreußischen Kindern, die nach dem Krieg Eltern und Heimat verloren haben. Halbverhungert hausen sie in Wäldern und schlagen sich auf eigene Faust bis ins scheinbar sichere Litauen durch, wo sie auf Barmherzigkeit der dort auch um ihre Freiheit kämpfenden Bewohner hoffen. Der Film, der am 28. August bundesweit in den Kinos startet (eine ausführliche PAZ-Kritik folgt), ist in Ludwigshafen in der Zeit vom 20. bis 23. Juni bei vier Vorführungen zu sehen.

Ein weiterer Höhepunkt ist der bereits mit vielen Preisen überhäufte vierstündige Heimatfilm „Die andere Heimat − Chronik einer Sehnsucht“, die der Regisseur Edgar Reitz am 29. Juni um 19 Uhr persönlich vorstellen wird. Einen Tag später wird um 19.30 Uhr der Preis für Schauspielkunst verliehen, der in diesem Jahr an das Schauspielerpaar Anna Loos und Jan Josef Liefers geht. Um Geldpreise in Höhe von insgesamt 60000 Euro konkurrieren Filme, die für den Filmkunst- und Publikumspreis nominiert sind.

Das Festivalgelände ist am besten mit einem Shuttle-Bus zu erreichen, der alle zehn Minuten vom Berliner Platz in Ludwigshafen zur Parkinsel und zurück fährt. Das gesamte Programm ist im Internet unter www.festival-des-deutschen-films.de abrufbar. tws


S. 10 Geschichte

Walsin-Esterházy war unschuldig wie Dreyfus
Die Geschichte der berühmtesten Affäre der Dritten Republik muss neu geschrieben werden

Bisher herrschte hinsichtlich der Dreyfus-Affäre die Ansicht vor, dass Alfred Dreyfus grundlos der Spionage beschuldigt worden und der von den Franzosen gesuchte deutsche Spion in Wirklichkeit Ferdinand Walsin-Esterházy gewesen sei. Nun hat sich herausgestellt, dass Walsin-Esterházy wie Dreyfus unschuldig und der wahre Schuldige ein Dritter war.

Wohl selten hat ein Spionagefall die politischen Beziehungen zwischen zwei Staaten so nachhaltig vergiftet wie der Fall des französischen Generalstabsoffiziers Alfred Dreyfus (1859–1935). Dreyfus wurde am 15. Oktober 1894 wegen Spionage für Deutschland verhaftet und am 22. Dezember 1894 zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Zwar holte man Dreyfus, weil Zweifel an seiner Schuld auftauchten, bereits 1899 von der Teufelsinsel zurück, doch erfolgte seine völlige Rehabilitation erst 1906 nach heftigen innenpolitischen Kämpfen in Frankreich.

Nach bisheriger Lesart hatten bornierte, antisemitische Finsterlinge im französischen Generalstab lieber einen Unschuldigen verurteilen lassen, als den ihnen wohlbekannten wahren Verräter zu entlarven. Doch in Wirklichkeit glich der Fall Dreyfus mehr einer griechischen Tragödie, in der fast jeder Beteiligte schuldlos schuldig wurde und anschließend ein herbes Schicksal erlitt.

Schon länger plagte Oberst Jean Sandherr, Chef des militärischen Nachrichtendienstes „Deuxième Bureau“ im französischen Generalstab, der schlimme Gedanke, einen Verräter in den eigenen Reihen zu haben. So waren im August 1893 zwei französische Offiziere auf Spionagemission im Hafen von Kiel aufgeflogen und auch der spanische Militärattache in Paris wies das „Deuxieme Bureau“ vertraulich auf die Existenz eines deutschen Agenten hin.

Mit seinem engen Vertrauten und Unterstellten, dem Major Hubert Henry (1846–1898), versuchte Sandherr, dem deutschen Nachrichtendienst eine Falle zu stellen, indem man diesem einen Doppell­agenten unterschob. Als solchen wählten beide den französischen Offizier ungarischer Herkunft Major Ferdinand Walsin-Esterházy (1847–1923) aus. Dieser diente zwar als Bataillonskommandeur in einem Infanterieregiment in der Provinz, besaß aber einige geheimdienstliche Erfahrung durch seine vorherige Tätigkeit im „Deuxieme Bureau“.

Am 20. Juli 1894 bot sich Esterházy dem deutschen Militärattache in Paris, Oberstleutnant Maximilian v. Schwartzkoppen, gegen Bezahlung als Spion an. Schwartzkoppen, ein aus einem Berliner Garderegiment hervorgegangener Generalstabsoffizier, war entsetzt und beschwor Esterházy, seine Ehre als französischer Offizier nicht zu beflecken. Doch entsprechend seinem Auftrag blieb Esterházy hartnäckig. Schwartzkoppen meldete den Vorfall nach Berlin und riet davon ab, Esterházy als Agenten zu verwenden. Der Chef der Abetilung IIIb im Großen Generalstab, Major Mueller, sah den Fall aus seiner Berliner Perspektive anders. Er betrachtete das Spionageangebot als unverhofften Glücksfall und ließ Schwartzkoppen anweisen, Esterházy als Informationslieferanten zu testen. Damit kam ein Stein ins Rollen, der schließlich fast alle Beteiligten an der Affäre zum Unheil gereichen sollte.

Um glaubwürdig zu wirken, lieferte Esterházy auf Anweisung Oberst Sandherrs nämlich einige echte, wenngleich zweitrangige militärische Geheimnisse an die Deutschen. Neben dem Mobilmachungstagebuch seines Regimentes betraf das eine in Erprobung befindliche Rohrrücklaufbremse und Informationen über französische Kolonialtruppen. Niemand der Eingeweihten vom französischen und deutschen militärischen Geheimdienst ahnte, dass sich noch ein dritter Spieler auf dem Feld befand. Die Geheimpolizei des französischen Innenministeriums überwachte aufmerksam die deutsche Botschaft in Paris und eine Putzfrau lieferte regelmäßig alle Papiere ab, die sie im Papierkorb des deutschen Militärattachés fand. Am 25. September fand sie ein Verzeichnis beigefügter Dokumente, ein sogenanntes Bordereau, das seinen Autor, allem Anschein nach ein französischer Generalstabsoffizier, als Spion zu kompromittieren schien.

Der sogleich informierte französische Generalstabschef Raoul Le Mouton de Boisdeffre war entsetzt und ordnete die Suche nach dem Spion an. Der Mut von Oberst Sandherr reichte nicht so weit, General Boisdeffre mitzuteilen, dass gerade eine Doppelagentenoperation lief und der Major Esterházy auf seine Weisung hin militärische Geheimnisse den Deutschen verraten hatte. Sandherr beschloss vielmehr, die Suche nach dem vermeintlichen deutschen Spion mit viel Lärm und Eifer aufzunehmen, dabei aber Major Esterházy naheliegenderweise nicht zu enttarnen.

Zu Alfred Dreyfus’ Unglück glaubte nun ein hoher Generalstabsoffizier, auf dem intern kursierenden Bordereau aus dem Büro Schwartzkoppens die Handschrift des jüdischen Generalstäblers zu erkennen. Der als Untersuchungsrichter eingesetzte Major Armand du Paty de Clam tat sogleich alles, um Dreyfus zu überführen. Es folgte ein langjähriger politischer Kampf von „Dreyfusianern“ und „Antidreyfusianern“ in Frankreich.

Am besten traf es noch Oberst Sandherr, der binnen Kurzem an einer Gehirnerkrankung verstarb. Major Henry, der nun neben Esterházy der einzige Eingeweihte war, verstrickte sich zunehmend in Lügen und beging schließlich Selbstmord. Esterházy floh nach England, blieb dadurch straflos und behauptete fortwährend, nur auf Befehl seiner Vorgesetzten gehandelt zu haben, was ihm niemand glauben wollte.

Dem deutschen Geheimdienst war anfangs unklar, was der Lärm um Hauptmann Dreyfus bezwecken sollte, denn der war ja niemals deutscher Spion gewesen. Man vermutete, Dreyfus habe für Russland spioniert und Frankreich wolle nun seinen neuen Verbündeten nicht verprellen. Als die Deutschen die wahren Hintergründe zu ahnen begannen, zogen sie Schwartzkoppen aus Paris ab. Außerdem informierten sie 1896 über einen Mittelsmann den französischen Nachrichtenoffizier Jules Lauth, dass Dreyfus nie für sie spioniert habe. Doch die Franzosen glaubten an eine Vertuschungsaktion der vermeintlich trickreichen Deutschen.

Schwartzkoppen brachte es zwar später noch zum General, doch bis zu seiner Todesstunde 1917 plagte ihn der Gedanke, durch seine Tätigkeit ungewollt zum Unglück von Alfred Dreyfus beigetragen zu haben. IIIb-Chef Major Mueller kostete der Lärm um die Geheimdiensttätigkeit in Frankreich seinen Posten. 1895 versetzte man ihn zurück in die Truppe, wo er es noch zum Oberst und Kommandeur eines Artillerieregiments brachte.

Den eigentlichen Spion im französischen Geheimdienst hat man nie gefunden. Es soll sich um einen polnischen Grafen Louis Brzozowski gehandelt haben, den bereits Mitte der 1870er Jahre Muellers Amtsvorgänger Heinrich v. Brandt angeworben hatte.

Jürgen W. Schmidt


Er nahm dem Kaiserschnitt seinen Schrecken
Ferdinand Adolf Kehrers methodische Verbesserungen senkten die Muttersterblichkeit auf unter einen Prozent

Kaum einer vermag sich heute das Elend von Schwangeren im 19. Jahrhundert und davor vorzustellen. Stockte eine natürliche Geburt oder war sie unmöglich, standen die Betroffenen vor einer fatalen Wahl: Tod der Mutter oder Tod des Säuglings. Ein Kaiserschnitt nach alter Methode, bei der die Bauchdecke und die Gebärmutter von oben nach unten aufgeschnitten wurden, führte noch in den 1870er Jahren in fast allen Fällen zum Tod der Mutter, weil die Infektionen nicht beherrschbar waren. In dieser Situation wagte Ferdinand Adolf Kehrer eine Pioniertat von größter Tragweite.

Der erst 44-Jährige, gerade zum Ordinarius und Chef der Universitäts-Frauenklinik in Heidelberg berufene Arzt hörte von der Notsituation der Emilie Schlusser im kleinen Nachbarort Meckesheim. Er packte sein Operationsbesteck ein, nahm Assistenten mit und wagte zum ersten Mal die Operation, die in den folgenden Jahrzehnten weiterentwickelt wurde und heute als konservativer klassischer Kaiserschnitt bekannt ist.

In der Fachzeitschrift „Archiv für Gynäkologie“ (Bd. XIX, 1882) berichtete Kehrer über dieses „modifizierte Verfahren beim Kaiserschnitte“: In zwei „bescheidenen Räumen“ wurden die nötigen Vorbereitungen für die Operation getroffen. Zwei Hängelampen, eine Stehlampe und mehrere Stearinkerzen sollten für ausreichend Licht sorgen. Ein kurzer Tisch wurde mit Leinentüchern und Kissen versehen und davor ein Stuhl für die Beine der Kreissenden gestellt. So sah der Operationssaal im Privathaus aus. Die Instrumente wurden zur Desinfektion in Carbolwasser gelegt, wie es in Kehrers Schilderung heißt.

Die Operationstechnik hatte sich Kehrer im Vorwege sorgfältig überlegt. Schon in seiner Kindheit hatte der Sohn eines Landarztes mit ansehen müssen, wie der Vater als Geburtshelfer noch ungeborene Kinder im Mutterleib zerschneiden musste, um das Leben der Mutter zu retten. Dieses Erleben veranlasste ihn als junger Arzt zu sorgfältigen anatomischen Forschungen, ob es denn vielleicht nicht doch eine Alternative zu dem schrecklichen Geschehen geben könne. Gegenüber dem damals üblichen Längsschnitt, machte Kehrer einen Querschnitt, seitlich vom Nabel oder direkt in der Mittellinie nach unten. Dem Arzt ging es bei diesem neuen Verfahren darum, die Wunde dort am verlässlichsten zu verschließen, wo die Gebärmutterwand am wenigsten auseinanderklaffte.

Die zweite Neuerung war zwar weniger offensichtlich aber dafür umso wichtiger. Kehrer vermutete, dass das hochinfektiöse Sekret der Gebärmutter dafür verantwortlich war, dass im Bauchraum die nicht mehr beherrschbaren Entzündungen im Wochenbett entstanden, die fast immer zum Tod der Mutter führten. Daher nähte der Arzt in mehreren Schichten zuerst die Gebärmutter selbst und dann die folgenden Schichten vom Bauchfell bis zur Haut zu. Das klingt heute wie selbstverständlich, war es zu Kehrers Zeiten jedoch keineswegs. Man ließ die Gebärmutter ganz bewusst offen, weil man die Vorstellung hatte, sie würde sich von alleine wieder zusammenziehen. Zudem fürchtete die damals gängige Schulmedizin, dass eine solche Naht bei einer folgenden Schwangerschaft wieder reißen könne.

Trotz der frühen Veröffentlichung im Jahr 1882 wurde Kehrers Methode nur wenigen Fachleuten bekannt. Das ist umso erstaunlicher, als bis heute die quere Schnittführung, der Transversalschnitt und das Zunähen der Gebärmutter zum Standardprogramm jeder Kaiserschnitt-Operation gehören. Varianten gibt es im Detail, was die Technik des Nähens, des Nähmaterials und der Behandlung der verschiedenen Strukturen im Bauchraum betrifft.

Auf der Internetseite der Heidelberger Universitätsklinik findet sich, um nur ein deutsches Beispiel herauszugreifen, nur ein einziger Hinweis auf die bahnbrechende Tat des international inzwischen anerkannten Mannes. In ausländischen Lehrbüchern der Gynäkologie, etwa in „Munro

Kerr’s Operative Abstetrics“ von 2007, wird die Leistung des Professors aus Heidelberg ausdrück­lich anerkannt und gewürdigt. Die Unterschiedlichkeit der Beurteilung liegt wohl zum Teil daran, dass das Zunähen der Gebärmutter schon in den 1870er Jahren als „Sänger-Naht“ bekannt wurde, zurückzuführen auf den Leipziger Oberarzt Max Sänger, der aber lange den Längsschnitt und erst später auf Grund von Kehrers Erfindung den tieferen Querschnitt praktizierte.

In Deutschland ließ sich zunächst der skeptische Leiter der Erlanger Frauenklink mit dem vielsagenden Namen Paul Zweifel von Kehrers Methode und von empirischen Daten aus dem Ausland überzeugen. Die Sterblichkeit bei Kaiserschnitten sank bei Zweifel auf sensationelle zwei Prozent. Vorher waren es 70 bis 100 Prozent gewesen.

Zum endgültigen Durchbruch verhalf der britische Gynäkologe Munro Kerr dem Verfahren Kehrers. Ab dem Jahr 1911 führte er die ersten Kaiserschnitte nach dessen Methode aus und veröffentliche in den folgenden Jahrzehnten die positiven Ergebnisse.

Abgesehen von der Operations- und Nähtechnik wird Ferdinand Adolf Kehrer in dem Jahr seines 100. Todestages noch für eine dritte weitreichende Neuerung gewürdigt. Wer einmal bei einer Geburt anwesend war, die schließlich nach 20 oder 30 Stunden zum Stillstand kam, ohne dass das Kind geboren worden war, kennt die Situation der totalen Erschöpfung von Mutter und Kind, die auch heute noch zum Tod von beiden führen kann. Kehrer plädierte deswegen bei einem solchen Geburtsverlauf dafür, den Kaiserschnitt bewusst rechtzeitig anzuwenden. Er sprach von einer „relativen Indication“, das heißt eine Maßnahme ist für einen Patienten vorteilhaft, aber nicht zwingend notwendig. Der relativ früh angewendete Kaiserschnitt ließ allerdings schon immer die Frage im Raume stehen, ob dieser denn wirklich lebensnotwendig für Mutter Kind indiziert sei. Gegen­über der heute oft geübten Praxis, einen Kaiserschnitt vorzunehmen, um den schmerzhaften Geburtsvorgang oder gar die unpassende Terminierung zu umgehen, empfahl Kehrer rein medizinische Gründe. Wenn bei der Untersuchung der Frau beispielsweise ein verengtes, verformtes Becken festgestellt werde, das beim Geburtsvorgang ein unüberwindliches Hindernis darstelle, dann sei ein Kaiserschnitt lebensnotwendig angezeigt.

Heute wird in Deutschland jährlich bei einem Drittel aller Geburten, bei rund 206000 Müttern und Kindern, der Kaiserschnitt durchgeführt. Weltweit erblicken jährlich rund 18,5 Millionen Kinder per Kaiserschnitt das Licht der Welt. Hinrich E. Bues


S. 11 Preussen

»Achtung, hier spricht Königsberg«
Vor 90 Jahren nahm in Ostpreußens Hauptstadt die Ostmarken Rundfunk AG den Programmbetrieb auf

Am 14. Juni 1924 begann in Ostpreußen mit der Aufnahme des Sendebetriebes durch den Königsberger Rundfunksender „Ostmarken-Rundfunk“ ein neues Medienzeitalter. Das Datum war keineswegs zufällig gewählt, war doch am Vortag der 200. Jahrestag der Vereinigung von Altstadt, Löbenicht und Kneiphof zur Stadt Königsberg feierlich begangen worden.

Zu Beginn der 1920er Jahre war in Deutschland ein regelrechtes „Funkfieber“ ausgebrochen. Aus dem Ausland konnte man die ersten Rundfunkstationen empfangen und außerdem gab es eine ganze Reihe leicht empfangbarer Funkdienste. Zehntausende Bastler experimentierten mit selbstgebauten Empfängern; viele Zeitschriften berichteten laufend über die Fortschritte im Funkwesen. Angesichts dieser Situation setzten die Behörden, vor allem die Reichs­post, alles daran, das Ganze zu kanalisieren und einen staatlich kontrollierten „Unterhaltungsrundfunk“ aufzubauen. Schließlich verständigte man sich darauf, dass Land in neun Sendebezirke zu unterteilen, in denen jeweils eine privat finanzierte „Sendegesellschaft“ eine Rundfunkstation betreiben sollte. Für Ostpreußen war Königsberg als Standort vorgesehen.

Nun wurden innovationsorientierte Investoren gesucht – und gefunden. In Königsberg besaß der Ingenieur Walter Zabel eine Maschinenfabrik mit einem Holverarbeitungsbetrieb; das Firmengelände lag etwas außerhalb der Stadt an den Pregelwiesen. Einen weiteren Geschäftszweig hatte er sich mit der Elektrifizierung der großen landwirtschaftlichen Güter in der Region aufgebaut. In diesem Zusammenhang war er mit dem Funkwesen in Berührung gekommen und hatte bei seinem Hauptbüro in der Königsberger Hufenallee ein Ladengeschäft für den Handel mit Rundfunkapparaten eingerichtet. Nachdem am 29. Oktober 1923 die Berliner „Funk-Stunde“ A.G. als erste deutsche Station den Betrieb eröffnet hatte, sah Zabel auch in Königsberg die Zeit für eine solche Einrichtung gekommen: Mit mehreren Mitstreitern gründete er am 2. Januar 1924 die „Ostmarken-Rundfunk AG“ (ORAG).

Anschließend beauftragte Zabel die damals bekannte Firma Huth damit, auf seinem Betriebsgelände einen Sender zu bauen. Weithin sichtbar, wurden drei, jeweils 50 Meter lange Kabel aus Kupferbronze zwischen dem Firmenschornstein und einem neuen, 35 Meter hohen Gittermast gespannt.

Als Sendestudio wurde der Chorprobensaal im Dachgeschoss des Königsberger Stadttheaters angemietet und umgestaltet. So wurden die Wände des rund 100 Quadratmeter großen Raums zur Schalldämmung mit Seegrasmatten verhängt und eine Ecke als Ansage- und Sprecherkabine abgeteilt. Die Verwaltung des „Ostmarkenrundfunks“ saß in zwei winzigen Büros, ebenfalls im Gebäude des Stadttheaters, der wohl bedeutendsten Musikbühne Ostpreußens.

Die Herrichtung des Chorprobenraums erfolgte bereits unter der Aufsicht von Joseph Christean, dem neuen „Künstlerischen Leiter“. Mit ihm hatte Zabel eine außerordentlich kreative wie seriöse Persönlichkeit für das neue Medium gewinnen können. Der aus Wien stammende Regisseur und Operntenor verfügte über eine reichhaltige Berufserfahrung. Und auch die übrigen Schlüsselpositionen wurden mit Kräften des Stadttheaters besetzt: Klaus Nettstraeter als Erster Kapellmeister und Kurt Lesing als Spielleiter und Erster Sprecher. Schließlich gelang es Christean auch noch, ein vierköpfiges Musikensemble zu verpflichten.

Alles schien nach Plan zu laufen, als im April 1924 die Maschinenfabrik Zabels in Liquiditätsschwierigkeiten geriet. Der Geschäftsmann war gezwungen, die Investitionen in den Rundfunk zurückzuziehen. Er bot der Stadt Königsberg seine Rundfunkanteile an. Und diese griff zu, übernahm mit Hilfe der „Messeamt Königsberg i. Pr. GmbH“, einem Unternehmen in städtischen Händen, Ende Mai sämtliche Anteile der Rundfunkgesellschaft. Nun nannte sich die Gesellschaft im Untertitel „Rundfunk der deutschen Ostmesse“.

Unterdessen waren am 10. Mai die Sendeversuche angelaufen. Sie standen unter der Leitung des Ingenieurs Erich Geissler, den Zabel von der Firma Huth abgeworben hatte. Der Probebetrieb verlief so erfolgreich, dass einer baldigen Stationseröffnung nichts im Wege stand.

Am 14. Juni 1924 war es schließlich so weit. Vormittags um 10 Uhr versammelten sich die geladenen Gäste im Stadttheater. Hans Bredow, der für das Rundfunkwesen zuständige Post-Staatssekretär, hielt die Eröffnungsansprache. Er sagte dem Rundfunk eine große Zukunft voraus. Anschließend bedankte sich der Königsberger Oberbürgermeister Hans Lohmeyer für die Unterstützung der Postbehörden beim Aufbau des Senders. Nun wurde den im Senderaum wartenden Musikern das Zeichen gegeben, mit dem Premierenkonzert zu beginnen. Der Festakt war beendet.

Für Joseph Christean und seine Mitstreiter begann der Programmalltag. Der Schwerpunkt lag auf dem Abendprogramm ab 19.30 Uhr. Dabei wurden „gehobene Unterhaltung“ und „Heimatverbundenheit“ großgeschrieben. Die Gestaltung eines ansprechenden Angebotes für die noch wenigen Hörer stellte eine tägliche Herausforderung dar. Improvisation und Flexibilität waren gefordert; sämtliche Mitarbeiter hatten in den unterschiedlichsten Funktionen mitzuwirken, schließlich wurde alles „live“ gesendet.

Christean übernahm neben seinen Leitungsfunktionen zahlreiche Sprechereinsätze in den verschiedensten Programmberei­chen. Auch das Aufgabengebiet von Lesing war weit gespannt und reichte vom Regisseur bei literarisch-musikalischen Veranstaltungen bis zum Märchenerzähler und Ansager. Und wenn es die Situation erforderte, stürzte er sich unmittelbar nach der Ansage an sein Schlagzeug, um den Einsatz der nächsten Musiknummer nicht zu verpassen.

Christean erwies sich schließlich als Glückgriff für den Rundfunk in Ostpreußen. Es gelang ihm, für fast jeden Programmtag ausgezeichnete Fachkräfte aus den unterschiedlichsten Bereichen der Königsberger Kulturszene für den Ostmarkenrundfunk zu gewinnen: musikalische Solisten und Schriftsteller ebenso wie Wissenschaftler oder Pädagogen. Und es gelang ihm auch, den Rundfunk in Ostpreußen allmählich bekannt zu machen.

Dennoch dauerte es mehrere Jahre, bis sich der Rundfunk fest etablieren konnte. Wichtige Fortschritte waren der Umzug von Verwaltung und Studiobetrieb in eine der Hallen auf dem Gelände der Ostmesse im Jahre 1926 sowie die Inbetriebnahme des Senders auf dem Veilchenberg ein Jahr später. Als weitere Meilensteine erwiesen sich die Inbetriebnahme des Großsenders Heilsberg im Jahre 1930 wie die Fertigstellung des großen „Funkhauses“ am Hansaplatz im Jahre 1933. Die meisten Ostpreußen kennen die ostpreußische Rundfunkstation unter der Bezeichnung „Reichssender Königsberg“, die von den Nationalsozialisten im April 1934 eingeführt wurde. Ulrich Heitger


Willy Brandts erfolgloser Gegenspieler
Mit dem gescheiterten Misstrauensvotum von 1972 schrieb Rainer Barzel Geschichte

Zumindest in religiöser Hinsicht war Rainer Barzel eher für das Ermland als für Ostpreußen typisch. Wie die meisten Ermländer war der am 20. Juni 1924 in Braunsberg geborene Ostpreuße Katholik. So besuchte er im protestantischen Berlin, wohin sein Vater als Gymnasiallehrer versetzt worden war, das jesuitische Canisius-Kolleg und engagierte sich in der katholischen Jugendbewegung Bund Neudeutschland. Schule und Kriegsdienst folgte ein Studium der Rechtswissenschaften und der Volkswirtschaftslehre in Köln, wo die Eltern seiner damaligen Verlobten lebten.

Nach dem Ersten Juristischen Staatsexamen trat Barzel 1949 in die Verwaltung Nordrhein-Westfalens ein. Dort wurden Regierungsvertreter sowohl der CDU als auch der Deutschen Zentrumspartei auf ihn aufmerksam. Als überzeugter Katholik stand Barzel wie sein Vater dem katholischen Zentrum nahe. Er entschied sich aber schließlich 1954 für den Eintritt in die Partei mit Zukunft, wo er sich für eine Betonung der Zentrumswurzeln stark machte.

Nach dem Sturz der dortigen CDU-geführten Regierung 1956 ließ er sich vom Land NRW beurlauben, wurde Parteifunktionär und zog im darauffolgenden Jahr für seine Partei in den Bundestag ein. 1962 holte ihn Bundeskanzler Konrad Adenauer als jüngsten Minister in sein Kabinett. Damals leitete Barzel das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen, das spätere Ministerium für innerdeutsche Beziehungen. Nach dem Wechsel von Adenauer zu Ludwig Erhard im Kanzleramt musste Barzel das Ministerium räumen. Er wurde erst Stellvertreter und nach dessen Tode 1964 dann Nachfolger des Fraktionsvorsitzenden Heinrich von Brentano.

