19.04.2024

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Preußische Allgemeine Zeitung - Aktuelle Ausgabe

© Preußische Allgemeine Zeitung Folge 44/14 vom 01.11.2014

S. 1 Preußische Allgemeine Zeitung

Perverse Botschaft
Kölner Krawalle: Wo der Friedliche der Dumme ist, übernehmen andere das Feld

Die Erregung über die „Hooligan“-Demo von Köln ist heuchlerisch. Dort ist nur aufgeblüht, was seit Langem gesät wurde.

Ein umgestürzter Polizeiwagen, 49 verletzte Beamte, zum Glück keiner davon schwer, eine deutsche Innenstadt im Ausnahmezustand – es klingt zynisch, doch im Grunde ist in Köln nichts passiert, was diese Republik nicht schon seit Jahrzehnten erleben muss. Die Reaktionen von Politik und fast allen großen Medien auf solche Vorkommnisse riechen längst nach fauliger Routine.

Doch diesmal war alles anders. Es schien, als ginge eine Schockwelle durch Deutschland, nachdem rund 5000, Berichten zufolge teils gewalttätige „Hooligans“ in der viertgrößten Stadt des Landes gegen den Salafismus demonstriert hatten. Es sollen sich auch bekannte Rechtsextremisten unter die Demonstranten gemischt haben, was gewisse Medien erwartungsgemäß dankbar aufgriffen, um gleich die gesamte Kundgebung unter Rechtsextremismusverdacht zu stellen.

Wird bei linken Gewaltdemonstrationen stets eilfertig betont, dass die Veranstaltung „zunächst friedlich“ verlaufen sei und sich erst später Gewalttäter aus der Masse gelöst hätten, verzichtet man hinsichtlich der Kölner Eskalation völlig auf derlei Differenzierungen. Und stellen die Medien bei linken Aufmärschen stets deren Anliegen in den Mittelpunkt, so wurde dies hier sofort zum bloßen Vorwand erklärt. Gewiss waren in Köln etliche dabei, die tatsächlich nur Krawall suchten. Aber ist dies bei linken Demonstrationen etwa anders?

Schlimmer als dieses geradezu aufreizende Messen mit zweierlei Maß ist etwas anderes. Die gewalttätigen „Hooligans“ von Köln haben eine perverse Botschaft verstanden, die den Bundesbürgern schon seit Jahrzehnten eingebrannt wird Sie lautet: Nur wer mit Geschrei und Gewalt für seine Ziele eintritt, hat Aussicht auf Erfolg, es sei denn, er gehört zu den Mächtigen, die solcher Mittel nicht bedürfen.

Bürgerliche Gruppen und Aktivisten sehen sich seit Langem einem linken Terror ausgesetzt, der von etablierten Parteien und Medien letztlich achselzuckend hingenommen wird. Veranstaltungen werden von der „Antifa“ gesprengt, Teilnehmer körperlich und verbal bedrängt, Säle aus Angst vor Anschlägen gekündigt. Vor der jüngsten EU-Wahl haben AfD-Wahlkämpfer ihre Aktivitäten völlig verschüchtert eingestellt, weil sie sich und ihre Familien massiven Drohungen linker Extremisten ausgesetzt sahen.

Ging da eine Welle der Empörung durch die großen Medien und die etablierte Politik? Fehlanzeige. Geschrei, Gewalt und Drohungen haben triumphiert.

Die Verrottung der politischen Kultur, die sich hier entblößt, musste eines bösen Tages übergreifen. Wo der Friedliche, der Gesetzestreue stets der Dumme ist, da wächst irgendwann eine neue Art der „politischen Auseinandersetzung“ heran, mit ganz anderen Akteuren. Hans Heckel


Kontroverse um TTIP
AfD: Starbatty für Freihandelsabkommen, Storch weiter dagegen

In der AfD ist eine Diskussion über die geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) sowie Kanada (CETA) entbrannt. Der Wirtschaftswissenschaftler und EU- Abgeordnete Joachim Starbatty hatte sich, für manche an der Basis überraschend, für die Abkommen ausgesprochen.

Deutschland sei mit einem Außenhandelsanteil von 50 Prozent einer der größten Nutznießer des weltweiten Freihandels, so Starbatty in einem offenen Brief an die Parteimitglieder. Das TTIP etwa garantiere den Unternehmen Sicherheit für ihre Auslandsinvestitionen. Hintergrund: Im Streitfall sollen Schiedsgerichte entscheiden, wo-rin Kritiker die Gefahr sehen, dass die deutsche Gerichtsbarkeit und Souveränität untergraben werde. Starbatty entgegnet, es gebe nicht in jedem europäischen Land eine Rechtsstaatlichkeit wie in Deutschland, daher seien die Schiedsgerichte sinnvoll.

Die AfD-Europaabgeordnete Beatrix von Storch widersprach Starbatty, das TTIP sei nicht fair und gehe zu unseren Lasten. Auch Parteichef (und wie Starbatty Ökonom) Bernd Lucke hatte sich nach anfänglicher Offenheit für TTIP und CETA zuletzt wiederholt negativ zu den Abkommen geäußert.

In der Außenwirkung ist der Streit zwiespältig. AfD-Kritiker sehen sich bestätigt, dass die neue Partei zerstritten sei. Andere heben dagegen hervor, dass es bei der „Alternative“ wenigstens eine offene Debatte zu wichtigen Themen gebe, während man in den etablierten Parteien allzu oft von der Führung vor vollendete Tatsachen gestellt werde.

Letzteres kritisierte auch Starbatty und bemängelte die Geheimniskrämerei, welche die Bundesregierung und die EU um TTIP betrieben. Er fordert mehr Transparenz. H.H.


Dem Westen die Stirn bieten
Umstrittene Präsidentin wiedergewählt − Brasilien am Scheideweg

Bei der Fußball-WM im Sommer hatten die Kameraleute die Anweisung, bei Spielunterbrechungen nicht auf die als Zuschauerin anwesende brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff (Porträt Seite 24) zu schwenken. Ein Pfeifkonzert der Zuschauer, die die Live-Bilder im Stadion verfolgen konnten, wäre das Ergebnis gewesen. Das Prestigeprojekt WM sollte nicht zur Negativkampagne für die Wiederwahl als Präsidentin ausarten, nachdem es im Vorfeld zu sozialen Unruhen wegen sündhaft teurer Stadionneubauten gekommen war.

Rousseff hat die WM politisch überlebt. Bei der Stichwahl zur Präsidentschaft hat sie jetzt ihren Herausforderer Aécio Neves knapp geschlagen. Neves, wie auch die in der ersten Wahlrunde gescheiterte Kandidatin, die frühere Kautschuksammlerin Marina Silva, hatten sich selber geschwächt: Neves durch

Vetternwirtschaft und die einstige Ökoaktivistin Silva, indem sie plötzlich Ölbohrungen vor der Küste befürwortete. Lachende Dritte blieb Rousseff, die sogar einen Kor­ruptionsskandal um die halbstaatliche Ölgesellschaft Petrobas überstand.

Ihre Wiederwahl zeigt, dass Brasilien am Scheideweg steht. Das Land ist gespalten in den armen Norden, der die Sozialreformerin Rousseff gewählt hat, und den reichen Süden, der am stärksten den Niedergang der Wirtschaft zu spüren bekommt. Lag das Wachstum bei Rousseffs Amtsantritt 2010 noch bei 7,5 Prozent, so werden für dieses Jahr weniger als 0,5 Prozent erwartet. Und mit den Schwellenländern Russland, Indien, China und Südafrika ist Brasilien gerade dabei, eine politische Allianz gegen die weltweite Wirtschafts-Hegemonie der USA zu schmieden. Erst im Juli gründeten diese Brics-Staaten eine eigene Entwicklungsbank sowie einen Währungsfonds, mit denen man bei Kreditvergaben dem Westen die Stirn bieten will. Harald Tews


Jan Heitmann:
Kassenkampf

Wenn es nach Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe geht, ist die Beitragshöhe das einzige Kriterium für die Wahl der Krankenkasse. Mit der Finanzreform der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten die Anbieter ihre Beitragsautonomie zurück. Jede Kasse darf ab Beginn kommenden Jahres ihren Beitrag wieder selbst festlegen. Die AOK hat bereits eine Beitragssenkung beschlossen, sieben weitere Kassen haben eine solche in Aussicht gestellt. Wer keine Mitglieder verlieren will, muss nachziehen. Der Kassenbeitrag als Wettbewerbsinstrument – das klingt zunächst einmal gut, dürften dadurch doch viele gesetzlich Versicherte mehr Netto vom Brutto haben.

Die Frage ist nur, wie lange das so sein wird. Denn die Koalition hat kein Finanzierungskonzept für die gesetzliche Krankenversicherung vorgelegt. Noch verfügen die Kassen über Reserven in Milliardenhöhe. Experten gehen jedoch davon aus, dass sich dieser Überschuss schnell in ein Defizit verwandeln wird. Für 2017 prognostizieren sie bereits eine Finanzierungslücke von zehn Milliarden Euro. Das fehlende Geld werden sich die Kassen dann allein von den Versicherten holen. Denn zur Deckung dieser Lücke dürfen die 130 Kassen bei ihren Mitgliedern vom Einkommen abhängige Zusatzbeiträge einziehen, was nach Experteneinschätzung fast alle tun werden. Die Arbeitgeber hingegen haben keine Zusatzbelastung zu befürchten, denn ihr Beitragsanteil ist zukünftig bei 7,3 Prozent gedeckelt. Unterm Strich dürfte die Krankenversicherung für die gesetzlich Versicherten damit sogar noch teurer werden als mit dem bisherigen einheitlichen Beitragssatz. Der Kassenkampf um Mitglieder wird für diese mit einem bösen Erwachen enden.


S. 2 Aktuell

»Richtig gute Freunde« der Konzerne
TiSA-Abkommen soll den privaten und auch den öffentlichen Dienstleistungssektor dem Wettbewerb öffnen

Offiziell sollen die geplanten Freihandelsabkommen der Deregulierung und Liberalisierung der Weltwirtschaft dienen. Tatsachlich wären sie vor allem ein Machtinstrument internationaler Großkonzerne. Das TiSA-Abkommen würde diese Macht auf den Dienstleistungssektor ausdehnen.

Weitgehend ohne mediale Aufmerksamkeit ist kürzlich die achte Gesprächsrunde über das geplante internationale Handelsabkommen zur Liberalisierung des Dienstleistungssektors namens „Trade in Services Agreement“, kurz TiSA, zu Ende gegangen. TiSA wird seit 2012 in geheimen Konferenzen und im Windschatten der umstrittenen, ebenfalls geheim erörterten Freihandelsabkommen vorangetrieben, die zwischen der EU und Kanada sowie zwischen der EU und den USA bereits ganz oder weitgehend abgestimmt sind (TTIP und CETA). TTIP, CETA und TiSA haben als gemeinsame Zielsetzung die Deregulierung und Liberalisierung der Weltwirtschaft. Über TiSA verhandeln in Genf die Vertreter von 50 Industrienationen, angestoßen wurde das Vorhaben aber von Lobbyisten US-amerikanischer und europäischer Unternehmensverbände. Das vorgesehene Mega-Vertragswerk betrifft den gesamten, äußerst vielfältigen Dienstleistungssektor der 50 Länder mit dem Ziel, ihn für den internationalen Wettbewerb zu erschließen. Später sollen die neuen Standards auch denjenigen WTO-Ländern (Mitgliedern der Welthandelsorganisation), die nicht an den Verhandlungen teilgenommen haben, angeboten, vermutlich aber eher aufgezwungen werden.

Im Juni veröffentlichte die Enthüllungsplattform „WikiLeaks“ den detaillierten Text des TiSA-Vertragsentwurfs und löste damit keinesfalls nur bei Globalisierungskritikern Verwirrung und Entsetzen aus. Die Medien hingegen reagierten nicht oder nur verhalten. „Really good Friends of Liberalization of Trade in Services“ (RGF, „Wirklich gute Freunde der Freiheit der Dienstleistungen“) ist der charmant klingende Name, den sich der Block der TiSA-Verhandlungspartner zugelegt hat. Es sind die Länder Australien, Kanada, Chile, Kolumbien, Costa Rica, Hong Kong, Island, Israel, Japan, Mexiko, Neuseeland, Norwegen, Panama, Pakistan, Peru, Südkorea, die Schweiz, Taiwan, die Türkei, die Vereinigten Staaten und die EU, deren Kommission, wie üblich, für die 28 Mitgliedstaaten der Union als Verhandlungspartner auftritt. Nicht beteiligt an TiSA waren 2012 die meisten Entwicklungs- und Schwellenländer, darunter die Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika (BRICS). Das ist nicht verwunderlich, da der Dienstleistungssektor in diesen Ländern boomt, weshalb man nur unter dem Schutz der WTO verhandeln möchte. Allzu durchsichtig ist die Absicht der RGF, die Handelsströme einseitig in die eigene Richtung zu lenken. Zudem sind längst die negativen Folgen bisheriger „Freihandelsabkommen“ zutage getreten, insbesondere für den Ernährungssektor. China verhandelt seit 2013 mit dem Machtblock der RGF.

Die Unterhändler der 50 Staaten verhandeln über die Ziele von TiSA unter Umgehung der WTO. Dabei beruft sich die RGF auf das erste multilaterale Abkommen zur fortlaufenden Liberalisierung des internationalen Dienstleistungshandels GATS („General Agreement on Trade in Services“, Allgemeines Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen) aus dem Jahr 1995. Dementsprechend sollen jetzt sowohl der private als auch, was nicht nur Lokalpolitiker umtreibt, der öffentliche Dienstleistungssektor der Privatisierung und zugleich dem weltweiten Wettbewerb geöffnet werden. Eine spätere Rekommunalisierung wird ausdrücklich ausgeschlossen. Ausnahmen sollen im Einzelfall möglich sein, aber mit Zugeständnissen in anderer Sache abgegolten werden. Betroffen sind unter anderem die Bereiche Finanzen und Versicherungen, Transport, Kommunikation, Bau und Montage, Umwelt, medizinische und soziale Dienstleistungen und Tourismus sowie Bildung, Gesundheitsversorgung, Personennahverkehr, Wasserversorgung und Energiewirtschaft. Kaum glaublich ist es, dass das Abkommen trotz der Erfahrungen der Finanzkrise eine weitere Deregulierung der Finanzmärkte vorsieht.

Ferner gibt es im Zuge der TiSA-Verhandlungen die Forderung nach internationaler Leiharbeit. Bei öffentlichen Ausschreibungen würden zukünftig zwangsläufig Umwelt-, Verbraucher- und Tierschutz- sowie Nachhaltigkeitsaspekte unberücksichtigt bleiben. Derartige Konditionen hätten zur Folge, dass sich bei den Bieterschlachten nach Ausschreibungen tendenziell in erster Linie große, weltweit agierende Konzerne und Investoren durchsetzen und weltweit immer mehr Einfluss auf die materiellen und immateriellen Werte der Gesellschaften erhalten würden.

Dagmar Jestrzemski


»Nicht gebietsverträglich«
Widerstand gegen Asylunterkunft in Hamburger Nobelviertel

Wohnen in allerbester Lage – das ist ein Privileg, das nach dem Willen des Hamburger Senats auch Asylbewerber genießen sollen. Damit wollen die mit absoluter Mehrheit regierenden Sozialdemokraten ein Zeichen setzen, dass auch die Bewohner exklusiver Stadtteile zur Bewältigung des Zuwandererstroms ein Opfer bringen sollen. Das hat er sich einiges kosten lassen und dem Bund für 14 Millionen Euro das ehemalige Kreiswehrersatzamt im Nobelviertel Harvestehude abgekauft. Nach dem mit 4,8 Millionen Euro veranschlagten Umbau sollen hier ab Sommer kommenden Jahres 220 Asylbewerber in abgeschlossenen Wohnungen untergebracht werden. Das leer stehende Gebäude sei für diesen Zweck „hochgradig geeignet“, begründete das zuständige Bezirksamt den Kauf und teilte vorsorglich mit, dass man an der Sache „auch bei Widerstand aus der Nachbarschaft nicht ruckeln“ werde.

Zunächst schien es, als gäbe es für diese Befürchtung gar keinen Anlass, denn die Anwohner schienen den Senatsplan zu akzeptieren. Einige gründeten sogar die „Initiative Flüchtlingshilfe Harvestehude“, um ihre neuen Nachbarn willkommen zu heißen, ihnen Deutsch beizubringen, sie zu Behörden zu begleiten und ihre Kinder zu betreuen.

Doch mittlerweile ist einigen der Besitzer der Luxusimmobilien am westlichen Alsterufer aufgegangen, was auf sie zukommt. Deshalb versuchen nun drei von ihnen, den Umbau mit einem Eilantrag beim Verwaltungsgericht zu verhindern. In der Sache würden sie sich nicht „gegen die Einrichtung als solche“, sondern gegen deren Größe wehren. Diese sei „durch keinerlei bodenrechtliche Argumente gedeckt“ und für ein besonders geschütztes Wohngebiet „nicht gebietsverträglich“, ließen sie durch ihren Rechtsanwalt mitteilen. Für das Areal gelten seit Jahrzehnten besonders strenge Bau- und Nutzungsregeln, die beispielsweise „gewerbliche und handwerkliche Betriebe, Läden und Wirtschaften sowie Leuchtreklame“ verbieten. Vordergründig geht es in dem Eilantrag also um baurechtliche Belange, tatsächlich aber um das, was in dem Eilantrag mit „erheblichem Störungspotenzial“ und „Unruhe“ im Stadtteil umschrieben wird: die Angst der Kläger vor Kriminalität, Lärm, zunehmendem Kfz-Verkehr und sozialen Problemen.

Sollte das Gericht dem Eilantrag stattgeben, hätte das faktisch einen sofortigen Baustopp zur Folge, teilte dessen Sprecher mit. Die Stadt lässt sich von der Aussicht, mit dem Baubeginn Steuergelder möglicherweise in den Sand zu setzen, jedoch nicht beeindrucken und hält „in jedem Fall“ an ihrem Zeitplan für den Umbau fest. Solange es keinen Baustopp gäbe, würden die Arbeiten wie geplant durchgeführt werden. Auch die Flüchtlingsinitiative, die grundsätzlich Verständnis für die Ängste der Nachbarn zeigt, will durch deren juristischen Widerstand „keine Beeinträchtigung ihrer Arbeit“ erkennen. Für den Fall, dass das Verwaltungsgericht die Pläne für die Gemeinschaftsunterkunft zunichtemachen sollte, könnte die Stadt das teure Filetstück sicherlich ohne Verlust wieder abstoßen. Die bis dahin in den Umbau geflossenen Steuergelder hingegen wären unwiederbringlich verloren. J.H.


Retter für Aeroflot
Fluggesellschaft setzt auf Boeing und Airbus

Klaus Dieter Rohlfs, deutscher Flugkapitän, hat bei der russischen Gesellschaft „Aeroflot“ angeheuert – als Teil von Rettungsversuchen, welche die einst größte Fluggesellschaft der Welt vor dem Aus bewahren sollen. Ende März musterte Aeroflot ihre letzten russischen Flugzeuge aus, deren Pannenanfälligkeit ihr im Osten Hohn als „Aeroplatsch“ eintrug. Nun fliegt sie fast nur „Boeing“ und „Airbus“, von denen sie 2011 acht Jets für insgesamt 1,5 Milliarden US-Dollar erwarb.

Im April hob die Duma den gesetzlichen Bann gegen ausländische Piloten auf, wovon der Deutsche Rohlfs als erster profitierte, 200 weitere sollen pro Jahr folgen, 800 haben sich bereits beworben, 40 sind so gut wie eingestellt, fast alle Deutsche. Russen sollen als Co-Piloten Erfahrungen sammeln, so Aeroflotchef Witali Sawelew. Während russische Linien wie Billigflieger „Dobroljot“ von westlichen Sanktionen ausgebremst wurden, die ihnen beispielsweise die weltweit geschätzte „Lufthansa Technik“ verwehrten, blieb Aeroflot mit ihren 144 Jets (Oktober 2014) davon verschont. Bis 2020 hat sie mindestens 155 neue Boeings und Airbusse bestellt, die auf den Bermudas registriert werden, um die immense Importsteuer von 25 Prozent des Kaufpreises zu umgehen. An der dortigen Kennung VP-B oder VQ-B könnte Aeroflot leiden, falls Moskau Ausländern den Überflug über russisches Territorium verbietet.

Aber da sei Premier Dmitri Medwedjew vor, den Experten über Folgeschäden informierten: Russland verlöre 150 Millionen Euro Überfluggebühren pro Jahr, hätte zudem keinen, der 15000 in Griechenland, der Türkei und anderen Urlaubsländern gestrandete russische Touristen holte. Die neuen „Niedrigtarifler“ kriegen frühestens 2016 in Moskau Landeplätze.

Den Hauptmangel von Aeroflot hat Russlands bissigste Enthüllungsjournalistin Ksenija Sobtschak aufgedeckt: Heimische Flugzeugführer fliegen zu oft im Vollrausch, was bei Piloten wie dem Deutschen Rohlfs und seinen Landsleuten im Cockpit weniger zu erwarten ist. W.O.


MELDUNGEN

Bewaffnung von Rebellen sinnlos

Washington – Der US-Nachrichtendienst CIA ist in einer als geheim eingestuften Studie zu dem Schluss gekommen, dass die Bewaffnung von Rebellen nur selten Konflikte zugunsten der eigenen Interessen entscheidet. Wie die „New York Times“ berichtet, hätten der Studie zufolge in der Vergangenheit viele Bemühungen, ausländische Kräfte zu bewaffnen, „nur minimale oder gar keine Auswirkungen auf den langfristigen Ausgang eines Konfliktes“ gehabt. Besonders wirkungslos sei die Bewaffnung von Guerillakämpfern gewesen, wenn diese lediglich mit Waffen beliefert, nicht aber direkt militärisch unterstützt worden seien. Die einzige Ausnahme sei die Ausrüstung der afghanischen Mudschaheddin gegen das kommunistische Regime und die sowjetischen Invasoren gewesen. J.H.

 

Männer sind die Verlierer

Nürnberg – Nur noch jeder fünfte neue Job geht an einen männlichen Arbeitnehmer deutscher Herkunft. Das meldete jetzt die Bundesagentur für Arbeit. Danach entstanden im Zeitraum vom Juli 2013 bis Juli 2014 insgesamt 528000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. 44 Prozent davon gingen an ausländische Personen. 38 Prozent wurden mit Frauen besetzt. Für 17 Prozent wurde ein männlicher deutscher Bewerber eingestellt. Ein Trend, den Statistiker schon seit längeren beobachten. „Sowohl Zuwanderer als auch inländische Frauen sind die Gewinner des Beschäftigungsaufbaus auf dem Arbeitsmarkt“, erklärt Heinrich Alt vom Vorstand der Bundeagentur. Seine Erklärung: Es liege unter anderen an der guten Qualifikation und Motivation von Frauen und Ausländern. F.H.

(siehe Kommentar S. 8).


S. 3 Preussen/Berlin

Die Angst der Obdachlosen
Chaos bei der Unterbringung: Berliner Winternotplätze gehen womöglich an Asylbewerber

Berlins Senat verwaltet selbstgeschaffene Engpässe: Kaum noch Winterplätze für Obdachlose, geballte Einquartierungen, Container für Zuwanderer und anhaltende Besetzungen.

Bis Ende Oktober sollen die Zuwanderer, die seit Monaten die Kreuzberger Gerhart-Hauptmann-Schule besetzt halten, den Bau räumen. Doch sie wollen bleiben. Einer von ihnen steht nun vor Gericht, weil er einen anderen Zuwanderer erstach. „Wie wird ein gambischer Bauernsohn zum Messer­stecher?“, fragte dazu der „Tagesspiegel“.

Politik und Medien kapitulieren vor der „humanitären Herausforderung“. Noch vor Weihnachten soll daher das erste Containerdorf für Zuwanderer in Berlin öffnen. Die Opposition fürchtet schlechte Massenquartiere, doch Senator Mario Czaja (CDU) verspricht eine bessere Integration.

Wie der Senat sich die vorstellt, wird nun in Köpenick publik. Dort soll erstmals ein Containerdorf für 400 Zuwanderer aufgestellt werden. Czaja plant insgesamt sechs solcher Quartiere für Berlin. Die bisherigen Anwohner des für die Unterbringung ausersehenen Köpenicker Salvador-Allende-Viertels erfuhren am 21. Oktober von den Plänen aus den Medien. Rund 7000 Menschen wohnen in dem Viertel.

Viele von ihnen äußern Kritik an dem Plan. So verweisen sie unter anderem auf rund 300 Zigeuner, Rumänen und Bulgaren, die seit Juni nur fünf Minuten entfernt vom jetzt geplanten Standort vom Senat in ein Altenheim einquartiert wurden. Nachbarn berichten seither von spürbar vermehrten Einbrüchen und aufgebrochenen Schlössern.

Die nun zusätzlich vorgesehenen Wohnschachteln sollen auf einem Brachgelände abgestellt werden. Damit droht nicht nur das Verhältnis der eingesessenen Bevölkerung zu den Zugewiesenen endgültig in Schieflage zu geraten, es sind auch rein infrastrukturell kaum Bedingungen für die Unterbringung vorhanden. „Anbindung an die Infrastruktur ist wichtig“, sagte Czaja indes zeitgleich in einem Interview.

Die Ballung nährt in den Augen der Skeptiker den Verdacht, dass der Senat den von Czaja erst Tage zuvor bekräftigten Integrationsgedanken tatsächlich aufgibt, beziehungsweise längst abgeschrieben hat. Der Ausländeranteil würde sich für das Salvador-Allende-Viertel binnen weniger Monate um rund zehn Prozent erhöhen.

In anderen Teilen Berlins ist die Lage nicht entspannter. Die von 45 Zuwanderern besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule bleibt unabhängig von dem jüngst von den Besetzern ausgerufenen „Tag der offenen Tür“ ein Brennpunkt. Immer wieder kommt es zu Ausschreitungen und Polizeieinsätzen, so auch am 25. Oktober. Bei einer Demonstration verlangten einige Hundert Zuwanderer und linke Unterstützer, das Gebäude nicht, wie vom Bezirk von ihnen gefordert, bis zum 31. Oktober verlassen zu müssen. Die Besetzer wollen mit ihren Aktionen ein Bleiberecht unter Umgehung geltender Gesetze erzwingen.

Wie gründlich der Politik die Lage dort längst entglitten ist, zeigt sich an den jüngsten Äußerungen der zuständigen Bezirksbürgermeisterin von Fried­richshain-Kreuzberg Monika Herrmann, die einst auch am Oranienplatz durch Duldung ähnliche Zustände verfestigte. „Von ihren Unterstützern aufgestachelt“, „verweigerten“ sich die Besetzer der Schule der Realität, sagte ausgerechnet die Grünen-Politikerin nun.

Am Oranienplatz hatten Besetzer einst erfolgreich Sondergespräche und Quartiere vom Senat erpresst. Das lockte noch zusätzliche Zuwanderer an den Ort. Erst die Justiz machte vielen der ohnehin längst in individuellen Asylverfahren abgelehnten Ausländer einen Strich durch die Rechnung. Seither steht der Senat dem derart selbst zugespitzten Problem ohnmächtig gegenüber.

Mit den Grünen und der von ihnen verantworteten Bezirkspolitik gegen­über den Besetzern ging nun selbst die eher linke „Berliner Zeitung“ hart ins Gericht: „Doch gewählt wurden auch sie nicht, um im Interesse einer kleinen Gruppe den Bezirk an die Wand zu fahren“, kritisiert das Blatt die Lobbypolitik der Bezirksregierung.

Die Frage der Unterbringung von Zuwanderern spitzt sich aus jahreszeitlichen Gründen nun zusätzlich zu: Berlins Obdachlose müssen um Schlafplätze fürchten. Die Plätze für Bedürftige werden zur kalten Jahreszeit knapper, denn auch Asylbewerber und Zuwanderer suchen Hilfe bei den verschiedenen Berliner Einrichtungen. So verfügt die „Berliner Kältehilfe“ nur über 500 Schlafplätze in unterschiedlichen Einrichtungen, teilweise wurden die Plätze vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) aber mit Syrern belegt – angeblich nur vorübergehend.

Wenn sich nun die Realisierung der Containersiedlungen auch nur ein wenig verzögert, sind die Obdachlosen die Leidtragenden. Hilfseinrichtungen befürchten zudem, dass abgelehnte Asylbewerber beispielsweise aus Serbien „trotzdem kommen. Sie werden dann aber nicht mehr als Flüchtlinge vor dem Lageso Schlange stehen, sondern bei uns vor den Notunterkünften“, so eine Mitarbeiterin der Berliner Stadtmission. Sverre Gutschmidt


Nicht in Christi Namen
von Theo Maass

Am 19. Oktober fand in der evangelischen St.-Annen-Kirche in Berlin-Dahlem ein Gottesdienst zum Gedenken an die Bekennende Kirche (BK) statt. Pfarrer Eberhard Röhricht predigte über Jesu Ausspruch: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“ Die BK stand im Gegensatz zu den „Deutschen Christen“ um Reichsbischof Ludwig Müller, der an eine Synthese von NS und Christentum glaubte. Müller wollte nicht erkennen, dass der NS dem christlichen Glaubensbekenntnis grundsätzlich ablehnend gegenüber stand. Auch Altbischof Wolfgang Huber bestieg die Kanzel der Annenkirche und predigte über denselben Bibeltext.

Der Ort war historisch bedeutsam, weil die St.-Annen-Gemeinde die Basis von Pfarrer Martin Niemöller war. Huber forderte: „Lebt euren Glauben und eure Nächstenliebe so, dass sie ansteckend ist“, „Lieber Gott, lass uns nicht zur geschlossenen Gesellschaft werden“ und fragt dann: „Ist unser Land Zuflucht für Bedrängte, in der sie ihre Furcht hinter sich lassen können?“ Damit aber verließ Huber die historische Basis der BK, denn was hat der damals mutige und nicht ungefährliche Widerstand gegen das NS-Regime mit der heutigen „Willkommenskultur“ für Wirtschaftsimmigranten zu tun? Sich für diesen Personenkreis einzusetzen ist vollkommen ungefährlich und folgt dem Mainstream der veröffentlichten Meinung und der Politik.

Huber übersieht bei seiner wohlfeilen Forderung auch, dass die meisten Pfarrer der Bekennenden Kirche keineswegs „fortschrittlich“ im heutigen Sinne waren, sondern zum konservativ-patriotischen Kern der deutschen Gesellschaft gehörten. Mein Onkel war Pfarrer in der Bekennenden Kirche, hasste Hitler und wählte die Deutsch-Nationale Volkspartei. Der linke Historiker Sebastian Haffner hat in seinen „Anmerkungen zu Hitler“ fundiert bestätigt: Der effektive Widerstand, der am 20. Juli 1944 fast zum Erfolg geführt hätte, war patriotisch-konservativ. Diese Persönlichkeiten – die sich heute gegen ihre Vereinnahmung nicht mehr zur Wehr setzen können, weil sie tot sind – als Kronzeugen für eine Willkommenskultur für „Refugees“ zu benennen, ist wahrhaft unchristlich.

Huber hätte stattdessen lieber die Profiteure der von der Politik beförderten Einwanderung benennen sollen. Die „Wirtschaft“ wünscht sich neue Arbeitskräfte im Niedriglohnsektor. Die Neuankömmlinge besitzen weder Kühlschrank, Waschmaschine noch Fernseher. Also freuen sich Hersteller und Einzelhandel. Schließlich gibt es eine „Sozial- und Ausländerindustrie“, die von den „Refugees“ lebt. Alles auf Kosten der Allgemeinheit, die mit ihrem Steueraufkommen die „Willkommenskultur“ bezahlen muss.


Zwei Monate Stillstand
Bis zum Abtritt Wowereits droht Hauptstadt die politische Paralyse

Trotz vieler drängender Probleme – etwa durch steigende Zahlen von Asylbewerbern – droht Berlin, in den kommenden Wochen nur „auf Sparflamme“ regiert zu werden. Bis zu der für den 11. Dezember geplanten Wahl von Michael Müller (SPD) zum neuen Regierenden Bürgermeister rechnen Beobachter damit, dass der noch amtierende Klaus Wowereit lediglich den „normalen Regierenden-Kalender“ mit Routineaufgaben abarbeiten wird. Alle weitreichenden Entscheidungen oblägen dem neuen Bürgermeister, so die weitverbreitete Ansicht in der Berliner SPD. Wowereits Nachfolger will laut Medienberichten allerdings zunächst in Urlaub gehen.

Mit Spannung erwartet werden die Personalentscheidungen, die Müller nach seiner Rückkehr treffen wird. Neu besetzt werden muss der Posten von Finanzsenator Ulrich Nußbaum, der sich im Dezember zurückziehen will. In Kreisen der Berliner SPD wird der Rücktritt des Parteilosen unter anderem auf dessen tiefe persönliche Abneigung gegen Müller zurückgeführt.

So wird kolportiert, dass Nußbaum „in kleiner Runde immer wieder gesagt hat, dass er mit Müller als Regierendem Bürgermeister keinen Tag zusammen arbeiten werde“. Als mögliche neue Finanzsenatorin wird innerhalb der SPD inzwischen die Wirtschaftsmathematikerin Dilek Kolat (SPD) hoch gehandelt, die Wowereit bisher als Arbeits- und Integrationssenatorin diente.

Als potenzieller Kandidat genannt wurde inzwischen aber auch Jörg Asmussen. Weil er aus familiären Gründen zurück nach Berlin wollte, hatte der umstrittene SPD-Finanzexperte erst 2013 einen Spitzenposten im Direktorium der Europäische Zentralbank aufgegeben und war als Staatssekretär von Andrea Nahles ins Arbeits- und Sozialressort der Bundesregierung gewechselt.

Gefunden werden muss ebenso ein Nachfolger für Müller als Stadtentwicklungssenator. Als Favorit gilt hierfür momentan dessen bisheriger Staatssekretär Christian Gaebler.

Vor allem innerhalb der SPD wird mit Spannung verfolgt, ob Müller den unterlegenen Konkurrenten Jan Stöß in den Senat einbinden wird. Als Vorteil für Müller wird gewertet, dass beim SPD-Mitgliedervotum zur Wowereit-Nachfolge die Niederlage von Stöß und Raed Saleh so eindeutig war, dass sie zunächst einmal die Lust am Putschen innerhalb der Berliner SPD verloren haben dürften. Norman Hanert


Familie erodiert
Berlin, die Metropole der Alleinerziehenden

Berlin ist bundesdeutsches Schlusslicht bei der Familienentwicklung in Deutschland. Nirgendwo anders ist die gesellschaftliche Erosion so weit voran geschritten wie in der Hauptstadt. Nur noch auf 51 Prozent der Gemeinschaften, in denen mindestens ein leibliches, Stief-, Pflege- oder Adoptivkind aufwächst, trifft das klassische Familienmodell mit verheirateten Eltern, die zumindest ein Kind haben, zu. 32 Prozent dieser Gemeinschaften sind Teilfamilien, die aus einem oder mehr Kindern und einem alleinerziehenden Elternteil bestehen. Der Rest sind sogenannte Patchwork-Familien (nichteheliche oder gleichgeschlechtliche Partnerschaften mit Kindern).

Die Städte Hamburg und Bremen sowie die mitteldeutschen Flächenländer Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg haben eine ähnlich traurige Bilanz aufzuweisen. Der Prozentsatz der Alleinerziehenden liegt in den beiden norddeutschen Hansestädten bei 30 beziehungsweise 27 Prozent. Der Anteil der klassischen Familien liegt in dem wirtschaftlich in Schwierigkeiten befindlichen Sachsen-Anhalt und in Sachsen wie in Berlin bei mageren 51 Prozent, in Brandenburg mit 52 Prozent nur um einen Punkt höher. In Baden-Württemberg lag er mit 78 Prozent am höchsten.

Bundesweit liegt der Anteil der klassischen Familien bei 70 Prozent. Nach einer Umfrage des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung halten 35 Prozent der Befragten in der Altersgruppe zwischen 20 und 35 die Ehe für überholt und jeder zehnte will keine Kinder haben. Hans Lody


Olympia: Liegt Hamburg vorn?

Im Wettbewerb mit Berlin um eine deutsche Olympiabewerbung sieht Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) seine Stadt gut gerüstet. In einem Interview mit dem Berliner „Tagesspiegel“ machte Scholz deutlich, dass er bei einer Volksabstimmung mit einer breiten Zustimmung der Hansestädter für eine Olympiaaustragung im Jahr 2024 an der Elbe rechnet. Als günstigen Zeitpunkt für ein Bürger-Referendum wurde von Scholz der April 2015 genannt. Bei der geplanten Olympia-Bewerbung will Hamburg mit „Transparency International“ zusammenarbeiten. Mithilfe dieser Organisation zur Korruptionsbekämpfung will Hamburg die Austragung Olympischer Spiele ohne jegliche Neuverschuldung erreichen. Während in Berlin die Bedenken gegen eine Olympia-Bewerbung stark zu sein scheinen, hat sich an der Elbe ein breites Bündnis von Kulturschaffenden gegründet, um die Hamburger Bewerbung zu unterstützen. N.H.


S. 4 Hintergrund: Private Hochschulen

Privatunis: Lieb und teuer
Fünf Prozent der Studenten besuchen nichtstaatliche Schulen – Tendenz steigend

Mit über 2,6 Millionen Studenten verzeichnen die 423 Hochschulen Deutschlands in diesem Semester einen neuen Rekord. Besonders kräftig steigt der Zustrom zu privaten Bildungsstätten.

Als Helmut Kohl im Herbst 1982 ins Kanzleramt einzog, sah er auch darin ein Anzeichen der „geistig-moralischen Wende“: nicht weit von Bonn, in Witten/ Herdecke, bereitete Deutschlands erste nichtstaatliche Universität mit Promotionsrecht ihr erstes Semester vor. Die Wende gelang, freilich nicht da, wo Kohl sie erwartet hatte – heute zählen wir zwölf private Universitäten mit Promotionsrecht, ferner über 100 privat betriebene Fachhochschulen. Besucht werden sie von fünf Prozent der insgesamt 2,6 Millionen Studenten.

Die privaten Hochschulen sind vor allem für junge Menschen attraktiv, die auf zügige, praxisbezogene Ausbildung Wert legen und von Anfang an das berufliche Fortkommen im Auge haben. Diese Studenten lehnen in aller Regel auch die seit den 60er Jahren anhaltende Politisierung vieler deutscher Universitäten ab. Sie wollen lieber studieren als demonstrieren, wollen in überschaubarer Zeit zum Examen kommen und sehen im akademischen Massenbetrieb ein Hindernis.

