20.04.2024

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Preußische Allgemeine Zeitung - Aktuelle Ausgabe

© Preußische Allgemeine Zeitung Folge 45/14 vom 08.11.2014

S. 1 Preußische Allgemeine Zeitung

Das Regime war besiegt
Erinnerung an den 9. November 1989 – Von Vera Lengsfeld

Am Morgen des 9. November 1989 stand ich nach anderthalbjähriger Abwesenheit aus der DDR morgens auf der Westseite vor der Passkontrolle des Grenzübergangs Berlin-Friedrichstraße. Der Posten schaute abwechselnd ratlos in meinen DDR-Pass und auf den Bildschirm seines Computers. Keine Ahnung, ob er sich an die sogenannte Liebknecht-Luxemburg-Affäre des Jahres 1988 erinnerte, in deren Verlauf führende Bürgerrechtler der DDR direkt aus dem Stasiknast Hohenschönhausen in den Westen abgeschoben worden waren. Einige davon mit DDR-Pass und der Zusicherung, nach einer bestimmten Zeit wieder in die DDR zurückkehren zu dürfen. Es war, wie wir nach der Stasiaktenöffnung erfuhren, ein Maßnahmenplan der Staatssicherheit, um die Bürgerrechtsbewegung der DDR entscheidend zu schwächen. Nun war ich wieder da, aber man wollte mich nicht zurückhaben.

Schließlich forderte der Posten mich auf, in einen Nebenraum zu kommen, damit mein komplizierter Fall geklärt werden könne, ohne den weiteren Grenzverkehr zu behindern. Ich weigerte mich jedoch, meinen Platz vor dem Schalter zu verlassen und betonte, dass ich nur in eine Richtung gehen würde: nach Ostberlin.

Hinter mir hatte sich eine lange Schlange von Rentnern gebildet. Einige fingen laut an zu murren. Als der Unmut einen vorläufigen Höhepunkt erreichte, drehte ich mich um und hielt eine kurze Ansprache. Ich stellte mich vor, sagte, dass meine Papiere in Ordnung seien, dass man mich aber nicht in die DDR einreisen lassen wolle. Da rief eine Stimme ganz hinten: „Reinlassen!“, eine zweite schloss sich an, und beim dritten Mal, waren es schon alle: „Reinlassen, Reinlassen!“

Der Posten hämmerte immer hektischer auf seiner Tastatur herum. Gleichzeitig hatte er den Telefonhörer ans Ohr geklemmt und sprach ununterbrochen hinein. Schließlich knallte er mir mit einem „Gehn’se, gehn’se!“ meinen Pass hin.

Als ich auf der anderen Seite stand und die berüchtigte eiserne Tür hinter mir zufiel, bekam ich einen Schreck. Was hatte ich getan? Warum war ich freiwillig ins Gefängnis zurückgekehrt? Der Bahnhof sah so trist aus wie eh und je. In der Luft hing der vertraute Geruch nach Braunkohlensmog. Von den aufregenden Montagsdemonstrationen, den angeblichen Veränderungen, war hier erst mal nichts zu spüren.

Aber als ich aus dem Bahnhof trat, sah ich das Schaufenster der Deutschen Bücherstube in der Berliner Friedrichstraße, die gefüllt war mit Büchern, die verramscht werden sollten, darunter „Reden und Aufsätze“ von Erich Honecker, „Ausgewählte Reden und Aufsätze“ von Harry Tisch, Erich Mielke und anderen Politbüromitgliedern. Die Auswahl begleitete ein Schild: „Alles umsonst.“

Ich schüttelte mein Unbehagen ab und machte mich auf den Weg zum Polizeipräsidium am Alexanderplatz, um ein Ausreisevisum zu beantragen. Schließlich waren meine Kinder noch in Cambridge, wohin ich zurückkehren wollte. Allerdings wollte ich vorher klären, ob mein vor einem Jahr wegen „pazifistischer Plattformbildung“ aus der Berliner Carl- von-Ossietzky-Schule relegierter Sohn und seine Freunde wieder die Schule besuchen dürften. Im Polizeipräsidium hielt man mich bis zum späten Nachmittag fest. Immerhin las ich währenddessen in der „Berliner Zeitung“, dass es in der Stadt Smog gab. Das war neu. Jahrelang hieß Smog „Inversionswetterlage“ oder „Hochnebel“. Es hatte sich also doch etwas geändert. Und ich bekam sogar mein Visum.

Als ich endlich in meiner Wohnung am Pankower Amalienpark eintraf, erkannte ich mein Zuhause nicht wieder. Meine Bücher lagen zerrissen auf dem Boden, die Bettwäsche war zerfetzt, das Geschirr zerschlagen, die Möbel zerbrochen. Ich stand bis zu den Knien in den Trümmern meiner früheren Existenz. Ich hielt das nicht aus und ging zu Bekannten, die in der Nähe wohnten.

Hier sah ich beim Abendbrot die Pressekonferenz von Günter Schabowski. Wir sahen, wie ihm von links ein Zettel gereicht wurde, den er stirnrunzelnd studierte, ehe er verkündete, dass ab sofort allen DDR-Bürgern ein Pass mitsamt Ausreisevisum zu gewähren sei. Dass diese bedeutende Mitteilung nicht vom zuständigen Innenminister gemacht wurde, erschien uns in diesem Moment nicht allzu verwunderlich. Wir sahen die Journalisten zu den Telefonen rennen, dachten aber dennoch nicht an so dramatische Folgen. Wir waren mit der Frage beschäftigt, wie es in der DDR weitergehen sollte. Wir machten uns auf zu Christa Wolf, einer bekannten Schriftstellerin, um sie zu fragen, ob sie nicht Präsidentin der DDR werden wolle. Christa Wolf erklärte uns nicht für verrückt, sondern ließ uns ausrichten, sie fühle sich gesundheitlich nicht dazu in der Lage. Sie hätte vor zwei Tagen einen Herzanfall erlitten und müsse sich schonen.

Wieder auf der Straße, sahen wir zwei junge Männer jubelnd herumtanzen. Als sie uns sahen, riefen sie uns zu, eben sei die Mauer an der Bornholmer Straße gefallen. Wir fuhren sofort hin, es war keine zwei Kilometer entfernt. Als wir an der Bornholmer Brücke ankamen, wälzte sich schon ein dicker Strom Menschen über die eben noch todbringende Grenze.

Die Grenzsoldaten standen zu Salzsäulen erstarrt an der Wand. In ihren Knopflöchern und unter den Schulterstücken steckten Blumen. Jeder hatte eine Flasche Wein, Sekt oder Bier in beiden Händen, aus denen sie aber nicht tranken.

Ich stellte mich vor den Ranghöchsten, sah ihm ins versteinerte Gesicht und fragte ihn, wie er sich jetzt fühle. Als ich keine Antwort bekam, ließ ich mich im Menschenstrom über die Brücke treiben. Der erste klare Gedanke war: Mist, du hast den besten Teil des Tages auf dem Polizeipräsidium verbracht, um ein Visum zu bekommen, das du nicht mehr brauchst. Auf der anderen Seite der Brücke hielt ein Linienbus. Der Fahrer ließ so viele Fahrgäste einsteigen, wie der Bus fassen konnte, und fuhr sie zum Sightseeing durch ganz Westberlin.

Trotz durchwachter Nacht stand ich am anderen Morgen vor dem Volksbildungsministerium. Ich hatte meinem Sohn versprochen, dort in Erfahrung zu bringen, ob die Schüler wieder an die Schule zurückkehren dürften. Die Ministerin sei nicht zur Arbeit erschienen, erklärte mir der Pförtner ungefragt. Aber Frau Honeckers Staatssekretär sei da. Ich wurde ohne Umschweife in das Büro der Volksbildungsministerin vorgelassen. Man war devot, denn in mir vermutete man die neue Macht. Man versicherte mir, das Ministerium habe von den Vorgängen an der Ossietzky-Schule nichts gewusst. Andernfalls hätte man die Relegierung natürlich verhindert. Das Ganze sei eine Entscheidung auf Berliner Ebene gewesen.

Also ging ich zum Roten Rathaus, wo man mich schon erwartete. Man bedauerte auch dort, man habe von der Ossietzky-Affäre nichts gewusst, sonst hätte man sie verhindert. Die Entscheidung sei im Stadtbezirk gefallen, dorthin müsste ich mich wenden. Ich hatte nicht vor, noch eine Behörde aufzusuchen. Ich forderte, dass alle relegierten Ossietzky-Schüler am nächsten Tag wieder in die Schule gehen dürften und dass die Wiederaufnahme dort erfolgt, wo die Relegierung im Oktober 1988 stattgefunden hatte: in der Aula der Schule, vor der Schulvollversammlung. Ich würde das Rote Rathaus nicht eher verlassen, bis meine Forderung erfüllt worden sei. Es dauerte nicht lang, da versicherte man mir, es würde alles so geschehen, wie ich es wünschte.

Am nächsten Tag saßen die relegierten Schüler mit ihren Eltern in der ersten Reihe der Aula der Ossietzky-Schule und wurden von dem Direktor, der sie gefeuert hatte, feierlich wieder aufgenommen.

Erst da war das Glücksgefühl überwältigend. Ich wusste, wir hatten das Regime besiegt.


Ostpreußen als Auftrag

Unser Auftrag ist Ostpreußen“ lautete eine der programmatischen Aussagen des Sprechers der Landsmannschaft Ostpreußen (LO), Stephan Grigat, bei der diesjährigen Sitzung der Ostpreußischen Landesvertretung (OLV). Die OLV ist das höchste Beschlussgremium der LO und politisch gesehen das Exilparlament der vertriebenen Ostpreußen. Im Mittelpunkt der von einem harmonischen Verlauf und Geschlossenheit geprägten Versammlung standen die Berichte und die Entlastung des Vorstandes, die einstimmig erfolgte. Alle Delegierten einte die Überzeugung, dass die LO auf die Zukunft ausgelegt sei und ihre Aktivitäten nicht mit dem Dahinscheiden der Erlebnisgeneration einstellen werde. J.H.

(siehe Seite 20)


S. 2 Aktuell

»Dramatische Lebenserfahrungen«
Freya Kliers Buch »Wir letzten Kinder Ostpreußens« bewegt viele PAZ-Leser – Ein Interview mit der Autorin

Sieben Kinder – sieben Schicksale: Die Autorin, Filmemacherin und ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin Freya Klier zeichnet in ihrem neuen Buch die Lebenswege von drei Jungen und vier Mädchen aus Schuditten, Königsberg, Stallupönen und Mallenuppen nach. Ausgehend vom Sommer 1944 werden ihre Schicksale bis in die Gegenwart beleuchtet. Im Interview äußert sich die Autorin über dramatische Lebenserfahrungen, die Schwarz-Weiß-Malerei der 68er und ihrem Wunsch, einer leidgeprüften Generation Wärme und Anerkennung zu verschaffen.

PAZ: Frau Klier, Sie sind in Dresden geboren und in einem Staat aufgewachsen, in dem das Schicksal der Ostpreußen ein Tabuthema war. Öffentlich durfte in der DDR nicht darüber gesprochen werden. Wie kam es zur Idee, dieses Buch zu schreiben?

Freya Klier: Das war 1993, also vier Jahre nach dem Mauerfall. Damals drehte ich für den WDR einen Film über Frauen, die beim Vormarsch der Roten Armee als „lebende Reparationen“ zur Zwangsarbeit nach Russland deportiert wurden. Dabei bin ich immer wieder auch auf die

Schicksale der ostpreußischen Kinder gestoßen. Das Buch ist also schon lange als Plan in mir drin gewesen. Ich wollte dieser Generation unbedingt eine Öffentlichkeit verschaffen. Ich möchte, dass die Kinder von damals Anerkennung und menschliche Wärme in unserer Gesellschaft erfahren.

PAZ: In Ihrem Buch kritisieren sie die Leichtfertigkeit der 68er, die das Leid ihrer Eltern einfach als gerechte Strafe für die Verbrechen des NS-Regimes abgetan haben. Spüren Sie diese Haltung auch in der Resonanz auf „Wir letzten Kinder Ostpreußens“?

Freya Klier: Nein, ich merke, dass sich inzwischen eine Menge getan hat. Alle Generationen wenden sich dem Thema viel unbefangener zu. Das Interesse an Geschichte, besonders an der eigenen Familiengeschichte, hat zugenommen. Das ideologische Brett vor dem Kopf hat sich in vielen Fällen aufgelöst. Besonders junge Leute sind zudem empfänglich, weil das Thema Vertreibung leider immer noch Alltag in unserer Welt ist. Man denkt, es hätte sich gar nichts zum Besseren weiterentwickelt.

PAZ: Vertreibung, Flucht, Gefangenschaft, Tod und Leid werden in Ihrem Buch sehr lebendig. War es für für Sie selbst schwer, mit diesen Themen umzugehen, den sieben Zeitzeugen zuzuhören und ihre Erlebnisse niederzuschreiben?

Freya Klier: Das geht natürlich unter die Haut und kostet auch seelische Kraft. Aber ich habe da für mich so einen inneren Kompass, in dem ich mir immer klar mache, dass ich diese Geschichten nur aufschreibe. Meine Gesprächspartner mussten sie aushalten.

PAZ: Wie schwer war es für die „Kinder Ostpreußens“, sich zu erinnern?

Freya Klier: Ihre Erinnerungen sind noch sehr präsent. In zwei Fällen bestand große Angst davor zu öffnen, was man ein Leben lang notdürftig verkapselt hatte. Das waren dann auch therapeutische Gespräche. Es ging darum, Menschen zu ermutigen, sich all dem Erlittenen noch einmal zuzuwenden und es dadurch zu verarbeiten – was auch geklappt hat. Die schreck-lichen Bilder und durchlebten Ängste lassen sich nicht abkapseln oder ausblenden. Sie sind bis zum Lebensende präsent und lösen immer wiederkehrende Albträume aus, wenn man sich ihnen nicht stellt. Es sind dramatische, überwältigende Lebenserfahrungen. Stellen Sie sich vor, wie es für ein vier-, sechs- und achtjähriges Mädchen ist, wenn vor ihren Augen die Mutter stirbt …, wenn sie daraufhin versteckt in einem Keller hausen – in einem Dorf, in das plötzlich fremde Menschen mit einer fremdem Sprache einziehen.

PAZ: Die Erlebnisse des bekannten Opernkomponisten Siegfried Matthus und den anderen sechs Zeitzeugen ergeben ein sehr detailliertes Bild der Ereignisse in Ostpreußen, aber auch der Zeit nach Flucht und Vertreibung. War das der Grund, diese Art der Darstellung zu wählen?

Freya Klier: Ja, in dem ich einzelne Szenen nebeneinanderstelle und beschreibe, was den Kindern jeweils parallel passiert ist, kann ich die Zeit und ihre Geschehnisse viel umfassender einfangen. Es ist eine Art Schnitttechnik. Da ich vom Film und Theater her komme, liegt mir diese Art der Darstellung.

PAZ: Warten jetzt neue Film- und Theater-Projekte auf Sie? Ist das Thema „Flucht und Vertreibung“ mit Fertigstellung des Buches für Sie abgeschlossenen?

Freya Klier: Wenn die Festlichkeiten zum 9. November vorüber sind, möchte ich auf jeden Fall in vielen Veranstaltungen gerade auch der jüngeren Generation das Thema mit meinem Buch nahebringen. Aber ich hoffe auch, dass sich noch viel mehr Zeitzeugen einbringen und zum Beispiel in die Schulen gehen. Das halte ich für ganz wichtig. Millionen sind entwurzelt worden, eben auch viele Kinder. Das ist ein Teil unserer deutschen Geschichte und darüber müssen wir reden.

Das Gespräch führte Frank Horns.


Passentzug für Salafisten
Hamburg verabschiedet Konzept gegen islamischen Extremismus

Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz verfügt über die bei Politikern eher selten zu beobachtende Gabe, aus Fehlern zu lernen. Im Jahre 2001 musste er nach nur wenigen Monaten im Amt des Innensenators sein Ressort an den von ihm verachteten Ronald B. Schill übergeben. Und das vor allem, weil seine SPD über viele Jahre das Thema Innere Sicherheit sträflich vernachlässigt und der „Richter Gnadenlos“ Schill beharrlich den Finger in die klaffende Wunde gelegt hatte. Die Hamburger hatten genug von Straßen- und Ausländerkriminalität, offener Drogenszene, „Kuscheljustiz“ und jugendlichen Autodieben, die für ihre Taten noch mit Abenteuerreisen belohnt wurden. Das hat Scholz nie vergessen und seit er die Hansestadt mit absoluter Mehrheit regiert, hält er die Zügel bei der Inneren Sicherheit straff.

Das sollen nun auch gewaltbereite Islamisten zu spüren bekommen. Scholz hat angekündigt, jenen den Reisepass zu entziehen, die in Verdacht stehen, Deutschland verlassen zu wollen, um ausländische Terrorgruppen zu unterstützen. Nach Erkenntnissen des Landesamtes für Verfassungsschutz leben in Hamburg rund 320 Salafisten, von denen 150 als gewaltbereit gelten. Ihr „Sympathieumfeld“ schätzen die Verfassungsschützer auf etwa 1000 Personen. Von 40 Salafisten ist bekannt, dass sie zum Dschihad nach Syrien und in den Irak ausgereist sind, um dort zu kämpfen. Die Zahl der bisher nach Hamburg zurückgekehrten Kämpfer wird mit 17 angegeben.

Der Passentzug ist nur eine Maßnahme des neuen Senatsprogramms zur Bekämpfung des Salafismus. Zur Begründung für dessen Verabschiedung in der vergangenen Woche heißt es in der Senatsdrucksache, dass „insbesondere der Salafismus“ drohe, „sich in Hamburg als demokratie- und integrationsfeindliche Ideologie zu etablieren“. Die Behörden für Inneres, Soziales und Schule haben daher gemeinsam mit muslimischen Organisationen wie Ditib, Schura, Rat der Islamischen Gemeinschaften, Verband der Islamischen Kulturzentren und Alevitische Gemeinde ein Konzept erarbeitet, das hauptsächlich auf Prävention setzt.

Eine wichtige Aufgabe kommt dabei auf Schulen, Jugendeinrichtungen, Kitas, Ausbildungsbetriebe und Vereine zu, da Jugendliche als besonders anfällig für salafistische Tendenzen gelten. Viele „Einrichtungen der Regelsysteme“ seien aber „noch nicht ausreichend auf die Auseinandersetzung mit den Problematiken der Islamfeindlichkeit und des Salafismus eingestellt“. Diese sollen ein Netzwerk bilden und ihr Personal soll geschult werden, um die Veränderungen der Jugendlichen erkennen und ihnen begegnen zu können. Ein wichtiger Aspekt der Prävention ist der Senatsdrucksache zufolge der Abbau von Vorurteilen, denn nicht nur die Suche nach muslimischer Identität könne zu einer Radikalisierung führen, sondern auch „Diskriminierung“. Auch die Angehörigen eines radikalisierten Familienmitglieds sollen eingebunden werden. Und schließlich soll das geschulte Personal beim Ausstieg aus der Salafisten-Szene helfen, indem es den Betroffenen „Perspektiven eröffnet“. Zur Unterstützung des Vorhabens will der Senat 1,1 Millionen Euro aus bereits bestehenden Haushaltstöpfen abzweigen. J.H.


Gefährliche Altlast
Reste syrischer Chemiewaffen in Deutschland

Von einem „wichtigen Meilenstein“ sprach US-Präsident Barack Obama Mitte August vollmundig, als er der Welt den Abschluss der „vollständigen Vernichtung“ der syrischen Bestände zur Produktion von Chemiewaffen verkündete. Was er nicht erwähnte: Dabei sind 340 Tonnen mit Wasser verflüssigtes und chemisch umgesetztes Senfgas übriggeblieben, die seit Anfang September in 23 Containern in Deutschland lagern.

Senfgas, auch S-Lost oder Gelbkreuz genannt, ist kein Gas im eigentlichen Sinne, sondern ein hautschädigender Kampfstoff, der durch Kleidung und einfache Schutzmasken dringt. Rund 600 Tonnen dieser chlorhaltigen Chemikalie wurden auf dem US-Spezialschiff „Cape Ray“ in einer Hydrolyseanlage „neutralisiert“. Die dabei angefallenen hochgefährlichen Reststoffe werden nun von der bundeseigenen Gesellschaft zur Entsorgung von chemischen Kampfstoffen und Rüstungsaltlasten mbH (GEKA) im niedersächsischen Munster in Spezialöfen bei knapp 1000 Grad verbrannt. Dabei werden Wasserdampf und Kohlendioxid freigesetzt. Anschließend werden die Verbrennungsrückstände im Vakuum bei 45 Grad gekocht. Am Ende der Prozedur bleiben Wasser und Salze übrig. Außerdem werden in Munster 30 Tonnen kontaminierte Schutzausrüstung und Fässer von der „Cape Ray“ unschädlich gemacht. Das Ganze kostet den deutschen Steuerzahler rund eine Million Euro.

Die rund 50 Tonnen kontaminierte Altlasten chemischer Kampfstoffe aus Syrien werden schließlich in Fässer abgefüllt und zur „langzeitsicheren“ Endlagerung in einen Kalischacht in Thüringen gebracht. Die Untertagedeponie in Sondershausen wird von einer Privatfirma betrieben, die in dem stillgelegten Salzbergwerk „eine in sich geschlossene, separate Entsorgungsanlage innerhalb des Grubenfeldes“ eingerichtet hat. Durch „unterschiedliche Barrieren“ von den übrigen Bereichen getrennt, wird dort seit Jahren auch von der GEKA stammender Sondermüll gelagert – nach den auch für die neue Lieferung geltenden „üblichen strengen Vorschriften“, wie man dort versichert. J.H.


MELDUNGEN

Uniformträger leben gefährlich

Berlin – Zunehmende Gewalttätigkeiten gegen Staatsbedienstete, vor allem aber gegen Uniformträger, beklagt der Deutsche Beamtenbund (dbb). An erster Stelle richteten sich die Attacken gegen Polizisten. Aber auch Feuerwehrleute, Mitarbeiter von Rettungsdiensten und Ordnungsämtern sowie Eisenbahnpersonal seien in immer höherem Maße nicht nur verbalen, sondern auch körperlichen Angriffen ausgesetzt. Nach Umfragen des dbb haben die Gewalttaten seit 2005 gegen Polizisten um rund fünf Prozent sowie in Ämtern und bei Gerichtsvollziehern um zwölf Prozent zugenommen. Es ist allerdings von einer erheblichen Dunkelziffer auszugehen, denn eine Statistik über Gewalt gegen Staatsbedienstete wird nur für die Polizei geführt. J.H.

 

Muslime drohen Juden mit Mord

Offenbach – Offenbachs jüdischer Stadtschulsprecher Max Moses Bonifer ist „aus Selbstschutz“ von seinem Amt zurückgetreten, nachdem er von Muslimen Morddrohungen erhalten hatte. Seit dem Gaza-Konflikt sei er regelmäßig von arabisch- und türkischstämmigen Jugendlichen beschimpft, angespuckt und angegriffen worden, berichtete er der „Jüdischen Allgemeinen“. Jüngst sei ihm sogar „Wir bringen dich um, Scheiß-Jude“ hinterhergerufen worden. Alle Anfeindungen seien „ausschließlich von muslimischen Jugendlichen“ ausgegangen. Von der Politik ist Bonifat enttäuscht. Er habe mehrfach auf das Problem aufmerksam gemacht, aber von der Politik kämen „nur leere Phrasen“. Die Stadt betreibe Symbolpolitik und beschwöre das multikulturelle Zusammenleben, verschließe jedoch die Augen vor den Konflikten. J.H.


S. 3 Preussen/Berlin

Mauerpark
von Vera Lengsfeld

In diesem Jahr ist Berlin vom Wetter regelrecht verwöhnt worden. Während in Süddeutschland der Sommer nass und kalt war, konnten die Berliner nach Lust und Laune sonnenbaden. Auch der Herbst ist warm und sonnig wie nie. Dass bereits November ist, merkt man nur daran, dass es früh dunkel wird. Die meisten Blätter sind noch an den Bäumen, mehr grün als bunt.

In wenigen Tagen jährt sich der Mauerfall zum 25. Mal. Da liegt es nahe, an diesem strahlenden ersten Novembersonntag eine Radtour auf dem ehemaligen Todesstreifen zu machen.

Die Strecke zwischen Pankow und Prenzlauer Berg ist besonders schön. Rechts und links vom Weg stehen Hunderte japanische Kirschbäume aus dem ursprungsland, die ein rotgoldenes Dach über den Fahrradweg bilden. Man passiert einen der letzten verbliebenen Grünkeile, die zukunftsorientierte Stadtväter vor anderthalb Jahrhunderten in Form von Schrebergartenkolonien ins Stadtzentrum vortreiben ließen.

An der Grenze zum Prenzlauer Berg werden die Gärten von Gründerzeithäusern abgelöst, die am S-Bahndamm wie ein Spalier stehen. Ihre Restaurierung ist ein paar Jahre her, so dass der wilde Wein an den Fassaden schon wieder beträchtliche Höhen erreicht hat. Selbst die hässlichen Peitschenlampen aus DDR-Zeiten, die damals der Ausleuchtung des grenznahen Gebietes dienten, sind bis oben hin zugewachsen.

Überquert man die Gleimstraße, wo man durch den wieder eröffneten Tunnel in den ehemaligen Westsektor gucken kann, wird es mit dem Radfahren schwierig, weil immer mehr Fußgänger unterwegs sind. Man nähert sich dem Mauerpark, einer großen Freifläche im früheren Niemandsland zwischen Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark und Gesundbrunnen. Weil es im Prenzlauer Berg wenig Parks gibt, wurde dieses Gebiet nach der Grenzöffnung sehr schnell als Freizeitplatz in Beschlag genommen. Aus den geharkten, unkrautfreien Sandflächen, die den Grenzern verraten sollten, ob sich jemand unbefugt der Mauer nähert, wurden Liegewiesen. Besonders schön sitzt es sich auf dem Abhang am Stadion, wegen der Aussicht.

Gauckler, Musiker, Pantomimen, Drogen­dealer – jedem wird etwas geboten. Familien können sich auf die großzügigen Spielplätze zurückziehen, Boule-Spieler haben sich eine Ecke erobert, die ihnen niemand mehr streitig macht.

Sonntags gibt es am Rand einen beliebten Trödelmarkt, auf dem man zwischen allerlei Tinnef und Tand auch richtig gute Sachen bekommt. Ehe ich mich’s versehe, habe ich eine schicke Mütze und einen urigen Blumenständer für meine Terrasse erworben. Letzterer wird kostenfrei nach Hause geliefert, innerhalb der nächsten Stunde. Damit endet meine Tour, denn ich muss zurück.


Abgehoben und schönfärberisch
Innenstaatssekretär Bernd Krömer aus dem ruhigen Lichtenrade kennt keine »No-Go-Areas«

In Berlin gebe es keine wegen Kriminalität unbetretbaren Stadtteile („No-Go-Areas“), hat Innenstaatssekretär Bernd Krömer im Märkischen Presse- und Wirtschaftsclub verkündet. Die Realität besonders in den „ethnischen Kolonien“ der Stadt sieht anders aus. CDU-Mann Krömer selbst wohnt im ruhigen Lichtenrade am Südrand Berlins.

Eigentlich hätte Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) im Märkischen Presse- und Wirtschaftsclub Rede und Antwort stehen sollen. Da er zu einer kurzfristig einberufenen Aufsichtsratssitzung der Olympiastadion GmbH musste – deren Geschäftsführer wurde seines Postens enthoben –, vertrat ihn sein Staatssekretär Krömer. In der Einladung hieß es: „Berlin ist eine sichere Stadt, beteuert der Senat nicht müde werdend. Aber immer wieder wird die Öffentlichkeit durch brutale Schlägereien, Bank- und Geschäftsüberfälle sowie Bandenkriege aufgeschreckt.“ Es dränge sich der Eindruck auf, dass die Polizei dem Verbrechen nur noch hinterherlaufe. Zu häufig würden die Täter nicht gefasst. „Hat der Rechtsstaat kapituliert?“, hieß es in der Einladung weiter. Und: „Wie geht die Stadt mit den ,No-Go-Areas‘ um?“

Wie abgehoben und schönfärberisch auch ein Berliner CDU-Staatssekretär mit diesen Fragen umgeht, wurde beim Auftritt Krömers deutlich. „Es gibt in Berlin keine sogenannten ,No-Go-Areas‘“, verkündete er. „Dass in jeder Großstadt Ecken sind, wo das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, größer ist, das ist einfach so“, fügte er noch hinzu. Aus dem Publikum wurde ihm entgegengehalten, dass diese „Ecken“ längst große Teile ganzer Stadtviertel einnähmen und sich dort viele Menschen spätestens ab Einbruch der Dunkelheit auf zahlreiche Straßen nicht mehr trauten. Krömer erwiderte phrasengestählt: „Berlin ist eine der sichersten Hauptstädte Europas.“ Und: „Es gibt in Berlin keine Orte, in denen der Rechtsstaat nicht im Ernstfall durchgesetzt wird.“

Wie wenig der Rechtsstaat in Berlin „im Ernstfall“ tatsächlich durchgesetzt wird, können Beobachter schon an der bundesweit niedrigsten Aufklärungsquote von nur 34,7 Prozent beim Gewaltdelikt Raub ablesen. Die Mehrheit der Raubtaten kommt in Berlin gar nicht erst vor die Justiz, da die Täter nicht gefasst werden. Die Zahl der Wohnungseinbrüche ist im Verhältnis zur Bevölkerungszahl wesentlich höher als in New York City.

Beim Görlitzer Park, einem der vielen Kriminalitätsschwerpunkte Berlins, warnt längst auch die Polizei vor dessen Betreten. Doch statt die vielen Täter dingfest zu machen, informierten dort jüngst Polizeibeamte lieber mit Postkarten darüber, wie gefährlich es im Park sei und man ausgeraubt werden könne.