Als Adenauer 1966 den Parteivorsitz aufgab, verlor Barzel, den mit dem Altkanzler nicht nur der katholische Glaube verband, das Ringen mit dessen von diesem ungeliebten Nachfolger Ludwig Erhard um das höchste Amt in der CDU. Da nützte es ihm wenig, dass der neue CDU-Vorsitzende noch im selben Jahr als Kanzler gestürzt wurde und im darauffolgenden Jahr den Parteivorsitz wieder abgab. Statt Barzel holte man nun lieber den von den Diadochenkämpfen in Bonn unbelasteten Kurt Georg Kiesinger aus der Provinz an die Spitze von Regierung und Partei.

Erst als Kiesinger 1969 nach dem Verlust des Kanzleramtes 1971 auch den Parteivorsitz abgab, begann die Ära Barzel in der CDU. In einer Kampfabstimmung setzte er sich gegen den damaligen rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Helmut Kohl durch. Nach diversen Parteiübertritten sozial- und freidemokratischer Bundestagsabgeordneter aus Protest gegen die neue sozialliberale Ostpolitik schien dem CDU-Vorsitzenden Barzel 1972 auch der Bundeskanzlerposten zum Greifen nah. Durch die Machenschaften der Stasi scheiterte jedoch der konstruktive Misstrauensantrag seiner Fraktion gegen Bundeskanzler Willy Brandt. Bei den noch im selben Jahr durchgeführten vorgezogenen Neuwahlen zum Bundestag erhielt die Union erstmals weniger Stimmen als die SPD. Als einige Monate später in einer Bundestagsabstimmung nur eine Minderheit seiner Fraktion seiner Abstimmungsempfehlung folgte, nahm Barzel das zum Anlass, als Fraktionsvorsitzender zurückzutreten und den Verzicht auf eine erneute Kandidatur für den CDU-Vorsitz zu erklären.

Als 1982 seine Partei unter seinem Nachfolger Helmut Kohl nach längerer Durststrecke wieder an die Regierung kam, erhielt er für wenige Monate noch einmal das Ministerium, das er 1962/63 bereits geleitet hatte. Nach der Bundestagswahl 1983 wechselte er auf den eher ehrenvollen als einflussreichen Posten des Bundestagspräsidenten. Im Zuge der Aufdeckung der Flick-Affäre wurde er, so seine eigene Darstellung, „Opfer einer Rufmord-Kampagne“. Einen Tag nach seiner Vernehmung durch den Flick-Untersuchungsausschuss trat er von seinem Amt als Bun­des­tagspräsident zurück. Bei der folgenden Bundestagswahl 1987 trat er nicht mehr an. In den folgenden knapp zwei Jahr­zehn­ten bis zu seinem Tod am 26. August 2006 betätigte sich der vormalige Minister, Fraktionsvorsitzende und Parteichef als Elder Statesman mit Mahnungen und Warnungen an die Politik.

Manuel Ruoff


Erfolgreich in schwerer Zeit

Hätte der U-Boot-Kommandant Albrecht Brandi nicht in einer Zeit Erfolg gehabt, als seine Kameraden häufig ohne nennenswerte Versenkungsergebnisse oder überhaupt nicht mehr von Feindfahrt zurückkehrten, wäre er nicht als einer der beiden höchstdekorierten Kriegsmarineangehörigen in die Militärgeschichte eingegangen. Der am 20. Juni 1914 in Dortmund geborene Brandi trat im April 1935 in die Kriegsmarine ein. Im April 1941 wurde er zur U-Boot-Waffe versetzt und ein Jahr später erhielt er sein eigenes Kommando. Obwohl die „goldene Zeit“ der deutschen U-Boote längst vorbei war, versenkte er innerhalb von nur zwei Jahren 20 Handelsschiffe mit 115000 Bruttoregistertonnen sowie drei Kreuzer, zwölf Zerstörer und ein Minensuchboot.

Obwohl er damit nicht an das Versenkungsergebnis anderer U-Boot-Asse heranreichte, wurde Brandi im November 1944 als zweiter Marineoffizier mit den Brillanten zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet. Mit dieser Ehrung sollte zugleich die Motivation der Marine gesteigert werden. Bei Kriegsende Fregattenkapitän und Kommandeur der Marinekleinkampfverbände in Holland, ließ sich Brandi nach Gefangenschaft und Studium als Architekt in seiner Heimatstadt Dortmund nieder, wo er am 6. Januar 1966 im Alter von erst 51 Jahren überraschend verstarb. J.H.


S. 12 Leserforum

Leserforum

Glückliches Norwegen

Zu: Sprache als politische Waffe (Nr. 22)

Mit der „diskriminierungsfrei­en“ beziehungsweise „gerechten“ Sprache verunstalten kleinste agitatorische Randgruppen nicht nur unsere Sprache, sondern manipulieren auch unser Denken und unsere Wertvorstellungen in einer Weise, die schon an das „Neusprech“ in George Orwells Roman „1984“ erinnert. Uns droht das Ende der freien Rede und der Gedankenfreiheit, wenn wir uns dieser Anmaßung nicht energisch widersetzen, die von der Politik sogar finanziert und gefördert wird. Jüngstes Beispiel ist die „geschlechtsfreie“ Fassung der Straßenverkehrsordnung (StVO).

Was ist mit Deutschland los? Die Norweger sind offenbar vernünftiger als wir: Sie haben nicht nur einen „Sprachrat“ eingerichtet, der sich in offiziellem Auftrag um den Schutz und die Pflege der Landessprache kümmert, sondern haben – wie in der PAZ berichtet – jede Finanzierung der „Gender-Forschung“ eingestellt, nachdem der norwegische Soziologe Harald Eia in einer Fernsehreportage aufgezeigt hatte, was für eine unsinnige und haltlose Pseudo-Wissenschaft das ist. Glückliches Norwegen!

Dr. Hans Kaufmann, Hamburg

 

 

Wehrhaftes Vietnam

Zu: Kein leichtes Spiel (Nr. 21)

Dank und höchste Anerkennung für diesen Artikel über Vietnam und den Konflikt mit China. Mein Sohn lebt seit zehn Jahren in Saigon, spricht fließend vietnamesisch und hat dort die anti-chinesischen Demonstrationen miterlebt. Ich habe ihm den Artikel vorgelesen, und er konnte ihn Satz für Satz bestätigen. Die PAZ hat mit diesem Bericht eine sehr zu kritisierende Lücke in den deutschen Medien geschlossen – wie ihr überhaupt zu attestieren ist, dass sie dieses Land, jeweils glänzend recherchierend, nicht aus dem Auge verliert.

Vor zehn Jahren als Tigerstaat gepriesen, erlebte Vietnam grausam die Kehrseite der Globalisierung – übrigens offensichtlich ein Tabuthema (oder ein von nutznießender, auch ideologisch-politisch zielender Seite verhindertes?). Als die Wirtschaftskrise ruchbar wurde, nahmen westliche Firmen und Hoteleigentümer binnen Wochen lautlos Reißaus. Das liegt in der Logik der Globalisierung. Fertigungshallen auf Dörfern und Hotels wurden kurzerhand abgeschlossen, verrotten vor sich hin. Die Volkswirtschaft brach ein, bis die Chinesen die Lücke schlossen und so mancherorts die plötzliche Armut verhinderten. Die vietnamesische Regierung weiß das auch sehr zu schätzen.

Aber das vietnamesische Volk hat so viele Kriege bestanden, sein Selbstgefühl wurde durch Fremdherrschaft so sehr verletzt, dass der Impuls zu rechtzeitiger Selbstbehauptung sofort anspringt, sogar im Widerspruch zu seiner Regierung, die den abermaligen wirtschaftlichen Einbruch, die Armut von Teilen der Bevölkerung, die meist unversichert ist, verhindern möchte und sich müht, der protestierenden Bevölkerung Einsicht zu vermitteln.

Gudrun Schlüter, Münster

 

 

Freie Hand für EU

Zu: Sturm über Europa (Nr. 22)

Deutsche Medien und Politiker haben sich aufgeregt, als die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Festlegung auf Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionspräsident vermied. So war zumindest die Situation bis zum Freitag, 30. Mai. Am Sonnabend, 31. Mai, las es sich in den Berichten über ihre Rede am deutschen Katholikentag in Regensburg vom 30. Mai dann so, dass sie jetzt alle Gespräche genau in diesem Geiste führe, dass Jean-Claude Juncker auch Präsident der EU-Kommission werden solle. Und dennoch ist die Rede davon, die Bundeskanzlerin lasse sich mit dieser Formulierung wieder eine Hintertür offen.

Fakt ist, dass Juncker in Deutschland vor den EU-Wahlen praktisch nicht präsent war. Überall lächelte Angela Merkel von Riesenwänden und warb für die CDU. Auch der offizielle deutsche CDU-Spitzenkandidat David McAllister verblasste neben Angela Merkel und blieb außer in Niedersachsen unsichtbar.

Zudem ist die Situation nach den Wahlen alles andere als klar. So lässt sich der britische Premierminister Cameron nicht von „Spitzenkandidaten“ sein Recht auf eine eigene Entscheidung nehmen. Er steht in der EU mit dieser Haltung nicht allein. Denn im Lissabon-Vertrag steht nichts von Spitzenkandidaten. Dort heißt es nur, dass die Staats- und Regierungschefs dem EU-Parlament den Kommissions-Chef vorschlagen und dabei das Wahlergebnis „berücksichtigen“ – was immer das heißen mag.

Das EU-Parlament, genauer dessen Präsident, hat diese Spitzenkandidaten-PR-Aktion lanciert. Es war die Rede von einer „Demokratisierung der Wahl“, die das weitere Absinken der Wahlbeteiligung zu verhindern habe. Flüchtig gesehen, scheint dieses Rezept Wirkung gezeigt zu haben: Über alle EU-Staaten gepeilt, ist die Wahlbeteiligung nicht dem Trend folgend weiter abgesunken, sondern ist im Vergleich mit 2009 konstant geblieben. Warum?

Dass in einigen gewichtigen Ländern äußerst erfolgreiche Engagement von EU-Kritikern – Ukip, Front National und die Syriza in Griechenland (Zunahme der Stimmbeteiligung um 5,6 Prozent) – hat die Wähler mobilisiert, und nicht die Spitzenkandidaten. In Deutschland lag die Wahlbeteiligung um 4,6 Punkte höher als 2009. Denn es geht Deutschland inmitten der Euro-Krise ausgesprochen gut; zudem wirkten hier der Schulz- und AfD-Effekt. Die SPD hat ihren Wähleranteil um 6,5 Punkte vergrößert, während der der CDU minimal abgenommen hat.

Jedoch sind die Wahlen in das EU-Parlament in allen 28 Staaten nach nationalen Gesichtspunkten entschieden worden. So sind so­zialdemokratische Parteien in Schweden, Italien, Portugal, in Rumänien, Litauen, in der Slowakei, in den Niederlanden und auf Malta aus nationalen Gründen stärkste Partei geworden. In Schweden hat die Wahlbeteiligung um 3,3 Prozent zugenommen, dagegen in Italien um fünf Prozent, in der Slowakei extrem um 6,6 Prozent abgenommen − also kein Schulz-Effekt.

Die Staats- und Regierungschefs haben demnach volle Handlungsfreiheit bezüglich der Person des EU-Kommissionspräsidenten.

Jürg Walter Meyer, Leimen bei Heidelberg

 

 

Ungerechtigkeit

Zu: „Ostpreußen hat Zukunft“ (Nr. 21)

Ja, Ostpreußen sollte eine Zukunft haben. Voraussetzung ist, dass dieses Thema endlich in den Schulbüchern erscheint, damit sich das deutsche Volk von den Fesseln der „politischen Korrektheit“ befreien kann. Wenn ein Deutscher vom Ort seiner Kindheit schwärmt und ich als Ostpreußin meine Heimat erwähne, dann heißt es in aller Regel: Ja, das ist doch alles so lange her, man muss auch vergessen können.

Die Deutschen aus den Ostgebieten haben mit ihrem Hab und Gut Reparationen für ganz Deutschland zahlen müssen. Tausende wurden verschleppt, muss­ten schuften und starben. Bis heute findet sich die Bundesrepublik zur Zahlung einer Entschädigung nicht bereit. Diese Ungerechtigkeit wird von der Mehrzahl der Deutschen ignoriert. Mit dieser Einstellung kann Ostpreußen nicht leben, denn wir Alten sterben.

Doris Richter, Berlin

 

 

Unvergessen

Zu: Deutschlandtreffen 2014 (Nr. 21)

Alle Redner haben hier aus meiner Sicht das Wesentliche gesagt. Der Sprecher der Landsmannschaft, Stephan Grigat, erwähnte die hier eventuell anwesenden alten Wehrmachtssoldaten. Ihnen seien die Ostpreußen zu Dank verpflichtet, verdanken sie doch diesen oft ihr Überleben. Das hat mich als Sohn eines in Ostpreußen gefallenen Soldaten sehr berührt.

Über Professor Arnulf Barings Festansprache, der aus aktuellem Anlass zu den Geschehnissen in der Ukraine mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin abrechnete, waren die anwesenden Ostpreußen oft geteilter Meinung, so auch der von mir sehr geschätzte Hans Heckel in seinem PAZ-Kommentar. Die Chaotisierung in diesem Land verteile sich danach auf viele Schultern. Unvergessen bleiben für mich Barings letzte Worte: Es lebe Deutschland!

Adolf Frerk, Geldern

 

 

Nicht Forderungen stellen, sondern Zusammenarbeit fördern

Zu: „Ostpreußen hat Zukunft“ (Nr. 21)

Der Titel des Artikels war Motto des Treffens der Ostpreußen in Kassel im Mai. Und er war Titel der Ansprache des Sprechers der Landsmannschaft Ostpreußen, Stephan Grigat. Manches für mich Interessante war darin enthalten, aber auch so manches Be­denkliche − wohlgemerkt im positiven Sinne des Wortes.

Als Sohn einer Ostpreußin und eines Österreichers, die sich während des Krieges in Goldap kennengelernt hatten, fühle ich mich als patriotischer Deutscher, der die Geschichte in allen ihren Facetten zur Kenntnis nehmen muss. Und zwar die guten wie auch die schlechten.

Die Vertreibung war der schmerzliche Endpunkt einer Kette unvorstellbarer Grausamkeiten, für die NS-Deutschland nicht alleine, aber doch maßgeblich verantwortlich war. Es spricht viel dafür, dass die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten Deutschlands die Rache der Opfer war. Wo Rachegefühle das Verhalten bestimmen, so wie das bei den Sowjetsoldaten der Fall war, dort bleiben Menschenrecht und Völkerrecht auf der Strecke.

Die ostpreußischen Frauen, Kinder und Alten waren die ersten Deutschen, derer die Sowjetsoldaten habhaft werden konnten. An ihnen ließen sie ihrer blinden Rache freien Lauf. Das Wissen über das unermessliche Leid der ostpreußischen Zivilbevölkerung wurde in der Tat nach dem Krieg bei weitem nicht ausreichend vermittelt, und das Wenige an Wissen droht nun zu verblassen. Hier besteht sicherlich Nachholbedarf, nicht nur in Deutschland.

Ein polnischer Film von 2011 namens „Róza“, der die Geschehnisse in Masuren nach dem offiziellen Ende des Krieges schildert und der Realität vermutlich sehr nahekommt, ist im Übrigen bestens geeignet, den Nachholbedarf bei den nachgewachsenen Generationen abzudecken. Nur schade, dass in Deutschland kaum einer von diesem Film weiß. Schade auch deswegen, weil er viele Mythen zerstört, die hier wie dort gewachsen sind.

Der Bestand der deutschen Volksgruppe in Ostpreußen ist leider, wie ich sehe, im Schwinden begriffen. 70 Jahre nach Kriegsende und Flucht und Vertreibung sind beispielsweise in Goldap, dem Heimatkreis meiner Mutter und von Herrn Grigat, nur mehr sehr schwache Spuren von Menschen deutscher Muttersprache sichtbar und das trotz der Existenz eines „Hauses der Heimat“ im Herzen der Stadt. Auf solch spärlichem Rest von Deutschtum lässt sich keine Zukunft für Ostpreußen mehr aufbauen. Und unter den Nachkommen der Ostpreußen, die in Deutschland aufgewachsen sind, ist kaum jemand bereit, sich in der Heimat der Vorfahren anzusiedeln, trotz EU.

Es geht meines Erachtens darum zu retten, was noch zu retten ist: die ostpreußische Kulturlandschaft, die Lindenalleen, die typischen Bauernhäuser (von denen, anders als im nördlichen Teil des alten Ostpreußen, noch sehr viel Substanz da ist) und das Wissen der Neubewohner um die Geschichte und Kultur der Menschen, die hier bis 1944/45 gelebt haben. Dieses Ziel ist nur in enger Zusammenarbeit mit den Neubewohnern zu erreichen, vor allem mit denen, die ihre Köpfe und Herzen zu öffnen bereit sind. Und davon gibt es, so ist es meine Erfahrung, erstaunlich viele.

Wer jedoch die Forderung nach Sühne für die Unrechtstaten erhebt, muss sich fragen lassen, an wen er sie gerichtet wissen will. An die heutigen Bewohner Ostpreußens, von denen ein Großteil schon im ehemaligen Ostpreußen geboren wurde?

Diese Forderung wäre seinerzeit am ehesten an Hitler und Stalin und an deren Helfer zu richten gewesen, solange sie noch lebten. Sie heute noch zu stellen, ist allerdings eine höchst kontraproduktive Verengung des Blicks auf juristische Fragen; sie mögen da und dort, dann und wann wichtig sein, aber es gibt noch Wichtigeres: nämlich die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sowohl unter den Deutschen als auch unter den Polen und Russen die Erinnerung an Ostpreußen wieder lebendig wird und lebendig bleibt.

Dietmar Fürnschlief, Nürnberg

 

 

Tost auf die Schreibschrift

Zu: Kulturelle Heimat in Gefahr (Nr. 21)

Den Gegnern unserer Schreibschriften sind wir längst auf die Schliche gekommen, denn wir haben die Altmeisterin der Schulausgangsschrift, Renate Tost, an unserer Seite. Die Dresdener Kalligrafin gibt in „Die Grundschulzeitschrift“, Juli 2013, Nachhilfe zu den Gestaltungsprinzipien der Schulausgangsschrift. Gegenwärtig ist ihre Mitarbeit an der Gestaltung des Schreibunterrichts in München gefragt. Schließlich beteiligt sie sich lebhaft an der Sprach- und Schriftpflege in der „Erlebniswelt Deutsche Sprache“ und an den Schreibwerkstätten der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft zu Köthen/Anhalt.

Mit Tost können wir uns glück­lich schätzen, denn der Schöpfer der vereinfachten lateinischen Ausgangsschrift, der Göttinger Schulbuchautor Heinrich Grünewald, ist 2010 gestorben. Wir brauchen alle Schriften, auch die deutsche Schrift einschließlich Ludwig Sütterlins Schulschrift, damit Nachlässe und Dokumente der ältesten Generationen, die in ihrer Zeit handgeschrieben und heute nicht mehr lesbar sind, nicht auf dem Müll landen.

Für die deutsche Schrift haben wir zum Glück den traditionsreichen Bund für deutsche Schrift und Sprache. Doch unsere tatenvolle, schlagfertige Schreibmeisterin Renate Tost hätte einen Orden verdient.

Ditmar Hinz, Berlin

 

 

Mogelpackung Rentenpaket

Zu: Meinungen (Nr. 21)

Zum Thema Rentenpolitik vermisse ich Ihre sonst so differenzierte Recherche. Sie übernehmen hier offenbar ungeprüft das alltägliche mediale Geschrei. Dabei hilft doch schon bloßes Nachrechnen, dass von dem neuen Rentenpaket nur sehr wenige profitieren werden: Um im Alter von 63 schon auf 45 Rentenbeitragsjahre zurückblicken zu können, muss man bereits ab dem 18. Lebensjahr ununterbrochen einen steuerpflichtigen Job ausgeübt haben. Das gelingt schon dann nicht mehr, wenn man zum Beispiel ein Abitur, ein Studium absolviert hat, selbstständig ist oder jahrelang in Kindererziehung investiert hat. Man schaue sich den eigenen Lebenslauf an oder einen aus dem Umfeld: Man wird kaum jemanden finden, der bis zum 63. Geburtstag bereits 45 Berufsjahre schafft. Ich jedenfalls kenne keinen einzigen.

Die Große Koalition geht mit dieser Mogelpackung auf Stimmenfang, keiner rechnet nach und alle fallen darauf herein. Es ärgert mich zudem, dass leider auch in der PAZ unreflektiert zu lesen ist, dass das neue Rentenpaket der tiefste Griff in die Rentenkasse wäre, den es je gegeben habe. Eine einfache Recherche würde belegen, dass der tiefste Griff in die deutsche Rentenkasse mit der Wiedervereinigung erfolgte. Die damaligen Steuerzahler haben diesen Sozialtransfer getragen und dafür zahlreiche Steuererhöhungen hinnehmen müssen. Wenn nun einige von denen nach 45 Beitragsjahren mit 63 abschlagsfrei in Rente gehen können, sei es ihnen von Herzen gegönnt. Sie jedenfalls haben ihren Beitrag geleistet. Ob zukünftige Generationen das noch schaffen, wage ich zu bezweifeln.

Sigrun von Ostrowski, Kleinmachnow

Anmerkung der Redaktion:

Bei den von der Leserin beanstandeten Passagen handelt es sich nicht um Meinungsäußerungen der PAZ-Redaktion, sondern um wörtlich wiedergegebene Zitate aus anderen Medien, die eindeutig als solche gekennzeichnet und mit einer Quellenangabe versehen sind.


S. 13 Das Ostpreußenblatt

Königsberg macht den Anfang
Denkmaleinweihung bildet Auftakt für russische Feiern zum Beginn des Ersten Weltkrieges

In diesem Jahr wird in der ganzen Russischen Föderation mit verschiedenen Feiern an den Beginn des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren erinnert. In Königsberg bildete die Einweihung eines Denkmals für die russischen Teilnehmer am Ersten Weltkrieg unweit des sogenannten Siegesparks den Auftakt zu mehreren Feierlichkeiten.

Feierlich ist nahe der Bastion Sternwarte am Deutschordensring [Gwardejsker Prospekt] das erste auf dem Territorium der Russischen Föderation stehende Denkmal eingeweiht worden, das an das diesjährige runde Jubiläum des Beginns des Ersten Weltkriegs erinnert. Dieses ist insofern nicht erstaunlich, als das Königsberger Gebiet die einzige Region der Russischen Föderation ist, auf deren Territorium Kampfhandlungen stattgefunden haben.

Vor zirka einem Jahr war auf Initiative der Russischen Militärhistorischen Gesellschaft ein Wettbewerb für den Entwurf eines Denkmals für die Helden des Ersten Weltkriegs landesweit ausgeschrieben worden. Die Durchführung dieses Wettbewerbes übernahm das russische Ministerium für Kultur. Der Erstplatzierte soll realisiert und im August dieses Jahres auf dem Poklonnij-Berg (Verneigungs-Berg) in Moskau aufgestellt werden. Gesiegt hat der Entwurf des Bildhauers Andrej Kowaltschuk. Der Wettbewerbsbeitrag von Salawat Scherbakow erreichte zwar nur den zweiten Platz, nichtsdestotrotz ist sein Denkmal jedoch das erste, das aufgestellt wurde – allerdings nicht in Russland, sondern im Königsberger Gebiet. Finanziert wurde das Skulpturenensemble durch Spenden russischer Organisationen und von Privatleuten. Unter anderen hat auch der Oli­garch Viktor Wekselberg sein Schäflein dazu beigetragen.

Das Denkmal ist groß dimensioniert. Drei fünf Meter hohe Soldatenfiguren sind auf einen acht Meter hohen Sockel aufgesetzt. An dem Monument, das insgesamt 108 Tonnen wiegt, haben 30 Menschen gearbeitet. Die Skulptur hat den Anspruch, das Zarenreich in seiner Ständegliederung zu symbolisieren. Der Künstler entschied sich dabei für einen adeligen Offizier, einen Bauern und einen jungen Rasnotschinzen, also einen bürgerlichen, für die Demokratie kämpfenden Intellektuellen. Am Fuße des Denkmals zeigt eine Skulptur eine Schwester, die einem verwundeten Krieger hilft. Die Sockelinschrift lautet: „Dankbares Russland – den Helden des Ersten Weltkriegs“.

Auch die Wahl des Standortes geschah nicht willkürlich. Scherbakow spricht „von der symbolischen Verbindung der beiden Denkmäler, dem für die 1200 Gardisten und dem für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs“: „Wie in dem Denkmal für die Helden des Großen Vaterländischen Krieges spiegelt auch unsere Arbeit die Themen Heldentum, Patriotismus und Trauer wider. Ich stelle fest, dass unser Denkmal in seinem Charakter und in seiner Ausführung – so paradox das auch klingen mag – im Stil des alten Königsberg ausgefallen ist, mit seinem Geist, seinem Fluss, seiner Kirche.“

Bei der Einweihungsfeier des Denkmals marschierte die Ehrenwache zusammen mit den Mitgliedern des Vereins für historische Rekonstruktionen aus dem Kreis Preußisch Eylau als russische Soldaten des Ersten Weltkriegs zur Musik des Orchesters der Baltischen Flotte.

An der Eröffnungsfeier nahmen Offiziere der Baltischen Flotte, Vertreter der Stadt, des Gebiets und gesellschaftlicher Organisationen sowie zahlreiche Bürger teil. Aus Moskau war der Kulturminister Wladimir Medinskij angereist, der von einem „bemerkenswerten und symbolischen Denkmal“ sprach: „Es ist die erste Statue solchen Maßstabs, die zu Ehren der Helden des Ersten Weltkriegs errichtet worden ist. Wir beginnen die Feierlichkeiten an der westlichsten Grenze, wo es heftige Kämpfe gab.“ Der Minister lobte die Stadtregierung, dass sie einen sehr passenden und symbolischen Ort für das Denkmal gewählt habe.