Bis auf die von den Kirchen betriebenen Einrichtungen kommen die Privathochschulen nicht ohne Studiengebühren aus. In Witten/Herdecke zum Bespiel kostet laut „Focus“ ein Medizinstudium über 40000 Euro. Wer Zahnarzt werden will, muss sogar 48000 Euro aufbringen, und selbst der Bachelor im Fach Wirtschaft ist mit über 30000 Euro nicht gerade billig. Derzeit 1450 Studenten lassen sich von solchen Zahlen aber nicht abschrecken; sie können offenbar davon ausgehen, dass sie die Ausbildungskosten schnell wieder hereinholen.

Ähnlich denken offenbar die jungen Leute, die sich um einen Studienplatz an der „Bucerius Law School“ in Hamburg bewerben. Angehende Juristen haben in vier Jahren zwölf Trimester zu bewältigen, inklusive fünf Monaten Auslandsaufenthalt. Die Studiengebühren betragen pro Trimester 4000 Euro. Dennoch kamen zuletzt auf 115 zu vergebende Studienplätze 600 Bewerber.

Und das sind bei Weitem nicht nur, wie Kritiker immer wieder behaupten, die „Kinder reicher Eltern“. Wer die anspruchsvollen Aufnahmeprüfungen geschafft hat, kann sicher sein, dass ihm die Universität im Falle finanzieller Schwierigkeiten hilft, Stipendien oder andere Geldquellen zu erschließen.

Dass die Bibliothek dieser Privatuniversität rund um die Uhr (sieben Tage, 24 Stunden) geöffnet ist, wird von Lehrenden und Lernenden als selbstverständlich angesehen. Doch trotz der hohen Anforderungen während des gesamten Studiums scheint die „Bucerius Law School“ keine Lern­fabrik zu sein, in der nur stur gepaukt wird. Denn wie man hört, finden Rockband, Klassikorchester, Theatertruppe und Sportgruppe regen Zuspruch.

Was Hamburg für Juristen, ist Frankfurt/Main für Wirtschafts- und Finanzexperten. Die dortige „School of Finance & Management“ ist in internationalen Fachkreisen inzwischen so renommiert, dass sie es sich leisten kann, je nach Studiengang pro Semester Studiengebühren zwischen 4000 und 9000 Euro zu kassieren. Immerhin kamen die Frankfurter in einer Auflistung der weltweit besten Studienplätze als beste deutsche Hochschule auf Platz 32.

Mit ihrer Exzellenzinitiative antworteten Bund und Länder 2005 auf die Entwicklung der privaten Konkurrenz zu Elitehochschulen. Ob aber ausgerechnet der Kampf gegen Studiengebühren zu wirklich exzellenten Ergebnissen führt, darf bezweifelt werden. Hans-Jürgen Mahlitz


Der Weg ganz nach oben
Wo man Examen gemacht hat, entscheidet oft über die Karriere

Die Liste ist eindrucksvoll: drei Staatspräsidenten, sechs Premierminister, reihenweise Minister, Direktoren, Botschafter. Sie alle sind Absolventen der École Nationale d’Administration (ENA), Frankreichs Elitehochschule. Charles de Gaulle hatte sie 1945 ins Leben gerufen, um eine neue, unbelastete Verwaltung aufzubauen.

Im zentralistischen Frankreich folgt dem Besuch der ENA fast automatisch die große Karriere. Das gilt auch für den derzeitigen Präsidenten, den ENA-Absolventen François Hollande, dessen Amtsführung allerdings Zweifel an der Leistungsfähigkeit dieser staatlichen Hochschule weckt.

Hingegen sind private Hochschulen rechtlich nicht gleichgestellt mit den staatlichen Universitäten. Bis auf wenige Ausnahmen dürfen sie selber keine akademischen Titel verleihen. Dennoch haben sich einige private Ingenieur-Hochschulen auf spezielle Forschungsprojekte spezialisiert und sich hier einen hervorragenden internationalen Ruf erwerben können. Insgesamt aber regiert der Staat bei den Privaten kräftig mit.

Ganz anders sieht es in den USA aus. Zwar gibt es auch dort staatliche Universitäten. Sie zählen aber nicht zu den Elitehochschulen. Nur geringfügig unterscheiden sich ihre Strukturen von denen privater Unis wie Harvard, Yale oder Princeton. Denn die US-Universitäten werden generell wie selbstständige Unternehmen geführt und unterliegen keiner staatlichen Aufsicht. Lediglich über das Promotions- und Habilitationsrecht entscheidet der jeweilige Bundesstaat.

Die staatlichen Unis können zwar offiziell auf Studiengebühren verzichten (zumindest für US-Bürger), langen aber bei Unterkunft und Verpflegung kräftig hin. So zahlt der amerikanische Student in Berkeley/Kalifornien jährlich über 13000 Dollar, der Ausländer sogar 18684 Dollar. An der privaten Eliteuniversität Harvard hingegen kostet das akademische Jahr fast 52000 Dollar. Damit kommt das im Regelfall vierjährige Studium hier auf über 200000 Dollar.

Von den über 20000 Studenten zahlen aber nur 30 Prozent den vollen Preis aus eigener Tasche. Alle anderen, rund 14000, bekommen entweder Stipendien oder brauchen nichts zu zahlen, weil ihr jährliches Familieneinkommen unter 65000 Dollar liegt.

Der Erfolg des amerikanischen Modells lässt sich an der Zahl der Nobelpreise ablesen. Seit 1901 gingen folgende Preise in die USA (Zahlen für Deutschland in Klammern): Chemie 64 (29), Physik 87 (26), Medizin 96 (17), Wirtschaftswissenschaften 53 (1).

Dass dieses System so effektiv funktionieren kann, ist auch eine Sache der Mentalität und der öffentlichen Meinung. Es stört kaum jemanden, wenn große Forschungsprojekte aus dem Militäretat finanziert werden. Und wenn die sogenannten Superreichen Stipendien zahlen oder Lehrstühle finanzieren, werden sie dafür geachtet und geehrt. In Deutschland drohen ihnen eher öffentliche – beziehungsweise veröffentlichte – Neidkampagnen. H.J.M.


Schimpfwort oder Zauberwort?
Braucht Deutschland Elite-Universitäten? Braucht es überhaupt Eliten? Braucht die deutsche Sprache ein solches Wort? Oder brauchen wir gar keine deutsche Sprache mehr?

Fragen über Fragen, auf die Vater Staat eine international überzeugende, der political correctness folgende, niemanden diskriminierende Antwort gefunden hat: Deutschland brauche „Clusters of Excellence“ (Eliteansammlungen), wo man über „Bachelor“ und „Master“ den Weg nach oben antritt.

Soweit die sprachlichen Klimmzüge, um nur ja das Wort Elite zu vermeiden. Die Wirklichkeit sieht Gott sei Dank etwas normaler aus. Deutschlands Hochschulen genießen im Allgemeinen einen recht guten Ruf, einige sogar einen sehr guten. Dazu zählen jene staatlichen Einrichtungen, die wir hier ganz altmodisch Eliteuniversitäten nennen wollen, aber auch viele private Hochschulen.

Beide haben ihre Stärken und Schwächen. Die staatlich betriebene Universität verfügt eher über die notwendigen Mittel für Forschung vor allem im Grundlagenbereich, auch ermöglicht sie in stärkerem Maße interdisziplinäres Forschen und Lehren. Die private Hochschule ist stärker fachbezogen und praxisnäher, überschaubarer, erlaubt den Studierenden mehr persönlichen Kontakt zu den Lehrenden, eröffnet oft auch bessere Karrierechancen.

Die Stärke des Wissenschaftsstandorts Deutschland liegt in der Kombination beider Systeme. Allerdings nur, wenn auf ideologische Überfrachtung verzichtet wird. An deutschen Hochschulen sollte weder Platz für sozialistische Gleichmacherei noch für stures Strebertum sein. Und auch nicht für sprachliche Spitzfindigkeiten. H.J.M.


Zeitzeugen

Gerd Bucerius – Der Verleger, geboren 1906 in Hamm, gestorben 1995 in Hamburg, war nach dem Jurastudium zunächst als Rechtsanwalt und als Syndikus in der Wirtschaft tätig. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er von der britischen Militärverwaltung mit der Abwicklung der „Hamburger Zeitung“ beauftragt – seine erste Berührung mit der Presse. Schon 1946 erhielt er die Lizenz zur Herausgabe einer Wochenzeitung, der er den Namen „Die Zeit“ gab. Fünf Jahre später war er auch Verleger des „Stern“. 1971 gründete er die Zeit-Stiftung, die er als Alleinerbin einsetzte. Sie betreibt seit 2000 die „Bucerius Law School“, heute eine der renommiertesten Ausbildungsstätten für Juristen. Das Stiftungsvermögen liegt bei rund 760 Millionen Euro, der Jahresetat bei 22 Millionen.

Johanna Wanka – Die Professorin für Ingenieurmathematik, geboren 1951 im sächsischen Rosenfeld, hatte sich während ihrer akademischen Laufbahn nicht nur in Forschung und Lehre, sondern auch in der Wissenschaftsverwaltung und -organisation tiefgreifende Kenntnisse erworben, unter anderem als Rektorin der Fachhochschule Merseburg und als Vizepräsidentin der Landesrektorenkonferenz in Sachsen-Anhalt. Dieser Weg hatte sich schon mit ihrer Promotionsarbeit („Lösung von Kontakt- und Steuerproblemen mit potential-theoretischen Mitteln“) angedeutet. 2013 berief Bundeskanzlerin Angela Merkel sie ins Kabinett. Sie ist die Nachfolgerin von Bundesbildungsministerin Annette Schavan, deren Doktorarbeit sich als nicht gerade karrierefördernd erwiesen hatte.

Doris König – Die Juristin, geboren 1957 in Kiel, hatte an der „Bucerius Law School“ den vorläufigen Höhepunkt ihrer akademischen Laufbahn erreicht. Allerdings konnte sie nur knapp zwei Jahre die Privatuniversität als Präsidentin leiten, bis sie im Mai 2014 zur Richterin des Bundesverfassungsgerichts gewählt wurde. An der Hamburger Juristenschmiede lehrte sie seit dem Jahr 2000 Internationales Recht. Sie leitet die Internationale Stiftung für Seerecht (von Privatleuten und Unternehmen der Hansestadt gegründet), berät das Auswärtige Amt und gehört dem Vorstand der Studienstiftung des deutschen Volkes sowie dem Ständigen Schiedshof in Den Haag an.


S. 5 Deutschland

Kernfusion: Die unglaubliche Sensation
US-Rüstungskonzern Lockheed Martin will den Durchbruch geschafft haben – Experten reden von Flop

Bald schon soll die Kernfusion alle Energieprobleme dieser Welt lösen. Doch die internationale Fachwelt ist skeptisch, hält die Erfindung des US-Konzerns Lock­heed Martin für einen Flop. Was den Amerikanern vermutlich nicht ganz ungelegen kommt.

Seit mehr als einem halben Jahrhundert versuchen Physiker und Techniker in aller Welt, das Feuer der Sonne auf der Erde zu zähmen und als schier unerschöpfliche Energiequelle zu nutzen. Der Traum von der Energie, die jedermann jederzeit überall unbegrenzt und zu kleinsten Preisen zur Verfügung stünde, schien greifbar nahe. Der Mensch braucht doch nur das zu machen, was die Natur seit fast 14 Milliarden Jahren kann: die Kerne leichter Atome miteinander zu verschmelzen. Daraus entstehen nicht nur immer schwerere Elemente (unter anderem die, aus denen unser eigener Körper besteht), sondern auch die gesamte Energie, die das Weltall am Leben und in Bewegung hält.

Klingt einfach, ist aber nicht ganz so einfach umzusetzen. Das Rezept: Man nehme ein Plasma, also von den Elektronen befreite Wasserstoffkerne, erhitze es auf über 100 Millionen Grad, setze es unter gewaltigen Druck und stabilisiere das Ganze, da es mit keiner Materie in Berührung kommen darf, mit starken Magnetfeldern. Mit jedem Versuch, eine dafür geeignete Höllenküche zu konstruieren, sanken die Erfolgsaussichten und stiegen die Kosten; das derzeit aktuelle Experiment, ITER in Südfrankreich, wird nach optimistischen Hochrechnungen 15, nach pessimistischer Lesart bis zu 40 Milliarden Euro verschlingen – anfangs war von 5,5 Milliarden die Rede. Ob die Anlage jemals mehr Strom liefern kann als sie selber verbraucht, ist ungewiss. Derzeit angestrebt werden 500 MW Fusionsleistung bei 50 MW Heizleistung, und das für mehr als eine Viertelstunde ­­– Versorgungssicherheit sieht anders aus.

Fragt man nach der zeitlichen Perspektive, lautet die stereotype Antwort seit Jahrzehnten: in 20 Jahren. Das liegt auf derselben Ebene wie die Dauerprognose „Die globalen Ölvorräte reichen nur noch 13 Jahre!“ oder die Weltuntergangstermine der Zeugen Jehovas – auch Glaubwürdigkeit sieht anders aus.

Da kam die frohe Kunde aus Amerika gerade recht. In den Geheimlabors von Lockheed Martin ist es angeblich gelungen, für die Nutzung der bei Kernfusionen frei werdenden Kräfte eine Anlage mit kleineren, überschau- und beherrschbaren Dimensionen zu konstruieren. Thomas McGuire, Projektleiter beim US-Rüstungskonzern, berichtet von einer Art physikalischem Zaubertrick: Man „überliste“ das Plasma, indem man ihm durch eine Art Magnetspiegel vorgaukle, es sei heißer und dichter, als es in Wirklichkeit ist. Damit könne in fünf bis zehn Jahren ein Fusionsreaktor gebaut werden, der bequem auf einen Lkw passe und kommerziell nutzbar sei.

Vielleicht spielt es ja eine Rolle, dass die Luft- und Raumfahrtschmiede vorzugsweise für das Militär tätig und daher in Sachen Transparenz eher zurückhaltend ist. So verzichtete McGuire darauf, Öffentlichkeit und Fachwelt mit Messergebnissen oder Details der Versuchsanordnungen zu belasten. Daher kommt Ian Hutchinson, leitender Professor am MIT-Fusionsreaktor, zu dem vernichtenden Urteil: „Hochgradig spekulativ – als würde man einen Comic zeichnen und sagen, damit wolle man zum Mars fliegen.“ Im Übrigen sei das Prinzip der „Plasmafalle“ seit Jahrzehnten bekannt, habe aber keinerlei Fortschritte gebracht.

Ähnlich urteilt Karl Lackner, Professor am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in München-Garching: Die vermeintliche Sensation von Lockheed verwende kein wirklich neues Konzept, sondern kombiniere längst bekannte Komponenten: „Es gibt physikalische und technische Gründe, warum diese Kombination sicher nicht zum Erfolg führen wird.“

In dieselbe Kerbe schlägt Edward Morse, der im kalifornischen Berkeley lehrt und forscht und wie Lackner und Hutchinson zu den weltweit führenden Nuklearexperten zählt: Diese isolierte Forschergruppe bei Lockheed Martin sei zwar „großartig geeignet, einen Stealth-Bomber zu entwickeln, aber für diese Art Forschung taugt sie nichts.“

Pikiert zeigte man sich über den Zeitpunkt der Veröffent­lichung. Letzte Woche hatten sich die führenden Fusionsforscher aus aller Welt in St. Petersburg zum Erfahrungsaustausch getroffen. Doch statt die Gelegenheit zu nutzen und diesem kompetenten Auditorium seine kühnen Ideen vorzutragen, suchte Lockheed Martin im fernen Maryland den Weg an die Öffentlichkeit.

Gut möglich, dass die Firma selber nicht an den Erfolg ihrer Idee glaubt. Zumindest scheint das bei ihren politischen Auftraggebern in Washington der Fall zu sein. Im Weißen Haus hat man kaum Interesse an einer Energiequelle, die weltweit, dauerhaft und in allen Nutzungsbereichen die dominierende Rolle des Erdöls übernehmen könnte. Denn daran wie an keinem anderen Handelsgut hängt auch die Rolle des US-Dollars als Weltleitwährung.

Bislang haben die USA noch jeden Versuch, Öl- und sonstige Rechnungen nicht in Petrodollar, sondern in anderer Währung zu fakturieren, abzuwehren gewusst, im Fall des Euro mit politischem und wirtschaftlichem Druck, im Nahen Osten gelegentlich mit militärischer Gewalt. Woran Lock­heed Martin ja auch nicht schlecht verdient.

Noch eines sollte zu denken geben, vor allem auch, wenn man den gesunden Menschenverstand einschaltet und sich nicht nur auf Fachwissen verlassen will: Seit 60 Jahren arbeiten hochkarätige Wissenschaftler in aller Welt mit Milliardenaufwand daran, das Fusionsfeuer der Sonne und der Sterne zu kontrollieren und friedlich zu nutzen – bislang erfolglos. Nur wenige Jahre aber brauchten ein paar Wissenschaftler in den USA und der Sowjet­union, um eben diese Kraft militärisch zu nutzen: Beide Supermächte zündeten Anfang der 50er Jahre ihre ersten Wasserstoffbomben.

Eine mögliche Erklärung finden wir bei Heraklit, dem griechischen Philosophen, der vor 2500 Jahren verkündete: „Der Krieg ist der Vater aller Dinge.“ Dass dies für die kriegerische Nutzung der Fusionsenergie gilt, wurde uns vor sechs Jahrzehnten mit der Wasserstoffbombe bestätigt. Seit zwei Wochen, als der Militärkonzern Lockheed Martin uns seine vermeintliche Sensation präsentierte, wissen wir, das Heraklits Satz wohl auch für die friedliche Nichtnutzung der Kernfusion gilt.

Hans-Jürgen Mahlitz (siehe Kommentar Seite 8)


Deutschland im Stillstand
Streiks der Kleingewerkschaften bereiten der Politik Sorgen

Millionen Menschen haben in den vergangenen Wochen die Auswirkungen der beiden Streikwellen zu spüren bekommen. Ob Lokführer oder Piloten, am Ende hatten die Bürger die Zeche zu bezahlen. An Bahnhöfen und Flughäfen überall das gleiche Bild: frustrierte Reisende, überfüllte Wartesäle und erboste Chefetagen. So warf die Lufthansa der Pilotenvereinigung Cockpit vor, „eine Stillstands-Nation aus Deutschland zu machen“. In dem Tarifkonflikt geht es um die sogenannte Übergangsversorgung. Die Lufthansa will, dass ihre Piloten später als bisher in den bezahlten Vorruhestand gehen, wogegen sich die Gewerkschaft wehrt.

Rund 8000 Mitglieder hat die Vereinigung Cockpit, etwa 34000 Mitglieder die Gewerkschaft der Lokführer (GdL), die mit ihrem Bahnstreik die halbe Republik während der Herbstferien lahmlegte. Sie streikt vor allem dafür, dass sie künftig außer für die Lokführer auch für Zugbegleiter, Bistro-Mitarbeiter, Disponenten und Lokrangierführer eigene Tarifverträge aushandeln darf. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) mit ihren 210000 Mitgliedern ist strikt dagegen. Für den GdL-Vorsitzenden Claus Weselsky ist der Zwist der beiden Gewerkschaften ein Überlebenskampf. Unter allen Umständen soll verhindert werden, dass die mächtigere EVG den kleinen Bruder schluckt.

Als der Streit eskalierte und der Zorn der Bürger via Medien durch die Republik transportiert wurde, schaltete sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel ein. Sie sieht sich nun in dem Vorhaben bestärkt, konkurrierende Gewerkschaften in einem Unternehmen notfalls per Gesetz zur Tarifeinheit zu zwingen. „Aus ihrer Sicht zeigen diese Streiks, dass es viele gute Gründe gibt, ein Gesetz zur Tarifeinheit zu verabschieden“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hatte vorher angekündigt, die Bundesregierung wolle per Gesetz das Prinzip „ein Betrieb, ein Tarifvertrag“ durchsetzen. Danach soll der Tarifvertrag der Gewerkschaft Vorrang haben, die in einem Betrieb die meisten Mitglieder hat. Die kleinere Gewerkschaft wäre dann an die Friedenspflicht der großen Gewerkschaft gebunden und könnte nicht mehr eigenständig streiken.

In den politischen Entscheidungszentralen wird dieses Thema als heikel eingestuft, schließlich zählen Arbeitnehmerrechte zu den Grundfesten der Nachkriegsrepublik. Der Arbeitsmarktexperte der Unionsfraktion im Bundestag, Karl Schiewerling, sagte, es solle ein Gesetz mit Stufen für die Konsensfindung in einem Betrieb geben. Das Ziel sei ein gemeinsamer Tarifvertrag. Man könne aber keine Gewerkschaft zwingen, nicht zu streiken. Jede müsse sich allerdings überlegen, ob ein Streik verhältnismäßig sei. Bei der aktuellen Streikorgie zweifeln an dieser Verhältnismäßigkeit aber viele.

Die Macht der Kleingewerkschaften besorgt die Politik ohnehin. Die mitgliederstärkste ist der Marburger Bund, in dem sich rund 110000 Krankenhausärzte organisiert haben. Der hat bereits angekündigt, gegen das geplante Gesetz vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Ministerin Nahles spricht daher schon vom „Streik der Besserverdienenden“. Peter Entinger


MELDUNGEN

Kripo will Drogenfreigabe

Berlin – Der Bund deutscher Kriminalbeamter (BDK) fordert Straffreiheit bei Rauschgiftkriminalität. Grund seien die Zustände bei Polizei und Justiz. Die Bekämpfung der organisierten Kriminalität sei größtenteils der Kampf gegen Drogen. Für andere Bereiche wie Wirtschaftskrimninalität und Menschenhandel blieben kaum Kapazitäten übrig, so BDK-Chef André Schulz. Es stelle sich die Frage, ob zu der im Grundgesetz garantierten freien Entfaltung der Persönlichkeit nicht auch die Freiheit gehöre, darüber selbst zu entscheiden, ob man berauschende Mittel nimmt oder nicht. Ziel müsse es sein, den Drogenkonsum zu entkriminalisieren. Der Gesetzgeber habe eine Überprüfungspflicht und müsse auf deutliche Veränderungen in der sozialen Wirklichkeit und in der Wissenschaft reagieren. J.H.

 

Geld für Frieden und gegen Ebola

Berlin – Die Bundesrepublik Deutschland leistet im UN-Haushaltsjahr 2014/15 einen finanziellen Beitrag in Höhe von umgerechnet etwa 402 Millionen US-Dollar für friedenserhaltende Maßnahmen und ist damit viertgrößter Beitragszahler bei UN-Friedensmissionen. Die größten Beträge fließen in die Missionen Monusco (Kongo), Unamid (Darfur), Unmiss (Südsudan), Minusma (Mali) und Minusca (Zentralafrikanische Republik). Den Kampf gegen Ebola hat sich die Bundesregierung bis Anfang Oktober 17 Millionen Euro kosten lassen. Davon flossen allein 10,4 Millionen Euro an die Weltgesundheitsorganisation WHO, 750000 Euro an „Ärzte ohne Grenzen“ und 400000 Euro an die „Welthungerhilfe“. Die Bundesregierung hat ihre Hilfszusagen Mitte des Monats nochmals um 85 Millionen Euro auf nunmehr 102 Millionen Euro erhöht. J.H.


S. 6 Ausland

Brücken oder Barrikaden für Amerika
Präsident Obama bangt bei Wahl am 4. November um Mehrheit − Ruf als Zögerer kann seiner Partei schaden

Konfrontiert mit gegenwärtigen (und zukünftigen) explosiven Gefahrenherden in einer eng zusammengerückten Welt, hat sich im Wahljahr in der US-Politik eine interessante Debatte erhoben: Wie können die Vereinigten Staaten den Herausforderungen am besten begegnen und die eigene Sicherheit gewährleisten – durch das Bauen von Brücken oder das Errichten von Barrikaden?

Die Barrikaden-Strategie beruht auf der alten Rolle Amerikas als führende Supermacht der Welt, die mit ihrem mächtigen Verteidigungsapparat Konflikte am besten im Alleingang angeht, sei es mit militärischen Aktionen in der Terrorbekämpfung, harten Maßnahmen gegen Immigration oder Entschlüssen, die US-Wirtschaft betreffend. Die Brückenbau-Strategie hingegen vertritt die Ansicht, dass die Länder und ihre Schicksale heutzutage so verzweigt seien, dass kaum eine Nation mehr nur für sich allein handeln könne, wo es um globale Gefahren geht. Und dass die Sicherheit aus der Diplomatie kommt, aus dem Bau von freundschaftlichen Brücken mit Diskussionen, Absprachen und gemeinsamem Vorgehen wie unter guten Nachbarn.

Die Spitzen der republikanischen Partei stehen alle hinter den „Barrikaden“. John A. Boehner und Kevin McCarthy, Sprecher und Mehrheitsführer des Repräsentantenhauses, sowie der Vorsitzende des Geheimdienstkomitees im Parlament, Mike Rogers, kämpfen derzeit um den schnellstmöglichen Einsatz von US-Bodentruppen im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) in Syrien und dem Irak. „Im Kampf gegen ISIS müssen wir den Verlust von amerikanischen Leben riskieren“, so Rogers unlängst. Doch keiner der Falken agiert dabei so vehement wie Senator John McCain, der auch seit Langem ein hartes Vorgehen gegen Präsident Wladimir Putin wie gegen die Iraner propagiert. Als republikanischer Präsidentschaftskandidat verlor er 2008 verbittert die Wahl gegen Barack Obama.

Jetzt bahnt sich eine Revanche an. Wenn es seinen Republikanern bei der Wahl am 4. November gelingt − was viele erwarten − nach dem Repräsentantenhaus auch noch den Senat zu erobern und damit den gesamten Kongress zu kontrollieren, wird McCain wohl Vorsitzender des Streitkräfte-Komitees im Senat. Dann will er unter anderem Kürzungen im Verteidigungshaushalt wieder rückgängig machen und den sofortigen Einsatz von Bodentruppen forcieren, was nach einer Gallup-Befragung von 54 Prozent der US-Bürger abgelehnt wird. Auch will er Verteidigungsminister Chuck Hagel und die Generäle unter Martin Dempsey mit deren Plan einer Flugverbotszone über dem Nordosten von Syrien unterstützen. Vor allem will McCain den Präsidenten und dessen „Keinen Fuss auf den Boden“-Strategie lahmlegen. „Wir arbeiten dann mit dem Repräsentantenhaus zusammen und lassen ihm die Wahl: entweder unterzeichnen oder Veto“, verkündete er bereits, und: „Aber er wird schon einsehen, was wir zusammen erreichen können“ – wenn er denn nachgibt. Denn Obama ist der „Commander in Chief“, der oberste Feldherr, und ohne ihn gibt es keinen Einsatz von Truppen und keine neuen Kriege.

So dürfte der Präsident mit erheblichem Interesse dem Ausgang der Wahl am kommenden Montag entgegensehen. Umgeben von Kritikern seiner Außenpolitik, mit einer gesunkenen Bewertung von um die 40 Prozent und gemieden von etlichen der eigenen Demokraten in dem harten Wahlkampf, steuert er sein Schiff durch hohe Wellen. Er hat noch zwei Jahre, um sein politisches Vermächtnis zu etablieren. Obama gehört wie die meisten Demokraten zu den Brückenbauern, wie unter anderem die Verhandlungen mit dem Iran und die Koalition gegen den Islamischen Staat zeigen. Doch die Schwäche des Brückenbauens besteht darin, dass es oft lange dauert, dass es Zeit und Geduld erfordert, einen vielfach ungewissen Ausgang hat und daher Zweifel nährt. Ist Obama ein Hamlet, ein Zweifler, ein Zögerer? Ein Messias oder ein Versager? Wird sein 2008 von der ganzen Welt umjubelter Einzug ins Weiße Haus mit einem tiefen Fall enden? Ein Hosiannah – kreuzigt ihn? Oder wird am Ende herauskommen, dass er recht gehabt hat?

In einer interessanten Analyse zog die „Los Angeles Times“ kürzlich den Vergleich zu dem römischen Diktator Quintus Fabius Maximus im 3. Jahrhundert vor Christi und seiner berühmt gewordenen Verzögerungstaktik. Der hochangesehene General und Senator war, wie in Rom zu Zeiten einer Krise möglich, zum Diktator gewählt worden, um die Republik gegen den heranstürmenden Hannibal zu verteidigen. Doch er zog nicht mit fliegenden Fahnen gegen das Riesenheer an, sondern versuchte mit zahlreichen Gefechten am Rande und mit Verbündeten, die unter anderem den Nachschub von Soldaten und Kriegsmaterial blockierten, Hannibals Heer langsam zu zermürben. Die in ihrem Stolz gekränkten Römer setzten Fabius Maximus ab, nannten ihn einen „Cunctator“, einen „Verzögerer“, und ersetzten ihn durch einen Senator, der die Legionen 216 BC in die verheerende Schlacht von Cannae führte, in der an die 70000 Legionäre umkamen. Erst da erkannten sie die Weisheit von Fabius Maximus, und der Titel „Cunctator“ wurde ein Ehrentitel. Die Fabius-Strategie wurde später in der Geschichte öfter angewandt, unter anderem von George Wa­shington im Unabhängigkeitskrieg gegen die Engländer und im Kalten Krieg mit der Sowjetunion, der die Gefahr eines Nuklearkrieges barg.

Obama ein Fabius Maximus? Das wird erst die Geschichte zeigen. Liselotte Millauer


Gekaufter Verrat?
EU-Kritiker bleiben weiter eine Fraktion

Einem schweren Vorwurf sieht sich EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) vonseiten der EU-kritischen britischen UK Independence Party (Ukip) ausgesetzt: Er soll der lettischen Abgeordneten Iveta Grigule (Bauernpartei) als Gegenleistung für ihren Austritt aus der Fraktion „Europa der Freiheit und der Demokratie“ (EFDD) die Leitung einer Auslandsdelegation angeboten haben. Bislang gehörten zur EFDD-Fraktion neben den Abgeordneten der Ukip auch Vertreter aus Tschechien, Italien, Frankreich, Lettland, Litauen und Schweden. Was den Austritt der lettischen Abgeordneten so brisant macht, sind die weitreichenden Konsequenzen für die Gruppe um Nigel Farage: Um im Europaparlament offiziell als Fraktion anerkannt zu werden, müssen sich mindestens 25 Abgeordnete aus mindestens sieben Ländern zusammenschließen. Der Fraktionsstatus garantiert nicht nur deutlich mehr Redezeit im EU-Parlament, sondern auch mehr Möglichkeiten bei der Mitarbeit in Ausschüssen und nicht zuletzt auch finanzielle Mittel. Nach Angaben des britischen „Guardian“ droht bei einem Verlust des Fraktionsstatus allein der Ukip ein Einnahmeverlust von einer Million Pfund jährlich.

Entsprechend gereizt wurde vonseiten der Partei auf die Nachricht reagiert, dass die lettische Abgeordnete nach nicht einmal sechs Monaten Zugehörigkeit die Fraktion verlässt und damit gleichzeitg sprengt. Der „Hinterzimmerhandel“ zeige, dass es im EU-Parlament „wie in einer Bananenrepublik“ zugehe, so der Vorwurf aus den Reihen der Ukip, die neben der „Fünf Sterne“-Bewegung des Italieners Beppe Grillo das Gros der Abgeordneten der EFDD-Fraktion stellt.

Sollte der EU-Parlamentspräsident tatsächlich bezweckt haben, mit Abwerbeplänen das Bündnis der EU-Kritiker zu schwächen, so können derartige Bemühungen als zunächst einmal gescheitert angesehen werden. Mit dem Beitritt des bisher fraktionslosen polnischen Abgeordneten Robert Iwaszkiewicz (Kongress der Neuen Rechten) ist die Gruppe um Farage wieder groß genug, um eine Fraktion zu bilden. „Um Mark Twain zu zitieren, Gerüchte über unseren Tod sind mächtig übertrieben“, so Farage zu der überraschenden Wende. N. Hanert


Deutsche Welle dient sich Peking an
Auslandsfunk will mit chinesischem Staatsfernehen kooperieren

Bei der Deutschen Welle (DW), dem steuerfinanzierten Auslandsrundfunk, hatte man jahrelang nicht einmal gewusst, was deren chinesische Re­daktionsmitarbeiter auf Chinesisch senden. Erst als 2008 die Kritik an zu regimefreundlichen Sendungen laut wurde, beauftragte man den Sinologen Jörg Rudolph, täglich die Sendungen zu überprüfen und zu bewerten. Dies tat Rudolph, ein vorzüglicher China-Kenner, der auch die berühmte „Charta 08“ chinesischer Dissidenten ins Deutsche übersetzte, fünf Jahre lang.

Kurz nach Amtsantritt des neuen Intendanten Peter Limbourg 2013 jedoch hatte man auf einmal kein Interesse mehr daran. Erst durch einen Anruf der PAZ erfuhr Rudolph, dass auf der DW-Website in einer Pressemitteilung vom 2. Ok-tober zu lesen steht, die „Form und Qualität seiner Auswertungen“ hätten „nicht mehr den Erwartungen der DW“ entsprochen. Rudolph erklärte gegenüber der PAZ, im letzten Jahr habe ihm der damalige Leiter der China-Redaktion, Matthias von Hein, nur telefonisch mitgeteilt, laut einer „Anweisung von oben“ solle die Zusammenarbeit eingestellt werden. Rudolph, Dozent am Ostasieninstitut der Fachhochschule Ludwigshafen, ist als scharfer Kritiker des kommunistischen Regimes bekannt. Aufgrund seiner Kritik an der Zusammenarbeit deutscher Forscher mit den von Peking finanzierten „Konfuzius-Instituten“ in Deutschland erhält er kein Visum mehr für China.

Die Kündigung der Prüftätigkeit Rudolphs bei der DW passt zu weiteren Veränderungen seit Limbourgs Amtsantritt, der vom Privatsender ProSiebenSat.1 an die Spitze des Bundessenders gewechselt ist. So wurde von Hein von seinem Posten entbunden.

Wie die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“) unter Verweis auf ihr vorliegende interne Dokumente Anfang Oktober enthüllte, waren den Veränderungen in der China-Re­daktion der DW mehrere Treffen mit chinesischen Diplomaten vorausgegangen. Die „SZ“ zitierte aus dem Protokoll einer Sitzung der Berliner DW-Redaktion vom

22. April: „Im weiteren Verlauf des Gesprächs bezog sich Herr Z. (Name des chinesischen Diplomaten abgekürzt) auf die Treffen zwischen dem Intendanten Limbourg mit dem chinesischen Botschafter mit dem Ziel einer Verbesserung und Entspannung der derzeitigen Beziehungen der DW zu China. Herr Z. sagte, die Botschaft erwarte eine ‚objektivere Berichterstattung‘. Die Botschaft beobachte die Webseite der chinesischen DW-Redaktion aufmerksam. Leider sei bisher ‚keine substanzielle Verbesserung‘ bemerkbar. Erst wenn es in dieser Hinsicht Veränderungen gebe, könne die Zusammenarbeit von chinesischer Seite neu beginnen …“

Wie die „SZ“ weiter berichtet, hat die DW-Vertreterin auf die Kritik der chinesischen Botschaft mit einem Hinweis auf den neuen DW-Kolumnisten Frank Sieren reagiert. Im Protokoll schreibe sie: „Die von mir erwähnte Kolumne von Frank Sieren schien der Botschaft noch nicht aufgefallen zu sein.“ Der pekingfreundliche Sieren, der in der chinesischen Hauptstadt auch eine Filmgesellschaft betreibt, kann mittlerweile häufig für die DW kommentieren. Sehr übel war ein Beitrag von ihm am 4. Juni, dem Jahrestag der Niederschlagung der Protestbewegung auf dem Tiananmen. Sieren sprach von einem „Ausrutscher“ der chinesischen Regierung und „westlichen Überzeichnungen“. In dem konfusen Beitrag schrieb er dabei einerseits von „im Westen kolportierten Berichten von einem ,Massaker‘“ auf dem Tiananmen, während er selbst zuvor darauf verwies, dass der damalige chinesische Staatspräsident Jiang Zemin von 400 Toten gesprochen habe. Es stellt sich mithin die Frage, ab wie vielen Toten für Sieren ein Massaker ein Massaker ist. Die „SZ“ wies darauf hin, dass das Pekinger KP-Sprachrohr „Global Times“ im August lobte: „In den letzten Monaten hat sich die Kommentierung auf der Webseite der DW Peking mehr und mehr angenähert.“

Sierens Beitrag vom 4. Juni wurde auch von Su Yutong scharf kritisiert, einer bisher freien Mitarbeiterin der DW. Ihr Honorarvertrag wurde gekündigt. Offiziell wurde als Grund genannt, sie habe Redaktionsinterna im Internet verbreitet. Gegenüber dem NDR erklärte sie: „Das Erste, was Peter Limbourg bei seinem Amtsantritt zu uns gesagt hat, war, kritisiert nicht immer nur die chinesische Regierung. Außerdem sagte er, dass die China-Redaktion der Deutschen Welle eine neue Richtung einschlagen muss.“

Limbourg will mit dem chinesischen Staatsfernsehen kooperieren und ihm mehr DW-Sendungen verkaufen. Rudolph nennt das gegenüber der PAZ einen Skandal. Damit mache man sich ganz schnell abhängig. Scharfe Kritik kam auch von „Reporter ohne Grenzen“ und dem Deutschen Journalisten-Verband. Michael Leh


MELDUNGEN

Kiew dementiert BND-Auslegung

Kiew – Das ukrainische Verteidigungsministerium hat die Behauptung, prorussische Separatisten hätten Flug MH17 mit einem Flugabwehrraketensystem vom Typ Buk M1 abgeschossen, das von den ukrainischen Streitkräften erbeutet worden sei, strikt zurückgewiesen. Die Einheit, die in der Region stationiert gewesen sei, sei bereits am 29. Juni mit dem Raketensystem abgezogen worden und somit noch bevor die Separatisten gekommen seien. Diese hätten nur alte und unbrauchbare Fahrzeuge vorgefunden, so ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Anlass der Erklärung war die öffentlich gewordene Vermutung des Bundesnachrichtendienstes (BND), Separatisten hätten von Regierungstruppen ein Buk-Luftabwehrraketensystem erbeutet und dann vermutlich versehentlich die Passagiermaschine abgeschossen. N.H.