Die Alibi- und PR-Aktion der Polizei fand wohl auch nur deshalb statt, weil trotz Razzien weiter unübersehbar schwarzafrikanische Dealer an den Eingängen des Parks Spalier stehen und Medien die Lage schilderten. Die vielen anderen Kriminalitätsschwerpunkte Berlins werden jedenfalls von der Polizei bewusst nicht öffentlich bekannt gemacht. Mit dem Argument, die betreffenden Gegenden sollten „nicht stigmatisiert“ werden, lässt man die Menschen lieber uninformiert buchstäblich in die Messer der häufig türkisch- und arabischstämmigen Täter laufen.

Auf die Frage der PAZ, warum die Berliner Polizeipressestelle systematisch die Herkunft von Tätern verschweigt, antwortete Krömer zunächst ausweichend, dafür gebe es „keine breite politische Mehrheit“. Auf die Nachfrage, was er damit genau meine, schließlich regiere in Berlin eine Regierungskoalition von SPD und CDU, versuchte Krömer erneut auszuweichen. Erst auf eine dritte Nachfrage hin erklärte er zögerlich: „An der CDU liegt es jedenfalls nicht.“

Falls dies wahr sein sollte, so bedeutete dies zugleich das Eingeständnis, dass der Berliner Innensenator nicht einmal in seinem eigenen Ressort bestimmen kann, in welcher Form Pressemitteilungen herausgegeben werden. Dies erscheint zweifelhaft. Wahrscheinlicher ist, dass Henkel es erst gar nicht wagt, gegenüber einer ungeschriebenen linken Political Correctness anzuecken.

Ähnliches gilt für die Polizeiführung. „Politische Angst lähmt die Sicherheitspolitik der Hauptstadt“, schreibt der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Bodo Pfalzgraf, in der jüngsten Ausgabe seines Verbandsorgans. „Einige Polizeiführer“, so der Hauptkommissar, träfen „keine sachgerechten Entscheidungen“ mehr, weil – und hier zitiert er eine nicht namentlich genannte Person aus der Polizeiführung – „sich sonst die Oppositionsparteien im Innenausschuss wieder so aufregen und der Polizeipräsident womöglich in Erklärungsnöte gerät“.

„Dieses Originalzitat“, so Pfalzgraf, „ist bezeichnend.“ Seiner Überzeugung nach sei der Polizeipräsident durchaus in der Lage, „sachfremde Anwürfe“ von Mitgliedern des Innenausschusses zu meistern. Doch inzwischen gebe es „eine Stimmung aus Unsicherheit bis in die letzte Führungsebene, die sich wie Mehltau auf alle kritischen Entscheidungen legt“.

Michael Leh(Siehe Kommentar S. 8)


Wählerische Asylbewerber
Berlin: Unterbringung in Wohncontainern sei »menschenunwürdig«

Rund 320 sogenannte Flüchtlinge und Aktivisten aus dem Unterstützerumfeld haben am 25. Oktober Berlin-Kreuzberg unter anderem gegen die Unterbringung von Asylbewerbern in Wohncontainern demonstriert. In einem Aufruf zu der Demonstration war dem Berliner Senat zuvor Zynismus, Wortbruch und eine „Politik der Polizeigewalt“ vorgeworfen worden.

Mit Blick auf geplante Contai-nerdörfer für Asylbewerber wurde zudem der Vorwurf erhoben, es handele sich dabei um eine menschenunwürdige Unterbringung. „Wir wollen in der Stadt leben, nicht außerhalb in Lagern. Containerdörfer mit Betreiberfirmen, die durch schlechte Lebensbedingungen für Refugees viel Geld verdienen, sind keine Lösungen.“

Ganz im Gegensatz dazu sieht der Berliner Senat in den Containern genau die richtige Lösung, mit der den Asylbewerbern schnell und kostengünstiger geholfen werden könne. Eine Lösung in der Unterbringungsfrage ist dringend nötig: Allein im September kamen mehr als 1000 Asylbewerber nach Berlin, im Oktober gab es 1500 Neuanträge. Sozialsenator Mario Czaja (CDU) plant, in den nächsten Monaten sechs Containerdörfer für insgesamt 2400 Personen zu bauen.

Die Opposition aus Grünen, Linkspartei und „Piraten“ hat im Abgeordnetenhaus diese Art der Unterkunft als menschenunwürdig verurteilt. Widerstand regt sich allerdings auch innerhalb der SPD. Die geplanten Containerdörfer seien keine Dauerlösung, heißt es aus der Regierungspartei.

Komplett verhindern will die SPD-Fraktion sogar die Nutzung von Traglufthallen. Einen entsprechenden Plan hatte Czaja zusätzlich zu den Containern vorgelegt. Zwei gemietete Traglufthallen im Poststadion (Mitte) sollen vorübergehend dabei helfen, den Ansturm zu bewältigen.

Nach Angaben des Sozialsenators sollen die Container auf landeseigenen Grundstücken installiert werden, die über die Stadt verteilt sind. Für den Bau stellt das Land 43 Millionen Euro zur Verfügung. Im Gegensatz zu der bisherigen Praxis, bei der vom Senat an Wohlfahrtsverbände oder private Vermieter Tagespauschalen gezahlt wurden, bietet die Unterbringung in den geplanten Anlagen noch einen weiteren Vorteil: Die Siedlungen bleiben Eigentum des Landes und können später auch für andere Zwecke genutzt werden, etwa zur Unterbringung von Obdachlosen. N.H.


NPD in Güstrow
Fackelzug sollte Bürger mobilisieren

Am 18. Oktober fand in Güstrow ein Fackelzug der Initiative „Güstrow wehrt sich gegen Asylmissbrauch“ statt. Die Stadt hat schon zwei Asylantenheime, ein drittes soll jetzt dazukommen. Der SPD-Landtagsabgeordnete Julian Barlen fordert: „Wir brauchen eine Willkommenskultur, ordentliche Verfahren, eine psychosoziale Betreuung, Sprachkurse.“ Bei den Bürgern trifft Barlen mit der Forderung nicht nur auf Zustimmung. Asylbewerber beklagten sich über breite Ablehnung in der Bevölkerung.

Unterschiedliche Angaben gibt es zur Teilnehmerzahl des Fackelzuges. Zwischen 100 und 150 variieren die Schätzungen. Hinter der friedlich verlaufenen Aktion scheint indes die NPD zu stehen. Die Teilnehmer traten betont „zivil“ auf. Es waren Eltern mit Kinderwagen zu sehen. Eine Gegendemonstration zahlreicher linker Organisationen wie der „Amadeu Antonio Stiftung“, des DGB oder des Güstrower „Begegnungshauses Villa Kunterbündnis“ brachte nach eigenen Angaben „über 200 Personen“ zusammen.

Während des Fackelzuges ergriff Nils Matischent, NPD-Mitglied und Gemeindevertreter in Güstrow, dem Wochen zuvor das Auto angezündet worden war, mehrfach das Wort.

Der NPD-Aktionismus ist möglicherweise mit den Wahlniederlagen der Partei in Sachsen und Thüringen zu erklären. So griff Matischent denn auch gezielt die Alternative für Deutschland (AfD) an. Er kritisierte am Ende der Veranstaltung, dass die AfD keine Alternative sei, da sie sich für die sozialen Probleme der Bevölkerung kaum interessiere.

Hans Lody


Wölfe greifen Kuhherde an

Zum ersten Mal seit ihrer Wiederansiedelung haben Wölfe in Brandenburg eine Kuhherde angegriffen. Wie die „Märkische Allgemeine“ berichtet, sollen die Angriffe im Oktober Attacken auf Kühe im Kreis Potsdam-Mittelmark rund um den Ort Brück geschehen sein. Innerhalb von vier Tagen seien zweimal eine Mutterkuhherde angegriffen und mehrere Kälber gerissen beziehungsweise verletzt worden. Nach bisherigen Erkenntnissen wurde eine der Herden von einer ganzen Wolfsfamilie – den Elterntieren und sechs in diesem Jahr geborenen Jungtieren – angefallen. Die getöteten Kälber wurden zum Teil gleich vor Ort gefressen oder verschleppt. Der Präsident des brandenburgischen Landesumweltamtes, Matthias Freude, hält die Angriffe auf Rinderherden für eine neue Herausforderung. Eigentlich wüssten sich Rinder gegen Wölfe zu wehren, so Freude. Nach Schätzungen der Behörde leben in Brandenburg derzeit zwischen 100 und 120 Wölfe. N.H.


S. 4 Hintergrund: US-Denkfabriken

Die Fäden ziehen andere
Nicht die Wissenschaftler, sondern die Geldgeber dominieren US-Denkfabriken

Es ist ein schwerer Verdacht, dem sich die sogenannten „Think Tanks“ in den USA seit Kurzem ausgesetzt sehen. Jene Denkfabriken, die Washington eigentlich mit wissenschaftlich abgestützten Erkenntnissen beraten sollen, sind durch einen Bericht der „New York Times“ mit dem Vorwurf konfrontiert, über finanzielle Abhängigkeiten zum verlängerten Arm ausländischer Regierungen geworden zu sein.

Der Vorwurf, Lobbyarbeit für US-Konzerne, US-Milliardäre und fremde Mächte zu betreiben, ist nicht neu. Nur wenige Jahre ist es her, dass der Politikwissenschaftler John J. Mearsheimer mit der Aussage für Schlagzeilen sorgte, dass eine israelische Lobby in den USA eine so große Rolle spiele, dass sie die Nahostpolitik Wa-shingtons maßgeblich beeinflusse. Angesprochen war damit nicht nur die Frage, ob sich die Außenpolitik Washingtons wirklich nur dem eigenen nationalen Interesse verpflichtet fühlt, sondern auch, ob Medien, Universitäten und Denkfabriken in eine israelfreundliche Richtung gesteuert werden.

Dass nun der Verdacht im Raum steht, auch die Petro-Dollars reicher Scheichs könnten zu einer Beeinflussung geführt haben, trifft Denkfabriken, die sich ohnehin in einer Krise befinden. Immer öfter wird kritisiert, dass von den Politikberatern und „Vordenkern“ statt neuer Ideen und überzeugender Konzepte oftmals nur noch Worthülsen und Altbekanntes aufgetischt wird.

Dieser beklagte Zustand ist zum großen Teil ein hausgemachtes Problem. Gang und gäbe ist es, ehemaligen Regierungsbeamten in den Denkfabriken ein lukratives Betätigungsfeld zu bieten. Dieser Drehtüreffekt bringt den Denkfabriken zwar Expertise, wie sich inzwischen aber immer mehr zeigt, auf lange Sicht aber auch eine Einförmigkeit des Denkens und wenig neue Ideen. Ein Übriges tut die Angst, mit allzu offener Kritik bei maßgeblichen Politikern anzuecken und sich damit Chancen zu verbauen.

Die Krise der „Think Tanks“ trifft auf eine US-Außenpolitik, die Sachverstand und neue Konzepte eigentlich dringend nötig hätte. „Obama wollte nicht weniger als den Bogen der Geschichte zur Gerechtigkeit neigen, zu einer friedlicheren und stabileren Welt“, so das renommierte Washingtoner Brookings Institution zu den ursprünglichen Zielen Obamas.

Tatsächlich reiht sich in der Außenpolitik von Weißem Haus und State Departement mittlerweile aber ein Fehlschlag an den anderen. Afghanistan, der Irak, Libyen und Syrien haben sich in gescheiterte Staaten verwandelt. Die Unterstützung der Rebellen in Syrien hat zudem mit zur Entstehung der Terrormiliz Islamischer Staat beigetragen. Bisher noch wenig zu Kenntnis genommen, eskaliert inzwischen auch die Lage im Jemen immer mehr. Hoffnungslos verfahren ist ebenso die Situation im Konflikt Israels mit den Palästinensern. Der Konfrontationskurs gegen Russland hat wiederum dazu geführt, dass sich die Achse Moskau–Peking weiter gefestigt hat.

Als wäre dies noch nicht genug, hat Obama wegen der Spionage seines Geheimdienstes NSA selbst bei Verbündeten an Sympathien eingebüßt. Insgesamt steht der US-Präsident außenpolitisch damit vor einem Scherbenhaufen, dessen Entstehung anscheinend auch der geballte Verstand von über 1800 in den USA tätigen „Think Tanks“ und die Analysefähigkeit von einem Dutzend Nachrichtendiensten nicht verhindern konnten. Norman Hanert


Lobbyarbeit als Ziel
Politische Führung in den USA oft mit »Thinks Tanks« verbandelt

Viele politische Denkfabriken entstanden nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg sowie in den 70er und 80er Jahren. Als ältestes Forschungsinstitut zur Politikberatung gilt die im Jahr 1910 von dem Stahlmagnaten Andrew Carnegie gegründete Stiftung Carnegie En-dowment for International Peace. Carnegie, der sich in der Rolle eines Philanthropen sah, hatte sich bereits vor der Gründung seiner Friedensstiftung gegen den Spanisch-Amerikanischen Krieg und den Philippinisch-Amerikanischen Krieg eingesetzt.

Der Erste Weltkrieg und das Scheitern von Woodrow Wilsons Plänen für eine Nachkriegsordnung hatten entscheidenden Anteil am Entstehen zweier bis heute extrem einflussreicher Denkfabriken: In Großbritannien wurde 1920 das Institut Chatham House gegründete, das bis 2004 auch unter dem Namen Royal Institute of International Affairs bekannt war. Das Gegenstück in den USA entstand 1921 mit der Gründung des Council on Foreign Relations (CFR). Das CFR hat die Außenpolitik der USA maßgeblich beeinflusst. So gehörten die US-Präsidenten Herbert Hoover, Dwight D. Eisenhower, Jimmy Carter, George H. W. Bush und Bill Clinton dem Council on Foreign Relations an. Auch an der Spitze des State Departements stehen seit 1929 fast durchgehend Außenminister, die mit dem CFR verbunden sind. Beim Führungspersonal des US-Außenministeriums lag der Anteil von CFR-Mitgliedern zeitweise sogar bei über 60 Prozent.

Immer wieder in der Kritik steht die enge Verflechtung des Councils mit Personen aus der Finanzwirtschaft. Bezeichnenderweise zählten zu den Gründungsvätern des CFR etliche Vertreter der Hochfinanz wie Paul Warburg, Otto Hermann Kahn und John P. Morgan. Auch eng mit dem CFR verbunden ist der Milliardär David Rockefeller.

Das Ende des Zweiten Weltkriegs brachte eine weitere Gründungswelle von politischen Denkfabriken. Bereits 1947 entstand die liberale Mont Pelerin Society, im Jahr 1948 erfolgte die Gründung der RAND Corporation. Rand („Research and Development“) kann als Urmodell für staatliche Denkfabriken schlechthin gesehen werden. Oftmals im Geheimen forschend, ist RAND vorrangig für die Regierung tätig und wird auch überwiegend staatlich finanziert. Während die RAND Corporation zu ihrer Gründung vor allem für die US-Streitkräfte forschen sollte, beschäftigt sie sich mittlerweile mit einem breiten Spektrum von Problemen: von der weitverbreiteten Fettleibigkeit unter US-Bürgern bis hin zu Fragen des Drogenmissbrauchs.

Weltweit ist die Zahl der Denkfabriken bis zum Jahr 2012 auf 6545 gewachsen. Ein Großteil der Institute ist erst in den 70er und 80er Jahren entstanden. Speziell mit Blick auf die USA lässt sich inzwischen sagen, dass das Gros der Institute meist für zielgerichtete Lobbyarbeit gegründet wurde.

Mittlerweile ist die wissenschaftliche Politikberatung durch die „Think Tanks“ selbst zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen geworden. N.H.


Wer zahlt, bestimmt

Ein Artikel in der „New York Times“ vom 6. September hat erneut die Frage in den Fokus gerückt, wie unabhängig die Denkfabriken in den USA eigentlich sind. Recherchen der Zeitung haben zutage gefördert, dass ausländischen Regierungen – insbesondere aus dem arabischen Raum – an verschiedene „Think Tanks“ erhebliche Summen gezahlt haben. „Mehr als ein Dutzend herausragender Forschungseinrichtungen in Wa-shington haben zig Millionen Dollar von ausländischen Regierungen erhalten, um Amtsträger der Regierung dazu zu bewegen, politische Ziele umzusetzen, die den Prioritäten der Spender entsprechen“, so die „New York

Times“. 64 Regierungen und Regierungsorganisationen sollen seit 2011 nachweislich 92 Millionen Dollar überwiesen haben. Angenommen wird, dass die tatsächlich geflossenen Beträge noch um einiges größer sind.

Konkret genannt werden das Emirat Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). In einem geschilderten Fall seien 14,8 Millionen Dollar vom Königshaus von Katar für die Eröffnung eines Ablegers in Doha an die renommierte Brookings Institution geflossen. Ganz offen hat das Außenministerium Katars 2012 klargemacht, was erwartet wird: „Die Rolle dieses Zentrums wird es sein, das strahlende Image von Katar in den internationalen Medien wiederzugeben, vor allem den amerikanischen.“ Kritik an dem autoritär regierten Katar ist dagegen tabu, wie ein Nahostexperte über seine Zeit am Brookings Doha Center berichtet.

Die VAE wiederum begannen ihre finanzielle Unterstützung für das Center for Strategic and International Studies, nachdem der US-Kongress 2007 die Übernahme mehrerer US-Häfen durch einen Investmentfonds der Emirate verhindert hatte. N.H.


Zeitzeugen

Walter Lippmann – Der einflussreiche Journalist Walter Lippmann zählte im Jahr 1921 zu den Mitbegründern des Councils on Foreign Relations. Lippmanns Verständnis einer Demokratie sah lediglich zwei Klassen vor: Zum einen die Klasse der „Spezialisten“, die die Lage der Nation analysieren und Entscheidungen treffen. Die breite Masse der Menschen („die Herde“) hat laut Lippmann lediglich die Befugnis, diese Spezialisten zu wählen und den Rest der Zeit mit „Grasen“ zu verbringen. Geschützt werden müsse die Klasse der Spezialisten zudem vom Getrampel und Lärm der „verwirrten Herde“.

John J. Mearsheimer – In ihrem Buch „The Israel Lobby and U.S. Foreign Policy“ thematisierten die Politikwissenschaftler John J. Mearsheimer und Stephen M. Walt den großen Einfluss einer israelfreundlichen Lobby auf die Außenpolitik der USA.

Kurt Biedenkopf – Wissenschaftliche Politikberatung weist nach Ansicht des CDU-Politikers Kurt Biedenkopf eine entscheidende Schwachstelle auf: „Es herrscht eine globale Erkenntnisresistenz immer dann vor, wenn das Ergebnis der wissenschaftlichen Beratung die Basis Macht ausübender Strukturen gefährdet. Die Politik lässt ihren Entscheidungen hier nicht ohne Weiteres von außen einen Legitimationszwang aufbürden.“

Kevin G. Welner – Als „Junk Science“ (Ramsch-Wissenschaft) bezeichneten die US-amerikanischen Professoren Alex Molnar und Kevin G. Welner jene Studien von Denkfabriken, die methodische Fehler aufwiesen. Die kontinuierlich wiederholten Fehler in der Arbeit einer ganzen Zahl von „Think Tanks“ sei oftmals das Ergebnis bewusster Irreführung, so das Fazit der beiden Autoren in einer Studie zur Bildungspolitik der USA.

Patrick Clawson – In aller Öffentlichkeit hat der Forschungsdirektor des Washingtoner Institute Of Near East Policy (WINEP) 2012 die Inszenierung eines Kriegsgrunds für einen Angriff auf den Iran gefordert. Operationen unter falscher Flagge seien „der traditionelle Weg, wie Amerika in einen Krieg gerät“, so Clawson in einer öffentlichen Fragestunde der Denkfabrik am 21. September 2012.


S. 5 Deutschland

Normen, Regeln, Bauruinen
Trotz Wohnungsmangels: Unzählige Auflagen und Vorschriften erschweren in Deutschland das Bauen

Wohnungsmangel, explodierende Immobilienpreise und Großprojekte, die als Bauruinen enden: Deutschlands Bauwesen ist in der Krise. Schuld sind vor allem unzählige, teilweise bizarre Auflagen, Vorschriften und Normen.

„Schreib, wenn du was weißt“, fordert die 22-jährige Studentin in ihrem Zettel an einer Häuserwand im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel auf. Ihre verbitterte Frage: „Mit wem muss man hier eigentlich schlafen, um eine Wohnung zu bekommen?“ Im Hamburger Stadtteil Ottensen besetzt fast zur gleichen Zeit eine Gruppe von Rentnern ein leer stehendes Haus. Seit drei Jahren suchen sie vergeblich nach einer Unterkunft.

Zwei Momentaufnahmen aus einem Land ohne Wohnungen. In Hamburg fehlen sie ebenso wie in Berlin, München, Frankfurt am Main und den anderen Metropolen. Mehrere Hunderttausend sind es insgesamt, schätzt der Mieterbund. Sein Rat an Städte und Gemeinden: „bauen, bauen, bauen“.

Tatsächlich gehört die Baustelle vielerorts zum Stadtbild wie die McDonald’s-Filiale und der Aldi-Discounter. Eine Wende auf dem Wohnungsmarkt ist trotzdem nicht in Sicht, und das gilt insbesondere für bezahlbare Unterkünfte. Der Grund: Hunderte teilweise bizarrer Vorschriften behindern die Bautätigkeit und lassen die Kosten explodieren.

Die Preise fürs Bauen stiegen allein von 2003 bis 2013 um 27 Prozent. Vordergründig wird dies der Verteuerung von Energie und Rohmaterial sowie einem Anstieg der Lohnkosten angelastet. Branchenkenner wissen, dass vor allem die Ineffizienz des Bauwesens und die staatlichen Anforderungen Schuld sind.

Mit 3200 Regelwerken haben es die Leute vom Bau inzwischen zu tun. Hinzu kommen 500 Gesetze und Verordnungen, 500 technische Vorschriften und etwa 300 weitere technische Regeln.

„Das alles ist der schiere Wahnsinn“, erklärt der Diplom-Ingenieur Jürgen Lauber. In dem Buch „BauWesen – BauUnwesen“ hat er zusammen mit zwei Co-Autoren auf 364 Seiten eine detaillierte Krisenbeschreibung der Branche vorgelegt. Lauber kennt sie genau. Als Geschäftsführer eines großen Schweizer Unternehmens für Gebäudetechnik hat er sich zwölf Jahre lang damit auseinandergesetzt.

Er berichte, dass ihn nach Ende seiner Tätigkeit als Firmenchef mehrere hohe Beamte aus dem öffentlichen Bau baten, doch endlich einmal in einem Buch Klartext zu reden. Er solle aufzeigen, woran die deutsche Bauwirtschaft krankt, warum Großprojekte wie Stuttgart 21 scheitern, bezahlbare Mietwohnungen Mangelware sind und Häuslebauern enorme Summen für ihre Eigenheime abgepresst werden.

Laubers Analyse fällt vernichtend aus: Das Bauwesen in Deutschland wird in einem weltweit einzigartigen Ausmaß vom Staat beherrscht. Er ist der größte einzelne Nachfrager. Er kontrolliert die Ausführungen. Seine Normen, Verordnungen und Gesetze geben den Handlungsrahmen für alle Beteiligten vor. Das ist gut, solange Disziplin und Effizienz das staatliche Handeln prägen. Herrschen dagegen Lobbyismus, Vorteilsdenken und Inkompetenz, wird es zum Riesenproblem.

Ein besonders extremes Beispiel für das „Bauunwesen“ ist die Energieeinsparverordnung (EnEV). „Hier haben sich die Interessen von Herstellern und Verbänden besonders maßlos gegen das Wohl der Nutzer, Bauherren und der Gesellschaft durchgesetzt“, erklärt Lauber.

Die Folgen sind irrwitzig: Neue Bürobauten beispielsweise werden dank EnEV so stark gedämmt, dass sie sich sommers wie winters allein durch die menschliche Körperwärme und die Betriebswärme der technischen Geräte viel zu stark aufheizen. Sie müssen herabgekühlt werden, was Unmengen Energie verbraucht.

Aber auch im privaten Wohnungsbau wirkt sich die EnEV fatal aus. Lauber berichtet von einem langjährigen Architekten, der folgende Rechnung aufmacht: Die Energieauflagen verteuern ein Einfamilienhaus in guter Lage um etwa 300 Euro pro Quadratmeter. Demgegenüber stehen jährliche Einsparungen von vier Euro pro Quadratmeter bei einem 150 Quadratmeter großen Haus. Erst nach 75 Jahren also haben sich die Mehrkosten amortisiert. Dass die luftdichten EnEV-Gebäude darüber hinaus stark zur gesundheitsschädlichen Schimmelbildung neigen, hat sich mittlerweile auch in der Öffentlichkeit herumgesprochen.

Ändern tut sich trotzdem kaum etwas. Lauber selbst hofft auf die nächste Bundestagswahl im Jahr 2017. „Vielleicht gelingt es uns dann, die Zustände im Bauwesen zum Wahlkampfthema zu machen“, hofft er.

Solange zumindest regieren Unverstand und Maßlosigkeit. Jüngstes Beispiel: In Baden-Württemberg plant die grün-rote Landesregierung eine Novelle der Landesbauordnung. Sie wird den Bauherren vorschreiben, ihre Häuserfassaden zu begrünen. Dass Efeu und Co die Dämmung beschädigen und Immobilienbesitzer vor unlösbare Probleme stellen, wenn sie etwa ein mehrstöckiges Hochhaus begrünen müssen, interessiert im „Bauunwesen“ niemanden. Frank Horns

(siehe Kommentar Seite 8)


Von Beliebigkeit abgestoßen
Versuch der CDU, »migrantischer« zu werden, irritiert offenbar viele

Es dauerte gut eine Woche, bis das Geschehen im Netz auch die Printmedien erreichte. „Shitstorm gegen CDU-Generalsekretär – Partei schockiert“ titelte die „Welt“, und andere Zeitungen zogen nach. CDU-Generalsekretär Peter Tauber erhielt nun ein breites Forum, um seine Enttäuschung über die Reaktionen auf seine

Facebook-Seite kundzutun. „Mir ist in manchen Beiträgen blanker Hass entgegengetreten, den ich in dieser Form noch nie erlebt hatte“, so Tauber. „Diejenigen, die im Netz so massiv reagieren, erreicht man nicht mehr mit rationalen Argumenten.“

Tauber will die CDU bunter, weiblicher und jünger machen. Dafür hat er nachvollziehbare Gründe, denn die große Mehrheit der CDU-Mitglieder besteht aus alten Männern. Der Weg, den Tauber gewählt hat, um sein Ziel zu erreichen, stößt jedoch nicht nur viele der Alt-Mitglieder vor den Kopf, er sorgt auch bei jenen, die er anwerben will, für Ratlosigkeit.

Die von seiner Partei in der vorletzten Oktoberwoche durchgeführte Integrationskonferenz feierte Tauber auf seiner Facebook-Seite mit einem Foto, das ihn unter anderem mit einer Muslimin mit Kopftuch zeigt. Auch der dazugehörige Text sorgte gleich aus mehreren Gründen für Irritation. „Bereits 460000 Männer und Frauen sind Mitglied in der CDU. Und wir sind der Meinung, es könnten noch viel mehr sein ... Wer an die Zukunft unseres Landes glaubt, der ist uns willkommen. Und darum haben wir heute ganz speziell diejenigen eingeladen, die eine Zuwanderungsgeschichte haben. Sie sind eine Bereicherung für unser Land und unsere Partei.“

Der angebliche „Shitstorm“ bestand nun darin, dass viele sich über die Formulierung „bereits 460000“ amüsierten, aber auch echauffierten, schließlich wäre die Formulierung „nur noch“ passender gewesen, zählte die CDU vor 20 Jahren doch noch 671000 Mitglieder. Aber vor allem das Kopftuch sorgte für Gegenwind, der zwar nicht immer sachlich vorgetragen, jedoch stets begründet wird. Für viele Besucher von Taubers Facebook-Seite stellt es ein Symbol für die Unterdrückung der Frau dar, das nicht mit den Werten der Demokratie und der CDU vereinbar ist. „Herr Tauber, eines muss aber klar sein“, sieht sich beispielsweise Ivica Marjanovic veranlasst anzumerken, „Grundgesetz und freiheitlich-demokratische Grundordnung unseres geilen Landes müssen das Schild sein, mit dem wir marschieren. In dem Zusammenhang muss der islamische Fundamentalismus in der CDU immer und ewig offen thematisiert und von unserer Partei klar in Schach gehalten werden.“ Eine derartige Klarstellung der CDU fehlt vielen Kommentatoren.

„Dieser Aufruf gilt nicht meiner Person, sondern meiner Herkunft“, kommentiert die in der Türkei geborene Buchautorin Serap Cileli auf PAZ-Anfrage den CDU-Anwerbeversuch. „Mit solchen Äußerungen wird meine Individualität auf meinen Migrationshintergrund reduziert, denn ich frage mich, warum meine Wurzeln ausschlaggebend für meine Parteizugehörigkeit sein sollten. Wo bleiben die politischen Inhalte?“ Bel


Pyrrhus-Sieg für von der Leyen

Seit der Aussetzung der Wehrpflicht ist Nachwuchsgewinnung eine der Überlebensfragen für die Bundeswehr. Unmittelbar damit hängt die Attraktivität des Dienstes zusammen, damit die Bundeswehr als Arbeitgeber mit der Wirtschaft konkurrieren kann. Nach dem im Sommer von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen vorgestellten Attraktivitätsprogramm soll nun das von ihr initiierte Attraktivitätssteigerungsgesetz Verbesserungen beim Einkommen, der Arbeitszeit und der Versorgung bringen. So wird beispielsweise erstmals seit Bestehen der Bundeswehr die Arbeitszeit der Soldaten gesetzlich geregelt und regelmäßig auf wöchentlich 41 Stunden begrenzt, was allerdings nicht in Einsätzen und bei „einsatzgleichen Verpflichtungen“ gilt. Auch wenn das Bundeskabinett den Gesetzentwurf in der vergangenen Woche gebilligt hat, hat die ehrgeizige Ministerin eine Schlappe einstecken müssen. Denn die Federführung bei der Sache hatte das Bundesinnenministerium, weil es dabei um Regelungen für den öffentlichen Dienst geht. Und das Innenressort hat tunlichst dafür gesorgt, dass nichts ins Gesetz geschrieben wurde, was bei anderen Bundesbehörden Begehrlichkeiten wecken könnte.