Der ebenfalls anwesende Gouverneur Nikolaj Zukanow erinnerte an die Bedeutung des Königsberger Gebiets für die Geschichte: „Ostpreußen hatte gute Traditionen, es war ein Außenposten. Wir haben ihn erobert und jetzt ist er russischer Boden, ein Vorposten Russlands … und dieses Denkmal erinnert noch einmal an dieses mächtige Land, an diese Geschichte, die wir ehren und in Erinnerung behalten müssen.“

Jurij Tschernyschew


Zeitreise in der Aula
Neue Dauerausstellung »Rastenburg in der Vergangenheit« in der ehemaligen Herzog-Albrechts-Schule

Rastenburgs Kreisvertreter, Hubertus Hilgendorff, hat in der Aula der ehemaligen Herzog-Albrechts-Schule, dem heutigen „Gymnasium Nr. 3“ im Rahmen der Eröffnung der zweisprachigen Ausstellung „Rastenburg in der Vergangenheit“ selbige dem Landkreis Rastenburg [Ketrzyn] geschenkt. Landrat Tadeusz Mordasiewicz nahm das Geschenk dankend an. Mordasiewicz betonte in seinen Dankesworten, „dass man der Nachwelt Spuren hinterlassen und die Erinnerung an die Vorfahren lebendig halten müsse“. Leider sei, so führte der Landrat weiter aus, die relativ unzerstörte Stadt nach Kriegsende von russischen Soldaten, die keine Aufgabe gehabt hätten, aus Langeweile angezündet worden, was aber kein Einzelfall in der Region gewesen sei: „Über Stalins Erlaubnis, alles als Kriegsbeute zu nehmen, über Zerstörungen und Vergewaltigungen durfte 50 Jahre kein Wort verloren werden.“

Hilgendorff bezeichnete die letzten 25 Jahre als die erfolgreichste und glücklichste Etappe im Zusammenleben von Deutschen und Polen. „Die Heimatvertriebenen werden sich aktiv an der europäischen Einigung beteiligen“, so Hilgendorff zu den rund 150 Gästen der Eröffnung, unter denen sich auch viele ehemalige Bewohner Rastenburgs befanden, die extra zur Eröffnung mit einem Bus nach Ostpreußen gekommen waren. Der Kreisvertreter begrüßte auch Agata Kern, die Kulturreferentin des Ostpreußischen Landesmuseums Lüneburg, sowie den Bürgermeister der Stadt, Krzysztof Wiesław Hecman.

Die Mitarbeiterin des Woiwoden Marian Podziewski Gabriela Czarkowska-Kusajda überbrachte dessen Grüße und unterstrich ausdrücklich, dass die Jugend in jedem der beiden Völker die Zukunft sei, und dankte dem Landrat für die Bereitschaft, das Wissen um die Geschichte an die jetzige Generation weiterzugeben.

„Mit dem Dichter Arno Holz und mit dem Physik-Nobelpreisträger Wilhelm Wien hatte die Schule, in der die Ausstellung stattfindet, hervorragende Schüler“, sagte der Direktor des Kulturzentrums Ostpreußen in Ellingen, Wolfgang Freyberg, der die von seinem Haus entworfene und konzipierte Ausstellung anschließend eröffnete. Freyberg wies auf die Dokumentation in Druckform hin, die jedem Besucher kostenlos mitgegeben wurde.

Die 48 reich illustrierte Tafeln, die im Kulturzentrum Ostpreußen mit modernster Computertechnik zusammengestellt und mit deutschen und polnischen Texten versehen wurden, zeigen die Geschichte der Stadt Rastenburg bis 1945 nach. Vor allem durch das Rastenburger Bildarchiv konnten die Ausstellungstafeln mit historischen Bildern ergänzt werden.

Die Ausstellung zeigt die Entwicklung Rastenburgs von der Gründung 1357 als wichtigen Markt- und Handelsplatz bis hin zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Bildtafeln sind nun als Dauerausstellung in der Aula des -Gymnasium, die auch für Konzerte und schulische Veranstaltungen verwendet wird, zu sehen.

Das vom Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen aufgelegte Begleitheft kann über das Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen, Schloßstraße 9, 91792 Ellingen, Telefon (09141) 86440, Fax (09141) 864414, zum Preis von 4,50 Euro zuzüglich Porto und Verpackung bezogen werden.

Manfred E. Fritsche


MELDUNGEN

Neuer Generalkonsul

Königsberg – Marcin Nosal ist zum neuen Generalkonsul der Republik Polen in Königsberg ernannt worden. Der Diplomat war vorher Botschafter seines Landes in Moldau gewesen und hatte die Abteilung Ost des polnischen Außenministeriums in Warschau geleitet. PAZ

 

Kaum Separatismus

Königsberg – Ein soziologisches Institut namens „Kaliningrader Monitoringgruppe“ ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es – anders als in der Ukraine – im Königsberger Gebiet keine nennenswerten separatistischen Tendenzen gebe. Eine dieses Frühjahr unter 1200 erwachsenen Bewohnern des Königsberger Gebiets durchgeführte Meinungsumfrage habe ergeben, dass 88 Prozent die Zukunft der ostpreußischen Hauptstadt in der Russischen Föderation sähen. Allerdings sei ebenfalls eine Mehrheit – wenn auch mit 53 Prozent ungleich kleiner – der Überzeugung, dass Königsberg einen Sonderstatus innerhalb der Föderation erhalten sollte. Zwei Prozent würden es begrüßen, wenn neben dem russischen auch EU-Recht in dem Gebiet Geltung haben würde. Ein Prozent sei dafür, dass Königsberg zwar zur Russischen Föderation gehören, aber faktisch durch die Europäische Union kontrolliert werden sollte. Und ebenfalls ein Prozent vertrete die Ansicht, dass Königsberg von der Russischen Föderation als eigenständiger Staat in die Europäische Union wechseln sollte. 2003 hatte die „Kaliningrader Monitoringgruppe“ eine Mos­kau-kritischere Stimmung ausgemacht. Beispielsweise sprach sie damals von sieben Prozent, die los von Moskau wollten und zwölf Prozent, denen eine gemeinsame Verwaltung durch Moskau und Brüssel vorschwebe. PAZ

 

Störungen des Verkehrs

Allenstein – Straße Nr. 15: Rakowitz im Kreis Neumark [Rakowice], Baustelle. Straße Nr. 16: Arys [Orzysz] – Lyck [Ełk], Baustelle; Lyck [Ełk] – Kleinruten [Rutki], Baustelle. Straße Nr. 16c: Bischofsburg [Biskupiec] – Groß Borken (Borki Wielkie), Straßenbau. Straße Nr. 22: Fichthorst [Jegłownik], Baustelle. Straße Nr.53: Groß Purden [Purda] – Scheufelsdorf [Tylkowo], Baustelle. Straße Nr. 58: Sellwen [Selwa] – Kurken [Kurki], Brückenbau, einspurig. Straße Nr. 59: Lötzen [Gizycko], ul. Obwodowa, Baustelle. Straße Nr. 63: Raudischken [Rudziszki] – Angerburg [Wegorzewo], Baustelle; Arys [Orzysz] – Johannisburg [Pisz], Baustelle; Johannisburg [Pisz] – Jeze, Baustelle. Straße Nr. 65: Goldap [Gołdap] – Reimannswalde [Kowale Oleckie], Straßenumbau; Seedranken [Sedranki] – Kuckow [Kukowo], Baustelle. PAZ


S. 14 Ostpreussische Familie

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

und immer wieder die Frage: Wie komme ich in meiner Familiengeschichte weiter? Sie wird vor allem von bisherigen Nichtlesern gestellt, die unsere PAZ und damit auch die Ostpreußische Familie nicht kannten, aber auch von treuen Lesern, die – aus welchen Gründen auch immer – sich erst jetzt entschlossen haben, sich mit ihren Vorfahren zu beschäftigen. Es gibt viele Gründe, warum das Interesse an der Familiengeschichte erst so spät kommt. Das Thema steht hier nicht zur Diskussion, sondern wir gehen gleich an den Kern der Sache: Wie betreibt man Familienforschung? Da kam uns das Angebot von Herrn Horst Grigat, Rektor i.R. aus Hamburg, seine Ratschläge, die auf jahrzehntelanger praktischer Arbeit beruhen, an unsere Leserinnen und Leser weiter zu geben, gerade recht. Herr Grigat hat schon vielen Landsleuten aus dem Kreis Insterburg mit Rat und Tat helfen können, nun möchte er seine Erkenntnisse und Erfahrungen einem größeren Kreis vermitteln. Deshalb bringen wir seine Ausführungen hier und heute als Extra-Beitrag auf unserer Familienseite.

Wie interessant gerade ostpreußische Familiengeschichte sein kann, hat er in seiner eigenen dokumentiert. Horst Grigat stammt aus dem nördlichen Ostpreußen, Hier hat es im Laufe der Jahrhunderte durch Glaubenskriege, Seuchen und Tatareneinfälle immer wieder große Bevölkerungsverluste und dadurch bedingt neue Siedlungsschübe gegeben. Bei den meisten Familien aus dem Regierungsbezirk Gumbinnen stammt etwa ein Drittel der Vorfahren aus Westdeutschland, Holland und der Schweiz. Das zweite Drittel sind die wegen ihrer Treue zum evangelischen Glauben 1732 nach Ostpreußen gekommenen Salzburger. Das letzte Drittel ist prussischer oder litauischer Herkunft. Auch in der Familiengeschichte von Horst Grigat schlägt sich diese ethnologische Vielfalt wieder. Sein Nachname, so hat er erforscht, soll die vor Jahrhunderten litauisierte Form des Papstnamens Gregor sein. (Adresse von Herrn Horst Grigat: Wendlohstraße 91 in 22459 Hamburg. Telefon/Fax 040/5517343, E-Mail: horst.grigat@t-online.de)

Gerade die alten ostpreußischen Ortsnamen sind für so manchen Familienforscher in eigener Sache doch recht verwirrend. Es gibt Namen, die tauchen auf keiner Landkarte, in keiner Ortsregistratur auf, aber sie stehen doch in den Urkunden, manche kaum leserlich in der alten deutschen Schrift. Wo, bitte schön, sind Tirkseln, Jäkischken oder Girgsden zu finden? Selbst auf den letzten deutschen Landkarten sind sie nicht zu entdecken, wie denn auch: Diese drei bekamen wie 1000 andere ostpreußische Orte bei der Umbenennung im Jahr 1938 einen deutschen Namen und wurden zur Gemeinde Kleeburg zusammengefasst. Die gehörte zum Kirchspiel Schnakendorf, das früher Schakuhnen hieß und einige Kilometer westlich von Kuckernesse, ehemals Kaukehmen, in der Elchniederung liegt. Soweit habe ich mich auch durchgeforstet, aber es bedurfte doch noch einiger Telefonanrufe, bis in dieser Familienchronik alles geklärt war. Denn um eine solche handelt es sich, und sie fügt sich so gut in den Rahmen unserer heutigen Kolumne ein, da sie als Musterbeispiel für die Dokumentation einer alteingesessenen Bauernfamilie aus der Elchniederung gelten kann.

Es handelt sich um die Familie Schmidt, deren Hof in Kleeburg an der Chaussee Tilsit–Karkeln lag – heute steht dort kein Gebäude mehr. Es war eine kleine Welt für sich, in der ihre letzten Bewohner eine unbeschwerte Kindheit verleben durften: die 1921 geborene Anneliese und ihr zwei Jahre jüngerer Bruder Gerhard. Ihre Eltern waren Erich Alfred Schmidt, der auch als Bürgermeister der 86 Seelen zählenden Gemeinde amtierte, und Liesbeth geborene Engelke. Die Chronik erstellte Anneliese für ihren Bruder, sie lebt heute hoch betagt in einem Heim. Gerhards Tochter Hannelore fand nach dem Tod ihres Vaters vor zwei Jahren die Chronik, und ihr Mann Peter Kehm übersandte sie uns mit der Bitte, doch in unserer Kolumne auf diese Dokumentation hinzuweisen, denn sie dürfte auch weitere Bewohner der genannten Orte in der Elchniederung interessieren. Zu denen auch der Schulort der Schmidtkinder, das 240 Einwohner zählende Stucken, zählte – vor 1938 unter dem Namen „Spucken“ bekannt und dadurch in manchen heiteren Riemels in ostpreußischer Mundart erhalten geblieben.

Es ist schon erstaunlich, mit welcher Akribie Anneliese Schmidt diese Chronik gestaltete. Die Texte sind kurz und faktenreich, die Lagepläne sowie der Stammbaum übersichtlich. Bis etwa 1750 lässt sich die Familie Schmidt in der Elchniederung zurückverfolgen. Großmutter Louise Foth entstammte einer Mennonitenfamilie, Glaubensflüchtlinge aus Holland, die hier in der fruchtbaren Niederung eine neue Heimat fanden. Mutter Lisbeth kam aus dem benachbarten Stucken, in dem ihre Eltern Gastwirtschaft und Kolonialenhandel betrieben. So wird auch dieser Ort text- und bildmäßig erfasst, wobei es bemerkenswert ist, dass allein 15 Lehrernamen verzeichnet sind. Anneliese Schmidt muss also viel Material gerettet oder zusammengetragen haben, was vor allem das Kernstück der Chronik, der Hof Schmidt in der Gemeinde Kleeburg, beweist. Die Großflächigkeit der Hofanlage wird aus den Panorama-Aufnahmen erkennbar: Die Lindenallee als Zufahrt von der Chaussee, der Gebäudekomplex mit Wohnhaus, Stallungen, Scheune, Schweinestall, dem großen Vielzweckgebäude und dem Insthaus für die Deputanten, die Weiden mit den von Erich Schmidt gezogenen Trakehnern – ein 190 Morgen großer Niederungshof präsentiert sich hier als Dokumentation bäuerlichen Fleißes. Das Leben auf dem Hof spiegeln vor allem die Aufnahmen mit Anneliese wider, ob mit Kindermädchen Heta und Bruder Gerhard auf der Terrasse des Wohnhauses, ob mit kollerndem Truthahn, dickfelligem Schafbock oder Hofhund Nero. Anneliese Schmith hat noch im späten Alter von 87 Jahren die Chronik durch Skizzen ergänzt, aus denen Lage und räumliche Aufteilung der Gebäude ersichtlich sind. Besonders aufschlussreich sind ihre Angaben zum Vielzweckgebäude, in dem sich Hengst- und Jungviehstall, Speicher, Mangelraum, Werkzeuglager und Wagenremise befanden. Letztere barg außer Kutsche, Gig und großem Schlitten auch einen VW „Käfer“! Ja, das alles erzählt und beweist diese selbstverfasste Chronik einer Ostpreußin, die nun ihr Werk weitergegeben hat in der Hoffnung, dass es auch heutigen und kommenden Generationen von dem Leben ihrer Vorfahren in der Elchniederung unverfälscht berichten wird. (Peter Kehm, Ernst-von-Harnack-Straße 31 in 36179 Bebra, Telefon 06622/3736.)

In der Aufarbeitung seiner Familiengeschichte ist Herr Wolfgang Woop aus Elsdorf auf ein Vakuum gestoßen, das wahrscheinlich nur die Ostpreußische Familie füllen kann. Diesen Rat hat ihm Frau Ute Eichler aus Hamburg gegeben – sie spricht ja aus eigener Erfahrung, denn so manch einen Fall, der ihre Kreisgemeinschaft Lötzen betraf, hat sie in Zusammenarbeit mit unserer Familie lösen können. Deshalb wendet sich Herr Woop an uns in der Hoffnung, dass dies auch in seiner Angelegenheit gelingen könnte, und da bin ich gar nicht so pessimistisch. Es ist ein Suchwunsch, und der muss nur richtig aufbereitet werden. Also gehen wir jetzt nach unserer bewährten OF-Methode vor und satteln das Wunschpferd auf.

Es geht um eine für Herrn Woop bisher unbekannte Periode im Leben seines Vaters Erich August Woop, *23. Okrober 1907 in Harpenthal, Kreis Insterburg. Die Familie muss dann nach Bartenstein gezogen sein, denn der Junge besuchte von 1919 bis 1922 die dortige Volksschule, erhielt anschließend eine Ausbildung zum Molkeristen in der Genossenschafts-Molkerei Langarben. Das fachliche Rüstzeug wurde ihm in der Molkereischule Sausnicken vermittelt. Anschließende Arbeitsstellen sind nicht belegt. Erich Woop muss aber beruflich erfolgreich gewesen sein, denn in seinem – erst nach dem Krieg ausgestellten – Arbeitsbuch ist erfür die Zeit vom 1. Januar 1938 bis 22. Januar 1945 als Betriebsleiter und Obermeier bei den Lötzener Milchwerken verzeichnet. Am 23. Januar geriet er in russische Gefangenschaft, aus der er am 31. Oktober 1946 nach Fürstenwalde entlassen wurde, da er ja nicht in seine Heimat Ostpreußen zurück konnte. Er schlug sich zuerst als Landarbeiter im Oderbruch durch, lernte in Letschin seine Frau kennen – Hochzeit war am 28. März 1948. Sohn Wolfgang wurde geboren, aber das Familienglück währte nicht lange, denn Erich Woop verstarb bereits im September 1949 in Wriezen. So hat der Sohn seinen Vater nie nach seinem Leben befragen können, es fehlten auch jegliche Informationen über die väterliche Linie aus Ostpreußen. Er konnte sich also nur auf die wenigen Angaben seiner Mutter und auf das 1949 in Letschin ausgestellte Arbeitsbuch seines Vaters stützen.

Es geht Wolfgang Woop nun vordringlich um die Informationen über die Lötzener Jahre seines Vaters. Wo hat der damals noch Unverheiratete gewohnt? Es gibt keine Adressenangabe, da ja auch keine Papiere aus jener Zeit existieren. Während der sieben Jahre seiner Tätigkeit bei den Lötzener Milchwerken muss Erich Woop mit vielen Menschen in seiner Stellung als Betriebsleiter eine mehr oder weniger enge Verbindung gehabt haben. Da in unserer Ostpreußischen Familie schon einige Male die Lötzener Milchwerke erwähnt wurden, hoffe ich, dass es hier noch Unterlagen aus der damaligen Zeit gibt. Und auch persönliche Erinnerungen in Wort und Bild, auf die Herr Woop besonders hofft. Er möchte so gerne ein Foto seines Vaters aus der damaligen Zeit besitzen – so hat er nur als einzige Erinnerung das Hochzeitsbild seiner Eltern, und das zeigt einen Mann, dem man noch die Spuren der schweren Nachkriegsjahre ansieht. Sicherlich hat Erich Woop in Lötzen gesellschaftlichen Kontakt gepflegt, war vielleicht in Vereinen, gehörte irgendwelchen Interessengruppen an. Der Name Woop ist ja in Ostpreußen nicht sehr verbreitet gewesen, das hilft vielleicht mancher Erinnerung auf die Sprünge. Hoffen wir also, dass Frau Eichler sich auch diesmal wieder als gute Vermittlerin erweist. (Wolfgang Woop, Hansaremsgasse 25 in 50189 Elsdorf, Telefon 02271/64052.)

Am nächsten Wochenende wird in Coadjuthen im Memelland die aus der Bundesrepublik Deutschland gespendete Orgel in der alten Patronatskirche eingeweiht. Die evangelische Kirchengemeinde des Ortes hat zu einem Gottesdienst am 21. Juni eingeladen, bei dem die Weihe der von dem deutschen Orgelbauer Jörg Nass aus Rheine/Westfalen gebauten Orgel durch den Bischof Mindaugas Sabutis erfolgen soll. Mit dabei sind Mitglieder der deutschen Coadjuthen-Gruppe, als deren Sprecher Günter Uschtrin dankbare Worte an die Vertreter der Kirchengemeinde und an den für Coadjuthen zuständigen Pfarrer Reinhold Moras aus Memel richten wird. Sie sollen darin erinnern, mit welchen erfolgreichen Anstrengungen es den Verantwortlichen in Litauen seit 1989 gelungen ist, das Andenken an den deutschen Ursprung dieses 1734 erbauten Gotteshauses bei der Restaurierung zu bewahren. Orgelbauer Nass bezeichnet die alte Patronatskirche als geradezu geschaffen für seine Orgel, die in dem schönen Innenraum ihren vollen Klang entfalten kann – vor allem bei Werken von Johann Sebastian Bach, die auch heute bei der Orgelweihe zu hören sein werden.

Eure Ruth Geede


Die eigenen Wurzeln zu finden ist manchmal schwer
Hinweise für eine Erfolg versprechende Familienforschung

Wer Familien- und Ahnenforschung betreiben möchte, sollte – soweit irgend möglich – zuerst von sich selbst, dann von Eltern, Großeltern, Urgroßeltern möglichst alle Personenstandsurkunden beschaffen: 1. Geburtsurkunde beim zuständigen Standesamt, 2. Taufschein bei der zuständigen Kirche, 3. Heiratsurkunde beim zuständigen Standesamt, 4. Trauschein bei der zuständigen Kirche, 5. Sterbeurkunde beim zuständigen Standesamt, 6. Totenschein bei der zuständigen Kirche. Aus diesen Urkunden kann man in aller Regel dann die Namen, Daten und Wohnorte der jeweils vorherigen Generation (Eltern) ersehen und so die Suche fortsetzen. Für Einheimische dürfte es in aller Regel sehr einfach sein, die zuständigen Standesämter und Kirchen zu ermitteln – heute mit Hilfe des Internet allemal.

Heimatvertriebene können zur Zeit kirchliche Urkunden erbitten beim Sächsischen Zentralarchiv, Referat 33 – Deutsche Zentralstelle für Genealogie, Schongauer Straße 1, 04329 Leipzig, Telefon (0341) 2555500, Telefax (0341) 2555555, E-Mail: poststelle-l@sta.smi.sachsen.de. Am besten ist eine persönliche Forschung vor Ort. Notfalls kann aber auch auf die Hilfe eines Genealogen vor Ort zurückgegriffen werden, der von der Zentralstelle vermittelt wird. Bei der Adressensuche hilft auch das Internet. Zur Recherche im Zentralarchiv lesen wir im Internet:

„Für genealogische Forschungen bietet das Sächsische Staatsarchiv vielfältiges Quellenmaterial. Da das Archivgut nur in seltenen Fällen nach Personennamen erschlossen ist, muss ein Familienforscher allerdings oft sehr zeitaufwändig und mühsam suchen.

Eine intensive Vorbereitung des Archivbesuchs und eine schriftliche Voranfrage empfehlen sich deswegen sehr. Besonders wichtig sind Kenntnisse der deutschen Schrift des 16. bis 20. Jahrhunderts, da die meisten Unterlagen in schriftlicher Form vorliegen.

Im Regelfall muss die Benutzung persönlich erfolgen. Nur wenn zum Beispiel wegen großer geographischer Entfernung ein persönlicher Besuch der Archive nicht möglich ist, kann die Recherche auch durch Archivpersonal erfolgen, sofern der Zeitaufwand nicht mehr als eine Stunde übersteigt. Dafür werden allerdings Gebühren nach den Sätzen der Sächsischen Archivgebührenordnung erhoben …

Bei schriftlichen Anfragen sind genaue Angaben über den bisherigen familiengeschichtlichen Kenntnisstand (Name, Vorname, Herkunftsort, zeitliche Daten) unerlässlich …“

Standesamtliche Urkunden kann man auch versuchen, im aus Königsberg geretteten Preußischen Staatsarchiv zu bekommen. Die Vorgehensweise beim Forschen entspricht jener bei der Deutschen Zentralstelle für Genealogie. Die Adresse lautet Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Archivstraße 12-14, 14195 Berlin (Dahlem), Telefon (030) 266447500, Telefax (030) 266443126, E-Mail: gsta.pk@gsta.spk-berlin.de. Die Adresse ist auch im Internet zu finden.

Wichtig zu wissen: Ebenfalls beim Preußischen Staatsarchiv kann man Prästationstabellen (Steuerlisten, Einwohnerlisten) ostpreußischer Ämter (zumeist Kirchdörfer) finden, zumeist in 20-Jahres-Abständen (oder noch größer) erstellt und bis ins 16. Jahrhundert zurückreichend.

In beiden genannten Archiven kann man also persönlich forschen, aber auch bei genauen Angaben der Daten die gewünschten Urkunden gegen Gebühren anfordern.

Soweit auch Salzburger Vorfahren zur Ahnentafel gehören, findet man dazu für die Zeit vor 1780 wertvolle Informationen im Salzburgerverzeichnis, das man beim Salzburger Verein bestellen kann. Die Anschrift lautet Salzburger Verein e. V., Memeler Straße 35, 33605 Bielefeld, Telefon (0521) 2994404, Telefax (0521) 2994405, E-Mail: info@salzburgerverein.de

Besonders Interessierte können sich auch an den Verein für Familienforschung in Ost- und Westpreußen wenden. Der Verein stellt sich auch im Internet vor, arbeitet nur ehrenamtlich und hat aus Kostengründen keine Geschäftsstelle, aber einen Geschäftsführer, zurzeit Thomas Wildeboer, Harmsweg 10, 22179 Hamburg.