 

Mehr Geld für Loyalität

Minsk – Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko lässt sich seine Freundschaft zu Russland vergolden. Für den Beitritt zur von Russland dominierten Eurasischen Wirtschaftsunion erhielt Minsk in diesem Jahr bereits zweimal 2,5 Milliarden US-Dollar. Darüber hinaus erwirkte Lukaschenko kürzlich bei einem Treffen mit Russlands Premier Dmitrij Medwedjew zusätzlich, dass Minsk 2015 drei Milliarden Dollar Zölle für die Weiterverarbeitung von Erdölprodukten einbehalten kann. Lukaschenko behält sich trotz Putins Entgegenkommen vor, jederzeit aus der Zollunion austreten zu können. Dabei hilft ihm die Isolation des großen Bruders wegen der Ukrainekrise. Von der Krise profitiert Minsk zudem, weil unter dem Embargo stehende Waren aus der EU über Weißrussland geliefert werden. MRK


S. 7 Wirtschaft

Griechenland im freien Fall
EZB zahlt Banken zwölf Milliarden Euro als Liquiditätshilfen – Regierung will Troika loswerden

Im Kampf um den Machterhalt riskiert Griechenlands Regierung die endgültige wirtschaftliche Implosion des Landes. Nicht zuletzt mit Blick auf Neuwahlen will Griechenland ähnlich wie Irland vorzeitig aus internationalen Hilfsprogrammen aussteigen.

Wie Premier Samaras (Nea Dimokratia) im griechischen Parlament ankündigte, soll Griechenland das Rettungsprogramm des Internationalen Währungsfonds (IWF) schon ein Jahr vor seinem regulären Ende verlassen. Demnach will sich Athen im kommenden Jahr selbst an den Finanzmarkt wagen, um aus dem im Jahr 2010 begonnenen Hilfsprogramm von IWF und EU aussteigen zu können. Hinter dem Vorhaben steckt weniger ein durchschlagender Erfolg bisheriger Reformen als eine verzweifelte Flucht nach vorn. Immer wahrscheinlicher werden in Griechenland nämlich Neuwahlen und damit aus Sicht von Premier Samaras ein drohender Machtverlust.

Zum Anlass einer handfesten Staatskrise droht das Ende der Amtszeit des Staatspräsidenten Karolos Papoulias im Frühjahr zu werden. Bekommt die Regierungskoalition zur Neuwahl eines Staatsoberhauptes nicht die notwendige 60-prozentige Mehrheit im 300-köpfigen Parlament zu-sammen, müssen Parlamentswahlen abgehalten werden. Sämtliche Umfragen sprechen für diesen Fall für eine Abwahl der Regierung und einen Sieg der linksradikalen Partei Syriza von Alexis Tsipras. Dass Premier Samaras mit dem faktischen Rauswurf der Aufseher von IWF und EU noch einmal entscheidend punkten kann, ist allerdings keineswegs sicher.

Bei dem Versuch, Syriza auf diese Weise den Wind aus den Segeln zu nehmen, geht die Regierungskoalition ein hohes Risiko ein. Schnell können mit dem Schritt nämlich die griechische Staatsschuldenkrise wieder zu einem akuten Problem und die nächste Stufe der Euro-Krise gezündet werden. So hat die Ratingagentur Standard & Poor’s erst vor Kurzem vor einer drohenden Staatspleite Griechenlands innerhalb der nächsten 15 Monate gewarnt. Die Ratingagentur sieht die Gefahr, dass das Land seinen Finanzierungsbedarf von 43 Milliarden Euro in den nächsten eineinviertel Jahren nicht aus eigener Kraft vollständig decken kann.

Diese Gefahr ist mittlerweile noch gewachsen. Die Aussicht, dass Athen vorzeitig auf den Euro-Rettungsschirm verzichtet, hat nämlich sehr schnell die Finanzwelt aufgeschreckt. So zogen innerhalb von drei Handelstagen die Renditen für zehnjährige griechische Staatsanleihen von 6,6 auf rund 9,0 Prozent an. Einen herben Absturz erlebten dagegen die Kurse an der Athener Börse. Unter die Räder gekommen sind mit gutem Grund vor allem die Aktien griechischer Banken.

Anleger bezweifeln nicht nur die Fähigkeit Griechenlands, sich selbst am Markt zu finanzieren, sondern auch, dass die Reformpolitik weitergeführt wird, wenn der Druck von IWF, EU und EZB wegfällt. Die entsprechende Tendenz ist ohnehin vorhanden: Nach einer missglückten Reform der Immobilienbesteuerung im Sommer, die viele griechische Grundbesitzer auf die Barrikaden getrieben hat, ist der Reformwille der Verwaltung spürbar erlahmt.

Ein Übriges tut das äußerst knappe Mehrheitsverhältnis im Parlament. Jede Petition, die von mehr als vier Abgeordneten der Regierungskoalition unterzeichnet wird, kann problemlos für eine Verwässerung wichtiger Gesetzesvorlagen sorgen. Parallel dazu wächst in dem Krisenstaat die Armut immer weiter an. Nach Daten des State Budget Office lebten im vergangenen Jahr rund 60 Prozent der Bevölkerung unterhalb der offiziellen Armutsgrenze oder galten als von Armut bedroht. Auf entsprechend fruchtbaren Boden fallen Forderungen nach einem Ende des Sparkurses, wie sie regelmäßig Tsipras präsentiert.

Bereits als sicher kann gelten, dass die jüngste Entwicklung auch für das übrige Europa Konsequenzen haben wird. Ganz offensichtlich dürften die Folgen zutage treten, wenn es durch Neuwahlen in Athen zu einem Machtwechsel kommt. Glaubt man den Ankündigungen Tsipras, dann kann die Europäische Union einen Großteil der Griechenland gewährten Kredite endgültig abschreiben. Durch Verhandlungen oder aber einseitige Beschlüsse will der Syriza-Führer einen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland erzwingen. Für die breite Öffentlichkeit weniger zu durchschauen wäre eine klammheimliche Fortsetzung der Rettungspolitik nach einem Herauskomplimentieren der Aufseher von IWF, EU und EZB, wie es Samaras nun offensichtlich plant.

Einen Vorgeschmack darauf, wie künftig die Rettungspakete für Griechenland aussehen könnten, hat unlängst die EZB geliefert. Wie die ARD berichtet, wurde Athen von der EZB „eine Art Blankoscheck“ ausgestellt. Unter Verzicht auf die sonst üblichen Sicherheiten wurden griechischen Banken sogenannte Liquiditätshilfen über zwölf Milliarden Euro gewährt. Norman Hanert


Warschau hat schnell gelernt
Polen dominiert zunehmend die EU-Klimapolitik

Mit dem jüngsten Klimagipfel der Europäischen Union können sich jene Kritiker bestätigt sehen, die eine fortschreitende „Polonisierung“ der EU-Energie- und Klimapolitik bemängeln. Eine im Vorfeld für möglich gehaltene Komplett-Blockade des Gipfels durch Polen ist nicht zuletzt deshalb ausgeblieben, weil Warschau sich in wichtigen Punkten durchsetzen konnte. So wird bei den Klima- und Energiezielen bis zum Jahre 2030 nur die Kennzahl einer 40-prozentigen CO2-Reduzieung gegenüber 1990 verbindlich sein. Ansonsten soll das Ziel eines 27-prozentigen Anteils „erneuerbarer“ Energien nicht für die einzelnen Mitgliedsländer, sondern insgesamt für die EU gelten. Das durchaus sinnvolle Ziel, die Energie um 30 Prozent effizienter zu verbrauchen, ist nur „indikativ“ – also eine unverbindliche Empfehlung.

Das Ergebnis des Gipfels macht deutlich, wie schnell Polen nach seinem EU-Beitritt gelernt hat, wie in Brüssel Politik gemacht wird. Anders als es der Name suggeriert, besteht zum Beispiel der Lobbyverband „Central Europe Energy Partners“ (CEEP) zum großen Teil aus polnischen Unternehmen, die in Brüssel zielgerichtet auf die EU-Energiepolitik einwirken. Sie tun das so überaus erfolgreich, dass Umweltverbände wie der NABU sich inzwischen in Warnungen vor einer „massiven Herabstufung des Klima- und Umweltschutzes“ der EU ergehen. Unverkennbar hat das polnische Agieren dabei ein Doppelgesicht: In die durchideologisierte EU-Klimapolitik bringen die Polen mit ihren Forderungen einerseits einen Hauch von pragmatischer Vernunft. Zum anderen versucht Warschau ohne Skrupel, die von ihm kritisierte Klimapolitik zum eigenen Vorteil zu nutzen.

So ist Polens Regierung erst vor Kurzem wegen ihrer Pläne in die Kritik geraten, Erlöse aus versteigerten EU-Emissionszertifikaten in die Sanierung des polnischen Staatshaushalts und in die Kohleverstromung fließen zu lassen. Insgesamt geht es dabei um einen Milliardenbetrag. Zu rechnen ist damit, dass Warschau im Zeitraum von 2014 bis 2019 rund 7,5 Milliarden Euro mit dem Verkauf der von Brüssel kostenlos zugeteilten Emissionsrechte einnehmen wird. Auflage dafür ist eigentlich, dass Polen im Gegenzug seinen stark kohlehaltigen Energiemix diversifiziert.

Vorangetrieben wurde das Vorhaben, die Einnahmen aus Emissionsrechten einfach umzuleiten, noch unter dem damaligen Premierminister Donald Tusk, der Anfang Dezember die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen soll. Angesichts dieser Personalentscheidung ist es kaum noch verwunderlich, dass Polen in Sachen Gratis-Emissionszertifikate auf dem jüngsten Klimagipfel noch einmal richtig aufgetrumpft hat. Es hatte Kompromissbereitschaft signalisiert, wenn es von Brüssel einen entsprechend hohen Anteil der Gratiszertifikate zugeteilt bekommt und auch bei der Verwendung der Einnahmen mehr Spielraum erhält. Norman Hanert


Strategen ohne Strategie
Zukunft des Karstadt-Konzerns bleibt weiter unklar

Die schlechten Nachrichten reißen für die Mitarbeiter des einst so stolzen Kaufhauskonzerns Karstadt nicht ab. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Aufsichtsrat in der vergangenen Woche seinen bisherigen Vorsitzenden Stephan Fanderl als neuen Vorstandsvorsitzenden eingesetzt hat. Das Sagen haben ohnehin seit mehr als einem Jahrzehnt andere. Seit die Signa Holding des österreichischen Immobilieninvestors René Benko den Konzern im August komplett übernommen hat, ist wieder einmal Sparen angesagt. Längere Arbeitszeit ohne Lohnausgleich, Verlängerung der Tarifpause, sprich der Verzicht auf die jährlichen tariflichen Gehaltserhöhungen der Branche, zusätzlich Kürzungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld, all das hat Benko im September schon angekündigt.

Dabei wurde bei Karstadt bereits kräftig gespart. Die Mitarbeiterzahl wurde von 50000 auf weniger als die Hälfte reduziert. Zudem haben die Angestellten seit der großen Krise 2003 laut Angaben der Gewerkschaft Verdi auf mehrere hundert Millionen Euro verzichtet. Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Personalrabatte, Kantinenzuschläge – all dies wurde gekürzt oder gestrichen. Gebracht hat es wenig. Nach einer Insolvenz und zwei Eigen-tümerwechseln ist die Lage erneut trostlos.

Dabei hatten sich alle Hoffnungen auf den schillernden US-Investor Nicolas Berggruen konzentriert, der Finanz-Jongleur hatte kräftige Investitionen versprochen. Nach vier Jahren ist er im Sommer weitergezogen, großen Gewinn hat er zwar keinen erzielt, aber Verluste auch nicht gemacht. „Ein Spiel mit dem Feuer“ sei es für ihn gewesen, schreibt die Tageszeitung „Die Welt“, „an Nachhaltigem war er nicht interessiert.“

Die guten Startvoraussetzungen, die er nach der Insolvenz vorgefunden hatte, sind verpufft. Karstadt steckt wieder tief in den roten Zahlen. Bereits im Ge-schäftsjahr 2011/2012 schrieb der Konzern einen Verlust von 158 Millionen Euro, im Jahr darauf waren es 131 Millionen Euro, die Aussichten für das laufende Jahr sollen kaum besser sein. Noch hat Karstadt 82 Einkaufshäuser in der Republik, aber bislang fehlt es an einer Strategie.

Benko, der neue Eigentümer, scheint immerhin klare Vorstellungen zu haben. Langfristig hält er eine Fusion mit dem Konkurrenten Kaufhof zur „Deutschen Warenhaus AG“ für denkbar, kurz- und mittelfristig möchte er aus den großen Filialen in den Metropolen „Erlebnishäuser“ für die kaufkräftige Mittelschicht machen und aus den Filialen in der Provinz Kaufhäuser, die den täglichen Bedarf abdecken sollen. Langfristig unrentable Häuser sollen abgestoßen oder geschlossen werden, auf der Kippe dürften rund 25 Läden quer durch die Republik stehen. Wie viele Mitarbeiter diese Umstrukturierung noch miterleben dürfen, ist fraglich. Benkos Finanz-Strategen haben eine „Überbelegschaft von 20 Prozent“ im Vergleich zur Konkurrenz ausgemacht, gut 2000 Angestellte könnten folglich ihren Arbeitsplatz verlieren.

Peter Entinger


MELDUNGEN

Deutsche sind zufrieden

Berlin – In einer Umfrage für den Deutschen Sparkassen- und Giroverband bezeichneten 58 Prozent der Teilnehmer ihre Lebensumstände als gut oder sehr gut. Das ist der höchste Wert seit zehn Jahren. Lediglich zehn Prozent be-werteten ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse negativ. Allerdings gaben 16 Prozent an, sich keine Altersvorsorge leisten zu können. J.H.

 

Nachschlag für die Ukraine

Kiew – Nach Angaben ihres Außenministers Pawlo Klimkin benötigt die Ukraine deutlich mehr Finanzhilfen als die vom Westen bereits zugesagten 30 Milliarden Dollar (umgerechnet 23,5 Milliarden Euro). Der zusätzliche Finanzbedarf werde „gravierend“ sein, so Klimkin gegenüber der deutschen „Wirtschaftswoche“. Zudem bekräftigte der Außenminister das Ziel der Ukraine, in zehn Jahren Mitglied der Europäischen Union zu sein. N.H.

 

Ratingagenturen liegen falsch

Jena – Deutliche Zweifel an der Bewertung der russischen Kreditwürdigkeit durch westliche Ratingagenturen hat Folker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank, geäußert: „Die öffentliche Haushaltslage Russlands spottet jeder Absenkung der Bonität. Der Überschuss stellte sich per August auf 17143 Milliarden Rubel. Einnahmen legten im Jahresvergleich um 10,8 Prozent zu, während Ausgaben um 6,9 Prozent zunahmen. Von derartigen Haushaltslagen träumt man im Westen und stuft durch den Westen Russland herab. Chapeau!“, so Hellmeyer in einem Marktkommentar auf „Goldseiten.de“. N.H.


S. 8 Forum

Der stille Mann
von Frank Horns

Gott sei Dank, es geht ja nur um die deutschen Normalmänner. Dass nur noch jeder fünfte neugeschaffene Arbeitspatz an einen von ihnen geht (siehe S. 2)? Wen kümmert das? Ja, wenn das weibliche Geschlecht betroffen wäre – dann würden Kanzlerinnen und Ministerinnen, Feministinnen und Gleichstellungsbeauftragte mit ihrer Empörung die Republik zum Erzittern bringen. Ähnlich lautstark wäre das Echo, wenn ausländischen Mitbürgern die Verliererrolle auf dem Arbeitsmarkt zugewiesen würde. Heerscharen von Wohlmeinenden würden dafür sorgen.

Aber wie gesagt, es handelt sich ja nur um den deutschen Normalmann. Der leidet still, kämpft schweigend auf dem Arbeitsmarkt, um dann, wenn er einen Job hat, mit seinen Steuern die Haupteinnahmequelle des Staates zu bilden. Niemand anderer auf der Welt meldet so viele Patente an, wie der deutsche Normalmann. Seinen Fleiß bezahlt er unter anderem mit einer geringen Lebenserwartung. Durchschnittlich sechs Jahre geringer als bei der Frau fällt sie aus. Aber wen kümmert das? Es geht ja, Gott sei Dank, nur um den deutschen Normalmann.


Perverses Ritual
von Michael Leh

Wieder gab es eine Steinigung. In Syrien. Mordgesindel des „Islamischen Staates“ hat sie an einer Frau verübt. Sie soll Ehebruch begangen haben. Ein Video samt Text über das grausame Ritual wurde im Internet verbreitet. Demnach beteiligte sich auch der Vater an der brutalen Tötung seiner Tochter, sei es freiwillig oder gezwungen gewesen. Die perversen Schurken zwangen die Frau noch dazu, sich zuvor für die Steinigung zu „bedanken“. Das Hinrichtungs­video solle „die Schönheit des Islams“ zeigen, hieß es.

Wieder werden viele sagen, dies habe mit dem „wahren“ Islam nichts zu tun. Doch niemand kann den Islam verbindlich auslegen. Im Koran ist zwar für Ehebruch keine Steinigung vorgeschrieben. Doch zum Regelwerk des Islam gehören auch die Hadithe, die überlieferten Aussprüche und Handlungen Mohammeds. So soll etwa Abdullah ibn Umar, ein Gefährte Mohammeds, bezeugt haben, dass dieser Steinigungen bei Ehebruch anordnete. Laut dem Islam-Experten Tilman Nagel wird der wichtigste Text, aus dem die sunnitische „Schariawissenschaft“ die Steinigung ableitet, auf den zweiten Kalifen Omar (634 bis 644) zurückgeführt. Islamische Rechtsgelehrte haben sich detailliert ausgedacht, wie gesteinigt werden muss. So dürfen die Steine nicht zu groß sein, damit das Opfer nicht zu schnell stirbt. Dieser Foltertod steht in einigen islamischen Staaten im Gesetz. In noch mehr Ländern wird er von Muslimen praktiziert.

Lange bevor Mohammed die Weltbühne betrat, hatte Jesus in der Erzählung über die Ehebrecherin erklärt: „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“ Darauf können wir Christen stolz sein.


Gefahr für den Dollar
von Hans Heckel

Die neuesten Außenhandelszahlen aus Washington sehen, mal wieder, katastrophal aus: Während die USA im August Waren und Dienstleistungen im Wert von rund 240 Milliarden Dollar importiert haben, erreichten ihre Ausfuhren nur etwa 200 Milliarden. Die Importe überstiegen die Exporte also um satte 20 Prozent. Und das war kein Ausreißer, so geht es seit Jahren.

Andere Volkswirtschaften wären unter einem solchen Missverhältnis längst in die Knie gegangen, denn trotz allen finanzwirtschaftlichen Abrakadabras gilt letztlich auch hier wie überall: Man kann auf die Dauer nicht ständig mehr ausgeben als man erwirtschaftet, ob als Privatmann, als Firma oder als ganze Volkswirtschaft. Im Falle der USA aber funktioniert das offenkundig (zumindest bislang) ganz wunderbar. Der private Reichtum wächst zwar sehr ungleich, aber insgesamt kräftig. Der Staat kann sich ungeachtet der negativen Handelsbilanz sogar ständig höher verschulden, ohne dass seine Kreditwürdigkeit leidet.

Die Ursache für dieses Wunder ist der Dollar. Die USA können letztlich Dollars in beliebiger Menge drucken, der Rest der Welt nimmt sie ihnen ab und rückt echte Ware dafür heraus.

Warum tut die Welt das? Weil man überall auf dem Planeten den wichtigsten Rohstoff der globalen Wirtschaft in US-Währung handelt: Erdöl. Das Öl fungiert hier gewissermaßen wie einst das Gold, es erbringt die Realdeckung fürs Papiergeld und ga­rantiert so dessen Werthaltigkeit.

Damit steht und fällt die Weltmachtstellung der USA mit der Dominanz des Öls. Kritiker raunen, Saddam Hussein oder Muammar al-Gaddafi seien gestürzt und getötet worden, weil sie an dem Dollar-Öl-Monopol haben rütteln wollen. Dies wollte auch der Chef des französischen Energie-Giganten Total, Christophe de Margerie, der vergangene Woche einem mysteriösen Unfall zum Opfer fiel.

Von offizieller Seite werden Spekulationen über einen Zusammenhang von Kriegen, Umstürzen oder Todesfällen mit dem Dollar-Öl-Monopol als „Verschwörungstheorie“ abgetan. Aber was wurde nicht schon alles auf diese Weise abgefertigt, was sich später als düstere Realität erwies. Keine zehn Jahre ist es her, da wurde als Verschwörungstheoretiker angeprangert, wer behauptete, dass das deutsche Zentralbankgold weit überwiegend in New York, London und Paris gelagert werde. Heute weiß das jeder.

So könnte PAZ-Autor Hans-Jürgen Mahlitz (siehe S. 5) durchaus den neuralgischen Punkt getroffen haben, wenn er mutmaßt, die USA könnten gar kein Interesse daran haben, dass mit der Kernfusion die Öldominanz zerbricht, weshalb sie Fortschritte bei dieser Technologie denn auch weniger als verheißungsvoll denn als bedrohlich erachteten.


Frei gedacht
Killerseuche oder profitable Panikmache?
von Eva Herman

Es gibt wohl kein Leben mehr ohne Ebola. Ebola in Afrika, Ebola in Übersee, Ebola auch in Europa, in Deutschland, Ebola an der Börse. Eine Killerseuche, die die Welt bedroht? Oder nur profitable Panikmache? Seit vor wenigen Tagen in den USA bekannt gegeben wurde, dass man in Erwägung zieht, ganze Länder flächendeckend impfen zu wollen, sollten wir allerdings schleunigst wachwerden. Denn Erinnerungen an ein rück­sichtsloses, globales Impfkartell werden wach, als die ganze Welt 2009 vor der Schweinegrippe zitterte.

Die Medien hatten sich seinerzeit überschlagen, schon die Schlagzeilen wirkten tödlich infizierend: Sie brachten uns die „grausame Seuche“ direkt ins Wohnzimmer, per Zeitung, per Internet, per TV-Nachrichten. ARD und ZDF fuhren eine Sondersendung nach der anderen, die Panik in den Augen der Moderatoren sprang wie ein giftbringendes Virus direkt in die Seelen der Zuschauer. Diese schauderten wie im ersten Fieber: Wie lange dauert es noch, bis wir dran sind? Und jetzt Ebola? Später kam die nackte Wahrheit heraus: Die Schweinegrippe war keine Pandemie, sondern ein Riesen-Deal gewesen: Eingefädelt hatten diesen ganz vorsätzlich die global agierende Pharmaindustrie, die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Politik und natürlich die Medien, die für die weltweite, strategische Panikmache zuständig waren. Ein machtvolles Konglomerat hatte sich gebildet, welches Milliarden Menschen weltweit Angst einjagte.

Was die eingeschüchterte Bevölkerung zum Zeitpunkt 2009 noch nicht ahnte: Zur Strategie ranghoher US-Regierungspolitiker hatte der Bau mehrerer weltweiter Impfstoffwerke gehört, weit vor dem angeblichen Ausbruch der Seuche. Die Wissenschaft war auf Kurs gebracht worden – alles ist bekanntlich ja immer nur eine Frage des Preises. „Da gab es die amerikanische Initiative“, so Wolfgang Wodarg, Vorstandsmitglied von Transparency Deutschland, in einem Interview, das ich 2011 verantwortete: „Im Vorstand der Firma, die die Patente für Tamiflu hielt, saß unter anderem der ehemalige US-Verteidigungsminister Rumsfeld. Als Aktieneigner hatte dieser ein großes Interesse, dass Tamiflu erfolgreich auf den Markt kam. Schon zuvor hatte Rumsfeld durch die Bush-Regierung Milliarden-Beträge locker gemacht, um die Medikamente einbunkern zu lassen.“ Auch europäische Spitzenpolitiker hatten sich in den Deal eingekauft, so hatte ebenso der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy Impffabriken bauen lassen.

Spannend in dem damaligen Szenario dürfte, genau wie auch im heute aktuellen Ebola-Szenario, die Rolle der Weltgesundheitsorganisation sein: Schon zehn Jahre zuvor war eine WHO-Arbeitsgruppe gegründet worden, deren Mitarbeiter Impfstoffe gegen Pandemien entwickelten. Hier wurden schnell die bisherigen globalen Berater-Aufgaben mit einem gewinnbringenden Serum vermischt, welches auf der ganzen Welt als „die Rettung“ gegen den Seuchentod verkauft wurde. Eins steht fest: Die WHO ist längst nicht mehr jene unabhängige Institution, als die sie einst wirkte, denn sie wird sogar völlig unverschleiert nicht mehr durch die Staaten alleine finanziert. Viele ihrer Mittel werden inzwischen von der Industrie gefördert − über Stiftungen oder andere nationale Kanäle, so der Transparency-Vorstand. Weiter warnte er: „Der Einfluss der Industrie wächst dadurch stetig an und ist mittlerweile sehr, sehr groß geworden. Die Gelder der Industrie, die an die WHO fließen, sind zweckbestimmt und dürfen nur für ganz bestimmte Projekte verwendet werden.“

Der Experte erläuterte auch, dass dieser Bereich der Vorsorge, der sogenannten pandemic preparedness, in den letzten Jahren stark entwickelt worden sei, das Interesse, das dahinter stehe, sei vor allem das Interesse der großen Impfstoffhersteller, die hier einen neuen Markt kreierten. Wodarg sprach das Unfassbare aus: „Mit Hilfe der WHO werden die entsprechenden Szenarien entwickelt wie zum Beispiel bei der Schweinegrippe. Diese Spezialisten haben den Nationalstaaten eingeredet, dass sie die Bevölkerung dagegen schützen und ihre Medikamente kaufen müssten.“ In Deutschland wurde durch die Schweinegrippe-Hysterie übrigens weit über eine Milliarde Euro verbrannt. „Das alles zahlen die Bürger, entweder über Beiträge, oder über die Steuer, denn das sind zwei Taschen derselben Hose!“

Nun fragt man sich: Im August 2014 hatte die WHO wegen Ebola die höchste Pandemiestufe ausgerufen. Vorletzte Woche warnte sie, man rechne ab sofort mit wöchentlich 10000 neuen Ebola-Erkrankungen: Ist diese Aussage wirklich seriös? Was will die WHO damit bezwecken? Panikmache? Gewiss, das gelingt ihr. Und weiter? Wo sind denn die 10000 neuen Ebola-Patienten alleine aus der letzten Woche?

Nächste Frage: Vor wenigen Tagen äußerte der Leiter des amerikanischen Nationalen Forschungsinstituts für Allergien-und Infektionskrankheiten (NIAID), Anthony Fauci, öffentlich, dass man jetzt flächendeckend ganze Länder zwangsimpfen wolle, mit Seren, die „rasch entwickelt würden“. Wie bitte? Tausende Ebola-Kranke als Versuchskaninchen? Randbemerkung: NIAID ist, welch ein Zufall, eine Tochter der US-Gesundheitsbehörde NIH. Auch erläuterte Fauci nicht, dass sein Institut rein zufällig derzeit mit dem Global Pharma-Player GlaxoSmithKline an einem experimentellen Ebola-Impfstoff, dem ersten übrigens in der klinischen Versuchsphase, arbeitet.

Nächste Frage: Der bekannte US-Autor Mike Adams, der die erfolgreiche Webseite „Naturalnews“ betreibt, fragte unlängst: Warum besitzt die US-amerikanische Gesundheits- und Seuchenschutzbehörde CDC ein Patent auf die „Erfindung” von Ebola? Die Antragsteller für das Patent werden deutlich genannt, es ist neben anderen: die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, vertreten durch den Minister, Ministerium für Gesundheitspflege und soziale Dienste, Center for Disease Control (CDC).

Demnach soll das CDC also, stellvertretend für die US-Regierung, seit 2010 ein Patent auf den Ebola-Stamm „EboBun” haben, die US-Regierung behauptet, das Virus erfunden zu haben. Nach Adams Aussage würden die Ebola-Viren von Patienten entnommen, das Virus für den Patentschutz angemeldet.

Nächste Frage: „Warum sollte die US-Regierung behaupten, Ebola ,erfunden‘ zu haben, und dann ein exklusives Monopol auf die Eigentümerschaft beanspruchen?“, fragt der Journalist zu Recht. Der Autor sieht keinen medizinischen Grund, Ebola-Patienten in die USA zu holen. Es gebe aber einen ganz anderen Grund, Ebola-Patienten nach Amerika zu holen: nämlich „sie für medizinische Experimente, die Entnahme für Biowaffen oder Ansprüche auf intellektuelles Eigentum zu missbrauchen“. Gleichzeitig gehe es um die „Isolierung, Identifizierung und Patentierung von Infektionskrankheits-Erregern, aus Gründen, über die wir nur spekulieren können“.

Während übrigens die US-Gesundheitsbehörde die Hürden für die Zulassung unzureichend getesteter Medikamente tiefer setzte, gab die WHO gleich grünes Licht für die Verabreichung von bisher nicht zugelassenen Medikamenten.

Wie sagte der Transparency-Mann in unserem Interview? „Jederzeit kann eine neue Pandemie beschlossen werden, von genau dieser international agierenden ,Elite‘“.


S. 9 Kultur

Ein Europäer malt Europa
Wahrhaft multikulturell: Münchens Alte Pinakothek würdigt Bernardo Bellotto alias Canaletto

Er war, was ein Jahrhundert später als gesellschaftspolitisches Leitbild der Moderne verkauft wurde – ein multikultureller Europäer: Bernardo Bellotto.

Bellotto, besser bekannt als Canaletto, nahm vorweg, was ein Jahrhundert später den Erfindern der Fotografie gelingen sollte – die detailgetreue Wiedergabe der Wirklichkeit. Geboren 1722 in Venedig, gestorben 1780 in Warschau, wohnte und wirkte er als Maler mal in Dresden, mal in Wien, mal in Rom und mal in München.

Im Gegensatz zu Joseph Nicéphore Nièpce und Louis Jacques Mandé Daguerre, den Urvätern des Fotos, aber bildet er die Wirklichkeit nicht einfach ab, sondern gestaltet sie, schafft seine eigene Wirklichkeit. Malend-malerisch verbindet er, was er sieht, mit dem, was er letztlich sehen will. Seine Landschafts- und Stadtansichten sind zugleich wirklichkeitsgetreu und visionär, realistisch und idealisierend. Die Perfektion, mit der es ihm immer wieder gelingt, so Gegensätzliches auf der Leinwand zu vereinen, macht ihn zum bedeutendsten Vertreter dieser als Vedutenmalerei bekanntgewordenen Stilrichtung des 18. Jahrhunderts.

Ein typisches Beispiel: In Dresden malte er für Kurfürst Fried­rich August II. einen Zyklus von 14 Stadtansichten. Als er ans Werk ging, befand sich der Turm der Hofkirche noch im Bau, was den um städtebauliche Harmonie bemühten Bellotto offenbar nachhaltig störte. Zwar sah er die störende Baustelle, im Geiste aber auch das bereits fertige Bauwerk. Und so malte er es denn auch.

Der venezianische Künstler, der sich inzwischen den Künstlernamen seines Onkels Giovanni Antonio Canal – Canaletto – zugelegt hatte, erfreute sich bei Hofe allerhöchster Gunst. Der Kurfürst, in Personalunion auch König von Polen, stellte ihn als Hofmaler mit einem für damalige Verhältnisse üppigen Jahresgehalt von 1750 Talern an, schenkte ihm zum Einstand eine goldene Tabakdose und kümmerte sich als Taufpate sogar um die Nachkommenschaft des Künstlers. Seiner Majestät Erster Minister, Graf Heinrich von Brühl, wollte solcher Kunstleidenschaft nicht nachstehen und orderte Zweitausfertigungen der 14 Stadtansichten aus der Hand Canalettos.

Der Siebenjährige Krieg, ausgebrochen 1756, brachte einen tiefen Einschnitt im Leben des Malers aus Venedig. Sein Mäzen musste nach Warschau ins Exil fliehen. Dass er dort weiterhin königlich in Amt und Würden bleiben konnte, machte den Verlust des sächsisch-kurfürstlichen Status wohl erträglicher.

Canaletto hingegen musste nicht nur die Zerstörung seines Hauses und den Verlust seiner dort gelagerten Werke ertragen, sondern sich auch eine neue berufliche Heimstätte aufbauen. Der erste Versuch in Bayreuth ging daneben: Die Bayern mochten weder den Maler noch dessen Stil; so zog er weiter nach Wien.

Hier blieb er zwei Jahre, lieferte alle sechs Wochen beim Kaiserhof ein Gemälde ab, sicherte sich mit Auftragsarbeiten auch das Wohlwollen des Liechtensteiner Fürstenhauses, das im böhmisch-mährischen Teil der k. u. k. Mo­narchie große Ländereien und zahlreiche Schlösser besaß, die 1945 von den neuen kommunistischen Herren enteignet wurden.

Maria Theresia, die als Regierende Erzherzogin nicht nur die Wiener Politik, sondern auch den Kunstgeschmack dominierte, ließ Canalettos Bilder in ihrem Palast aufhängen und verfasste höchstpersönlich ein Empfehlungsschreiben. Damit wanderte der Künstler alsbald weiter nach München. Und während seine Wiener Werke nach Preßburg ausgelagert wurden, schmückten seine Münchner Stadt- und Schlossansichten die kurfürstlichen Räume in der Residenz. Die Isarmetropole bewahrte ihm, auch wenn er schon nach wenigen Monaten über Dresden nach Warschau zog, ein bleibendes Andenken, was sich nun auch in der großen Einzelausstellung der Alten Pinakothek dokumentiert.

Canalettos Werk kann durchaus auch kritisch gesehen werden. Was seine Auftraggeber erwarteten, nämlich die originalgetreue Dokumentation städtebaulichen Glanzes im Dienste ihres eigenen Nachruhms – längst geht das mit der Kamera einfacher und genauer als mit Pinsel und Leinwand. Eins verdrängt solche Kritik: Wenn Canaletto etwa das Nymphenburger Schloss verewigte, begnügte er sich nicht mit einer fotorealistischen Darstellung; seine idealisierende Darstellung des städtischen Umfelds war zugleich Anregung für künftige Planer und Bauherren.

Einen besonderen Rang nimmt Canalettos Bild der Dresdner Kreuzkirchenruine ein. Hier wendet der Künstler den Blick zurück; im Schmerz um das von preußischen Truppen im Siebenjährigen Krieg zerstörte Bauwerk klingt auch Trauer um das bei selbiger Gelegenheit verlorene Heim mit. Das geschäftige Treiben rund um die Ruine zeigt aber auch, dass Canaletto das Neue, das Zukünftige im Visier hatte: den Abschied vom mächtigen Renaissancestil zum als leichter empfundenen Klassizismus.

Canaletto war – wie modern und zeitgeistgemäß das klingt! – ein wahrer Europäer. Mehr noch: Er verkörperte in Leben und Werk das, was mit „multikulturell“ wirklich gemeint ist. Oder gemeint sein sollte: Spiegel der kulturellen Vielfalt dieses Kontinents, während „multikulti“ heute in aller Regel zu viel mit „multi“, aber gar nichts mit „kulti“ zu tun hat. Das Europa, das der Europäer Canaletto malte, war keineswegs „heile Welt“ – oft aber eine schönere. Hans-Jürgen Mahlitz

Alte Pinakothek München, bis 18. Januar 2015, täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, dienstags bis 20 Uhr, Eintritt: 10 Euro. Internet: www.pinakothek.de


Weißer Engel in der Hölle
Vor 100 Jahren starb der Lyriker Georg Trakl im Krieg durch Kokain

Nur wenige Schritte vom Mozarthaus entfernt befindet sich in Salzburg das Trakl-Haus. Während aber das Haus des Komponisten zu jeder Jahreszeit von ganzen Heerscharen fotografierwütiger Touristen belagert wird, nimmt das Geburtshaus des Lyrikers Georg Trakl kaum jemand wahr. Wie von der Zeit vergessen, befindet es sich dicht an einem der zentralen Orte Salzburgs, dem – natürlich – Mozartplatz. Dabei hat Trakl in seiner anfangs noch gereimten Lyrik die Le­bensqualität seiner Heimatstadt ge­priesen wie kaum ein anderer. „Voll Früchte der Hollunder; ruhig wohnte die Kindheit / In blauer Höhle“, be­ginnt etwa sein Gedicht „Kindheit“.

Hätte sich seine glücklich Kindheit auch in seinen jungen Erwachsenenjahren fortgesetzt, dann wäre Trakl der gefeierte Salzburger Dichterheld. Stattdessen hat die Stadt an der Salzach ein gespaltenes Verhältnis zu ihrem nach Mozart und Karajan nächst berühmten Sohn. Eine nach dem Tod des Vaters einsetzende Drogensucht, eine mit der Pubertät aufkeimende rebellische Ader gegen bürgerlichen Mief und familiäre Enge sowie ein gerüchteweises inzestuöses Verhältnis zur Schwester Grete machten Trakl nicht unbedingt zu einem Vorzeigedichter.

Dabei hatte Trakl einen be­trächtlichen Einfluss auf spätere Lyriker-Generationen. Für Autoren wie Nelly Sachs, Peter Huchel, Johannes Bobrowski, Ingeborg Bachmann, Paul Celan oder Sarah Kirsch war er dichterisches Vorbild. Doch ähnlich wie im Fall des 1912 jung in der vereisten Havel ertrunkenen gleichaltrigen Lyrikers Georg Heym trug zum Ruhm von dessen Seelenverwandten Trakl zum großen Teil auch ein früh geendetes, selbstzerstörerisches Leben bei. Trakls Drogensucht in Verbindung mit rätselhaft-morbiden Wortgeröllen machte ihn in den Augen der Nachwelt zu einer Art frühen Rockstar. Er war außerdem der Baudelaire unter den deutschsprachigen modernen Dichtern. Den französischen Lyriker schien Trakl sowohl in der Opiumsucht wie auch später in ei­nem archaisch verklausulierten Verston nachzuahmen.

Wahrscheinlich durch seine Mutter – von Trakl selbst als nervenkranke Opiumesserin be­zeichnet – kam er mit Morphium, Chloroform und anderen Rausch­mitteln in Kontakt. Da er nach dem Tod des Vaters, eines in Salzburg angesehenen Eisenhändlers, ständig in Geldnot war, benötigte er eine Arbeit, um seine teure Sucht bezahlen zu können. Er wurde Praktikant in der Salzburger Apotheke „Zum weißen Engel“ und saß damit direkt an der Bezugsquelle.

Beruflich versagte er als Apotheker, und auch privat war er unfähig, ein geregeltes Leben aufzubauen. Von Neurosen und Angstzuständen geplagt, fand er sich schließlich an der galizischen Kriegsfront wieder, wohin er sich als Pharmazeut freiwillig gemeldet hatte. Doch die Schlacht von Grodek, wo er im Feldlazarett 90 Schwerverletzte versorgen muss­te, konnte sein angegriffener Geisteszustand nicht verkraften. Mit der Diagnose „endogene Schizophrenie“ ins Krakauer Garnisonsspital eingeliefert, endete dort sein Leben am 3. November 1914 an einer Überdosis Kokain.