Dementsprechend verhalten ist die Begeisterung beim Deutschen Bundeswehrverband. Zwar sei man mit dem Gesetz „grundsätzlich zufrieden“, lehne aber beispielsweise die Regelung zur Alterssicherung der Soldaten auf Zeit ab. Diese bekämen, obwohl sie den Löwenanteil in den Streitkräften stellten, aufgrund ihres befristeten Arbeitsverhältnisses die schlechteste Alterssicherung im öffentlichen Dienst. Der Verband der Beamten der Bundeswehr hält das Gesetz „für Augenwischerei“. Es sei nicht geeignet, die Attraktivität der Beamtenarbeitsplätze in der Bundeswehr zu steigern. J.H.


S. 6 Ausland

Kommt das Chaos zurück?
Ukraine: Auch neue Regierung könnte an Doppelspitze scheitern – Parlamentswahl stärkt radikale Kräfte

Die vorgezogene Parlamentswahl in der Ukraine hat den prowestlichen Kurs bestätigt. Das überraschend gute Abschneiden der „Volksfront“ ebnet radikalen Kräften den Weg ins Parlament. Die Separatisten in Donezk und Lugansk versuchen dagegen, mit einer eigenen Wahl die Abspaltung dieser Region zu manifestieren.

Die Ukraine hat gewählt. Zunächst war diese Wahl hinsichtlich der Legitimierung der Machthaber wichtig. Das Ergebnis lässt allerdings erahnen, dass der Machtkampf in Kiew weitergehen wird und die Gefahr der Abspaltung des von den Rebellen besetzten Gebiets keineswegs gebannt ist.

Das Wahlergebnis brachte einige Überraschungen: Da ist zum einen die niedrige Wahlbeteiligung von 52 Prozent zu nennen, einhergehend mit dem überraschend schlechten Abschneiden von Präsident Petro Poroschenko, der im September noch in Umfragen mit 40 Prozent eindeutig führte. Dass die „Volksfront“ des amtierenden Ministerpräsidenten Arsenij Jazenjuk gleichauf liegt, ist die eigentliche Sensation. Das Ergebnis ist ein Schlag für Poroschenko, dessen Absicht, mit Neuwahlen klare Verhältnisse zu schaffen und künftig allein regieren zu können, hinfällig geworden ist. Für eine weitere Überraschung sorgte die neue Partei „Samopomitsch“ (Selbsthilfe) des Oberbürgermeisters aus Lemberg, Andrej Sadowoj, die elf Prozent erzielte.

Die nun anstehenden Koalitionsverhandlungen drohen zur Zerreißprobe zu werden. Jazenjuk fordert, die Ministerposten für Wirtschaft, Finanzen und Justiz mit seinen Leuten zu besetzen, doch auch Sadowojs Partei wird mitreden dürfen, wobei er auf Seiten Jazenjuks stehen dürfte. Umfragen zufolge sollen viele Wähler kurz vor der Wahl noch umgeschwenkt sein, weil sie befürchteten, Poroschenko werde wie Janukowitsch alle Macht auf sich vereinen wollen.

Anlass zur Sorge aus Sicht der EU dürfte die Tatsache sein, dass mit dem Überraschungssieg Jazenjuks und Sadowojs vielen radikalen Nationalisten der Weg ins Parlament geebnet wurde. Sie werden den antirussischen, pro-amerikanischen Kurs vorantreiben. Nationalistische Milizenführer und andere Rechtsradikale haben sich auf die Listenplätze der prowestlichen Parteien setzen lassen. Einer von ihnen ist Semjon Sementschenko, Kommandeur eines Freiwilligen-Bataillons, der für Samopomitsch kandidierte. Nach einem Besuch in Washington hatte er erklärt: „Wir haben mit unseren amerikanischen Freunden über Anti-Panzer-Waffen, Radar, Drohnen und viele andere nützliche Dinge zur Verteidigung unseres Landes gesprochen. In Washington versteht man, was unser Ziel ist.“ Auch in Jazenjuks „Volksfront“ sollen sich Radikale aufgestellt haben wie der als „Kommandeur des Majdan“ geltende und eng mit dem Führer des Rechten Sektors, Dmitrij Jarosch, kooperierende Andrej Parubij.

Während Jazenjuk für den Weg der fortgesetzten Konfrontation mit Russland steht und damit etwaige amerikanische Kriegspläne erfüllt, gilt Präsident Poroschenko als Vertreter des von der EU angestrebten Verhandlungskurses, der eine friedliche Lösung des Konflikts vorsieht. Bei den Verhandlungen mit Moskau dürfte es Poroschenko aber nicht zuletzt um sein in Russland und auf der Krim konfisziertes Eigentum gehen.

Zwar erhalten die radikale Swoboda und die Kommunisten im neuen Parlament keine Sitze, dafür sind die Anhänger von Ex-Präsident Janukowitsch im Oppositionsblock vereint, der mit fast acht Prozent den Einzug ins Parlament schaffte. Auch die nationalistische Partei, der Block Julia Timoschenko und die populistische Radikale Partei von Oleg Ljaschko schafften die Fünf-Prozent-Hürde. Eine niedrige Wahlbeteiligung bringt radikalen Kräften in der Regel immer Vorteile. Für welche Seite sich die 48 Prozent ukrainischen Nichtwähler entscheiden würden, bleibt unklar. In Umfragen trat zutage, dass viele wahlmüde geworden waren, da sie glaubten, ihre Stimme würde sowieso nichts bewegen.

Es bleibt also spannend, wie es nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen weitergehen wird in der Ukraine. Viele befürchten, dass sich mit der Doppelspitze Poroschenko/Jazenjuk die Situation von 2005 wiederholen könnte, als die Orangene Revolution an den unüberwindbaren Streitigkeiten zwischen dem westlich orientierten Präsidenten Viktor Jusch-tschenko und der machthungrigen Gaslady Julia Timoschenko scheiterte.

Die aktuellen Wahlen spiegeln die tiefe politische Spaltung des Landes wider. Diese fand nicht zuletzt in der unterschiedlichen Wahlbeteiligung Ausdruck: Im Westen gingen 60 bis 70 Prozent der Wähler zu den Urnen, in den nicht von der Unabhängigkeitsbewegung kontrollierten Teilen der Gebiete Donezk und Lugansk war es knapp ein Drittel.

Im Gegensatz zu 2004 ist die Ukraine heute mehr denn je zum Spielball zwischen Ost und West geworden. Auch nach der Wahl ist die Ukraine wirtschaftlich bedroht und auf Verhandlungen mit Russland und dem Westen angewiesen. Davon zeugt die jüngste Einigung im Gasstreit zwischen der EU-Kommission, der Ukraine und Russland.

Die Ukraine hat bereits ein Drittel ihrer Wirtschaftskraft verloren. Viele Fabriken wurden während der Revolution oder infolge des Antiterrorkampfs der Regierung geschlossen. Geschäftsleute haben sich in eine Schattenwirtschaft geflüchtet oder sind emigriert. Die Reallöhne sind drastisch gesunken. Die Zukunft des Landes wird vom Tempo und Umfang der durchgeführten Reformen abhängen.

Mit Russlands Anerkennung der vom Westen als illegal bezeichneten Wahl in den Separatistengebieten rückt der von der Mehrheit der Ukrainer ersehnte Frieden in ihrem Land in weitere Ferne, die neue ukrainische Regierung wird es schwer haben, sich im Interessengerangel der Großmächte zu behaupten. M. Rosenthal-Kappi


Sunniten enttäuscht
Irak: Neuer Innenminister verfestigt Spaltung

Muhammad Gabban kennt außerhalb des Irak kaum jemand. Im Irak selbst kennt man ihn dafür nur allzu gut und sein Name hat vor allem in der sunnitischen Bevölkerungsgruppe einen gelinde gesagt höchst problematischen Beiklang. Gabban soll nämlich als früheres Mitglied der schiitischen Badr-Milizen für den Tod und die Verschleppung tausender irakischer Sunniten in der Zeit des irakischen Bürgerkriegs verantwortlich sein. Dass er nun zum irakischen Innenminister ernannt wurde, kann vom sunnitischen Teil der Bevölkerung nur als Kampfansage verstanden werden.

Nach den jahrelangen Differenzen zwischen den Volksgruppen, die vor allem durch die ethnozentrische Politik des schiitischen Premiers Nuri al-Maliki verstärkt wurden, hatten die USA unter dem Eindruck des Vormarsches der hauptsächlich von Sunniten unterstützten Terrormiliz Islamischer Staat nach langer Zeit begonnen, dessen Ablösung zu betreiben. Das Problem dabei: Mit dem Nachfolger Haider al-Abadi könnte der Irak vom Regen in die Traufe gelangen, da dieser keine wirkliche Änderung der Regierungspolitik in Bagdad erkennen lässt.

War es in Syrien die vorschnelle Unterstützung des Aufstandes gegen den Präsidenten Baschar al-Assad, die am Ende dort ein ruhiges Hinterland für Terrorgruppen aller Art geschaffen hat, ist es im Irak die parteiische und spalterische Politik der schiitisch dominierten Führung gewesen, die zum einen in den Kurdenregionen Sezessionstendenzen beflügelt und zum anderen entscheidend den Erfolg des IS begünstigt hatte. Auch wenn die Verteidigung der Stadt Kobane am Ende gelingen sollte, ist mit der Ernennung des radikalen Ex-Milizionärs zum Innenminister die Chance, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden, weiter entfernt denn je. Außerdem erleichtert dieser Affront gegen die Sunniten dem IS die Rekrutierung von Nachwuchs aus dieser Bevölkerungsgruppe.

Die Zeichen stehen in der Region weiter auf Eskalation bis hin zum Flächenbrand. Vor diesem Hintergrund ist die Nachricht, dass eines der Waffenpakete der US-geführten Anti-IS-Koalition, das für die kurdischen Selbstverteidigungseinheiten in Kobane gedacht war, an den IS gefallen sein könnte, fast symptomatisch dafür, wie zielsicher der Westen in der Region folgenschwere Fehlentscheidungen trifft. A.Ö.


Peinlich missglückte Anbiederung
Wien: Ex-Justizministerin rückt ungewollt saudische Menschenrechtsverletzungen ins Blickfeld

Zwei Jahre nachdem im Herbst 2012 in Wien das „König Abdullah Zentrum für Interkulturellen und Interreligiösen Dialog“ eröffnet wurde, können sich frühe Kritiker des Projekts bestätigt sehen. Mit Äußerungen zu Hinrichtungen in Saudi-Arabien hat die Vizepräsidentin des König-Abdullah-Zentrums, Österreichs frühere Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP), eine hitzige Debatte ausgelöst. Im Raum steht die Frage, ob es sich bei dem „Dialogzentrum“ letztendlich nur um eine Alibiveranstaltung handelt, mit der Saudi-Arabien ein Persilschein in Menschenrechtsfragen ausgestellt werden soll. „In Saudi-Arabien wird nicht jeden Freitag geköpft“, so Bandion-Ortner in einem Interview, das sie unlängst dem Magazin „Profil“ gegeben hat. Nicht weniger umstritten, ist, was die österreichische Vize-Chefin des König-Abdullah-Zentrums zu den Vorzügen einer Vollverschleierung kundgab: Die Abaya – ein traditionell-islamisches Kleidungsstück – sei „ein praktisches angenehmes Kleidungsstück“.

Sollte Bandion-Ortner die Absicht gehabt haben, mit dem Interview den Ruf Saudi-Arabiens etwas aufzupolieren, dann dürfte sie den saudischen Geldgebern des „Dialogzentrums“ einen Bärendienst erwiesen haben. In Gang gekommen ist vielmehr eine heftige Debatte um die Menschenrechte in Saudi-Arabien und um die Unabhängigkeit des Wiener König-Abdullah-Zentrums. Besonders drastisch fiel die Wertung des Interviews durch SPÖ-Fraktionschef Andreas Schieder aus. Dieser gab an, er sei schockiert über die „Blödheit“ der Aussagen. Sehr deutlich wurde auch der Chef der österreichischen Sektion von Amnesty International, Heinz Patzelt, der „wirksame Maßnahmen“ gegen das Zentrum forderte: „Wenn es noch eine Steigerung der menschenrechtlichen Barbarei Todesstrafe gibt, dann ist es die öffentliche Zurschaustellung und Demütigung der Opfer vor der versammelten Bevölkerung. Genau das wird in Saudi-Arabien insbesondere nach dem Freitagsgebet bis zum Exzess getrieben.“

Wohl unbeabsichtigt hat Bandion-Ortner den Blick der Öffentlichkeit noch auf weitere kritische Punkte gelenkt. Nach eigenen Angaben ist das Gehalt der Vize-Chefin des Zentrums nicht so üppig wie das von UN-Beamten, doch genießt sie Diplomatenstatus und zahlt keine Steuern. So wurde der breiten Öffentlichkeit erst jetzt richtig bewusst, welche Privilegien dem König-Abdullah-Zentrum eingeräumt worden sind. Die Einrichtung in einem noblen Wiener Ringstraßenpalais ist als internationale Organisation eingestuft und wird damit faktisch wie eine diplomatische Vertretung behandelt. Kritisch gesehen wird mittlerweile auch die Frage nach der finanziellen Unabhängigkeit der Einrichtung. Formell eine Einrichtung, an der Österreich, Spanien und Saudi-Arabien beteiligt sind, kommen die Saudis für die gesamten Kosten auf – 15 Millionen Euro jährlich.

Das Bekanntwerden solcher Details hat dazu geführt, dass sich das Zentrum längst auch zu einem innenpolitischen Streitfall entwickelt hat. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), der erst im Dezember vergangenen Jahres ins Amt gekommen ist, zeigt dabei wenig Neigung, die Verantwortung für den von seinem Vorgänger hinterlassenen Problemfall zu übernehmen. Sowohl die Eröffnung des König-Abdullah-Zentrums als auch die Versorgung der ehemaligen Justizministerin Bandion-Ortner mit einem Spitzenposten gehen noch auf das Konto des früheren Außenministers Michael Spindelegger (ÖVP). Seinen Anteil hat allerdings auch der SPÖ-Kanzler Werner Faymann, der im Ministerrat dem Projekt zugestimmt hat. In der Angelegenheit unbelastet konnte Kurz auf die bisher sehr magere Bilanz der Arbeit des Zentrums für Interreligiösen Dialog hinweisen: „Das Zentrum darf kein Feigenblatt sein, es muss sich beweisen.“ Bis dato habe es „nicht wirklich positive Initiativen gegeben“.

Offen bleibt einstweilen, ob die in Gang gekommene Diskussion Folgen haben wird. Eine der frühesten Kritikerin des König-Abdullah-Zentrums, die Grüne Alev Korun, fürchtet, dass sich Österreich einen Affront gegenüber dem finanzkräftigen Saudi-Arabien gar nicht leisten kann. Sollte die öffentliche Debatte um das „Dialogzentrum“ länger anhalten, ist nicht auszuschließen, dass sich die Saudis nach einem alternativen Standort umsehen. Schon vor drei Jahren haben Madrid und London mit Wien um das König-Abdullah-Zentrum konkurriert. Norman Hanert


MELDUNGEN

Johannis darf hoffen

Bukarest – Dass Calin Popescu-Tariceanu und Monica Macovei nach dem rumänischen Ministerpräsidenten Victor Ponta und dem Hermannstädter Bürgermeister Klaus Johannis auf Platz drei und vier bei der Präsidentschaftswahl gelangten, dürfte dem Zweitplatzierten in die Karten spielen. Ex-Premier Popescu-Tariceanu und Ex-Justizministerin Monica Macovei stehen Johannis näher als Ponta, so dass davon auszugehen ist, dass ihre Wähler bei der Stichwahl am 16. November entsprechend ihr Kreuz machen werden. Popescu-Tariceanu ist wie der deutschstämmige Hermannstädter Mitglied der Nationalliberalen Partei (PNL), und Macovei hat sich wie Johannis den Kampf gegen Korruption auf die Fahnen geschrieben. Ponta hingegen schützt unter Korruptionsverdacht stehende Politiker. Bel

 

Asylbewerber kämpfen für IS

Wien – Bei mehr als der Hälfte aller aus Österreich in den Gotteskrieg gezogenen Dschihadisten handelt es sich nach Informationen der Wiener „Kronen-Zeitung“ um anerkannte Asylwerber. Derzeit muss von zirka 150 Personen ausgegangen werden, die von Österreich nach Syrien oder in den Irak ausgereist sind, um die Terrororganisation Islamischer Staat zu unterstützen. Bei 80 Personen handelt es sich um anerkannte Asylbewerber, weitere fünf sollen einen Asylantrag gestellt haben. Bei 65 Personen wird davon ausgegangen, dass es sich um EU-Bürger oder aber illegal Eingewanderte handelt. Auffällig hoch ist der Anteil der Tschetschenen, die von Österreich aus in den Dschihad gezogen sind. Lediglich 26 der rund 150 Dschihadisten sind nach Angaben der „Kronen-Zeitung“ in Österreich geboren. N.H.


S. 7 Wirtschaft

Selbstzufrieden in Richtung Bankrott
Europas Regierungschefs demonstrieren erneut Unwillen, Brisanz der Finanzlage ernstzunehmen

Mit Sorge war das Ergebnis des Bankenstresstests der Europäischen Zentralbank (EZB) erwartet worden. Doch obwohl 25 der 130 geprüften Kreditinstitute durchgefallen sind, reagierten Regierungen und Börsen überraschend gelassen. War also alle Aufregung vorab umsonst gewesen?

Für Griechenlands Regierungschef Antonis Samaras war das Ergebnis des Bankenstresstestes sogar ein Grund, die wirtschaftliche Erholung des griechischen Finanzsektors auszurufen. Zwar seien drei der vier geprüften griechischen Banken durchgefallen, allerdings wisse man bereits, woher das Geld zum Schließen der vorhandenen Kapitallücken kommen solle. So wolle beispielsweise die National Bank of Greece Beteiligungen verkaufen. Dass gut ein Drittel aller in Griechenland ausgegebenen Kredite in Höhe von insgesamt über 70 Milliarden Euro seit mindestens 90 Tagen nicht mehr zurückgezahlt werden – 2011 waren es nur elf Prozent –, blieb hingegen unerwähnt. Auch erwähnte Samaras nicht, dass die bei vorherigen Bankenrettungen nicht angetasteten elf Milliarden Euro von EU, EZB und Internationalem Währungsfonds (IWF) von ihm längst für die Finanzierung anstehender Haushaltslücken verplant wurden. Bisher hatten sich die Geldgeber gegen eine derartige Umwidmung der Mittel gewehrt und erst das Ergebnis des Bankenstresstests abwarten wollen, doch da dieser nun scheinbar gut ausgegangen ist, wird es ihnen schwer fallen, Samaras die Milliarden zu verweigern. Denn dieser benötigt das Geld dringend, wie bei den Verhandlungen über ein erneutes Hilfspaket für Griechenland am Donnerstag deutlich wurde. Und angesichts bereits gezahlter Hilfen in Höhe von 240 Milliarden Euro fallen diese elf Milliarden aus Sicht Athens doch eigentlich nicht mehr ins Gewicht.

Ähnlich offenherzig denkt man auch in Rom. Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi zeigte sich fast schon amüsiert über das Ansinnen Brüssels, den italienischen Haushaltsentwurf für 2015 nicht durchwinken zu wollen. Man werde schon noch die verlangten 4,5 Milliarden Euro aus dem Haushalt herausstreichen, um den Vorgaben zu genügen, und wenn die EU diese vagen Zusagen nicht hinnehme, dann werde man eben einmal die Kosten der EU-Institutionen offenlegen. „Wir werden einigen Spaß haben“, so Renzi, worauf Währungskommissar Jyrki Katainen wenige Tage vor dem Ablauf seiner regulären Amtszeit verkündete, dass es keine Fälle besonders schwerwiegender Verstöße gegen die Haushaltsregeln der Euro-Staaten gebe.

Allerdings weiß auch Renzi, dass es keineswegs so einfach ist, einfach ein paar Milliarden irgendwo aus dem Hut zu zaubern. Auch wenn er sich optimistisch gibt, so verfolgt auch er mit Spannung, wie die drittgrößte italienische Bank die von der EZB attestierte Kapitallücke in Höhe von 2,1 Milliarden Euro schließen wird. Bis zum 10. November muss die Monte dei Paschi wie alle anderen durchgefallenen Banken der EZB mitteilen, wie sie die fehlenden Gelder zu beschaffen gedenkt. Eine Milliarde will die Traditionsbank, die bereits 4,1 Milliarden Euro an Staatshilfen kassiert hat, über eine erneute Kapitalerhöhung, die zweite in diesem Jahr, erzielen. Ansonsten hofft man auf Übernahme. Doch angesichts der prekären Lage findet sich kein Käufer für das marode Bankhaus. Alle infrage kommenden Kandidaten wie die Unicredit oder die Regionalbank UBI Banca überschlagen sich geradezu mit Dementis. Man hege keinerlei Interesse, heißt es von allen Seiten.

Überhaupt scheinen Investoren derzeit eher daran interessiert zu sein, ihr Geld aus Italien abzuziehen, anstatt es dort anzulegen. Laut dem deutschen ifo-Institut seien allein im August und September 67 Milliarden Euro aus dem Land abgeflossen. „Das ist ein alarmierendes Signal“, so ifo-Chef Hans-Werner Sinn. Und obwohl die italienischen Regierungen der letzten Jahre trotz Krise im Vergleich zu Griechenland oder Spanien sogar einen Bogen um die kleinsten Strukturreformen gemacht haben, reagieren viele Italiener auf erste Reformversuche Renzis mit Protestkundgebungen. Bisher sind es nur Plakate mit Renzis Konterfei und das Wirtschaftsministerium, die nach der Verkündung von Arbeitsmarktreformen mit Eiern beworfen wurden, doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese auch den auf sein Äußeres bedachten Ministerpräsidenten selber treffen. Inwieweit dieser sich seine gute Laune auch dann noch bewahren kann, ist ungewiss, daher setzt er auf seinen Landsmann Mario Draghi. Der EZB-Präsident hat bereits vor Wochen den Ankauf von sogenannten ABS-Papieren angekündigt, der den Banken die Chance eröffnen, beispielsweise vergebene Kredite zu einem Wertpapier gebündelt an die Zentralbank zu verkaufen. Sie erhalten so benötigtes Kapital und sind die Risiken los. Ob die Monte dei Paschi auf diese Weise ihre noch benötigte weitere Milliarde einnehmen kann, wird derzeit geprüft.

In Paris hingegen fand man die Andeutung Brüssels, den Haushaltsentwurf für 2015 nicht akzeptieren zu wollen, weniger amüsant, was auch daran liegen mag, dass Frankreich die Euro-Stabilitätskriterien im Gegensatz zu Italien nicht nur schrammt, sondern erneut massiv verletzt. Auch ist man sich bewusst, dass Katainen keinen Freibrief erteilt hat. Sein Nachfolger soll die Details prüfen und dieser ist ausgerechnet der Mann, der die negativen Zahlen Frankreichs massiv mitzuverantworten hat. Ob Pierre Moscovici in seiner neuen Funktion als Währungskommissar die Interessen der EU oder die Frankreichs vertritt, wird er bald offenbaren.

Frankreich habe seinen Etatentwurf überwiegend nur mit „Luftbuchungen“ nachgebessert, klagt der EU-Abgeordnete Markus Ferber (CSU). Er ist mit dieser Kritik nicht allein. Selbst seine Kollegen aus Griechenland, Spanien, Irland und Portugal finden es unbefriedigend, dass die großen Sünder Frankreich und Italien offenbar mit keinerlei Sanktionen rechnen müssen. In Berlin plädiert man daher für eine Verschärfung der Kontrollinstrumente.

Angesichts all dieser Alltagsdis-pute ist aus dem Blick geraten, dass der Bankenstresstest alles andere als scharf war. Die dort angenommenen Szenarien liegen weit hinter dem, was die europäische Wirtschaft in den letzten Jahren bereits erleiden musste. Gleichzeitig tut die Politik allerdings nichts, um derartige Einbrüche künftig zu vermeiden. Rebecca Bellano


Unbemannt auf See
Industrie arbeitet an der Entwicklung autonom fahrender Schiffe

Die Seeschifffahrt steht derzeit vor unterschiedlichen Zukunftsherausforderungen. Neben der Treibstoffeinsparung und der Verringerung von Emissionen gehört auch die Verbesserung der Sicherheit an Bord dazu. Die Zahl tödlicher Unfälle ist auf Schiffen um das Zehnfache höher als bei Industrien an Land. Und auch bei großen Schiffsunglücken ist menschliches Versagen oft die Hauptursache. Der Faktor Mensch birgt nicht nur ein Unfallrisiko, sondern ist auch ein Kostenfaktor. Ein Modell, beides in den Griff zu bekommen, sind sogenannte Drohnenschiffe, also Fahrzeuge, die ohne Besatzung die Weltmeere befahren.

Doch die Entwicklung autonom fahrender Schiffe allein genügt nicht. Die Klassifikationsgesellschaften sind gefordert, Unfallursachen zu erforschen und durch Überarbeitung von Bauvorschriften und Arbeitsverfahren Risikofaktoren auszuschließen. Die Vergangenheit zeigte, dass sich gerade bei Routinearbeiten immer wieder Unfälle ereignen. Seeleute müssen also dahingehend ausgebildet werden, dass ihre Aufmerksamkeit bei häufiger vorkommenden Arbeiten nicht nachlässt.

Wenn es Gedankenspiele gibt, Schiffe unbemannt auf Seereisen zu schicken, dann hat dies aber nichts mit der Senkung von Unfallzahlen zu tun, sondern mit der Senkung von Transportkosten. So testet das britische Unternehmen Rolls-Royce, wie Schiffe von Land aus gesteuert werden können. Statt monatelang auf See zu verbringen, könnten Kapitäne morgens zur Arbeit gehen und abends nach Feierabend zur Familie nach Hause fahren. So wie militärische Drohnen weltweit von Piloten in den USA aus gesteuert werden. Den Prototyp eines solchen Kommandostands hat Rolls- Royce zum Test in seiner Niederlassung in Alesund in Norwegen eingerichtet. Dort wird der Rundumblick von der Brücke eines unbemannten Schiffes simuliert.

Unbemannte Schiffe seien sicherer und günstiger, behauptet Rolls-Royce. Außerdem belasteten sie die Umwelt weniger: Ein unbemanntes Schiff komme ohne Brücke, Mannschaftsunterkünfte sowie weitere Einrichtungen für die Besatzung wie etwa Wasser- und Abwassertanks aus. Von solchen Einrichtungen befreit, habe ein unbemanntes Schiff etwa fünf Prozent weniger Gewicht als ein bemanntes und benötige zwölf bis 15 Prozent weniger Treibstoff. Die Ingenieure von Rolls-Royce glauben, dass solche Schiffe technisch ab 2020 einsatzbereit sein könnten. Allerdings rechnen sie mit langwierigen Diskussionen über Regularien sowie Zweifeln auf Seiten der Industrie und der Gewerkschaften, die eine Einführung hinauszögern würden, sagte Oskar Levander, Bereichsleiter bei Rolls-Royce im Bereich Marine.

Die Europäische Union hat das Forschungsprojekt Maritime Unmanned Navigation through Intelligence in Networks (Munin) eingerichtet, das sich ebenfalls mit unbemannter Schifffahrt beschäftigt.

Für die Annäherung an Küsten und die Zufahrt zu Häfen aber sind Besatzungen weiterhin unverzichtbar. Sie sollen für die sogenannte Revierfahrt mit Hubschraubern an Bord gebracht werden. Eigel Wiese


Vattenfall will Geld zurück
Energiekonzern verklagt Bund vor internationalem Schiedsgericht

Ein Schiedsspruch des Internationalen Zentrums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID), einem internationalen Schiedsgericht mit Sitz in Washington D.C., das zur Weltbankgruppe gehört, kann für manche Staaten eine teure Angelegenheit werden. Deutschland könnte jetzt ein ähnliches Schicksal wie dem jüngst nach Verstaatlichungen verurteilten Venezuela drohen, wenn das Schiedsgericht über die Klage des schwedischen Energieunternehmens Vattenfall gegen die deutsche Bundesregierung zu befinden hat. Dieses fordert exakt 4675903975,32 Euro an Entschädigung. Die Bundesregierung habe Vattenfall mit der einseitigen Abkehr vom Atomkonsens mit der Regierung Schröder und von der Atomgesetznovelle von 2010 in seinen Rechten verletzt und ihm dadurch Schäden in dieser Höhe zugefügt.

Nachdem die Grünen mit Unterstützung durch die meisten Medien die Naturkatastrophe in Japan für eine Anti-Atom-Kampagne ausgeschlachtet und in Baden-Württemberg die Landtagswahlen gewonnen hatten sowie in Umfragen bei bis zu 22 Prozent auf Bundesebene gehandelt worden waren, beschloss das sich in die Enge getrieben fühlende Kabinett Merkel II 2011 das Aus für acht Kernkraftwerke und einen stufenweisen Atomausstieg bis 2022 und damit eine vollständige Rücknahme der im Herbst 2010 beschlossenen Laufzeitverlängerungen.