Horst Grigat


S. 15 Glückwünsche

Wir gratulieren

ZUM 99. GEBURTSTAG

Engelke, Hildegard, geb. Sulies, aus Brandenburg, Kreis Elchniederung, am 20. Juni

ZUM 98. GEBURTSTAG

Bromberg, Ruth, aus Neidenburg, am 19. Juni

ZUM 97. GEBURTSTAG

Lüdtke, Ida, geb. Stralla, aus Neuendorf, Kreis Lyck, am 19. Juni

ZUM 96. GEBURTSTAG

Hinden, Harry, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 18. Juni

Schlick, Herta, geb. Urban, aus Dallnitz/Wasserwerk, Kreis Lyck, am 19. Juni

ZUM 95. GEBURTSTAG

Bienko, Helene, geb. Kosinski, aus Mostolten, Kreis Lyck, am 14. Juni

Meyer, Benno, aus Osterode, am 15. Juni

Nagel, Gerda, geb. Zink, aus Balga, Kreis Heiligenbeil, am 20. Juni

ZUM 94. GEBURTSTAG

Kutrieb, Paul, aus Malgaofen, Kreis Neidenburg, am 19. Juni

Müller, Traute, geb. Breitmoser, aus Kreuzingen, Kreis Elchniederung, am 14. Juni

Naumann, Elfriede, geb. Stanzick, aus Adelau, Kreis Elchniederung, am 20. Juni

Pinsch, Else, geb. Höpfner, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 15. Juni

Räthe, Elli, aus Alt Katzkeim, Kreis Samland, am 15. Juni

Szameitat, Charlotte, geb. Skubinn, aus Eydkau, Kreis Ebenrode, am 14. Juni

ZUM 93. GEBURTSTAG

Andre, Frieda, geb. Konrad, aus Lenzendorf, Kreis Lyck, am 14. Juni

Bachor, Elfriede, geb. Heina, aus Altkirchen, Kreis Ortelsburg, am 14. Juni

Böhmer, Dorothea, geb. Störmer, aus Romau, am 16. Juni

Eniß, Michael, aus Goldbach, Kreis ‚Wehlau, am 14. Juni

Freier, Anna, geb. Kraft, aus Keipern, Kreis Lyck, am 15. Juni

Glaner, Lotte, geb. Lippik, aus Saiden, Kreis Treuburg, am 20. Juni

Hagen, Käte, geb. Marx, aus Lötzen, am 17. Juni

Jobs, Gertrud, aus Rorffelde, Kreis Tilsit-Ragnit, am 20. Juni

Kaminski, Hildegard, geb. Dudda, aus Lyck, am 18. Juni

Konetzka, Erich, aus Kutzburg, Kreis Ortelsburg, am 14. Juni

Koreis, Emma, geb. Weber, aus Grieben, Kreis Ebenrode, am 20. Juni

Mennong, Herta, geb. Juckel, aus Alt Seckenburg, Kreis Elchniederung, am 20. Juni

Nolting, Margarete, geb. Althoff, aus Keipern, Kreis Lyck, am 15. Juni

Rothenburger, Brigitta, geb. Klebs von Halle, aus Frenzken, Kreis Ortelsburg, am 17. Juni

Schulz, Erika, geb. Wawrzyn, aus Lyck, am 18. Juni

ZUM 92. GEBURTSTAG

Albrink, Betti, geb. Türling, aus Heinrichswalde, Kreis Elchniederung, am 20. Juni

Czymoch, Edeltraut, geb. Broziewski-Schliesky, aus Lissau, Kreis Lyck, am 15. Juni

Durnio, Willi, aus Bartzdorf, Kreis Neidenburg, am 18. Juni

Ehrlicher, Dr. ‚Christel, aus Regeln, Kreis Lyck, am 16. Juni

Fischer, Erna, geb. Panteleit, aus Ebenrode, am 14. Juni

Galka, Wally, aus Eibenau, Kreis Treuburg, am 19. Juni

Kluth, Herbert, aus Monken, Kreis Lyck, am 19. Juni

Meixler, Edith, geb. Döhring, aus Frischenau, Kreis Wehlau, am 15. Juni

Peters, Elsbeth, geb. Pietrzenuk, aus Rogonnen, Kreis Treuburg, am 18. Juni

Samoray, Ilse, geb. Lemke, aus Canditten, Kreis Preußisch Eylau, am 18. Juni

Schmidtke, Herbert, aus Lyck, am 15. Juni

Seidenberg, Magdalena, geb. Ohse, aus Schirrau, Kreis Wehlau, am 17. Juni

ZUM 91. GEBURTSTAG

Bessel, Else, geb. Stadie, aus Zohpen, Kreis Wehlau, am 17. Juni

Borchert, Kurt, aus Heinrichswalde, Kreis Elchniederung, am 14. Juni

Jelinski, Kurt, aus Kelchendorf, Kreis Lyck, am 15. Juni

Hollstein, Käte, aus Klein Blumenau, Kreis Samland, am 14. Juni

Krause, Bruno, aus Lyck, am 15. Juni

Lampe, Edith, geb. Reimer, aus Schönwiese, Kreis Elchniederung, am 20. Juni

Lzydorezyk, Frieda, geb. Borkowski, aus Steinberg. Kreis Lyck, am 16. Juni

Malessa, Meta, geb. Kallich, aus Samplatten, Kreis Ortelsburg, am 17. Juni

Raeder, Erna, geb. Maas, aus Altbruch, Kreis Ebenrode, am 16. Juni

Steffens, Reinhold, aus Groß Lasken, Kreis Lyck, am 15. Juni

Stiebel, Paul, aus Auersberg, Kreis Lyck, am 14. Juni

Umlandt, Anni, geb. Wohlgemuth, aus Allenburg, Kreis Wehlau, am 19. Juni

ZUM 90. GEBURTSTAG

Annutsch, Edeltraud, aus Sentken, Kreis Lyck, am 20. Juni

Aukskell, Franz, aus Klein Friedrichsgraben, Kreis Elchniederung, am 19. Juni

Berndt, Betty, geb. Puchert, aus Noiken, Kreis Elchniederung, am 18. Juni

Czerwonka, Ernst, aus Lengau, Kreis Treuburg. am 14. Juni

Gatte, Emmi, geb. Skrotzki, aus Draheim, Kreis Treuburg, am 19. Juni

Geiger, Rotraut, geb. Kessler, aus Mülsen, Kreis Samland, am 17. Juni

Grotholtmann, Elfriede, geb. Vongehr, aus Brittanien, Kreis Elchniederung, am 17. Juni

Jestrzemski, Otto, aus Passenheim, Kreis Ortelsburg, am 18. Juni

Kalinowski, Charlotte, geb. Eichler, aus Ortelsburg, am 18. Juni

Kemmesies, Hilde, geb. Kryak, aus Teichwalde, Kreis Treuburg, am 16. Juni

Klein, Bernhard, aus Richau, Kreis Wehlau, am 14. Juni

Kloss, Edeltraut, geb. Malinski, aus Elchniederung, am 18. Juni

Krause, Ursula, geb. Fischer, aus Wehlau, am 20. Juni

Kujawa, Käthe, geb. Marzischewski, aus Lyck, am 14. Juni

Lischewski, Marta, geb. Mensguth, Kreis Ortelsburg, am 20. Juni

Marquart, Käthe, geb. Wagner, aus Reinkental, Kreis Treuburg, am 14. Juni

Mende, Christa, geb. Nicklaus, aus Ortelsburg, am 19. Juni

Paeger, Herta, geb. Tenninger, aus Lauken, Kreis Ebenrode, am 18. Juni

Perkuhn, Lisbeth, geb. Balschus, aus Grenzberg, Kreis Elchniederung, am 16. Juni

Piotrowski, Elfriede, geb. Boll, aus Dietrichsdorf, Kreis Neidenburg, am 19. Juni

Pomorin, Heinz, aus Ortelsburg, am 20. Juni

Quednau, Ella, geb. Perschel, aus Palmnicken, Kreis Samland, am 14. Juni

Schenk, Siegfried, aus Karkeln, Kreis Elchniederung, am 15. Juni

Schütz, Alfred, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 16. Juni

Vongehr. Günther, aus Brittanien, Kreis Elchniederung, am 17. Juni

Wieselhuber, Gerda, geb. Beba, aus Bärenbruch, Kreis Ortelsburg, am 19. Juni

ZUM 85. GEBURTSTAG

Ballosch, Ursula, geb. Gottlewski, aus Allenburg, Kreis Wehlau, am 16. Juni

Blosat, Lothar, aus Elbings Kolonie, Kreis Elchniederung, am 19. Juni

Buhr, Irmgard, aus Trankwitz, Kreis Samland, am 20. Juni

Diehl, Anneliese, geb. Rogalla, aus Gedwangen, Kreis Neidenburg, am 18. Juni

Dzieran, Hans, aus Kloken, Kreis Elchniederung, am 15. Juni

Förster, Kurt, aus Herzogswalde, Kreis Mohrungen, am 15. Juni

Gritzuhn, Gerhard, aus Fließdorf, Kreis Lyck, am 20. Juni

Großanski, Helga, aus Garbassen, Kreis Treuburg, am 15. Juni

Hein, Lothar, aus Ziegelberg, Kreis Elchniederung, am 17. Juni

Hillbrink, Wilhelm, aus Groß Ponnau, Kreis Wehlau, am 16. Juni

Kalcher, Herbert, aus Rodebach, Kreis Ebenrode, am 14. Juni

Karpinski, Erika, geb. Kompa, aus Ebendorf, Kreis Ortelsburg, am 20. Juni

Konstanski, Ernst, aus Deutschheide, Kreis Ortelsburg, am 14. Juni

Krafzik, Otto, aus Preußenwalde, Kreis Ortelsburg, am 20. Juni

Maaßen, Elvira, geb. Reinhold, aus Lötzen, am 18. Juni

Nelius, Margarete, geb. Warstat, aus Paterswalde, Kreis Wehlau, am 16. Juni

Petersen, Ilse, geb. Pultke, aus Partheinen/Mükühnen, Kreis Heiligenbeil, am 16. Juni

Pilz, Irmgard, geb. Schwermer, aus Uderhöhe, Kreis Wehlau, am 18. Juni

Rehfeldt, Bruno, aus Ruckenfeld und Lyck, Kreis Elchniederung, am 16. Juni

Rose, Günter, aus Soldau, Kreis Neidenburg, am 19. Juni

Schock, Manfred, aus Pillau, Kreis Samland, am 19. Juni

Siebert, früher Hochweiler, Kreis Schloßberg, am 18. Juni

Späth, Helga, geb. Kasper, aus Elbings Kolonie, Kreis Elchniederung, am 20. Juni

Wadewitz, Hildegard, geb. Brozio/Arndt, aus Keipern, Kreis Lyck, am 15 Juni

Walendy, Arno, aus Haasenberg, Kreis Ortelsburg, am 16. Juni

Warias, Katharina, geb. Sontopski, aus Skurpien, Kreis Neidenburg, am 14. Juni

ZUM 80. GEBURTSTAG

Bauer-Grau, Renate, geb. Hess, aus Sonnenmoor, Kreis Ebenrode, am 15. Juni

Becker, Dietrich, aus Bergkampen, Kreis Ebenrode, am 16. Juni

Beutler, Manfred, aus Bürgerhuben, Kreis Elchniederung, am 17. Juni

Blasberg, Waltraut, geb. Buttkus, aus Argendorf, Kreis Elchniederung, am 14. Juni

Blume, Irene, geb. Wilks, aus Schwanensee, Kreis Elchniederung, am 14. Juni

Busse, Helmut, aus Grünlinde, Kreis Wehlau, am 15. Juni

Grünhagen, Inge, geb. Hinz, aus Balga, Kreis Heiligenbeil, am 20. Juni

Händel, Lieselotte, geb. Poppek, aus Fließdorf, Kreis Lyck, am 20. Juni

Harling, Gisela, geb. Nehm, aus Ostseebad Cranz, Kreis Samland, am 18. Juni

Hattenhauer, Ursel, geb. Dziabel, aus Grallau, Kreis Neidenburg, am 19. Juni

Haupt, Alexander, aus Kussenberg, Kreis Elchniederung, am 14. Juni

Hering, Herta, geb. Rhode, aus Fürstenwalde, Kreis Ortelsburg, am 15. Juni

Heydemann, Hans-Hubert, aus Griesen, Kreis Treuburg, am 20. Juni

Hill, Hedwig, geb. Waldhof, aus Lyck, am 14. Juni

Jarmer, Erika, geb. Tiedtke, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 14. Juni

Klimmek, Marietta, geb. Meyer, aus Gollen, Kreis Lyck, am 16. Juni

Kühn, Wolfgang, aus Allenburg, Kreis Wehlau, am 18. Juni

Luxa, Herbert, aus Rogonnen, Kreis Treuburg, am 15. Juni

Mack, Christel, geb. Schimkat, aus Altschanzenkrug, Kreis Elchniederung, am 16. Juni

Martini, Hildegard, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 19. Juni

Meyers, Erna, geb. Schmidt, aus Tölteninken, Kreis Wehlau, am 16. Juni

Postel, Ingrid, geb. Meinekat, aus Tenkitten, Kreis Samland, am 16. Juni

Salecker, Fritz, aus Erlenhagen, Kreis Ebenrode, am 20. Juni

Schlüter, Helga, geb. Janz, aus Jodingen, Kreis Elchniederung, am 16. Juni

Schulz, Irma, geb. Warschuhn, aus Pregelswalde, Kreis Pregelswalde, am 18. Juni

Stolz, Heinz aus Wetzhausen, Kreis Neidenburg, am 20. Juni

Wagner, Irmgard, geb. Kasat, aus Ebenrode, am 20. Juni

Wilhelm, Siegfried, aus Tapiau, aus Wehlau, am 15. Juni

ZUM 75. GEBURTSTAG

Bolduan, Waltraud, geb. Liedke, aus Wehlau, am 1.Juni

Bromberg, Edith, geb. Kannenberg, aus Willkassen, Kreis Treuburg, am 18. Juni

Clarst, Heidrun, geb. Schemmerling aus Königsberg, Kreis Heiligenbeil, am 18. Juni

Dietrich, Kurt, aus Ortelsburg, am 16. Juni

Dombrowski, Gerhard, aus Goldbach, Kreis Wehlau, am 20. Juni

Gerwin, Reinhard, aus Cranz, am 16. Juni

Giessing, Dr. med. Widbert, aus Medenau, Kreis Samland, am 16. Juni

Guschan, Heinz, aus Skuldeinen, Kreis Elchniederung, am 16. Juni

Hundhausen, Brunhilde, geb. Rautenberg, aus Kreuzingen, Kreis Elchniederung, am 15. Juni

Klein, Karl-Heinz, aus Stobingen, Kreis Wehlau, am 18. Juni

Klie, Anita, geb. Schmidtke, aus Strobejehnen, Kreis Samland, am 18. Juni

Kopp, Hans-Georg, aus Heideckshof, Kreis Elchniederung, am 17. Juni

Kukowski, Dietmar, aus Wiesenfelde, Kreis Treuburg, am 15. Juni

Leszinski, Gertrud, geb. Bloch, aus Wilhelmsthal, Kreis Ortelsburg, am 17. Juni

Liedtke, Fritz, aus Groß Engelau, Kreis Wehlau, am18. Juni

Maxisch, Ursula, geb. Theophil, aus Mildenheim, Kreis Ebenrode und Wehlau, am 14. Juni

Nadolny, Karlheinz, aus Garbassen, Kreis Treuburg, am 17. Juni

Pipgorra, Klaus-Dieter, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 18. Juni

Rattay, Ursula, geb. Lucka, aus Erben, Kreis Ortelsburg, am 20. Juni

Reimer, Manfred, aus Sposserweide, Kreis Elchniederung, am 16. Juni

Sagert, Gertrud, geb. Massalski, aus Heideckshof, Kreis Elchniederung, am 18. Juni

Schenk, Ulrike, geb. Sabobielski, aus Heinrichswalde, Kreis Elchniederung, am 16. Juni

Schwanenberg, Waltraud, geb. Pielath, aus Widminnen, Kreis Lötzen, am 17. Juni

Seidl, Brigitte, geb. Gronau, aus Geidau, Kreis Samland, am 15. Juni

Willam, Gustaw, aus Ortelsburg, am 18. Juni

Diamantene Hochzeit

Walter Vocke und Ehefrau Traute, geb. Skiendziel, aus Kölmersdorf, Kreis Lyck, am 13. Juni


S. 16 Heimatarbeit

Landsmannschaftliche Arbeit

BUND JUNGES OSTPREUSSEN

Vorsitzender: Stefan Hein, Gst.: Buchtstr. 4, 22087 Hamburg, Tel.: (040) 4140080, E-Post: kontakt@junge-ostpreussen.de, www.junge-ostpreu­ssen.de.

BJO-Sommerfahrt vom 21. Juli bis 1. August 2014 nach Nordostpreußen mit Besuchen in Königsberg, Trakehnen, auf der Kurischen Nehrung und in der Rominter Heide. Die vollständige Einladung mit allen Einzelheiten ist unter www.junge-ostpreussen.de zu finden. Anmeldeschluss: 20. Juni 2014 (Visapflicht).

 

BADEN-WÜRTTEMBERG

Vors.: Uta Lüttich, Feuerbacher Weg 108, 70192 Stuttgart, Telefon und Fax (0711) 854093, Geschäftsstelle: Haus der Heimat, Schloßstraße 92, 70176 Stuttgart, Tel. und Fax (0711) 6336980.

Heidelberg – Sonntag, 15. Juni, 15 Uhr, Hotel Leonardo, Bergheimerstraße 63: Seit Wochen freuen wir uns schon auf den Besuch unserer verehrten Landesvorsitzenden der Ostpreußen in Stuttgart, Uta Lüttich. Nach der Kaffeetafel hält sie einen Vortrag über „Dr. Alfred Lau – Kenner und Bewahrer der ostpreußischen Mundart.“ Nach dem Referat bekunden die Teilnehmer mit dem Ostpreußenlied die Verbundenheit zur geliebten Heimat. Gäste sind herzlich willkommen.

Stuttgart – Dienstag, 17. Juni, 14.30 Uhr, Haus der Heimat, Kleiner Saal, Schloßstraße 92: Treffen der Frauengruppe. Thema „Reiseberichte“ mit Gesang und Gedichten sowie einem Bericht über das Deutschlandtreffen der Landsmannschaft Ostpreußen in Kassel. Gäste sind herzlich willkommen. Donnerstag, 26. Juni, 14.30 Uhr, Haus der Heimat, Großer Saal, Schloßstraße 92: Treffen der Kreisgruppe. Gemeinsames Singen, Gedichte und Heimatgeschichten sowie Filmvortrag mit Beamer in heimatlicher Atmosphäre. Gäste sind herzlich willkommen. − Sonnabend, 28. Juni, 14.30 Uhr, Haus der Heimat, Großer Saal, Schloßstraße 92: Teil 3 des Vortrags von Dr. Eberhard Klafki „Westpreußen mit seiner 1919 abgetrennten Hauptstadt Danzig zwischen den beiden Weltkriegen als Problem der Friedensbewahrung“. Gäste sind herzlich eingeladen.

Ulm/Neu-Ulm – Sonnabend, 21. Juni, 14.30 Uhr, Ulmer Stuben: Monatliches Treffen der Gruppe.

 

BAYERN

Vorsitzender: Friedrich-Wilhelm Böld, Telefon (0821) 517826, Fax (0821) 3451425, Heilig-Grab-Gasse 3, 86150 Augsburg, E-Mail: info@low-bayern.de, Internet: www. low-bayern.de.

Ansbach – Sonnabend, 14. Juni, 15 Uhr, Orangerie: Treffen der Gruppe. Geplantes Thema: Hermann Löns – Mümmelmann und andere Tiergeschichten. Plachandern bei Kaffee und Kuchen.

Bamberg – Mittwoch, 18. Juni, 15 Uhr, Hotel Wilde Rose, Keßlerstraße: Monatstreffen. Vortrag „Künstlerkolonie in Nidden“.

Ingolstadt – Sonntag, 15. Juni, 14.30 Uhr, Gasthaus Bonschab, Münchener Straße 8: Monatliches Heimattreffen.

Landshut – Dienstag, 17. Juni, 14 Uhr: Treffen im Biergarten der Insel.

München – Sonnabend, 28. Juni, 14.30 Uhr, Haus des Deutschen Ostens, Am Lilienberg 5; 81669 München: Diavortrag von Hartmut M.F. Syskowski, Redakteur der Zeitschrift „Pirsch“: „Rominter Heide bis zum Elchwald“. Zu Beginn findet eine gemeinsame Kaffeetafel und nach dem Vortrag ein Klopsessen statt.

Jeden Montag, 18 bis 20 Uhr, Haus des Deutschen Ostens: Ostpreußischer Sängerkreis. Kontakt: Dr. Gerhard Gräf, Offenbachstraße 60, 85598 Baldham, Telefon (08106) 4960.

 

BERLIN

Vorsitzender: Rüdiger Jakesch, Geschäftsstelle: Forckenbeck-straße 1, 14199, Berlin, Telefon (030) 2547345, E-Mail: info@bdv-bln.de, Internet: www.ostpreussen-berlin.de. Geschäftszeit: Donnerstag von 14 Uhr bis 16 Uhr Außerhalb der Geschäftszeit: Marianne Becker, Telefon (030) 7712354.

Gumbinnen/Johannisburg/Lötzen/Sensburg – Der Termin zum Sommertreffen am Diens­tag, 17. Juni, 13 Uhr, Restaurant Dalmata, Albrechtstraße 52, 12167 Berlin fällt leider aus!

 

BREMEN

Vorsitzender: Helmut Gutzeit, Telefon (0421) 25 09 29, Fax (0421) 25 01 88, Hodenberger Straße 39 b, 28355 Bremen. Stellvertrende Vorsitzende: Marita Jachens-Paul, Ratiborer Straße 48, 27578 Bremerhaven, Telefon (0471) 86176. Landesgeschäftsführer: Jörg Schulz, Am Anjes Moor 4, 27628 Uthlede, Telefon (04296) 74 77 01.

Bremen – Donnerstag, 19. Juni, 15 Uhr, Großer Salon des Hotels zur Post, Bahnhofsplatz 11, 28195 Bremen: Lesung und Gespräche zum 300. Geburtstag des ostpreußisch-litauischen Dichters und Pfarrers Christian Donalitius (1714–1780). Litauen feierte am

1. Januar den 300. Geburtstag seines Nationaldichters Kristijonas Donelaitis (Christian Donalitius), der evangelischer Pfarrer in der ostpreußischen deutsch-litauischen Gemeinde Tollmingkehmen war. Dies ist für die Kreisgruppe Anlass, einen Blick in jene mal Preußisch Litauen, mal Kleinlitauen genannte Gegend zu werfen, die im 18. Jahrhundert die Wiege der neueren litauischen Literatur war. Heute liegt sie im Königsberger Gebiet, dem russischen Teil Ostpreußens. Auf Initiative Litauens wurden die Kirche in Tollmingkehmen und das Pfarrhaus wiedererrichtet. Dabei konnte auch die Grabstelle des Dichters ausfindig gemacht und würdevoll hergerichtet werden. Während ihrer Kurzreise nach Wilna durfte die Gruppe erleben, welch großen Stellenwert dieser in Deutschland kaum bekannte Ostpreuße in der litauischen Geistesgeschichte hat und in welchem Maße bereits die Schuljugend von ihm erfährt. Mitglied Klaus Papies trägt ein Lebensbild des Pfarrerdichters vor und wird dann aus dem Versepos „Die Jahreszeiten“ rezitieren, in dem Donalitius das karge bäuerliche Leben seiner preußisch-litauischen Gemeinde kraftvoll, farbenfroh und bisweilen mit dem erhobenen Zeigefinger des gottesfürchtigen Predigers schildert. Der Eintritt ist frei.

 

HAMBURG

Erster Vorsitzender: Hartmut Klingbeutel, Kippingstr. 13, 20144 Hamburg, Tel.: (040) 444993, Mobiltelefon (0170) 3102815. 2. Vorsitzender: Manfred Samel, Fried-rich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg, Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

LANDESGRUPPE

Sonntag, 15. Juni, 11 Uhr, St. Johanniskirche, Hamburg-Harburg, Bremer Straße 9: Ostpreußischer Heimatgottesdienst.

KREISGRUPPE

Heiligenbeil – Sonnabend, 21. Juni, 14 Uhr, Seniorentreff der AWO, Bauerbergweg 7 (zu erreichen mit der Buslinie 116 von den U-Bahn-Stationen Hammer Kirche, Billstedt oder Wandsbek-Markt): Sommerfest. Alle Mitglieder und Freunde der Gruppe sind herzlich eingeladen, mit Kaffee, Kuchen und einem Filmvortrag über „Rominten – eine ostpreußische Jagdlegende“ in geselliger Runde einige fröhliche Stunden miteinander zu verbringen. Der Kostenbeitrag für Kaffee, Kuchen und Filmvortrag beträgt 5 Euro. Anmeldung bei Lm. Konrad Wien, Telefon (040) 53254950 bis zum 20. Juni.

Insterburg – Die Gruppe trifft sich jeden 1. Mittwoch im Monat (außer Januar und Juli) mit Liedern und kulturellem Programm um 12 Uhr, Hotel Zum Zeppelin, Frohmestraße 123–125. Kontakt: Manfred Samel, Friedrich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg. Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

Osterode – Sonnabend, 21. Juni, 14 Uhr, Café Prinzess, Alsterdorfer Straße 572, Hamburg-Ohlsdorf: Sommerfest. Einladung zu einem fröhlichen, gemütlichen Nachmittag. Beginn mit einer gemeinsamen Kaffeetafel, danach Singen von Sommerliedern und Plachandern.

Sensburg – Sonnabend, 28. Juni, 14 Uhr, gemütliches Beisammensein im Café Prinzess, Alsterdorfer Straße 572, Hamburg-Ohlsdorf. Gäste sind herzlich willkommen.

BEZIRKSGRUPPE

Hamburg-Harburg – Sonntag, 15. Juni, 11 Uhr, St. Johannes-Kirche, Bremer Straße 9 (zu erreichen mit der S-Bahn, Linie S3 und S31 bis zur Station Harburg-Rathaus): Ostpreußischer Heimatgottesdienst. Die Predigt halten Pastorin Sabine Kaiser-Reis und Gastpastor Fedinges aus Litauen. Die musikalische Umrahmung übernimmt Johann Gottlieb Janitsch. Im Anschluss lädt die Gemeinde zum Gespräch bei Kaffee, Tee und Gebäck in das Gemeindehaus ein.

Hamburg-Wilhelmsburg – Montag, 30. Juni, 15 Uhr, „Waldquelle“, Meckelfeld, Höpenstraße 88, (mit Bus 443 bis Waldquelle): Heimatnachmittag.

Achtung! Im Juli und August finden keine Heimatnachmittage statt.

 

HESSEN

Vorsitzender: Eberhard Traum, Wächtersbacherstraße 33, 63636 Brachtal, Telefon (06053) 708612.

Darmstadt-Dieburg – Sonnabend, 14. Juni, 15 Uhr, Luise-Büchner-Haus in Darmstadt-Kranichstein, Grundweg 10: Letztes Treffen vor der Sommerpause. Wir werden nach der Kaffeetafel über das Deutschlandtreffen der Ostpreußen in Kassel von ganz persönlichen Eindrücken einiger Teilnehmer berichten. Auch der gut geführte Besuch des Luftbrückendenkmals nebst Gleisanlagen – in Erinnerung an die Luftbrücke nach Berlin von Juni 1948 bis September 1949 – auf dem Flughafen in Frankfurt am Main kommt zur Sprache. Eine rege Teilnahme an unserer Veranstaltung wäre erfreulich.