Er war da erst 27 Jahre alt. Kurz vorher hatte er mit dem posthum veröffentlichen Gedicht „Grodek“ die Verse gedichtet, die ihn unsterblich machten: „Am Abend tönen die herbstlichen Wälder / Von tödlichen Waffen, die goldenen Ebenen / Und blauen Seen, darüber die Sonne / Düstrer hinrollt ...“ Einen Schuss sollte er nicht mehr hören. Den seiner geliebten Schwester Grete, die sich nur drei Jahre nach seinem Tod in Berlin erschoss. Harald Tews


Von Japan besessen
Wie das Land der aufgehenden Sonne Monet und Co. inspirierte

Auf die Kunst Japans angesprochen, bekannte der Impressionist Claude Mo­net: „Was uns im Westen be­sonders beeindruckt hat, ist diese kühne Art und Weise, die Sujets zu beschneiden. Die Japaner haben uns eine andere Art der Bildkomposition gelehrt, daran besteht nicht der geringste Zweifel.“ Seit den 1860er Jahren wurden in Frankreich kunsthandwerkliche Objekte und Farbholzschnitte aus Japan begeistert gesammelt und dienten Künstlern als Inspirationsquelle. Dieses Phänomen wird als „Japonisme“ be­zeichnet. Ihm ist im Essener Museum Folkwang eine Schau gewidmet, die etwa 400 Werke umfasst. Gemälden, Grafiken und Kunsthandwerk, das zwischen 1860 und 1910 in Frankreich geschaffen wurde, sind Farbholzschnitte, Wandschirme, Fä­cher, Gefäße und andere Objekte aus Japan gegenübergestellt.

Projektleiterin Sandra Gianfreda erklärt: „Die japanische Kunst ist für die Entwicklung der europäischen Moderne von grundlegender Bedeutung.“ Zum Auftakt der Schau steht die Darstellung japanischer Motive und Gegenstände in den Werken westlicher Künstler im Blickpunkt. Das so farbenprächtige wie spektakuläre Paradebeispiel stammt von Vincent van Gogh. Sein Gemälde „Japonaiserie“ (1887) zeigt einen Seerosenteich, auf dem ein Wandschirm mit der Darstellung einer Kurtisane „steht“. Die Kurtisane stammt von einem Holzschnitt des Japaners Keisai Eisen. Sein Bildmotiv erschien 1887 auf dem Titelblatt einer Pariser Illustrierten. Ein Exemplar, das van Gogh gehörte, ist ausgestellt.

Andere Gemälde übertragen und interpretieren japanisch in­spirierte Bildthemen auf die eigene Umwelt. Zu den berühmtesten japanischen Farbholzschnitten gehört Katsushika Hokusais „Große Welle vor der Küste bei Kanagawa“ (1830/31). Dieses Bild zeigt neben dem Hauptmotiv der Welle auch Boote und den Berg Fuji. Gustave Courbet aber „radikalisierte“ in Gemälden wie „Die Woge“ (1869) das Sujet, indem er unter dramatisch verfärbtem Himmel einzig und allein eine mächtige Welle malte, die mit schaumiger Gischt gegen uns anzurollen scheint.

Ende des 18. Jahrhunderts schuf Kitagawa Utamaro eine Holzschnittfolge, die Frauen bei intimen Verrichtungen wie Wa­schen, Frisieren und Anziehen darstellt. Dieser Motivbereich spielte auch bei Edgar Degas eine prominente Rolle, wie beispielsweise sein Gemälde „Beim Fri­sieren“ (1892−1895) zeigt.

In der Abteilung „Verinnerlichtes Japan“ sind Werke zu sehen, mit denen die westlichen Künstler japanische Stilmittel in eine eigene Bild- und Formsprache verwandelten. Van Goghs Gemälde „Sämann bei Sonnenuntergang“ (1888) etwa nutzt mit der Flächigkeit der Darstellung, dem Einsatz eines Baumes zur Bildgliederung und der Nahsichtigkeit des vom unteren Bildrand angeschnittenen Sämanns Gestaltungsmittel japanischer Farbholzschnitte. Doch das Bildergebnis ist unverwechselbar „ein van Gogh“. Der zentrale Raum aber ist den betörenden Gemälden Mo­nets vorbehalten, die seinen Garten und Seerosenteich mit japanisch anmutender Brücke in Giverny darstellen. Projektleiterin Gianfreda urteilt, dass Monets gesamte Grundstücksgestaltung von japanischen Farbholzschnitten angeregt sei. Seine weltberühmten Seerosenbilder seien ohne die Beschäftigung mit Japan nicht denkbar. Veit-Mario Thiede

Bis 18. Januar 2015 im Museum Folkwang, Museumsplatz 1, Essen. Dienstag bis Donnerstag 10 bis 20 Uhr, Freitag bis 22 Uhr, Sonnabend und Sonntag nur bis 18 Uhr, Eintritt: 13 Euro.


MELDUNGEN

Canaletto-Verein holt Täubert

Dresden − Der Verein Canaletto Forum Pirna und die Festung Königstein haben gemeinsam ein Kunstwerk des Zingg-Schülers Carl Gregor Täubert erworben. Die Radierung „Ansicht von Königstein und Lilienstein und Pfaffenstein in der Sächsischen Schweiz“ zeigt die drei Tafelberge vom Elbufer aus betrachtet. tws

 

Blick in den Grottensaal

Potsdam − Im Rahmen einer Son­deröffnung vom 25. Oktober bis zum 2. November 2014 lädt die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg ein, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und die ersten Ergebnisse der Restaurierungsarbeiten im Grottensaal im Neuen Palais in Sanssouci zu begutachten. Der Grottensaal ist im Rahmen des Schlossbesuchs von 10 bis 17 Uhr geöffnet (Besichtigung nur mit Führung). Eintritt: 8 Euro. tws

 

Graue Katzen beim Filmfest

Heidelberg − Vom 6. bis 16. No­vember findet das 63. Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg statt. Das nach der Berlinale und den Hofer Filmtagen wichtigste deutsche Kinofest wird am Donnerstag um 20 Uhr im Kino I im Heidelberger Schlossgarten mit dem belgischen Film „Alle Katzen sind grau“ eröffnet. Unter dem Motto „Filme feiern“ präsentiert das Festival 25 Wettbewerbsfilme, die um den begehrten Hauptpreis konkurrieren. Infos: www.iffmh.de tws


S. 10 Preussen

Ein Sechstel ging in Flammen auf
Vor 250 Jahren verlor Königsberg durch eine Feuersbrunst einen Großteil seines mittelalterlichen Charakters

Vor 250 Jahren brach in den Königsberger Kaianlagen ein Großbrand aus, der sich schnell in Richtung Altstadt, Kneiphof, Löbenicht und Sackheim ausbreitete und dort zahlreiche Wohnhäuser und Speicher in Schutt und Asche legte. Hierdurch büßte die ostpreußische Hauptstadt viel von ihrem ursprünglichen mittelalterlichen Flair ein.

Am Dienstag, dem 13. November 1764, vermeldeten mehrere deutsche Zeitungen aus Königsberg: „Vorgestern Abends um 6 Uhr entstand allhier, bey einem heftigen Sturm aus Westen, auf der Lastadie bey dem rothen Kran, nahe an den Königl. Zollspeichern und dem Kriegs-Magazin, ein so gewaltiges Feuer, daß diese Speicher in volle Flamme geriethen, ehe die nöthige Hülfe geleistet werden konnte.“

Ausgangspunkt des Brandes soll dabei die kleine Werkstatt eines Segelmachers am altstädtischen Verladekai gewesen sein, wobei einiges auf Brandstiftung hindeutete. Allerdings konnte niemals ein Täter dingfest gemacht werden. Jedenfalls erfasste das Feuer zuerst die Heringsbrücke sowie die Flachswaage und griff dann auf die Gebäude am Ufer des Pregel über, in denen sich erhebliche Sachwerte befanden. Hierüber berichtete die „Erlanger Real-Zeitung“: „Die sämtlichen grossen Speicher, deren 6 waren, wurden mit allem Getraide, Mehl und Salz vom Feuer verzehrt, ohne daß das geringeste gerettet werden konnte. Es sind ausser dem vielen Getraide, 22000 Scheffel Mehl und über 1000 Tonnen Königl. Salz eingeäschert worden.“

Aber damit nicht genug: Trotz des heftigen Regens und aller Maßnahmen, das Feuer einzudämmen, griff dieses bald weiter um sich, weil der starke böige Wind, welcher sogar das Pregelwasser staute, „die Flammen und das in der Luft herumfliegende Getraide mit sich dergestalt herum riß, daß dieses angezündete Getraide in der Altstadt und im Kneiphofe, auf Häuser, Dächer und Gassen zerstreuet ward.“ Und dabei hatten die Königsberger noch Glück im Unglück, weil es in der Stadt kaum mehr Häuser mit Strohdächern gab und zudem 1370 öffentliche und private Wasserbehälter für Feuerlöschzwecke zur Verfügung standen – dies war eine Konsequenz aus den verheerenden Bränden der Jahre 1513, 1539 und 1544. Außerdem sorgte der Kolberger Schiffseigner Joachim Nettelbeck (1738–1824) durch seinen heldenhaften Einsatz dafür, dass ein mit Hanf beladener und lichterloh brennender holländischer Frachtkahn vom Kai weggestoßen wurde, was die anderen Schiffe an der Lastadie vor der Vernichtung bewahrte. Andererseits ereigneten sich aber auch einige Pannen: So gelangten beispielsweise nicht alle 13 Spritzenwagen zum Brandort, weswegen teilweise nur mit Eimern gelöscht werden konnte.

Trotz aller Bemühungen der Königsberger Bürger loderte das Feuer vom Abend des 11. bis zum Morgen des 13. November 1764. Dadurch wurden sämtliche Häuser an der Löbenichter Langgasse vernichtet sowie auch das Große Hospital, die Hospitalkirche, die Löbenichter Kirche St. Barbara, die katholische Propstei-Kirche, die Königliche Holzkämmerei (in der angeblich Holz im Werte von einer Tonne Gold verbrannte), die Landhofmeisterei, die Sackheimer Kirche und die Litauische Kirche. Dabei müssen sich dramatische Szenen abgespielt haben: zum Beispiel, als der funkensprühende Kirchturm von St. Barbara auf das benachbarte Gebäude des Löbenichter Realgymnasiums stürzte oder ein Blitz während paralleler Unwetter auch noch den Münchhof in der Altstadt in Brand setzte. Trotzdem aber starben wie durch ein Wunder nur 27 Menschen in den Flammen, wobei die meisten der Opfer Geisteskranke und „Elende“ waren, die nicht mehr rechtzeitig aus dem Löbenichter Hospital evakuiert werden konnten.

Und auch sonst entging Königsberg einer noch viel schlimmeren Katastrophe. Wenn der Wind weniger konstant geblasen, sondern seine Richtung gewechselt hätte, wäre möglicherweise die gesamte Stadt niedergebrannt. Aber dennoch wurden die Altstadt, der Kneiphof, Löbenicht und Sackheim schwer heimgesucht: Hier sanken 369 Häuser in Schutt und Asche, dazu kam der Verlust von 49 Speichern im Umfeld der Kaianlagen am Pregel – das heißt ein Sechstel von Königsberg ging in den Flammen verloren, wobei der Sachschaden bei insgesamt fünf Millionen Talern gelegen haben soll. Nicht vergessen werden dürfen auch die immateriellen Folgen wie der Wegzug des prominenten Theologieprofessors Johann Heinrich Moldenhawer (1709–1790), der sein Haus samt Bibliothek verloren hatte und nun nach Hamburg wechselte.

Natürlich begannen die Königsberger sofort mit dem Wiederaufbau, der sich aber wegen der finanziellen Nachwirkungen des Siebenjährigen Krieges ziemlich kompliziert gestaltete. Deshalb waren Spenden sehr willkommen, wobei die größte in Höhe von 205000 Talern von Friedrich dem Großen persönlich stammte. Allerdings verlor die Stadt durch die Neubauten, die unter der Aufsicht von Johann Ernst Löckell entstanden, einen Großteil ihres mittelalterlichen Charakters – so prangten nun beispielsweise sämtliche wiederauferstandenen Kirchen im Barock- oder Rokokostil.

Ein Übriges taten dann noch die revidierten Brandschutzbestimmungen, die weitere Verschärfungen erfuhren, nachdem es 1769 und 1775 zu erneuten Großbränden gekommen war, bei denen wiederum 427 Wohnhäuser und 143 volle Speicher der Vernichtung anheimfielen. Daraufhin wurde die Verwendung von Fachwerk komplett verboten. Alle Außenwände der Häuser mussten jetzt komplett massiv gebaut werden; außerdem durfte es auch keine hölzernen Regenrinnen mehr geben. Des Weiteren galt eine neue Feuerordnung, durch welche die Stadt in 13 Bezirke aufgeteilt wurde, in denen jeweils zwei Feuerherren und zwei Brunnenherren amtierten. Und die Bürger hatten 36 Kompanien zu je 20 Mann zu bilden, denen es oblag, bei Bränden die Wassereimer zu schleppen. Von diesen schaffte Königsberg genau 8852 Stück an. Desgleichen fand der Stadtchronist Fritz Gause (1893–1973) heraus, dass ab 1790 auch noch 123 metallene und 4114 hölzerne Spritzen zur Brandbekämpfung zur Verfügung standen; dazu kamen 3479 Feuerwehrleitern.

Allerdings bewahrten all diese Sicherheitsmaßnahmen, die für die damalige Zeit absolut vorbildlich waren, Königsberg nicht vor weiteren Bränden, wobei der schlimmste am 14. Juni 1811 ausbrach: Damals entzündeten sich im Hafen 400 Tonnen Öl und Teer, woraufhin eine Feuersbrunst entstand, die zahlreiche Schiffe, 144 Häuser, 134 Speicher und 27000 Last Getreide sowie auch die Syna­goge und den Grünen Kran vernichtete. Wolfgang Kaufmann


Der lange Weg vom Leibeigenen zum Landarbeiter
Der sogenannten Bauernbefreiung folgte häufig die finanzielle und wirtschaftliche Abhängigkeit vom Gutsherren

Quellen und Materialien zur Geschichte der „Bauernbefreiung“ belegen, dass die Bauern im Mittelalter zunächst Schutzuntertanen von Lehensherren waren, also derjenigen Ritter, die von den Landesherren mit Gütern und Ländereien belehnt worden waren. Das Verhältnis zwischen Bauern und Rittern war somit zuerst ein Herrschaftsverhältnis, wandelte sich aber schnell in ein Machtverhältnis, da die Lehensherren ihre Güter als eigenständige Herrschaftsbereiche führten und ihre Untertanen in die Leibeigenschaft zwangen. Im 16. Jahrhundert versuchten sich die samländischen Bauern mit Gewalt von der Fronherrschaft zu befreien. Die jahrhundertelange Verknechtung und der Einfluss der Reformation lösten den Samländischen Bauernaufstand von 1525 aus, der jedoch schnell niedergeschlagen wurde. Der seit jeher mächtige ostpreußische Adelsstand vergrößerte in der Folge zunehmend seine Güter, mehrte seinen Wohlstand und politischen Einfluss und beließ die ihre Landbesitze bewirtschaftenden Untertanen in der Leibeigenschaft.

Das feudalistische Machtverhältnis dauerte an, bis in Preußen 1794 die Leibeigenschaft und 1810 die Gutsuntertänigkeit aufgehoben wur­den. Bauern und unterbäuerliche Schichten waren zwar nun de jure frei, blieben aber zum einen aufgrund der ungleichen Ressourcenverteilung von den Gutsherren wirtschaftlich abhängig und mussten vor allem die auf den Höfen liegenden Dienstverpflichtungen gegenüber den Gutsbesitzern auch weiterhin erfüllen. Nach einem über 40 Jahre währenden Prozess wurden schließlich 1850 auch die Dienstpflichten der Bauernstellen im Rahmen der Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse aufgehoben. Nach 1807 konnte theoretisch jeder Landmann, der über die notwendigen Mittel verfügte und nicht durch Dienstpflichten an die Grundherrschaft gebunden war, seinen Heimatort als freier Mann verlassen. Die Regulierung der Bauernstellen, nicht aber die Aufhebung der Leibeigenschaft, gilt heute als Hauptmerkmal der sogenannten Bauernbefreiung, wobei dieser Begriff sich aus eben jenem Vorgang der Ablösung der Dienstpflichten entwickelte.

Doch auch nach der „Bauernbefreiung“ war es den Bauern und unterbäuerlichen Schichten kaum möglich, ihre soziale und ökonomische Lage nachhaltig zu verbessern, da ihnen die notwendigen Voraussetzungen dazu fehlten und sie in der Regel auch nicht über genügende finanzielle Rücklagen verfügten. Auswanderungswillige Bauern fanden im entlegenen Ostpreußen kaum Käufer für ihre Höfe und bis 1850 waren zudem die meisten Bauernstellen noch zu Hand- oder Spanndiensten verpflichtet, denen sie sich bis zur abschließenden Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse nicht entziehen konnten.

Auch nach der Ablösung dieser Verpflichtungen verbesserte sich die Lage der Bauern oft nicht, da sie für ihre zu Eigentum erhaltenen Stellen und den Wegfall der Dienstbarkeiten die Gutsherren entweder finanziell entschädigen oder ihnen einen Teil ihrer Felder abtreten mussten, wodurch manche neue Eigentümerhöfe zu klein wurden, um wirtschaftlich rentabel zu bleiben; eine Zwangsversteigerung des Hofes konnte die Folge sein. Wurde hingegen eine finanzielle Entschädigung vereinbart, konnte es mitunter jahrzehntelang dauern, bis die auf den Bauernstellen lastenden Hypotheken getilgt waren. Kam es in dieser Zeit zu Missernten oder anderen schwerwiegenden Zwischenfällen, drohte auch hier eine Zwangsversteigerung der überschuldeten Höfe.

In den Jahrzehnten nach 1850 verzeichnete Preußen einen stetigen Bevölkerungsanstieg. Im ländlichen Ostpreußen entstanden in dieser Zeit aber keine weiteren Bauernstellen, sondern die Kinder der Bauern dienten nach Erreichen des Erwachsenenalters zunächst, wie in früheren Zeiten, als Gesinde oder arbeiteten als Instleute, freie Landarbeiter, Deputanten oder Tagelöhner auf den Gütern. Eine große Anzahl dieser besitzlosen ländlichen Arbeiter wanderte aber aus oder ab, so dass gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein Mangel an Landarbeitern eintrat, der in Ostpreußen bis zum Eintritt des Deutschen Reiches in den Zweiten Weltkrieg immanent blieb. Die Provinzregierungen versuchten, die Landarbeiterfrage durch die Entwicklung von Konzepten zur inneren Kolonisation des östlichen Preußen zu lösen; die Siedlungspläne konnten jedoch in den ostelbischen Provinzen nicht überall zufriedenstellend realisiert werden.

Im Samland zeigte sich von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs eine hohe Fluktuation sowohl des Großgrundbesitzes als auch von Kleingrundstücken. Der überdurchschnittlich häufige Besitzerwechsel bei diesen Grundstücken hatte jedoch unterschiedliche Gründe. Der häufige Besitzerwechsel basierte auf Profitgründen; Güter galten als Prestigeobjekte, die trotz ihrer oft hohen Verschuldung einen guten Gewinn abwarfen und in wirtschaftlich unsicheren Zeiten eine sichere Geldanlage darstellten. Die kleinbäuerlichen Grundstücke hingegen wurden in der Regel durch die Erbfolge parzelliert und anteilig verkauft oder vererbt oder aufgrund einer wirtschaftlichen Notlage der Besitzer im Ganzen verkauft oder versteigert.

Bauernsöhne, die den väterlichen Hof nicht übernehmen konnten, dienten in der Regel als Gesinde, Scharwerker, Tagelöhner oder Instleute auf den Gütern. Da die bäuerlichen Grundstücke nicht unbegrenzt teilbar waren und die Gutsbetriebe nur selten Landparzellen verkauften, blieb die Zahl der Bauernhöfe und Güter relativ stabil. Beeinflusst durch das starke Bevölkerungswachstum bei gleichbleibenden Landbesitzverhältnissen entstand nun eine neue gesellschaftliche Schicht, die der Landarbeiter.

Zu den Landarbeitern zählten das Gesinde, die Instleute, Deputanten, Tagelöhner und Scharwerker. Die Gutsbetriebe beschäftigten als landwirtschaftliche Hauptarbeitskräfte sowohl Deputanten als auch Instler, die ihrerseits Scharwerker anzustellen hatten. Während es vor dem 20. Jahrhundert mehr Instleute als Scharwerker auf den Gütern gegeben hatte, drehte sich dieses Verhältnis in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg um; es gab nun immer mehr Deputanten und immer weniger Instler. Die Arbeitsverfassung dieser beiden Arbeitergattungen hatten sich seit jeher geglichen: Beide erhielten sowohl Barlohn als auch Deputat, die Instler jedoch zusätzlich einen Anteil vom Ertrag des Dreschens, dem sogenannten Erdrusch. Mit fortschreitender Mechanisierung entfiel der Erdrusch; das Instverhältnis wurde überflüssig und in der Folge vom Deputantenverhältnis abgelöst. Die alte Gesindeordnung, der die Landarbeiter unterlagen, wurde erst 1918 abgeschafft. Durch die 1920 eingeführte Berück­sichtigung im Betriebsrätegesetz, handelten die Gewerkschaften fortan mit den ländlichen Arbeitgeberverbänden regelmäßig neue Tarifverträge aus. Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs wurden immer mehr Männer zum Kriegsdienst eingezogen, abgezogene Arbeiter wurden sukzessive durch Zwangsarbeiter, vor allem polnische „Fremdarbeiter“ und russische Kriegsgefangene, ersetzt, die dann bis zur Kapitulation 1945 Höfe und Güter bewirtschafteten.

Martina Mettner

Die Autorin dieses Beitrags ist Verfasserin der Dissertation „Der Wandel der sozialen Beziehungen zwischen Gutsherren, Instleuten, Bauern und unterbäuerlichen Schichten im Samland nach der ,Bauernbefreiung’“.


S. 11 Geschichte

Kein Zurück vor die Französische Revolution
König Ludwig XVIII. verzichtete vor 200 Jahren auf eine Wiederherstellung des Ancien Régime – Unbeliebt war er trotzdem

Nach dem ersten Thronverzicht Kaiser Napoleons I. waren die von der Revolution abgesetzten Bourbonen im Schlepptau der Siegermächte in Frankreich wieder auf den Thron gelangt. Nicht einmal ein Jahr später jedoch war ihr Regime so verhasst, dass der Großteil des französischen Volkes sich Napoleon zurückwünschte, den es eben erst mit Schimpf und Schande in sein Exil nach Elba verabschiedet hatte.

Nicht nur die patriotisch gesinnten Deutschen waren bitter enttäuscht – und zwar vom Gang der Verhandlungen über eine Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongress, der vom 18. September 1814 bis zum 9. Juni 1815 tagte. Enttäuscht waren auch immer mehr Franzosen – von den Zuständen, die in Frankreich nach der Restauration der Bourbonendynastie entstanden waren. Dabei bedeutete das Königtum Ludwigs XVIII. – der als stark fettleibiger, gichtkranker Mann das völlige Gegenteil seines großen Kontrahenten Napoleon verkörperte – nicht die Wiederherstellung des sogenannten Ancien Régime.

Die vom Bruder König Ludwigs XVI. oktroyierte Verfassung, die „Charte constitutionelle“ vom 4. Juni 1814, war teilweise weniger autokratisch als Napoleons Konstitution von 1804. Sie schuf die Basis für ein konstitutionelles System mit einer starken monarchischen Spitze. Der König war bei der Ernennung und Entlassung seiner Minister frei. Er behielt die Kontrolle über Armee und Marine wie auch die Entscheidung über Krieg und Frieden. Darüber hinaus besaß er das Recht, diplomatische Verträge abzuschließen, und bei Aufruhr verfügte er über weitreichende Vollmachten, die Ordnung wiederherzustellen. All dem stand ein Zweikammerparlament gegenüber, das aus einer Deputierten- (Unterhaus) und einer Pairskammer (Oberhaus) bestand und das Recht hatte, Steuern und Gesetze zu bewilligen. Die Minister waren dem Parlament gegen­über verantwortlich, jedoch war das Wahlrecht durch einen hohen Wahlzensus stark eingeschränkt.

Zum napoleonischen Kaiserreich sorgte der König insofern für Kontinuität, als er vormals kaiserliche Würdenträger zu seinen Ministern machte. Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord, der einst für den Korsen Außenminister gewesen war, leitete vom Mai 1814 bis zu Napoleons Rückkehr im März 1815 das Auswärtige Amt Frankreichs. Zudem ließ sich Ludwig XVIII. offiziell von Joseph Fouché unterstützen, einem Mann, der nicht bloß Napoleons Polizeiminister gewesen war, sondern 1793 im Nationalkonvent für den Tod von Ludwigs XVIII. Bruder Ludwig XVI. votiert hatte. Während der Zweiten Restauration nach Napoleons 100 Tagen sollte der Bourbone Fouché sogar zu seinem Polizeiminister ernennen. Der Schriftsteller und Politiker François-René de Chateau­briand, Anhänger der Bourbonen, meinte zur Begegnung Fouchés mit Ludwig XVIII. süffisant: „Der getreue Königsmörder auf Knien legte die Hände, die den Kopf Ludwigs XVI. hatten rollen lassen, in die Hände des Bruders des Märtyrerkönigs.“

Andererseits begingen die nach Frankreich heimgekehrten Emigranten und die Beauftragten Ludwigs XVIII. eine große Zahl gröbster Ungeschicklichkeiten und Provokationen, die weite Teile der französischen Bevölkerung befürchten ließen, dass eine Rück­kehr zum Feudalismus bevorstehe und dass die Käufer ehemaliger Kirchen- und Adelsgüter, der sogenannten Nationalgüter, enteignet würden. Dies trug ebenso zu einem Klima allgemeiner Unsicherheit und Unzufriedenheit bei wie die Bestimmungen des Ersten Pariser Friedens vom 30. Mai 1814, die, obwohl manchem Deutschen zu weich, manchem Franzosen zu hart erschienen.

Die Demobilisierung der Armee schuf zusätzliche gesellschaftliche und psychologische Probleme. Lud­wig XVIII. behandelte die Armee als eine Versorgungsanstalt für die alte Aristokratie. Während tausende Offiziere, die ihr Blut für das napoleonische Frankreich vergossen hatten, zu halbem Sold beurlaubt oder sogar entlassen wurden, füllten sich die frei gewordenen Stellen mit unfähigen Leuten, die kein militärisches Verdienst vorzuweisen hatten. Den Ton dieser Zeit traf ein ehemaliger Kürassierwachtmeister, der mit Blick auf den König ungeniert sagte: „Mir ist alles Wurst, Hauptsache, das dicke Schwein verschwindet.“

Kaum hatte das zurückgekehrte Königtum seine Herrschaft wiederaufgerichtet, war diese auch schon unterminiert. In einem großen Teil der französischen Bevölkerung – in den unteren wie in den oberen Schichten – lebte die Neigung für den gestürzten Kaiser wieder auf. Ludwig XVIII. konnte von der für ihn ungünstigen Lage im Land weder durch Krieg noch durch nationale Anspannung ablenken. Und er war auch nicht überzeugend und energisch genug, um diese sehr kritische Situation durch neue Impulse zu überwinden. Vielmehr tat er alles, um die Ansprüche der zurückgekehrten Emigranten und sein selbstgefälliges Streben nach Rang und Würde zu befriedigen.

Somit war in Frankreich der Boden für einen neuerlichen Umsturz bereitet, denn in seinem Miniaturreich, dem Fürstentum Elba, hörte Napoleon natürlich von den vielen Missgriffen der Bourbonen, aber auch von den Intrigen und von dem neu erwachten Zwist der europäischen Mächte. Erst recht fühlte er sich zum Handeln angetrieben, als er erfuhr, dass der Wiener Kongress ihn auf eine noch entlegenere Insel als Elba zu deportieren plane.

Wenngleich Ludwig XVIII. darauf verzichtete, die von Revolution und Empire herbeigeführten politischen, rechtlichen, administrativen und sozialen Veränderungen rück­gängig zu machen, obwohl er auch in personeller Hinsicht eine gewisse Kontinuität wahrte, wenn es also auch kein Zurück zum status quo ante gab, so gab es doch einen klaren Wechsel in der Politik wie bei den herrschenden Eliten. Somit standen sich letztlich das bourbonisch-königliche und das napoleonisch-kaiserliche Frankreich unversöhnlich gegenüber, und es blieb offen, welches sich durchsetzen würde.

Mario Kandil


Der Mann, der den Schlagbaum öffnete
Die ARD erinnert mit dem Fernsehfilm »Bornholmer Straße« an die dramatischen Stunden des Mauerfalls

Demonstrationen in Leipzig, Hans-Dietrich Genschers umjubeltes Ausreise-Versprechen in Prag, der Fall der Mauer in Berlin – Geschehen, das uns aufwühlte in den Herbsttagen vor 25 Jahren. In vielfältiger Form und zu jeder Gelegenheit hat das Fernsehen seitdem unser historisches Gedächtnis aufgefrischt und tut es verstärkt auch gerade wieder anlässlich des runden Jubiläums. Erinnerung an ein Deutschland und die Welt damals bewegendes Ereignis.

So zeigt die ARD zum Beispiel am 5. November um 20.15 Uhr mit dem fiktiven, aber eng an der Wirklichkeit erzählten 90-Minuten-Film „Bornholmer Straße“ die Grenzöffnung in Berlin aus einem bisher nicht gesehenen Blickwinkel. Im Mittelpunkt steht der DDR-Oberstleutnant, der am 9. November 1989 kurz vor Mitternacht den Schlagbaum vom Ostberliner Bezirk Prenzlauer Berg zum westlichen Wedding öffnete, nachdem er sich als jahrelanger Befehlsempfänger fast zwei Stunden vergeblich um die gewohnten Anweisungen seiner Vorgesetzten bemüht hatte – endlich nur seinem gesunden Menschenverstand gehorchend.

Der Fernsehfilm indes beginnt mit einer Nebensächlichkeit: Ein herrenloser Hund ist in die streng überwachte Grenzübergangsstelle eingedrungen. Der Sicherheitsapparat der GÜst (DDR-Kürzel für Grenzübergangsstelle) beginnt zu rotieren: Einfangen, Wegsperren, Protokolle – wohin mit dem zotteligen Vierbeiner? Das Absurde dieser Grenze, die 28 Jahre Deutsche von Deutschen trennte, wird spürbar, auch ihre Undurchlässigkeit.

Gleichzeitig sehen die Grenzbewacher eine der zwei Schlüssel­szenen des Films auf ihrem TV-Bildschirm. Es ist – original eingeblendet – die damals vom Ostfernsehen ausgestrahlte Pressekonferenz, in der Günter Schabowski, Sprecher des Politbüros und Zentralkomitees der SED, von einem ihm gereichten Zettel abliest, dass eine Reisefreiheit beschlossen worden sei. Ab wann sie denn gelte, fragte der Journalist Peter Brinkmann von der „Bild“-Zeitung. Und der unzureichend informierte Schabowski stotterte: „Unverzüglich.“ Jeder kennt diese Szene.

Die Ostberliner nahmen den SED-Sprecher beim Wort. Unverzüglich strömten Tausende zum Schlagbaum Bornholmer Straße und skandierten: „Macht das Tor auf! Wir kommen wieder.“ Sie wollen Verwandte besuchen, Freunde treffen – noch in dieser unglaublichen Nacht – und wieder heimgehen.

Das halbe Dutzend Grenzer sieht sich der geballten Phalanx von Mitbürgern gegenüber, sogar eigene Angehörige darunter. Und aus dem grauen Diensttelefon kommen keine Befehle, Die Grenzsoldaten werden nervös, sie brüllen sich in ihrer Ratlosigkeit an, einer öffnet den Waffenschrank. „Wir haben ja den Schießbefehl.“

Es fällt kein Schuss. Der Verantwortliche der „GÜst“ lässt einige Ostberliner passieren. Ihre Ausweise werden mit einem Stempel entwertet. Für die Rückkehr sind sie gebrandmarkt. Schließlich öffnet er entnervt den Schlagbaum für die andrängende Menge. Jubel und Tränen mischen sich; es ist ein höchst emotionaler Film, der auch den Zuschauer nicht unberührt lässt.

Obwohl wir alle das glückliche Ende der friedlichen Revolution kennen, hält der Spannungsbogen bis zum Schluss. „Das war’s dann wohl“, muss der Grenzoffizier am Morgen nach dieser denkwürdigen Nacht daheim erkennen – für sich und die DDR.

Der großartige Henry Hübchen spielt diese Rolle von Macht und Ohnmacht, und auch den anderen Darstellern glaubt man den selbstgerechten Grenzer nicht nur wegen der tadellosen Uniform. Feinfühlige Regie führt Christian Schwochow, vielfach preisgekrönt, unter anderem auch für die Dresdner Familiengeschichte „Der Turm“. Als die Mauer fiel, war er elf Jahre alt. Seine Eltern, Heide und Rainer Schwochow, damals Zeitzeugen an der Bornholmer Straße, schrieben das Drehbuch nach einer Vorlage von Gerhard Haase-Hindenberg. Auch die 1965 in Potsdam geborene Jana Brandt, bewährte Fernsehspiel-Chefin des für den Film verantwortlichen MDR in Leipzig, wuchs in der DDR auf. Ihr Name steht für Fernseherfolge mit DDR-Bezug wie „Weißensee“ und „Die Frau vom Checkpoint Charly“. Produziert wurde der Film von Nico Hofmann bei UFA-Fiction.

Jana Brandt lobt das Drehbuch: „Die Schwochows haben einen geschickten Weg gefunden, die verhassten Sicherheitsorgane der DDR mit Empathie zu schildern, ohne sie zu idealisieren.“ Und Rainer Schwochow inszenierte die Geschichte des leitenden Grenzoffiziers, des heute noch lebenden und mit dem Film sehr einverstandenen Harald Jäger, „nicht als Hel­den­epos, sondern mit einer gewissen Leichtigkeit als tragische Komödie.“

Die ARD zeigt im unmittelbaren Anschluss an den Spielfilm ab 21.45 Uhr eine Dokumentation mit Zeitzeugen der Bornholmer Straße, der fiktive Film bleibt dabei gültig und gut. Karlheinz Mose


S. 12 Leserforum

Leserforum

Eine Nation verfault

Zu: Heuchelei entlarvt (Nr. 41)

Ich gestehe, dass es mir mittlerweile Freude macht, wenn ich zusehen darf, was sich in diesem Land mittlerweile so alles ereignet. Die Besetzung der DGB-Zentrale des Bezirks Berlin-Brandenburg durch Asylbewerber ist kein Zufall, das sind die kommenden Zustände, die unsere Volksvertreter so gewollt haben. Bis auf ein paar wenige patriotisch denkende Mitbürger hat sich der deutsche Michel das alles gefallen lassen, obwohl schon vor 30 Jahren absehbar war, wohin die Reise führt.

Wenn man Muslime zu Millionen ins Land lässt, ist es ganz normal, dass irgendwann moslemische Zustände herrschen. Literatur darüber gab und gibt es genügend, wenn man aber nur „Bild“ liest, sich vom Staatsfernsehen berieseln lässt und gescheiterten Existenzen wie den grünen Volksbeglückern hinterherläuft, darf man sich nicht wundern, dass das Land in den Zustand der Selbstauflösung gerät.

Immer wieder wurden und werden die Parteien gewählt, die das alles zu verantworten haben. Deshalb ist die übergroße Mehrheit dieses Landes selbst schuld an dem jetzt langsam sichtbar werdenden Dilemma.

Aber jetzt, liebe Freunde, ist es zu spät. Der Punkt zur Umkehr ist verpasst. Wir sind gar nicht mehr fähig, uns zu wehren. Verweichlicht und dekadent werden wir den kommenden Zeiten tatenlos zusehen, und anno 2050 wird es kein Deutschland mehr nach heutigen Vorstellungen geben. 2000 Jahre Zusammenwachsen zu einer Nation wurden binnen einer guten Generation wehrlos aufgegeben, fromme Sprüche statt nationaler Identität haben das Land aufgelöst. Dekadenz, Perversität und Wertelosigkeit haben die Nation verfaulen lassen. Ein rechtzeitiger Blick in die Menschheitsgeschichte hätte doch jedem deutschen Bürger klar machen müssen, dass eine solche Entwicklung in den Untergang führt.

Der griechische Philosoph Aristoteles soll gesagt haben: „Toleranz ist die letzte Tugend einer untergehenden Gesellschaft.“ Diesem Satz ist sicher nichts hinzuzufügen.

Peter Schumacher, Melsungen

 

 

Zentralistische Fehlentscheidungen

Zu: Strategie der Ablenkung (Nr. 37)

Als klassischer Weiser agiert der französische sozialistische Präsident François Hollande wohl eher nicht, wenn er eine umstrittene Gebietsreform unter dem Oberbegriff „Sparen“ gegen den Willen der betroffenen Bürger durchsetzen will. Natürlich käme es auch hierzulande wesentlich billiger, wenn das bayerische Kabinett unter Horst Seehofer auch für Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen zuständig wäre, oder der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Thorsten Albig seine Kollegen in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg ersetzen könnte.

Im von der künftigen Gebietsreform besonders hart getroffenen Elsass spielt jedoch ein anderer wesentlicher Faktor eine Rolle. Da das Elsass jahrhundertelang zum deutschen Sprach- und Kulturgebiet gehörte und in zunehmenden Maße seine Identität neu bestimmt, wäre eine Zusammenlegung mit größeren Regionen wie Lothringen und der Champagne seinen Autonomiebestrebungen in höchstem Maße abträglich.

Ähnlich wie die Bewohner Korsikas und des Baskenlandes sind viele Elsässer und auch einige Lothringer mit dem historisch gewachsenen französischen Zentralismus nicht glücklich. Denn die Regierung in Paris nimmt auf die regionalen Besonderheiten, die in einem föderalen Staatswesen gut aufgehoben wären, keine große Rücksicht.

Der lange Zeit im Elsass unterdrückte Gebrauch der deutschen Sprache, sowohl als Dialekt als auch als Hochsprache, scheint langsam wieder ein Stück gelebte Normalität zu werden. Hier würde die von Hollande geplante Konstellation sicherlich zu Rück­schlägen führen. Außerdem wäre der neue überregionale Kunstname „ALCA“ unverbindlich, andernorts unbekannt und hätte somit kaum Alleinstellungsmerkmale oder Identitätswerte. Fehlentscheidungen zentralistischer Systeme können eine schwere Hypothek für die Zukunft bedeuten. Hongkong lässt gerade grüßen.