Vor diesem Hintergrund war 2011 für die drei Betreiber von Kernkraftwerken in Deutschland ein Jahr immenser Verluste. EnBW wies einen Verlust von 867 Millionen Euro aus, bei RWE sank das Ergebnis nach Steuern von 4,9 auf 2,1 Milliarden Euro. Der größte Anbieter, E.on, wies einen Konzernfehlbetrag von 1,8 Milliarden Euro aus. Vattenfall sah sich durch die erzwungene Stilllegung seiner beiden Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel in seinen Rechten verletzt und pocht darauf, bereits Investitionen im Vertrauen auf die vor dem abrupten Atomausstieg bestehende Gesetzeslage in die Wege geleitet zu haben.

Mittlerweile scheint es noch trister auszusehen. RWE beispielsweise hatte in den letzten Jahren aus Kostengründen Kraftwerke geschlossen. Für 2013 meldete das Unternehmen sogar erstmals seit 1949 einen Nettoverlust. Gleichzeitig belaufen sich die Schulden auf 30 Milliarden Euro.

Die Unternehmen entschlossen sich zeitnah dazu, den Rechtsweg zu beschreiten, um ihre Interessen zu wahren – die inländischen Konzerne E.on und RWE vor dem Bundesverfassungsgericht, Vattenfall als schwedischer Konzern vor dem ICSID. Was die Details der Klage von Vattenfall anbelangt, sind einzig Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und einige Mitglieder seines Beamtenapparates über die genauen Grundlagen der Ansprüche informiert.

Ein Erfolg Vattenfalls vor einem internationalen Schiedsgericht wäre der GAU für die Befürworter des geplanten europäisch-US-amerikanischen TTIP-Abkommens, das in der Bevölkerung auf starke Widerstände stößt, die sich nicht nur an dem stets beschworenen „Chlorhuhn“ entzünden, sondern auch an den Klauseln zum Investitionsschutz, die Teil des Freihandelsvertrages sind. Ali Özkök


MELDUNGEN

Zins I: Strafe auch für Privatleute?

Frankfurt am Main – Nachdem die Deutsche Skatbank als erstes Kreditinstitut einen Strafzins in Höhe von Minus 0,25 Prozent von Kunden verlangt, die mehr als 500000 Euro auf einem Tagesgeldkonto anlegen, diskutiert die Branche, ob dies nur ein Einzelfall bleiben wird oder andere Banken den Minuszins der Europäischen Zentralbank an ihre Kunden weiterreichen werden. Während der Raiffeisen- und Volksbanken-Verband BVR und des Sparkassenverband DSGV Minuszinsen zumindestens für Privatkunden ausschließen, heißt es von Seiten der Deutschen Bank, dass der von der Skatbank erhobene Minuszins künftig auch im Privatkundengeschäft keine Seltenheit darstellen werde. Bel

 

Zins II: Kein Recht auf Zinsen

Frankfurt am Main – Bundesbank-Vorstandsmitglied Andreas Dombret warnt deutsche Banken vor der Einführung von Strafzinsen auch für Privatleute. Bei einer Tagung der Bankenaufsicht betonte er, dass Negativzinsen die Sparbereitschaft der Menschen reduziere. Allerdings hob er auch hervor, dass es kein Recht auf Zinsen gebe und deshalb jede Bank für sich entscheiden könne, was sie macht. Bel

 

Zins III: Staat erhält weniger

Berlin – Insgesamt profitiert der Bund zwar von der Niedrigzinsphase, da er selber billiger Geld aufnehmen kann, doch bei der Abgeltungssteuer muss er dafür mit ständig sinkenden Einnahmen rechnen. Brachte die Steuer auf Zinseinahmen und realisierte Kursgewinne von Wertpapieren 2012 rund zehn Milliarden Euro, muss der Bund sich für dieses Jahr wohl mit 8,49 Milliarden an Einnahmen begnügen. Bel


S. 8 Forum

Der falsche Mann
von Michael Leh

Der Berliner Innenstaatssekretär Bernd Krömer (siehe S. 3) kennt die reale Sicherheitslage in der Hauptstadt nicht. Wie viele Politiker wohnt der Verwaltungsjurist selbst in einer guten Gegend. In seinem Wohnort Lichtenrade ganz im Süden des Bezirks Tempelhof-Schöneberg gab es im Jahr 2013 nur 31 Fälle von Raub. Bereits in Schöneberg-Nord, das dieselbe Einwohnerzahl hat, 241 Fälle. Die Zahl der schweren und gefährlichen Körperverletzungen in Lichtenrade betrug 64, in Schöneberg-Nord 237. Lichtenrade hat mit 17,6 Prozent den geringsten Anteil von Personen mit Migrationshintergrund in diesem Bezirk, Schöneberg-Nord hingegen 48 Prozent.

Wie viele Politiker weiß Krömer nichts von den Gefahren besonders in den Problemkiezen Berlins, sie sind ihnen nie selbst ausgesetzt. Ein Innenstaatssekretär aber hat Bescheid zu wissen. Krömer, der juristische Adlatus des Nichtjuristen und Innensenators Frank Henkel (CDU), hat keine Ahnung. Trotzdem nimmt er sich noch die Zeit, für Marathonläufe zu trainieren. Er ist der falsche Mann am falschen Platz.


Regelungs-Irrsinn
von Jan Heitmann

Der Begriff „Wohnungsmangel“ gehört zum festen Wortschatz vieler Politiker. Doch was tut die Politik? Sie konterkariert alle Wohnungsbauprogramme, indem sie immer schärfere Auflagen erlässt, die das Bauen immer teurer machen und so Bauherren von Neu- und Umbauten abschrecken. Manches davon ist nach Expertenmeinung unsinnig, teilweise sogar schädlich, und dennoch wird eisern daran festgehalten. Denn hinter dem Regelungsirrsinn stecken häufig einflussreiche Lobbygruppen. So verdient sich beispielsweise die Dämmindustrie durch die umstrittene „Energieeinsparverordnung“ eine goldene Nase.

Hamburg hat sich in Sachen Wohnungsbau ein ambitioniertes Ziel gesteckt. Hier sollen pro Jahr 6000 neue Wohnungen entstehen. Verdichtung und Aufstockung sind die Zauberworte, mit denen das erreicht werden soll. Um Zusatzkosten beim Bauen zu senken und den Bauherren so ein Engagement schmackhaft zu machen, wurde im vergangenen Jahr die Stellplatzpflicht abgeschafft, die von Grundeigentü-merverbänden schon lange als überholt und damit unnötig kostentreibend kritisiert wurde. Das war vernünftig. Das Gegenteil davon ist die in einem Bezirk demnächst erhobene Abgabe bei Aufstockungen, die je nach Projekt in die Zehntausende gehen kann. Dabei geht es um die „Sondernutzung öffentlicher Flächen“ zur Aufstellung von Feuerwehrfahrzeugen, im Behördendeutsch um „die Anleiterbarkeit der oberen Wohnungen“. Über dieses Vorhaben schüttelt selbst die Feuerwehr den Kopf. Das ist wohnungsbaupolitischer Irrsinn und soll dem Staat lediglich eine neue Einkommensquelle zu Lasten bauwilliger Hauseigentümer erschließen.


Wut und Abscheu
von Hans Heckel

Schockiert und angewidert hat Deutschland diese Nachricht aufgenommen: Aktivisten der linken Szene haben Gedenkkreuze für Todesopfer des kommunistischen Mauerterrors aus Berlin gestohlen und an die spanisch-marokkanische Grenze verschleppt. Sie wollten damit das angeblich unmenschliche Grenzregime der EU bloßstellen, behaupten sie.

Bloßgestellt haben sie ausschließlich sich selbst. An der Berliner Mauer wurden Menschen, die ihr Recht wahrnahmen, von einem Teil ihres Landes in den anderen zu gelangen, brutal ermordet. An den EU-Außengrenzen wird niemand erschossen. Die Grenzpolizisten, Soldaten und Angehörigen der Küstenwachen sind vielmehr täglich bemüht, Menschen vor dem Ertrinken zu retten, die versuchen, unter Umgehung der legalen Einreisebestimmungen in die EU zu gelangen. Wer diesen Unterschied in Abrede stellt, ist ein furchtbarer Lügner, oder er hat alle Maßstäbe humanen Handelns verloren.

Indem sie das Mauermörder-Regime und den EU-Grenzschutz auf eine Stufe stellen, kopieren die linken Aktivisten überdies die Propagandalügen der SED. Diese hatte immer behauptet, ihre „Grenzsicherung“ bewege sich im Rahmen des international Üblichen, denn die Bundesrepublik schütze ihre Grenzen ja auch. Wer ernsthaft so argumentiert, der bestreitet die elementaren Grundlagen zur Unterscheidung von Recht und Unrecht.

Jeder rechtmäßige Wohnungsbesitzer kann frei entscheiden, wen er in seine Räume lässt und wen nicht. Bei Regierungen souveräner Staaten verhält es sich ebenso, auch sie können über den Zutritt Fremder zu ihrem Gebiet frei entscheiden.

Niemand aber hat das Recht, einen anderen gegen dessen Willen in seiner Wohnung oder auf seinem Gebiet festzuhalten – gar unter der Drohung, ihn beim „Fluchtversuch“ zu erschießen. Das erfüllt den Straftatbestand der Freiheitsberaubung, der in einem Rechtsstaat hart geahndet wird. Genau diese Freiheitsberaubung war das Kernmerkmal des DDR-Grenzregimes.

Angesichts dieser Aktion beginnt es zu dämmern, warum sich Teile der Linken so unendlich schwertun, das SED-Regime als Unrechtsstaat zu benennen. Entweder leugnen sie den Unterschied zwischen Recht und Unrecht ganz grundsätzlich, oder sie kennen ihn gar nicht.

Dem Abstoßenden die Krone aufgesetzt haben die Aktivisten, indem sie Afrikaner mit den Kreuzen vor der Kamera haben posieren lassen und die Fotos ins Netz stellten. Damit lenken sie die Wut auf junge Männer, die vermutlich gar keine Ahnung haben, was sie da tun. Wieder einmal sind es die sogenannten „Unterstützer“, die die Stimmung zwischen Deutschen und Asylbewerbern vergiften.


Moment mal!
Das Ende des Pazifismus
von Klaus Rainer Röhl

Richtig ernst war es den Linken mit dem Pazifismus nie. Frieden um jeden Preis, das war nie mehr als eine agitatorische Parole, die sie einsetzten, um ganz andere Ziele zu erreichen: ihre eigene Machtergreifung.

Sehr nützlich für die Deutschen erwies sich Wladimir Iljitsch Lenin. Die Oberste Heeresleitung unter Erich Ludendorff hatte 1917 den in Zürich in der Emigration lebenden Bolschewisten in einem versiegelten Eisenbahnwaggon nach Russland geschmuggelt, damit er durch seine Agitation das Zarenreich von innen schwächen und so den Kriegsgegner im Osten nach Möglichkeit lahmlegen sollte. Die Rechnung Ludendorffs ging auf. Mit der Parole „Frieden um jeden Preis“, der bei den kriegsmüden russischen Soldaten sofort massiven Widerhall und Zustimmung fand, machte er die Großmacht Russland, die nach der bürgerlichen Februarrevolution ohnehin unschlüssig dahindümpelte, endgültig kapitulationsreif. Der Waffenstillstand von Brest-Litowsk, übrigens mit Leo Trotzki als Verhandlungspartner von Ludendorff, besiegelte das Ausscheiden Russlands aus dem Ersten Weltkrieg – zu spät für die Mittelmächte, deren Westfront durch das Eingreifen der USA mit frischen Reserven an Menschen und Material ohnehin nur noch mühsam gehalten wurde und auf einen Waffenstillstand zusteuerte. Dass der Frieden dann aber bedingungslos und dadurch der Versailler Vertrag so verheerend ausfiel und so Anlass zu einem neuen Krieg wurde, hatten die radikalen „Pazifisten“ der Sozialdemokratischen Partei um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht erreicht. Die hatten 1918, nach dem Vorbild Lenins, die sofortige Beendigung des Krieges um jeden Preis gefordert und damit die Kapitulation Deutschlands und den darauffolgenden Versailler Vertrag zumindest beschleunigt. Als der abgeschlossen wurde, hatten die Rebellen der Sozialdemokratie schon längst ihre eigene Partei gegründet, die es bis heute gibt, zum Schaden des Landes, die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). 1946 mit der SPD zwangsvereinigt zur SED, dann umbenannt in PDS und schließlich in „Die Linke“. Umbenannt und doch wiedererkannt.

Frieden war für sie immer nur ein Wort, das sie aber umso häufiger im Mund führten, je weniger sie daran glaubten. Selbst bei der Linkspartei rücken inzwischen viele vom kategorischen Pazifismus ab. Als geistige Strömung könnte er verschwinden.

Aber – war der Pazifismus der Linken je echt? „Nie wieder Krieg“, lautete die Parole Karl Liebknechts. Waren die Kommunisten und anderen Sozialisten wirklich Pazifisten? Je nach Interessenlage. Für einen „gerechten“ Krieg, für die Freiheit. Doch welcher Krieg behauptet nicht von sich, ein Krieg für die Freiheit zu sein? „Freiheit das Ziel!“, ist das aus einem Nazi- oder einem Kommunisten-Lied? „Nur der Freiheit gehört unser Leben?“ Wo so viel für die Freiheit gekämpft wird, wo bleibt da der Pazifismus?

Und wenn ein Feind auftaucht, der alle Regeln ignoriert? Seit es den Islamischen Staat (IS) gibt, rücken auch immer mehr Linke von dem radikalen Pazifismus ab. Fraktionschef Gregor Gysi hat Anfang September über Waffenlieferungen an die Gegner der IS gesagt: „In dieser Notsituation ist das erforderlich, um größeres Unheil zu verhindern.“ Und die grüne Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt ist für einen Bundeswehreinsatz gegen die IS-Milizen, auch mit Bodentruppen. Selbst der Bundespräsident erklärt, Deutschland müsse seine militärische Zurückhaltung aufgeben, es dürfe kein Drückeberger in der Weltengemeinschaft mehr sein.

Mit der Zuspitzung der Lage in Kobane geht ein Teil der „Linken“ jetzt immerhin soweit, Militäreinsätze der UN zu fordern. Zwar wisse niemand, sagte „Linken“-Fraktionsvorsitzender Dietmar Bartsch, wie der IS wirksam zu bekämpfen sei. Aber: „Wir müssen auch befördern, dass gehandelt wird.“

Das ist eine Wende. Im Parteiprogramm wurden bisher sogar UN-Einsätze verteufelt. So erfolgt die Kurskorrektur gegen den Widerstand von Oskar Lafontaine und anderen Teilen der Partei, die darin einen „Verrat“ der friedenspolitischen Grundsätze sehen. „Die Linke“ habe „die bessere Antwort“, schrieb der frühere Parteivorsitzende im „Tagesspiegel“, indem sie Ärzte und Krankenschwestern, Nahrung und Medikamente in Kriegsgebiete schicke. Das ist im Grunde die ständig wiederholte Leier von Angela Merkel. Deutschland mit Geld freikaufen von jeder Solidarität – auch im Kampf gegen den IS.

Will die Linke weiterhin als pazifistische Partei auftreten? Sollte auch diese Partei, wie die Mehrheit der Sozialdemokraten, ihre starre antimilitaristische Haltung aufgeben, dann ist es das Ende des Pazifismus in diesem Land. Wurde der Einfluss des Pazifismus auf politische Entscheidungen nicht immer überschätzt?

Bertha von Suttner, die Ende des 19. Jahrhunderts die Gefahr eines industriellen Krieges heraufziehen sah, wurde in ihrer Zeit eher verspottet, obwohl sie durch ihren Roman „Die Waffen nieder“ einen Erfolg erzielte, 1892 die „Deutsche Friedensgesellschaft“ gründete und 1901 den erstmals verliehenen Friedensnobelpreis erhielt.

Einen größeren Erfolg hatte die Friedensbewegung, die keine Massen-Basis in der sozialistischen Partei hatte, nicht, und der Beginn des Ersten Weltkriegs bedeutete erst einmal den Zusammenbruch der pazifistischen Utopie. Aber gegen Ende des Krieges war der Pazifismus wegen der vielen Toten in jeder Familie, des Elends und der Kriegsmüdigkeit der Massen sehr populär, und immerhin hatte sich der „Pazifismus im Weltkrieg als eine Macht ersten Ranges erwiesen. Im Namen des Pazifismus wurde der Krieg bis zur völligen Unterwerfung Deutschlands geführt“, heißt es im „Politischen Handwörterbuch von 1923“. Die Nationalisten werteten – schon vor Adolf Hitler – den Friedensvertrag von Versailles als Folge des Pazifismus.

Die adlige Dame Bertha von Suttner aus Österreich war weiß Gott keine Kommunistin gewesen, aber die Kommunisten bedienten sich, wenn es gerade passte, gerne ihrer Idee. Besonders nach dem Zweiten Weltkrieg, nach dessen Ende nun wirklich alle sagten: „Nie wieder Krieg!“ Da wurde später das Schlagwort „Frieden schaffen ohne Waffen!“ von den Anhängern des hochgerüsteten Sowjetreichs unter Josef Stalin ausgestreut. Ab 1978 war es auch einer der beliebtesten Sprüche in der Evangelischen Kirche und später auch bei den katholischen Friedensfreunden. Neben „Schwerter zu Pflugscharen!“, einem verballhornten Bibelwort aus dem Alten Testament.

Wer in den Zeiten des Kalten Krieges kommunistische Propaganda verbreiten wollte, sprach klugerweise nicht von der Diktatur des Proletariats, sondern vom Frieden, gipfelnd in dem Schlagwort „Frieden schaffen – ohne Waffen!“ Obwohl die Sowjets mächtig stolz darauf waren, den „Großen Vaterländischen Krieg“ gegen Hitler gewonnen zu haben, sicher nicht ohne Waffen, sondern mit dem Panzer T-34, der Stalinorgel M-132 und der Kalaschnikow für den Nahkampf. Die Waffen sind, weiterentwickelt und modernisiert, heute noch im Handel und sehr begehrt.

Der Pazifismus aber wird in den Auseinandersetzungen, die kommen werden, kaum noch eine Rolle spielen.

Den Autor erreichen Sie unter klausrainer@gmx.de


S. 9 Kultur

Den Dom im Blick
Künstler als Kirchenmaler − Köln zeigt gotische Gotteshäuser aus der Sicht berühmter Maler

Die Domstadt Köln überrascht mit einer schlicht „Die Kathedrale“ genannten Ausstellung be­rühmter Kunstwerke. Im Mittel­punkt aber steht − der Dom.

Kaum ein anderes Gebäude hat eine so große Ausstrahlungskraft und einen ähnlichen Symbolgehalt wie die großen gotischen Kirchengebäude. Zahlreiche Künstler machten sie zum Objekt ihres Schaffens. Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum widmet diesen bedeutenden Sakralbauten jetzt eine mondäne Ausstellung. Ge­zeigt werden 180 Werke von rund 100 Künstlern der Romantik bis hin zur Moderne.

Genau betrachtet gibt es in Deutschland − abgesehen von der St.-Hedwigs-Kathedrale in Berlin und der Kathedrale St. Jakobus in Görlitz − namentlich gar keine Kathedralen. Denn die Bischofskirche, als die eine Kathedrale definiert ist, heißt in Deutschland meist Dom oder Münster: Der Kölner Dom, der Dom in Aachen, das Freiburger Münster oder auch − ganz ohne Bezeichnung − die Münchener Frauenkirche. Das Ulmer Münster, der höchste Sakralbau der Welt, ist übrigens keine katholische Bischofskirche.

Ganz anders in Frankreich. Dort werden alle Bischofskirchen als „Kathedrale“ bezeichnet. Die bekanntesten und bedeutendsten sind Notre Dame in Paris und die Kathedralen in Amien, Rouen und in Reims. In Reims wurden jahrhundertelang die französischen Könige gekrönt und auch beigesetzt. Diese Kathedrale ist eine Art Nationalheiligtum der Franzosen. Ihre mutwillige Zerstörung durch deutsche Soldaten im Jahr 1914 kann und sollte wohl auch als Angriff auf den Stolz und die Ehre der Franzosen verstanden werden. Der 100. Jahrestag ihrer Zerstörung lieferte jetzt mit einen Anlass für diese Ausstellung.

Deutsche und französische Kathedralen stehen denn auch im Mittelpunkt der Ausstellung, die in Kooperation mit dem Musée des Beaux-Arts in der Kathedralen-Stadt Rouen entstand. Die Zusammenarbeit beider Museen soll die deutsch-französische Freundschaft festigen. Deshalb übernahmen die Außenminister beider Länder, Frank-Walter Steinmeier und Laurent Fabius, die Schirmherrschaft.

Die großen gotischen Kathedralen in Frankreich und in Deutschland fristeten bis ins späte 18. Jahrhundert ein eher jämmerliches Dasein. Zum Beispiel der Kölner Dom: Baubeginn 1248, Fertigstellung 1880 – und das erst mit Hilfe der protestantischen Preußen! Über 600 Jahre lang zeigten alle Stadtansichten Kölns einen halbfertigen Dom ohne Türme und mit Baukränen. Oder zum Beispiel Notre Dame in Paris: Nach Verwüstungen in der Französischen Revolution befand sich die Kathedrale in desolatem Zustand und wäre fast verfallen.

Die Ausstellung erkennt und benennt zwei Männer als Retter der (gotischen) Kathedralen. In Deutschland entfachte Goethe 1773 nach Studien und Besuchen des Straßburger Münsters mit seiner Schrift „Von deutscher Baukunst“ Begeisterung und Faszination für die in Verruf geratene gotische Architektur und damit auch für die gotischen Gotteshäuser. In Frankreich war es Victor Hugo, der 1831 mit seinem Roman „Der Glöckner von Notre-Dame“ ganz Frankreich für die Schönheit der gotischen Architektur sensibilisieren konnte. Nach diesen literarischen Anstößen gewann die gotische Kathedrale im Volk und auch bei Künstlern die lange vermisste Aufmerksamkeit und Wertschätzung.

Aus der Epoche der Romantik stammen die meist verklärten Werke von Carl Gustav Carus, Caspar David Friedrich und Karl Friedrich Schinkel. Geradezu phantastisch – im Sinne von fiktiv – mutet die „Idealansicht des Kölner Domes“ von Carl Hasenpflug an, der 1834 den Dom malte, wie er ihn niemals gesehen hat: komplett mit Türmen und ohne Gerüst, bereinigt vom barocken Drumherum, sauber und rein. Man möchte wie in der Waschmittelwerbung fast sagen: so sauber wie gekocht. Erst 1880 sollte diese Domansicht annäherungsweise Wirklichkeit werden.

Wer Zeit und Lust zum Vergleichen hat, sollte einen Abstecher ins nur zehn Minuten Fußweg entfernte Museum für Angewandte Kunst (MAKK) machen. Dort ist noch bis zum 14. Dezember ein ebenso idealisierter „reiner und sauberer“ Kölner Dom in der Ausstellung „Facades“ zu sehen. Als Fotografie des Künstlers Markus Brunetti, der den Kölner Dom − neben anderen Kathedralen, Kirchen und Klöstern – in einer geradezu unwirklichen Ansicht und mit einer fast schon pedantischen Präzision abgebildet hat.

Im Hauptsaal der Kathedralen-Schau präsentiert das Wallraf Werke der Impressionisten. Hier kommen Sisley, Pissarro, Ma­tisse und Corot ins Blickfeld. Nicht zu vergessen der grandiose Claude Monet, der alleine mit sechs Werken vertreten ist. Vier seiner Bilder stammen aus dem le­gendären, 33 Ansichten umfassenden Zy­klus der Kathedrale von Rouen, den Mo­net Ende des 19. Jahrhunderts erstellte.

Mit fast genau so vielen Gemälden ist der deutsch-amerikanische Künstler Lyonel Feininger vertreten, der den Saal der Expressionisten do­miniert. Seine Bilder zeigen Ansichten von Halle/Saale und der dortigen Marienkirche. Das gotische Gotteshaus ist allerdings keine Bischofskirche und damit strenggenommen auch keine Kathedrale. Nebenan sind auch noch sieben Holzschnitte von Feininger zu sehen, die zwischen 1918 und 1923 entstanden sind. Mit dabei ein Druck der alten Dorfkirche von Gelmeroda, die nach der „Wende“ erste Autobahnkirche in den neuen Bundesländern.

Auch Künstler wie Macke, Rohlfs und Kirchner ließen sich, mit viel Farbe, von Kathedralen inspirieren. Das farbenfreudigste Bild dürfte Max Ernsts Ansicht der Kathedrale von Laon sein.

Natürlich hat das Wallraf dem Kölner Dom einen Extra-Raum gewidmet mit dem bereits ge­nannten Hasenpflug-Gemälde und zahlreichen weiteren Künstler-Inspirationen des Doms. Zusätzlich wuchert das Museum mit den Pfunden seiner Sichtweite zum Dom. Durch das Fenster des Raumes kann das etwa 500 Meter entfernte Original mit den künstlerischen Abbildungen di­rekt verglichen werden.

Gezeigt werden hier aber auch alte Pläne der Domtürme aus dem 13. Jahrhundert. Sie kamen wäh­rend der „Franzosenzeit“ (1794−1814) der Dombauhütte abhanden und wurden später in Paris wiedergefunden. Was sie zeigen? Dass der realisierte Ist-Zustand des Kölner Doms den Plänen von 1248 sehr nahe kommt.

Nicht fehlen darf die Collage eines eingehüllten Domes des bulgarischen Verpackungskünstlers Christo. Dessen Pläne von 1980, den Kölner Dom mit Stoffbahnen zu ummanteln, wurden aber – im Ge­gensatz zum ver­pack­ten Reichstag in Berlin und der eingehüllten Pont-Neuf in Paris − nicht umgesetzt.

Am Ende der Schau stehen monumentale Werke zeitgenössischer Kunst: Exponate aus den Kathedralen-Serien von Roy Lichtenstein und Andy Warhol sowie die fulminante, rund neun Quadratmeter große Arbeit von Andreas Gursky „Kathedrale I“ aus dem Jahr 2007. Deutlich wird, dass Kathedralen auch aktuell eine große Faszination auf Künstler ausüben. Siegfried Schmidtke

Bis 18. Januar 2015 im Wallraf-Richartz-Museum Köln. Dienstag bis Sonntag 10 bis 18, Donnerstag bis 21 Uhr. Eintritt: 13 Euro. Katalog: Hirmer Verlag, München, 30 Euro. Info: www.wallraf.museum.


Auf der Erfolgswelle
Hübsches »Farbenspiel« − Helene-Fischer-Tour bald auch in Berlin

Helene Fischer begeistert auf ihrer „Farbenspiel“-Tournee alle Altersgruppen, alle Geschmäcker, alle Bildungsschichten. Zweifellos setzt das einstige Schlagermädel völlig neue Maßstäbe im deutschen Musik-Geschäft. Der Einheits-Star muss dafür eine Menge bieten. Wie viel davon kalkuliert ist, tritt dabei in den Hintergrund.

Es gibt immer wieder Künstler, denen es gelingt, einfach alle mitzunehmen: Udo Jürgens, Marianne Rosenberg, Peter Maffay und noch einige mehr. Sie haben entweder das Glück, zeitlose Musik zu machen, oder das Talent, sich neuen Zeiten anzupassen, wie etwa Heino.

Helene Fischer war von Beginn ihrer Karriere an eine Ausnahmesängerin – nicht, weil ihre Lieder besonders gut wären, sondern, weil sie sich von allen am besten auf Anpassung versteht. Zunächst brachte ihr ihre Biografie als armes Spätaussiedlerkind aus Sibirien eine Menge Sympathien ein. Später punktete sie mit ihrer musikalischen und darstellerischen Qualität, heute punktet sie mit ihrer Vielseitigkeit. Fischer leben vom Fischen, und das betreibt sie so professionell, dass niemandem Zweifel hinsichtlich ihrer Authentizität kommen.

Die Konsequenz: Nichts sonst ist mehr nötig, Helene Fischer ist die Einheitsposaune für schier jede Musikrichtung von Vivaldi bis Celine Dion. Eine Art menschgewordener interaktives Dauerradio, mit dem jeder etwas anfangen kann, von der Omi bis zum Enkel. Das muss man erst einmal schaffen, und Fischer schafft das nur, weil sie technisch richtig gut ist. Der Manierismus dieser Tausendsasserei erinnert jedoch ein bisschen an die Zeiten, als Symphonieorchester sämtliche Popklassiker durchfiedelten. Irgendwann gerät jeder dieser Erfolgskarren in schwereren Boden, und dann geht es nur weiter, wenn man sich von innen heraus weiterentwickelt hat. Bei den oben genannten Kollegen konnte man das gut mitverfolgen.

Für Fischer ist es zu früh, Prognosen abzugeben. Zum Erfolg gehört eben auch, dass er nicht ewig währt. Und bis er kippt, muss die Sängerin genügend künstlerische Persönlichkeit entwickeln, aus der sie dann schöpfen kann. Brillante Textanleihen anderer Musiker sollte man dabei nicht überbewerten. Entscheidend sind ihre eigenen Lieder.

Bei den choreografisch sehenswerten „Farbenspiel“-Konzerten fielen deutliche Zugeständnisse an den Zeitgeist auf: mehr Haut beispielsweise, was bei einer schönen Frau unnötig ist; totale Konfliktfreiheit, was bei einem denkenden Menschen nicht realitätsnah wirkt; die eine oder andere mehr routiniert als engagiert heruntergespielte Nummer. Diesen Konzerten merkt man an, dass da für den Erfolg nicht mehr gekämpft werden muss, hier ist eine Künstlerin auf dem Zenit angekommen und fährt die Ernte ein.