Dillenburg – Die letzte MonatsVersammlung im Mai stand unter dem Motto: „Wie weit ist es von Tellrode-Gumbinnen nach Herborn in Hessen?“ Pfarrer i.R. Dietmar Balschun trug die Erinnerungen seiner Mutter, die sie ein Jahr vor ihrem Tode auf Band gesprochen hatte, vor, und ergänzte sie hin und wieder.

Erika Balschun begann mit ihrer Verlobung im Frühjahr 1938 mit Ernst Balschun, der damals schon als Reservist eingezogen war. Die Beiden heirateten bei einem Heimaturlaub von Ernst im Oktober 1938. Am 18. August wurden alle Reservisten zu einer „Manöverübung“ einberufen, und am 1. September begann der Polenfeldzug, der bald zu Ende war. Ernst wurde nach Königsberg versetzt, wohin ihm seine Frau von Weihnachten 1939 bis Ostern folgte. Sie ging dann zurück nach Tellrode bei Gumbinnen, wo ihr Sohn Dietmar im Juni geboren wurde.

Im Frühjahr 1941 marschierten immer mehr deutsche Soldaten zur russischen Grenze. Es wurde von Krieg gegen Russland geredet, der dann am Sonntag, dem 20. Juni ausbrach. Bereits am nächsten Tag flogen die ersten russischen Flieger übers Dorf. Im Übrigen verliefen die Kriegsjahre ziemlich ruhig. Nur hatten alle Dörfer rund um Gumbinnen ständig Einquartierungen von deutschen Soldaten; später kamen Ausgebombte aus Berlin dazu, bis im Frühjahr 1944 die ersten Flüchtlinge aus Litauen durchzogen. Es wurde auch von der eigenen Flucht geredet, aber es gab dazu natürlich keine Erlaubnis, obwohl russische Flugzeuge über die Gegend flogen und die auf den Feldern arbeitenden Menschen beschossen. Die Planwagen standen schon lange vollgepackt bereit; wer kein Pferd mehr hatte – die meisten waren fürs Militär beschlagnahmt worden – packte Boller- oder Kinderwagen voll mit dem Nötigsten.

Vom 20. bis 24. Oktober 1944 erfolgte der erste Treck unter dem Motto „Rette sich, wer kann!“ Man kam aber nicht weit, nur bis Elbing. Dort hieß es, dass sich alle Leute aus der Gegend um Gumbinnen bei Ebenrode sammeln sollten, um gemeinsam zu fliehen. Also ging es wieder zurück, in den Kreis Ebenrode, wohin dann Ernst Balschun auf Weihnachtsurlaub kam. Die nächste Fluchtetappe führte Ende Januar/Anfang Februar 1945 mit einem Transport bis Schlochau in Pommern; für die 100 Kilometer brauchte der Zug drei Wochen, mit endlosen Aufenthalten überall. Dann ging es mit der Kleinbahn bis Regenwalde in Schleswig-Holstein. Mutter und Sohn Balschun landeten Anfang März in Lindholm, andere fuhren weiter nach Dänemark. Der Vater Ernst war inzwischen in Herborn in Hessen angekommen, wo er eine Anstellung bei den Burger Eisenwerken fand, über Suchdienste und Verwandte erfuhr aber jeder vom anderen erst viel später.

Nach dem Ende des Krieges am 8. Mai gab es zunächst keine Post und keine Eisenbahnverbindungen. Erst im Oktober 1945 kam ein Brief vom Vater an Mutter und Sohn in Nibel an der dänischen Grenze. Es gab keine Reisegenehmigungen, keine Zuzugsgenehmigungen, keine Wohnungen. Inzwischen wurde eifrig nach Verwandten und Bekannten geforscht, die auf der Flucht verloren gegangen waren. Von vielen erfuhr die Familie, wo sie sich aufhielten. Einige waren irgendwo gestorben, andere blieben verschollen.

Zu Weihnachten 1945 besuchte Ernst Balschun seine Familie in Nibel. Bis Flensburg brauchte er von Herborn aus mit dem Zug drei Tage, die letzten 30 Kilometer ging er dann zu Fuß. Es dauerte aber noch fast fünf Jahre, bis zum 5. April 1950, bis die Familie in Herborn wieder beisammen war. Zusammenfassend kann man sagen, dass der weite Weg von der alten in die neue Heimat zirka 2300 Kilometer lang war.

Die nächste Monatsversammlung findet am Mittwoch, dem 25. Juni, um 15 Uhr im Café Eckstein, Königsberger Straße, in Dillenburg statt. Lothar Hoffmann wird dann über eines unserer wichtigsten Nahrungsmittel, die Kartoffel, sprechen, unter dem Motto: Essen wie Friedrich der Große. Die gekochte Kartoffel, das Knollenessen fürs Volk.

Hanau – Sonnabend, 14. Juni, 14.30 Uhr, Sandelmühle Philipp, Schleißnerweg 2: Sommerfest. Nach der gemeinsamen Kaffeetafel gemeinsames Singen heimatlicher Volkslieder. Zwischendurch werden ostpreußische Geschichten und Gedichte vorgetragen. Beiträge der Gäste sind erwünscht. Die Gruppe hofft auf zahlreichen Besuch, Freund und Bekannte sind willkommen. – Jeden zweiten Mittwoch im Monat trifft sich die Frauengruppe im Café Menges.

Kassel – Neben den Monatstreffen bietet die Kreisgruppe jedes Jahr mehrere Spaziergänge und Wanderfahrten an. Als Ziel für den Maiausflug hatte sie die nahe Universitätsstadt Göttingen ausgesucht. Von der reizvollen mittelalterlichen Altstadt und dem lebhaften Treiben in der Studentenstadt waren alle Teilnehmer angetan. Welch ein Kontrast zur Kasseler Innenstadt mit den schlichten 50iger-Jahre-Bauten. Gästen ge­genüber entschuldigen sich die Kasseler gern mit dem Hinweis auf die Totalzerstörung der einst schönen Stadt im Weltkrieg, sie führen ihre Besucher lieber zu den Naturschönheiten an der Fulda oder zum Weltkulturerbe Wilhelmshöhe.

Damit wären wir beim Deutschlandtag der Ostpreußen in Kassel. Ist es weit hergeholt, die Kriegsfolgen auch für die peinlichen Begleiterscheinungen beim großen Fest am 17. und 18. Mai in dieser Stadt verantwortlich zu machen? Nämlich dergestalt, dass seinerzeit nicht nur bauliche sondern auch geistige Substanz verloren ging und in den nachfolgenden Jahrzehnten relativer Bedürftigkeit und Strukturverarmung die Kleingeister überdurchschnittlich an Boden gewannen? Wie dem auch sei, die Taktlosen im Rathaus und die Unbedarften vor der Messe konnten nur einen kleinen Schatten werfen.

In den Hallen bestimmte von Anfang an Heiterkeit und fröhliches Miteinander die Szene. Die Veranstaltungen wurden gut besucht, die Bankreihen an den Treffpunkten der Heimatkreise waren stets gefüllt, und auch die Messestände fanden ein lebhaftes Interesse. So auch die Kasseler Fotoausstellung mit mehr als 100 Exponaten auf 30 Meter Stellwänden. Die Themenüberschrift lautete: „Ostpreußen und Nordhessen – Stadt und Land im Vergleich“.

Die Kreisgruppe konnte dabei auch einige historisch bedeutsame, noch unveröffentlichte Farbdokumente aus der Zeit vor 1944 zeigen, die das Ostpreußische Landesmuseum in Lüneburg freundlicherweise zur Verfügung stellte. Ein Teil der Sammlung nutzt im Sommer übrigens im Heimatkreis anlässlich einer Festveranstaltung gezeigt. Es wäre ja auch schade, wenn die gerahmten Bilder mit typischen Fotomotiven aus der Heimat nur einmal gezeigt würden. An dieser Stelle sei noch einmal allen Bildgebern für ihre Unterstützung gedankt.

Wiesbaden – Dienstag, 17. Juni, 8.30 Uhr, Wiesbaden-Hauptbahnhof, Busbahnsteig 1, hinter der Aral-Tankstelle: Treffen der Frauengruppe. „Mit dem Omnibus unterwegs“. An der Busfahrt zum Weinbauort Großfischlingen können noch Mitglieder und Freunde der LO teilnehmen. Anmeldung bei Helga Kukwa, Telefon (061) 373521.

Sonnabend, 21. Juni, 15 Uhr, Haus der Heimat, Großer Saal, Friedrichstraße 35: Monatstreffen. Kaleidoskop ostpreußischer Frauen. Porträts bedeutender Frauen der Heimat: Dorothea von Montau, der Patronin des Deutschen Ordens und Preußens, der Natur- und Heimatdichterin Johanna Ambrosius, der Schriftstellerin Erminia von Batocki und weiteren. Bitte auch Freunde und Bekannte mitbringen.

Wetzlar – Montag, 16. Juni, ab 19 Uhr, Wetzlarer Grillstuben, Stoppelberger Hohl 128: Rudolf Virnich berichtet über die Suche nach Spuren seines Evakuierungsaufenthalts in Ostpreußen während des Zweiten Weltkriegs. Gäste sind willkommen.

 

NORDRHEIN-WESTFALEN

Vorsitzender: Jürgen Zauner, Geschäftsstelle: Buchenring 21, 59929 Brilon, Tel. (02964) 1037, Fax (02964) 945459, E-Mail: Geschaeft@Ostpreussen-NRW.de, Internet: www.Ostpreussen-NRW.de

Bielefeld – Donnerstag, 26. Juni, 15 Uhr, Wilhelmstraße 13, 33602 Bielefeld: Heimatliteraturkreis mit Johannisfeier. – Die Kreisgruppe Bielefeld fährt am 20. Juli mit einem Reisebus zum „Kleinen Ostpreußentreffen“ nach Schloss Burg an der Wupper. Interessenten sind eingeladen mitzufahren, weitere Informationen unter Telefon (0521) 175170 (Donnerstag, 16 bis 17 Uhr).

Düsseldorf – Jeden Mittwoch, 18.30 bis 20 Uhr, GHH/Eichendorff-Saal, 1. Etage: Chorprobe der Düsseldorfer Chorgemeinschaft. – Sonnabend, 14. Juni, 10 Uhr, Infostand Hauptbahnhof: Wandertreff. Ziel: Oberschlesisches Landesmuseum, Hösel. „Mobilität in Schlesien“ und „Schönwälder Stickerei“. – Montag, 18. Juni, 19 Uhr, GHH/Eichendorff-Saal: Lesung mit Peter Härtling „Wer erzählt, erinnert sich“. – Sonntag, 22. Juni, 11 Uhr, Savoy-Theater: Lesung mit Hanna Schygulla „Wach auf und träume“. – Freitag, 27. Juni, 12.30 Uhr, GHH/Eichendorff-Saal: Präsentation des Schulprojekts „Als im Gurkenhaus die Häuser wuchsen“.

Essen – Freitag, 20. Juni, 15 Uhr, Gastronomie St. Elisabeth, Dollendorfstraße 51, 45144 Essen: Deutschlandtreffen der Ostpreußen in Kassel am 17./18. Mai. Berichte der Teilnehmer der Gruppe. – Einladung zum 25. Ortstreffen „Prohlen, Kallacken, Alt Vierzighuben, Kronau und Umgebung“ am Sonnabend, 23. August, um 14 Uhr in der St. Anna Kapelle in Essen-Rellinghausen zu einer Dankmesse, die Pfarrer Norbert Klobusch hält. Danach um 15 Uhr Treffen in der Gaststätte Zum Blücherturm, Oberstraße 24, zum gemütlichen Beisammensein. Kuchen ist erwünscht. Anmeldungen bis zum 10. August bei Paula Bujna geb. Behlau, Telefon (0201) 718602.

Hemer – In Zusammenarbeit mit dem Bürger- und Heimatverein Hemer sowie dem Kulturzentrum Ostpreußen, Ellingen wird die Ausstellung „Ostpreußen verzaubert“ in der Zeit noch bis zum 20. Juli gezeigt. Ausstellungsort: Felsenmeermuseum Hemer, Hönnetalstraße 1, 58675 Hemer. Öffnungszeiten: Montags und Sonnabends geschlossen; Dienstag und Freitag 11 bis 13 Uhr, und 15 bis 17 Uhr; Mittwoch und Donnerstag 15 bis 17 Uhr; Sonntag 11 bis 13 Uhr. Informationen beim Museum unter Telefon (02372) 16454, bei Klaus-Arno Lemke unter (02372) 12993; E-Mail: felsenmeer-museum@web.de lemke@ostpreussen-nrw.de. Internet-Präsenz: www.felsenmeer-museum.de.

Köln − Am Dienstag, 17. Juni, trifft sich die Ostpreußenrunde um 14.30 Uhr im Bürgerzentrum Köln-Deutz, Tempelstraße 41–43 zur monatlichen Versammlung. Es liegen keine besonderen Planungen vor, daher sind Beiträge der Mitglieder in eigner Regie gern gesehen.

Leverkusen – Sonnabend, 21. Juni, 15 Uhr, Haus Ratibor, Küppersteger Straße 56: Die Kreisgruppe möchte, wie jedes Jahr, mit ihren Mitgliedern und vielen gern gesehenen Gästen den Sommer begrüßen. Beginn mit einem gemeinsamen Kaffeetrinken. Ein fröhliches, abwechslungsreiches Programm wird geboten, auch mit Wettbewerbsspielen jeglicher Art. Um rege Teilnahme wird gebeten. Die Sieger erwartet ein Gewinn. Ein gemeinsames Abendessen zu einem sehr geringen Preis wird von den eifrigen Helfern vorbereitet. Um eine Kuchenspende wird herzlich gebeten. Der Erlös wird, wie bekannt, für die Weihnachtsfeier verwendet. Informationen bei Frau Pelka, Telefon (0214) 95763.

Witten – Montag, 16. Juni, 15 Uhr, Evangelisch-Lutherische Kreuzgemeinde, Lutherstraße 6–10: Ostpreußische Kaffeetafel mit Gesang und Musik.

 

RHEINLAND-PFALZ

Vors.: Dr. Wolfgang Thüne, Wormser Straße 22, 55276 Oppenheim.

Mainz – Jeden Freitag, 13 Uhr, Café Oase, Schönbornstraße 16, 55116: Die Gruppe trifft sich zum Kartenspielen. – Donnerstag, 26. Juni, 14 Uhr, Römerpassage 1: Besuch des Isis- und Mater Magna-Heiligtums mit Führung. Treffpunkt vor dem Eingang des Isis- und Mater Magna-Heiligtums.

 

SACHSEN-ANHALT

Vors.: Michael Gründling, Große Bauhausstraße 1, 06108 Halle, Telefon privat (0345) 2080680.

Magdeburg – Sonnabend, 15. Juni, 14 Uhr, Sportgaststätte Spielhagenstraße: Treffen der Gruppe. Thema: „Bekanntes und Unbekanntes“. – Dienstag, 24. Juni, 13.30 Uhr, Immermannstraße: Treffen der Stickerchen.

 

SCHLESWIG-HOLSTEIN

Vors.: Edmund Ferner. Geschäftsstelle: Telefon (0431) 554758, Wilhelminenstr. 47/49, 24103 Kiel.

Landesgruppe – Sonntag, 15. Juni, 10 Uhr, Haus der Heimat, Kiel: Vertreterversammlung der Landesgruppe Schleswig-Holstein e.V. Tagesordnung: 1. Begrüßung und Eröffnung durch den Landesvorsitzenden Edmund Ferner, 2. Totenehrung durch Dietrich Recke, 3. Grußworte, 4. Ehrung, 5. Feststellung der Ordnungsmäß- igkeit der Einladung, 6. Genehmigung des Protokolls der Vertreterversammlung vom 16. Juni 2013, 7. Bericht des Landesvorsitzenden Edmund Ferner, zugleich in der Funktion des Kulturreferenten, 8. Singen ost- preußischer Volkslieder mit Begleitung, 9. Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2013, Schatzmeisterin Margarete Beyer, 10. Entgegennahme des Kassenprüfungsberichtes durch Regina Gronau, 11. Aussprache zu den Berichten, 12. Entlastung des Vorstandes und der Schatzmeisterin, 13. Wahl eines Versammlungsleiters für den zu wählenden Landesvorstand (Landesgruppe Schleswig-Holstein), 14. Wahlen a) Landesvorsitzender, b) Stellvertreter, c) Schriftführer, d) Schatzmeister/in, e) Beisitzer, f) Kassenprüfer/in, 15. Genehmigung des Haushaltsplanes für das Jahr 2014, 16. Beiträge in Ostpreußischer Mundart, Gerd Höpfner, 17. Mittagspause, 18. Tannenberg 1914, Dr. Manuel Ruoff, 19. Aussprache, 20. Ostpreußische Küchenlieder und Geschichten, Gerta Heikenah, 21. Kaffeepause, 22. Anträge und Verschiedenes, 23. Die Vertreterversammlung schließt mit dem Ostpreußenlied.

Flensburg – Freitag. 27. Juni, 15 Uhr, Treffen in dem Hotel Wassersleben, Bushaltestelle vor dem Hotel, Kafferunde und Vortrag „Die Wasserslebener Bucht“, Referent Karl Lönneker, ehemaliger Gästeführer Flensburgs.

Mölln – Die Mitglieder der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen des Ortsverbandes Mölln treffen sich am 25. Juni um 17 Uhr zum traditionellen Matjesessen im Quellenhof in Mölln. Vor dem Essen wird Herr Ferner, Landesvorsitzender der Ostpreußen von Schleswig-Holstein, einen Diavortrag mit dem Titel „Ostpreußen unterwegs“ halten. Nach Kriegsende 1945 sind viele Ostpreußen unter anderem auch nach Brasilien und Argentinien ausgewandert, um dort eine neue Existenz aufzubauen. Über diese Menschen, wie sie es geschafft und sich durchgebissen haben handelt dieser Vortrag. Herr Ferner kann sehr humorvoll und spannend erzählen. Es wird bestimmt ein interessanter Vortrag. Nach diesem Vortrag wird das Matjesessen serviert. Zu dieser Veranstaltung laden wir auch alle Landsleute aus Pommern, Schlesien und Danzig ein.

Pinneberg – Sonntag, 15. Juni, 15 Uhr: Treffen der Gruppe. Sommer, Sonne, Urlaubspläne. „Zogen einst fünf wilde Schwäne“. Informationen unter Telefon (04101) 62667, oder (04101) 73473.


S. 17 Heimatarbeit

Aus den Heimatkreisen

ANGERBURG

Kreisvertreter: Kurt-Werner Sadowski. Kreisgemeinschaft Angerburg e.V., Landkreis Rotenburg (Wümme), Postfach 1440, 27344 Rotenburg (Wümme), Landkreis: Telefon (04261) 9833100, Fax (04261) 9833101.

Landrat Hermann Luttmann (CDU) wurde am 25. Mai 2014 mit 62,14 Prozent in seinem Amt bestätigt. Sein Herausforderer Superintendent Hans Peter Daub, der als unabhängiger Kandidat antrat, aber von SPD, Grünen und WFB im Kreistag unterstützt wurde, konnte sich gegen den Verwaltungsfachmann Hermann Luttmann nicht durchsetzen. Dagegen gab es einen Wechsel im Rotenburger Rathaus. Bürgermeister Detlef Eichinger, seit 13 Jahren im Amt, erhielt nur 40,92 Prozent der Stimmen, dagegen kam sein Herausforderer von der SPD Andreas Weber auf 59,08 Prozent der Stimmen.

Die Kreisgemeinschaft Angerburg war auf dem 22. Deutschlandtreffen der Ostpreußen in Kassel auch diesmal mit einem eigenen Stand vertreten. Über 100 Teilnehmer besuchten unseren Stand, um sich zu informieren oder sich mit den anwesenden Vorstandsmitgliedern auszutauschen. Die Vorstandsmitglieder Susanne Hagen, Brigitte Junker, Erich Kerwien, Günther Kuhn und Kurt-Werner Sadowski standen dafür zur Verfügung. Unterstützt wurden sie dabei von Adelheid Hollberg, Brigitte Kerwien, Karin Uffmann-Kuhn, und Ruth Sadowski. Zum Angebot der Kreisgemeinschaft gehörten Tier-Bronzeplastiken von Edith von Sanden-Guja und Heimatliteratur. Alles in allem war es eine gelungene Veranstaltung mit zirka 10000 Besuchern. Ein kleines Häuflein von etwa 40 Demonstranten tat der guten Stimmung unter den Ostpreußen keinen Abbruch.

 

HEILIGENBEIL

Kreisvertreterin: Elke Ruhnke, Im Bökel 76, 42369 Wuppertal, Tel.: (0202) 46 16 13. E-Mail: ruhnke@kreis-gemeinschaft-heiligenbeil.de. Stellvertreter: Christian Perbandt, Im Stegfeld 1, 31275 Lehrte, Tel.: (05132) 57052. E-Mail: perbandt-@kreisge­meinschaft-heiligenbeil.de. 2. stellvertretender Kreisvertreter: Bernd Schmidt, Heideweg 24, 25578 Dägeling, Telefon (04821) 8 42 24. E-Mail: Schmidt.ploessen@gmx.de. 2. Schriftleiterin: Brunhilde Schulz, Zum Rothenstein 22, 58540 Meinerzhagen, Tel.: (02354) 4408, E-Mail: brschulz@dokom.net. Internet: www. kreisgemeinschaft-heiligenbeil.de

Es ist wieder ein Mitglied, ein sehr verdienstvoller Mitarbeiter unserer Kreisgemeinschaft und gleichzeitig Mitglied der „Kreisgruppe Heiligenbeil in Hamburg“ von uns gegangen. Am 27. Mai ist Landsmann Erwin Ohnesorge im Alter von 97 Jahren im Seniorenheim in Hamburg gestorben. Er hat ein so hohes Alter erreicht, dass die derzeitige Leserschaft mit seinem Namen wohl nicht mehr viel anfangen kann. Da ich fast vier Jahrzehnte mit diesem verdienstvollen Landsmann zusammengearbeitet habe, werde ich einige seiner Lebensabschnitte kurz aufzeichnen.

Erwin Ohnesorge entstammt der kinderreichen Familie des Balgaer Bauunternehmers Rudolf Ohnesorge. Geboren wurde er am 22. Januar 1917 in Balga. In seinem kulturhistorischen Heimatort am Frischen Haff besuchte er die Schule. Wie viele der männlichen Dorfbevölkerung „ging“ Erwin zur See. Zunächst war sein Arbeitgeber die Handelsmarine; 1939 wurde er zur Kriegsmarine eingezogen. Aus dem Krieg kam er unbeschadet nach Hamburg. Dort konnte sich Ohnesorge auch wieder mit seiner 1944 in Balga angetrauten Frau Anita, geborene Unruh, aus Kahlholz vereinen. In Hamburg herrschte große Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit. Dennoch bezog das Ehepaar eine Neubauwohnung in der Tilsiter Straße in Hamburg-Wandsbek. Erwin fand eine Anstellung bei der Polizei. Im Jahr 1946 wurde ihr einziger Sohn Hartmut geboren. Als Kriminalbeamter wurde Ohnesorge Jahrzehnte später pensioniert.

Das Ehepaar wandte sich bald der „Landsmannschaft Ostpreußen“ zu und wurde aktives Mitglied in der „Kreisgruppe Heiligenbeil“. In einer Anwesenheitsliste vom 25. Oktober 1958 steht auch der Name Erwin Ohnesorge. Über Jahrzehnte versäumten die Eheleute keine Zusammenkunft, keine Veranstaltung, waren stets bereit für die heimatliche Arbeit. Landsmann Ohnesorge gehörte – unter verschiedenen Vorsitzenden – dem Vorstand an. Neben dem Gemeinwohl für die Landsleute des Kreises hielt er stets engen Kontakt zu seinen Balgaern. Seine ruhige, besonnene Art brachte ihm in der Kreisgruppe Lob, Anerkennung und Auszeichnungen ein. So blieb es nicht aus, dass der seinerzeitige Kirchspielvertreter von Balga, Erwin Mallien, ihn am 11. Oktober 1980 als Gemeindevertreter vorschlug. Erwin Mallien musste 1984 sein Amt aus Altersgründen aufgeben. Die Mitgliederversammlung der Kreisgemeinschaft Heiligenbeil wählte daraufhin Ohnesorge anlässlich des Kreistreffens im September 1984 zum Kirchspielvertreter. Dreizehn Jahre übte er dieses Ehrenamt aus. Sein Nachfolger wurde 1997 der Architekt Günter Neumann-Holbeck. Er selbst übernahm die Aufgaben des Stellvertreters und behielt auch weiterhin die Betreuung der Balgaer als Gemeindevertreter. Seine Frau Anita verstarb 2011. Von seinen beiden Ehrenämtern trat Landsmann Ohnesorge im September 2013 zurück. Die Ära eines aufrechten Ostpreußen war damit abgeschlossen. Die Kreisgemeinschaft Heiligenbeil zeichnete Landsmann Ohnesorge aus: 1977 mit der Silbernen Ehrennadel und 1995 mit der Goldenen Ehrennadel mit Urkunde.

Ein bedeutender Ostpreuße wurde am 6. Juni 2014 in Hamburg zu Grabe getragen. Die Kreisgemeinschaft Heiligenbeil wird sein Andenken in Ehren halten.