Roland Grassl, Bühl

 

 

Gedankenlose Tat

Zu: Millionen gegen Ebola (Nr. 40)

Mit großem Vergnügen und weitgehender Zustimmung lese ich Ihre Zeitung. Eine Sache aber hat mich in einer Ihrer letzten Ausgaben zutiefst erschreckt. Dort haben Sie die Schuldenuhr mit den Ausgaben zur Bekämpfung von Ebola in Verbindung gebracht. Bei aller berechtigten Kritik am staatlichen Finanzgebaren ist diese Verknüpfung unzulässig und unmenschlich. In diesem Fall geht es darum, das jämmerliche Sterben an der schrecklichen Seuche zu bekämpfen. Das sollte sich eine der reichsten Industrienationen der Welt leisten können! Wer hier mit dem Hinweis auf den eigenen Geldbeutel beiseitetritt, ist im besten Fall gedankenlos, im schlimmsten Fall ein mitleidloser Egoist.

Petra Schmidt, Köln

 

 

Gedenken gerettet

Zu: Ostpreußische Familie (Nr. 37 und Nr. 40)

Ich möchte darauf hinweisen, dass auch in der evangelischen Kirche von Plicken [Plikiai], Memelgebiet, heute Litauen, zwei hölzerne Gedenktafeln von Gefallenen und Getöteten aus der Zeit des Ersten Weltkrieges an der Wand hängen: eine kleinere (hier auch zweisprachig) und eine sehr große (nicht nur aus Plicken, sondern auch aus Filialorten des Kirchspieles).

Plicken war das nördlichste Kirchspiel der deutschen evangelischen Kirche in den Grenzen von August 1939. Nach dem Bericht des Pfarrers wurden die beiden Holztafeln vor dem Russeneinmarsch umgedreht als Fußbodenbretter eingelassen und nach der politischen Wende wieder hervorgeholt.

Günter Arndt, Halle

 

 

Nach der Flut

Zu: Kalte Enteignung (Nr. 41)

Schon das Wort „Enteignung“ im Zusammenhang mit der Hochwasserschutzrichtline der EU ist stark übertrieben. Die Überschwemmungsgebiete sind meistens nach der Überflutung als Viehweiden nutzbar. Wer aber in natürliche Überschwemmungsareale baut, handelt verantwortungslos. Die Wiederaufbaukosten werden nämlich der Allgemeinheit auferlegt.

Abschließend zu dem im Artikel eingefügten Foto des eingezwängten Baches: Vor zwei Monaten hat ein Wolkenbruch in der Gemarkung von Nidda/Wallernhausen einen ähnlichen kleinen Bach trotz zirka sechsfachen Freiraumes so stark anschwellen lassen, dass in dem Dorf Autos gegen Hauswände geschleudert wurden und Schäden in Höhe von zirka einer Million Euro entstanden sind.

Gerhard Hoeppe, Ranstadt

 

 

Rassisch verfolgte Weiße kehren nach Südafrika zurück

Zu: Weiße leben in Angst (Nr. 41)

Die im Beitrag erwähnten Beispiele über rassische Verfolgung von Weißen in Südafrika entsprechen durchaus der Realität, doch sie decken nicht das ganze Land ab. Denn in Südafrika gibt es seit Jahren ein deutliches Gefälle zwischen der Provinz Westkap und dem Rest des Landes.

In den letzten zwei bis drei Jahren kehrten wieder zahlreiche Südafrikaner, die zuvor nach Australien, Neuseeland, Kanada oder Großbritannien ausgewandert waren, in ihre alte Heimat zurück, weil ihnen dort lukrative Berufsangebote gemacht wurden. Allerdings gilt auch dies vornehmlich für das Westkap, wo weiße Fachkräfte vermehrt gefragt sind und die zuvor eingestellten schwarzen „Manager“, die allein wegen ihrer Hautfarbe und/oder der Zugehörigkeit zum ANC den Job erhalten hatten, ersetzen.

Die Bevölkerungsmehrheit im Westkap besteht aus Weißen und Coloureds (Farbigen), und das wird in absehbarer Zeit auch so bleiben. Die Lebensverhältnisse sind zu einem Großteil europäisch und unterscheiden sich wesentlich von jenen im Rest des Landes, ausgenommen vielleicht von der dünn besiedelten Provinz Nordkap, wo die Zeit an vielen Stellen stehengeblieben zu sein scheint. Einige internationale Firmen haben überdies in den letzten Jahren ihren Sitz von Johannesburg in den Großraum Kapstadt verlegt, weil in dieser „weiß regierten“ Provinz das Investitionsklima günstiger ist. Dass dies ein Dorn im Auge des ANC bildet, dürfte klar sein.

Natürlich ist auch in Kapstadt die Kriminalität hoch, doch spürt man sie im Alltagsleben nur bedingt. Bei unseren mehrmonatigen Aufenthalten dort haben wir noch nie eine gefährliche Situation erlebt. Wir bewegen uns auch abends in der Innenstadt, gehen nicht selten zu Fuß ins Theater, sofern das von den Entfernungen her möglich ist. Am nächsten Tag lesen wir dann mit Erstaunen in der Zeitung, wo es überall wieder Raubüberfälle und Einbrüche gegeben hat. Aber ist es hier in Deutschland nicht ähnlich? Jeden Tag liest man von solchen Vorfällen, bleibt aber selbst davon unberührt. Südafrikanische Freunde, die geschäftlich oft in Europa sind, sagen uns immer wieder, dass sie sich in Kapstadt jedenfalls nicht unsicherer fühlen als etwa in Hamburg oder Frankfurt am Main.

Wolfgang Reith, Präsident der Afrika Fördergesellschaft e.V., Neuss


S. 13 Das Ostpreußenblatt

Auf den Spuren großer Namen
Deutsche Teilnehmer des 7. Deutsch-Russischen Forums besuchten in Tilsit geschichtsträchtige Orte

Anlässlich des Deutsch-Russischen Forums in Tilsit bot sich ein Stadtrundgang durch die geschichtsträchtige Stadt an der Memel an. Die deutschen Teilnehmer hatten die einmalige Gelegenheit, an einer deutsch-russischen Führung, geleitet von der Direktorin des Museums für Stadtgeschichte, Angelika Spiljowa, teilzuhaben.

Tilsit ist eine Stadt, die mit großen Namen der Geschichte verbunden ist. Hier trafen sich Napoleon und Königin Luise, Zar Alexander I. weilte zur Unterzeichnung des Tilsiter Friedensvertrags in der Stadt. In den vergangenen Jahren haben die heutigen Bewohner Tilsits begonnen, sich auf die Geschichte ihrer Stadt zu besinnen und sich der historischen Wahrheit zu stellen. Davon zeugt unter anderem die Tatsache, dass neben dem Deutschen Horst Mertineit auch der in Tilsit gebürtige Schauspieler Armin Müller-Stahl zum Ehrenbürger der Stadt ernannt wurde.

Wer wäre besser dazu geeignet, an Kultur und Geschichte interessierten Menschen die Stadt zu zeigen, als die Direktorin des Museums für Stadtgeschichte höchst persönlich? Angelika Spiljowa, Teilnehmerin an der deutsch-russischen Begegnungsveranstaltung der Landsmannschaft Ostpreußen, führte die deutsche Gruppe, zu den bedeutendsten Sehenwürdigkeiten Tilsits. Unterstützung erhielt sie durch die „alten Tilsiter“ Erwin Feige und Manfred Urbschat.

Ausgehend vom Elch, der 2007 aus dem Königsberger Tiergarten nach Tilsit zurückkehrte, führte Spiljowa die Gruppe zum Gerichtsbrunnen, den ein 2000 Kilo schwerer Adler krönt. Dieser zierte einst das Hohe Tor. Am 8. September 2013 wurde er über dem Brunnen angebracht, dessen Name ahnen lässt, dass sich hinter den Mauern das Gerichtsgebäude befand. Die Rückkehr des Adlers ist ein Geschenk des Oberbürgermeisters Nikolaj Woischtschew, der sich um den Erhalt deutscher Kulturdenkmäler bereits verdient gemacht hat. Die Route führte am Gedenkstein für den Stadtgründer Herzog Albrecht vorbei, welcher der damaligen Siedlung Tilse am 2. November 1552 die Stadtrechte verliehen hat. Gleichzeitig ist das Stadtwappen entstanden, das auf Betreiben engagierter Bürger heute wieder Gültigkeit hat und die Bänke in der Hohen Straße ziert.

Die Gruppe hatte das Glück, die Innenräume des berühmten Tilsiter Theaters, ursprünglich „Grenzlandtheater“, zu besichtigen. Nach einer umfassenden Sanierung ist es im März dieses Jahres wiedereröffnet worden. Das Theater hat in seiner langen Geschichte viele Höhen und Tiefen erlebt. Nach dem Krieg war es schwierig, sein ursprüngliches Aussehen zu rekonstruieren. Die Logen sind deshalb dem Original nachempfunden. Erhalten ist die 1907 installierte Drehbühne, damals die erste ihrer Art in ganz Europa.

Die legendäre Luisenbrücke regte die Teilnehmer des Rundgangs trotz schlechten Wetters zum eifrigen Fotografieren an. Sowohl am Grenzübergang zur Republik Litauen als auch am Ufer der Memel herrschte reges Treiben. Unter der Brücke suchten Angler Petri Heil, auf der Brücke stauten sich die Lkw.

Anschließend führte Spiljowa die Gruppe ins Stadtmuseum, deren Leiterin sie seit Jahren ist. Eine Mitarbeiterin führte auf Deutsch durch das Museum. Die Gruppe konnte sich hier mit dem Modell für das große Luisendenkmal vertraut machen, das sie anschließend in Originalgröße besichtigen würde. Im Museum sind die erhaltenen Fragmente des ursprünglichen Luisendenkmals ausgestellt: ein Bruchstück des Eichenkranzes und ein Teil von Luises Gewand.

Bei der Gelegenheit überreichten Erwin Feige, Stellvertretender Vorsitzender der Stadtgemeinschaft Tilsit, Horst Warthun, Mitarbeiter im Museum Königsberg Duisburg, und Brigitte Stramm, Kreisvertreterin des Heimatkreises Labiau, Direktorin Spiljowa von ihrem Duisburger Kollegen Lorenz Grimoni historische Dokumente, verbunden mit den besten Grüßen,

Höhepunkt und Abschluss der Stadtführung war der Besuch des Luisendenkmals an seinem angestammten Platz im Park Jakobsruh. Es war ein großes Ereignis, als am 6. Juli anlässlich des 207. Jahrestages des Tilsiter Friedensschlusses das Denkmal feierlich enthüllt wurde (siehe PAZ Folge 20). Bei der Feier kamen neben Kulturamtsleiterin Anna Kulijewa und Oberbürgermeister Nikolaj Woistschew auch der Vorsitzende der Tilsiter Stadtgemeinschaft, Hans Dzieran, und sein Stellvertreter Feige zu Wort. Die Idee, der allgemein als „Lichtgestalt“ verehrten Luise zur Rückkehr in heimatliche Gefilde zu verhelfen, war Deutschen und Russen bereits 2007 gekommen, als den russischen Bewohnern bewusst wurde, dass in der Stadt vor zwei Jahrhunderten mit dem Tilsiter Friedensschluss Geschichte geschrieben worden war.

Mit diesem Höhepunkt löste sich die Gruppe auf und man ging getrennt weiter. Einige fuhren in ihre Heimatkreise, andere begaben sich allein oder in Kleingruppen auf Entdeckungstour, bei der sie neben sehr viel alter deutscher Bausubstanz auch die Herzlichkeit der Menschen erfahren konnten wie diejenigen, die Feige zu seinem Elternhaus begleiteten, zu deren russischen Bewohnern er seit Jahren freundschaftliche Beziehungen pflegt. Aus den Erzählungen beim gemeinsamen Abendessen mit den anwesenden Russen ging hervor, dass viele ähnliche Freundschaften mit Russen verbindet.

Manuela Rosenthal-Kappi


Stolz auf Zusammenarbeit
Anna Kulijewa überbrachte Grüße des Oberbürgermeisters

Beim 7. Deutsch-Russischen Forum verlas Kulturamtsleiterin Anna Kulijewa das Grußwort des Oberbürgermeisters Nikolaj Woischtschew, der – wie er anschließend betonte – der Veranstaltung gerne beigewohnt hätte, leider aber dienstlich verhindert war. Kulijewa erklärte, zu den wichtigsten Entwicklungsstrategien der Stadt zähle das Erhalten des historischen Erbes.

Als Höhepunkt dieses Jahres bezeichnete sie die Einweihung des Luisendenkmals während des Stadtfestes, bei dem die Kulturamtsleiterin mit einem Strauß Kornblumen, den Lieblingsblumen Luises, auftrat und mit dem Ausruf „Luise, wir gratulieren Dir zu Deiner Rückkehr in heimatliche Gefilde“ die Freude der Einwohner der Stadt zur Wiedererrichtung des Denkmals zum Ausdruck brachte.

Für die Zukunft sind weitere langfristige Pläne in Arbeit: So soll 2015 ein Stadtmodell mit 300 Häusern errichtet werden. Auch an eine Wiederherstellung des historischen Parks Friedrichshöhe wird gedacht.

Kulijewa zeigte sich stolz auf die Zusammenarbeit mit der Stadtgemeinschaft Tilsit und auch darauf, dass die Landsmannschaft Ostpreußen Tilsit als Austragungsort für ihr diesjähriges Deutsch-Russisches Forum ausgewählt hatte. MRK


Einzigartiger Erfolg
Adelsgeschichte in Königsberg ausgestellt

Wie sehr Russen an deutscher Geschichte interessiert sind, zeigt die im Museum „Friedländer Tor“ gezeigte Ausstellung über die Adelsfamilie von der Groeben. Die Zusammenarbeit der Kreisgemeinschaften mit dem Museum hat eine lange Tradition, an der auch die neue Museumsdirektorin Marina Jadowa festhält.

Bei der Ausstellungseröffnung am 4. Juli dieses Jahres waren Christian von der Groeben und zwei weitere Familienangehörige zugegen (siehe PAZ  Folge 29) und stellten sich den Fragen der Besucher.

Als großer Erfolg der Zusammenarbeit ist die Bergung des bei Bauarbeiten in Friedland entdeckten Epitaphs von Georg von der Groeben aus der dortigen Kirche und dessen Aufstellung auf dem Gelände des Deutsch-Russischen Hauses in Königsberg zu werten. Obwohl es ein weiter Weg bis dorthin war, viele bürokratische und praktische Hürden überwunden werden mussten, ist es auch hier dem gmeinsamen Einsatz von Deutschen und Russen zu verdanken, dass ein Stück Kulturgut vor dem Verschwinden bewahrt worden ist. MRK.


MELDUNGEN

Friedländer Tor im November

Königsberg – Bis zum 10. November ist die Ausstelung „Ostpreußische Fresken – gemeinsames kulturelles Erbe Russlands und Deutschlands“ zu sehen. Die Ausstellung basiert auf dem Material des Katalogs „Monumentaldenkmäler in der Malerei Ostpreußens auf dem Gebiet der Kaliningrader Oblast“. Enthalten sind Fotodokumente des Zentralinstituts für Kunstgeschichte in München, die bislang für Russen unbekannt sind. Daneben sind folgende ständigen Ausstellungen zu sehen: „Stadtfestung – Gartenstadt“, „Virtueller Spaziergang auf den Straßen Königsbergs“ (Vorführungen jeweils stündlich von 12 bis 17 Uhr, Dauer 22 Minuten), „Wege in der Stadt“, „Zivilisation beginnt mit der Kanalisation“, ein mittelalterlicher Rittersaal, eine holografische Lichtschau. Bis zum 25. November läuft noch „Der Erste Weltkrieg in Postkarten“. MRK

 

Störungen des Verkehrs

Allenstein – Straße Nr. 16: Bergfriede [Samborowo] – Wirwajdy, Baustelle; Dietrichswalde [Gietrzwałd], Erneuerungsarbeiten an der Brücke; Sensburg [Mragowo] – Neu Proberg [Probark], Baustelle; Barranowen [Baranowa], Renovierung der Straße; Inukzen [Inulec], Baustelle; Dombrowken [Dabrówka], Baustelle; Arys [Orzysz] – Lyck [Ełk], Baustelle. Straße Nr. 16c: Krämersdorf [Kromerowo], Reparatur der Schutzplanken. Straße Nr. 51: Hermenhagen [Osieka] – Lauterhagen [Samolubie], Baustelle; Heilsberg [Lidzbark Warminski], Baustelle. Straße Nr. 53: Ortelsburg [Szczytno], Baustelle; Friedrichshof [Rozogi] – Dabrowa, Baustelle. Straße Nr. 54: Braunsberg [Braniewo], Kosciuszkistraße, Baustelle. Straße Nr. 57: Gallingen [Galiny], Baustelle; Lautern [Lutry], Baustelle; Klein Schöndamerau [Trelkówko] – Eichtal [Debówko], Baustelle; Groß Schiemanen [Szymany], Baustelle; Willenberg [Wielbark], Baustelle. Straße Nr. 58: Kurken [Kurki], Brückenbau, einspurig; Niedersee [Ruciane] – Johannisburg [Pisz] – Bialla [Biała Piska], Baustelle; Johannisburg [Pisz] – Niedersee [Ruciane], Holzfällarbeiten. Straße Nr. 59: Trossen [Tros] – Rhein [Ryn], Baustelle; Rhein [Ryn] – Weydicken [Wejdyki], Baustelle. Straße Nr. 63: Biestern [Bystry], Erneuerung der Straße. Straße Nr. 65: Prostken [Prostki] – Bogusze, Baustelle.

PAZ


S. 14 Ostpreussische Familie

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

es werden immer wieder Anliegen an uns herangetragen, die wir nicht nach den Wünschen und Hoffnungen der Schreibenden bearbeiten können. Nicht nur, weil uns von vorneherein klar ist, dass sie zu keinem positiven Ergebnis führen werden, sondern weil rechtliche Gründe wie der Personenschutz berücksichtigt werden müssen. Trotzdem möchte ich heute auf einen Brief eingehen, den uns ein jüngerer Leser unserer PAZ übersandte, denn er zeigt, dass es auch vor Krieg und Flucht schwere Schicksale gegeben hat, die mit den politischen Strömungen jener Zeit zusammen hingen. Es kann zwar keine richtige Namensnennung erfolgen, aber vielleicht ergeben sich aus der eingehenden Schilderung der Lebensumstände der Betreffenden doch einige Hinweise, obgleich die Angelegenheit nun 85 Jahre zurück liegt. So schildert Herr Sebastian Sachs aus Zwickau das Problem seiner Großmutter, das ihn sehr beschäftigt:

„Meine Großmutter Ingeburg Wegler, *1930 in Lan­gen­bach/Sach­sen, sagte mir immer alles, was mich an unserer Familie interessierte, nur konnte sie mir nichts über ihren Vater mitteilen, da sie ihn nie richtig kennen gelernt hat. Jetzt sagte sie mir, ihr größter Wunsch wäre es zu wissen, was aus ihrem Vater geworden ist, Und deshalb wende ich mich an Sie, denn er soll Ostpreuße gewesen sein. Meine Großmutter kann leider nicht viel über ihn sagen, nur dass er Hans M. hieß (der Nachname ist von Herrn Sachs nach mündlicher Übermittlung geschrieben und könnte zu Irrungen führen) und aus dem nördlichen Ostpreußen stammte. Sie sagte manchmal Litauen, es könnte also das Memelland gewesen sein. Er hat damals in Sachsen gearbeitet und so meine Urgroßmutter kennen gelernt. Sie sagte auch, dass er eine Schwester hatte, die gerne meine Oma nach Ostpreußen holen würde, weil sie hier nicht viel hatten.“

Dass die Eltern damals nicht heirateten, hatte wohl seinen Grund in der damals katastrophalen wirtschaftlichen und politischen Lage. Hans M. war Kommunist und soll sich angeblich im Kreis um Ernst Thälmann aufgehalten haben. Seit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 hat die Familie nichts mehr von ihm gehört. Er soll angeblich mit anderen Kommunisten nach Moskau gegangen sein. Irgendwie wurde die Angelegenheit dann totgeschwiegen, zumal man von dem Vater der kleinen Ingeburg nichts mehr hörte – bis zu ihrer Konfirmation. Da soll sie von ihrem Vater ein Päckchen aus Frankreich bekommen haben. Inhalt: ein Knirps! Er hatte auch einen Brief beigelegt, von dessen Inhalt die alte Dame nichts mehr weiß. Dieses letzte Lebenszeichen muss also während des Krieges gekommen sein. Wie und wo sein Schicksal weiter verlaufen ist, liegt im Dunkeln.

Und dürfte es auch bleiben. Denn woher soll ein Lichtstrahl kommen? Die Familie der Mutter hat die Angelegenheit verschwiegen – bei der ostpreußischen Familie des Vaters wird es nicht anders gewesen sein. Einen winzig kleinen Lichtpunkt gibt es aber doch: Die Schwester von Hans M. wollte ihre Nichte aus dem sächsischen Langenbach nach Ostpreußen holen, so muss also zu mindestens sie von dem Kind ihres Bruders gewusst haben – vielleicht gibt es hier bei den noch Lebenden ein Erinnern? Wie auch immer: Wir haben diese Geschichte veröffentlicht, um einmal aufzuzeigen, welche schwierigen Anliegen an uns herangetragen werden. Und Herrn Sachs die Gewissheit zu geben, dass wir sein Vertrauen schätzen und uns somit trotz allen Vorbehalts seiner Suchbitte angenommen haben. (Sebastian Sachs, Dänkritzer Straße 44 in 08058 Zwickau, Telefon 0172/3762545, E-Mail: sebastiansachs@gmx.de)

Der November hat begonnen, der Monat des Besinnens und des Gedenkens an die Menschen aus unserem Lebenskreis, die nicht mehr unter uns sind. Auch an die, von denen wir nicht wissen, ob ihre Gräber zerstört sind oder ob vielleicht noch ein alter Grabstein an den Menschen erinnert, der in seiner Heimaterde liegt. Frau Karin Baum aus Elmshorn zieht es bei ihren Besuchen, die sie vor allem in die Elchniederung führen, immer wieder nach Rauterskirch, und sie bringt jedes Mal von den Resten dieses einstmals so schönen Gotteshauses neue Aufnahmen mit, die leider den weitergehenden Verfall bezeugen. Bei den Gräbern auf dem Kirchhof dagegen zeigt es sich, dass hier Menschen leben, die sich bemühen, diese alten Grabstätten zu pflegen. Karen Baum schreibt: „Ich habe mich sehr gefreut, dass es Anwohner gibt, die diesen Platz würdigen und ihn nicht verkommen lassen. Denn ich sah, dass der Rasen sauber gemäht wird, auch die Grabsteine werden vom Schmutz befreit und gesäubert, der Bewuchs rundum entfernt oder niedrig gehalten“. Und mit einem dieser Steine hat es eine besondere Bewandtnis, denn es handelt sich um das nach seiner Gravur „Rosengrabstein“ genannte Grabmal, von dem wir im Januar 2013 berichteten. Frau Baum hatte nämlich feststellen müssen, dass der Stein, den sie bereits zehn Jahre zuvor fotografiert hatte, verschwunden war. Das bedauerte sie sehr, denn der Stein zeigte nicht nur die Gravur – ein gebogenes Füllhorn, aus dem Rosen fallen –, sondern auch ein Gedicht, das von tiefer Elternliebe und Trauer um die verstorbene Tochter sprach. Und dann bei Frau Baums letztem Besuch in Rauters­kirch die Überraschung: Der Stein ist wieder da! Man sieht aber deutlich auf den neuen Aufnahmen, dass er zerbrochen war und wieder zusammengesetzt wurde. Auch ist er an den oberen Rändern beschädigt und tiefer in die Erde gesetzt worden. Aber deutlich sind die Inschriften zu lesen, der Stein ist beidseitig beschriftet, auf der einen Seite mit dem Gedicht, auf der anderen mit den Gedenkworten: „Hier ruhet unsere innig geliebte einzige Tochter Meta Putzas, *9.2.1896 †31.10.1918.“

Klar und deutlich sind auch die Namen auf anderen Grabsteinen zu lesen. Das veranlasste Frau Baum, auch diese Inschriften zu fotografieren – sie könnten für manche Familienchronik wichtig sein. Es ist ja auch möglich, dass einige Nachkommen gar nicht wissen, dass die Namen ihrer Vorfahren noch lesbar auf den Grabmalen stehen. Die fotografierten Steine zeigen folgende Namen: Emilie Petrick geborene Ehrhardt, geboren 28. Februar 1848, gestorben den 29. Mai 1879 / Anna Kühl geborene Peinemann, *16. August 1863, †8. Juli 1934 / Doppelgrab: Friedrich Friederitz, *7. August 1833 †11. September 1913, Heinriette Friederitz geborene Woywod, *24. April 1835, †13. März 1915 / Karl Eichholz, *18. Januar 1853, †8. Juli1910 / F. W. Neumann, *13. März 1821, †27. September 1882. Wer sich für die sehr guten Aufnahmen interessiert, wende sich bitte an Frau Karen Baum. (Radolfzeller Straße 75 in 78476 Allensbach, Telefon 07533/9956058, E-Mail: k-baeumchen@web.de)

„Warten wir ab, ob es sich um eine endliche Geschichte handelt oder ob und wie sie weitergeht“ – so hatte ich das letzte Kapitel der Geschichte um den Fischkutter „Frisches Haff BX“ abgeschlossen, die uns etliche Folgen lang beschäftigt hat, genau seit jener Anfrage von Herrn Peter Timnik im März 2013, was diese Bezeichnung auf dem von ihm in einem dänischen Antiquitätenladen erworbenen Rettungsring bedeute. Wir haben abgewartet – und sie geht tatsächlich noch weiter, denn nun bringt Herr Dieter Palkies aus Bremen seinen Beitrag ein, mit dem wir wohl einen endgültigen Schlussstrich unter die Kuttergeschichte ziehen. Herr Palkies schreibt:

„Den überaus interessanten Ausführungen der Herren Timnik und Perrey über den ehemaligen ,KFK 522/Frisches Haff‘ ist noch etwas hinzuzufügen. Durch Vertrag von 1882 zwischen dem Deutschen Reich, Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden über die polizeiliche Regelung der Fischerei in der Nordsee wurde eine Kennzeichnung der Fischereifahrzeuge vorgeschrieben. Sie bestand aus den Anfangsbuchstaben des Heimathafens und der Nummer des Registers, unter der sie eingetragen wurde. Für Hamburg zum Beispiel HH, für Finkenwerder HF und HC für Hamburg-Cuxhaven plus Nummer. Bremen hatte BB, Bremen-Vegesack BV und Bremerhaven BX, für Preußisch-Geestemünde stand die Kennzeichnung PG, Das Kennzeichen BX 1 erhielt am 30. Juli 1884 der Ewer ,Adele‘. Der aus Ostpreußen stammende Fischer Johann Prengel verlegte im Juli 1967 den Heimathafen seines Kutters ,Frisches Haff‘ von Rendsburg nach Bremerhaven, wohin er gleichzeitig umzog. Bis zum Verkauf des Schiffes genau sechs Jahre später trug es neben seinem Namen das Unterscheidungsmerkmal ,BX 706‘. Eigentümer war von 1969 bis 1974 der Fischer Klaus Eßling aus Bremerhaven.“

Ich glaube, dass noch nie die Geschichte eines Rettungsringes so eingehend behandelt wurde wie bei uns, und dass dazu noch ein Stück deutscher Fischereigeschichte geschrieben wurde, wird vor allem die maritim ambitionierten Leser interessiert haben.

„Ich habe ein kleines Problem, und ich hoffe, dass Sie mir helfen können“, schreibt Frau Karin Sakuth aus Potsdam. Es ist wirklich im Vergleich mit den schweren Fragen, die an unsere Ostpreußische Familie gestellt werden, nur ein Problemchen, aber trotzdem kann ich es leider nicht lösen und muss es deshalb an unsere Leser weitergeben. Gefragt sind diesmal die Memeler im Allgemeinen und die Bewohner der ehemaligen Heinrich-Pietsch-Straße im Besonderen. Es ist die Straße, in der Karin Sakuth im Juli 1942 in dem Haus Nr. 9 zur Welt kam. Um die Hausnummern dreht sich nun ihre Frage, denn die wurden in den 40er Jahren geändert, wie sie weiß: „Die Häuser dieser Straße waren in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts in laufende Nummern – 1,2,3 und so weiter – eingeteilt, wurden später aber umgeändert, das heißt, auf der einen Seite trugen die Häuser die geraden, auf der anderen die ungraden Zahlen. Wann fand die Umänderung statt, und von wann bis wann trug diese Straße den Namen Heinrich-Pietsch-Straße?“ Über eine Antwort würde sie sich freuen, und die erfolgt bestimmt aus unserem Leserkreis. (Karin Sakuth, Herta-Hammerbacher-Straße 6 in 14469 Potsdam.)

Auch einfach klingende ostpreußische Ortsnamen haben es in sich. Ausgerechnet „Kinten“ im Memelland, das in dem Reisebericht von Frau Hannelore Morgner, den wir in Folge 42 veröffentlichten, mehrmals erwähnt wird, hat sich der Schreibfehlerteufel ausgesucht und aus dem bekannten Ort am Kurischen Haff ein „Klinten“ gemacht. Tatsächlich war es diesmal eine technische Panne, die eine rechtzeitige Korrektur verhinderte. Ich sage Herrn Erwin Falk, Ortsgruppe Eutin der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen, für die behutsame Art, mit der er uns auf diesen Fehler aufmerksam gemacht hat, meinen herzlichen Dank. Herr Falk hat bei seinen vielen Memellandbesuchen öfters den Ort mit dem Bäckerladen, Kirche und Friedhof aufgesucht, daher kennt er die Gegend sehr gut und dürfte sich wohl über den liebevoll geschriebenen Bericht gefreut haben.

Eure Ruth Geede


»Die drei Trakehner Hengste« suchen ihre Herkunft
Ein Pferdeliebhaber hatte die Gussplastik gerettet und gehütet

Pferdeland Ostpreußen – immer wieder tauchen sie in unseren Geschichten auf, die kleinen fleißigen Kunterchen, die schweren Ermländer und vor allem unsere edlen Trakehner, so wie kürzlich in dem interessanten Bericht über die letzten Bereiterinnen der deutschen Wehrmacht und ihre Flucht aus Ostpreußen. Auch heute geht es um drei Trakehner Hengste, aber diesmal handelt es sich um keine lebenden, sondern um künstlerisch gestaltete Trakehner in Form einer Gussplastik, deren Herkunft sein heutiger Besitzer ergründen möchte. Und da diese mit Sicherheit in Ostpreußen liegt, trat Herr Hanns Konrad Winkler aus Velburg-Lengenfeld an uns heran mit der Bitte, ihm auf der Suche nach dem ehemaligen Besitzer zu helfen, da inzwischen alle – aber auch wirklich alle – infrage kommenden Institutionen passen mussten. Als Herr Winkler im Internet auf ein PAZ vom Januar 2005 stieß, war er von dem dort veröffentlichten Bericht über das sterbende Königsberg und die russischen Internierungslager so ergriffen, dass er an seinen Vater dachte und damit auch an die Trakehner Plastik. So fasste er spontan den Entschluss, sich an uns zu wenden Wenn überhaupt jemand helfen kann, dann eben die Ostpreußische Familie!

Die Vorgeschichte: Der Vater des Suchenden, Johann Baptist Winkler, Gutsbesitzer in der Oberpfalz, hatte schon als Junge eine Vorliebe für rassige, gut geschulte Pferde, für deren Haltung allerdings der dortige Boden nicht geeignet war. Der 1910 Geborene, ein der Natur verbundener, friedliebender Mensch, wurde bei Kriegsausbruch keiner militärischen Einheit zugewiesen, sondern stand den höheren Offizieren als gut ausgebildeter und zuverlässiger Kraftfahrer zur Verfügung. Ab 1943 war er Fahrer des Generalmajors von Erxleben im Nordabschnitt der deutschen Ostfront. Und so kam er nach Ostpreußen, das in ihm die alten Jugendträume wieder weckte: ein Hof in der Weite eines fruchtbaren Landes, auf dem er auch edle Pferde halten konnte. Wo sie auch Quartier machten, und das war zumeist auf den großen Gütern, immer gab es herrliche Herden zu bewundern und viele Gespräche drehten sich um die Pferdezucht. Durch einen Vetter des Generals, der als Stabszahlmeister der Wehrmacht hier im Nordabschnitt Verbindung zum Trakehner-Hauptgestüt und zu vielen Züchterfamilien hatte, bekam Johann Winkler Kontakt zu den Besitzern und es entstanden persönliche Beziehungen. Ein Ereignis überschattete aber diese erfreulichen Eindrücke: Eine Gutsbesitzerfamilie, die trotz Fluchtverbots heimlich in der Nacht vor der drohenden Russenfront mit voll bepackten Wagen aufgebrochen war, wurde von der Gestapo verhaftet und abtransportiert. Dieser miterlebte Vorfall hat Johann Winkler so mitgenommen, dass er bei der nächtlichen Heimfahrt am Steuer zusammenbrach. „Nur dem beherzten Einsatz von General Erxleben, der das Fahrzeug zum Stehen brachte, den Ohnmächtigen auf den Beifahrersitz zog und sich dann selber ans Steuer setzte, hat mein Vater sein Leben zu verdanken“, schreibt der Sohn, den diese Berichte noch immer tief berühren. „Das Erleben der Not dieser Menschen im Osten hat meinen Vater so stark geprägt, dass er 1947 eigenes Ackerland an 42 Flüchtlingsfamilien übergab, die fast mittellos nach Velburg gekommen waren. So konnten sie wenigstens Kartoffeln, Gemüse und Salat anbauen. Mit einer geschnitzten Holztafel bedankten sich diese vertriebenen Menschen 1955 für diese frei gewährte Hilfe bei meinen Eltern.“

Ja, und das verpflichtet auch den Sohn, sich um dieses Erbe seines Vaters zu kümmern, zu dem die Pferdeplastik gehört, die ja der eigentliche Grund des Schreibens ist. Sein Vater hat sie bis zu seinem Tode im Jahr 1987 wie einen Augapfel gehütet, aber anscheinend nie erzählt, wie er zu diesem Kunstwerk gekommen war. Die „Drei Trakehner Hengste“ sind Einzelgüsse in Eisen, die äußerst sorgfältig an drei Stellen miteinander verschweißt und danach mit einer Oberflächenbeschichtung versehen wurden. Sie lassen das Kunstwerk als Bronzeguss erscheinen. Das macht natürlich auch die Frage nach dem Künstler interessant, der diese Plastik schuf. Sicher gab es von ihm noch mehrere Arbeiten in dieser Technik mit Pferden oder anderen Figuren. Diese „Drei Trakehner Hengste“ dürften sich jedenfalls in einem ostpreußischen Gutshaus befunden haben, zu dem Johann Winkler Zutritt hatte. Vielleicht wurde damit ein Züchter geehrt, vielleicht ein erfolgreicher Reiter, vielleicht war es auch ein Geschenk für einen alten Pferdefreund – jedenfalls muss es ein besonderer Anlass gewesen sein, denn die Anschaffung wird ihren Preis gehabt haben. Genauso viele Fragen gibt es auch zu den nachfolgenden Besitzverhältnissen. Wurde das Kunstwerk Herrn Winkler von fluchtbereiten Familien überlassen? Hat er es beim Rückzug in einem verlassenen Haus gefunden oder irgendwo am Straßenrand? War es für den General bestimmt, der die Gussplastik an seinen Fahrer weiter gab? –Vielleicht kommt die Lösung schneller, als man denkt, wenn sich aus unserem Leserkreis jemand meldet: „Die hat doch auf dem Schreibtisch meines Großvaters gestanden!“ Das wäre natürlich das Optimum, wir geben uns aber lieber bescheidener und hoffen mit dem heutigen Hüter des Kunstwerks auf einige Hinweise, die weiterführen könnten. (Hanns Konrad Winkler, Braugasthof, Flair Hotel und Gutshof Winkler, St.-Martin-Straße 6 in 92355 Velburg-Lengenfeld, Telefon 09182/170, E-Mail: hkwinkler@t-online-de) R.G.