Angesichts des in ihr gebündelten Talents, vor allem aber ihrer äußerst disziplinierten Zielstrebigkeit und Professionalität sei ihr das von Herzen gegönnt. Es hat jedoch früheren Künstlern meist Schwierigkeiten bereitet, wenn sie zu früh auf dem Gipfel ankamen und der weitere Weg dann nicht mehr höher führte. Genügend Proviant wird dann sehr wichtig sein. Alexander Glück

Weitere Tourneedaten: Hamburg am 8. und 9. November, Berlin vom 12. bis 14. November.


Im Zeichen der Rose
Darmstadt entdeckt den Jugendstilkünstler Hans Christiansen

Seine Darstellungen weiblicher Wesen inmitten schwungvoll wuchernder Pflanzenornamentik waren Mu­sterbeispiele des deutschen Ju­gendstils. Doch auf seine erste umfassende Werkschau musste Hans Christiansen (1866−1945) bis heute warten. Die richtet ihm nun noch bis zum 1. Februar 2015 auf der Darmstädter Mathildenhöhe das Museum Künstlerkolonie mit Gemälden, Gebrauchsgrafik und Kunsthandwerk von der Tapete über Ge­schirr und Möbel bis hin zu Schuh und Spitzenkragen aus.

Entscheidende Anregungen er­hielt der in Flensburg geborene Christiansen während seines Aufenthalts in Paris von 1895 bis 1899. In diesen Jahren schuf er so ansprechende Gemälde wie „Winter in Paris“ (1897). Es zeigt in ausschnitthafter Nahsicht eine elegante junge Dame in Rot, die von einem Flaneur verstohlen unter dem Zylinder hervor taxiert wird. Von Paris aus belieferte der Künstler die Zeitschrift „Jugend“ mit Titelbildern. Zum Beispiel mit der Lithografie „Sturm“ (1897). Im Vordergrund ist eine junge Frau bis zu den nackten Schultern dargestellt, weitere „Jugendliche“ im Hintergrund. Allen ist die Frisur ins Gesicht geweht − sie haben also Rückenwind. In roter Flammenschrift auf gelbem Grund züngelt der Zeitschriftentitel „Jugend“. Als Rahmung windet sich eine Schlange um die Szene. Es ist also Vorsicht geboten − etwa vor der „Jugend“?

Zur Förderung des Kunstgewerbes in seinen Landen gründete Großherzog Ernst Ludwig von Hessen 1899 die Künstlerkolonie auf der Darmstädter Mathildenhöhe. „Erstberufener“ war Hans Christiansen. Stilisierte Rosen wurden zu seinem Markenzeichen. Sie schmücken als goldenes Dekor Porzellan und Gläser, überziehen zu Kränzen gewunden Wohnzimmermöbel und waren Leitmotiv seiner Villa, die er „Haus in Rosen“ nannte. Es erregte mit seinen grünen Dachziegeln und der grellfarbigen Innendekoration großes Aufsehen. Im Zweiten Weltkrieg durch Bomben zerstört, wird es mit einem Modell und Fotografien vorgestellt. Rosen und der Mut zu kräftigen Farben − teils in „gewagter“ Kombination − zeichnen auch die Porträts aus, die er von seiner Gattin Claire und Tochter Herta malte.

Christiansen ließ sich mit der Ehefrau und den drei Kindern 1911 in Wiesbaden nieder. Ausgestellt sind die golden angestrichenen Holzmöbel, die er für den „Goldenen Salon“ seines neuen Domizils entwarf. In seinen letzten Lebensjahrzehnten brachte er Gemälde, Plakate, Schmuck- und Modeentwürfe sowie philosophische Schriften hervor, die Titel wie „Meine Lösung der Welträtsel“ tragen. Da er sich nicht von seiner jüdischen Frau trennen wollte, erteilten ihm die Nazis Berufsverbot. Christiansen geriet daraufhin weitgehend in Vergessenheit, blieb aber zuversichtlich: „Nun, meine Zeit wird schon noch kommen, entmutigen kann mich diese Sabotage jedenfalls nicht.“

Auch im Hessischen Landesmuseum Darmstadt am Friedensplatz kann man das Schaffen Christiansens bewundern. Dort ist es aufschlussreich eingebettet in die dem internationalen Jugendstil gewidmete Dauerausstellung. Hauptattraktion ist ein dreiteiliges Fenster. Es zeigt eine ins Märchenhafte entrückte Landschaft, die Christiansen aus vielfarbig leuchtenden Gläsern zusammengefügt hat. Veit-Mario Thiede


S. 10 Geschichte

»Eine Gemeinschaft von Brüdern«
Vor 100 Jahren verblutete ein Teil der deutschen Jugend in der Schlacht bei Langemarck

Am 10. November 1914 unternahm die deutsche Seite nahe dem nördlich von Ypern gelegenen belgischen Ort Langemarck einen legendären Durchbruchsversuch durch die feindlichen Linien. Die Opferbereitschaft der überwiegend jungen deutschen Soldaten war groß, ihre Ausbildung war schlecht und die Verluste unter ihnen waren mit 2000 Mann verheerend.

Erich von Falkenhayn, seit dem 14. September 1914 Chef des Genralstabs, versuchte nach der Schlacht an der Marne, die von der deutschen Seite abgebrochen worden war, die deutsche Offensive im Westen mit neuer Strategie und neuem Elan zu beleben. Er wollte die Streitkräfte der Alliierten in einer großräumigen Umfassungsschlacht zwischen der Oise und der Kanalküste doch noch in die Knie zwingen: Der „Wettlauf zum Meer“ begann. Der gleichzeitige Versuch Falkenhayns, auf dem linken Flügel im Südwesten zwischen Toul und Verdun nach Frankreich durchzubrechen, scheiterte ebenso wie Ende September 1914 seine nordwestliche Offensive. Für die von ihm anvisierten Ziele reichten die deutschen Truppen genauso wenig aus wie die Artilleriemunition. Ein weiterer offensiver Anlauf, zwischen Lille und der Nordsee unternommen, blieb gleichfalls ohne Erfolg. Immerhin konnte am 9. Oktober Antwerpen erobert werden, so dass die dort bei der Belagerung eingesetzten Kräfte zum Einsatz gegen die feindliche Front frei wurden.

Falkenhayn war entschlossen, im Westen doch noch einen Erfolg zu erzwingen. Deshalb zog er nun sechs neue, ganz ungenügend ausgebildete Reservekorps heran, deren Soldaten noch nicht über Front­erfahrung verfügten. Diese Streitmacht, die primär aus jungen kriegsfreiwilligen Abiturienten und Studenten gebildet worden war, ließ er vom 20. Oktober 1914 an in dem schlammigen Gelände der flandrischen Region Ypern-Yser gegen die Verteidigungspositionen des britischen Expeditionskorps anrennen. Dabei war nicht nur das Terrain für Infanterieangriffe völlig ungeeignet, Falkenhayn ließ die jungen Soldaten auch ohne genügende Artillerieunterstützung. So blieben sie schließlich im Feuer der britischen Maschinengewehre liegen. Der Blutzoll, den dieser Teil der Blüte deutscher Jugend damals bezahlte, war schauderhaft. Um die 2000 Tote kostete allein der deutsche Durchbruchsversuch, der am 10. November 1914 bei Langemarck unternommen wurde, und durch den nur wenige Kilometer Geländegewinn erzielt wurden.

Der deutsche Heeresbericht vom 11. November 1914 rühmte all die jungen Regimenter, die „westlich Langemarck“ gegen die feindlichen Linien angestürmt waren. „Westlich Langemarck“ lag, fünf Kilometer entfernt, das Dorf Bixschote. Doch Bixschote, so schreibt Karl Unruh in seinem 1986 veröffentlichten Buch „Langemarck. Legende und Wirklichkeit“, „eignete sich wohl kaum zum Weitersagen. Man brauchte den Namen Langemarck, der wie Bismarck oder Königsmarck etwas Ehernes und Kerniges an sich hat“. Wie auch immer, die jungen deutschen Soldaten marschierten laut genanntem Heeresbericht mit dem Gesang „Deutschland, Deutschland über alles“ unerschrocken in ihr Verderben. Kaiser Wilhelm II. war gerührt. „Selten“, sagte der Monarch feierlich, habe „etwas einen so tiefen Eindruck gemacht“.

Ob die Soldaten tatsächlich die spätere deutsche Nationalhymne gesungen haben und wenn ja, aus welchem Grund, ist Gegenstand von Kontroversen. So hat beispielsweise der „Spiegel“ darauf verwiesen, dass in dem vom Reichsarchiv bearbeiteten Kompendium „Der Weltkrieg 1914–1918. Die militärischen Operationen zu Lande“ nur in einem Halbsatz angemerkt sei, es sei „mehrfach das Deutschland-Lied ertönt“. Bei der Beschreibung der Schlacht von Langemarck in Band 6 aber fehle ein solcher Hinweis. Hinsichtlich der Motive fragte der „Spiegel“: „War es nationales Hochgefühl, das sich Luft machte, wie vielfach zu lesen steht? Oder sangen Landser ‚Deutschland über alles‘, um sich – so eine Version – im flandrischen Nebel zurechtzufinden, Anschluss zu halten an den Vorder- und Nebenmann? Oder um – so eine andere Version, überliefert von einem Weltkrieg-I-Veteranen – den inneren Schweinehund‘ zu betäuben?“

Es gibt aber auch andere Stimmen. So schrieb die englische Journalistin Lyn Macdonald in ihrem 1987 erschienenen Buch „1914“ über die blutjungen deutschen Soldaten bei Langemarck: „… erstaunte Beobachter in den britischen Linien sahen, dass sie Arm in Arm vorrückten, und neben nachdrücklich gebrüllten Befehlen konnten sie andere Stimmen hören, welche sangen. Ungläubig starrten sie durch ihre Ferngläser und konnten … sehen, dass die Mützen, welche sie zu den feldgrauen Uniformen trugen, nicht die vorschriftsmäßige Kopfbedeckung deutscher Soldaten auf dem Schlachtfeld waren. Sie trugen die Mützen deutscher Studenten, und die jungen Soldaten des Kaisers trugen sie nun auf dem Weg in die Schlacht, genauso, wie sie sie beim Schlendern durch die Straßen Heidelbergs trugen – um der Welt zu zeigen, dass sie eine Gemeinschaft von Brüdern waren.“

Der Führung des Deutschen Reichs – vor allem der militärischen – stand es allerdings nicht so gut an, das Hinschlachten zu verherrlichen und die eigene Verantwortung für das erfolgte Gemetzel hinter dem Abglanz des Heldentums der Gefallenen zu verstecken. Letzteren jedoch gebührt auch und gerade heute ein bleibendes Gedenken in Ehre – ihrer in unseren Tagen fast gar nicht mehr verstandenen menschlichen Größe und ihrem Opfermut. Mario Kandil


Verfassungsrechtler im Auswärtigen Amt
Heinrich von Brentano war Adenauers Nachfolger als Fraktionschef wie als Außenminister

Manchen galt er als Wachs in den Händen seines Bundeskanzlers und Parteivorsitzenden Konrad Adenauer. Politischer Gestaltungswille gehörte nicht zu seinen hervorstechenden Eigenschaften. Seine Stärke war eher die Vermittlung, die Suche nach dem Kompromiss. Vielleicht akzeptierte ihn deshalb Adenauer als seinen Nachfolger im Außenministerium, nachdem er selbst die Weichen in Richtung Westbindung sowie Wehrbeitrag gegen Teilsouveränität gestellt hatte. Wie Adenauer war auch Bren­ta­no Katholik und auch seine Wiege stand am Rhein. Allerdings war es bei ihm nicht Köln, sondern Of­fen­bach. Am 20. Juni 1904 erblickte er in der hessischen Stadt das Licht der Welt.

Brentano war weniger Kämpfer denn Schöngeist. Den Abkömmling eines lombardischen Adelsgeschlechts lehrte die Mutter frühzeitig die Liebe zu den Künsten und der Kultur. Wie der Vater wurde auch der Sohn Jurist und Politiker. Nach dem Abitur im Jahre 1922 studierte Heinrich von Brentano Jura im nahen Frankfurt am Main sowie in Grenoble, München und Gießen. 1930 promovierte er über „Die Rechtsstellung des Parlamentspräsidenten nach Deutschem Verfassungs- und Geschäftsordnungsrecht“. Nach der Berufsausbildung ließ er sich als Rechtsanwalt in Darmstadt nieder. Politisch trat er erst einmal nicht hervor.

Die große politische Stunde des promovierten Verfassungsrechtlers schlug beim verfassungsrechtlichen Neuanfang auf Landes- wie Bundesebene nach dem Zusammenbruch von 1945. Der Sohn eines hessischen Zentrumspolitikers gehörte in Hessen zu den Christdemokraten der ersten Stunde. Er wirkte sowohl im Vorbereitenden Verfassungsausschuss als auch im Beratenden Landesausschuss und der aus demokratischen Wahlen hervorgegangenen Verfassungsberatenden Landesversammlung mit Denkschriften, Diskussionsbeiträgen und Formulierungsvorschlägen an der 1946 in Kraft gesetzten Verfassung des heutigen Bundeslandes Hessen mit.

Auch nach dem Abschluss der Verfassungsarbeiten blieb Brenta­no in der Politik. So gehörte er dem 1946 gewählten ersten Landtag an. 1947 wurde er sogar Vorsitzender seiner Fraktion. Dort ging es Brentano vor allem darum, die Sozialdemokraten in der Koalition mit der CDU zu halten und von einem Bündnis mit den Kommunisten abzuhalten.

Daneben war Brentano nun auch über Hessen hinaus verfassungspolitisch tätig. So übernahm er den Vorsitz in dem im Februar gebildeten Verfassungsausschuss der Arbeitsgemeinschaft der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union Deutschlands. Als sich 1948 der Parlamentarische Rat konstituierte, war er dabei. Er war stellvertretender Vorsitzender des Hauptausschusses sowie Mitglied des Redaktionsausschusses, in dem seine klaren und präzisen Formulierungsvorschläge geschätzt wurden.

Wie zuvor schon im hessischen Landtag war Brentano auch im Parlamentarischen Rat darauf bedacht, mit seiner konzilianten Art den Kompromiss mit der SPD zu suchen. Diesmal bestand das Ziel nicht in einer Festigung einer Regierungskoalition, sondern in einer Festigung des Grundgesetzes durch eine breite, sie tragende parteipolitische Basis. Wie sein späterer Kabinettskollege und Parteifreund Paul Lücke (siehe Seite 11) strebte dabei auch er ein volksparteienfreundliches Mehrheitswahlrecht an. Die Große Koalition mitzuerleben war ihm nicht mehr vergönnt.

Im Parlamentarischen Rat hatte Brentano auch dem Übergangsausschuss bis zum Zusammentritt des ersten Bundestages angehört, dessen Mitglied er nun auch wurde. Nachdem er bereits im hessischen Parlament Erfahrungen als Fraktionsvorsitzender hatte sammeln können, übernahm er nach Adenauers Wahl zum Bundeskanzler auch im Bundestag diese Funktion. Dort hielt er dem Kanzler den Rücken frei, bis er 1955 Adenauers Nachfolger als Außenminister wurde. Er setzte die Arbeit seines Vorgängers und Kanzlers fort. Wie dieser setzte auch er auf eine feste Integration in eine (west-)europäische Union. Er selber sprach in diesem Zusammenhang vom „Knochengerüst deutscher Außenpolitik“. Von seinem Vorgänger setzte er sich kaum ab, setzte nur wenige Akzente und gewann neben seinem Kanzler entsprechend wenig Profil.

So entspannt seine Beziehungen zur SPD waren, so belastet wurden jene zur FDP. Nachdem die Liberalen bei den Koalitionsverhandlungen mit der Union nach der Bundestagswahl von 1961 mit ihrem Versuch gescheitert waren, Adenauers Amtsverzicht durchzusetzen, forderten sie einen Staatsminister des Auswärtigen Amtes mit Sitz am Kabinettstisch für sich – als liberales Korrektiv neben dem christdemokratischen Außenminister. Brenta­no empfand das zumindest so und diese Situation als demütigend. Er trat im selben Jahr zurück.

Mit großer Mehrheit wurde er wieder an die Spitze der Unionsfraktion gewählt. In dieser zweiten Amtsphase als Fraktionschef gehörte es zu seinem großen Aufgaben, am möglichst reibungslosen Übergang von Adenauer zu dessen Nachfolger im Kanzleramt im Herbst 1963 mitzuwirken. Ein Jahr später riss ihn sein Speiseröhrenkrebs aus dem Amt. Am 14. November 1964 starb Heinrich von Brentano in Darmstadt. Manuel Ruoff


Kleines Land, großer Fürst

Seine politische Bedeutung war, global gesehen, ebenso klein wie sein Land. Dennoch darf man ihn zu den Großen zählen – zumindest, wenn man Standhaftigkeit, Grundsatztreue und Mut vor den Mächtigen als Zeichen moralischer Größe sieht. So hat Franz Josef II. es verdient, seiner auch außerhalb seines Fürstentums Liechtenstein an seinem 25. Todestag ehrend zu gedenken.

Geboren wurde der Fürst 1906 in Österreich, wo er Schulzeit und Studium verbrachte. Als Diplomforstingenieur widmete er sich der Verwaltung familieneigener Güter in der untergegangenen Donaumonarchie, vor allem im nunmehr tschechischen Mähren.

Zunächst konnte der junge Prinz ein relativ unbeschwertes Leben führen, viel reisen und seiner Naturliebe frönen. Das änderte sich 1938, als er die Regentschaft in Vaduz übernahm und wenig später Adolf Hitler die Macht in Mähren an sich riss. Der Fürst ging nicht in die Knie, sondern verlegte den ständigen Wohn- und Amtssitz nach Vaduz.

Das seit 1806 souveräne Land, dessen 12000 Einwohner sich damals eher land- als finanzwirtschaftlich betätigten, wahrte im Zweiten Weltkrieg seine Neutralität, ein Verdienst der klugen, wenn möglich ausgleichenden, wenn nötig aber mutigen, kompromisslosen Politik des Fürsten.

Das zeigte sich nach Kriegende. Gegen massiven Druck der Sieger öffnete Liechtenstein die Grenze für 482 Angehörige der „1. Russischen Nationalarmee“, die im Gegensatz zur „Wlassow-Armee“ ausschließlich gegen das Stalin-Regime gekämpft hatte. Der Fürst verweigerte die Auslieferung und ermöglichte die Flucht in sichere Staaten. Jene 104 Soldaten, die sich von Moskaus Repatriierungstrupps zur Heimreise überreden ließen, verschwanden spurlos.

Mut zeigte Franz Josef II. auch gegenüber Prag. Die Enteignungen auf Basis der rechtswidrigen Benesch-Dekrete beantwortete er mit der Verweigerung diplomatischer Beziehungen und blieb dieser Haltung, anders als bundesdeutsche Regierungen, stets treu.

Nach 45 Regierungsjahren übertrug er die Regierungsgeschäfte an seinen Sohn, den heutigen Fürsten Hans-Adam II. Am 13. November 1989 starb der Fürst – vier Tage nach dem Fall der Mauer. Dass die Nachfolger der Kommunisten in Prag und anderswo weiterhin Unrecht gelten ließen und lassen, musste er nicht mehr erleben. Hans-J. Mahlitz


Hübner statt Hübchen

In dem Beitrag „Der Mann, der den Schlagbaum öffnete“ auf der Seite 11 der Nummer 44 hätte es statt Henry Hübchen Charly Hübner heißen müssen. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

PAZ


S. 11 Preussen

Vorspiel zum Dreißigjährigen Krieg
Jülich-Klevischer Erbfolgestreit endete für Brandenburg mit dem Erwerb von Kleve, Mark und Ravensberg

Der Vertrag von Xanten vom 12. November 1614 führte den Jülich-Klevischen Erbfolgestreit zwischen Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg und Herzog Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg zumindest einer vorläufigen und oberflächlichen Lösung zu und brachte den Hohenzollern das Herzogtum Kleve sowie die Grafschaften Mark und Ravensberg.

Nach der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert nahm die Idee konfessioneller Bündnisbildung feste Formen an und es bildeten sich die beiden deutschen Lager des 1618 ausbrechenden Dreißigjährigen Kriegs. Der Kurpfalz gelang es am 14. Mai 1608, zusammen mit anderen protestantischen Ständen einen auf zehn Jahre befristeten Bund zu gründen: die Protestantische Union. Sie erweiterte sich bald unter anderem um Hessen-Kassel, Brandenburg und Pfalz-Zweibrücken. Bereits am 10. Juli 1609 bildete sich unter Führung von Bayernherzog Maximilian I. die Katholische Liga. Außer Österreich und Salzburg traten ihr fast alle größeren katholischen Reichsstände bei. Bevor die beiden Bünde im Dreißigjährigen Krieg aufeinander stießen, gab der Streit um Kleve ihnen die Chance zum Eingreifen in die Reichspolitik.

In den vereinigten Herzogtümern Jülich-Kleve-Berg regierte seit 1592 als letzter seines Stammes der kinderlose, gemütskranke Johann Wilhelm. Er hatte zu diesem Zeitpunkt keinen Bruder mehr, aber dafür vier Schwestern mit Nachkommen, die sich schon zu seinen Lebzeiten um die Erbfrage stritten, denn seit 1546 gab es ein Privileg Kaiser Karls V., demzufolge das Land ungeteilt bleiben und beim Aussterben des Mannesstammes von den Söhnen der Schwestern Johann Wilhelms geerbt werden sollte. Johann Wilhelms älteste Schwester Marie Leonore, Ehefrau Herzog Albrecht Friedrichs von Preußen, besaß keine Söhne, meinte aber, ihr Erbrecht an ihren Schwiegersohn Johann Sigismund, von 1608 bis 1619 Kurfürst von Brandenburg, übertragen zu dürfen. Marie Leonores älteste Schwester Anna, Gattin von Pfalzgraf Philipp Ludwig von Neuburg, sah ihren ältesten Sohn Wolfgang Wilhelm als Träger ihres Anspruchs. Zusätzlich verkompliziert wurde die Lage dadurch, dass auch Rudolf II., römisch-deutscher Kaiser von 1576 bis 1612, sich einmischte. Er wollte Jülich-Kleve durch Austausch der Lausitz an Sachsen für das Haus Habsburg erwerben. Die Generalstaaten erstrebten eine protestantische, die spanischen Niederlande eine katholische Dynastie. Frankreich wollte mit Hilfe evangelischer Reichsfürsten Habsburgs Einfluss am Niederrhein mindern, Habsburg dagegen seine dortige Stellung ausbauen. Da alle Mächte von Belang eingriffen, versuchten die Erbanwärter, zumindest eine von ihnen für sich zu gewinnen.

Mit Johann Wilhelms Tod am 25. März 1609 erlosch das Her­zogs­haus am Niederrhein und der Erbfall wurde akut. Sofort reagierte Kaiser Rudolf II., indem er die Herzogin an der Regentschaft beteiligte. Kurbrandenburg und das ebenfalls protestantische Pfalz-Neuburg ihrerseits marschierten in das Land ein und einigten sich im Dortmunder Rezess auf eine Gemeinschaftsregierung, die von den Abgesandten beider Seiten, Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm von Neuburg und Markgraf Ernst, dem Bruder des Kurfürsten von Brandenburg, auszuüben sei. Gegen dieses Vorgehen der „Possidierenden“ – so nannten sich Kurbrandenburg und Pfalz-Neuburg – bezog Rudolf II. Stellung, indem er verkünden ließ, Jülich-Kleve-Berg befinde sich nun unter seiner provisorischen Administration. Er bildete eine kommissarische Regierung und erklärte den Dortmunder Rezess für nichtig. Doch seinen Befehl, das Land zu räumen, befolgten die „Possidierenden“ nicht. Johann Sigismund trat jetzt der Union bei, die ihm Hilfe zusicherte, wenn Frankreichs König Heinrich IV. das auch tat.

Der nutzte gleich die Chance und drohte den Habsburgern Krieg an, falls diese den „Übergang der niederrheinischen Lande an einen Freund Frankreichs“ verhindern wollten. Heinrich IV. verbündete sich als Katholik im Februar 1610 mit der Protestantischen Union zum Zweck der Unterstützung der „Possidierenden“ und im April 1610 auch mit Savoyen zur Bekriegung der habsburgisch regierten Spanier in Italien und in den Spanischen Niederlanden. Da auch Jakob I. von England und die Generalstaaten Truppen sandten, standen im Sommer 1610 ganze 30000 Soldaten vor der Festung Jülich. Nach deren Fall wollten Heinrich IV. und die „Possidierenden“ in die Spanischen Niederlande einrücken.

Der streitbare Heinrich IV. war gerade dabei loszuschlagen, als er in Paris am 14. Mai 1610 von dem den Jesuiten nahe stehenden Fran­çois Ravaillac ermordet wurde. Maria de’ Medici, welche die Regentschaft für den unmündigen Ludwig XIII. übernahm, versuchte, den Konflikt mit Spanien zu entschärfen, und berief einen Teil ihres Heeres zurück. Um dem endgültigen Entzug der französischen Hilfe zuvorzukommen, begannen die „Possidierenden“ am 1. August 1610 mit der Belagerung Jülichs, das sich für die Partei des Kaisers Rudolf entschieden hatte. Einen Monat später ergaben sich die Belagerten.

Doch bald kamen die „Possidierenden“ gar nicht mehr miteinander aus, da jeder das Erbe für sich allein erstrebte. Da traten 1613 fast gleichzeitig Brandenburgs Kurfürst Johann Sigismund zum Calvinismus und Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm zum Katholizismus über. Spanien, der Kaiser und die Liga nahmen Partei für den Neuburger, die Generalstaaten für den Brandenburger. Ein neuer Kampf drohte: Im August 1614 marschierten ein spanisches und ein niederländisches Heer aufeinander los.

Bei der Stadt Rees am unteren Niederrhein kam es zur Begegnung. Da jedoch beide Seiten am Fortbestand des 1609 geschlossenen Waffenstillstandes im 1568 begonnenen spanisch-niederländischen Achtzigjährigen Krieg interessiert waren und England wie Frankreich vermittelnd eingriffen, gab es Verhandlungen. Die Vermittler zwangen die Konfliktparteien Brandenburg und Neuburg zu einer Verständigung. Der Vertrag von Xanten vom 12. November 1614 sprach jeder Seite die Hälfte des Landes zu. Erhielt der Pfalzgraf Jülich und Berg, so bekam der Kurfürst Kleve, Mark und Ravensberg mit der Herrschaft Ravenstein. Die Neuburger Regierung sollte in Düsseldorf sitzen und die Kontrolle über Jülich-Berg ausüben. Dagegen sollte Brandenburg seine Gebiete am Niederrhein von Kleve aus verwalten. Zudem sollten sich alle fremden Truppen aus dem Land zurückziehen – was nie geschah. Dazu wurde mit der Verwaltungsteilung die Basis für die endgültige territoriale Trennung von Brandenburg und Neuburg geschaffen.

Obwohl noch für Jahrzehnte ein lokaler Kleinkrieg zwischen den neuen Landesherren ablief, fand mit dem Vertrag von Xanten 1614 der Konflikt um Kleve im Wesentlichen sein Ende. Er war ein Vorspiel zum Dreißigjährigen Krieg, dessen grundlegende Mächtekonstellation – Spanien, Österreich und die Katholische Liga gegen die Niederlande, Frankreich und die deutschen Protestanten – schon erkennbar wurde. Auch hatte sich gezeigt, wie rasch ausländische Mächte bei deutschen Konflikten das Reich zur Bühne ihrer Interessenkämpfe machten. Der Ausgang des Jülich-Klevischen Erbstreits war aber auch deshalb wichtig, da Brandenburg, das ab 1618 mit dem Herzogtum Preußen in Personalunion vereint war, seitdem über die ganze Breite Norddeutschlands ausgriff und dort langfristig zur Vormacht wurde. Mario Kandil


Im Graben der Blick ins Unendliche
Mitten im Krieg: Vor 100 Jahren fand ein Soldat in der Nähe von Posen das Teilstück eines Riesenmeteoriten

Vor 5000 Jahren schuf der sogenannte Meteorit von Morasko bei seinem Einschlag ein Feld mit acht Kratern. Diese gehören zu den rund 60 Impaktstrukturen, die bisher auf europäischem Boden lokalisiert werden konnten.

Am 11. November 1914 startete der Oberbefehlshaber der gesamten deutschen Streitkräfte im Osten, Generaloberst Paul von Hindenburg (1847–1934), eine Offensive gegen die russischen Linien in Mittelpolen, die nach folgend in der Schlacht um Łódz gipfelte, in der die 9. deutsche Armee auf die 2. und 5. russische Armee traf. In diesem Zusammenhang wurden im Hinterland der 9. Armee diverse Geschützstellungen ausgehoben, um für etwaige Gegenangriffe gewappnet zu sein. So auch in dem kleinen Dorf Morasko, das rund zehn Kilometer nördlich der preußischen Provinzhauptstadt Posen lag. Einer der Ausführenden dort war der promovierte Unteroffizier Franz Cobliner, über dessen Biografie leider nichts Näheres in Erfahrung zu bringen ist. Auf jeden Fall aber dürfte es sich um einen naturwissenschaftlich gebildeten Menschen gehandelt haben, denn Cobliner reagierte höchst professionell, als ihm am 12. November folgendes passierte:

„Bei Schanzarbeiten fand ich heute im gewachsenen Boden (Kies) ungefähr einen halben Meter unter der Erdoberfläche einen Metallklumpen von 75 Kilogramm Gewicht. Der Klumpen ist bis auf eine ganz kleine Ecke, die abgebrochen wurde und in meinem Besitze ist, völlig unbeschädigt.“

Für den Unteroffizier war sofort klar, dass das merkwürdige Objekt kosmischen Ursprungs sein musste, deshalb ließ er den Brocken mit einem entsprechenden Begleitschreiben ins Kaiser-Fried­rich-Museum von Posen transportieren. Darüber hinaus schickte Cobliner das erwähnte Fragment zur chemischen Analyse nach Berlin, das seine Annahme eindeutig bestätigte: Bei einem Anteil von 92 Prozent Eisen, sieben Prozent Nickel und Spuren von Germanium, Gallium und Iridium konnte es sich tatsächlich nur um einen Meteoriten handeln.