Siegfried Dreher, Ehrenvorsitzender

 

LÖTZEN

Kreisvertreter: Dieter Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg. Geschäftsstelle: Ute Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg, Telefon (040) 6083003, Fax: (040) 60890478, E-Mail: KGL.Archiv@gmx.de

Er ist kein mitreißender Redner. Er liebt die leisen Töne. Die feine Ironie, den geistreichen Witz, Wort- und Sprachspiele. Und er liebt Ostpreußen! Dort ist Dieter Eichler 1934 am 14. Juni geboren – wie so viele andere seiner Generation in Insterburgs Landesfrauenklinik, von der es damals hieß, sie sei eine der modernsten Deutschlands und die einzige mit einem Storchennest auf dem Dach. Prägende Kindheitsjahre verbrachte er durch die berufsbedingten Versetzungen des Vaters, eines jungen Lehrers, in verschiedenen Dörfern Masurens und der Johannisburger Heide (Orlowen, Heidig, Kurziontken) und schließlich in Gilgenburg. Von Osterode/Ostpreußen, wo er die Oberschule für Jungen besuchte, wurde im Januar 1945 die Flucht angetreten, auf der er durch Zufall seine aus Lötzen stammende Mutter wiederfand. Per Bahn nach Leipzig, weiter in das Vogtland (Feldwiese bei Elsterberg), schließlich war Zwickau eine vorläufige Endstation der Flucht. Nach Lebenszeichen des Vaters aus amerikanischer Gefangenschaft gelingt Mutter und Sohn über Helmstedt-Marienborn der Zuzug zu ebenfalls geflüchteten Verwandten auf die Flakstellung Westerwanna im Kreis Land Hadeln (Elbe-Weser-Dreieck). Karlshöfen im Teufelsmoor wird nach der Entnazifizierung des Vaters die erste Lehrerstelle, an der die Familie mit der Gründung eines neuen Hausstandes beginnen kann. Konfirmation in Gnarrenburg, Schulbesuch in Bremervörde, schließlich – von 1949 bis 1955 – der Besuch der Niedersächsischen Heimschule Bederkesa, der mit dem Abitur abschließt. Wieder endet ein ihn für das ganze Leben prägender Abschnitt. Nicht für seine Leistungen wird der Abiturient ausgezeichnet, sondern für sein soziales Verhalten.

Zum Studium (Mathematik, Geographie) nach Hamburg, um zu werden, was der Vater vorgelebt hat: Ein Lehrer, für den Schüler, Eltern und Kollegen eine Gemeinschaft bilden, die Schulgemeinde. An der Seite der Eltern, die inzwischen auch in Hamburg lebten (Vater war als Spezialist für Schulgartenpraxis in die Hansestadt berufen worden), Teilnahme an den ersten Treffen der 1948 in Hamburg gegründeten Kreisgemeinschaft Lötzen.

Er hat – was heute selten ist – 40 Dienstjahre vollendet, drei Jahrzehnte davon als Rektor. Er war im besten Sinne ein preußischer Beamter. Und „nebenbei“ 25 Jahre Vorsitzender des Vereins Hamburger Freiluftschulen (Bewirtschaftung der vier Hamburger Schullandheime mit 50 Angestellten), 25 Jahre Schöffe, über 20 Jahre Prüfer der Hamburger Privatschulen, 40 Jahre Volleyballspieler in einer Gruppe deutlich jüngerer Männer aus unterschiedlichsten Berufen, fast 40 Jahre Skatspieler mit befreundeten Kollegen. Er ist seit vielen Jahren Kirchengemeinderat, sitzt in Ausschüssen. Er war und ist auch Vater (von fünf Söhnen aus drei Ehen) und ist Ehemann – einer früh verstorbenen, einer geschiedenen und einer zwei Jahrzehnte jüngeren Frau, die von ihm vor allem diese eine Frage gelernt hat: Was kann ich für andere tun?

Noch vor Eintritt in den Ruhestand (1999) erfolgte die Rückbesinnung auf die ostdeutsche Herkunft. So ist Hamburg zwar Wohnort seit 59 Jahren, zu Hause aber, das Zuhause liegt noch immer dort im Osten, in dem weiten schönen Land, das die Heimat war. Viele Fahrten, sowohl auf Spuren der Familiengeschichte als auch mit dem Ziel, das Jetzt und Heute des dreigeteilten Ostpreußens kennenzulernen, haben seit 1997 stattgefunden.

Dass es ihm möglich ist, noch lange aktiv zu sein, wünscht neben der Familie, dem kollegialen Umfeld, der Gruppe der Volleyballmänner, der Nachbarschaft, der Kirchengemeinde und dem Kreis Weggefährten aus früheren Lebensstufen (zum Beispiel die Brüngerianer) auch eine große Zahl von Menschen aus der Kreisgemeinschaft Lötzen, deren Kreisvertreter (1. Vorsitzender) er seit 2010 ist.

 

NEIDENBURG

Kreisvertreter: Jürgen Szepanek, Nachtigallenweg 43, 46459 Rees-Haldern, Tel. / Fax (02850) 1017.

Durch verschiedene Umstände sind zu unserem Pfingstheimatbrief leider nur jeweils eine lose Wahlkarte für die diesjährigen Kreistagswahlen beigefügt worden. Da in der Regel mehrere Familienangehörige Mitglieder unserer Kreisgemeinschaft sind, jedoch nur gemeinsam einen Heimatbrief bekommen, hätten dem Heimatbrief wie in der Vergangenheit mindestens zwei Wahlkarten beigefügt werden müssen. Dafür war nun das leere Blatt vorgesehen. Dieses bitten wir zu entschuldigen. Wer noch zusätzliche Wahlkarten benötigt, melde sich bitte beim Kreisvertreter. Er bekommt diese unverzüglich zugesandt.

 

TILSIT-RAGNIT

Kreisvertreter: Dieter Neukamm, Am Rosenbaum 48, 51570 Windeck, Telefon (02243) 2999, Fax (02243) 844199. Geschäftsstelle: Eva Lüders, Telefon/Fax (04342) 5335, Kührenerstraße 1 b, 24211 Preetz, E-Mail: Eva.lueders@arcor.de.

In der Ragniter Zeitung ist folgender Artikel erschienen, der auf die geplante Aufstellung eines Denkmals in Hohensalzburg [Lunino] hinweist: Im Dorf Lunino, neben dem Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges, wo einst das Gotteshaus war, wird noch ein Denkmal aufgestellt, gewidmet den Erbauern der lutherischen Kirche im Dorf. Der deutsche Pastor Martin Lipsch hat vorgeschlagen dieses aufzustellen. Das Denkmal wird in russischer und deutscher Sprache die Inschrift folgenden Inhaltes haben: „Zur Erinnerung an die Einwohner von Hohensalzburg, bis 1938 Lengwethen, und der Dörfer dieses Kirchspiels. Salzburger lutherische Emigranten erbauten hier von 1732–1735 eine steinerne Kirche. Mehr als 400 Jahre war dieser Ort Heimat für Menschen deutscher Sprache. Jetzt ist Lunino Heimat für Menschen russischer Sprache. Möge dieser Ort blühen und eine glück­liche Zukunft haben!“ Es wird geplant, die Gedenktafel im Sommer dieses Jahres zu montieren.


S. 18 Heimatarbeit

Als Kind überlebt
Wolfskinder-Schicksale im Taschenbuch

Bei Kriegsende ist die in Königsberg geborene Christel Scheffler sechs Jahre alt. Aber die Schrecken der Nachkriegszeit haben sich ihr unauslöschlich eingeprägt: „Was ich erlebt habe, was mir angetan wurde, ist zu viel für ein Menschenleben. Ich wünsche das meinem schlimmsten Feind nicht. Die letzte Mahlzeit zum Beispiel in Königsberg. Ich erinnere mich mit Grausen: Kartoffelschalen vom Misthaufen, schon ganz schwarz, ich konnte es nicht ...“

Die alte Dame gehört zu den noch lebenden „Wolfskindern“, die heute entweder in Litauen oder in Deutschland leben. Wolfskinder, das waren jene Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren, die bei Kriegsende ihre Eltern und andere Angehörige verloren hatten und sich unter unsäglichen Strapazen nach Litauen durchschlugen, wo sie in vielen Fällen von barmherzigen Menschen, meist Bauern oder kleine Handwerker, aufgenommen wurden.

Die finnisch-schwedische Journalistin Sonya Winterberg hat mittels intensiver Archivarbeit den Lebensweg zahlreicher Wolfs­kinder verfolgt und ihnen dieses im doppelten Sinne berührende Buch gewidmet: Zum einen zeigt es die Not, der die deutsche Bevölkerung nach der Eroberung Ostpreußens durch die Rote Armee ausgesetzt war; zugleich aber ist es ein Zeugnis dafür, dass auch in finstersten Zeiten Humanität und Mitgefühl nicht versiegen.

Die Autorin erzählt in ihrem erstmals als Taschenbuch erschienen Titel „Wir sind die Wolfskinder. Verlassen in Ostpreußen“ nicht einzelne Schicksale nacheinander, sondern ruft historische Situationen in Erinnerung und fügt in sie die einzelnen Lebensläufe. Not, das bedeutete, in Ruinen und Erdlöchern zu hausen, Vergewaltigungen und Erschießungen ausgesetzt zu sein und kaum etwas zu essen zu haben.

Viele Kinder erlebten, wie die Mütter misshandelt wurden und starben. Die auf sich gestellten Kinder folgten fast instinktiv dem Gerücht, jenseits der Memel sei es besser; in Scharen und unter Lebensgefahr versuchten sie, dorthin zu gelangen. Zerlumpt, krank und ausgemergelt bettelten sie sich durch die Dörfer.

Wie viele Kinder dabei umkamen, ist heute nicht mehr zu klären. Jene Kinder, die aus Barmherzigkeit oder Berechnung, sie als Hirtenjungen oder Haushaltshilfen zu nehmen, Aufnahme fanden, überlebten, wurden in die Familien integriert, teilweise adoptiert (unter Verlust des deutschen Namens) und konnten ab etwa 1949/50, als die sowjetischen Behörden das Problem endlich angingen, entweder in die DDR ausreisen oder als Litauer ein geregeltes Leben führen.

Die Autorin bleibt nicht bei den Nachkriegsjahren stehen, sondern verfolgt viele Lebensläufe weiter; sie rühmt die freundliche Aufnahme vieler Jugendlicher im brandenburgischen Kyritz, zeigt, wie durch jahrelange Suchdienste Familien und Geschwister wieder zusammenfanden (auch die PAZ war daran beteiligt), und schildert schließlich, wie nach der Wende 1990/91 viele nun alt und krank gewordene Wolfskinder in die Bundesrepublik ausreisen konnten und hier eine Minimalrente erhielten.

Zwei Anmerkungen: Eine Karte der Region hätte dem Leser die Orientierung etwas leichter gemacht. Und es sei daran erinnert, dass der große Dokumentarfilmer Eberhard Fechner den Wolfskindern schon 1990 ein Denkmal gesetzt hat. Dirk Klose

Sonya Winterberg: „Wir sind die Wolfskinder. Verlassen in Ostpreußen“, Piper Taschenbuch, München/Zürich 2014, broschiert, 336 Seiten, 9,99 Euro.


Voller Tatendrang
Viele neue Ideen: 60 Jahre Salzburger Verein

Für das Mai-Treffen der norddeutschen Salzburger in Hamburg waren drei Themen angekündigt. 1. Schwerpunkt: Preußisch-Litauen-Ansiedlungsgebiet der Salzburger Emigranten. 2. Aktuelles Zeitgeschehen in Osteuropa: Russland holt die Krim zurück in sein Reich. 3. Lichtblicke nach 60 Jahren Patenschaft Land Salzburg/Österreich − Salzburger Verein e.V. Abgerundet wurde das Vortragsprogramm mit der Präsentation einer sehenswerten Film-Animation „Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses - Humboldtforum 2019“.

Bedingt durch hohen Krankenstand war die Zahl der Teilnehmer am 17. Mai leider auf einem Rekord-Tiefstand: nur 18 Personen! Das parallel in Kassel stattfindende „Ostpreußentreffen“ am 17. und 18. Mai hat auch Teilnehmer unserer Landesgruppe interessiert. Der Geschäftsführer der LO, Sebastian Husen, hat uns für den Vortrag Preußisch-Litauen eine Landkarte Ostpreußen (Stand: 31. August 1939) im Maßstab 1:380000 zur Verfügung gestellt. Damit konnte der Referent Eck­hard Schlemminger die historische und politische Entwick­lung der Region in allen geografischen und administrativ-politischen Gegebenheiten vom Beginn des 18. Jahrhunderts (Regierungszeit Friedrich Wilhelm I.) bis zum Ende Ostpreußens als Endpunkt des Zweiten Weltkrieges und bis in die Gegenwart des heute freien Europas sehr übersichtlich für alle Epochen darstellen.

Der Kreis Pillkallen (Schlossberg) im alten Regierungsbezirk Gumbinnen fand das besondere Interesse der Zuhörer, zumal ein Mitglied unserer LG diesen östlichsten Kreis an der litauischen Grenze noch in lebendiger Erinnerung authentisch als Zeitzeuge bewahrt hat, und die Salzburger väterlichen Vorfahren Schlemminger im Gutsbesitz Baragehlen, Nähe Schirwindt, ihre im Osten neu begründete Heimat seit zirka 1750 bis zum Beginn der Flucht aus Ostpreußen 1944/45 hatten.

Mit allen geografischen Einzelheiten auf der Karte konnten die zehn Kreise im Litauischen, zuzüglich der drei masurischen, in Preußisch-Litauen von 1732 bis zum Stand August 1939 verfolgt und mit den Erinnerungen der Reise des Salzburger Vereins 2010 nach Gumbinnen und Königsberg zeitnah verglichen und neu gespeichert werden. Der Referent verwies auf den Autor des Buches „Ostpreußen. Biografie einer Provinz“, Hermann Pölking, und auf die bekannte Ostpreußen-Literatur von Andreas Kossert.

Das Thema „Krim 2014“ wurde unter geschichtlichen Aspekten der Machtansprüche in den letzten Jahrhunderten von 1994 bis in die aktuelle Gegenwart anhand eines Beitrages aus der „Zeit“ erläutert: „Die Riviera der Weltrevolution“ (J. Voswinkel). Gedankliche Parallelen zu Entwicklungen Osteuropas im Verlauf der vergangenen 300 Jahre boten sich an und dazu die Erkenntnis: Welche geniale europäische Lösung doch die Neuansiedlung der Salzburger Emigranten unter preußischer Regie 1732 war!

Wie gut man mit dem Thema friedlicher Neuanfang nach Verlust von Heimat umgehen kann, beweisen 60 Jahre gelebte Patenschaft mit dem Land Salzburg: Die Festschrift 2004 „Ereignisse, Ergebnisse, Erinnerungen“ lässt nun heute neue Ideen entstehen: Wie können wir die bewährte gelebte Partnerschaft in den nächsten zehn Jahren neu gestalten und mit Lichtblicken für die Zukunft auffrischen? Denkbar wäre ein gemeinsames Projekt im Gedenkjahr 2017 der Reformation 1517: Das „alte Patenkind“ Salzburger Verein e.V. könnte eine Reise an die Luther-Gedenkstätten in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt gestalten und den „jungen Paten“ Land Salzburg gastfreundlich in Deutschland empfangen.

Eckhard Schlemminger


»Stern der Ewigkeit«
Ernst Wiechert in russischer Übersetzung − Buchpräsentation in Königsberg

Zum 25-jährigen Jubiläum der Internationalen Ernst-Wiechert-Gesellschaft (IEWG), die 1989 gegründet wurde, erschien im Dezember 2013 in Königsberg im Verlag „Wir leben“ ein Band mit Wiechert-Texten in russischer Übersetzung unter dem Titel: „Ostpreußen im Werk Ernst Wiecherts“. Die Übersetzerin Lidia Natjagan wählte Ausschnitte aus Wiecherts Lebenserinnerungen „Wälder und Menschen“ und „Jahre und Zeiten“ aus, in denen die Wälder und Seen Masurens, das Fischen und Jagen, die Bräuche und Feste geschildert werden. Auch die Nehrung und das alte Königsberg vor 1945 können die russischen Leser erleben.

Von fünf ausgewählten Erzählungen Wiecherts spielen „Joneleit“ und „Der Mann von vierzig Jahren“ auf der Nehrung und in Königsberg. Die Novelle „Der Vater“ zeigt eine ostpreußische Adelsfamilie im Ersten Weltkrieg. Zehn Gedichte runden das Buch ab. Am 2. April stellte Lidia Natjagan das Buch im Deutsch-Russischen Haus vor. Über 30 Gäste bewunderten die Illustrationen der Malerin Tamara Tichonova, die eine Ausstellung aufgebaut hatte, und ließen sich von Lidia Natjagan die Bücher signieren. Das Buch wurde vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und von der IEWG gefördert. Die Exemplare werden nicht verkauft, sondern kostenlos an Bibliotheken, Universitäten und Schulen verteilt. Am 14. Mai erschien in der „Kaliningradskaja Prawda“ ein Bericht über die Präsentation am 2. April. „Stern in der Ewigkeit“ wird Wiechert genannt, und stolz schreibt die Verfasserin Natalja Gorbatschowa: „Unser Gebiet ist das Hauptthema des berühmten Erzählers und Dichters, Humanisten und Pädagogen.“ Eine weitere Präsentation des Buches erfolgte am 14. Mai in der Zentralbibliothek in Königsberg. Wieder konnten Lidia Natjagan und Tamara Tichonova zahlreiche interessierte Zuhörer begrüßen. Inzwischen wurde das Buch auch dem polnischen Publikum vorgestellt.

Joachim Hensel, Vorstandsmitglied der IEWG, und seine Frau Heide waren Gäste des Lehrstuhls für Germanistik der Universität Allenstein. Im Mai 2013 hatten sie Bücher von Ernst Wiechert dort abgegeben, Erstausgaben und zum Teil signierte Exemplare, die der Ehren­vorsitzende der IEWG, Horst Radeck, der Universität Ermlands und Masurens gespendet hat. In der Universitätsbibliothek wurde daraufhin am 17. Februar eine Ausstellung der Werke Wiecherts eröffnet, die bis zum 30. Juni besucht werden kann.

Die Veranstaltung begann mit einem Vortrag von Zbigniew Chojnowski: „Ernst Wiechert aus polnischer Sicht“. Die Leiterin des Germanistischen Lehrstuhls, Ewa Zebrowska, lud das Ehepaar Hensel zu einer Wiechert-Veranstaltung am 14. Mai dieses Jahres ein. Joachim Hensel stellte Leben und Werk des Dichters vor, Heide Hensel las aus den Werken Wiecherts und be­eindruckte besonders die Germanistikstudenten. Bei dieser Gelegenheit wurde auch das russische Werk „Ostpreußen im Werk Ernst Wiecherts“ vorgeführt.

Ein deutschsprachiger Dichter aus Masuren verbindet Russen, Deutsche und Polen. Auch in der Bundesrepublik wird der Band von Lidia Natjagan seine Leser finden. Am 17. August wird Bärbel Beutner, Vorsitzende der IEWG, das Buch in der jüdischen Gemeinde in der westfälischen Stadt Unna vorstellen. Die Gemeindemitglieder stammen vorwiegend aus dem russischen Sprachbereich. Bärbel Beutner


S. 19 Heimatarbeit

Auf nach Allenstein!
Am 21. Juni feiert die deutsche Volksgruppe ihr Sommerfest

Kaum ist das Deutschlandtreffen der Ostpreußen vorbei, steht auch schon das Sommerfest der Landsmannschaft Ostpreußen vor der Tür.

Ein Termin, den sich die Ostpreußen unbedingt in ihren Terminkalender eintragen sollten, ist der Sonnabend, 21. Juni. Dann findet im Amphitheater von Allenstein das große Sommerfest statt.

Um 10 Uhr beginnt das Sommerfest mit einem musikalischen Vorprogramm, gestaltet vom Blasorchester Osterode. Um 10.30 Uhr wird der Ökumenische Feldgottesdienst gefeiert, mit dem Domherrn André Schmeier, als dem offiziellen Seelsorger für die deutsche Volksgruppe im katholischen Ermland, und dem evangelischen Bischof der masurischen Diözese, Rudolf Bazanowski.

Ab 11 Uhr folgen die Festansprachen von Stephan Grigat, dem Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, und Hernyk Hoch, dem Vorsitzenden des Verbandes der Deutschen Gesellschaften in Ermland und Masuren.

Gegen 12 Uhr startet das Kulturprogramm mit Tanz und Musik.

Nach einer Mittagspause geht es um 14 Uhr mit dem kulturellen Nachmittag los, bei dem unter anderem auch Ritterkämpfe gezeigt werden, bis dann gegen 17 Uhr das Sommerfest endet.

Seien Sie also herzlich eingeladen, am 21. Juni in Allenstein mit der Landsmannschaft Ostpreußen und den deutschen Vereinen im südlichen Ostpreußen zu feiern. LO


Lernen mit Bobrowski
Schule in Willkischken nach ostpreußischem Lyriker umbenannt

Am 16. Mai, fanden in Willkischken, Kreis Tilsit-Ragnit, mehrere Veranstaltungen zur Umbenennung der Mittelschule des Ortes statt. Dazu waren auch Gäste aus der Bundesrepublik sowie aus Tilsit und dem Rajon Ragnit eingeladen. Nach der Begrüßung der Gäste durch Pfarrer Mindaugas Kairys in den Räumen der Bobrowski-Dauerausstellung erläuterte dessen Projektleiter, Jörg Naß, den Gästen, wie es zu der Ausstellung in Willkischken kam.

Die Feierlichkeiten begannen in der Johannes-Bobrowski-Ausstellung im Gemeindehaus der evangelisch-lutherischen Kirche in Willkischken. Unter den Anwesenden war auch Adam Bobrowski, der aus dem Werk seines Vaters las. Gemeinsam mit seiner Schwester Ulrike Staschke enthüllte er die neue Namenstafel an der Schule. Eine szenische Vorführung zum Thema Johannes Bobrowski und ein Chorkonzert in der Kirchen umrahmten die Feierlichkeiten.

Auch in der Ausstellung gibt es ein paar Neuerungen. Zusätzliche Ausstellungsgegenstände, Gedichttexte, kleine Infotafeln und neue Bild- und Texttafeln wurden hinzugefügt. So befinden sich auf allen Tafeln nun litauische und deutsche Texte. Neu zu sehen sind ausgelegte Gedichte von Bobrowski in deutscher und litauischer Sprache, so die Gedichte „Zemaite“ und „Die sarmatische Ebene“. Ein interessantes Ausstellungsobjekt ist auch eine Kopie des Reisepasses von Hanna Bobrowski, der Mutter Bobrowskis, mit einem Visa-Stempel aus dem Memelland von Amtsvorsteher Buddrus aus Motzischken. PAZ


S. 20 Heimatarbeit

Feinste Handarbeit
Einst ein Verkaufsschlager − Stickerei aus dem schlesischen Schönwald in Ratingen ausgestellt

Das Oberschlesische Landesmuseum von Ratingen stellt gemeinsam mit dem Museum Gleiwitz/ Muzeum Gliwice eine besondere Tradition vor: Stricken.

„Sticken ist cool“ heißt ein Begleitprogramm, das das Oberschlesische Landesmuseum (OSLM) von Ratingen-Hösel im Juli anbietet. Die Aktion bringt den Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Anlehnung an die neue Sonderausstellung „Schönwald – ein stickendes Dorf aus der Vergangenheit“ die Besonderheiten der Farbstickerei näher.

Die mit deutschen und polnischen Texten versehene Präsentation wurde im Jahre 2013 in und für Gleiwitz konzipiert. Ein zweisprachiger, reich bebilderter Katalog mit umfangreichen Hintergrundinformationen zur Geschichte des Dorfes sowie zu den Ursprüngen der Trachten und Bräuche liegt im Landesmuseum zur Information vor.

Die Schau in Ratingen wurde durch zahlreiche Exponate aus den hauseigenen Sammlungen sowie von Partnermuseen und Leihgebern ergänzt.

Wer die Ausstellung besucht, tritt eine imaginäre Zeitreise an, die bis ins 13. Jahrhundert zu­rück­geht. Man erfährt aus alten Dokumenten, dass Schönwald der alte Name eines Dorfes war, dessen Entstehung den Zisterziensern aus dem Kloster Rauden zu verdanken war. Woher die Siedler stammten, ist nicht genau überliefert. Allerdings weist der dort gebräuchliche Dialekt Gemeinsamkeiten mit ostfränkischen Mundarten auf.

Joanna Oczko und Bozena Kubit, die Autorinnen des Begleitbandes zur Ausstellung, vergleichen das Dorf mit einer Insel zwischen der polnisch-oberschlesisch-sprachigen Bevölkerung aus den umliegenden Dörfern und den hochdeutsch sprechenden Einwohnern von Gleiwitz. Anhand von Archivbildern finden auch einige Meilensteine aus der Dorfgeschichte Erwähnung, darunter etwa der Bau der Schmalspurbahnlinie von Gleiwitz nach Ratibor mit einer Station in Schönwald.

Da sich die Schönwälder beim Plebiszit von 1921 mehrheitlich für die Zugehörigkeit zu Deutschland aussprachen, wurde das Dorf ein Grenzort zwischen Deutschland und Polen.

Bis ins Jahr 1945 hinein hat das Dorf an seinem Ausnahmecharakter festgehalten, der durch Aspekte der Geschichte und des Dialektes sowie der kunstvoll bestickten Volkstrachten und nicht zuletzt der besonderen Hochzeitsbräuche gegeben war.

Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gehören jedoch sowohl das für Oberschlesien untypische Dorf, wie auch seine Einwohner der Vergangenheit an. Einige der ehemaligen Schönwälder, denen damals die Flucht aus der Heimat gelungen ist, leben mit ihren Nachkommen in ganz Deutschland verstreut. Inzwischen heißt die polnische Ortschaft Bojków und ist ein Stadtteil von Gleiwitz.

Das Dorf Schönwald war dafür bekannt, dass sich dort Traditionen erhalten haben, die im Umland wenig bekannt waren. Anhand von ausgewählten Ausstellungsstücken, informativen Text- und Bildtafeln sowie zahlreichen Fotografien und Dokumenten werden in der Schau die für Schönwald typischen mit Stickereien verzierten Frauen- und Männertrachten vorgestellt. Im 20. Jahrhundert widmete man sich verstärkt dem Handwerk, insbesondere der Stickerei. Auf Wochenmärkten wurden neben landwirtschaftlichen Erzeugnissen von vielen Stickerinnen auch ihre kunstvollen Waren verkauft.

Die Kunst des Stickens wurde in Schönwald von Generation zu Generation weitergegeben. Nach der Einrichtung einer Stickstube im Jahre 1920 in der Gleiwitzer Altstadt wurden die Handarbeiten über die Grenzen des Landes hinaus bekannt und geschätzt. Bis 1930 wurden 17000 Stickereien gefertigt.

Zu den Besonderheiten der Schau in Ratingen gehört unter anderem ein besticktes Ehrentuch, das Frieda Kaisig, die

25 Jahre lang in der Stickstube tätig war, im Februar 1945 zu ihrem 60. Geburtstag erhielt. Das Tuch stammt aus der Sammlung von Reinhold Stangner und hat eine lange Geschichte.