S. 15 Glückwünsche

Wir gratulieren

ZUM 101. GEBURTSTAG

Wilhelm, Helene, geb. Schlicht, aus Battau, Kreis Samland, am 4. November

ZUM 97. GEBURTSTAG

Perlbach, Heinz, aus Groß Schiemenen, Kreis Ortelsburg, am 4. November

ZUM 96. GEBURTSTAG

Raudonat, Fritz, aus Loye, Kreis Elchniederung, am 3. November

ZUM 95. GEBURTSTAG

Bubritzki, Elisabeth, geb. Schramma, aus Borken, Kreis Lyck, am 7. November

Nippa, Frieda, geb. Gallus, aus Palmnicken, Kreis Samland, und aus Heinrichswalde, Kreis Elchniederung, am 1. November

Steger, Ernst-Otto, aus Wetzhausen, Kreis Neidenburg, am 7. November

ZUM 94. GEBURTSTAG

Schablowski, Eva, geb. Schoenfeldt, Gründamm, Kreis Elchniederung, am 3. November

Schröder, Magda, aus Fischhausen, Kreis Samland, am 7. November

Schulze, Irmgard, aus Usdau, Kreis Neidenburg, am 7. November

Sczech, Karl-Heinz, aus Lyck, Kaiser-Wilhelm-Straße 114, am 3. November

ZUM 93. GEBURTSTAG

Anschütz, Hildegard, geb. Schanko, aus Giesen, Kreis Treuburg, am 5. November

Borowski, Karl, aus Ebendorf, Kreis Ortelsburg, am 3. November

Dinter, Christel, geb. Joneleit, aus Lyck, Bismarckstraße 40, am 4. November

Grusdt, Hans G., aus Heinrichswalde, Kreis Elchniederung, am 3. November

Kloss, Hedwig, geb. Rautenberg, aus Hohenwalde, am 7. November

Lüers, Christa-Maria, geb. Alexander, aus Wittenwalde, Kreis Lyck, am 4. November

Meier, Else, geb. Wietoska, aus Langsee, Kreis Lyck, am 6. November

Meller, Erich, aus Pobethen, Kreis Samland, am 2. November

Schroeder, Friedel, geb. Johann, aus Fischhausen, Kreis Samland, am 6. November

Toppat, Edith, geb. Scheffler, aus Heinrichswalde, Kreis Elchniederung, am 4. November

ZUM 92. GEBURTSTAG

Czeranski, Helene, aus Wallen, Kreis Ortelsburg, am 3. November

Klamma, Max, aus Gutenborn, Kreis Lyck, am 7. November

Michalowitz, Amalie, geb. Wischnewski, aus Draheim, Kreis Treuburg, am 1. November

Saemann, Horst, aus Rosignaiten, Kreis Samland, am 3. November

Skerswetat, Irmgard, geb. Wittenberg, aus Kloken, Kreis Elchniederung, am 1. November

Stempfle, Edith, aus Funken, Kreis Lötzen, am 1. November

Wohlgemuth, Rosemarie, geb. Hoyer, aus Groß Friedrichsdorf, Kreis Elchniederung, am 2. November

ZUM 91. GEBURTSTAG

Houben, Ursula, geb. Moderegger, aus Göritten, Kreis Ebenrode, am 2. November

Janz, Gertraud, Fischhausen, Kreis Samland, am 2. November

Schiemann, Lydia, geb. Waschkawitz, aus Tawe, Kreis Elchniederung, am 5. November

Teska, Rüdiger, aus Zollernhöhe, Kreis Sensburg, am 5. November

Wenzel, Lisbeth, geb. Randt, aus Adlersdorf, Kreis Lötzen, am 5. November

ZUM 90. GEBURTSTAG

Bergmann, Anni, geb. Mau, aus Treuburg, am 7. November

Bock, Dora, geb. Wenskus, aus Kastaunen, Kreis Elchniederung, am 6. November

Büchner, Herta, geb. Loyal, aus Langsee, Kreis Lyck, am 6. November

Erneke, Liesbeth, geb. Holz, aus Uggehnen, Kreis Samland, am 4. November

Hakelberg, Bruno, aus Eichhagen, Kreis Ebenrode, am 7. November

Jackisch, Heinz, aus Königsberg-Ponarth, am 1. November

Kalusch, Walter, aus Eisenberg, am 1. November

Katzmarzik, Martha, geb. Taddey, aus Windau, Kreis Neidenburg, am 7. November

Nummert, Karl, aus Strobjehnen, Kreis Samland, am 2. November

Ostermann, Erika, geb. Matzdorf, aus Gindwillen, Kreis Tilsit-Ragnit, am 2. November

Paustian, Emmy, geb. Seidlitz, aus Borken, Kreis Treuburg, am 7. November

Renisch, Irma, geb. Gramstat, aus Ebenrode, am 6. November

Schlegelberger, Horst, aus Königsberg-Ponarth, am 3. November

Uhe, Frieda, geb. Reitz, aus Schlossbach, Kreis Ebenrode, am 5. November

ZUM 85. GEBURTSTAG

Ascher, Hans, aus Preußwalde, Kreis Tilsit-Ragnit, am 4. November

Babbel, Kurt, aus Gauleden, Kreis Wehlau, am 7. November

Bondzio, Günther, aus Goldenau, Kreis Lyck, am 5. November

Geisler, Ruth, geb. Danielowski, aus Aßlacken, Kreis Wehlau, am 1. November

Gill, Harry, aus Altenkirch, Kreis Tisit-Ragnit, am 2. November

Grigsdat, Manfred, aus Amtal, Kreis Elchniederung, am 28. Oktober

Guldner, Maria, geb. Liedmann, aus Lilienfelde, Kreis Ortelsburg, am 3. November

Hallai, Wilfried, Mensguth, Kreis Ortelsburg, am 1. November

Hartmann, Helene, geb. Olschewski, aus Treudorf, Kreis Ortelsburg, am 3. November

Hörnschemeyer, Anny, geb. Bredow, aus Klemenswalde, Kreis Elchniederung, am 1. November

Hoppensack, Erwin, aus Dorschen, Kreis Lyck, am 6. November

Kroll, Grete, geb. Hennig, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 7. November

Kühn, Susanne, geb. Ruth, aus Trammen, Kreis Elchniederung, am 6. November

Künzle, Herbert, aus Seenwalde, Kreis Ortelsburg, am 1. November

Lichtenstein, Eduard, aus Grünlanden, Kreis Ortelsburg, am 1. November

Matschullat, Gerhard, aus Kreuzingen, Kreis Elchniederung, am 1. November

Nowack, Erika, geb. Bahlo, aus Auglitten, Kreis Lyck, am 7. November

Prawdzik, Gerhard, aus Reiffenrode, Kreis Lyck, am 2. November

Preuß, Christel, geb. Gregorzewski, aus Soffen, Kreis Lyck, am 2. November

Przyborowski, Reinhold, aus Groß Lasken, Kreis Lyck, am 6. November

Raudies, Hermann, aus Stobingen, Kreis Elchniederung, am 3. November

Reimer, Arno, aus Neukuhren, Kreis Samland, am 3. November

Renn, Ursula, geb. Höhn, verwitwete Renn, aus Hohenwalde, am 4. November

Rissling, Ruth, geb. Reiner, geschiedene Vanis, aus Mostolten, Kreis Lyck, am 5. November

Schöttke, Bernhard, aus Peyse, Kreis Samland, am 4. November

Schürmann, Herta, geb. Baumgart, aus Lohberg, Kreis Preußisch-Holland, am 5. November

Wichmann, Rudi, aus Peyse, Kreis Samland, am 3. November

Ziulkowski, Käthe, geb. Huck, aus Friedrichsdorf, Kreis Wehlau, am 3. November

ZUM 80. GEBURTSTAG

Begett, Gertrud, geb. Siegmund, aus Zagern, Kreis Braunsberg, am 1. November

Bertram, Helga, geb. Boguschewski, aus Legenquell, Kreis Treuburg, am 2. November

Conrad, Manfred, aus Lyck, am 7. November

Eschmann, Werner, aus Urfelde, Kreis Ebenrode, am 5. November

Evers, Ingrid, geb. Pentzek, aus Aulacken, Kreis Lyck, und aus Fronicken, Kreis Treuburg, am 6. November

Gerlach, Volker, aus Pottlitten, Kreis Heiligenbeil, am 2. November

Joswich, Helmut, aus Rodenau, Kreis Lötzen, am 2. November

Klesch, Alfred, aus Dippelsee, Kreis Lyck, am 7. November

Krüger, Kurt, aus Schuchten, Kreis Treuburg, am 6. November

Krüger, Werner, aus Trammen, Kreis Elchniederung, am 4. November

Kuhn, Erich, aus Lilienthal, Kreis Braunsberg, am 29. Oktober

Kutkat, Helga, geb. Dwojakowski, aus Deutscheck, Kreis Treuburg, am 6. November

Ludwig, Irmgard, geb. Borries, aus Auglitten, Kreis Lyck, am 2. November

Moderegger, Günther, aus Ebenrode, am 5. November

Niedballa, Alfred, aus Gardienen, Kreis Neidenburg, am 1. November

Pasterka, Johanna, geb. Jasinski, aus Sieden, Kreis Lyck, am 4. November

Schillemat, Ursula, geb. Stuhlemmer, aus Lindenthal, Kreis Elchniederung, am 7. November

Scholz, Adelheid, geb. Przystuppa, aus Widminnen, am 6. November

Schüssler, Gerda, geb. Finneisen, aus Borschimmen, Kreis Lyck, am 1. November

Sommerfeld, Inge, geb. Gaukler, aus Allenburg, Kreis Wehlau, Springwald, Elli, geb. Blaskowski, aus Stradaunen, Kreis Lyck, am 4. November

van Aken, Magdalene, geb. Wedig, aus Schönhorst, Kreis Lyck, am 5. November

ZUM 75. GEBURTSTAG

Becker, Erika Ursula, geb. Schmurlack, aus Rautenberg, Kreis Elchniederung, am 4. November

Bogdahn, Dieter, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 6. November

Brandt, Inge, geb. Greschkowitz, aus Ortelsburg, am 5. November

Grabosch, Isolde, geb. Hartwich, aus Ortelsburg, am 1. November

Grapentin, Klaus, aus Altkirchen, Kreis Ortelsburg, am 1. November

Kahl, Dorothea, geb. Lupp, aus Ostseebad Cranz, Kreis Samland, am 7. November

Kempa, Dieter, aus Ottenberge, Kreis Johannsburg und Ukta, Kreis Sensburg, am 4. November

Kruck, Anna, geb. Chrzanowski, aus Wolfsee, Kreis Lötzen, am 5. November

Lassek, Jürgen, aus Fichtenfließ, Kreis Neidenburg, am 4. November

Lotto, Ingrid, aus Wickenau, Kreis Neidenburg, am 4. November

Neumann, Gerhard, aus Groß Schöndamerau, Kreis Ortelsburg, am 1. November

Neumann, Werner, aus Schwengels, im Ortsteil Dothen, Kreis Heiligenbeil, am 3. November

Siebert, Helmut, aus Dachsrode, im Kreis Wehlau, am 6. November

Wegner, Jürgen, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 3. November


Halali in Ellingen
Erste Internationale Jagd- und Fischereitage

Alle Prunkräume des Deutschordensschlosses Ellingen sowie das Kulturzentrum Ostpreußen bildeten die Kulisse für die 1. Internationalen Jagd- und Fischereitage, die von Katharina Fürstin von Wrede und Carl Fürst von Wrede hier initiiert wurden. Peter Gauweiler war der Hauptredner am Eröffnungstag.

„Fischer und Jäger waren die ersten Naturschützer der Welt!“ – so ging der Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der CSU, Peter Gauweiler, der von 1990 bis 1994 Bayerischer Staatsminister für Landesentwicklung und Umweltfragen war, auf die Notwendigkeit des Eingreifens von Menschen in die Natur ein. Vor allem wo natürliche Feinde fehlen sei eine Regulierung unabdingbar. Man müsse nur die Beschwerden der Landwirte verfolgen, die über hohe Wildschäden klagen, für die ein Ausgleich nur mit modernster Logistik möglich sei. Und auch die Untere Jagdbehörde habe ihre Aufgabe, erläuterte der Jurist weiter, um die rechtliche Ummantelung der Fischerei und Jägerei sicherzustellen. Allein das Waffenrecht mit seinen ständigen Änderungen müsse überwacht werden: „Aber ich schieße nur auf Blumen auf dem Oktoberfest und treffe nur manchmal“, meinte der Festredner launig.

Begonnen hatte die Ausstellung in der Deutschordensstadt mit einer Hubertusmesse, die der Domvikar und Stadtpfarrer von Ellingen Thomas Stübinger mit den Jagdhornbläsern aus Weißenburg in der Schlosskirche zelebrierte. In seiner Predigt ging der Geistliche auf die zahlreichen Bibelstellen ein, in denen Jagd und Fischerei – wenn auch teilweise nur im übertragenen Sinne wie im Psalm 34 („suche Frieden und jage ihm nach“) oder in Gleichnissen wie mit den Fischern am See Genezareth – vorkommen.

In den Ausstellungsräumen zeigten rund 150 Aussteller der Jagdwaffenbranche, Hersteller von optischen Geräten und viele weitere Anbieter ein breit­ge­fächertes Angebot. Von der Jagdausrüstung bis zum Hochsitz, von der Lederhose bis zum Jagd­schmuck und vom Arbeitsgerät bis zum Geländewagen reichten die Anregungen. In „Fisherman’s Village“, im Schlossgarten mit großer Wiese, altem Baum­bestand und Fischteich, war ein The­men­park für Angler an­ge­legt.

Vorträge renommierter Fachleute, Auftritte in­ter­na­tio­naler Blä̈­ser­gruppen, Gebirgs- und Böl­ler­schützen, Jagdhunde- und Greifvogelvorführungen wurden ebenso geboten wie eine einmalige Ausstellung mit Nymphenburger Porzellan im Prunksaal der Residenz. Dazu zeigte das Kulturzentrum Ostpreußen umfangreiche Werke des mit dem Kulturpreis des Deutschen Jagdschutzverbandes ausgezeichneten Tiermalers Dieter Schiele sowie weitere Jagdszenen von Jörg Mangold.

Ihren Abschluss fanden die Jagd- und Fischereitage mit einem Vortrag von Leopold Prinz von Bayern über das Thema „Jagden bei den Wittelsbachern“, einer Hubertusmesse, die der Eichstätter Bischoff Gregor Maria Hanke feierte, sowie einem großen Halali mit rund 100 Jagdhornbläsern. mef


S. 16-17 Heimatarbeit

Landsmannschaftliche Arbeit

BADEN-WÜRTTEMBERG

Vors.: Uta Lüttich, Feuerbacher Weg 108, 70192 Stuttgart, Telefon und Fax (0711) 854093, Geschäftsstelle: Haus der Heimat, Schloßstraße 92, 70176 Stuttgart, Tel. und Fax (0711) 6336980.

Buchen – Sonnabend, 8. November, 14 Uhr, Pfarrscheuer in Hainstadt: Herbstfest mit Schmandhering, Tombola und Musikvortrag. Es wird auch ein Bus eingesetzt. Nähere Auskunft erteilt Rosemarie Winkler, Telefon (06281) 8137.

Lahr – Donnerstag, 6. November, 18 Uhr, Gasthaus Zum Zarko, Schillerstraße 3: Stammtisch der Gruppe. – Sonntag, 16. November (Volkstrauertag), 14.30 Uhr: Der BdV, Kreisgruppe Lahr, lädt zu einer Gedenkfeier vor dem Mahnmal auf dem Schutterlindenberg ein.

Ludwigsburg – Mittwoch, 19. November, 15 Uhr, Kronenstuben, Kronenstraße 2, Stammtisch.

Stuttgart – Sontag, 16 November, 11.30 Uhr, Friedhof, Zuffenhausen: Totengedenken mit allen Landsmannschaften und Kranzniederlegung. Um zahlreiches Erscheinen wird gebeten.

 

BAYERN

Vorsitzender: Friedrich-Wilhelm Böld, Telefon (0821) 517826, Fax (0821) 3451425, Heilig-Grab-Gasse 3, 86150 Augsburg, E-Mail: info@low-bayern.de, Internet: www. low-bayern.de.

Ansbach – Sonnabend, 15. November, 16 Uhr, Orangerie, Gedenken zum Volkstrauertag, anschließend geselliges Beisammensein mit Tilsiter-Käse-Essen.

Bamberg – Mittwoch, 19. November, 15 Uhr, Hotel Wilde Rose, Vortrag Künstlerkolonie in Nidden.

Ingolstadt – Sontag, 16. November, 14.30 Uhr, Gasthaus Bonschab, Münchener Straße 8, monatliches Heimattreffen.

Kitzingen – Sonnabend, 1. November: Kranzniederlegung am „Kreuz der Heimat“ auf dem Neuen Friedhof.

Landshut – Dienstag, 4. November, 12.30 Uhr, Treffpunkt Nordfriedhof: Gedenken an die verstorbenen Landsleute, dann Friedhof Achdorf und Hauptfriedhof, Eingang Marschallstraße. – Dienstag, 18. November, 14 Uhr, Insel: Treffen der Gruppe

München – Jeden Montag, 17 bis 19 Uhr, Haus des Deutschen Ostens: Ostpreußischer Sängerkreis. Kontakt: Dr. Gerhard Graf, Offenbachstraße 60, 85598 Baldham, Telefon (08106) 4960.

 

BERLIN

Vorsitzender: Rüdiger Jakesch, Geschäftsstelle: Forckenbeck-straße 1, 14199, Berlin, Telefon (030) 2547345, E-Mail: info@bdv-bln.de, Internet: www.ostpreussen-berlin.de. Geschäftszeit: Donnerstag von 14 Uhr bis 16 Uhr Außerhalb der Geschäftszeit: Marianne Becker, Telefon (030) 7712354.

Frauengruppe – Mittwoch, 12. November, 13.30 Uhr, Pflegestützpunkt, Wilhelmstraße 115, 10963 Berlin: Gedenken und Ehrung der Toten. Info: Marianne Becker, Telefon (030) 7712354.

Rastenburg – Sonntag, 9. November,

15 Uhr, Restaurant Stammhaus, Rohrdamm 24B, 13629 Berlin. Anfragen bei Martina Sontag, Telefon (033232) 188826.

Königsberg/Samland/Labiau – Freitag, 14. November, 14 Uhr, Johann-Georg-Stuben, Johann-Georg-Straße 10, 10709 Belrin: Treffen der Gruppe. Informationen bei Prof. Wolfgang Schulz, Telefon (030) 2515995.

Heilsberg/Rößel – Sonnabend, 29. November, 15 Uhr, Seniorenfreizeitstätte Maria Rimkus Haus, Gallwitzallee 53, 12249 Berlin: Nikolausfeier. Anfragen für Heilsberg bei Benno Boese, Telefon (030) 7215570, für den Heimatkreis Rößel bei Ernst Michutta, Telefon (05624) 6600.

 

BREMEN

Vorsitzender: Helmut Gutzeit, Telefon (0421) 25 09 29, Fax (0421) 25 01 88, Hodenberger Straße 39 b, 28355 Bremen. Stellvertrende Vorsitzende: Marita Jachens-Paul, Ratiborer Straße 48, 27578 Bremerhaven, Telefon (0471) 86176. Landesgeschäftsführer: Jörg Schulz, Am Anjes Moor 4, 27628 Uthlede, Telefon (04296) 74 77 01.

Landesgruppe – Sontag, 16. November, 11 Uhr, Bremer Ratskeller: Der bekannte und beliebte Schauspieler, Autor und Rezitator Herbert Tennigkeit liest in seiner Muttersprache „Weihnachten in Ostpreußen“, Eintritt 10 Euro, Karten im Vorverkauf im Nordwest-Ticketcenter im Bremer Ratskeller oder an der Tageskasse ab 10.30 Uhr.

Bremen – Freitag, 14. November, 11.45 Uhr, Alter Krug, Rockwinkeler Landstraße 100, Telefon (0421) 426235: Traditionelles Entenessen. Der Preis beträgt 23,95 Euro. Dafür gibt es Hochzeitssuppe, eine halbe Ente, Rot- und Rosenkohl, Salzkartoffeln, Klöße mit Soße. Zu erreichen ist die Gaststätte mit den Linien 33 und 34, Haltestelle „Schevemoorer Landstraße“. Mit der Straßenbahnlinie 4 kann man an den Haltestellen „Horner Kirche“, „Vorstraße“ und „Horner Mühle“ in diese Buslinie umsteigen. Anmeldungen ab sofort, spätestens bis zum 12. November, bei Frau Richter, Telefon (0431) 405515 oder in der Geschäftsstelle.

 

HAMBURG

Erster Vorsitzender: Hartmut Klingbeutel, Kippingstr. 13, 20144 Hamburg, Tel.: (040) 444993, Mobiltelefon (0170) 3102815. 2. Vorsitzender: Manfred Samel, Fried-rich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg, Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

LANDESGRUPPE

Sonntag; 15. November, 10 – 17 Uhr, Haus der Heimat, Teilfeld 8, 20459 Hamburg (S1, S2, S3 Haltestelle Stadthausbrücke, U3 Haltestelle Rödingsmarkt, Buslinie 37, Haltestelle Michaeliskirche): Christkindlmarkt des Landesverbandes der Vertriebenendeutschen in Hamburg (L.v.D.). Der Ostpreußenstand ist auch dabei. Für das leibliche Wohl sorgt die Cafeteria.

65 Jahre Landesgruppe Hamburg e.V. – Freitag, 6. Dezember, 11 Uhr (Einlass 10 Uhr), Restaurant Lackemann, Litzowstieg 8, 22041 Hamburg (Wandsbek), Parkplatz Quarree, Parkhaus P2.: Jubiläumsveranstaltung und Vorweihnachtsfeier der Landsmannschaft Ostpreußen. Programm mit dem Ostpreußen-Chor. 12.15 Uhr: Grünkohlmittagessen, 14.30 Uhr: Kaffeepause. Der Veranstaltungsort ist gut zu erreichen mit der U1 und per Bus. Von der U-Bahnstation und Busbahnhof Wandsbek-Markt sind es nur wenige Gehminuten. Wer von der Wandsbeker Marktstraße den Durchgang „Hinterm Stern“ zwischen Quarree und Hotel Tiefenthal durchkommt, sieht bereits das Restaurant Lackemann. Auskunft und Organisation: Kulturreferat, Siegfried Grawitter, Telefon (040) 205784.

KREISGRUPPE

Insterburg – Die Gruppe trifft sich jeden 1. Mittwoch im Monat (außer Januar und Juli) mit Liedern und kulturellem Programm um 12 Uhr, Hotel Zum Zeppelin, Frohmestraße 123–125. Kontakt: Manfred Samel, Friedrich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg. Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

Sensburg – Sonnabend, 8. November, 14 Uhr, Café Prinzess, Alsterdorfer Straße 572: Gemütliches Beisammensein. Gäste sind herzlich willkommen.

 

HESSEN

Vorsitzender: Eberhard Traum, Wächtersbacherstraße 33, 63636 Brachtal, Telefon (06053) 708612.

Kassel – Donnerstag, 6. November, 14.30 Uhr: Vortrag von Christian Perbrandt, Lehrte: „Die Besiedlung Ostpreußens am Beispiel eines Kreises“.

Wiesbaden – Dienstag, 11. November, 15 Uhr, Haus der Heimat, Wappensaal, Friedrichstraße 55, Treffen der Frauengruppe, Heimatliche Küche mit Spezialitäten aus Ost- und Westpreußen steht auf dem, Programm. – Sonnabend, 15. November, 15 Uhr, Haus der Heimat, Großer Saal, Friedrichstraße 35: Monatstreffen mit Bilder-Reise von Dieter Schetat. In „Unterwegs in Ostpreußen“ geht es von Kaschubischen Schweiz und dem Land an der unteren Weichsel bis nach Masuren mit seiner einmaligen Seen-Landschaft und markanten Orten wie Nikolaiken, Lötzen, Steinort, Heilige Linde, Kleinort, Eckertsdorf und natürlich dem Flüsschen Kruttinna. – Sonntag 16. November, Südfriedhof: Volkstrauertag, Den Beginn der Gedenkstunde bitte der Presse entnehmen. Für die angeschlossenen Landmannschaften legt der Bund der Vertriebenen, Kreisverband Wiesbaden, einen Kranz nieder.

 

NIEDERSACHSEN

Vorsitzende: Dr. Barbara Loeffke, Alter Hessenweg 13, 21335 Lüneburg, Telefon (04131) 42684. Schriftführer und Schatzmeister: Gerhard Schulz, Bahnhofstraße 30b, 31275 Lehrte, Telefon (05132) 4920. Bezirksgruppe Lüneburg: Manfred Kirrinnis, Wittinger Straße 122, 29223 Celle, Telefon (05141) 931770. Bezirksgruppe Braunschweig: Fritz Folger, Sommerlust 26, 38118 Braunschweig, Telefon (0531) 2 509377. Bezirksgruppe Weser-Ems: Otto v. Below, Neuen Kamp 22, 49584 Fürstenau, Telefon (05901) 2968.

Buxtehude – Sonntag, 16. November, 11.30 Uhr, Stadtpark: Gedenkveranstaltung der Stadt zum Volkstrauertag. Die Landmannschaft wird einen Kranz zum Gedenken an die Opfer von Flucht und Vertreibung am Ehrenmal niederlegen.

Helmstedt – Donnerstag, 13. November, 15 Uhr, Begegnungsstätte, Schützenwall 4: Monatstreffen. – Sonnabend, 15. November, 10 Uhr, Stephani Kapelle: Gedenken zum Volkstrauertag.

Osnabrück – Dienstag, 18. November, 16.30 Uhr, Hotel Ibis, Blumenhaller Weg 152: Kegeln – Bericht – Am Erntedanknachmittag konnte der stellvertretende Vorsitzende Dietmar Kutz zahlreiche Mitglieder und Gäste begrüßen und die Grüße des Ehrenvorsitzenden Alfred Sell überbringen. Danach wurde gemeinsam das Westpreußenlied gesungen. Eine Überraschung war der Auftritt eines Dudelsackspielers, der den Gästen zwischen den einzelnen Musikstücken die Funktion des Dudelsacks erklärte. Pastor Hans-Jürgen Kuhlmann führte in seiner Rede zum Erntedankfest aus, dass jeder Apfel und jede Beere ein Geschenk an uns sei. Früchte, die auch wir Menschen seit vielen Generationen sammeln und ernten. Zum Abschluss seiner Rede zitierte er das schöne Erntelied „Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land“ von Matthias Claudius. Die Gedichte „Erntebild“ von O. E. Sattler und „Darbringung der Erntekrone“ von Ernst Bergfeld wurden zu Gehör gebracht. Der Chor unter Leitung von Else Tober sang unter anderem das Lied „Abends unterm Weizenkranz“. Bärbel Sell-Balfanz las die Geschichte „Warten auf die Kornmuhme“ von Hannelore Patzelt-Hennig. In seinem Schlusswort bedankte sich Dietmar Kutz für den üppig gestalteten Erntetisch, der mit vielen Früchten und Blumen geschmückt war, sowie bei allen, die zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben. Der Erntedanknachmittag klang mit dem gemeinsamen Gesang des Ostpreußenliedes aus.

Rinteln – Donnerstag, 13. November, 15 Uhr, Hotel Stadt Kassel, Klosterstraße 42, 31737 Rinteln: Monatstreffen. Ekkehard Schlicht aus Bad Salzuflen wird zum Thema „Herkunft und Lebensweise der Urbevölkerung in Preußen“ sprechen. Der Eintritt ist frei, auch Freunde, Verwandte und interessierte Gäste sind herzlich willkommen. – Bitte vormerken: Die nächste Veranstaltung ist dann als Adventsfeier für Sonnabend, 6. Dezember, vorgesehen. Weitere Auskünfte und Informationen zur landsmannschaftlichen Arbeit in Rinteln gibt es beim Vorsitzenden Joachim Rebuschat unter Telefon (0 57 51) 53 86 oder über: rebuschat@web.de

 

NORDRHEIN-WESTFALEN

Vorsitzender: Jürgen Zauner, Geschäftsstelle: Buchenring 21, 59929 Brilon, Tel. (02964) 1037, Fax (02964) 945459, E-Mail: Geschaeft@Ostpreussen-NRW.de, Internet: www.Ostpreussen-NRW.de

Bielefeld – Montag, 3. November: Frauengruppe, Donnerstag, 6. November: Stammtisch der Königsberger und Freunde der ostpreußischen Hauptstadt, Donnerstag, 13. November: Gesprächskreis ostpreußisch Platt, Sonntag, 16. November: Teilnahme der Ostpreußen an der Gedenkstunde zum Volkstrauertag auf dem Sennefriedhof, Donnerstag, 20. November: Literaturkreis. Alle Veranstaltungen(Ausnahme Volkstrauertag) beginnen um 14.30 Uhr in den Räumen der Kreisvereinigung der Ostdeutschen Landsmannschaften, Wilhelmstraße 13, 33602 Bielefeld.

Bonn – Dienstag, 4. November, 18. Uhr, Haus am Rhein, Elsa-Brändström-Straße 74: „Litauisch oder Prussisch“, heißt der Vortrag von Joachim Ruhnau.

Dortmund – Jeden dritten Montag im Monat (17, November), Landgrafenschule, Eingang Märkische Straße, 14 bis 17 Uhr: Treffen der Frauengruppe. Gäste sind willkommen.

Düsseldorf – Jeden Mittwoch, 18.30 bis 20 Uhr, GHH/Eichendorff-Saal, 1. Etage: Chorprobe der Düsseldorfer Chorgemeinschaft.

Ennepetal – Donnerstag, 20. November, 18 Uhr, Heimatstube, Archivgebäude, Kirchstraße 52 (Grundschule Harkort): Monatsversammlung. – Zum Erntedankfest traf sich die landmannschaft am 11. Oktober im Voerder Restaurant Rosine. Begleitet durch den Ostdeutschen Heimatchor aus Hagen trugen Monika und Lothar Gräf sowie Ingrid Fehlert Gedichte vor, die von Erntefesten und Bräuchen in Ostpreußen erzählten. Der Vorsitzende der Landsmannschaft in Ennepetal, Gerhard Sadlowsky dankte dem Ehepaar Gräf für die viele Arbeit in der Heimatstube und „würdigte das gute Miteinander in Ennepetal“. Ingrid Fehlert und Friedbert Mock zeichnete er mit der silbernen Ehrennadel aus.

Gütersloh – Donnerstag, 6. November, 15.30 Uhr: Treffen der ostpreußischen Frauengruppe im GT Brauhaus, Unter den Ulmen. – Sonntag, 16. November, 11.30 Uhr, Ehrenfriedhof Unter den Ulmen: Gemeinsames Begehen des Volkstrauertages mit Wortbeiträgen, Kranzniederlegung und musikalischer Begleitung.

Mühlheim an der Ruhr – Sonntag, 16. November, 11 Uhr Altstadtfriedhof: Gedenken zum Volkstrauertag, am Gedenkstein der Landsmannschaft mit Gedicht, Predigtwort, Trompetensolo und Kranzniederlegung.

Münster – Heimatliche Klänge und fröhliche Stimmung herrschten beim traditionellen Erntedanktag der Kreisgruppe Münster im Friedenskrug in Münster-Gremmendorf vor.

Der Vorsitzende Stefan Leschniok konnte am 12. Oktober erfreut 50 Teilnehmer zum diesjährigen Erntedankfest der Kreisgruppe erstmals in dem einladenden und von der goldenen Herbstsonne durchfluteten Festsaal des Friedenskruges begrüßen. Das vielfältige Programm wurde vom Streicherensemble Kolophon unter Leitung von Reinhold Kollenberg und dem Sudetendeutschen Volkstanzkreis unter Leitung von Roland Kolloc musikalisch beziehungsweise tänzerisch umrahmt. Nach lebhaften und herzlichen Gesprächen bei Kaffee und Kuchen würdigte der Vorsitzende Stefan Leschniok bei der anschließenden Totenehrung mit bewegenden Worten das Andenken an Wally Striewski, verstorben im Juni dieses Jahres, deren Einsatz für andere und ihre fürsorgliche Art trotz Krankheit und Leid.

Das facettereiche Programm bestand einmal aus gemeinsam gesungenen Liedern wie Die Gedanken sind frei“ bis „Hoch auf dem gelben Wagen“ und „Ännchen von Tharau“. Bei den zahlreichen gelungenen Textvorträgen in Versform oder Prosa, so von Edith Ay, Monika Prothmann, Georg Kopka, Sabine Steinkar, Lucia Krzyzanowski und Karl-Heinz Frick, gab es Heiteres und Ernstes sowie Humorvolles und Melancholisches zu hören.

Aber auch ein Text wie „Der Rehbock“, der sich als Schafbock entpuppte –, Beispiel für hintergründigen ostpreußischen Humor – fand viel Beifall. Die Teilnehmer richteten ihren Blick nicht nur in die Heimat und in die Vergangenheit, sondern auch auf ihre neue Heimat in Westfalen und in die Gegenwart, wie einige Vorträge zeigten. Abschließend gab es vom Vorsitzenden ein deutliches Lob für alle Akteure des gelungenen Erntedanktages in der stimmungsvollen Atmosphäre dieses sonnigen Herbsttages, insbesondere aber für Irmgard Bludau und Edith Ay als Organisatoren der Veranstaltung. Zum Ausklang der Veranstaltung wurden gemeinsam „Land der dunklen Wälder“ und „Westpreußen mein lieb’ Heimatland“ gesungen.

Neuss – Sonntag, 16. November, 11 Uhr, Hauptfriedhof, Rheydter Straße: Feierstunde zum Volkstrauertag.

Wesel – Samstag, 15. November, 16 Uhr, Heimatstube, Kaiserring 4: Landsleute und Heimatfreunde der Landsmannschaft Ostpreußen sind herzlich zum Kulturabend eingeladen. Paul Sobotta wird in einem Vortrag über „Die Bedeutung Ostpreussens in der deutschen Politik- und Kulurgeschichte“ berichten. Anmeldungen bei Paul Sobota, Telefon (0281) 45657.

Witten – Montag, 17. November, 15 Uhr, Versammlungsraum, Evangelisch Lutherische Kreuzgemeinde, Lutherstraße 6 – 10: Treffen zum Volkstrauertag und Totensonntag, Außerdem: Flug über das nördliche Ostpreußen – Ein Filmbericht.

 

RHEINLAND-PFALZ

Vors.: Dr. Wolfgang Thüne, Wormser Straße 22, 55276 Oppenheim.

Mainz – Jeden Freitag, 13 Uhr, Café Oase, Schönbornstraße 16, 55116 Mainz: Die Gruppe trifft sich zum Kartenspielen. – Sonnabend, 8. November, 15 Uhr, Mundus Residenz, Große Bleiche 44, 55116 Mainz: Heimatnachmittag. mit dem Film „Masuren, eine Reise“ mit Wolf von Lojewski.

 

SACHSEN-ANHALT

Vors.: Michael Gründling, Große Bauhausstraße 1, 06108 Halle, Telefon privat (0345) 2080680.

Magdeburg – Freitag, 7. November, 15 Uhr, TuS, Zielitzer Straße: Treffen des Singekreises. – Sonntag, 9. November, 14 Uhr, Sportgaststätte Spielhagenstraße: Volkstrauertag. – Dienstag, 18. November, 13,30 Uhr, TuS, Zielitzer Straße: Treffen der Stickerchen.

 

SCHLESWIG-HOLSTEIN

Vors.: Edmund Ferner. Geschäftsstelle: Telefon (0431) 554758, Wilhelminenstr. 47/49, 24103 Kiel.

Bad Schwartau – Donnerstag, 13. November, 14.30 Uhr, AWO-Begegnungsstätte: Egon Milbrod ist Gast bei der Ortsgruppe. Mit seinem Motorrad hat er inzwischen Moskau und St. Petersburg besucht. Von dieser sehr interessanten und abenteuerlichen Reise wird er berichten. Bei dieser Gelegenheit können Mitglieder und Gäste bereits die geplante Adventsfahrt buchen:

Mittwoch, 3. Dezember: Zur Einstimmung auf die Adventszeit soll es zum Rauchhaus Möllin gehen. Als eine der letzten komplett erhaltenen Hofanlagen aus den Jahren um 1800 bietet es heute einen Ort zum Entspannen und Genießen. Ein rustikales Schlemmerbuffet und musikalische Unterhaltung erwarten die Gäste an diesem Tag. Abfahrt um 9 Uhr vom ZOB Bad Schwartau. Preis: 45 Euro inklusive. – Bericht – Zwei einmalige Dia-Vorträge prägten die letzten beiden Monatstreffen der Ortsgruppe Bad Schwartau: Für den 11. September war es der Gruppe gelungen, den bekannten Reisejournalisten Bernd Naumann für einen seiner schönsten Vorträge zu gewinnen: „Von Königsberg durch das Naturparadies Masuren in die über tausend Jahre alte Handelsstadt Danzig“.

60 Mitglieder und Gäste erlebten eine unvergessliche Dia-Reise in die Heimat. Naumann zeigte die geschichtsträchtigen Städte Königsberg und Danzig sowie auch das Naturparadies Masuren. Untermalt war der Vortrag mit den für seine Vorträge typischen Musikklängen. In seinem einzigartigen mitreißenden Vortragsstil spürte man die Atmosphäre dieser Region.

Am 16. Oktober nahmen Verena Kestner und ihr Mann Professor Wolfgang Kestner über 60 Mitglieder und Gäste auf eine Reise durch die baltischen Staaten mit, Länder, die einst unsere Nachbarn waren und die der eine oder andere sicher inzwischen schon einmal besucht hat. Litauen, Lettland und Estland – eigenständige Nationen mit sehr unterschiedlicher Kultur und durch die ehemaligen Hansestädte Riga, Reval und Dorpat seit Beginn der Hansezeit auch heute noch mit Lübeck verbunden.

Abweichend von den üblichen Routen der Touristik begann und endete die über 2000 Kilometer lange Reise der Familie Kestner in Memel [Klaipeda] und führte über Dorpat [Tartu] hinaus bis zum Peipussee [Peipsi järv]. Die beiden besuchten Orte, in denen die baltendeutschen Vorfahren von Wolfgang Kestner geboren wurden, gelebt und gewirkt hatten. Auf dem Wege lagen Gutshöfe, Schlösser, Ordensburgen und vor allem die Jugendstilbauten in Riga, Zeugnisse einer über 700-jährigen von Deutschbalten maßgeblich geprägten Geschichte.

Wunderbare Bilder und spannende Erzählungen dazu ließen beide Nachmittage viel zu schnell vorübergehen.

Der 20. September stand ganz im Zeichen der Ehrenamtsmesse in Bad Schwartau. Unter dem Motto „Alle unter einem Hut“ stellten sich über 50 Vereine vor und nutzten die Möglichkeit, im Gespräch mit vielen Besuchern über ihr produktives Miteinander zu berichten. Auch die Ortsgruppe war mit ihrem Stand dabei. Bei Kaffee und Kuchen, mit der neuesten Ausgabe der Preußischen Allgemeinen Zeitung und vielen Büchern über Ostpreußen gab es immer wieder Gelegenheiten, über die Arbeit und die vielen Veranstaltungen zu berichten.

Burg – Dienstag, 11. November, 15 Uhr, Haus im Stadtpark: Beim monatlichen Treffen der Gruppe spricht Adolf Fröse aus Burg über „Erinnerungen eines Fischerjungen am Kurischen Haff“. Gäste sind herzlich willkommen. Der vorgesehene Besuch im „Meereszentrum“ wird aus betrieblichen Gründen verschoben.

Flensburg – Sonntag, 16. November, 11.30 Uhr, Flensburger Kapelle am Friedenshügel: Die Kreisgruppe bittet zum Volkstrauertag. Es wird ein Bus zum Friedhof eingesetzt.

Neumünster – Mittwoch,

12. November, 12 Uhr, Restaurant am Kantplatz: Gemeinsames Mittagessen der Landsmannschaft. Anmeldungen bitte bis zum 2. November unter Telefon (04321) 82314.

Erntedankfeier: Wie schon in der letzten Ausgabe berichtet, traf sich die Gruppe am 8. Oktober zur Erntedankfeier im Restaurant am Kantplatz. Die Vorsitzende Brigitte Profé sprach aus diesem Anlass zur Bedeutung des Erntedankfestes in der Heimat. Hier ist ihr Vortrag in leicht gekürzter Form:

Vielleicht war es in unserer Heimat, dem Kornland Ostpreußen, das fröhlichste Fest des Jahres. Meist sind die Erntefeste durch die Gutsherren entstanden, die alle Mägde und Knechte mit Erntebier und festlichem Essen bewirteten.

Der „Plon“, so wurde das Erntefest nach der letzten Garbe auch genannt. Die letzte Garbe war also der Inbegriff der Fruchtbarkeit.

Die letzte Garbe hat überall im Brauchtum eine besondere Be-deutung. So wurde sie auch „de Ool“ – die Alte – genannt. Im westlichen Teil der Provinz Ost-preußen auch als „der Alte“ oder „Großmutter“ bezeichnet. Für den letzten nicht abgehauenen Rest des Getreides sagte man „Zopf“, im Kreis Allenstein „Schwanz“, im Kreis Neidenburg „Petrusknochen“, im Kreis Preußisch-Eylau „Hungerecke für die Vögel“.

Das Brauchtum zeigt wie verbunden sich der Bauer mit seiner Erde fühlt. Im allgemeinen war der Landmensch sehr verträglich: „Was soll ich mir streiten?“ Verlässlichkeit, Gemütsruhe, Ausdauer, Fleiß und Humor gehörten zu den Wesenszügen der meisten. Liebe zum Tier – besonders zum Pferd –zeichneten den ländlichen Menschen aus. Er hatte eine Menge Arbeit, aber es gab zusätzliche Nahrung. Das war auch ein Grund, einmal im Jahr am Erntedankfest Danke zu sagen.