Trotzdem geriet der Fund von Morasko in der Folgezeit in Vergessenheit – bis 1954. In jenem Jahr begann der polnische Geologe Ernest Jerzy Grzymała Pokrzywnicki (1892–1974) damit, nach weiteren Meteoritentrümmern in der Region zu forschen, wofür er sogar Soldaten mit Minensuchgeräten einspannte. Und diese lokalisierten in der Folge wirklich noch etliche Stücke, darunter eines, das 92 Kilogramm wog. Außerdem brachte Pokrzywnicki nun erstmals auch die acht elliptischen wassergefüllten Vertiefungen bei Morasko, die einen Durchmesser von 15 bis 100 Metern aufweisen, mit dem Meteoritenfund in Verbindung: Für ihn handelte es sich hierbei um Einschlagkrater, die infolge des Aufpralls weiterer größerer Teile des kosmischen Sendboten entstanden waren. Und tatsächlich gelang Honorata Korpikiewicz von der Universität Posen 1978 die Bestätigung dieser These: Sie entdeckte im Boden der Senken rund um Morasko mikros­kopisch kleine Tröpfchen aus Nickeleisen, die durch Abschmelzung von den Hauptmassen entstanden sein müssen. Des Weiteren gelang 2006 noch der Fund eines 164 Kilogramm schweren Brockens, womit das Gesamtgewicht aller Teilstücke des Morasko-Meteoriten aktuell bei rund einer halben Tonne liegt.

Aus den vorliegenden Belegen lässt sich nun folgender Ablauf der Ereignisse rekonstruieren: Vor rund 5000 Jahren raste ein ziemlich großes kosmisches Geschoss mit 11000 bis 18000 Kilometern pro Stunde auf die Region um Posen zu. Allerdings verglühte es aufgrund seiner Masse und Geschwindigkeit beim Eintritt in die Erdatmosphäre fast völlig. Übrig blieb nur ein rund 200 Tonnen schweres Reststück, das seinerseits kurz über dem Boden zerplatzte, wonach die einzelnen Trümmer in der Umgebung von Morasko niedergingen. Dabei müssen sie immer noch Zerstörungskräfte entwickelt haben, die der von 0,2 Kilotonnen TNT-Sprengstoff beziehungsweise einer kleineren taktischen Kernwaffe entsprachen. Außerdem steht zu vermuten, dass abgesplitterte Teile noch ein ganzes Stück weiter nach Westen flogen, denn die Eisenmeteoriten, die 1847 und 1854 bei Seeläsgen im preußischen Landkreis Züllichau-Schwiebus und Tabarz in Thüringen gefunden wurden, weisen eine sehr große Ähnlichkeit mit dem Morasko-Meteoriten auf, was die chemische Zusammensetzung betrifft. Wolfgang Kaufmann


Jeder Familie ihr Eigenheim

Der am 13. November 1914 in Schöneborn bei Marienheide geborene sogenannte Vater des sozialen Wohnungsbaus Paul Lücke wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Sein Vater war Steinbruchmeister und auch sein Arbeitsplatz wurde nach Volks- und Berufsschule der Steinbruch. Seine Weltanschauung war nichtsdestoweniger bürgerlich. Für Lücke, der mit nicht weniger als 13 Geschwistern aufwuchs, war die Familie die Keimzelle des Staates. Umso wichtiger war ihm das familiengerechte Heim.

Auch der Atheismus des Marxismus war Lücke fremd. Er war Katholik in einer mehrheitlich protestantisch geprägten Heimat und wie bei vielen Angehörige der Diaspora war ihm der Glaube wichtig. Bei den katholischen Pfadfindern übernahm er schnell Verantwortung. Er wurde Deka­nats­ju­gend­füh­rer und Bezirksleiter der katholischen Jugendbewegung im Aggertal.

Wenn sein Berufsleben auch im Steinbruch anfing, so endete es doch nicht dort. Nach einer Schlosserlehre eröffnete ihm die Wehrmacht, bei der er 1935 seinen Wehrdienst ableistete, ganz neue Möglichkeiten. Sie schickte ihn auf eine Höhere Technische Lehranstalt nach Berlin zum Maschineningenieurstudium. Als Student lernte er in der größten Stadt des Reiches nicht nur das Großstadtleben, sondern auch die Mietskasernen kennen und fürchten – eine Erfahrung die sein politisches Leben als Woh­nungsbaupolitiker in Nachkriegsdeutschland prägte.

Vorher leistete Lücke jedoch Kriegsdienst. IToulouse kostete ihn ein Sabotageakt der Résistance 1944 ein Bein. Schon kurz nach dem Kriegsende wurde der Kriegsversehrte aus der Kriegsgefangenschaft entlassen und in seiner Heimat Kommunalbeamter. Er engagierte sich in der Kommunalpolitik wie der katholischen Laienbewegung und wurde Mitglied der CDU.

Für diese kandidierte er in seiner Heimat und wurde 1949 erstmals in den Bundestag gewählt. Dort profilierte er sich schnell als Wohnungsbaupolitiker. Er wurde erst Mitglied im Ausschuss für Wiederaufbau und Wohnungsbau, dann dessen Vorsitzender und schließlich 1957 in der von Konrad Adenauer geführten Bundesregierung für diesen Bereich zuständig. Abgeschreckt von den Mietskasernen in Berlin, geprägt von der Vorstellung der Familie als Keimzelle des Staates und in der Absicht, „aus besitzlosen Proletariern verantwortungsbewusste Staatsbürger“ zu machen, strebte er das familiengerechte Eigenheim statt Massenunterkünften als Lösung der Wohnungsnot an. Der Staat sollte bei der Eigentumsbildung finanzielle Hilfestellung leisten.

Nach der Bundestagswahl 1965 wechselte Lücke ins Innenministerium. Neben der Notstandsgesetzgebung gehörte die Einführung eines die Volksparteien begünstigenden Mehrheitswahlrechts zu Lückes ambitioniertesten Projekten. Obwohl selber Volkspartei, schob der sozialdemokratische Koalitionspartner der Union jedoch 1968 auf seinem Parteitag in Nürnberg die Wahlrechtsreform auf die lange Bank. Unmittelbar darauf trat Lücke, für den das Mehrheitswahlrecht zu den Lehren aus Weimar zählte, zutiefst enttäuscht zurück.

Lücke blieb bis 1972 im Bundestag und widmete sich beruflich in der Wirtschaft seinem Leib und Magenthema: dem Wohnungsbau. Am 10. August 1976 starb der sechsfache Vater in einem Erlanger Krankenhaus. Manuel Ruoff


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Tödliches Ende eines Helfers

Zu: Akt der Versöhnung (Nr. 42)

In der Meldung wird über den Fund einer Leiche in der Nähe von Heiligenbeil berichtet, bei der sich ein Metallabzeichen mit der Inschrift „Zollgrenzschutz Königsberg“ befand. Der Mann starb vermutlich 1945. Mit einiger Wahrscheinlichkeit handelt es sich dabei um einen Angehörigen der Gruppe der Zollbeamten in ihren typischen grünen Uniformen, deren Auftrag es nun war, täglich morgens den gangbaren und von Bombenlöchern freien Weg auf dem Eis des Frischen Haffes für die Flüchtlingstrecks zur Frischen Nehrung mit Tannenreisern zu kennzeichnen. Diese Beamten sorgten zusammen mit Männern des Volkssturms auch für die Auffahrt vom Ufer auf das Eis durch den Bau von Behelfsbrücken, da das Eis am Uferrand zerbrochen war.

Mit unserem langgemachten Leiterwagen, bespannt mit drei Pferden, der von allem schwereren Gepäck vor der Auffahrt auf das Eis zur Mitnahme von Fußgängern entladen werden musste, bin ich als 13-Jähriger mit meiner Mutter, Großmutter und zwei Geschwistern sowie zwei polnischen Fremdarbeitern am 14. Februar 1945 von Deutsch-Bahnau bei Heiligenbeil aus über das Haff gefahren. Das Wetter war am Vormittag diesig und es herrschte ein leichtes Schneegeriesel. Das feste Eis war mit einer etwa fünf bis zehn Zentimeter tiefen Wasserschicht bedeckt, die oben leicht gefroren war, so dass man eventuelle Löcher nicht erkennen konnte. Bei diesem Wetter erreichten wir die Nehrung ohne Angriffe der sowjetischen Luftwaffe.

Joachim Rudat, Moorrege

 

 

Ein »Aufmarsch für alle Fälle«

Zum Leserbrief: Deutschlands vorbildliche Rolle in Europa wurde verhindert (Nr. 42)

In der Darstellung eines Lesers im Leserforum der PAZ wird die Drohung Hitlers gegenüber Polen, notfalls zur Gewalt zu greifen, unterschlagen. Es ist durchaus so, dass die polnische Mobilmachung im August 1939 eine Reaktion auf die Drohungen der Reichsregierung war. Außerdem hatten die Polen das Schicksal der restlichen Tschechei im Auge, welche von Hitler im März 1939 zum „freiwilligen Beitritt“ gezwungen wurde.

Man kann daher sagen, dass der Aufmarsch der polnischen Armeen an den Grenzen zu Deutschland ein „Aufmarsch für alle Fälle“ war. Der von polnischer Seite angekündigte Vorstoß auf Berlin war nur in Verbindung mit einem Angriff Frankreichs und Britanniens denkbar. Aber dieser Angriff sollte gemäß Beistandserklärung erst dann kommen, wenn Deutschland angriff.

Damit liegt, Provokation hin oder her, die Kriegsschuld eindeutig bei Deutschland unter Hitler. Das sagt der Leser so nicht, behauptet aber, Hitler habe von vornherein aus rassischen und energie- sowie ernährungswirtschaftlichen Gründen Polen und die Sowjetunion angreifen wollen.

Für diese zeitgeistgerechte Behauptung gibt es keinen Beleg. Aber es gibt Gegenbelege. So hat Hitler in der Berliner Konferenz, welche Detailfragen der Aufteilung der Tschechoslowakei regelte, die polnischen Gebietsforderungen zu 100 Prozent erfüllt. Warum hätte er es sonst tun sollen, außer in der Hoffnung nach Rück­gabe abgetrennter deutscher Gebiete?

Jürgen Kunz, Buchen

 

 

Ehrliche Quote!

Zu: Polemik statt Argumente (Nr. 43)

Richtig, es „ging und geht … in der ganzen Frauenquoten-Debatte nie um Argumente“ – sonst hätte jemand den Rechenfehler erkannt, dessen Aufdeckung dem politischen Kampf zuungunsten an sachlichen Erfordernissen orientierter unternehmerischer Verantwortung unaufwendig die heiße Luft entsteht. Lediglich Realitätsfähigkeit ist dazu vonnöten. Stattdessen wird dogmatisch im Abstrakten gefochten und eine winzige Frauenklientel bedient beziehungsweise Männern vorgezogen. Wenn überhaupt Quote, dann bitte ehrlich! Das heißt aber, mit einem realistischen Blick. Nur ein Bruchteil tatsächlich in Betracht kommender Frauen steht einer unvergleichlich höheren Anzahl Männern gegenüber. Und es gibt beachtliche weitere widersprechende Aspekte.

Gudrun Schlüter, Münster

 

 

Keine Unschuldslämmer

Zum Leserbrief: Deutschlands vorbildliche Rolle in Europa wurde verhindert (Nr. 42)

Der Leserbrief-Autor betrachtet „die von Frankreich als Schmach erlittene und an Rache denkende Niederlage von 1870/71 … und die Wegnahme Elsass-Lothringens“ als eine verständliche Ursache für den Hass Frankreichs auf Deutschland. Er erwähnt aber nicht, dass Napoleon III. diesen Krieg mutwillig angezettelt hat und danach mit Elsass-Lothringen ein urdeutsches Gebiet verlor, welches der französische König aufgrund seiner militärischen Überlegenheit vorher den Deutschen entrissen hatte.

Vom „kaiserlichen Hobby der überproportionalen Flottenrüstung“ kann ebenfalls keine Rede sein. Deutschland plante eine Flotte, die nur ein Drittel der englischen betragen würde, aber ausreichend gewesen wäre, die Übergriffe der englischen Flotte auf die deutsche Fischerei zu unterbinden. Die kriegstreiberische Rolle Serbiens und Russlands, aber auch Frankreichs für den Ersten Weltkrieg steht heute außer Frage sowie die Tatsache, dass der deutsche Kaiser versuchte, den Krieg zu verhindern.

Für den Zweiten Weltkrieg gilt, dass Polen schon lange plante, seine Westgrenze weit in das deutsche Land hinein zu verschieben. Was sich Polen nach dem Ersten Weltkrieg gegen die verbliebenen Deutschen im Korridor erlaubte, aber auch in den deutschen Grenzgebieten, hätte keine Nation geduldet (so zum Beispiel angezündete deutsche Gehöfte, Grenzüberfälle oder Beschuss von Zügen zwischen dem Reich und Ostpreußen mit über 500 Todesopfern). Das alles führte zum Exodus von zirka einer Million Deutschen. Und etwa 57000 Juden suchten damals im Reich Schutz.

Brigitte Bean-Keiffenheim, Frankfurt

 

 

Der Westen führt Verleumdungskampagne gegen Ungarn

Zu: Heuchler, Netzwerker, Stichwortgeber (Nr. 42)

Endlich eine wahre und mutige Stimme über Ungarn in den deutschen Medien! Ich kann dem Autor und der PAZ dazu nur gratulieren.

Ich verfolge schon die seit der Wahl Viktor Orbáns zum Ministerpräsidenten Ungarns schlagartig einsetzende, offensichtlich zentral abgesprochene, beispiellose Lügen- und Verleumdungskampagne der deutschen Medien gegen das Land. Diese „kritische“ Kampagne zum angeblichen Schutz von Freiheit und Demokratie hat aber objektiv und real nicht den geringsten Grund und auch nicht die geringste Basis.

Nachdem die links-liberale Opposition beim ungarischen Wähler schon lange überhaupt nicht ankommt, versuchen die sie finanzierenden und anleitenden ausländischen Hintergrundgruppen (Norwegen-Fonds, Soros- Fondation und so weiter) aus abseitigen Grüppchen und dem Abschaum der Großstadt eine Pseudo-Opposition (sogenannte „Zivilgesellschaft“) zu organisieren. Und das unter krasser Missachtung der nationalen Souveränität und der demokratischen Selbstbestimmung durch Wahlen. Es sind die gleichen Kräfte, die schon über vier Jahre lang in den westlichen Medien eine beispiellose Lügen- Verleumdungs- und Hetz-Kampagne gegen Ungarn führen lassen. Das ist für sie die hochgelobte westlich-liberale Meinungs- und Medien-Freiheit.

Welch ein Zufall, dass gerade jetzt eine „Empörung“ in den westlichen Medien hochgespielt wird, da in Ungarn an Gerichten die Richter am laufenden Band ausländische Banken, die mit unanständigen Wohnungskrediten zirka 1,5 Millionen Familien in den Ruin trieben, schuldig sprechen, und diesen ergaunerten Profit an die Geschädigten zu­rück­zahlen lassen.

Orbáns „Schuld“ ist, dass er offen wirkliche Politik für die Menschen und das Volk macht und keine bloß oberflächliche, wirkungslose Show-, Schein- und Tarnpolitik im Dienste von Banken und Konzernen aufführt. Das links- und neoliberale Imperium will eben keine bessere Alternative zulassen und hochkommen lassen.

Was die jüngsten Ereignisse in Ungarn betrifft: Die geplante Internetsteuer soll natürlich, im Gegensatz zu den vielen Falsch­meldungen in der deutschen Presse, nicht von den Nutzern erhoben werden, sondern von den Anbietern, und hat überhaupt nichts mit einer angeblichen „Einschränkung der Meinungsfreiheit“ zu tun. Warum soll nicht, wie jedes Gewerbe und Dienstleistung, auch das Internet besteuert werde? Es sei denn, man vertritt die Interessen der amerikanischen Großanbieter gegen die Interessen der anderen Staaten und Völker.

Bei der mit den obigen Mitteln organisierten und aufgepeitschten Demonstration der Fehlinformierten und Irregeleiteten, die in zerstörerische Gewalttaten gegen die Fidesz-Zentrale mündete (darunter sechs polizeiliche Festnahmen), die von den deutschen Medien verschwiegen wurden, war auch der Geschäftsträger der Botschaft der Vereinigten Staaten in Ungarn, André Goodfriend, mittendrin, der sich schon mit mehreren verleumderischen Äußerungen über Orbáns Politik, natürlich ohne jeden Beleg, hervorgetan hat, aber angeblich nur als „Beobachter“.

Franz A. Sandor, Feldafing

 

 

Guten Appetit!

Zu: Moment mal (Nr. 44)

Die Kolumne von Klaus Rainer Röhl auf der Kommentarseite der PAZ lese ich jedes Mal gern, erstens, weil der Verfasser oft seine eigenen Erlebnisse und Erfahrungen hineinbringt, was die Themen auflockert. Zweitens, weil Röhl Mitglied im „Verein Deutsche Sprache“ ist wie übrigens auch ich. Und drittens, weil er sich als Westpreuße zu erkennen gibt. Denn wie hieß es bei uns Nachbarn in Ostpreußen?: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, es muss auch was ,jeschmurjelt‘ sein.“ Dann einen guten Appetit auf die nächsten Spirkel, Herr Röhl!

Dorothea Blankenagel, Duisburg

 

 

Migration als Form des Dschihad

Zu: Heuchelei entlarvt (Nr. 41)

Seit Monaten erleben wir Flüchtlingsströme über das Mittelmeer. Schlepperbanden machen Horrorgewinne mit maroden Booten. Nur Europa ist das Ziel, und hier vor allem Deutschland. Die Vielzahl von Problemen, die sich während der Flucht und insbesondere nach der Landung ergeben, liegen auf der Hand: ein fremdes Land, eine fremde Sprache, eine fremde Kultur, ein ungewohntes Klima und zumeist eine fremde Religion.

Nun erfahre ich vom Bundesamt für Migration („Das Bundesamt in Zahlen 2013“), dass 64,9 Prozent der Asylbewerber Muslime sind. Ich möchte zunächst ganz deutlich sagen, dass in einem christlich geprägten Europa die Religion oder Weltanschauung kein Grund für die Aufnahme oder Ablehnung von Asylbewerbern sein darf. Ich erlaube mir jedoch aus der angegebenen Prozentzahl mehrere Fragen.

Erstens: Warum nehmen die reichen Ölländer wie Saudi-Arabien nicht ihre aus anderen Ländern geflohenen Glaubensschwester und -brüder auf?

Zweitens: Dürfen etwa an den Küsten von Saudi-Arabien und Katar sowie der Vereinigten Arabischen Emirate marode Boote mit muslimischen Flüchtlingen nicht landen?

Drittens: Rettet die Küstenwache dieser Länder muslimische Flüchtlinge vor dem Ertrinken, oder hat die jeweilige Regierung den Schlepperbanden signalisiert, ihre Boote über das Mittelmeer nach Europa zu steuern?

Viertens: Wäre nicht die arabische Sprache sowie die gemeinsame Kultur und Religion die beste Voraussetzung für eine Integration muslimischer Flüchtlinge in arabische Staaten?

Ich höre bereits, wie ich als Fremdenfeind beschimpft werde oder als Islamhasser und Opfer der Islamophobie. Das macht mich traurig, aber es sollte mich nicht stören. Vielmehr bitte ich den nachdenklichen und auch kritischen Leser zu überlegen, ob nicht Europas Diplomaten das Thema muslimischer Flüchtlinge mit ihren Kollegen aus reichen islamischen Ölländern diskutieren sollten. Für mich liegt es auf der Hand, dass eine gemeinsame Kultur und eine Verständigung in einer gemeinsamen Sprache sowie eine gemeinsame Religion die Integration in islamische Länder eher erleichtert als in nichtmuslimische Zufluchtsländer. War übrigens der „Kampf der Kulturen“ nur ein Buchtitel oder möglicherweise nicht auch eine furchtbare Vision?

In diesem Zusammenhang kommt mir wiederum der aus Damaskus stammende Politikwissenschaftler Bassam Tibi in Erinnerung, der in seinem Buch „Der Wahre Imam“ auf eine Tagung in Kairo im Juli 1993 hinweist. Dort hatte die islamische Liga ein Arbeitspapier verabschiedet, wonach die Migration nach Europa und der Aufbau islamischer Zentren als Mittel der Islamisierung Europas gesehen werden müssen. Nach der Auffassung von Bassam Tibi ist die Migration eine Form des Dschihad, welchem die Forderung nach eigenen Institutionen folge.

Wilfried Puhl-Schmidt, Kehl

 

 

Eine vergessene Frauenstimme

Zu: Männer ohne Lobby (Nr. 40)

Es war höchst lobenswert von der PAZ, dass sie eine ganze Seite mit Männern und Vereinen gefüllt hat, die sich seit Jahrzehnten gegen Männerdiskriminierung stellen und für eine wirkliche Gleichberechtigung von Mann und Frau eintreten und kämpfen.

Leider wurde eine wichtige Frau vergessen: Luise Mandau, die mit ihrem Sachbuch „Die Frauenfalle. Wenn gute Mädchen böse werden“ hinsichtlich physischer und psychischer Gewalt von Frauen nicht nur die Politik der Heuchelei und des Verschweigens anprangert, sondern geradezu ein „Warnbuch“ für alle Männer, die heiraten wollen, geschrieben hat.

Man erfährt alles Wesentliche über „geldgierige Frauen und deren krampfhafte Suche nach der Versorgungsehe“, über Frauen, die mit verstecktem Sadismus Männer impotent machen, über die „Reform des Scheidungsgesetzes und den abgezockten Mann“, über „die geschiedene Frau als Doppelverdienerin und der Mann an der Armutsgrenze“, über „entsorgte Väter – ohne Recht am eigenen Kind“, über „Formen der Frauengewalt: die Entwertung des Kindes und die Abwertung des Mannes“, über „Überforderung von Mann und Kind als Gewaltform“, über „die gewalttätige Frau in Gesellschaft und Öffentlichkeit“, über „Frauengewalt in Konzentrationslagern“, über „Kindesmissbrauch durch Mütter“, über „Frauen als Mittäterinnen bei der Kinderpornografie“, über „die Mär der ‚sanften‘ Täterin“, über „die Mutter als Herrscherin – die Erwartungen der narzisstischen Mutter an das Kind“ und dergleichen mehr.

Angeregt wurde die Autorin durch eine Studie des Bundesministeriums für Familie, die besagt, dass der Anteil der Frauen an Gewalt gegen Kinder größer sei als der der Männer. Und eine Gewaltstudie über Frauen und Männer, durchgeführt 1994 durch den bekannten Kriminologen Christian Pfeiffer, scheint so brisant zu sein, dass die Regierung sie bis heute noch unter Verschluss hält. Noch Fragen?

Peter Alexander, Berlin

 

 

Kreuz der Linken

Zu: Kruzifixe müssen weg (Nr. 41)

Warum nur fühlt sich der frühere Linken-Politiker Gilbert Kallenborn als Jude durch das christliche Kreuz diskriminiert? Der 9. November 1989 sollte auch Kallenborn die Augen geöffnet haben, warum und wodurch die Mauer gefallen war. Für die Christen ist das Kreuz ein Zeichen der Erlösung. Das müsste auch Kallenborn bekannt sein. Oder hat er Angst, diesen biblischen Aussagen zu begegnen?

Elisabeth Klotz, Bad Salzuflen


S. 13 Das Ostpreußenblatt

»Alter Turm« soll Fanmeile weichen
Trotz ungeklärter Finanzierung: Königsberg bereitet sich auf Fußballweltmeisterschaft 2018 vor

Das in die Jahre gekommene Handelszentrum „Alter Turm“, das sich dort befindet, wo einst das Königsberger Schloss stand, soll noch vor dem Wintereinbruch abgerissen werden. Die Fläche will die Stadt für eine Fanmeile für die Fußballweltmeisterschaft freihalten. Ein Vorhaben, das nicht unumstritten ist.

Der Handelskomplex „Alter Turm“, der unmittelbar vor seinem Abriss steht, war vor 20 Jahren das erste Einkaufszentrum mitten in Königsberg, das unmittelbar nach dem Zerfall der Sowjetunion entstand. Es handelt sich um eine aneinandergereihte Gruppe sogenannter Pavillons, die dort aufgestellt wurden, wo einst das Königsberger Schloss stand. Der „Alte Turm“ steht als Symbol für den Beginn des freien Unternehmertums Anfang der 90er Jahre im Königsberger Gebiet. Heute wirkt der Komplex allerdings primitiv im Vergleich zu den modernen Handelszentren, die es inzwischen überall in der Stadt gibt.

Der Geschäfskomplex „Alter Turm“ war von Anfang an als vorübergehende Einrichtung geplant. Deshalb hatte die Stadt das Gelände nur verpachtet, ohne den Ladeneigentümern die Möglichkeit eines späteren Erwerbs einzuräumen. Die Händler mussten ihre Pavillons auf eigene Kosten aufstellen lassen. Laut Vertrag mit der Stadt sollte der Komplex zunächst für sieben Jahre bestehen. Nach Ablauf dieser Frist geschah jedoch nichts, die Händler blieben. Dann wurde der Pachtvertrab bis zum Jahr 2008 verlängert. Danach wollte die Stadt den Vertrag nicht noch einmal verlängern. Seitdem ist die Rechtslage unklar, die Ladeninhaber zahlten keinen Pachtzins mehr. Diese Phase endete plötzlich, als die Unternehmer 2013 Räumungsbefehle erhielten. Ein Teil der Unternehmer folgte der Aufforderung, ein anderer weigerte sich, seine Läden aufzugeben.

Die Ladeninhaber wehrten sich mit gegen Bürgermeister Alexander Jaroschuk persönlich gerichteten Plakataktionen und kamen auf die Idee, die orthodoxe Kirche vor ihren Karren zu spannen. Plan war, in dem Handelskomplex eine orthodoxe Kapelle einzurichten, um das Einkaufszentrum vor dem Abriss zu schützen. Die Kirche willigte zunächst ein, doch nachdem es der Stadtverwaltung gelungen war, die Vertreter der orthodoxen Kirche von ihrem Vorhaben abzubringen, ging Jaroschuk in die Offensive. Schon zuvor, als bekannt geworden war, dass die Unternehmer eine kirchliche Einrichtung im Einkaufszentrum eröffnen wollten, kündigte der Bürgermeister sein Einschreiten an. Er sagte, falls die Händler auf die Idee kommen sollten, eine Synagoge, eine Moschee oder eine katholische Kirche dort einrichten zu wollen, so werde er mit sämtlichen Vertretern dieser Konfessionen persönlich sprechen und sie bitten, davon abzusehen.

Seine unerschütterliche Haltung begründete Jaroschuk damit, dass der Pachtvertrag ja bereits 2008 ausgelaufen sei. Dennoch habe die Stadt den Pächtern drei Jahre Zeit gelassen, um mit ihren Pavillons umzuziehen. Pächter und Verwaltung hätten sich damals darauf geeinigt, dass die Stadt die Pavillons für einen symbolischen Preis von 1000 Rubel (knapp zwei Euro) kaufen und sie auf Kosten der Stadt abreißen lassen werde.

Bis Anfang dieses Jahres hatte aber nur ein Teil der Pächter zugestimmt, seine Pavillons zu diesen Bedingungen zu verkaufen, die anderen forderten eine realistische Entschädigung. Daraufhin hat die Stadt Klage eingereicht, mit dem Ziel, die ausstehenden Pachtzahlungen rückwirkend ab 2008 einzutreiben.

Die Stadtverwaltung will noch vor dem Wintereinbruch das Grundstück des Einkaufszentrums „Alter Turm“ vollständig planieren lassen. Für die Abriss­ar­beiten wurden umgerechnet 229000 Euro veranschlagt. Da diese Mittel im städtischen Haushalt fehlen und die Pächter sich weigern, ihre Pavillons auf eigene Kosten abreißen zu lassen, warb die Stadt um Spenden. Drei Organisationen erklärten sich bereit, einzuspringen. Eine davon wird den Abriss und die Planierung des Geländes übernehmen.

An diesem Platz soll eine Fanmeile für die bevorstehende Fußballweltmeisterschaft 2018 entstehen. Allerdings sind es bis dahin noch vier Jahre, und da noch nicht klar ist, ob die Mittel für den Bau des dafür benötigten neuen Stadions reichen, ist der Eifer, mit dem die Stadt die Säuberung des Geländes des „Alten Turms“ betreibt, in der Bevölkerung umstritten und wirft viele Fragen auf.

Jurij Tschernyschew


Leo von Caprivis Grab soll restauriert werden
Die Gemeinde will für alle notwendigen Arbeiten und das Preußeninstitut für die Finanzierung sorgen

Nahe von Crossen an der Oder [Krosno Odrzanskie] in Ostbrandenburg befindet sich völlig zerstört die letzte Ruhestätte Leo von Caprivis, des Nachfolgers Otto von Bismarcks als deutscher Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident. Die Deutsche Minderheit, die Gemeinde Crossen und das Institut zur Förderung der preußischen Staatsauffassung sowie des deutschen Geschichts- und Kulturbewusstseins, kurz Preußeninstitut, wollen das Grab nun wieder würdig herrichten.