Die Schönwälder entwarfen ihre eigenen, bunten Trachten, die sich vor allem durch die schmückenden Stickereien deutlich von anderen Fest- und Alltagskleidern in Schlesien abhoben. Die Farbstickerei wurde mit Seidenfäden auf schwarzem Stoff aufgebracht. Wiederkehrende Stick-Motive waren dabei Rosen, Blumen, Zweige und Blätter in den Farben Rot, Rosa, Grün, Blau und Violett.

Neben einer Schönwälder Tracht mit Arbeitsschürze, einer weiteren Frauentracht mit Winterjacke und einer Männertracht aus der Sammlung Magdalena Botschek ist auch eine schön geschmückte Frauentracht für Gottesdienste aus den Beständen des Gastgeberhauses ausgestellt.

Hinzu kommt eine große Auswahl an bunten Kopftüchern und Bändern, Blusen, Schürzen, Kragen und Häubchen. Von Hand gestickte Blumen- und Rankenmotive, Getreideähren, Käfer und Schmetterlinge verzieren außerdem auch Gürtel, Beutel, Bucheinbände, Kissen und Wandteppiche. In den 1920er und 30er Jahren waren in der guten Stube der Oberschlesier, in den 1930er und 40er Jahren auch in vielen Wohnungen in Deutschland sehr häufig dekorative Kissen und Tischdecken mit Schönwälder Stickerei zu sehen. Einige dieser prächtigen Wohnaccessoires hat Haus Schlesien von Königswinter zur Verfügung gestellt.

Übrigens: Wer zu den rund 200 Besuchern gehörte, die der Ausstellungseröffnung am diesjährigen Museumstag beiwohnten, konnte im wahrsten Sinne des Wortes „lebendige Tradition“ erfahren. Vier Schönwälderinnen in traditioneller Tracht sind eigens aus Eppertshausen bei Darmstadt zur Vernissage angereist. Sie verrieten den interessierten Besuchern so manches Geheimnis zu den Eigenheiten ihrer Heimat und ihrer Stickkunst.

Die dem „stickenden Dorf aus der Vergangenheit“ gewidmete Ausstellung ist bis zum 1. September im Oberschlesischen Landesmuseum von Ratingen-Hösel zu besichtigen. Dieter Göllner


Sommerfreizeit in Bad Pyrmont

Vom 30. Juni bis 14. Juli bietet das Ostheim die diesjährige Sommerfreizeit für Senioren an. Freizeiten im Ostheim, das sind abwechslungsreiche und erholsame Urlaubstage in Bad Pyrmont. Die Angebote reichen vom morgendlichen Singen, der Seniorengymnastik, Dia- und Videoabenden, Lesungen aus Werken ostpreußischer Dichter und Schriftsteller, Spaziergängen, Museumsbesuchen bis zur heimatlichen Speisekarte am Mittag und Abend. Der 2005 als „Schönster Kurpark Deutschlands“ ausgezeichnete Kurpark lädt zu Kurkonzerten, einem Bummel durch den größten Palmengarten nördlich der Alpen oder zum Ausprobieren des Wassertretbeckens und des Barfuß-Pfades ein.

In der Hufeland-Therme kann man die Meersalzgrotte genießen, in verschiedenen Saunen schwitzen oder das Wasser in verschiedenen Formen auf den Körper wirken lassen, auch ambulantes Kuren ist möglich. Bad Pyrmont selbst lädt mit seinen Sehenswürdigkeiten, Einkaufsmöglichkeiten, Cafés und Kulturangeboten zum Bummeln und genießen ein.

Die Stadt Bad Pyrmont und das Staatsbad bieten in dieser Zeit folgende Kulturangebote an: 5. Juli: Weltklassik am Klavier mit Chisato Kusunoki, 5. bis 7. Juli: Historischer Fürstentreff, ab 11. Juli beginnen wieder die Vorstellungen der Pyrmonter Theater Companie auf der Schlossinsel, die in diesem Jahr das Stück „Klotz am Bein“, eine Komödie von Georges Feydeau, zeigt.

Am letzten Abend wird gemeinsam Abschied gefeiert, bei dem jeder nach seinen Möglichkeiten besinnliche und lustige Beiträge beisteuern kann. Jeder ist in einer Gemeinschaft mit ostpreußischen und ostdeutschen Landsleuten, in einer großen Familie.

Diese 14-tägige Freizeit kostet im Einzelzimmer 670 Euro und im Doppelzimmer pro Person 580 Euro. Die Inklusivpreise beinhalten Vollpension und die Gästebetreuung. Die Kurtaxe wird vom Staatsbad Bad Pyrmont separat erhoben. Anfragen und Anmeldungen, diese bitte nur schriftlich, sind zu richten an: Ostheim – Jugendbildungs- und Tagungsstätte, Parkstraße 14, 31812 Bad Pyrmont, Telefon (05281) 9361-0, Fax: (05281) 9361-11, E-Mail: info@ostheim-pyrmont.de. PAZ


S. 21 Lebensstil

Verloren in Rio
Am Zuckerhut wird die Fußballweltmeisterschaft zelebriert − Aber ist man dort als WM-Tourist auch wirklich sicher?

Am 16. Juni greift die deutsche Elf im Spiel gegen Portugal in die Fußballweltmeisterschaft 2014 in Brasilien ein. Alle Fans hoffen, dass die Kicker am 13. Juli auch ins Finale einziehen. Es wird in Rio de Janeiro stattfinden, wo die Menschen derzeit aber ganz andere Sorgen haben.

Vorfreude sieht anders aus als das, was uns zurzeit an Bildern und Berichten aus Brasilien erreicht. Insbesondere in Rio de Janeiro, wo im legendären Maracanã-Stadion das Endspiel der Fußball-WM angepfiffen wird, wächst die Unruhe. Und das so­wohl auf Seiten der Bevölkerung als auch auf Seiten der Veranstalter: Während die Gedanken Letzterer um verschärfte Sicherheitsvorkehrungen sowie die rechtzeitige Fertigstellung der Spielstätten kreisen, dämmert es dem letzten Einheimischen, dass er an den Kosten der WM über seine Steuern zwar indirekt beteiligt ist, er aber von den Gewinnen keinen einzigen Real, der brasilianischen Währung, abbekommen wird. Der Staat zahlt, die Fifa kassiert, und die Bevölkerung geht leer aus – so hat es sich ja bereits am Beispiel Südafrikas gezeigt.

Entsprechend aufgeheizt ist in Rio die Stimmung, die dann schon mal – nicht zuletzt wegen massiver Polizeieinsätze in den Armenvierteln − in Aufruhr und Krawall mündet. Alles in allem keine besonders guten Vorzeichen für die WM. Bleibt zu hoffen, dass bei einer womöglich mit dem Titelgewinn gekrönten Siegesserie ihrer Nationalmannschaft die Stimmung bei den Brasilianern im Laufe der Spiele doch noch in Begeisterung umschlägt.

Sollte man als Fan-Tourist Rio deswegen meiden? Nicht unbedingt, aber doch gewisse Vorsichtsmaßnahmen treffen: keinen Schmuck tragen, keine Uhr, die teuer ist oder so aussieht, keine Kamera um den Hals, die Tasche vorm Bauch, Bargeld am Körper und nur so viel, wie man am Tag auszugeben gedenkt. Das gilt übrigens nicht nur für Rio, sondern für fast jedes exotische Reiseland − und auch in weiten Teilen Europas.

Anders als hierzulande geht man in Rio „ohne alles“ an den Strand: das Handtuch um die Hüften und ein paar Münzen in der Reißverschluss-Innentasche der Badehose. Unverzichtbares wie Autoschlüssel oder Sonnenöl trägt man in einer kleinen, durchsichtigen Plastiktüte, damit jeder potenzielle Taschendieb auf einen Blick sehen kann, dass es nichts zu holen gibt. Alles, was der Deutsche in seiner Bade- oder Kühltasche verstaut, kauft der Brasilianer am Strand: Wasser, Eis, Erdnüsse, Kekse oder Snacks wie gebratene Garnelen oder im tragbaren Holzkohlengrill geröstete Käsespieße. Stühle und Sonnenschirme schleppt auch keiner mit, sondern leiht sie sich am Strand. So unterstützt man die Leute aus den Favelas, die sich hier als „fliegende Händler“ ein paar Reais verdienen.

Arme und die reiche Bevölkerungsschichten leben in Rio dicht nebeneinander und in gewisser Weise auch miteinander: Die gut betuchten Bewohner einer oberen Hochhausetagen-Eigentumswohnung – wobei die Regel gilt: je höher, desto teurer – beschäftigen in der Regel ein Ehepaar aus der benachbarten Favela: ihn als Handwerker und Chauffeur, sie als Putzfrau, Köchin, Kindermädchen oder Gassiführerin für den Schoßhund.

So bekommt zum Beispiel der dicke Mops nach erfolgreich erledigtem „Geschäft“ zur Belohnung eine Trink-Kokosnuss spendiert, das dunkelhäutige Hausmädchen in Arbeitskleid und Schürze hingegen nicht. Solche und ähnliche Dinge kann man live vor Ort an der Uferpromenade von São Conrado sehen und erleben. An diesem Strand südlich von Copacabana und Ipanema sieht man übrigens häufig Drachenflieger landen, die von den angrenzenden hohen Bergkegeln starten und in die Tiefe segeln.

Die kilometerlangen Strände am offenen Atlantik, dahinter die von üppigem Grün überwucherten Küstengebirge, aus denen hohe Felsformationen wie der berühmte Zuckerhut und der nicht minder berühmte Corcovado herausragen – diese unvergleichlich schöne Lage macht einen Großteil der Attraktivität von Rio de Janeiro aus. Die Fahrten per Seilbahn auf den Zuckerhut und per Zahnradbahn auf den über 700 Meter hoch aufragenden Corcovado mit der Christusstatue gehören zum touristischen Pflichtprogramm – wer nicht dort oben war, hat Rio nicht gesehen.

Zwar kein Geheimtipp, jedoch deutlich weniger von Nicht-Einheimischen frequentiert ist die Fahrt mit der nostalgischen Straßenbahn von Rio, der „Bonde“ − ausgesprochen „Bondschi“: Sie startet in der Innenstadt hinter dem Hochhaus der staatlichen Ölgesellschaft Petrobras und führt über die historische Wasserleitung „Arcos da Lapa“ hinauf zum Hügel und gleichnamigen Stadtteil Santa Teresa. In früheren Jahren, als Rio noch Hauptstadt von Brasilien war, galt dies als vornehmer Villenvorort, in dem ausländische Botschaften ihren Sitz hatten. Auch viele europäische Auswanderer, darunter zahlreiche Deutsche, siedelten sich auf dem Hügel an. Heute gilt Santa Teresa als malerisches Künstlerviertel mit kleinen Läden, Bars und Restaurants. Leider hatte die altersschwache Straßenbahn im August 2011 einen schweren Unfall mit fünf Toten, woraufhin der Betrieb eingestellt und durch Kleinbusse ersetzt wurde. Wie man hört, sollen Wagen und Schienen grundsaniert und der Betrieb zu Olympia 2016 wieder aufgenommen werden. Falls irgendwann einmal im Fernsehen der Film „Orfeu Negro“ aus dem Jahr 1959 wiederholt wird: Hier spielten Rio und die „Bonde“ Hauptrollen.

Eine weitere Hauptrolle in dem preisgekrönten Filmklassiker von Marcel Camus spielt der Karneval. Kein „Carioca“ − so heißen die Einwohner von Rio − der sich nicht für Karneval und Fußball begeistert! Während der „Tempel“ für die Anbetung des Fußballgottes das erwähnte Maracanã-Stadion ist, werden Karneval und Samba in dem von Star-Architekt Oscar Niemeyer entworfenen, 700 Me­ter langen „Sambódromo“ zelebriert.

Potenzielle WM-Touristen sollten bedenken, was auch Karnevalsbesucher beherzigen müssen: Aufpassen vor Taschendieben! Denn vor und während solcher Großveranstaltungen steigt die Kriminalitätsrate steil an, da jeder Carioca dann Geld braucht. Einen Vorteil hat aber die WM gegen über der Karnevalszeit: Es ist Winter in Rio und die Temperaturen erreichen höchstens 25 Grad. Da kann man darauf hoffen, dass es den Kriminellen unter den Cariocas zu „kalt“ ist, um auf Beutezug zu gehen. Angelika Fischer


Das Ei des Anstoßes
In den USA liebt man Football, aber mit Fußball hat es nichts zu tun

Bei der Fußball-Weltmeisterschaft trifft die deutsche Mannschaft in der Gruppenphase auf das Team der USA. So sehr wir uns auf die Begegnung freuen, so wenig interessiert sich die US-amerikanische Öffentlichkeit für das Spiel. Kick­sport hat dort außerhalb der Universitäten wenig Fans.

Die beliebteste Sportart in den USA heißt zwar genauso, ist aber etwas völlig anderes: der American Football. Es gleicht einem Volksfest, wenn große Spiele stattfinden. Rund um die Sportarenen werden dann auf den Parkplätzen sogenannte „Tailgate“-Partys veranstaltet. „Tailgate“ meint den Kofferraum von Autos. Wenn Amerikaner diese feiern, holen sie aus den Kofferräumen alles, was man braucht: Hamburger, Hot Dogs, Kohlsalat, Grills für Barbecues, Getränke und Campingstühle. Man redet über die Spiele und lernt neue Leute kennen.

Sport-Ereignis des Jahres ist der Super-Bowl. Vergleichbar mit unseren Europa- oder Weltmeisterschaften im Fußball. Der heißt übrigens in den USA „Soccer“, und die meisten finden das Spiel dort langweilig. Vielleicht, weil American Football komplizierter ist als Fußball. Viel mehr Taktik und verwinkelte Schachzüge müssen an­gewandt werden. Es gibt tatsächlich eine Ähnlichkeit zum Schachspiel. Dort ist der König die wichtigste Figur. Im Football ist der Quarterback der König.

Und wie läuft das Spiel ab? Der Ball ist genaugenommen ein Leder-Ei mit Spitzen. Und die Füße kommen auch nicht so viel zum Einsatz. Ziemlich rau, aber fair und nach festen Regeln geht es zu. Die Schiedsrichter achten ganz genau auf Verstöße dagegen.

Schon das längliche Footballfeld ist gewöhnungsbedürftig für Europäer: Es ist 109,7 Meter lang und 48,5 Meter breit. Das Spiel dauert vier mal 15 Minuten. Ziel ist es, den Football (das Ei), in die Endzone des Gegners zu bringen. Gewonnen hat, wer am Ende die meisten Punkte erzielt. Wenn man mit dem Ei die Endzone des Gegners erreicht, spricht man von einem „Touchdown“. Dafür erhält die Mannschaft dann sechs Punkte. Man kann den Football in der Hand dorthin bringen oder seinen Mitspielern zuwerfen. Er darf nur nicht auf die Erde fallen. Da die Gegenmannschaft das verhindern will, stoßen die Verteidiger immer den Spieler mit dem Ball um. Dabei geht es so heftig zur Sache, dass jeder gute Schutzkleidung tragen muss. Nach jedem taktischen Spielzug wird das Spiel unterbrochen und danach wieder neu aufgenommen.

Als das Spiel im 19. Jahrhundert an den US-Universitäten erfunden wurde, gab es noch keine Schutzausrüstung. So mancher hat sich dabei schwer verletzt. Jetzt tragen die Spieler Helme mit Schutzgitter und Schutzpolster. Hat eine Mannschaft gesiegt, wird der Trainer aus Freude mit Wasser überschüttet. Der Ausruf am Anfang eines Spielzugs „Down! Set! Hut!“ bedeutet etwa so viel, wie „Achtung, fertig, los!“

Es soll in den USA auch Football-Muffel geben, aber ehe sie die Fußball-WM im Fernsehen gucken, gehen sie lieber zum Baseball oder Basketball. Silvia Friedrich


Freie Wildbahn
Tiere in Not − Russlands Jäger sollen weniger auf die Pirsch gehen

Literaturklassiker Iwan Turgenjew sagte schon vor 160 Jahren in seinen „Erzählungen eines Jägers“, dass die Jagd die große Leidenschaft der Russen ist. Heute sind 3,4 Millionen Jäger registriert, im Durchschnitt sind das rund 23 auf 1000 Einwohner, im urbanen Westen 9,6 und im wilden Sibirien bis zu 159. Hinzu kommen ungezählte Wilddiebe und schießwütige Pseudojäger, klagt Aleksandr Lisizyn.

Der Chefredakteur der Zeitschrift „Jagd und Fischfang“ kennt auch das Chaos im russischen Jagdwesen: Nur 2000 Jagdinspektoren, zehnmal weniger als früher, sollen für Ordnung sorgen – ein Unding, findet Lisizyn. Seit Januar 2010 ist Russland in 1868 „Rayons“ aufgeteilt, und ein Inspektor hat drei bis vier „Rayons“ unter sich, was nicht einmal im kleinsten Rayon, dem ostpreußischen Rauschen, klappt. Den Schaden haben die Tiere. Vor 30 Jahren konnte Russland noch große Be­stände aufweisen: 770000 Elche, 990000 Hirsche, 600000 Zobel, 340000 Rehe und 90000 Bären. Heute sind es deutlich weniger.

Schuld am Niedergang sind die Jäger, weiß Nikolaj Gudkow, Pressechef des Umweltministeriums, „die missachten alle Vorschriften und ballern drauf los“. Dabei sind russische Jagdvorschriften und Jagdprüfungen ein Witz. Präsident Wladimir Putin scheint auch zu bereuen, dass er 2011 einen „Tag des Jägers“ kreierte, denn im April verfügte er per Ukas eine Verzehnfachung der Strafen für Wilddieberei. Auch hat die gerade begonnene Jagdsaison die Bestimmungen für Jagd und Schonfristen deutlich verschärft. Jagen dürfen nur die Besitzer des „Föderalen Jagdscheins“ (OBEFO), und generell verboten ist die Jagd auf Sajgas, die grazilen Steppen-Antilopen. 1980 gab es 460000 Sajgas, davon verblieben „wenige Tausend“, die ganze schöne Tierart ist vom Aussterben bedroht.

Putin-Ukase und internationale Regeln kümmern Jäger wenig, wie derzeit ein handfester Krach zeigt. Russland gehört, anders als das Gros der ex-sowjetischen Länder, nicht zu den 72 Vertragsstaaten des AEWA (Afrikanisch-Eurasisches Wasser- und Zugvogelabkommen), weil es seine Jäger fürchtet. 90 Prozent von denen schießen vor allem Wasser- und Zugvögel, besonders während der blutigen „Frühjahrsjagd“. Für diese Jäger ist das AEWA „feindselig wie die Nato, betrügerisch wie die WTO und antirussisch wie der Kiewer Majdan“.

Das Umweltministerium erregt sich über waidmännische „Hysteriker“, und AEWA-Experte Dmitrij Dorofejew zürnt auf die Zugvögel-Killer und ihre Devise: „Was bei uns geboren wurde, gehört allein uns und wird von uns geschossen.“ Selbst Vogelzählungen per Hubschrauber verhindern sie, und mit ihrer Jagd-Irrationalität haben sie schon Weißwangengans, Blässhuhn und andere Vögel aus Nordrussland auf die Rote Liste bedrohter Tierarten geschossen.

Aber die Revanche kommt 2015, wenn die Regierung die „Frühjahrsjagd“ verbieten und ein jagdwirtschaftliches Konzept bis 2030 erlassen wird. W.O.


S. 22 Neue Bücher

Zäher Kampf
Frauenrechte um 1900

Mit der Emanzipation der Frau werden oft spontan Alice Schwarzer und die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts assoziiert. Dabei finden sich die Wurzeln der Frauenbewegung schon sehr viel früher. Barbara Beuys hat ein kluges Buch über „Die neuen Frauen. Revolution im Kaiserreich 1900 bis 1914“ geschrieben. Schon bei der Revolution von 1848/49 erhofften sich viele Frauen eine Verbesserung ihrer eingeschränkten Lebenssituation. Durch das Scheitern des Umsturzes blieb jedoch alles beim Alten. Frauen wurde nur eine Grundbildung zugestanden, sie durften kein Abitur machen und nicht studieren. Nur Schriftstellerin und Lehrerin galten als passende Frauenberufe. Allerdings galt für Lehrerinnen quasi das Zölibat, das erst 1958 aufgehoben wurde. Ab 1893 gab es dann die ersten Gymnasialkurse für Mädchen, ein Studium war weiterhin nur im Ausland möglich. In Deutschland öffnete sich zuerst im Jahr 1900 die Universität im Großherzogtum Baden für Frauen, allerdings nur, wenn ihre „Vormünder“ – Väter, Ehemänner oder Brüder – dem Studium zustimmten.

Beuys schildert in der Vorgeschichte die Lebensgeschichten verschiedener Frauen, die sich trotz aller Schwierigkeiten immer weiterentwickelten und für die Rechte der Frauen kämpften. Sie gründeten Frauenvereine für soziale Hilfsarbeiten und erreichen so „durch die Hintertür“ einen weiteren Zugang zur Berufstätigkeit. Ab 1900 kam es dann zu einem Generationswechsel, denn die ersten gut ausgebildeten Frauen hatten die ausländischen Universitäten verlassen und suchten ihren Platz in der Gesellschaft und Arbeitswelt. Dabei galt es auch bei der Eheschließung die richtige Entscheidung zu treffen, da der Ehemann seiner Frau die Berufstätigkeit verbieten und über ihr Erbe wie Einkommen verfügen konnte.

Durch den Zusammenschluss von Frauenvereinen solidarisierten sich die Frauen. Thematisch durften sie sich nur mit der Wohlfahrtspflege befassen, eine politische Betätigung war bis 1908 ausdrücklich verboten. Allerdings wurde mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges die Emanzipation zurückgestellt, die Frauen empfanden sich als Patriotinnen und organisierten zur Unterstützung den Nationalen Frauendienst zur Bündelung der weiblichen Kräfte. Und dadurch, dass Frauen in Kriegszeiten in der Heimat ihren „Mann“ standen, hoffte man, gesellschaftliche Differenzen zu überwinden. Wie Beuys aufzeigt, trat 1918 dann auch das lange geforderte Frauenwahlrecht in Kraft. Auf die gesetzlich anerkannte Gleichberechtigung mussten die Frauen jedoch noch bis 1958 warten.

Neben den übergeordneten Bereichen Bildung und Politik bringt die Autorin auch viele frühere Tabu-Themen zur Sprache wie Scheidungen, Sex vor der Ehe, uneheliche Kinder und gleichgeschlechtliche Partnerschaften, aber auch heute noch aktuelle Themen wie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Ganztagsbetreuung von Kindern.

Es geht in dem Buch um ganz handfeste Probleme wie bei Clara Zetkin, die als Sozialdemokratin Berufsverbot hatte und sich in Paris nach dem Tod des Vaters ihrer Kinder allein durchschlagen musste. Oder Else Lasker-Schüler, die zweimal geschieden war und als anerkannte Autorin trotzdem nur über geringe finanzielle Mittel verfügte. Tragisch war das Schicksal von Dr. Clara Haber, die sich als erste deutsche promovierte Chemikerin ihrem Mann, dem Chemieprofessor Fritz Haber, in der Ehe unterordnen und ihre eigene Berufstätigkeit aufgeben musste. Nachdem das von ihm entwickelte Giftgas 1915 in Flandern gegen die Engländer eingesetzt worden war, nahm sie sich das Leben. Insgesamt werden die Biografien von 24 Frauen erzählt.

Beuys liefert dem Leser fundierte historische Hintergrundinformationen und lässt ihn tief in die Lebenswelt der Frauen eintauchen. Britta Heitmann

Barbara Beuys: „Die neuen Frauen. Revolution im Kaiserreich 1900 bis 1914“, Carl Hanser Verlag, München 2014, geb., 384 Seiten, 24,90 Euro


»Heimat ist kein Ort«
Armin Mueller-Stahl über Geborgenheit und seine Filmkarriere

Wo ist eines Menschen Heimat? „Heimat ist kein Ort, sondern die Empfindung von Geborgenheit“, so lautet das Fazit des 1930 in Tilsit geborenen Schauspielers Armin Mueller-Stahl nach 83 Lebensjahren und zahlreichen Wohnsitzen. Geborgenheit hat er als Junge in seiner ostpreußischen Heimat empfunden, doch als er diese vor Kurzem wieder besuchte, verspürte er vor allem Wehmut. Erst als er an den Badeteich kam, in dem er schon als Kind geschwommen und der heute gleichermaßen von Natur umwuchert ist wie zu seiner Kinderzeit, wurde die Erinnerung lebendig. Aber die Straßenzüge und die Menschen, die seine Heimatstadt ausgemacht haben, waren längst nicht mehr da, so der international berühmte Darsteller in seinem Buch „Dreimal Deutschland und zurück“.

Mueller-Stahl bietet interessante Einblicke in seine Familiengeschichte und seine Erlebnisse in Ostpreußen, der DDR, in West-Deutschland, Hollywood und Deutschland nach 1990. Doch manchmal wünscht man sich, der Verlag hätte mehr in den Text eingegriffen. Da der Autor viele Dinge nicht erklärt, wird der Text hin und wieder von vom Verlag getätigten Anmerkungen unterbrochen. Es wäre schöner gewesen, diese wären in den Fließtext eingeflochten worden. Und selbst sie verhindern nicht alle Missverständnisse. So schreibt Mueller-Stahl beispielsweise, dass seine Mutter fünf Kinder zu versorgen hatte, nennt aber nur drei, erst auf der vorletzten Seite erfährt man, dass es neben den Söhnen Hagen, Roland und Armin noch die Töchter Gisela und Dietlind gibt.

Trotz dieser Schwächen folgt man ihm gerne, wenn er erzählt, wie seine baltendeutsche Mutter von St. Petersburg nach Tilsit kam, wo das „18-jährige Flüchtlingsmädchen ohne Aussteuer“ auf den Bankkassierer Alfred Müller traf, der seinen künstlerischen Schaffensdrang unter anderem dadurch auslebte, indem er für seine Familie den Namen Mueller-Stahl erfand. Und da Vater Mueller-Stahl angeblich 1937 einen heranziehenden Krieg erahnte, zog er mit der Familie nach Prenzlau bei Berlin. Doch auch hier blieb der junge Armin nicht lange. 1941 schickte ihn seine Mutter auf das Gut Pankow, wo er dem Sohn des Gutsbesitzers Gesellschaft leisten sollte.