Nicht alle Erntebräuche waren auf urpreußischem Boden gewachsen. Die Siedler, die im Laufe der Jahrhunderte ins Land kamen, brachten ihre überlieferten Sitten mit. Am Nachmittag des Erntedankfestes versammelten sich vor dem Gutshaus sämtliche Gutsleute von der ältesten Großmutter bis zum kleinsten Kind. Nachdem einige Lieder gesungen waren, wurde eine Festrede gehalten. Dann überreichte ein Mädchen die Erntekrone und sagte dazu den Spruch auf, der zumeist so begann: „Wir bringen dem Bauern einen Kranz von Korn, er ist gewachsen unter Distel und Dorn“ – und mit Glück- und Segenswunsch endete. Oder: Die Erntekrone wurde auf dem letzten Wagen befestigt und vom Feld zum Hof gefahren. Die Mädchen hatten sich von allen Getreidearten „Wischer“ gesammelt und sie über große Bügel geflochten. Mit Schleifen, Strohblumen und bunten Papierstreifen wurde die Erntekrone geschmückt und dann auf die Forke gestellt. Gewöhnlich wurde sie im Flur, mitunter auch in der „Putzstube“ aufgehängt und verblieb dort das ganze Jahr.

Die Felder sind leer, das Erntejahr abgeschlossen mit dem Erntedankfest. In einem Bauernhaus eines Dorfes an der Memel wird an diesem Morgen ein hölzerner Teller auf den Tisch gestellt, auf dessen Rand in zierreichen Buchstaben „Unser täglich Brot gib uns heute“ zu lesen ist. Nur an diesem Tag sieht man ihn bepackt mit Brot. Sich-satt-essen-dürfen ist nicht selbstverständlich, es erfordert Dankbarkeit.

Im Kreis Rastenburg ließ man in einigen Dörfern die letzte Ecke auf dem Kornfeld stehen. Alle Hauer und Binderinnen stellten sich herum, und während ein Erntelied gesungen wurde, pflückte man aus dieser Ecke die Ähren für den Erntekranz.

In Rosenthal, Kreis Rastenburg, wurde beim Kornhauen in der Mittagszeit die Erntekrone geflochten. Die letzte Ecke ließ man auch stehen. Alle stellten sich herum und sangen: „Allein Gott in der Höh’ sei Ehr“. Dabei pflückten sie Halme und Wurzeln zum Erntestrauß. Die Wurzeln schnitt man ab und streute sie über das Feld. Die Ähren wurden zusammengebunden, die Halme zu einem Zopf geflochten und dann in die Mitte der Erntekrone gehängt.

In Heiligenbeil versuchten die Mädchen, den Hauern ein Strohseil um die Füße zu binden. Wenn das Vorhaben gelang, musste der Hauer einen halben Liter Schnaps ausgeben.

Wenn während des Hauens der Bauer oder ein Fremder auf das Kornfeld kam, wurde er gebunden. Eine Binderin band ihm ein Band aus Kornhalmen um den Arm und sagte dazu einen Spruch, worauf der Gebundene sich mit einer Gabe – Geld oder Geschenk – lösen musste.

Alle Bindesprüche mit der Bitte um eine Gabe für die Schnittgemeinschaft waren kein Bettelbrauch. Man wollte dem Gebundenen eine Freude bereiten, ihm eine Ehrung erweisen und ihm Glück wünschen. Dafür zeigte sich der Gebundene ja dann auch durch eine Gabe erkenntlich. Zum Binden wurden Halme mit vollen Ähren genommen, was zeigt, dass der Brauch sinnbildhaft Fruchtbarkeit und Segen vermitteln sollte.

Pinneberg – Sonntag, 16. November, 15 Uhr: Bingo und Gänseverspielen, der Weihnachtsbraten und andere Preise können gewonnen werden, Weitere Informationen: Rosemarie Schmidt, Telefon (04101) 62667.


S. 18-19 Heimatarbeit

Aus den Heimatkreisen

GUMBINNEN

Kreisvertreter: Eckard Steiner, Schöne Aussicht 35, 65510 Idstein / Taunus, Telefon (06126) 4173, E-Mail: eck.steiner@ pcvos.com, Internet: www.kreis-gumbinnen.de.

Das vorweihnachtliche 45. Heimattreffen wird am Sonnabend, 15. November, von 10 bis 15 Uhr im Landhotel in Spornitz, nahe Parchim, stattfinden. Hierzu sind alle Landsleute und alle an Ostpreußen Interessierte sehr herzlich eingeladen. Es wird Wissenswertes über das weihnachtliche Ostpreußen vorgetragen. Ein darauf abgestimmtes musikalisches Programm sowie ein Film über die Heimat werden die Vergangenheit zur Gegenwart werden lassen.

Das Hotel kann entweder mit dem Pkw über die Bundesautobahn 24, und nach deren Verlassen am Abzweig Neustadt-Glewe, oder auch mit der Eisenbahn über den Eisenbahnknotenpunkt Ludwigslust erreicht werden.

Kaffee und Mittagessen können im Hotel eingenommen werden. Das Hotel verfügt über ausreichend Parkplätze und bietet bequem auch für den Weitgereisten eine Unterkunft. Eine Übernachtung sollte aber rechtzeitig mit Frau Ruck unter der Telefonnummer (038726) 88460 vereinbart werden. Auskunft erteilt Dr. med. Friedrich-Eberhard Hahn, John-Brinckman-Straße 14 b, 19370 Parchim, Telefon/AB/Fax: (03871) 226238, E-Mail: friedelhahn@-hotmail.com.

 

HEILSBERG

Kreisvertreter: Erwin Popien, Eichendorffstraße 30, 41564 Kaarst, Telefon (02131) 62403, E-Mail: erwiniptus@aol.com.

Das Kreistreffen begann um 10 Uhr mit einer Messfeier in der Kapelle des Hauses, zelebriert von Domherr Schmeier und Pfarrer i.R. Oskar Müller. Das musikalische Programm hatte Andreas Vollet gestaltet.

Der Kreisvertreter eröffnete gegen 12 Uhr das Treffen und begrüßte die Geistlichkeit. Erwähnt wurden auch die Damen Hackbarth, Leiterin der Abteilung Berlin Maschke, Leiterin der Insterburger Abteilung Köln. Von den Herren wurden erwähnt Schüpp als Vertreter des Patenkreises Emsland, Wichowski als Leiter der deutschen Minderheit in Heilsberg [Lidzbark Warminski] und Aloys Steffen, Vorgänger im Amt des Kreisvertreters.

Es folgte ein Totengedenken mit dem besonderen Hinweis auf den im Frühjahr verstorbenen ehemaligen Schatzmeister der KG, Berthold Hoppe, der fast 45 Jahre das Amt ausgefüllt hat. Mit Hinweis auf den im vergangenen Herbst ausgeschiedenen Vorstand begann die Ehrung für Roswitha Poschmann als stellvertretende Kreisvertreterin, der ein Ehrenteller mit Urkunde und Blumen überreicht wurde. Ebenfalls wurde der frühere Kreisvertreter Aloys Steffen, der fast 25 Jahr amtiert hatte, und sich erhebliche Verdienste für die Gemeinschaft erworben hat, geehrt.

Am Nachmittag stellten sich die seit vergangenem Herbst amtierenden neuen Vorstandsmitglieder vor. Kreisvertreter Erwin Popien, 1939 in Kerwienen geboren, Volksschule und Ausbildung zum Kaufmann in Düsseldorf, begann mit der Kurzschilderung seiner Lebensdaten. Seit 1970 bekleidete er bereits viele Ehrenämter. Darunter eine fast 20-jährige als Ratsmitglied und einer Legislatur im Kreistag des Rhein-Kreises Neuss.

Auch die weiteren Vorstandsmitglieder stellen sich vor. Schatzmeister Johannes Rehaag, am Niederrhein geboren und ausgebildeter Zimmermann beziehungsweise Schreinermeister, hat sich beruflich zum IT-Spezialisten entwickelt. Er wohnt jetzt in Sachsen.

Jutta Küting aus der Eifel hat ihre Neigung zum Ermland von ihrer Mutter übernommen. Sie ist ausgebildete Altenpflegerin und in nahezu allen Bereichen sehr engagiert. Sie hat auch im Wesentlichen das Kreistreffen gestaltet. Gudrun Lutze wohnt in Bremen und ist vielen bereits durch ihre Tätigkeit im Ermländerhaus in Münster und durch ihr Mandat im Ermländerrat bekannt.

Darauf folgte der Bericht des Kreisvertreters, der sich schwerpunktmäßig auf den anstehenden Wechsel von der Erlebnis- auf die Bekenntnisgeneration konzentrierte und die sich daraus ergebende Notwendigkeit der Ein- und vielleicht auch Umstellung der Kreisgemeinschaft. Wenn wir uns um „Jüngere“ bemühen, müssen wir uns auch auf sie einstellen. Deswegen werden wir eine „Homepage“ einrichten, die schnellere und umfangreichere Kommunikation miteinander ermöglicht, ohne den Heimatbrief natürlich zu vernachlässigen. Auch mögliche Kooperationen der Kreisgemeinschaften miteinander werden notwendig werden. Seine Ansicht ist, dass die Kreisgemeinschaft mehr zu vermitteln und zu vertreten hat als die Erinnerung an Flucht und Vertreibung. Auch die Namensgebung darf davon nicht ausgenommen werden, zum Beispiel „Heimatgesellschaft“. Die Diskussion muss offen geführt werden und von der Mehrheit getragen werden, sonst haben wir keine Chancen und die Pessimisten, die mit dem Ableben der Erlebnisgeneration auch das Ende der Kreisgemeinschaften für natürlich halten, bekommen Recht.

Es folgte ein Bericht von Gerard Wichowski, Leiter der Deutschen Minderheit in Heilsberg über das Leben in Heilsberg und wie es angefangen hat. Die Minderheit hat zurzeit über 200 Familien, die dazu gehören oder die Sache unterstützen. Auf die Frage, warum der Deutschunterricht nicht verstärkt würde oder auch von der Minderheit nicht mehr Deutsch gesprochen wird, verwies er auf unsere Probleme, den Nachwuchs der Erlebnisgeneration zu erreichen. Es wäre ein Gebot der Fairness, das eine und das andere zu tun.

Danach schloss sich ein sehr informativer Bildervortrag von Andreas und Sabine Vollet über das Thema „Heilsberg gestern und heute“ an. Den Abschluss bildete ein vergnüglicher Vortrag von Carola Maschke, die aus dem Buch ihrer Schwester Margot Kohlhepp las „Und wenn die Gluck von den Eiern geht“.

Gegen 18 Uhr beendete der Vorsitzende die nach Meinung der Anwesenden gelungene Veranstaltung und wünschte allen eine gute Heimfahrt.

 

INSTERBURG − Stadt und Land

Vorsitzender Stadt & Land: Reiner Buslaps, Am Berg 4, 35510 Butzbach-Kirch-Göns, Tel.: (06033) 66228, Fax (03222) 3721953, E-Mail: R.Buslaps@t-online.de. Kreisgemeinschaft Insterburg Stadt & Land e. V., Geschäftsstelle, Am Marktplatz 10, 47829 Krefeld, Postfach 111 208, 47813 Krefeld, Tel.: (02151) 48991, Fax (02151) 491141, E-Mail: info@insterburger.de, Internet: www.insterburger.de, Bürozeiten: Montag – Freitag von 8 bis 12 Uhr.

Aufgrund der umfangreichen Diskussionen zu verschiedenen Tagesordnungspunkten in der Jahreshauptversammlung am 26. September genügte der vorgesehene Zeitrahmen nicht, um alle Tagesordnungspunkte ordnungsgemäß abarbeiten zu können. Daher ist jetzt satzungsgemäß noch eine zweite Ratsversammlung mit einer neuen Tagesordnung einzuberufen.

Zur Fortsetzung der 62. Jahreshauptversammlung der Mitglieder und der Ratsversammlung der Kreisgemeinschaft Insterburg Stadt und Land e.V. am Freitag, dem 21. November, 15 Uhr, im Sitzungssaal C 2, im Rathaus Krefeld, Von-der-Leyen-Platz 1, laden wir Sie hiermit ein.

 

LÖTZEN

Kreisvertreter: Dieter Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg. Geschäftsstelle: Ute Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg, Telefon (040) 6083003, Fax: (040) 60890478, E-Mail: KGL.Archiv@gmx.de

Der anlässlich ihres 50. Todestages durchgeführte literarische Nachmittag stellte Leben und Werk von Agnes Miegel in den Mittelpunkt. Aus diesem Anlass fand sich im Lötzener Heimatmuseum in Neumünster ein interessierte Zuhörerschaft ein, die sich aus Bewohnern der Patenstadt Neumünster, aber auch aus Besuchern aus Hamburg, Bad Oldesloe, Breklum, Bönningstedt und anderen Städten zusammensetzte, Aufmerksam hörten sie dem von Ute Eichler gesprochenem Streifzug durch das Leben der Dichterin Agnes Miegel zu.

Eingestreute Textpassagen lockerten den Vortrag auf und machten sprachliche Besonderheiten, den Bildreichtum, das Verwurzeltsein wie auch die Phantasie der begabten Dichterin deutlich. Auf manchen Hinweis zur Rezeption ihres Werkes musste aus zeitlichen Gründen verzichtet werden, wie auf die Bewertung des von Agnes Miegel hinterlassenen literarischen Werks durch einen türkischen Germanisten oder auf Beispiele zur Übersetzung ausgewählter Balladen und Gedichte durch den Russen Sem Simkin.

Der Zeitzeuge Eberhard Steinke schilderte anschaulich, wie Anfang der 60er Jahre er und seine Mitstudenten, die – aus Ostpreußen stammend – in Göttingen studierten, der nach Bad Pyrmont ins „Ostheim“ eingeladenen und hochbetagten Agnes Miegel einen besonderen „Ehrennachmittag“ bereiteten. Am Schluss erklang die Stimme der Dichterin selbst mit ihrem ergreifenden Alterswerk „Es war ein Land“.

Viele Besucher verließen die gelungene Veranstaltung mit dem Vorsatz, sich noch intensiver mit Agnes Miegel und ihren Werken zu beschäftigen.

Sonnabend, 15. November, Lötzener Heimatmuseum in Neumünster, Sudetenlandstraße 18: Von 10 bis 16 Uhr ist die ständige Ausstellung zur Geschichte von Stadt und Kreis Lötzen, der „Perle Masurens“, geöffnet. An diesem Tag besteht zudem letztmalig die Gelegenheit, die Sonderausstellung „Mein Hauptweg, meine Nebenwege“, die Kunstwerke der Elena Steinke aus drei Jahrzehnten ihres vielseitigen künstlerischen Schaffens, anzusehen.

Ab 16.15 Uhr erzählt dann Angelika Rischer, eine Märchenerzählerin aus Hamburg, die im schlesischen Habelschwerd geboren wurde, Märchen aus Pommern, aus Ost- und Westpreußen sowie aus Schlesien.

Der Eintritt ist frei. Es ist die letzte Veranstaltung im Jahresprogramm 2014 des Lötzener Heimatmuseums.

 

LYCK

Kreisvertreterin: Bärbel Wiesensee, Diesberg 6a, 41372 Niederkrüchten, Telefon (02163) 898313. Stellvertr. Kreisvertreter: Dieter Czudnochowski, Lärchenweg 23, 37079 Göttingen, Telefon (0551) 61665. Karteiwart: Siegmar Czerwinski, Telefon (02225) 5180, Quittenstraße 2, 53340 Meckenheim.

Vom 11. bis 18. Juni 2015 findet die Fahrt nach Lyck statt. Jeder kann teilnehmen. Wir treffen uns in Warschau am Hotel Novotel Warszawa Airport, von dort starten wir gemeinsam mit dem Bus nach Lyck und werden im Hotel Rydzewski wohnen.

Geplante Aktivitäten sind: Stadtrundgang in Lyck, Besuch der Deutschen Minderheit am Wasserturm, eine Kleinbahnfahrt mit

Picknick, Fahrt nach Nikolaiken, Schiffsfahrt, Besichtigung des historischen Museums, Fahrt durch den Kreis Lyck mit Bunelka, Besuch des Soldatenfriedhofs in Bartossen und eine Bootsfahrt auf dem Lyck-See. Die Kosten für Übernachtung und alle aufgeführten Aktivitäten betragen etwa 450 Euro pro Person. Der Einzelzimmerzuschlag beträgt 70 Euro (Die Anreise bis Warschau und die

Rückreise ab Warschau sind nicht im Preis inbegriffen). Anmeldefrist: 15. Januar 2015.

Nähere Informationen finden Sie auf unserer Website www.kreis-lyck.de unter Mittlere Generation, per Mail: heidi-mader@gmx.de, oder Telefon (0421) 673 290 26. Die Organisatorin freut sich auf eine interessante Fahrt und hoffe auf eine rege Beteiligung.

 

TILSIT–STADT

Stadtvertreter: Hans Dzieran, Stadtgemeinschaft Tilsit, Postfach 241, 09002 Chemnitz. Geschäftsführer: Manfred Urbschat, E-Mail: info@tilsit-stadt.de.

Die Tilsiter trauern um ihr treues Mitglied der Stadtvertretung Reinhold Gawehn. Er starb am 18. Oktober 2014 im Alter von 85 Jahren. Reinhold Gawehn besuchte in Tilsit die Herzog-Albrecht-Schule, der er sein Leben lang aktiv verbunden war. Er war viele Jahre in der Schulgemeinschaft als Kassenprüfer tätig und erwarb sich die hohe Wertschätzung seiner Schulkameraden. Im Jahre 2012 wurde er zum Mitglied der Stadtvertretung gewählt. Auch hier leistete er eine unermüdliche Arbeit, der der Tod ein jähes Ende setzte. Wir werden Reinhold Gawehn nicht vergessen. Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen.


„Hilfe von Herzen“
60 Jahre Patenschaft zwischen Harburg und Schlossberg

B ei der Jahreszahl „1954“ denken die allermeisten Deutschen wohl an das „Wunder von Bern“, den umjubelten Gewinn der Fußballweltmeisterschaft in der Schweiz. Ein anderes Ereignis allerdings lässt die Ostpreußen der Kreisgemeinschaft Schlossberg ebenfalls mit Freuden an dieses Jahr zurück-

denken. Wie ein kleines Wunder mag es manchen im Rückblick ebenfalls vorkommen. Gemeint ist die Übernahme der Patenschaft des Landkreises Schlossberg (bis 1938 Pillkallen) durch den niedersächsischen Landkreis Harburg. Genau 60 Jahre ist dies nun her. Zur Feier des Jubiläums bat die Schlossberger Kreisgemeinschaft am 11. Oktober in ihre Heimatstube im niedersächsischen Winsen an der Luhe.

Die Bedeutung des Ereignisses zeigte sich auch in der Gästeliste. In der bis auf den letzten Sitzplatz belegten Heimatstube hatten sich unter anderem André Wiese, der Bürgermeister von Winsen, eingefunden ebenso der stellvertretende Landrat des Kreises, Uwe Harden. Mit dabei waren auch der Vorsitzende der Harburger CDU-Kreistagsfraktion, Dr. Hans-Heinrich Aldag, sowie mit Professor Jens-Rainer Ahrens der Vorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion.

Den herausragenden Stellenwert der Patenschaft betonte auch Michael Gründling, der

1. Vorsitzende der Kreisgemeinschaft Schloßberg, in seinen Begrüßungsworten. „Nicht nur bloße materielle Unterstützung sondern Hilfe von Herzen fanden die Heimatvertrieben aus Pillkallen hier“, erklärte er.

Harburg war einer der ersten Landkreise der eine Patenschaft übernahm. Aufgabe war es, die Heimatvertriebenen zu integrieren und sie gleichzeitig darin zu unterstützen, ihre Kultur und ihre Geschichte zu bewahren. Sichtbares Zeugnis der Patenschaft ist die von der Kreisgemeinschaft eingerichtete Heimatstube in Winsen mit all ihren kostbaren Erinnerungsstücken aus der Heimat, einst der östlichste Landkreis Deutschlands. Aber auch der Landkreis Harburg profitierte von der Partnerschaft. Seine „Patenkinder“ vermittelteten zum Beispiel erst jüngst den offiziellen Kontakt zwischen der Kreisverwaltung in Haselberg [Krasnoznamensk und dem Landkreis Harburg. „Angesichts der geographischen Lage des Gebietes ergeben sich auf kommunaler Ebene interessante Perspektiven für Kooperationen zwischen Deutschland und Russland“, weiß Uwe Harden, der stellvertrende Landrat.

Einer, der die Patenschaft über viele Jahre begleitet hat, ist der ehemalige Oberkreisdirektor Hans Joachim Röhrs, In seiner Festrede ließ er die vergangenen Jahrzehnte Revue passieren. Kenntnisreich berichtete er zudem über die wechselhafte Geschichte von Deutschlands östlichstem Landkreis, der einst die blühendste Provinz Preußens unter Friedrich Wilhelm I war.

Mit einem reichhaltigen Buffet und vielen anregenden Gesprächen klang die Festveranstaltung aus. Worüber sich am Ende alle einig waren: Noch viele Jahre soll die Patenschaft zwischen Harburg und Schloßberg bestehen bleiben.

Frank Horns


S. 20 Heimatarbeit

Wildwuchs und Wirtschaftsboom
Trotz Ost-West-Differenzen in der Weltpolitik – eine Tour durchs nördliche Ostpreußen fördert Frieden und Verständniis

A ls langjähriger Organisator von Ostpreußen-Fahrten hatte Dissens Alt-Bürgermeister Louis-Ferdinand Schwarz zu einer Gruppenreise eingeladen. 32 Interessierte aus sechs Bundesländern trafen sich zum Reisestart in Berlin, um in nächtlicher Busfahrt Nordpolen zu durchqueren. Frühmorgens konnte am Nogatufer die Marienburg bestaunt werden. Nach einer kurzen Stadtführung in der alten Hansestadt Elbing [Elblag] wurde die dortige Gesellschaft der deutschen Minderheit besucht.

Deren Vertreter informierten über ihre Kulturarbeit wie den Deutschunterricht für Kinder, Feste und Brauchtumspflege so-wie ein Projekt, durch das Ger-manistikstudentinnen der Elbinger Hochschule in die Vereinsarbeit eingebunden werden. Nach zügiger Visakontrolle an der polnisch-russischen Grenze wurde das nördliche Ostpreußen erreicht, das heutzutage „Oblast Kaliningrad“ (Verwaltungsbezirk Königsberg) heißt.

In Rauschen [Swetlogorsk] an der Samlandküste, bezog die Gruppe ein Hotel, um von dort auf vier Tagestouren weite Teile des Gebietes zu erkunden. Beeindruckend waren die vielen Landschafts- und Naturschönheiten, wie die Steilküste mit ihren Schluchten, die alten Alleen und besonders die Wald und Sandweiten der Kurischen Nehrung auf der Fahrt nach Nidden [Nida].

Ganz offensichtlich aber war die Verwilderung der einstigen ertragreichen Kulturlandschaft: Zwischen kilometerweitem Wildwuchs von Goldrute, Disteln, Riesenbärenklau und jungen Birken waren nur vereinzelte Getreidefelder auszumachen; nur wenige Kühe grasten auf versteppten Weiden. Zudem fielen allenthalben unfertige Neubauten und ältere Bauruinen auf, die einen trostlosen Anblick boten.

Und doch scheint sich manches positiv zu verändern. Im Rathaus von Gumbinnen [Gussew] legte der Vize-Bürgermeister sein Konzept wirtschaftlicher Entwicklung dar und berichtete vom guten Sanierungszustand der Stadt und von sinkender Arbeits-losigkeit. In Pillau [Baltijsk] führte der Beauftragte für Stadtentwicklung, Viktor Koschelew, die Gruppe in den Hafen, wo sich der Umschlag für Container stetig erhöht, wo Terminals gebaut werden und auch Kreuzfahrtschiffe anlegen.

Inzwischen dürfen von See Einreisende ohne Visum ins Land und sich drei Tage aufhalten, wenn sie auf ihrem Schiff oder in nahen Hotels übernachten. Solche Lockerungen und die beginnende touristische Erschließung machen Hoffnung auf die Zukunft – auch hinsichtlich der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland, bei der auch Königsberg Austragungsort sein soll.

Ein Freundschaftsbesuch im Rathaus von Rauschen und das Gespräch mit den dortigen Bürgermeistern bekräftigte den Willen zum Austausch von Knowhow und zu gemeinsamer Weiterentwicklung der Region. Daran beteiligt sich auch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) mit Sitz in Osnabrück, indem sie bei umweltverträglichem Bauen berät oder die Wasserqualität des Kurischen Haffs zu verbessern plant. Offen bleibt bisher das Problem des Küstenschutzes durch Buhnenbau und die Verhinderung von Wassereinleitungen oberhalb der Steilküste, die zu Erosionsschäden führen.

Beim Besuch des weltweit größten Bernstein-Tagebaus in Palmnicken [Jantarnij] und einer Bernsteinschleiferei wurde diewirtschaftliche Bedeutung des Bernsteins erklärt.

Zum Gedenken an gefallene Soldaten und getötete Zivilisten besuchte die Reisegruppe die Ehrenfriedhöfe Pillau Nordmole und Germau. In Königsberg wurde am Krankenhaus Barmherzigkeit der Diakonissen gedacht, die in der Endphase des Krieges bis April 1945 unter eigener Todesgefahr Kranke und Hungernde pflegten.

Ein wichtiger Aspekt der Reise waren Informationen über soziale Hilfsprojekte, die sich dank der Unterstützung aus Deutschland gut entwickeln. In Gumbinnen unterhält die Gemeinde der Salzburger Kirche eine Diakonie-Sozialstation für die häusliche Pflege von etwa 50 mittellosen Bedürftigen, einen Mittagstisch für bis zu 70 Kinder aus armen Familien und eine Art sozialpädagogische Kinderbetreuung.

In Trakehnen gibt es eine „Deutsche Schule“, die nachmittags nach dem staatlichen Schulunterricht die Kinder – meist stammen sie aus russischsprachigen Aussiedler-Familien – betreut. Sie erhalten Sprach-, Tanz- und Musikunterricht. Spielerisch wird ihnen die deutsche Kultur vermittelt.

In Königsberg bietet die evangelsich-lutherische Auferstehungs-Kirche etwa 1000 Christen aus den ganzen Oblast, davon 280 in Königsberg, geistliche und soziale Gemeinschaft. Unter anderem gibt es zweimal wöchentlich einen Treff für Familien mit behinderten Kindern, die ja vom Staat keinerlei Förderung erfahren. In Pollwitten betreut Geschäftsführer Gerhard Lipfert mit seinem Team im „Kinderdorf Salem" 20 Kinder aus schwierigen sozialen Verhältnissen, einige davon zusammen mit einem Elternteil. Außerdem bietet auch „Salem" behinderten Kindern und ihren Eltern zu festen Zeiten Gelegenheit für Austausch, Beratung und Geselligkeit.

Diese Arbeit unterstützte die Reisegruppe mit Spielzeug- und Geldspenden. Den Gedanken umweltbewusster Selbstversorgung im Kinderdorf griff nach Vermittlung durch Louis-Ferdinand Schwarz die Deutsche Bundesstiftung Umwelt auf und förderte mit Beratung und Geld den Bau der ersten russischen Abwasserteich-Bodenfilter-Kläranlage mit Nährstoffelimination.

Ein Höhepunkt der Reise war der Tag in Königsberg Eine Bilderschau, zusammengeschnitten aus alten Fotos und Filmstreifen, vergegenwärtigte anschaulich das Vorkriegsleben in der Stadt, so dass bei der Stadtrundfahrt ein Vergleich zu heute möglich wurde. In der Immanuel-Kant-Universität referierte Professor Iwan Kopzew über bedeutende Absolventen der ehemaligen „Albertina" wie E.T.A. Hoffmann, J.G. Herder und Simon Dach. Der Besuch des Lasch-Bunkers veranschaulichte die letzten Kriegswochen bis zur Kapitulation des Königsberger Kommandanten Otto Lasch am 9. April 1945.

Beim Empfang im Deutschen Generalkonsulat schilderte Konsul Max Müller seine Aufgaben, vor allem die Bearbeitung von Anträgen auf Touristen- und Arbeitsvisa. Seit Öffnung des Konsulats 2004 ist dies in Königsberg möglich, so dass Antragsteller nicht mehr nach Moskau reisen müssen. Beendet wurde die terminreiche Woche mit einem erholsamen Tag zur freien Verfügung, einer Folkloredarbietung und einem Abschiedsessen nach ostpreußischer Art zusammen mit einigen der russischen Lokalpolitiker und Gastgeber. Die Eindrücke, Erlebnisse und Gespräche dieser Reise vertieften die Erkenntnis, dass es – trotz weltpolitischer Krisen auf offizieller staatlicher Ebene – möglich ist, in informellem Rahmen und auf zwischenmenschlicher Ebene Annäherung, Verständnis und Frieden in Europa zu fördern. LFS


S. 21 Reise

Zu Gast im Fliegenpalast
Erst Promi-Kurort, dann Geisterort, jetzt Wanderparadies − Das im Salzburger Land gelegene Bad Fusch erfindet sich stets neu

Die Dichter Christian Morgenstern und Hugo von Hofmannsthal kurten einst in Bad Fusch. Heute ist Österreichs „Zauberberg“ unweit der Großglocknerstraße beliebter Ausgangsort für Wanderungen.

Zell am See, Kaprun und die Großglocknerstraße – hier ist der Massentourismus zu Hause, im Sommer wie im Winter. Kaum ein Berg, auf den nicht eine Seilbahn hinauf führt, kaum ein Tal, in dem sich nicht Gasthof an Gasthof reiht. Und doch gibt es in diesem magischen österreichischem Dreieck, das vor allem gut betuchte Gäste von der arabischen Halbinsel für sich entdeckt haben, einen abgelegenen, fast verschwiegenen Ort, unentdeckt von den Massen, unerreichbar für Reisebusse – und tatsächlich ganz einzigartig: Bad Fusch.

Der kleine, heute unbewohnte Ort liegt oberhalb von Fusch an der Großglock­nerstraße. Er ist nur über einen serpentinenreichen Weg zu erreichen, der über Jahre durch einen Erdrutsch blockiert war, seit 2008 aber wieder befahren werden kann. Meter für Meter führt die kurvige Strecke aus der touristischen Welt heraus in die Einsamkeit des Gebirges – bis man irgendwann vor einer gewaltigen Ruine ankommt. Der bis zu sechsgeschossige Bau, teilweise notdürftig gesichert, teilweise eingestürzt, beherbergte einst ein legendäres „Grand Hotel“, das erste Haus von Bad Fusch.

Die Anfänge des Kurortes reichen bis in das 15. Jahrhundert zurück. Dem Quellwasser des Ortes wurde eine heilende Wirkung nachgesagt. Vor dem Aufkommen pharmazeutischer Mittel wurden in Europa Krankheiten vor allem mit Quellwasser behandelt. Je nach Krankheit konnten sich die wohlhabenden Bürger das nach seinem Mineraliengehalt passende Wasser und damit den passenden Kurort aussuchen. Das Wasser von Bad Fusch, so heißt es, soll den Appetit anregen, es soll die Verdauung fördern und gegen „Frauenleiden“ helfen.

Schon im frühen 15. Jahrhundert stand in Bad Fusch eine Kirche mit zwei Türmen – ein Beleg für die frühe Bedeutung des Kurortes. Allerdings war Bad Fusch mit seinen Heilquellen schwer zu erreichen – die Besucher mussten ihr Gepäck über Bergpfade nach oben tragen lassen, mussten selbst den mühsamen Aufstieg wagen. Erst 1893 wurde die bis heute bestehende Straße in die Hänge geschlagen – seit der Fertigstellung nahm das Bad dann einen raschen Aufschwung. Zu den berühmten Gästen des aufblühenden Bades gehörten die Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal und Christian Morgenstern.

Im August 1896 schrieb Morgenstern in sein Tagebuch: „Hinaus in Nebel und Regen, / wie stark auch der Himmel trauft! / Mit Sprühwasser-Morgensegen / die junge Stirne getauft!“

Aber aus dem glücklichen Aufbruch in die regennasse Berglandschaft wurde bald eine beschwerliche Wanderung: „Schwerer Nebel dunkle Lasten / sinken von dem Schnee der Kämme / über öde Herdenrasten / in des Tannichts finstre Stämme. / Nur des Baches bleiche Brandung / rauscht und leuchtet noch gerettet, − / bis die düstre Dunstgewandung / endlich ihn auch überbettet.“

Morgenstern benutzte die Eindrücke der alpinen Landschaft, um seine Gedanken, vor allem seine Sorgen in ihr zu spiegeln. In demselben Tagebuchfragment schreibt er später, sich selbst ermahnend: „Nur nicht eignen Gang bespähen! / Immer kopfhoch weiter wandern! / Bald genug, und gleich den andern / wirst du im Register stehen.“

Seine Blütezeit hatte Bad Fusch vor dem Ersten Weltkrieg, als jede Saison bis zu 500 Kurgäste in das höchstgelegene Bad Österreichs kamen. Damals war Bad Fusch nicht weniger als ein österreichischer „Zauberberg“, ein geistiger Ort, an dem diskutiert, gestritten und nicht zuletzt auch geschrieben wurde.

Der Krieg änderte alles. Nach 1918 kamen zwar wieder Gäste, der Ort zehrte aber von dem Glanz vergangener Tage. Das Grand Hotel trug in diesen Jahren, glaubt man dem mit dem Ort vertrauten österreichischen Autor Walter Kappacher, den abwertenden Namen „Fliegenpalast“ – ein Palast für lästige Insekten, aber inzwischen eine zu heruntergekommene Institution für die verwöhnten Kurgäste, die bald an anderen Orten mehr Komfort und mehr Bequemlichkeit fanden.

Der Zweite Weltkrieg brachte abermals eine Unterbrechung des Kurbetriebes mit sich. Nach 1945 wurde zwar ein Neuanfang versucht, aber die Gäste blieben nun fast gänzlich aus, das Hotel wurde ge­schlossen. Seit mehr als fünf Jahrzehnten steht das Grand Hotel nun leer und verfällt. Ei­nige der be­rühmten Quellen sind versiegt, allein die Fürstenquelle sprudelt noch wie eh und je; sie wird noch immer von Menschen be­sucht, die an die heilende Wirkung des Wassers glauben.

Die zweite im 18. Jahrhundert er­richtete Kirche des Or­tes, in der vielleicht auch Hofmannsthal und Morgenstern einst gesessen haben, wurde inzwischen restauriert. Die Gemeinde hat nach der Wiedereröffnung der Straße sogar einen Aussichtsturm sowie eine Kneipp­anlage gebaut. Im Sommer bewirtet eine Jausenstation die Wanderer, die ihren Weg durch das alte Bad nehmen.

Trotz der Jausenstation, an der an manchen Tagen sogar Blasmusik geboten wird, ist Bad Fusch ein verschwiegener Ort geblieben, den eine geheimnisvolle Aura umrankt. Welche Geschichten haben sich hier ereignet? Welche Geschichten schwirren hier noch in der Luft, wurden womöglich niemals aufgeschrieben? Welche Schriftsteller haben hier an Büchern gearbeitet, die womöglich nie veröffentlicht wurden?

Die meisten Besucher, die heute an der Grand-Hotel-Ruine ihren Wagen parken, beginnen in Bad Fusch lange Bergwanderungen, an Almhütten vorbei, bis hoch zum 2764 Meter hohen Schwarzkopf. Die Wanderer können auf ihrer Tour mit etwas Glück Murmeltiere sehen und, ab einer bestimmten erreichten Höhe, bis zum Großglockner blicken.

Doch neben diesen Erlebnissen können die einsamen und anstrengenden Wanderungen wie einst bei Morgenstern dazu führen, dass der Alpinist sich selbst reflektiert, dass er sich über die eigenen Stärken und Schwächen bewusst wird. Hugo von Hofmannsthal, der immer wieder in den Bergen unterwegs war, der den Nebel und Regen genauso wenig wie Morgenstern gescheut hat, soll in Bad Fusch versucht haben, eine quälende Schreibblockade zu überwinden.

Der Autor Kappacher hat in den zurückliegenden Jahren sicher viele Wanderungen rund um Bad Fusch unternommen – und er hatte keine Schreibblockade: Er veröffentlichte im Jahr 2009 seinen Roman „Fliegenpalast“ im Wiener Residenz Verlag, ein auf Fakten beruhendes Buch, in dem er Hugo von Hofmannsthals letzte Jahre vor seinem Tod nachgezeichnet hat.

Bad Fusch, das wird deutlich, war immer mehr als ein Sanatorium – es war und ist ein geistiger Ort in den Salzburger Alpen, unberührt vom Massentourismus. Nils Aschenbeck


Im Grachten-Labyrinth
Rembrandt und van Gogh, Rijksmuseum und Concertgebouw − Kulturbeflissene kommen in Amsterdam auf ihre Kosten

Amsterdam ist aus einem Schifferdorf hervorgegangen. Die Siedlung am eingedämmten Fluss profitierte von der Hanse und konnte sich in einem Wirtschaftskrieg gegen Antwerpen durchsetzen. Die Ausbeutung seiner überseeischen Kolonien und der Bau des Nordseekanals bewirkten ein Übriges. Der Hauptbahnhof gründet auf einer der drei künstlichen Inseln aus dem Aushub des Kanalbaus. Am südlichen Ufer des abgetrennten einstigen Meeresarms Ij hinter dem Bahnhof ist zu Beginn des neuen Jahrtausends eine Reihe neuer Museums- und Konzertgebäude entstanden.

Die Allgegenwart des Wassers lockert die spinnennetzartige Gleichmäßigkeit des nüchternen Stadtgeländes auf. Über die Jahrhunderte wurden die Grachtengürtel immer weiter geschnallt bis zur äußeren Singelgracht. Danach quoll die moderne Stadt am Ende des 19. Jahrhunderts über das alte Schema hinaus.

Außerhalb des Grachtengürtels wiegen dann ausgedehnte Parkanlagen die Steinwüsten auf. Vom englischen Landschaftsgarten des Vondelparks mit seinen Pavillons und Teichen bis zur modernen Gartenstadt um den Sloterpark. Doch für einen kurzen Besuch empfiehlt es sich, im Gehege zu bleiben, das sich zwischen der Centraal Station und dem Museum Plein erstreckt.