Noch Mitte der 70er Jahre war neben dem verschwundenen Gutsschloss Skyren [Skórzyn] bei Messow [Maszewo] unweit der Oder die Steinpyramide mit einem zwei Meter hohen Marmorkreuz als Grabstein des deutschen Kanzlers Leo von Caprivi erhalten. 40 Jahre später stapfen Bolesław Gustav Bernaczek, der Vorsitzende der Deutschen Minderheit in der Woiwodschaft Lebus, der Denkmalschutzbeauftragte der deutschen Volksgruppe Bruno Kosak, Messows Gemeindevorsteher Dariusz Jarocinski und Olaf Tams vom Preußeninstitut über den Familienfriedhof derer von Schierstaedt sowie verschwägerter Angehöriger derer von Seydlitz-Kurzbach. Letzte Relikte des Grabes sind die Reste der Steinpyramide, auf denen eher zufällig gerade ein verrostetes Metallkreuz eines anderen Grabes liegt.

1899 hatte hier unter anderem General Hans von Plessen als Vertreter des deutschen Kaisers der Beerdigung des zweiten deutschen Kanzlers beigewohnt. Georg Leo von Caprivi de Caprera de Montecuccoli hatte von 1890 bis 1894 amtiert. Und anders als Bismarck kann man bei Caprivi kaum Vorbehalte gegen-über den polnischsprachigen Untertanen Preußens konstatieren.

Gemeindevorsteher Jarocinski ist daher auch offen für eine Herrichtung des Grabes durch eine Umzäunung des Geländes und eine neue zweisprachige Grabplatte. Der landschaftlich reizvolle Landstrich an der Straße von Frankfurt an der Oder nach Grünberg in Schlesien [Zielona Góra] im östlichen Teil der Mark Brandenburg könnte eine Touristenattraktion mehr als gut gebrauchen. Jarocinski zeigt den Gästen zunächst jedoch die Kirche von Messow. Bei Renovierungsarbeiten stieß man auf alte Malereien aus dem Spätmittelalter, welche die Arbeiten nun erheblich verteuern dürften. Doch das nötige Kleingeld für eine Instandsetzung des Caprivi-Grabes verspricht ohnehin Olaf Tams aus Hamburg als Vertreter des Preußeninstituts aus Spenden beizusteuern. Dennoch will sich Jarocinski nicht der Verantwortung entziehen. Für alle notwendigen Arbeiten werde die Gemeinde sorgen, verspricht er. Noch am Tage des gemeinsamen Grabbesuches, dem vorletzten Mittwoch, sprach Bernaczek beim Marschall in Grünberg vor. Auch dort findet das Anliegen Gefallen. Der Spruch auf Caprivis Grab begann übrigens einst mit den Worten: „Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet.“

Till Scholtz-Knobloch


MELDUNGEN

Auf Ebola vorbereitet

Königsberg – Ein mit Ebola infizierter Fluggast wird auf dem Flughafen Powunden [Chrabrowo] vom Sicherheitspersonal abgefangen und sofort werden Quarantänemaßnahmen eingeleitet. Zum Glück war das nur das Szenario einer groß angelegten Übung, an der sich Ärzte, medizinisches Hilfspersonal und Rettungskräfte beteiligt haben. Wie die Gebietsregierung mitteilte, wurden Ärzte und ihre Mitarbeiter von Fachleuten des Katastrophenschutzes über die Art und Entstehung des Virus unterrichtet, dessen schnelle Ausbreitung in einigen afrikanischen Ländern erörtert sowie die Möglichkeit des Ausbruchs dieser Krankheit im Königsberger Gebiet besprochen. Dabei wurde festgestellt, dass das Virus aufgrund des Standards und der Lebensgewohnheiten im Gebiet kaum vorkommen dürfte und nur durch Einschleppen überhaupt dorthin gelangen könne. Ziel der Übung war es, auf genau diesen Fall vorbereitet zu sein. Deshalb mussten die Teilnehmer spezielle Schutzanzüge tragen und wurden vom ersten Kontakt bis hin zur Materialsicherung für die Analyse in Moskauer Speziallaboratorien geschult. MRK

 

Endlich wieder richtig geheizt

Zimmerbude – Der Minister für kommunale Wirtschaft und Energie des Königsberger Gebiets hat ein neues Heizkraftwerk zur Nutzung frei gegeben, das nun die ganze Stadt mit Wärme versorgt. Im Sommer hatte es im Ort nicht einmal heißes Wasser gegeben, weil das neue Heizkraftwerk noch nicht vollständig in Betrieb gehen konnte. Die Bürger dürfen sich über Preisnachlässe für Heizkosten freuen, da der neue Kessel mit günstigem Gas betrieben wird, während das veraltete Kraftwerk mit Öl betrieben wurde. Daneben wird auch der angeschlagene Haushalt Zimmerbudes entlastet werden. MRK

 

Störungen des Verkehrs

Allenstein – Straße Nr. S7g: Verkehrsknoten Elbing Ost [Elblag Wschód] – Güldenboden [Bogaczewo], Baustelle. Straße Nr. 16: Bergfriede [Samborowo] – Wirwajdy, Baustelle; Dietrichswalde [Gietrzwałd], Erneuerungsarbeiten an der Brücke; Barranowen [Baranowo], Erneuerung der Straße; Nikolaiken [Mikołajki], Baustelle. Straße Nr. 57: Gallingen [Galiny], Baustelle. Straße Nr. 58: Kurken [Kurki], Brückenbau, einspurig; Alt Keykuth [Stare Kiejkuty] – Marxöwen [Marksewo], Baustelle; Alt Kelbonken [Stare Kiełbonki] – Sgonn [Zgon], Baustelle. Straße Nr. 59: Trossen [Tros] – Wiesenthal [Bachorza], Baustelle. Straße Nr. 65: Przytullen [Przytuły] – Lyck [Ełk], Baustelle; Prostken [Prostki] – Bogusze, Baustelle. PAZ


S. 14 Ostpreussische Familie

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

schon im September tauchten die ersten Weih­nachtsmänner in den Regalen der Supermärkte auf, und wir fanden wie in jedem Jahr, dass das viel zu früh sei. Eine Spannung auf das schönste aller Feste, wie wir Älteren sie als Kinder kannten, wenn die ersten Weih­nachtsmotive in der Zeitung auftauchten – zumeist war es ein Tannenzweig mit einem brennenden Licht – konnte erst gar nicht aufkommen. „Also abwarten!“, sagten wir und rückten für uns den Kalender wieder zurecht. Aber nun müssen wir doch unseren Vorsatz brechen und das Thema Weih­nachten auf den Tisch bringen, denn es geht hier nicht um Dominosteine oder Marzipanherzen, sondern um eine Dokumentation, für die unsere Leserinnen und Leser wieder einmal als Zeitzeugen gefragt sind. Auslöser war dieses Schreiben, das uns Frau Viola Kleppe aus Rösrath übermittelte:

„Dieses Jahr Weih­nachten ist es 70 Jahre her, dass die Ostpreußen zum letzten Mal ihr Weih­nachtsfest in der Heimat gefeiert haben. Mein Vater stammt aus Königsberg und erzählt gerne, wie er das letzte Weih­nachtsfest vor der Flucht in Erinnerung hat. Es wurde noch einmal richtig gefeiert wie in Friedenszeiten. Aus diesem Anlass hatte ich die Idee, einen Aufruf zu starten und noch andere Heimatvertriebene zu bitten, von ihrem letzten Weih­nachtsfest zu Hause zu erzählen. Ich wollte fragen, ob sie daran interessiert wären, so einen Aufruf über Ihre Internetseite zu machen und – falls ich genügend Geschichten zusammen bekommen würde – ob sie diese auch veröffentlichen würden. Natürlich anonym, es sei denn die Autoren wollten es anders.“

Wir zeigten uns interessiert, zumal sich Frau Viola Kleppe nicht nur als Tochter eines Königsbergers damit beschäftigt, sondern weil sie auch beruflich mit unserer Heimat verbunden ist. Sie hat in Bonn Geschichte studiert und ihre Masterarbeit über Ostpreußen geschrieben. Deshalb interessiert sie das Thema auch aus wissenschaftlich-historischen Gründen. Und wir fühlen uns berufen, alles, was der authentischen Dokumentation unserer Heimat gilt, zu unterstützen, und binden uns mit der Ostpreußischen Familie in diese Aktion mit ein. So veröffentlichen wir heute diesen von Viola Kleppe formulierten Aufruf an unsere Landsleute:

„Wo haben Sie vor 70 Jahren Weih­nachten in der alten Heimat gefeiert? Zum Jubiläum plane ich eine Sammlung von authentischen Erinnerungen. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir Ihre Erinnerungen – kurz oder lang – schicken würden. Alles bleibt anonym. Zuschriften bitte an: Viola Kleppe M.A., Im Weidenthal 42 in 51503 Rösrath oder online an Weihn­achtenvor70Jahren@web.de“.

Soweit die kurz und knapp gehaltene Aufforderung an unsere Leser, sich an dieser Dokumentation zu beteiligen. Wir werden während der nächsten Wochen mit Viola Kleppe in Verbindung bleiben, denn wir wollen mit den Erinnerungen unserer Landsleute auch die Weih­nachtsseite der Ostpreußischen Familie gestalten. In jedem von uns hat sich dieses letzte Weih­nachtsfest in der Heimat fest in die Erinnerung eingegraben. Nicht für jeden wurde es eine Feier wie zu Friedenszeiten, wie sie Frau Kleppes Vater in Erinnerung hat. Königsberg war durch die Fliegerangriffe in Schutt und Asche gelegt worden, die Ausgebombten waren in noch heil gebliebenen Wohnungen untergebracht, man rückte eng zusammen. Viele waren im Rahmen der Evakuierung in den Dörfern des Umlandes untergebracht worden. Im Norden Ostpreußens hatten die ersten Trecks schon im Oktober begonnen, als der Russe die ostpreußische Grenze überschritten hatte. Die Flüchtlinge waren mit Pferd und Wagen auf ihrem Weg nach Westen in den Dörfern und in den noch bewohnten Höfen untergekommen, andere hausten in Notquartieren. Noch ahnte niemand, dass wenige Wochen später der große Durchbruch der Russen erfolgen würde. So sollte es vor allem für die Kinder ein friedliches Weih­nachten werden mit den bescheidenen Gaben, die man irgendwo ergattert hatte. Und die sorgsam gehüteten Einmachgläser wurden aus dem Keller geholt, die verborgenen Vorräte geplündert, die letzte Flasche Wein geöffnet, als ahnte man doch unbewusst, dass bald die große Not beginnen würde. Ich weiß es noch genau, bei uns war es ein Weckglas mit gekochtem Lachs, das zu unserem „Festmahl“ beitrug – das allerletzte mit Schweinefleisch nahmen wir dann vier Wochen später mit auf die Flucht. Aber das ahnten wir ja am Heiligen Abend nicht, als wie gewohnt die alten Weih­nachtslieder gesungen wurden. Vielleicht ermuntert diese kleine Erinnerung doch so manchen Leser, auch seine Erinnerungen aufzuschreiben. Aber nicht zu lange damit warten – Weih­nachten kommt schneller, als man denkt!

Herr Heinrich Liedemann aus Leuna hat lange geschwankt, ob er sich an uns wenden soll, und das kann man auch verstehen, wenn man seine Lebensgeschichte liest, die er uns nach reiflicher Überlegung überließ. Denn wenn man erst im Alter von fast 70 Jahren erfährt, dass man nicht der leibliche Sohn des Mannes ist, dessen Namen man ein Leben lang getragen hat, dann ist das schon ein Schock. Warum ihm seine heute 81-jährige Schwester dies erst jetzt mitteilte, bleibt wohl deren Geheimnis, vielleicht wollte sie nicht mit dem Wissen um die wahre Herkunft ihres Bruders ihrem Lebensende entgegen sehen. Hinzu kommt auch, dass die Familie, wie ich seinem Schreiben entnehme, erst nach der Wiedervereinigung zusammenfand. „Damals hätten meine Mutter und meine Schwester mir die Wahrheit über meine Herkunft sagen sollen“, schreibt Herr Liedemann. Aber was ist Wahrheit? Es gibt keinerlei belegbare Hinweise, dass sein richtiger Vater jener Pionier war, der bei seiner Mutter Maria Liedemann geborene Beckmann von Oktober 1944 bis zur Flucht der Familie in Heiligenhain, Kreis Labiau Quartier bezogen hatte. Die Schwester beruft sich auf die Ähnlichkeit, die ihr Bruder mit diesem Mann habe, an den sie sich noch gut erinnern könne, weil er der Mutter und ihren beiden Kindern rechtzeitig zur Flucht verhalf. Er würde nicht nur wie dieser Pionier aussehen, sondern auch seinen Charakter haben und genau wie er gehen. Aber die Schwester war ja damals auch noch ein Kind, das wohl kaum den Charakter eines fremden Mannes erkennen konnte. Wie auch immer: Heinrich Liedemann sucht diesen damals 30-jährigen Mann, der als Fahrer bei den Pionieren auf dem sogenannten Nachschubposten, Brückenbau, im Kreis Labiau eingesetzt war. Allzu große Hoffnung kann ich ihm leider nicht machen, weil sein vermeintlicher Vater Österreicher gewesen sein soll und auch der Nachname nicht einwandfrei genannt wird, an den Vornamen kann sich die Schwester überhaupt nicht erinnern. Es fehlt auch jeder Hinweis auf einen Herkunftsort in Österreich und auf die Familie des Betreffenden. Bekannt ist lediglich der Name seines damaligen Kameraden, er hieß König und sollte aus Brandenburg stammen.

Es wäre schon ein Erfolg, wenn sich ehemalige Heiligenhainer melden würden, die etwas über die Familie Liedemann sagen könnten und vielleicht auch noch Erinnerungen an die damalige Einquartierung besitzen. Frau Marias Ehemann soll zu der Zeit als Wehrmachtangehöriger in Frankreich gewesen sein. Heinrich Willi Liedemann wurde nach der Flucht am 9. August 1945 in Kühnitzsch, Kreis Wurzen geboren. Der heute 69-Jährige erkennt selber, dass die Angaben sehr vage sind, und hofft trotzdem, dass wir ihm helfen können. „Ich wäre überglücklich, wenn Sie Angaben zu meinem leiblichen Vater machen könnten oder Angehörige finden würden“, beendet Herr Liedemann sein Anliegen, und vielleicht tat es ihm einfach gut, einmal über diese heikle Angelegenheit sprechen zu können, der wir gerne diesen Platz auf unserer Familienseite gegeben haben. Der Nachname des Gesuchten, wie ihn die ältere Schwester in Erinnerung hat, ist über Herrn Liedemann zu erfragen, (Heinrich Liedemann, Zweimen 32 in 06237 Leuna/OT Zweimen, Telefon 049/034638/21651, E-Mail: mlh.liedemann@t-online.de)

Das Foto, das wir heute bringen, zeigt ein noch sommerliches Bild, und es war auch Mitte August, als die Aufnahme im hinterpommerschen Schimmerwitz-Wald gemacht wurde. Dort lebt auf dem Lindenhof unser ehemaliger Ostpreußenblatt-Kollege Horst Zander mit seiner Frau Lydia in deren Elternhaus im Kreis Lauenburg. Sie sind beide in ihre Pommernheimat zurückgekehrt, haben wieder Wurzeln geschlagen und sind glücklich. Davon konnten wir schon in mehreren Beiträgen auf unserer Familienseite berichten, die großen Anklang fanden und dem Ehepaar Zander alte und neue Freunde brachten. Zu beiden gehört die weibliche Vierer-Gruppe, die auf dem Foto mit Horst Zander zu sehen ist, denn die neben ihm stehende Dame ist Rautgunde Masuch, einstige Buchhalterin der LO-Bundesgeschäftsstelle in Hamburg, daneben ihre Schwester Frigga, die uns Foto und Bericht übersandte. Auch die den Flaggenzipfel haltende Gisela Rinas, gebürtig im Kreis Mohrungen, war einmal in der Kulturabteilung der LO tätig, sie wohnt heute in Genf. Gisela Artischewski war die Fahrerin des Quartetts, das auf der Rückreise von einem polnischen Kurort nahe bei Thorn, wo Frigga Masuch seit 14 Jahren kurt, auf dem Lindenhof in Schimmerwitz Halt machte. Schon lange hatten die Schwestern Masuch einen Besuch bei Lydia und Horst Zander vorgehabt, denn die Berichte in der PAZ über die in ihre ferne Heimat Zurückgekehrten hatten sie aufmerksam und vor allem neugierig gemacht. Nun setzten sie ihren Plan in die Tat um, und die Vier waren freudig überrascht von der Blumenpracht und den vielen Obstbäumen auf dem weiten, welligen Grundstück und der dort herrschenden unbeschreiblichen Stille. Sie genossen die Stullen mit Kaninchenschmalz – anscheinend eine Spezialität von Lydia – und die herrlich frischen Augustäpfel direkt vom Baum. Und das alles geschah unter der Pommernfahne, so wurde der Begriff „Heimat“ auch sichtbar in dieser wunderschönen Landschaft nahe der ehemaligen Grenze zu Westpreußen. Der als Kurzaufenthalt geplante Besuch dauerte länger als geplant, denn alte und neue Zeiten mussten abgearbeitet werden, und der Abschied fiel schwer. Im September waren dann Lydia und Horst Zander in Hamburg zu Besuch und sie erzählten so viel von den Erfolgen, aber auch von den Unwegsamkeiten, die das Leben dort im letzten Zipfel Hinterpommerns bietet. Es ist noch viel zu tun an Haus und Hof, alles war verkommen, als Lydia ihr elterliches Grundstück zurück erwarb. Darüber werden uns Lydia und Horst wieder zum Jahresende berichten. Übrigens hier noch einmal die Adresse von dem Ehepaar, nach der immer wieder gefragt wird: Horst und Lydia Zander, Pieski 49, PL-84-313 Siemirowice/Pomorze, Telefon 0160/97924837 beziehungsweise 0049/160/97924637.

Eure Ruth Geede


Warum nur ging ich damals nach Nemmersdorf?
Eine Frage, die sich die Insterburgerin Ursula Zabil ein Leben lang stellte

Vor sechs Jahren bekam ich eine Biografie übersandt, die von der Autorin mit der Widmung versehen war: „Zum Lesen und zum Nachdenken.“ Sie fesselte mich sehr, denn in diesem „Von Insterburg nach Brünn“ betitelten kleinen Buch schildert Ursula Zabil ihre Erlebnisse als junge Frau in den Wirren der letzten Kriegstage und der Nachkriegszeit, die sie in einem tschechischen Lager in Brünn verbrachte, das an Härte den russischen Gefangenenlagern nicht nachstand. Ein kurzes Kapitel hat mich besonders berührt: Die in Insterburg geborene sowie 1944 auch dort wohnende und arbeitende Ostpreußin besuchte Nemmersdorf, kurz nach dem ersten Russeneinfall, völlig ohne Ahnung von den Gräueltaten, die dort geschehen waren. Ich konnte diesen Zeitzeugenbericht damals nicht bringen, weil für die Ostpreußische Familie nur wenig Platz zur Verfügung stand. Aber jetzt haben wir ja unsere Familienseite, und der Zeitpunkt für eine Veröffentlichung ist gegeben, denn es sind nun 70 Jahre her, da dies geschah:

Ursula Zabil, damals 18-jährig und bereits mit einem Sudetendeutschen verheiratet, der im Oktober 1944 als an der Ostfront vermisst gemeldet wurde, war in Insterburg als Wehrmachtangestellte beim Standortkommando tätig. Dort erschien an einem nasskalten Herbsttag ein Hauptmann in ihrem Dienstzimmer, der aus Nemmersdorf stammte und in dem unweit von Insterburg gelegenen Kirchdorf ein Bekleidungsgeschäft besaß. Er sagte zu Ursula und ihrer fröstelnden Kollegin, sie könnten sich aus seinem Laden alles holen, was sie bräuchren und tragen könnten, ein älterer Angestellter sei noch da. Von den Gräueltaten, die von den Russen in Nemmersdorf begangen wurden, wussten die Frauen zu dem Zeitpunkt noch nichts. Ursula Zabil und ihre Kollegin beschlossen, den Fußmarsch in das 13 Kilometer entfernte Nemmersdorf zu wagen. Und so marschierten sie am nächsten Sonnabend bei Eisregen und Schneematsch los.

„Wir kamen nur sehr langsam voran, es war so, als wollte uns die Natur mit aller Gewalt zurückhalten. Ich kann es immer noch nicht begreifen, warum ich die Strapazen auf mich genommen habe, warum wir überhaupt nach Nemmersdorf gegangen sind. Ein ausschlaggebender Grund war wohl der, dass wir nichts Vernünftiges mehr zum Anziehen hatten. Dann erblickten wir das Straßenschild mit dem Namen Nemmersdorf. Wir gingen nun durch einen leeren Ort. Überall herrschte Totenstille. Weit und breit begegneten wir keinem Menschen. Nicht einmal das Bellen eines Hundes war zu hören. Keine Frau trat aus einem der Häuser, um einkaufen zu gehen, schließlich war es doch Sonnabend. Kein Kind kam an der Hand seines Vaters den kleinen Bürgersteig entlang. Plötzlich sagte meine Kollegin: ,Das ist ja, als ob die Pest hier gewütet hätte!‘ Da war es mit meiner Beherrschung vorbei, mir erschien alles so geisterhaft. Von irgendwo hörte man die Einschläge der Artillerie, die Front konnte nicht weit von Nemmersdorf entfernt sein. Ich dachte, um des Himmels Willen, was machst du eigentlich hier?

Wir versuchten, irgendeinen Menschen zu finden, öffneten die Tür zu einem Haus, riefen ,Hallo‘ – aber nichts rührte sich. Hier musste etwas Unerwartetes geschehen sein. Etwas Unheimliches nahm meinem Kopf die Gedanken und die Fähigkeit, meine Sinne auf irgendeinen Punkt zu konzentrieren. Dann sah ich meine Kollegin auf der anderen Straßenseite stehen, sie hatte das Geschäft gefunden. Wir gingen in den Laden und oh Wunder: ein kleiner grauhaariger Mann kam uns entgegen und sagte: ,Bitte sehen Sie sich um, Sie dürfen alles mitnehmen!‘ Er versuchte mir zuzulächeln, aber es gelang ihm nicht. Der Mann sah aus, als hätte er nächtelang nicht geschlafen. Ich brauchte ein paar feste Schuhe, denn die ich anhatte, waren total nass. Da ich Größe 34 habe, gab der Mann mir ein Paar Kinderstiefel mit den Worten: ,Die werden Sie noch ganz lange und noch sehr weit tragen!‘ Er hat Recht gehabt, immer, wenn ich später die Schnürsenkel durch die Oesen zog, habe ich an ihn gedacht. Ich habe nicht gewagt, den alten Herrn zu fragen, was in Nemmersdorf geschehen war!“

Diese Antwort gaben ihr nach dem schnellen Verlassen des Geisterortes deutsche Soldaten, als sie die Frauen auf der Straße stehen sahen. Sie kamen mit einem Lastwagen, der mit alten Maschinenteilen beladen war. Ursula und ihre Kollegin hatten sich in einem alten Wartehäuschen versteckt, als sie das Motorengeräusch hörten – es hätten ja die Russen sein können. Ursula Zabil schreibt:

„Die Soldaten fragten entsetzt: ,Um Himmelswillen, wo kommt ihr denn her? Steigt ganz schnell ein!‘ Wir quetschten uns zwischen die Soldaten, ein Älterer, der mich hineingezogen hatte, schirmte mich so ab, dass ich nicht bei der Fahrt durch holprigen Schnee, Eis und Tauwasser gegen die Tür geschleudert wurde. Dann sagte er plötzlich: ,Mädchen, wenn Du meine Tochter wärst und hättest so etwas gemacht, ich hätte Dir den Hintern versohlt, dass Du drei Tage nicht hättest sitzen können. Die Russen waren doch nach Nemmersdorf durchgebrochen Sie waren dann mordend durch das Dorf gezogen. Sogar die Franzosen haben sie erschossen, die auf ihrer Seite kämpften. Die ganze Bevölkerung wurde auf grausamste Weise umgebracht. Der Russe steht immer noch vor Nemmersdorf. Wir wissen nicht, ob wir ihn ein zweites Mal aufhalten können. Und ihr geht dann so einfach nach Nemmersdorf einkaufen!‘“

Über diesen Leichtsinn hat Ursula Zabil noch lange nachgedacht. Natürlich spielten die Unkenntnis über die ständig wechselnde Lage, fehlende oder falsche Informationen, aber auch die Unbekümmertheit der Jugend eine Rolle. Jedenfalls hat sie Nemmersdorf nie vergessen und ihre Erinnerungen spät, aber noch rechtzeitig zu Papier gebracht. Ich versuchte, sie unter der mir im Juni 2008 mitgeteilten Telefonnummer in Walsrode zu erreichen, leider vergeblich. Sollte sie diesen Ausschnitt aus ihrer Biographie „Von Insterburg nach Brünn“ (ISBN 978-3-00-024198-7) lesen, wird sie wohl überrascht sein. Vielleicht meldet sich auch ihre Tochter Heide, der sie das Büchlein gewidmet hat. R.G.


S. 15 Glückwünsche

Wir gratulieren

ZUM 101. GEBURTSTAG

Messerschmitt, Gerda, aus Danzig, am 3. November

ZUM 99. GEBURTSTAG

Gawrisch, Kurt, aus Dreifelde, Kreis Johannisburg, am 13. Oktober

ZUM 97. GEBURTSTAG

Dastik, Naemi, geb. Gundermann, aus Ebenrode, am 14. November

Engelke, Liesbeth, geb. Lösch, aus Neumühl, Kreis Wehlau, am 10. November

Koch, Leni, geb. Warniak, aus Sarken, Kreis Lyck, am 8. November

Rilk, Heinz, aus Königsdorf, Kreis Mohrungen, am 14. November

ZUM 96. GEBURTSTAG

Binsch, sen., Hans aus Willenberg, Kreis Ortelsburg, am 8. November

ZUM 95. GEBURTSTAG

Barenthin, Erika, geb. Przyborowski, aus Treuburg, am 10. November

Bubritzki, Elisabeth, geb. Schramma, aus Schnippen, Kreis Lyck, am 7. November

ZUM 94. GEBURTSTAG

Hess, Gerda, geb. Rehaag, aus Balga, Kreis Heiligenbeil, am 12. November

Kudies, Edith, geb. Ratz, aus Reuß, Kreis Treuburg, und aus Waldwerder, Kreis Lyck, am 10. November

Mett, Franz, aus Baringen, Kreis Ebenrode, am 11. November

Niederstraßer, Fritz, aus Kassuben, Kreis Ebenrode, am 9. November

Olbrisch, Marie, aus Friedrichshof, Kreis Ortelsburg, am 9. November

Sonnendeck, Friedel, geb. Paulin, aus Rauschen, Kreis Samland, am 13. November

ZUM 93. GEBURTSTAG

Bellier de Launay, Ingeborg, geb. Marquardt, aus Treuburg, am 11. November

Bratka, Heinz, aus Seehag, Kreis Neidenburg, am 11. November

Dinnups, Alfred, aus Rohren, Kreis Ebenrode, am 12. November

Kummetz, Ruth, aus Erlen, Kreis Elchniederung, am 13. November

Marzischewski, Grete, aus Schönhorst, Kreis Lyck, am 11. November

Nowatzki, Marta, geb. Gardinowski, aus Langheide, Kreis Lyck, am 12. November

Schindler, Frida, geb. Lemke, aus Kondehnen, Kreis Samland, am 11. November

Sterzik, Ida, geb. Klesz, aus Moithienen, Kreis Ortelsburg, am 8. November

Stutz, Hildegard, geb. Gugat, aus Argemünde, Kreis Elchniederung, am 12. November

Toplarski, Hildegard, geb. Skowronek, aus Lyck, Yorkstraße 16, am 8. November

Weinert, Edith, geb. Nischk, aus Lyck, am 11. November

ZUM 92. GEBURTSTAG

Janssen, Christel, geb. Szeimies, aus Inse, Kreis Elchniederung, am 14. November

Piechotka, Gertrud, aus Fließdorf, Kreis Lyck, 10. November

Rabe, Gertrud, geb. Myska, aus Neuendorf, Kreis Treuburg, am 13. November

ZUM 91. GEBURTSTAG

Bahl, Hildegard, aus Kaspersguth, Kreis Ortelsburg, am 9. November

Bauer, Gerda, geb. Wilkeneit, aus Ringlacken, Kreis Wehlau, am 14. November

Buchner, Walter, aus Rodefeld, Kreis Ortelsburg, am 8. November

Grassat, Walter, aus Nassawen, Kreis Ebenrode, am 13. November

Köck, Gerhard, aus Widitten, Kreis Samland, 13. November

Kugland, Kurt, aus Pregelswalde, Kreis Wehlau, 10. November

Pahl, Erika, geb. Drummer, aus Prostken, Kreis Lyck, am 10. November

Riechey, Hella, geb. Ragozat, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 9. November

Wiencek, Elli, geb. Saszig, aus Kobulten, Kreis Ortelsburg, am 13. November

Wilk, Christel, geb. Rudolph, aus Lyck, Memeler Weg 15, am 10. November

Wojazek, Lucie, geb. Jonat, aus Stadtfelde, Kreis Ebenrode, am 8. November

Wortmann, Hildegard, geb. Althoff, aus Keipern, Kreis Lyck, am 12. November

Wuttke, Ilse, geb. Koschul, aus Kiefernheide, Kreis Lyck, am 10. November

ZUM 90. GEBURTSTAG

Burzlaff, Gertrud, geb. Scheffler, aus Schwadtken, Kreis Preußisch Eylau, am 4. November