Bewegend ist die Passage, in der der Autor die letzte Begegnung mit seinem Vater beschreibt, in der dieser sich angesichts einer Lausbubenfrechheit seines Sohnes enttäuscht von diesem abwendet. Erst in den 70er Jahren erfuhr Mueller-Stahl, wie sein Vater bei Kriegsende ums Leben kam.

Immer wieder deutet der Schauspieler an, was er in den Kriegswirren gesehen und gehört hat, doch auf keine Gräuelgeschichte geht er näher ein, so dass man nur vermuten kann. Deutlich klarer prangert er die erlebten Ungerechtigkeiten in der DDR an, die er jedoch aufgrund seines Desinteresses an Politik zu lange ausgeblendet hat. Statt für die zeitgeschichtlichen Ereignisse inte-ressierte sich der Schulabbrecher für die Frage, ob er lieber Musiker oder Schauspieler werden sollte. Doch die Musik-Ausbildung schmiss er hin und von der Schauspielschule wurde er mit seinem Kommilitonen Manfred Krug geworfen. Trotzdem erhielt er erste Engagements am Theater.

„Schon nach wenigen Jahren waren auch in der DDR wieder die Dicken am Ruder … Jeder, der nicht so uniform dachte wie die Funktionäre, wurde gemaßregelt, und die geistige Enge war nicht schön“, so der Autor, der ausführlich beschreibt, wie er in dem Klima trotzdem Karriere machen konnte. Dabei nervten ihn die Regisseure, die à la Brecht Schauspieler nur als Sprechmaschinen sehen wollten.

Als er 1961 nahe Stuttgart eine ostpreußische Tante besuchte, lief die Nachricht über den Mauerbau im Radio, und obwohl er die Enge der DDR spürte, konnte er sich nicht überwinden, seine Arbeit und Freunde aufzugeben und im Westen zu bleiben. Bis heute weiß er nicht, ob es ein Fehler war, zurück in die DDR zu fahren, wo seine Karriere beim Film erst danach begann. Doch 1977 hatte er genug und stellte mit Frau und Sohn einen Ausreiseantrag, der zuerst abgelehnt wurde. Zwar hasste er die Überwachung in der DDR, von der er ausführlich berichtet, zugleich hatte er aber auch Angst, im Westen zwar frei, aber dafür arbeitslos zu sein. Doch dann durfte er ausreisen und machte nicht nur in West-Deutschland, sondern auch in Hollywood Karriere.

Immer wieder bietet der Autor interessante Einblicke in die jeweilige Filmbranche. Spannend liest sich, mit welchen Filmberühmtheiten er zusammengearbeitet hat. Doch am Ende steht die Erkenntnis, dass Mueller-Stahl, der so viel erlebt und erreicht hat, nur noch eines will: in Ruhe mit seiner Frau die Lübecker Bucht entlangwandern, Freunde treffen und Bilder malen. Rebecca Bellano

Armin Mueller-Stahl: „Dreimal Deutschland und zurück“, Hoffmann und Campe, Hamburg 2014, geb., 239 Seiten, 19,99 Euro


Indianer? Kelten!
Wissenschaftler ist überzeugt, dass Perus Ureinwohner aus Europa stammen

Dass die Wikinger unter Leif Erikson um das Jahr 1000 herum Nordamerika erreichten, steht spätestens seit den Funden in L’Anse aux Meadows auf Neufundland unumstößlich fest. Ebenso demonstrierten die spektakulären Fahrten von Thor Heyerdahl mit den Schilfbooten Ra I und II wie sogar schon die Alten Ägypter es bewerkstelligt haben könnten, Schiffe quer über den Atlantik zu entsenden. Deshalb sind Denkexperimente im Hinblick auf weitere Fahrten von Europa und dem Mittelmeerraum nach Amerika in vorkolumbischer Zeit grundsätzlich legitim, was den Kulturwissenschaftler und Dokumentarfilmer Hans Giffhorn zu der recht gewagten, aber durchaus faktengestützten Theorie animierte, dass die geheimnisvolle Chachapoya-Zivilisation im Nordwesten Perus, deren Herkunft bisher niemand so recht habe erklären können, durch Kelten beziehungsweise Karthager begründet worden sei.

Und tatsächlich ähnelt die gewaltige, an die 2000 Jahre alte Chachapoya-Bergfestung Kuelap mit ihrer schier unfassbaren Baumasse in der Form verblüffend keltischen Befestigungsanlagen. Dazu kommt der Umstand, dass heute ungewöhnlich viele rothaarige und blonde, sommersprossige Menschen in der abgelegenen Dschungelregion rund um die Burg leben, deren Vorfahren – das haben Gentests mittlerweile zweifelsfrei ergeben – aus Südwesteuropa stammen. Darüber hinaus sind da auch noch die mannigfachen kulturellen und religiösen Parallelen zwischen den Kelten von der Iberischen Halbinsel und dem Volk der Chachapoya wie ein ganz ähnlicher Schädel- und Stierkult, die gemeinsame Vorliebe für Steinschleudern sowie markante kreisrunde Wohnbehausungen. Die Karthager wiederum waren neben den Phöniziern die seinerzeit fähigste Seefahrernation und verfügten über Technologien für den Bau von hochseetüchtigen Schiffen, welche denen der Wikinger ähnelten.

Aus all diesen Gegebenheiten entwickelte Giffhorn folgendes Szenario: Nach der Eroberung Karthagos durch die Römer im Jahre 146 v. Chr. segelte eine Gruppe von keltischen Söldnern der Karthager aus Spanien in den Atlantik hinaus und gelangte dann an die brasilianische Küste. Dort wiederum stießen die Flüchtigen auf feindliche Amazonasvölker, woraufhin sie immer tiefer ins Innere Südamerikas zogen, bis ihre Reise schließlich in der relativen Sicherheit des Berglandes von Peru endete. Als Beleg für eine derartige Wanderungsbewegung führt Giffhorn diverse uralte Marksteine wie die Felsgravuren am Pedra do Inga an, die überaus stark an kelt-iberische Schriftzeichen erinnern.

Das alles klingt durchaus plausibel – dennoch freilich bläst dem Autor nun ziemlicher Gegenwind ins Gesicht, denn in Südamerika sieht man es gar nicht gern, wenn die kulturellen Leistungen der einheimischen Indianervölker in vorkolumbischer Zeit dadurch geschmälert werden, dass Europäer behaupten, diese Errungenschaften seien nur durch Anstöße von außen zu erklären.

Wolfgang Kaufmann

Hans Giffhorn: „Wurde Amerika in der Antike entdeckt? Karthager, Kelten und das Rätsel der Chachapoya“, C. H. Beck, München 2013, geb., 288 Seiten, 18,95 Euro


Über alle Fronten hinweg
Erzählungen über den Ersten Weltkrieg: 70 Schriftsteller finden Eingang in ungewöhnliche Kurzprosa-Sammlung

Ein literarischer Widerhall des Ersten Weltkriegs aus 16 Sprachen zwischen zwei Buchdeckeln ist tatsächlich ein Novum. Unter dem Titel „Über den Feldern. Der Erste Weltkrieg in großen Erzählungen der Weltliteratur“ präsentiert der traditionsreiche Manesse Verlag 100 Jahre nach Kriegsbeginn aus Anlass der Rückbesinnung auf die Geschehnisse 1914/18 eine Sammlung von 70 Meisterwerken der Kurzprosa, einige davon in Erst- oder Neuübersetzung. Die meisten Autoren sind international bekannt, doch einige gilt es zu entdecken. Unberücksichtigt blieben Autoren wie Ernst Jünger, der den Krieg später ästhetisierte.

Für die Auswahl der fast 800 Seiten umfassenden, exquisiten Ausgabe im Leinenband zeichnet der Verlagsleiter des Manesse Verlags, Manfred Lauinger, verantwortlich, der auch das Nachwort verfasst hat. Darin das Zitat Paul Valérys: „Der Krieg ist ein Massaker von Leuten, die einander nicht kennen, zum Nutzen von Leuten, die einander kennen, aber nicht massakrieren.“ Den Texten hinzugefügt sind Kurzbiografien der Autoren, in denen insbesondere die Kriegsjahre behandelt werden, um, wenn möglich, Licht auf den Inhalt der Erzählungen zu werfen. So brach Joseph Conrad (1857–1924), gebürtig in der Ukraine, 1915 mit einem Schreibauftrag der britischen Admiralität zu einer Besichtigungstour nach Norfolk auf. Er durfte auf einem Minensuchboot mitfahren, was ihn zu seiner einzigen Weltkriegserzählung „Die Geschichte“ inspirierte. Wie viele Intellektuelle meldete sich Robert Musil (1880–1942) 1914 freiwillig zum Kriegsdienst. Seine Kriegserlebnisse hatten eine zentrale Bedeutung für sein späteres Schaffen. Eine Nahtoderfahrung am 22. September 1915 ist das zentrale Motiv seiner erst 1928 veröffentlichten Erzählung „Die Amsel“.

Lang ist die Namensliste der bekannten gefallenen Schriftsteller auf beiden Seiten der Frontlinie. Nur zwei von ihnen sind in dieser Ausgabe mit Texten vertreten, einer der beiden der expressionistische Dichter und Dramatiker August Stramm (1874–1915). Die in New York geborene Wahlpariserin Edith Wharton (1862–1932) wurde durch die Verfilmung ihres Romans „Zeit der Unschuld“ (1920) aus dem Jahr 1993 in aller Welt bekannt. Wharton engagierte sich im Ersten Weltkrieg für humanitäre Hilfsprojekte und erhielt dafür einen Ehrenpreis von der Académie française.

Die Erzählung „Im stillen Winkel“ von Eduard von Keyserling (1855–1918) handelt von einem herannahenden Familiendrama. Jordan Stefanow Jowkow (1880–1937), der in einem Dorf in der bulgarischen Dobrudscha geboren wurde, war als Lehrer, später als Redakteur und Bibliothekar tätig. Nachdem er bereits 1912/13 im Ersten und Zweiten Balkankrieg gedient hatte, kämpfte der Bulgare ab Oktober 1915 auf Seiten der Mittelmächte. In dem kurzen Prosastück „Hermine“ schildert er das Leiden der ländlichen Bevölkerung. Aus dem Hauptwerk des argentinischen Schriftstellers Jorge Luis Borges (1899–1986) mit dem Titel „Universalgeschichte der Niedertracht“ wurde das Lebensbild des „Schandtatenmaklers Monk Eastman“ aus New York ausgewählt als eine weitere Facette in diesem ungewöhnlichen Panorama aus vielen Ländern und „über alle Fronten hinweg“. Dagmar Jestrzemski

Horst Lauinger (Hrsg.): „Über den Feldern. Der Erste Weltkrieg in großen Erzählungen der Weltliteratur“, Manesse, Zürich 2014, geb., 783 Seiten, 29,95 Euro


S. 23 Rautenberg Buchhandlung

Rautenberg Buchhandlung


S. 24 Panorama

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Der Wille der Wähler / Wie Juncker sogar mehr als 100 Prozent bekam, warum Merkel ihn verhindern will, und wie das Mittelalter als »Fortschritt« zurückkehrt

Das soll ja wohl ein Witz sein! Der syrische Machthaber Assad gönnt sich eine „Wahl“ und gewinnt mit dem „unverfälschten Ergebnis“ von 88,7 Prozent. Der muss uns für sagenhaft bescheuert halten, dass der uns so einen durchsichtigen Betrug anbietet. 88,7 Prozent, so viel gibt’s nur bei Scheinwahlen in abgeschmackten Diktaturen. Deshalb ist und bleibt Assad ein Feind des Westens, der Freiheit und von allem, was uns teuer ist.

Fast gleichzeitig mit den Syrern haben die Ägypter ihren Präsidenten gewählt. General Al-Sisi errang 96,9 Prozent der Stimmen. Der muss uns also für noch behämmerter halten als Assad und soll nicht glauben, dass wir ihm das durchgehen lassen ... oder doch?

Bei Al-Sisi waren die Kommentatoren zwar auch nicht begeistert, dennoch schütteten sie über ihn längst nicht so viel Häme aus wie über Assad. Tenor: Das ist da eben so, oder: Sonst hätten die Moslembrüder gewonnen, dann doch besser diese Farce.

Ja, und? Strömen nicht auch Tausende von Islamisten (sogar aus Europa) gerade nach Syrien, um „den Diktator Assad“ zu ersetzen durch ein levantinisches Taliban-Regime?

Sicher, sicher, dennoch kann man das nicht auf eine Stufe stellen. Der Unterschied ist nämlich, dass Assad mit den Russen kuschelt, während Al-Sisi eine exzellente Militärausbildung in den USA und Großbritannien absolviert hat und eine Armee anführt, die seit Jahrzehnten mit Milliarden aus Washington „unterstützt“ wird.

Daher gilt es, die Nichtswürdigkeit, Frechheit und Verschlagenheit des Syrers allen Menschen täglich neu klarzumachen, während man die Vorgänge in Ägypten – wie heißt es noch gleich? – ach ja, richtig: während man die Vorgänge in Ägypten im „Gesamtzusammenhang“ sehen muss.

Dabei sollten wir uns nicht aufs hohe Ross abendländischer Arroganz setzen. Wir können von unseren Freunden im Nahen Osten viel lernen, sagen uns weise Menschen. Das mussten sie uns nicht zweimal sagen, schon zur EU-Wahl haben wir fleißig gebüffelt und können nun selber Wahlergebnisse von orientalischer Eindeutigkeit verkünden. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi hat mitgeteilt, dass 400 Millionen Europäer für Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionspräsidenten gestimmt hätten.

400 Millionen! So viele EU-Wahlbürger unterstützen den Luxemburger. Das schlägt sogar die Assad- und Al-Sisi-Werte bei der Zustimmung. Laut vorliegenden Zahlen sind 400 Millionen nämlich mehr, als es in der EU überhaupt Wahlberechtigte gibt. Juncker weiß also mehr als 100 Prozent hinter sich.

Zwar sind nur 43 Prozent zur Wahl gegangen, das macht aber nichts: Fahimi verbucht auch die 57 Prozent Nichtwähler als Juncker-Stimmen. Ebenso wie die Voten jener, die ganz ausdrücklich gegen Juncker gestimmt oder die zwar eine seiner Parteien unterstützt haben, aber gar nicht wussten, wer dieser Herr Juncker eigentlich ist.

Fahimis Zahlenprahlerei hat einen Grund: In Brüssel ist das Gezerre um Macht und Posten voll erblüht. Alle raufen sich keifend und zischend um die Beute, Intrigen werden gesponnen und falsche Fährten gelegt wie am Hofe des berüchtigten Rodrigo Borgia alias Papst Alexander VI.

Angela Merkel war erst gegen Jean-Claude Juncker. Dann hat sie sich plötzlich hinter ihn gestellt. Allerdings, so wird hinter schweren Gardinen getuschelt, nur, um ihn bei günstiger Gelegenheit für einen möglichst hohen Preis zu „opfern“. Warum? Weil sich Martin Schulz ausbedungen hat, den Sessel des deutschen EU-Kommissars zu erben, wenn er Juncker den Vortritt beim Kommissionspräsidenten lässt. Bei der Aussicht, den Sozi Schulz auf dem Platz des Deutschen in der Kommission zu erleben, dreht sich der Kanzlerin der Magen um. Selbst viele, viele Deutsche, die mit der CDU-Chefin sonst nicht viel am Hut haben, sind da ganz nahe bei Frau Merkel. Die Rechnung: Wenn Juncker es nicht wird, hat Schulz auch keinen Anspruch auf einen Ersatzposten. Aus, vorbei, beide erledigt.

Die beiden wollen sich aber nicht so ohne Weiteres erledigen lassen. Daher springt Schulz’ Genossin Fahimi bei und bringt ihre 400 Millionen ins Spiel. Es wird immer besonders lustig, wenn solche Kandidaten auf einmal die Völker entdecken und auf „Demokratie“ machen, wo sie in Wahrheit nichts anderes als „ich, ich, ich“ im Kopf haben. Man zieht alle Register, auch die faulen: Wäre Juncker eine Frau, würde er keine Sekunde zögern, seine eigene Erhebung zur Kommissionspräsidentin als „mutiges Signal der Gleichberechtigung“ anzupreisen. Und wäre er auf einem fernen Kontinent geboren worden, gleich noch als ein „Bekenntnis zu einem weltoffenen und toleranten Europa“.

Nun ist er aber weiß, männlich und mitteleuropäisch, da bleibt ihm nur das Pochen auf den „Willen der Wähler“. Auch wenn es den so nie gegeben hat, und ihm der Wille dieser Wähler im Grunde reichlich egal ist, wie Juncker mehrfach selber zu Protokoll gegeben hat.

Die Fassade muss stimmen, dahinter darf sich gern das Gegenteil verbergen. Und das ist immer häufiger der Fall: In letzter Zeit versucht man uns sogar, das Denken des tiefsten Mittelalters als „fortschrittlich“ und „emanzipatorisch“ unter die Weste zu jubeln.

Neulich haben sie den Film „Die Päpstin“ wiederholt. Die Geschichte: Ein Mädchen wächst im Deutschland des 9. Jahrhunderts auf. Es ist zwar erstaunlich intelligent und belesen. Weil es aber weiblich ist, darf es nicht auf die Klosterschule. Listig verkleidet es sich als Mann, alles klappt und am Ende soll „er“ sogar Papst werden. Das wollen die Granden Roms verhindern, weil der Kandidat deutsch ist, ein Ausländer! Trotzdem klappt’s.

Wunderbar: Da hat die Neuzeit dem Mittelalter literarisch die Leviten gelesen: Nicht Geschlecht oder Herkunft zählen bei uns, sondern allein die Befähigung zum Amt. Deshalb leben wir auch so viel besser als die armen Teufel in jener finsteren Epoche, als jeder in seiner angeborenen Rolle gefangen war.

Freunde, wir können uns alle glücklich schätzen, nicht wahr? Nein, nicht alle. Es gibt Leute, die vermissen die Vorzüge des Mittelalters sehr. Nein, ich rede nicht von den verstaubten Verliesen erzreaktionärer Zirkel. Ich spreche von der Speerspitze des grünlinken Journalismus in Deutschland: der „taz“.

Die Zeitung ist vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg verurteilt worden, weil sie bei der Ausschreibung für eine Volontärstelle von vornherein alle Männer nicht als Bewerber zugelassen hat, da sie Männer sind. Und gleich dazu noch alle Frauen, wenn sie keinen „Migrationshintergrund“ haben. Diese Praxis verstoße gegen das Verbot von Diskriminierung, so die Richter.

Die „taz“ gibt sich uneinsichtig. Man müsse nicht nur Frauen bevorzugen, weil sie Frauen sind, sondern es müsse auch um „Herkünfte“ gehen, die zu privilegieren seien, Migranten eben.

Also Schluss mit „Der Beste soll den Posten kriegen“. Nein, wie im Mittelalter entscheiden wieder Geschlecht und Herkunft über den Erfolg. Die „taz“ sagt, nur durch Privilegierung bisher Benachteiligter könne Gleichheit hergestellt werden. Na gut, aber was wird dann aus den anderen Benachteiligten?

14 Prozent der Deutschen beispielsweise sind „funktionale Analphabeten“. Wie viele davon durften bisher Journalist werden? Vermutlich mehr, als man annimmt, wenn man so manche Blätter ... Aber dennoch ist hier bestimmt noch Nachholbedarf, bei dem die fortschrittliche „taz“ vorangehen sollte.

Und bei den „Herkünften“ muss auch noch viel mehr differenziert und quotiert werden. In ein paar Jahrzehnten sind wir dann endlich wieder da, wo einem schon an der Wiege gesagt werden kann, was aus einem werden wird. Wie im 9. Jahrhundert. Und so schön wie damals dürfte das Leben dann auch bald wieder sein.


MELDUNGEN / ZUR PERSON

Deutsche sind misstrauischer

Leipzig – Nach einer Untersuchung der Uni Leipzig wachsen die Vorbehalte der Deutschen gegenüber Zigeunern, Muslimen und Asylbewerbern steil an. So sagen 56 Prozent, Sinti und Roma neigten zur Kriminalität, 2011 waren es nur 44 Prozent. 37 Prozent wollen Muslimen die Zuwanderung untersagen (2011: 23 Prozent). 76 Prozent sind dagegen, dass der Staat bei der Prüfung von Asylanträgen großzügig verfährt. 2011 waren bloß 26 Prozent gegen solche Großzügigkeit. H.H.

 

Bundestag prüft »Lex NPD«

Berlin – Im Bundestag wird überlegt, Privilegien zu streichen, die deutschen EU-Parlamentariern bislang in Berlin gewährt wurden, so ein eigenes Büro und Benutzung der Fahrbereitschaft sowie des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. Wie es aus der Unionsfraktion heißt, soll damit verhindert werden, dass auch Parteien wie die NPD, die einen Sitz im EU-Parlament errungen hat, diese Vorrechte erhalten. H.H.

 

Basis statt Hinterzimmer

Es war nur eine E-Mail, doch die hat für Unruhe innerhalb der „Jungen Union“ (JU), aber auch der Mutterpartei CDU gesorgt. Eigentlich hatten nämlich einige JU-Landesverbände bereits untereinander ausgekungelt, wer im Herbst Nachfolger von JU-Chef Philipp Mißfelder werden soll, der diese Funktion bereits seit 13 Jahre inne hat und nun mit 34 Jahren zu alt für einen Vertreter der Jugend wird. Paul Ziemiak sollte es werden. Der 1985 in Stettin Geborene studiert Unternehmenskommunikation und ist Vorsitzender der JU-NRW.

Und nun diese Mail, die allerdings gleich an 116773 JU-Mitglieder ging. Verfasser ist Benedict Pöttering, Vorsitzender der JU-Niedersachsen und sogar einer der Stellvertreter von Mißfelder im JU-Bundesvorstand. Von einer Rebellion von unten kann man also nicht sprechen, die der Sohn des langjährigen EU-Parlamentariers Hans-Gert Pöttering gestartet hat. Aber seine Bewerbung für das JU-Amt dürfte bei der von Mißfelders überwiegend CDU-hörigem Politikstil genervten JU-Basis durchaus ankommen. Er wolle eine JU „ohne Stillhalten und Wegducken bei Konflikten“, so der 30-Jährige, der von Hinterzimmerpolitik nichts hält, aber ein bekennender EU-Anhänger ist.

Bei der CDU dürfte folgender Satz für Magengrimmen gesorgt haben: „Gerade die Junge Union sollte deutlich machen, dass der herausragende Erfolg bei der Bundestagswahl vieles war, aber ganz sicher kein Auftrag an die Union, die Politik der Sozialdemokraten umzusetzen.“ Dass es der gelernte Bankkaufmann und studierte Betriebswirt, der in der Unternehmensentwicklung der Versandapotheke DocMorris arbeitet, ernst meint, dafür spricht der Umstand, dass er zu den wenigen gehört, die offen auf dem CDU-Parteitag das Rentenpaket der Regierung kritisiert haben. Bel


MEINUNGEN

Jan Fleischhauer beleuchtet auf „Spiegel online“ (3. Juni) die eigentliche Lebensleistung von Jean-Claude Juncker:

„Seine eigentliche Leistung besteht darin, 18 Jahre lang Regierungschef eines Landes gewesen zu sein, dessen Geschäftsmodell darauf beruhte, Steuerflüchtigen aus Nachbarländern einen sicheren Hafen zu bieten. Wie man von dem Geld anderer Leute lebt, davon versteht der Mann also etwas.“

 

 

Jan Hildebrand spricht sich im „Handelsblatt“ vom 3. Juni entschieden gegen ein Aufweichen der Fiskalregeln aus und bietet stattdessen einen Kompromiss:

„Dass die Arbeitslosigkeit vielerorts untragbar hoch ist, hat strukturelle Gründe. Deshalb müssen sie auch mit Strukturreformen angegangen werden ... Natürlich kann man darüber sprechen, ob die Schmerzen währenddessen mit EU-Mitteln etwas gelindert werden können. Merkel hat vor eineinhalb Jahren dazu Reformverträge vorgeschlagen: Ein Land verpflichtet sich, seinen Arbeitsmarkt in Ordnung zu bringen, und erhält dafür im Gegenzug Solidarmittel. Es wäre an der Zeit, diesen Vorschlag wieder zu diskutieren.“

 

 

Ferdinand Knauß ist genervt von den hetzerischen Attacken aus der CDU gegen die AfD. In „Focus online“ (5. Juni) zieht er eine historische Parallele:

„An die völlig überzogene Unterstellung von Annegret Kramp-Karrenbauer (,hart an der Grenze zur Verfassungsfeindlichkeit‘) und die Weigerung Volker Kauders, sich mit AfD-Mitgliedern in eine Talk­show zu setzen, wird man sich dann ebenso peinlich erinnern wie an die Boykott-Versuche vieler hessischer CDU-Politiker gegenüber den Grünen in den frühen 80er Jahren.“

 

 

Dieter Schnaas entlarvt in der „Wirtschaftswoche“ (online, 8. Juni) die wahren Absichten der Politik von EZB-Chef Mario Draghi:

„Tatsächlich stabilisieren die Zinssenkungen nicht die Marktwirtschaft, sondern einen staats-konzern-wirtschaftlichen Pumpkapitalismus: Das billige Geld kommt nicht der Konjunktur und dem ,kleinen Mann‘ in Griechenland zupass, sondern vor allem klammen Banken, die klammen Staaten Geld leihen, um von klammen Staaten gerettet zu werden, die von klammen Banken mit neuen Krediten versorgt werden wollen.“

 

 

Der Chefredakteur der Schweizer „Weltwoche“ (9. Juni), Roger Köppel, knöpft sich die EU-Elite vor, welche jede Opposition gegen sich mit allen Mitteln verteufele:

„Die Barrosos belächeln den normalen Bürger, schauen auf ihn herab ... Die neue Elite belächelt Patriotismus und Nationalstaat. Sie fühlt sich wohler im grenzenlosen Raum einer multikulturellen Verantwortungslosigkeit, die an allem nippt, aber für nichts geradesteht ... Brüssel ist die Kathedrale ­ihrer Selbstgefälligkeit. Im populären Protest vieler ,Populisten‘ ­gegen die EU spiegelt sich vermutlich mehr ­klare Vernunft als in den rigiden Ideologien der europäischen Eliten. Tröstlich. Europa wird auch diese EU überleben.“