Es ist eigentlich unmöglich, sich in der Stadt zu verlaufen. Das Netz der Grachten und Straaten ist so gleichmäßig gewoben, dass man allerhöchstens in die falsche Richtung hinstürzen kann. Früher oder später kommt eine bekannte Prinsen-, Heeren- oder sonstige Gracht. Sogleich ist die Position wieder klar, wenn der große Turm der Westerkerk im Blickfeld er­scheint. Dieser schönste Turmbau der Stadt trägt kurioserweise die römisch-deutsche Kaiserkrone. Als Maximilian I. 1489 aus Dank für die Unterstützung den Bürgern Amsterdams das Recht verlieh, seine Krone im Wappen zu führen, war der letzte Ritter noch gar nicht Kaiser, sondern römisch-deutscher König. Kurz zuvor hatten ihn aufrührerische Untertanen vier Monate lang in Brügge gefangengesetzt.

Auch Amsterdam sollte dem Kaiser bald wieder unhold werden. Doch besann man sich beim Bau des Turms gut 100 Jahre später des Privilegs und deutete es so prunkvoll, wie es nur ging. Man bediente sich der Rudolfskrone, die um die gleiche Zeit für Kaiser Rudolf II. in Prag gefertigt und später zur Krone des 1804 gegründeten „Kaiserthums Österreich“ wurde. Unter der fürstlichen Bekrönung der Westerkerk prangt weithin sichtbar das Stadtwappen mit den drei schwarzen Andreaskreuzen.

Wer sich als Fremdling in den Gottesdienst einschleicht, wird darüber be­lehrt, dass es hier kein Beiseitestehen gibt. Der Kirchendiener fordert auch Touristen auf, Platz zu nehmen in der Bankreihe, die Türen seien nun verschlossen. Die Orde van Dienst, die Gottesdienstordnung, dauert anderthalb Stunden. Die Propheten und Patriarchen des alten Bundes werden so oft benannt, dass sie fast den Heiland verstellen. Ein inniger und spröder Ge­meindegesang dominiert die Zu­sammenkunft. Die Wände des schlanken Gotteshauses sind von ernüchternder Blöße. Kein Bild ziert den Raum. Dabei soll eines der erfindungsreichsten holländischen Malergenies irgendwo un­ter diesen Bo­denplatten an un­bekanntem Ort zur Ruhe gelegt worden sein: Rembrandt.

Die Gemälde des Meisters sind im Rijksmuseum zu besichtigen. Gewiss ist Rembrandts „Nachtwache“ in ihrer repräsentativen Theatralik ein unübertroffenes Werk. Und doch sind die eigentlichen geheimen Mysterien von Rembrandts Malerei in der Nische links vor der Wand mit dem großen Bild zu finden. Hier hängt die „Judenbraut“. Vincent van Gogh stand und staunte und sagte: „Rembrandt aber geht so tief ins Mysterium, dass er Dinge sagt, für die es in keiner Sprache Worte gibt.“ Nahebei blicken die „Staalmeesters“ von der Leinwand, so gegenwärtig und jäh erschrocken wie über dem Innewerden der eigenen Sterblichkeit. Daneben sind mehrere Bilder aus dem schmalen Oeuvre des Vermeer van Delft zu betrachten. Schiffsmodelle, Trophäen und Kostüme geben Auskunft über die glorreiche Zeit holländischer Seemacht.

Zehn Jahre war das Museum geschlossen. Seit 2013 spazieren die Besucher durch wiederhergestellte historistische Ausmalungen und Raumbezüge, die zuvor verbaut und übertüncht waren. Im Gegenzug kam die inzwischen zur architektonischen Epidemie ausgewachsene Mode der Überdachung historischer Innenhöfe zur Anwendung.

Der gleichen Behandlung wurde das Ge­bäude des alten Seemagazins auf der künstlichen Insel Kattenburg unterzogen, welches das Schifffahrtsmuseum beherbergt. Dort heißt der nach oben abgeschlossene Innenhof paradoxerweise Open Pleyn, was so viel heißt wie offener Platz. Den Museumsplatz mit dem Van- Gogh-Museum und dem Stedelijk-Museum schließt das Concertgebouw ab.

Auch das berühmte Konzerthaus wurde modisch verglast, allerdings mit einer Außenhaut. Im Inneren zeigt sich zugleich alles Alte glänzend aufgefrischt. Der Klang in dem großen recht­eckigen Saal unter der prunkenden Kassettendecke ist ohne Beispiel. Die unprätentiöse Feierlichkeit der Architektur steigert das Konzerterlebnis. Die Gemälde im Foyer zeigen die berühmten Dirigenten des Hauses.

Weniger als schmucklos, nämlich geradezu hässlich ist der riesige Komplex von Stadthaus und Oper. Der aus Dresden stammende Dirigent Hartmut Haenchen hat hier un­längst den kompletten „Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner erarbeitet. Die letzte Aufführung der spektakulären Inszenierung von Pierre Audi mit dem finalen Feuersturm der „Götterdämmerung“ verklang be­ziehungsreich am 13. Februar dieses Jahres, dem Jahrestag der Bombardierung Dresdens, der Geburtsstadt des Chefdirigenten der Amsterdamer Oper.

Im vormals noch so sittenstrengen Amsterdam profilierte sich in den 60er bis 80er Jahren eine provokante jugendliche Subkultur. Nachdem sich unterdessen das Verhältnis von Sub- und Hochkultur allerorten verkehrt hat, ist davon nur noch eine angenehme natürliche Lässigkeit geblieben. Zwar wabern aus den legendären Coffee-Shops immer noch die unangenehm süßlich-klebrige Schwaden von Marihuana auf die Straßen. Doch in vielen der einfachen Kaffeehäuser kann jedermann ungezwungene Stunden verbringen. Sebastian Hennig


S. 22 Neue Bücher

Bayern verstehen
Anekdoten zur Geschichte

Dass die Bayern sich für etwas Besonderes halten, ist bekannt und wird hingenommen. Schließlich weiß jeder, was typisch bayerisch ist, nämlich die weiß-blauen Landesfarben, die Tracht und das Brauchtum wie der Schuhplattler, das Oktoberfest und die Treue der Bayern zu ihrer CSU. Keineswegs nur für die Bayern hat der frühere „Stern“-Korrespondent und Autor Teja Fiedler, ein gebürtiger Niederbayer Jahrgang 1943, in seinem neuen Buch „Mia san mia“ die Vergangenheit des größten deutschen Bundeslandes aufgerollt, mit der Absicht, frisch und amüsant „die andere Geschichte Bayerns“, so der Untertitel, zu erzählen. Diese Geschichte ist überaus gehaltvoll und kompliziert, weshalb man sich auf jeden Fall mehr als eine historische Karte gewünscht hätte.

Da sich der Autor aber auf die mit Anekdoten gewürzte Präsentation von Historie verlegt hat, fällt die Lücke hinsichtlich des Anschauungsmaterials nicht sehr ins Gewicht. „Anders“ ist die kurzweilige Chronik auch deshalb, weil sie sonst wenig hervorgehobene Einzelheiten präsentiert. Wer weiß schon, dass Holland mit Borkum und Norderney rund ein dreiviertel Jahrhundert lang, bis 1425, zum Wittelsbacher Herrschaftsbereich gehört hat? Anschließend fiel Holland an Burgund und erhielt den Beinamen „die Niederen Lande des Hauses Burgund“.

Ergänzt wird die Darstellung der verschiedenen Epochen um Artikel zu wichtigen Ereignissen und Einzelschicksalen von bekannten sowie außerhalb Bayerns so gut wie unbekannten Menschen. So erfährt man von den Taten des Wilddiebs Matthias Klostermayer, den um 1771 alle Welt nur den „Bairischen Hiasl“ nannte. Lange hatte der sich vor seinen Häschern gerettet, indem er auf dem Flickenteppich souveräner Territorien schnell von einem „Staat“ zum anderen überwechselte. Schiller soll den Teufelskerl zum Vorbild für die Figur des edlen Banditen Karl Moor im Drama „Die Räuber“ erkoren haben.

1806 wurde der alte Traum der Wittelsbacher endlich wahr: Der ungestüme Eroberer europäischer Länder und Staaten, Napoleon, erhob seinen treuen Verbündeten Kurfürst Max Joseph zum König von Bayern. Dabei ließ er ihn, gleichsam als Warnung, wissen, dass er auch seinen Marschall Murat zum König hätte bestellen können. Erst seit 1825 schreibt man Bayern nicht mehr mit „i“, sondern mit Ypsilon dank der Vorliebe des Königs Ludwig I. für griechische Kunst und Kultur. Mit 60 Jahren, in seinem „herrscherlichen Spätherbst“, wurde Ludwig 1846 noch einmal „von einer außerehelichen Begierde ergriffen“, wie es heißt. Die Tänzerin mit dem Künstlernamen Lola Montez versetzte Ludwig zum Entsetzen seiner Minister in ein anhaltendes Liebesdelirium, das im März 1848 die Abdankung des Königs zur Folge hatte. „Der unglaubliche Ludwig II.“, „Wittelsbachs Abendrot“, „Räterepublik“, „Der völkische Sumpf“, „Heimat der Bewegung“, „Weiß-blaue Wiedergeburt“ und „CSU forever“ sind weitere Kapitel überschrieben, die zu lesen sich lohnt.

„Mia san mia“ heißt es zum Schluss dann nochmals, was de facto einen kurzen Blick in Bayerns Entwicklung seit 1988 bedeutet, dem Ende der Ära Franz-Josef Strauß. So manche Neuerung, die andernorts als fortschrittlich bezeichnet wird, ging an Bayern vorbei, was den Durchschnittsbayern mit Stolz erfüllt. Nur hier ist das Kruzifix im Klassenzimmer trotz des gegenteiligen BGH-Urteils erhalten geblieben. Und nur hier gibt es ein Heimatministerium, dessen Minister Markus Söder bekundet hat: „Bayerische Heimat ist einer der schönsten und emotionalsten Begriffe überhaupt.“ D. Jestrzemski

Teja Fiedler: „Mia san mia. Die andere Geschichte Bayerns“, Piper, München 2014, geb., 384 Seiten, 24,99 Euro


Gute Zeiten für Kriminelle
Einsparungen bei der Polizei gefährden inzwischen die Sicherheit

Der Titel des Buches „Das Ende der Sicherheit. Warum die Polizei uns nicht mehr schützen kann“ klingt dramatisch. Im Grunde ist die von Franz Solms-Laubach geschilderte Lage auch dramatisch, allerdings merkt man dem Buch an, dass sein Autor bei der „Bild“-Zeitung arbeitet. Manche Themen sind zu kurz gefasst, oft fehlt die nötige Seriosität, und Aufzählung der Missstände geht vor Tiefe. So kratzt das Buch nur an der Oberfläche, zumal die darin vorgeschlagenen Verbesserungen in ihrer Lächerlichkeit die Hilflosigkeit des Autors, der das Problem erkannt hat, verdeutlichen.

Der Titel des Buches entstammt übrigens dem Vorwort von Rainer Wendt, dem Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Darin warnt dieser davor, dass, wenn der Staat seinen Schutzauftrag gegenüber der Bevölkerung nicht mehr nachkommen könne, er deren Vertrauen verliere und irgendwann das Gesetz des Stärkeren gelte, was im Ergebnis das Ende von Rechtsstaatlichkeit und Freiheit sei.

Überhaupt kommen in dem Buch sehr oft Gewerkschaftsvertreter zu Wort, was eine gewisse Einseitigkeit erzeugt. Man wünscht, der Autor hätte angesichts der Missstände den politischen Entscheidungsträgern auf den Zahn gefühlt. Auch ist es merkwürdig, dass zwar laut einer im Buch erwähnten Umfrage zwei Drittel der Deutschen der Meinung sind, dass es zu wenig Polizei in Deutschland gäbe, gleichzeitig aber die Politik, die sich doch so gern nach Umfragen richtet, hierauf gar nicht reagiert. Stattdessen werden trotz bereits vorhandener Personalengpässe bei der Polizei bis 2020 weitere 10000 Stellen wegfallen.

Dabei nimmt die Zahl der Einbrüche zu, wie der Autor schildert. Er verweist darauf, dass immer mehr osteuropäische Banden gezielt Einbrüche begehen, die Polizei aber so gut wie machtlos sei, die Bürger zu schützen. „Doch während die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Einbruchs zu werden, steigt, verschlechtern sich die Chancen, dass der oder die Täter hinterher wirklich gefasst werden.“ So sank 2013 die Aufklärungsquote bei Wohnungseinbrüchen auf 15,2 Prozent. Zudem erhöhte sich die Zahl der Taschendiebstähle, wobei die Aufklärungsquote 2013 hier bei vier Prozent lag.

Die Absicherung von Großveranstaltungen wie Demonstrationen würde bereits gut die Hälfte der Arbeitszeit der jüngeren Polizisten in Anspruch nehmen. Da bereits über 40 Prozent der deutschen Polizisten über 45 Jahre alt seien, müsste somit auf fast die Hälfte des Personals Rücksicht genommen werden, da man ältere Kollegen nicht mehr mitten in den Tumult schicken könne. So bauten sich bei vielen Überstunden auf, gleichzeitig sorge Papierkram bei oft veralteter Technik dafür, dass vor lauter Registrierung und Dokumentation die Zeit für Ermittlungen fehle. Solms-Laubach weist zudem darauf hin, dass beispielsweise Drogenhandel und -konsum Kontrolldelikte seien, die nur durch Überprüfungen der Polizei festgestellt würden. Fehle dieser hierfür die Zeit, sinke zwar auf dem Papier die Kriminalität, doch die Täter liefen noch frei herum. Das für viele Polizisten frustrierende Problem, dass viele festgenommene Täter schnell wieder frei herumlaufen, weil die Justiz sie laufen lässt, wird im Buch leider kaum thematisiert.

Es stößt auf, wenn Solms-Laubach auf die zunehmende Gewalt gegen Polizisten eingeht, hier aber entweder allgemein bleibt oder von Rechtsextremisten oder Islamisten schreibt. Auf die viel größere Gruppe, von der Gewalt gegen Polizisten ausgeht, nämlich Linksextreme, geht der Autor nicht ein.

Bei allen Reformen in Bezug auf die Polizei habe in den letzten Jahrzehnten stets der Sparaspekt im Mittelpunkt gestanden, obwohl eine Anpassung an das veränderte Aufgabenfeld bitter notgetan hätte, so der 1971 Geborene. Hier hebt der Autor vor allem die Veränderungen in der deutschen Gesellschaft infolge des demografischen Wandels und der massiven Zuwanderung vor allem aus muslimischen Ländern hervor.

Wie ernst die Lage ist, wird am Beispiel von leitenden Polizeibeamten aus sechs nordrhein-westfälischen Großstädten deutlich, die 2013 vorgeschlagen hatten, um wenigstens einen Teil ihrer Aufgaben noch ordentlich zu erfüllen, andere Aufgaben einfach zu streichen oder sie an private Sicherheitsdienste auszulagern. So sollte künftig auf die Bearbeitung von Beschwerden bei Ruhestörungen oder das Eingreifen bei häuslicher Gewalt verzichtet werden.

Solms-Laubach selbst reagiert auf die dargestellten Missstände aber ähnlich ratlos: mehr Videoüberwachung und Datenspeicherung, und um sich vor Einbrüchen zu schützen, solle man dem Nachbarn seinen Schlüssel geben, damit der bei Abwesenheit auf das Haus aufpasst. Auch sollten Polizisten mehr miteinander über ihre Erlebnisse reden, und ein Ruheraum am Arbeitsplatz sei sinnvoll, um bei Erschöpfung Rückzugsmöglichkeiten zu haben. Als ob man mit derlei Details angesichts der Brisanz der Lage etwas ausrichten könne! Rebecca Bellano

Franz Solms-Laubach: „Das Ende der Sicherheit. Warum die Polizei uns nicht mehr schützen kann“, Droemer, München 2014, kartoniert, 253 Seiten, 18 Euro


Einfühlsames über den Einfühlsamen
Stimmungsvolles Porträt des Dichters Matthias Claudius

„Der Mond ist aufgegangen“ ist wohl eines der schönsten deutschen Volkslieder. Wer Näheres über seinen Verfasser, den melancholischen wie heiter-frommen Matthias Claudius (1740–1815) erfahren möchte, dessen 200. Todestag im nächsten Jahr gefeiert wird, dem kann die kenntnisreich verfasste Biografie von Reiner Strunk nur empfohlen werden. Dem Verfasser ist es gelungen, auf lediglich 200 Seiten nicht nur ein sachlich fundiertes, sondern sogar auch ein gut lesbares Porträt eines Dichters zu zeichnen, dessen bildhafte, meditative Lyrik und (im positiven Sinne) „schlichte“, ungekünstelte Sprache bis heute geschätzt wird. Die Gedichte von Claudius stehen nach Strunk „als ein Mittelglied sozusagen zwischen der anbetenden Poesie des Psalms und der die ästhetischen Reize in der Natur besingenden Poesie der Romantik“.

Interessant ist die Darstellung von Claudius’ besonderer Beziehung zum Tod, dem „Freund Hain“, wie er ihn – nur scheinbar verharmlosend – nannte. Interessant auch die Beschreibung von dem Verhältnis, das Claudius in einer Zeit politischer Wirren und Umwälzungen zu den Fürsten einnahm. Wenngleich er an seiner monarchischen Überzeugung nie einen Zweifel ließ, so maß er ihr Handeln doch an der christlichen Ethik und verlangte von ihnen ein vorbildliches und verantwortliches Verhalten. Den Krieg und seine Verherrlichung verabscheute er. Sein „Kriegslied“ „’s Krieg! ’s Krieg! O Gottes Engel wehre, und rede du darein!“ würde heutzutage wohl als Anti-Kriegslied bezeichnet.

Da Strunk immer wieder auch die Person des Dichters und sein Werk in den historischen und politischen Kontext seiner Zeit stellt, kommt es zu einer differenzierten Betrachtungsweise. Ein weiterer Pluspunkt der Biografie liegt in der einfühlsamen Erläuterung und Deutung einiger der bekanntesten Gedichte des „Wandsbecker Boten“, wie Claudius sich selbst bezeichnete. Genannt seien an dieser Stelle nur das auch heute noch zum Erntedankfest gern gesungene (und im Vergleich zum Original etwas „verstümmelte“) Lied „Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land, doch Wachstum und Gedeihen liegt in des Himmels Hand“ oder das melancholische Gedicht zum Tod seiner Tochter Christiane: „Es stand ein Sternlein am Himmel.“ Matthias Hilbert

Reiner Strunk: „Matthias Claudius. Der Wandsbecker Bote“, Calwer Verlag, Stuttgart 2014, broschiert, 200 Seiten, 16,95 Euro


Abrechnung mit linken Lebenslügen
Der Sozialdemokrat Heinz Buschkowsky zeigt Folgen der deutschen Einwanderungspolitik auf

Heinz Buschkow-sky hätte sein neues Buch „Die andere Gesellschaft“ besser stark kürzen sollen. Allzu oft erzählt er im Plauderton auch Belangloses oder allzu Bekanntes. Dennoch ist auch dieses zweite Werk des Bezirksbürgermeisters von Berlin-Neukölln wertvoll. Denn er berichtet auch sehr viele Daten, Fakten und Erlebnisse authentisch aus Neukölln. Der Autor hat viele protokollierte Gespräche ausgewertet, darunter solche mit Imamen, Intensivtätern, Sozialarbeitern, Lehrern, Islam-Experten und Zuwanderern. Angesichts der zunehmenden Islamisierung in vor allem deutschen Städten hat vieles davon Bedeutung über Neukölln hinaus.

Erfrischend geht Buschkowsky mit der gerade in diesem Zusammenhang oft herrschenden Political Correctness ins Gericht. Der Sozialdemokrat wirkt hier geradezu als Mutmacher, sich von Bevormundungen nicht einschüchtern zu lassen, auch wenn nicht alle seine Formulierungen immer optimal geglückt sind. Eine Kostprobe: „Die Political Correctness ist die operative Ebene von Ignoranz als Form der Arroganz des linken Bildungsbürgertums. Sie ist ein wunderbares Alibi für Tatenlosigkeit und Schwätzertum.“ Linke Bildungsbürger heuchelten nur Empathie mit den sozial Schwachen, schreibt Buschkowsky. Sie selbst seien ja nicht von den Problemen betroffen, und sie schüfen sich eine Scheinwirklichkeit. „Das kollektive Abtauchen“ hat Buschkowsky das betreffende Kapitel überschrieben – gemeint ist das Abtauchen vor der Wirklichkeit.

Neukölln mit 322000 Einwohnern ist größer als Mannheim. Buschkowsky: „Ich sage voraus, dass Einwanderer und ihre Nachkommen in den Jahren 2020 bis 2025 in Neukölln einen Bevölkerungsanteil von 75 bis 80 Prozent ausmachen werden. Es wird dann eine migrantisch geprägte Stadt sein.“ Über 40 Prozent aller jungen Menschen in Neukölln im Alter von bis zu 25 Jahren bezögen Hartz IV, für die Neuköllner Innenstadt würden sogar 70 Prozent geschätzt. Der Bürgermeister schildert, wie muslimische Jung-Machos Polizisten verhöhnen und angreifen, wie wachsweich die politisch kastrierte Polizei in Berlin reagiert und wie jämmerlich die Justiz versagt. „Mit Kuscheljustiz“, schreibt er, „kommen wir an Intensivtäter nicht heran, für die verkörpert jedes Opfer, das sie zu Boden getreten haben, einen Sieg. Wir müssen Gewalttäter schneller und härter anfassen.“ Und: „Ich könnte in die Tischkante beißen, wenn ein Jugendlicher mit einer 20. oder 30. Straftat vor Gericht steht und dann so milde abgeurteilt wird.“ In Neukölln gebe es rund 160 Intensivtäter, 90 Prozent davon mit Migrationshintergrund. Die größte Gruppe sind junge muslimische Männer, die Arabischstämmigen dabei deutlich überrepräsentiert: „Sie machen in ihrer Altersgruppe neun Prozent der Bevölkerung aus und verüben 50 Prozent der Straftaten.“ 30 Prozent der Insassen der Jugendarrestanstalt Berlin erhalten keine Salami und keinen gekochten Schinken mehr, da 70 Prozent der Insassen Muslime sind, die kein Schweinefleisch essen. Die mit der organisierten Kriminalität verbundenen Araberclans nennt Buschkowsky einen Machtfaktor.

Meldungen, wonach in Berlin die Jugendkriminalität rückläufig sei, misstraut er. Gegenüber 1990 jedenfalls hätten die Straftaten von Neuköllner Jugendlichen über alle Deliktfelder hinweg insgesamt um ein Drittel zugenommen. Die Zahl der Raubtaten und Erpressungen habe sich verdoppelt, und Körperverletzungen brächten es auf „ein sattes Plus von 100 Prozent“.

Ein „Verein Berliner Muslime“ verteilt regelmäßig vor Schulen in Neukölln einen Flyer, mit dem auf muslimische Mädchen massiv Druck ausgeübt wird, sich zu verschleiern. Um die Indoktrinierung zu dokumentieren, hat Buschkowskys den Flyer abgedruckt. Immer wieder beschwört er gegenüber dem islamischen Fundamentalismus und den orientalisch-archaischen Strukturen die Werte des Grundgesetzes. Doch damit steht Buschkowsky, die Kassandra Neuköllns, dort wohl auf verlorenem Posten. Michael Leh

Heinz Buschkowsky: „Die andere Gesellschaft“, Ullstein, Berlin 2014, geb., 288 Seiten, 19,99 Euro


S. 23 Rautenberg Buchhandlung

Rautenberg Buchhandlung


S. 24 Panorama

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Dämonen und andere Bürger / Wie man die AfD endlich entlarvt hat, wie gefährdet unsere Salafisten sind, und warum jede falsche Bewegung streng geahndet wird

Nun haben wir sie endlich beim Wickel! Bislang war es ja unendlich schwierig, die AfD ideologisch festzunageln. Liberal? Konservativ? Rechts? Ja, was bloß? Jakob Augstein, Herausgeber der Wochenzeitung „Freitag“ und Millionenerbe des „Spiegel“-Gründers Rudolf Augstein, hat uns aus der Ungewissheit erlöst.

Die „Alternative“ sei nichts weniger Gruseliges als die Wiederauferstehung von Alfred Hugenbergs Deutschnationalen! Woran man das erkennt? Ganz einfach: Hugenberg habe gegen den „Schmach-Frieden“ von Versailles gepoltert. Das neue Versailles der AfD sei der Euro. Während Hugenberg die angebliche „Versklavung des deutschen Volkes“ angeprangert habe, laufe die AfD dagegen an, dass Deutschland der „Zahlmeister Europas“ werde. Lächerlich! Wie kann man Deutschland als seit ewigen Zeiten mit Abstand größten EU-Nettozahler und Hauptgaranten sämtlicher „Rettungsschirme“ bloß zum „Zahlmeister“ hochjubeln? Nichts als Neo-Hugenbergsche Hetze.

Deshalb weist Augstein sogar die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi zurecht, die gesagt hat, dass sie die AfD „nicht dämonisieren“ wolle, nachdem sie die Partei als „braune Suppe“ dämonisiert hatte. Nein, so Augstein, man solle die „Alternative“ dämonisieren, weil sie höchstpersönlich der „alte Dämon der Deutsch­nationalen“ sei. Huuu! Ganz schön unheimlich, was?

Es wird noch viel gespenstischer, warten Sie’s ab. Also zunächst mal werden sich die Lucke-Leute natürlich mit Händen und Füßen dagegen wehren, als Erben der Deutschnationalen eingesetzt zu werden. Ihre Parteifarbe Blau entspricht jener von Gustav Stresemanns rechtsliberaler Volkspartei (DVP), die sich nach dem Zweiten Weltkrieg mit den Resten der linksliberalen Deutschdemokraten (DDP, ab 1930 dann „Staatspartei“ genannt) zusammentat, deren Farbe Gelb war. Auf diese Weise entstand das Blau-Gelb der FDP. So gesehen ist die AfD parteihistorisch eine Art Wiederausgliederung.

Das hilft denen aber keinen Deut, denn die DVP war genauso biestig gegen Versailles wie die Deutschnationalen. Dääämooonen! Das Dumme ist nur, dass zwischen 1919 und 1933 auch Sozialdemokraten, Christdemokraten (katholisches Zentrum) und sogar die Kommunisten Gift und Galle in Richtung des Versailler Vertrags schleuderten, den sie nicht als „Vertrag“ sahen, sondern als erpresserisches Diktat.

Wer die Parolen von damals vergleicht, bekommt den Eindruck, dass sich keine politische Gruppierung der Weimarer Republik von einer anderen überbieten lassen wollte in ihrem öffentlichen Abscheu vor dem „Diktat“.

Da hat der gute Augstein nun aber zu tun: SPD, Union, sogar Linkspartei – alles „alte Dämonen“. Nur die Grünen nicht, weil’s für die keinen Vorgänger vor 1933 gab? Macht nichts: Naturschutz rückte eben etwas später in den Fokus der großen deutschen Politik, nach der Weimarer Zeit, nämlich so ab Mitte der 30er Jahre. Wer da an der Macht war, wissen wir, so dass Jakob Augstein auch den Grünen einen richtig schicken Dämonen an die Backe basteln kann. Einen wirklich ganz besonderen.

Was für eine düstere Welt, und sie wird täglich finsterer. Das Thema Salafisten in Deutschland löst selbst bei den Sicherheitsbehörden zunehmend Sorge aus. Sorge vor den Salafisten? Nein, Sorge um die Salafisten selbstverständlich. Der NRW-Verfassungsschutz schlägt Alarm: Bei Kurden, Jesiden und Schiiten gebe es „eine wachsende Bereitschaft“, gegen Salafisten womöglich mit Gewalt vorzugehen.

Ist das nicht fürchterlich? Da hilft nur die Zivilcourage der deutschen Mehrheitsbevölkerung, die sich vor ihre bedrängten salafistischen Mitbürger stellen muss. Lichterkette an!

Allerdings müssen wir schon jetzt so viel Zivilcourage aufbringen gegen Rechts, gegen Abtreibungsgegner oder gegen Familienväter und -mütter, die sich vor dem geplanten Asylantenheim nebenan zu fürchten vorgeben, dass wir kaum noch welche übrig haben.

Da haben die Behörden einen wertvollen Tipp. Sie raten uns, unsere Zivilcourage gegen Straftäter, gegen Diebe, Schläger und gewalttätige Jugendbanden einfach ganz einzusparen, schon haben wir wieder genug davon übrig. In Berlins Görlitzer Park beispielsweise, einem „Highlight“ des bunten, weltoffenen Kreuzberg, haben sich ausländische Diebes- und Räuberbanden zusammengerottet, um Touristen und Berliner zu überfallen und zu berauben. Leider muss es Fälle gegeben haben, wo sich die Opfer widerspenstig gewehrt haben, weshalb die Berliner Polizei jetzt Postkarten und Plakate an Anwohner sowie umliegende Herbergen und Restaurants verteilt.

Darin werden wir gebeten, einen Bogen um die Räuberbanden zu machen. Wenn wir dennoch von ihnen bedrängt würden, sollten wir auf keinen Fall Gegenwehr leisten, sondern die verlangten Wertgegenstände herausgeben. Mit anderen Worten: Die Staatsmacht, die ihre Bürger eigentlich schützen soll und dafür bezahlt wird, fordert uns auf, bei unserer eigenen Ausraubung mitten in der deutschen Hauptstadt auch noch zu kooperieren. Wie bitte? Und wieso? „Die Polizei hat doch selber Angst vor den Kriminellen“, sagte die Angestellte eines Hähnchengrills neben dem Park zum „Tagesspiegel“. Ach so.

Heißt das jetzt, dass die Staatsmacht aufgehört hat, ihrer Schutzpflicht nachzukommen? Keineswegs, sie schützt nur eben andere, und das nicht erst seit gestern. Vor fünf bis sechs Jahren steckten zwei spektakuläre Urteile den neuen Kurs ab. In München wurde ein 57-jähriger Radfahrer von einem 16-Jährigen verfolgt. Grund: Der junge Mann hatte eine Frau bedrängt und der ältere ihn daher gebeten: „Lass’ sie doch in Ruhe“, worauf der Jüngere „austickte“. Der Radfahrer war schon einmal dermaßen heftig von Jugendlichen zusammengeschlagen worden, dass er bleibende Schäden davontrug. Als der junge Angreifer ihn rennend eingeholt hatte, stach der Verfolgte dem 16-Jährigen mit einem Taschenmesser in die Achselhöhle.

Notwehr? Pah! Der zuständige Richter verurteilte den 57-Jährigen zu viereinhalb Jahren Haft. Wenig später hat sich ein 30-jähriger Deutscher mit einem Messer gegen den Angriff von fünf Albanern zu Wehr gesetzt. Urteil desselben Richters: drei Jahre und neun Monate für den 30-Jährigen.

Sie sehen: Der Rechtsstaat hat seine Zähne nicht weggelegt, er beißt nur eben andere. Feindbild: Deutscher, fleißiger Steuerzahler, ohne Vorstrafen. Wenn diese Beschreibung auf Sie passt, sollten Sie sich vorsehen. Man hat Sie auf dem Kieker, eine falsche Bewegung und ... Was eine falsche Bewegung ist, entscheiden wahlweise Räuberbanden in Berliner Parks, 16-jährige Schlägertypen oder albanische Jugendgangs.

Da aber auch ein fleißiger Rechtsstaat nicht überall gleichzeitig sein kann, stehen ihm engagierte Bürger zur Seite, die von der Antifa etwa.

Im Norden Bremens geben rassistische Anwohner vor, Angst zu haben vor zwölf Asyl-Jugendlichen, die dort in einem leer stehenden Gasthaus untergebracht werden sollen. Dabei haben sich die jungen Nordafrikaner außer Raub, Erpressung, Schlägereien und Messerstechereien eigentlich nie etwas zu Schulden kommen lassen. Trotzdem sammeln die Bremer Bürger Unterschriften gegen das Heim.

Nun bekommen die protestierenden Anwohner Anrufe von Antifaschisten. Der Inhaberin eines Ladens für Bürobedarf, die Unterschriften gegen das Heim sammelt, wurde mitgeteilt: „Hier ist die Antifa. Wenn die Listen weiter ausliegen, werden wir Ihren Laden blockieren.“ Einem anderen Bürger wird angekündigt, er müsse mit „Aktionen“ rechnen.

Die Ladenbesitzerin hat Strafanzeige bei der Polizei erstattet. Na, da wird sie sich wohl auf etwas gefasst machen müssen. Es wird schließlich Zeit, dass sich auch die Staatsmacht mit diesen Anwohnern mal näher befasst.


MELDUNGEN / ZUR PERSON

Schweizer wollen mehr Gold

Bern – Eine relative Mehrheit der Schweizer will, dass ihre Notenbank die Goldvorräte verdoppeln muss und kein Gold mehr verkaufen darf. Damit bestünden 20 Prozent der Vermögenswerte der Bank aus Gold. Am 30. November halten die Eidgenossen eine Volksabstimmung über diese Forderung ab. Dabei planen laut einer Umfrage des Berner Instituts GfS derzeit 44 Prozent, den Vorstoß zu unterstützen, und 39 Prozent, ihn abzulehnen. H.H.

 

Denkmal für Wikipedia

Frankfurt/Oder – Polen hat der weltweit größten, wegen ihrer linkslastigen politischen Einseitigkeit umstrittenen Internet-Enzyklopädie Wikipedia ein Denkmal gesetzt. Seit Mittwoch vergangener Woche soll das Monument in der Frankfurter Dammvorstadt [Slubice] daran erinnern, dass die Polen zu den fleißigsten Wikipedia-Autoren gehören. Es zeigt zwei Frauen und zwei Männer, die eine Weltkugel aus Puzzleteilen über ihre Köpfe heben. J.H.

 

Ramba Zamba statt Samba

Beim Finale der Fußballweltmeisterschaft im Sommer dieses Jahres saßen in der Ehrenloge des Maracanã-Stadions von Rio de Janeiro zwei höchst unterschiedlich temperamentvolle Damen nebeneinander: hier die geradezu übermütig jubelnde deutsche Bundeskanzlerin, dort die mürrisch blickende brasilianische Gastgeberin.

Dilma Rousseff bildet mit ihrem Miese-Laune-Gesicht einen auffälligen Kontrast zum sonnigen Dauergemüt ihrer Landsleute. Die

66-Jährige, die bei den Stichwahlen zur Präsidentschaft gerade knapp mit 51,65 Prozent im Amt bestätigt wurde, mag lieber Ramba Zamba als Samba. Sie gilt als humorlose Arbeitsbiene und verlegte, um verlängerte Wochenenden ihrer Minister zu vermeiden, die Kabinettssitzungen auf den Freitagnachmittag.

Dank ihrer Arbeitswut gelang es ihr, seit ihrem ersten Amtsantritt 2011 tatsächlich, die Armut in Brasilien zu dämpfen. Etwa 50 Millionen Menschen empfangen jetzt die „Bolsa familia“, eine Sozialhilfe für Familien. Obwohl Rousseff, anders als ihr populärer politischer Ziehvater Lula da Silva von der sozialdemokratischen Arbeiterpartei, nie die Nähe zum Volk sucht, hat sie als Tochter eines aus Bulgarien eingewanderten kommunistischen Unternehmers ein marxistisches Sendungsbewusstsein mit auf den Weg bekommen.

Während der Militärdiktatur lebte sie im Untergrund und war Anführerin einer Guerillaorganisation. Nachdem man bei ihrer Verhaftung eine Pistole fand, wurde sie mit Elektroschocks gefoltert. Nach dreijährigem Martyrium wurde sie entlassen und studierte Wirtschaft.

Das Vertrauen des Volkes in ihre Markt-Kompetenz half ihr schließlich, die Präsidentschaftswahl zu gewinnen. Und das, obwohl das Land nur ein Wachstum von 0,5 Prozent aufweist und Brasilien im WM-Halbfinale gegen die Deutschen mit 1:7 unterging. H. Tews


MEINUNGEN

Ob beim „Marsch für das Leben“ oder bei der „Demo für alle“ gegen Baden-Württembergs „Bildungsplan“ (PAZ berichtete) – bürgerliche Kundgebungen werden immer massiver von linken „Gegendemonstranten“ bedroht, klagt Klaus Kelle auf „Freie Welt“ (23. Oktober):

„Wieso lässt dieser Staat, wieso lassen Politiker und Medien zu, dass die Teilnehmer solcher Veranstaltungen inzwischen ihre körperliche Unversehrtheit riskieren, wenn sie für ihre verfassungsmäßigen Rechte auf die Straße gehen? Wieso dürfen diese Leute beleidigt, bedroht und lächerlich gemacht werden? Und wieso sitzt die berühmte schweigende Mehrheit auf dem Sofa und schaut zu, wenn nicht gerade etwas anderes im Fernsehen läuft? Es darf nicht so bleiben.“

 

 

Frank Meyer („Telebörse“) hält den sogenannten Banken-Stresstest für reines Theater, mit dem sich die „Wächter des Papiergeldsystems“ selbst feierten. In seinem Blog „rottmeyer.de“ lästert er:

„Manche südeuropäische Bank ist leider schon siebenmal tot, andere Geldhäuser nur fünfmal. Würden die Banken generell nicht über die Schläuche der EZB belüftet und gefüttert, reichte ein kleiner Windstoß, um das Problem des Overbankings (zu viele Banken am Markt) in Europa auf schnelle Art und Weise zu lösen.“

 

 

Der Kabarettist Dieter Nuhr, der wegen eines mehrere Jahre alten Witzes über den Koran von Islamisten angefeindet und juristisch verfolgt wird, spottet in der „Welt am Sonntag“ über die knifflige Lage seiner Kollegen vom Kabarett:

„Die drücken sich ja um alles herum, was nicht zu ihrem fest gefügten Weltbild passt ... Wie schaffe ich es, zugleich ausländerfreundlich, frauenfreundlich und islamfreundlich zu sein? Und dann noch für freie Meinungsäußerung? Da muss man sich vierteilen, um das hinzukriegen.“

 

 

Oliver Jeges nimmt in der „Welt“ (28. Oktober) den Dauervorwurf der „Islamophobie“ auseinander, mit dem jede erdenkliche Kritik am Islam erstickt werden solle:

„Es muss in einer modernen Gesellschaft ohne Einschränkung erlaubt sein, Ideen und Ideologien schlecht zu finden und zu kritisieren. Ob Kommunismus oder Kapitalismus, Vegetarismus oder Feminismus, ob Christentum oder eben Islam. Hunderte von Jahren gingen unsere Vorfahren sprichwörtlich durch die Hölle, damit wir heute dieses Recht der freien Meinungsäußerung genießen. Und nun sollen wir es revidieren? Weil Muslime sich beleidigt fühlen?“

 

 

Der Entertainer Jürgen von der Lippe sagte dem „Spiegel“ (27. Oktober), was er von einer Frauenquote hält:

„Bei mir hört es schon auf mit der Forderung nach einer Frauenquote in Aufsichtsräten. Damit ist niemandem gedient ... Ich habe eine Managerin, ich hatte eine Produzentin. Aber eine Quote würde zu nichts Gutem führen, da sie Personen in Positionen brächte, nur weil sie das richtige Geschlecht haben.“