Bogò, Ruth, geb. Schröder, aus Germau, Kreis Samland, am 9. November

Bollnow, Lisa, geb. Nuckel, aus Germau, Kreis Samland, am 12. November

Diehr, Gerda, geb. Rudorf, aus Ostseebad Cranz, Kreis Samland, am 11. November

Dorra, Walter, aus Kannwiesen, Kreis Ortelsburg, am 9. November

Faerber, Martha, geb. Siebert, aus Hanffen, Kreis Lötzen, am 11. November

Faust, Renate, geb. Spirgatis, aus Rastenburg, Kirchenstraße 13, am 14. November

Jackisch, Heinz, aus Königsberg, am 1. November

Kairis, Hildegard, geb. Brix, aus Rauschenwalde, am 8. November

Kraft, Otto, aus Tannenmühl, Kreis Ebenrode, am 9. November

Krause, Lieselotte, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 14. November

Nowotka, Alice, aus Neidenburg, am 11. November

Oetterer, Ilse, geb. Podlesny, aus Lötzen, am 11. November

Schmidt, Toni, geb. Riemann, aus Altenkirch, Kreis Tilsit-Ragnit, am 9. November

Schneider, Hildegard, geb. Katzinski, aus Rehbruch, Kreis Ortelsburg, am 11. November

Schröder, Martin, aus Sargen, Kreis Heiligenbeil, am 10. November

Zimmel, Martin, aus Rehwalde, Kreis Elchniederung, am 11. November

ZUM 85. GEBURTSTAG

Barthel, Anneliese, geb. Nimzik, aus Treuburg, am 14. November

Blankenhein, Irene, geb. Wosylus, aus Heydekrug, Kreis Wehlau, am 10. November

Buddruss, Gerorg, aus Heinrichswalde, Kreis Elchniederung, am 11. November

Gillert, Margarete, aus Neidenburg, am 9. November

Gleißner, Waltraud, geb. Friese, aus Gardienen, Kreis Neidenburg, am 8. November

Heydemann, Meta, geb. Wochnowski, Kreis Neidenburg, am 14. November

Juschka, Benno, aus Budeweg, Kreis Elchniederung, am 9. November

Löffelholz, Ella, geb. Ott, aus Prostken, Kreis Lyck, am 11. November

Müller-Groeling, Prof. Hubertus, aus Karolinenhof, Kreis Osterode, am 9. November

Otto, Erwin, aus Seefrieden, Kreis Lyck, am 13. November

Raffel, Gisela, geb. Hannemann, aus Hoya/Weser, am 14. November

Reddel, Hedwig, geb. Simon, aus Schanzenort, Kreis Ebenrode, am 13. November

Salis, Marie, geb. Willuda, aus Plötzendorf, Kreis Lyck, am 13. November

Sauerland, Edith, geb. Bloch, aus Wilhelmsthal, Kreis Ortelsburg, am 10. November

Schäfer, Werner, aus Jagsten, Kreis Elchniederung, am 10. November

Seiler, Lothar, aus Bolzfelde, Kreis Elchniederung, am 14. November

Simon, Gerda, geb. Bolz, aus Schakendorf, Kreis Elchniederung, am 12. November

Taruttis, Kurt, aus Skören, Kreis Elchniederung, am 12. November

Werner, Erna, geb. Noetzel, aus Groß Friedrichsdorf, Kreis Elchniederung, 10. November

Wiegand, Ruthild, geb. Gimbott, aus Nickelsdorf, Kreis Wehlau, am 11. November

ZUM 80. GEBURTSTAG

Bartholmei, Gisela, geb. Scholz, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 9. November

Becker, Andreas, aus Aweyden, Kreis Sensburg, am 12. November

Bergatt, Helga, geb. Schadewinkel, aus Allenburg, Kreis Wehlau, am 10. November

Blossat, Walter, aus Ginkelsmittel, Kreis Elchniederung, am 9. November

Borowski, Paul, aus Hügelwalde, Kreis Ortelsburg, am 8. November

Conrad, Erwin, aus Groß Engelau, Kreis Wehlau, am 8. November

Curdt, Edelfriede, geb. Schlenther, aus Argemünde, Kreis Elchniederung, am 11. November

Eichenberger, Alfred, aus Schleusen, Kreis Ebenrode, am 11. November

Grigat, Hubertus, aus Wehlau, am 9. November

Grube, Harry, aus Richau, Kreis Wehlau, am 11. November

Hantke, Gerda, geb. Scherpinski, aus Genslack, Kreis Wehlau, am 8. November

Heßler, Elisabeth, geb. Beeck, aus Groß Hasselberg, Kreis Heiligenbeil, am 9. November

Kapteina, Willy, aus Puppen, Kreis Ortelsburg, am 14. November

Kopka, Manfred, aus Jägersdorf, Kreis Neidenburg, am 12. November

Kröhnke, Manfred, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 8. November

Luszik, Irmgard, geb. Dombrowski, aus Markgrafsfelde, Kreis Treuburg, am 8. November

Merkt, Ruth, geb. Fink, aus Poppendorf, Kreis Wehlau, am 8. November

Murach, Gottfried, aus Weißengrund, Kreis Ortelsburg, am 13. November

Posdziech, Johanna, geb. Artschwager, aus Kloken, Kreis Elchniederung, am 8. November

Riek, Gerhard, aus Schwalgenort, Kreis Treuburg, am 10. November

Schäfer, Werner, aus Buttken, Kreis Treuburg, am 12. November

Schanko, Hartmut, aus Grünheide, Kreis Treuburg, am 13. November

Schramm, Else, geb. Sawatzki, aus Seebrücken, Kreis Lyck, am 9. November

Schusters, Irmgard, geb. Forderung, aus Kraam, Kreis Samland, am 9. November

Siebenhandl, Susanne, geb. Nohle, aus Gauleden, Kreis Wehlau, am 11. November

Thiel, Günter, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 12. November

Wolf, Edith, geb. Sobaka, aus Neuendorf, Kreis Lyck, am 9. November

Wittke, Arno, aus Groß Dirschkeim, Kreis Samland, am 9. November

ZUM 75. GEBURTSTAG

Albers, Werner, aus Birkenmühle, Kreis Ebenrode, am 9. November

Bankonin, Gerhard, aus Reinkental, Kreis Treuburg, am 12. November

Boeuf, Dorothea, aus Königsberg, am 8. November

Eisel, Ingrid, geb. Burbulla, aus Montwitz, Kreis Ortelsburg, am 10. November

Feihl, Lothar, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 11. November

Hannemann, Ilse, geb. Czichowski, aus Großeppingen, Kreis Neidenburg, am 8. November

Jacobs, Erika, geb. Kröhnert, aus Altengilge, Kreis Elchniederung, am 9. November

Jobski, Herfried, aus Seehag, Kreis Neidenburg, am 12. November

Neumann, Günter, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 9. November

Nikolow, Rosemarie, geb. Büchler, aus Wehlau, am 14. November

Petruck, Irmtrut, geb. Merhoff, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 9. November

Reinhard, Maria, geb. Nowotzin, aus Kobulten, Kreis Ortelsburg, am 13. November

Wieschollek, Marie, geb. Buttler, aus Deutschheide, Kreis Ortelsburg, am 9. November


S. 16-18 Heimatarbeit

Landsmannschaftliche Arbeit

BUND JUNGES OSTPREUSSEN

Vorsitzender: Stefan Hein, Gst.: Buchtstr. 4, 22087 Hamburg, Tel.: (040) 4140080, E-Post: kontakt@junge-ostpreussen.de, www.junge-ostpreu­ssen.de.

Freitag, 12. Dezember, ab 19 Uhr, Ostdeutsche Heimatstube, Neustraße 5, 44787 Bochum: Stammtisch des Bundes Junges Ostpreußen. Weitere Informationen: Michael Kobus unter Gruppe-Bochum@Ostpreussen-NRW.de.

Freitag, 4., bis Sonntag, 7. Dezember: Adventstreffen der Ostpreußischen Jugend im ostpreußischen Osterode.

 

BADEN-WÜRTTEMBERG

Vors.: Uta Lüttich, Feuerbacher Weg 108, 70192 Stuttgart, Telefon und Fax (0711) 854093, Geschäftsstelle: Haus der Heimat, Schloßstraße 92, 70176 Stuttgart, Tel. und Fax (0711) 6336980.

Landesgruppe – Mittwoch 26. November, 18 Uhr, Haus der Heimat, Großer Saal, Stuttgart, Schloßstraße 92: Vortrag „Naturkundliche Reiseeindrücke aus Ostpreußen“. Referent: Dr. Hinkelmann, studierter Biologie, der seit 1993 die naturkundlichen Bereiche des Ostpreußischen Landesmuseums betreut. Damit ist er seit über 20 Jahren mit der Natur Ostpreußens und wie sie vom Menschen genutzt wurde und wird, vertraut. Reisen in die Region waren ihm schon lange vor dem Dienstantritt in Lüneburg ein persönliches Anliegen und wurden ihm ab 1993 zu einer geschätzten Pflicht. Unter dem Blickwinkel des „studierten Naturkundlers“ mit einem großen Interesse an der geschichtlichen Entwicklung zwischen Weichsel und Memel gelangen ihm Einblicke, die von kulturhistorischen Reiseschwerpunkten abweichen beziehungsweise diese ergänzen. Im Verlauf der Jahrzehnte sind viele interessante Eindrücke und Einsichten zusammen gekommen, von denen er einige im Bild präsentieren wird.

Die Teilnehmer erwartet ein interessanter Vortrag mit anschließender Diskussion, zu dem Mitglieder, Freunde und Bekannte herzlich eingeladen sind. Der Eintritt ist frei.

Buchen – Sonnabend, 8. November, 14 Uhr, Pfarrscheuer in Hainstadt: Herbstfest mit Schmandhering, Tombola und Musikvortrag. Es wird auch ein Bus eingesetzt. Nähere Auskunft erteilt Rosemarie Winkler Telefon (06281) 8137.

Lahr – Sonntag, 16. November (Volkstrauertag), 14.30 Uhr: Der BdV, Kreisgruppe Lahr, lädt zur Gedenkfeier vor dem Mahnmal auf dem Schutterlindenberg ein.

Ludwigsburg – Mittwoch, 19. November, 15 Uhr, Kronenstuben, Kronenstraße 2: Stammtisch.

Metzingen – Herbstfeier und Erntedankfest – Klopse wie bei Muttern: Die Ortsgruppe trifft sich seit über 60 Jahren im Oktober zum Grützwurstessen, um Erntedank zu feiern. Da der aus Ostpreußen stammende Metzger, der normalerweise die Grützwurst zubereitet, krank war, gab es stattdessen Königsberger Klopse mit Kartoffeln und Salat. Das Essen schmeckte sehr gut: „Wie bei Muttern‘“, lobten mehrere Teilnehmer.

Wie der Vorsitzende Heinz Scheffler sagte, war das Erntedankfest in der überwiegend landwirtschaftlich geprägten Heimat das große Ereignis des Jahres, denn der wirtschaftliche Wohlstand hing überwiegend von den Erträgen der Landwirtschaft ab.

Durch die hervorragenden Böden und das Klima seien in der ehemaligen Kornkammer Deutschlands gute Ernten erzielt worden. So musste auch in großen Familien mit acht bis zehn Kindern niemand hungern oder frieren. Wenn eine gute Ernte eingefahren war, hätten die Menschen den Schweiß und die Sorgen der harten Wochen davor vergessen und fröhlich gefeiert.

Es war ein großes Volksfest, wenn die Ernte abgeschlossen war. Das letzte Fuder, das vom Feld in Hof und Scheune eingefahren war, wurde froh begleitet, gefeiert und festlich empfangen. Es gab Austbier mit Schnaps und Likör, Kaffee und reichlich Essen im Gasthaus, auf der Diele, in Scheunen oder auf den Speichern wurde ausgelassen getanzt.

„Wir haben hier eine gute neue Heimat gefunden“, sagte Scheffler mit Blick auf Metzingen. „Wir wollen uns aber bemühen, die Erinnerung an unsere Heimat nicht sterben zu lassen. Wir müssen versuchen, gewisse Werte im Bewusstsein zu erhalten.“

Danach wurde zur Musik des Alleinunterhalters fröhlich getanzt. Zudem gab es bei einer Tombola viele Preise zu gewinnen. Zu der Veranstaltung waren rund 60 Mitglieder der Landsmannschaft gekommen. Auch konnten Gäste aus den Ortsgruppen Reutlingen und Wendlingen/Nürtingen begrüßt werden. Somit war der Saal vollbesetzt.

Vorausschauend wies der Vorsitzende Scheffler auf die am 7. Dezember stattfindende Weihnachtsfeier hin. Da tanzt die Volkstanzgruppe, es gibt einen Mundart-Sketch, Livemusik sowie Mohn- und Streuselkuchen. Bei der Jahreshauptversammlung am 8. März 2015 werden Filme über die Heimat gezeigt. Am 8. Mai 2015 gedenken die Ostpreußen, Westpreußen und Pommern am Gedenkstein bei der Bonifatius-

kirche des Kriegsendes vor 70 Jahren. Am 9. Mai 2015 feiert die Landsmannschaft ihr 65-jähriges Bestehen.

Reutlingen – Sonnabend, 15. November, 14 Uhr, Zentrum für Ältere, Gustav-Werner-Straße 6a: Herbstfest der Kreisgruppe. Der Vorstand lädt alle Mitglieder und diejenigen, die sich der verlorenen Heimat verbunden fühlen, herzlich ein. Bei Kaffee und Kuchen will die Gruppe den Nachmittag beginnen. Das Programm wird vom Mundharmonika-Club Pfullingen mitgestaltet. Lm. Peter Jermann wird mit einem Lichtbildervortrag erfreuen. Vorträge von Hildegard Zaiss bringen die Teilnehmer in die Heimat zurück. Viele Landsleute aus dem Memelland, der Elchniederung und den weiter östlich liegenden Gebieten mussten vor 70 Jahren, im Oktober/November 1944 für immer die Heimat verlassen. Zum Gedenken an diese Zeit soll das Lied „Weit ist der Weg zurück ins Heimatland“ gesungen werden. – Mittwoch, 19. November, 14 Uhr, Gasthaus Edelweiß, Siekenhäuser Straße (zu erreichen vom ZOB, Stadtmitte, mit der Buslinie 9): Treffen der Frauengruppe unter Leitung der neuen Gruppenleiterin Erika Manzau-Schmidt. Um zahlreiches Erscheinen wird gebeten. – Sonnabend, 22. November, 14 Uhr, Gedenkstein Friedhof Römerstraße: Feierstunde zum Gedenken der Gefallenen beider Weltkriege sowie aller Toten weltweit. Um rege Teilnahme wird gebeten. Mit dem Treffen will die Gruppe, deren Mitglieder vor 70 Jahren die Heimat und viele Angehörige verloren, bekunden, dass Ostpreußen lebt. Anschließend Treffen im Gasthaus Edelweiß nahe des Friedhofs zur Kaffeetafel.

Stuttgart – Sontag, 16 November, 11.30 Uhr, Friedhof, Zuffenhausen: Totengedenken mit allen Landsmannschaften und Kranzniederlegung. Um zahlreiches Erscheinen wird gebeten.

Weinheim/Bergstraße – Mittwoch, 12. November, 14.30 Uhr, Café Wolf: Treffen der Frauengruppe. An diesem heimatlichen Nachmittag wird die Gruppe des bekannten und beliebten Schriftstellers Siegfried Lenz gedenken, der am 17. März 1926 in Lyck/Masuren geboren wurde und am 7. Oktober im Alter von 88 Jahren verstarb. Unter anderem werden einige Geschichten aus dem humorvollen Buch „So zärtlich war Suleyken“ vorgelesen.

 

BAYERN

Vorsitzender: Friedrich-Wilhelm Böld, Telefon (0821) 517826, Fax (0821) 3451425, Heilig-Grab-Gasse 3, 86150 Augsburg, E-Mail: info@low-bayern.de, Internet: www. low-bayern.de.

Landesgruppe – Sonntag 9. November, 15 Uhr, Redoutensaal Erlangen: Tag der Heimat. Ein buntes Kaleidoskop von Tanz und Musik, Gesang und Akrobatik, Pop, Musicals und mehrstimmigen Gesang im Stil der Comedian Harmonists verspricht der diesjährige Tag der Heimat zu werden. Die Eghalanda Stubn-Musi der Familie Lippert aus Herzogenaurach ist ebenso dabei wie die Akrobaten des Tanz- und Folkloreensembles Ihna und die Lüttendanzdeel mit pommerschen Volkstänzen. Den Begriff Heimat in allen Facetten behandeln die Jugendlichen der RPJ Musicschool mit Pop- und Musicalmelodien. Absoluter Höhepunkt des Nachmittags ist jedoch das Konzert der Stadl Harmonists, der ältesten „Boygroup“ Frankens, wie sie sich selber scherzhaft nennen. Im Stile der Comedian Harmonists, einem international bekannten Berliner Vokalensemble der Jahre 1927 bis 1935, interpretieren sie so bekannte Lieder wie „Wochenend und Sonnenschein“, „Veronika, der Lenz ist da“ und „Mein kleiner grüner Kaktus“. Der Eintritt ist frei.

Es können kostenfrei Sitzplätze reserviert werden. Einzeln, aber auch tischweise. Jeder Tisch hat zehn Sitzplätze. Telefonisch und schriftlich bei: Eike Haenel Amselstraße 17, 91475 Lonnerstadt-Ailsbach, Telefon (09193) 5083201, Eike@ihna.de. Altmühlfranken – Freitag, 21. November, 19 Uhr, Gasthof Hotel Krone, Gunzenhausen: Jahreshauptversammlung mit Neuwahlen, anschließend ein „Jahresrückblick mit Bildern“ von Edith Richter. Gemeinsames Königsberger-Klopse-Essen.

Ansbach – Sonnabend, 15. November, 16 Uhr, Orangerie: Gedenken zum Volkstrauertag, anschließend geselliges Beisammensein mit Tilsiter-Käse-Essen.

Bamberg – Mittwoch, 19. November, 15 Uhr, Hotel Wilde Rose: Vortrag Künstlerkolonie in Nidden.

Ingolstadt – Sontag, 16. November, 14.30 Uhr, Gasthaus Bonschab, Münchener Straße 8: Monatliches Heimattreffen.

Landshut –Dienstag, 18. November, 14 Uhr, Insel: Zusammenkunft der Gruppe.

München – Jeden Montag, 17 bis 19 Uhr, Haus des Deutschen Ostens: Ostpreußischer Sängerkreis. Kontakt: Dr. Gerhard Graf, Offenbachstraße 60, 85598 Baldham, Telefon (08106) 4960.

 

BERLIN

Vorsitzender: Rüdiger Jakesch, Geschäftsstelle: Forckenbeck-straße 1, 14199, Berlin, Telefon (030) 2547345, E-Mail: info@bdv-bln.de, Internet: www.ostpreussen-berlin.de. Geschäftszeit: Donnerstag von 14 Uhr bis 16 Uhr Außerhalb der Geschäftszeit: Marianne Becker, Telefon (030) 7712354.

Frauengruppe – Mittwoch, 12. November, 13.30 Uhr, Pflegestützpunkt, Wilhelmstraße 115, 10963 Berlin: Totenehrung. Anfragen bei Marianne Becker, Telefon (030) 7712354.

Rastenburg – Sonntag, 9. November, 15 Uhr, Restaurant Stammhaus, Rohrdamm 24B, 13629 Berlin. Anfragen bei Martina Sontag, Telefon (033232) 188826.

Königsberg /Samland/Labiau – Freitag, 14. November, 14 Uhr, Johann-Georg-Stuben, Johann-Georg-Straße 10, 10709 Belrin: Treffen der Gruppe. Informationen bei Prof. Wolfgang Schulz, Telefon (030) 2515995.

Heilsberg/Rößel – Sonnabend, 29. November, 15 Uhr, Seniorenfreizeitstätte im Maria Rimkus Haus, Gallwitzallee 53, 12249 Berlin: Nikolausfeier. Anfragen für Heilsberg bitte bei Benno Boese, Telefon (030) 7215570, für Rößel bitte bei Ernst Michutta, Telefon (05624) 6600.

 

BREMEN

Vorsitzender: Helmut Gutzeit, Telefon (0421) 25 09 29, Fax (0421) 25 01 88, Hodenberger Straße 39 b, 28355 Bremen. Stellvertrende Vorsitzende: Marita Jachens-Paul, Ratiborer Straße 48, 27578 Bremerhaven, Telefon (0471) 86176. Landesgeschäftsführer: Jörg Schulz, Am Anjes Moor 4, 27628 Uthlede, Telefon (04296) 74 77 01.

Landesgruppe – Sonntag, 16. November, 11 Uhr, Bremer Ratskeller: Der bekannte und beliebte Schauspieler, Autor und Rezitator Herbert Tennigkeit liest in seiner Muttersprache „Weihnachten in Ostpreußen“, Eintritt 10 Euro, Karten im Vorverkauf im Nordwest-Ticketcenter im Bremer Ratskeller oder an der Tageskasse ab 10.30 Uhr.

Bremen – Freitag, 14. November, 11.45 Uhr, Alter Krug, Rockwinkeler Landstraße 100 (Telefon 426235): Traditionelles Entenessen. Der Preis beträgt 23,95 Euro. Dafür gibt es Hochzeitssuppe, eine halbe Ente, Rot- und Rosenkohl, Salzkartoffeln, Klöße mit Soße. Zu erreichen ist die Gaststätte mit den Linien 33 und 34 Haltestelle „Schevemoorer Landstraße“. Mit der Straßenbahnlinie 4 kann man an den Haltestellen „Horner Kirche“, „Vorstraße“ und „Horner Mühle“ in diese Buslinie umsteigen. Anmeldungen ab sofort, spätestens bis zum 12. November, bei Frau Richter (Telefon 405515) oder in der Geschäftsstelle.

Bremerhaven (Elbing) – Sonntag, 16. November, 11.45 Uhr, Kapelle Geestemünde: VdK-Treffen zum Volkstrauertag. – Freitag, 21. November, 14.30 Uhr, Barlachhaus: Treffen zum Kulturnachmittag.

 

HAMBURG

Erster Vorsitzender: Hartmut Klingbeutel, Kippingstr. 13, 20144 Hamburg, Tel.: (040) 444993, Mobiltelefon (0170) 3102815. 2. Vorsitzender: Manfred Samel, Fried-rich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg, Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

LANDESGRUPPE

Sonnabend, 15. November, 10 bis 17 Uhr, Haus der Heimat, Teilfeld 8, 20459 Hamburg (S1, S2, S3 Haltestelle Stadthausbrücke, U3 Haltestelle Rödingsmarkt, Buslinie 37, Haltestelle Michaeliskirche): Christkindlmarkt des Landesverbandes der Vertriebenendeutschen in Hamburg (L.v.D.). Der Ostpreußenstand ist auch dabei. Für das leibliche Wohl sorgt die Cafeteria.

65 Jahre Landesgruppe Hamburg e.V. – Freitag, 6. Dezember, 11 Uhr (Einlass 10 Uhr), Restaurant Lackemann, Litzowstieg 8, 22041 Hamburg (Wandsbek), Parkplatz Quarree, Parkhaus P2.: Jubiläumsveranstaltung und Vorweihnachtsfeier der Landsmannschaft Ostpreußen. Programm mit dem Ostpreußen-Chor. 12.15 Uhr: Grünkohlmittagessen, 14.30 Uhr: Kaffeepause. Der Veranstaltungsort ist sehr gut zu erreichen mit der U1 und Bussen. Von U1– und Busbahnhof Wandsbek-Markt sind es wenige Gehminuten. Wenn Sie von der Wandsbeker Marktstraße den Durchgang „Hinterm Stern“ zwischen Quarree und Hotel Tiefenthal durchgegangen sind, sehen Sie bereits das Restaurant Lackemann. Auskunft und Organisation: Kulturreferat, Siegfried Grawitter, Telefon (040) 205784.

KREISGRUPPE

Insterburg – Die Gruppe trifft sich jeden 1. Mittwoch im Monat (außer Januar und Juli) mit Liedern und kulturellem Programm um 12 Uhr, Hotel Zum Zeppelin, Frohmestraße 123–125. Kontakt: Manfred Samel, Friedrich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg. Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

Sensburg – Sonnabend, 8. November, 14 Uhr, Café Prinzess, Alsterdorfer Straße 572: Gemütliches Beisammensein. Gäste sind herzlich willkommen.

BEZIRKSGRUPPE

Harburg-Wilhelmsburg – Montag, 24. November, 15 Uhr, Gasthaus Waldquelle, Meckelfeld, Höpenstraße 88 (mit Bus 443 bis Waldquelle): Filmnachmittag von und mit Manfred Samel.

 

HESSEN

Vorsitzender: Eberhard Traum, Wächtersbacherstraße 33, 63636 Brachtal, Telefon (06053) 708612.

Wetzlar – Montag, 10. November, ab 19 Uhr, Wetzlarer Grillstuben, Stoppelberger Hohl 128: Margarete Weise spricht über den Aberglauben der Ostpreußen. Gäste sind willkommen. – Bericht – Fasziniert schauen wir in diesem Monat zu ihnen empor, wenn sie, laut trompetend, im Formationsflug über uns hinwegziehen, ihren Winterquartieren in Spanien oder Afrika entgegen: die Kraniche. Über ihre Lebensgewohnheiten hat Karla Weyland aus Rauschenberg vor der Kreisgruppe berichtet. Selbst Dichter wie Johann Wolfgang von Goethe, Berthold Brecht und Hermann Löns seien von ihm so beeindruckt gewesen, dass sie ihm Gedichte und Essays gewidmet hätten.

Auch in den Märchen und Fabeln vieler Länder habe der Kranich seinen festen Platz. In Indien werde der Kranich sogar als heiliger Vogel verehrt, führte die Kulturbeauftragte der ost- und westpreußischen Landsmannschaft in Hessen aus. Zwischen 37 und 54 Millionen Jahre alt sei die Kranich-Gattung. Der zauberhafte Vogel sei derzeit in 15 Arten vertreten. In Deutschland machten vor allem die Kraniche auf ihrem Flug von Nordeuropa nach Süden in Mecklenburg-Vorpommern Zwischenstation. Eine bevorzugte Gegend sei dafür der Darß, eine Landzunge zwischen Rostock und Stralsund entlang der Ostseeküste. Die Flughöhe der Vögel betrage im Durchschnitt 300 bis 1500 Meter. Die Fluggeschwindigkeit belaufe sich bei günstigem Rückenwind auf bis zu 100 Stundenkilometer, führte Karla Weyland aus. Die ihrem Vortrag beigegebenen Fotos von Kranichen im Flug und auf ihren Brut- und Rastplätzen vermittelten den 40 Besuchern des Abends einen nachhaltigen Eindruck von der Gestalt dieses Vogels. Nicht umsonst sei der Architekt und Grafiker Otto Firles im Jahre 1928 auf die Idee gekommen, den eleganten Körper des Kranichs zum Wappentier der Deutschen Lufthansa zu kreieren, meinte die Referentin.

Wiesbaden – Dienstag, 11. November, 15 Uhr, Haus der Heimat, Wappensaal, Friedrichstraße 55:Treffen der Frauengruppe, Heimatliche Küche mit Spezialitäten aus Ost- und Westpreußen steht auf dem, Programm – Sonnabend, 15. November, 15 Uhr, Haus der Heimat, Großer Saal, Friedrichstraße 35: Monatstreffen mit einer Bilder-Reise von Dieter Schetat. In „Unterwegs in Ostpreußen“ geht es von der Kaschubischen Schweiz und dem Land an der unteren Weichsel bis nach Masuren mit seiner einmaligen Seen-Landschaft und markanten Orten wie Nikolaiken, Lötzen, Steinort, Heilige Linde, Kleinort, Eckertsdorf und natürlich dem Flüsschen Kruttinna. – Sonntag 16. November, Südfriedhof: Volkstrauertag, Den Beginn der Gedenkstunde bitte der Presse entnehmen. Für die angeschlossenen Landmannschaften legt der Bund der Vertriebenen, Kreisverband Wiesbaden einen Kranz nieder. – Donnerstag, 27. November, 18 Uhr, Gaststätte Haus Waldlust, Ostpreußenstraße 46, Wiesbaden-Rambach (ESWE-Busverbindung Linie 16, Haltestelle Ostpreußenstraße): Festliches Wildessen. Serviert werden verschiedene Wildgerichte mit Klößen und Rotkohl sowie einer Wildsuppe. Für den musikalischen Rahmen sorgt die „Es-Horn-Gruppe der Jagdhornbläser“ (früher „Bläsercorps der Jägervereinigung Diana-Hubertus“) mit traditionellen Jagdsignalen. Wegen der Essens- und Platzdisposition wird um Anmeldung bis spätestens 21. November bei Irmgard Steffen, Telefon (0611) 844938, gebeten.

 

NIEDERSACHSEN

Vorsitzende: Dr. Barbara Loeffke, Alter Hessenweg 13, 21335 Lüneburg, Telefon (04131) 42684. Schriftführer und Schatzmeister: Gerhard Schulz, Bahnhofstraße 30b, 31275 Lehrte, Telefon (05132) 4920. Bezirksgruppe Lüneburg: Manfred Kirrinnis, Wittinger Straße 122, 29223 Celle, Telefon (05141) 931770. Bezirksgruppe Braunschweig: Fritz Folger, Sommerlust 26, 38118 Braunschweig, Telefon (0531) 2 509377. Bezirksgruppe Weser-Ems: Otto v. Below, Neuen Kamp 22, 49584 Fürstenau, Telefon (05901) 2968.

Buxtehude – Sonntag, 16. November, 11.30 Uhr, Stadtpark: Gedenkveranstaltung der Stadt zum Volkstrauertag. Die Landsmannschaft legt einen Kranz zum Gedenken an die Opfer von Flucht und Vertreibung am Ehrenmal nieder.

Helmstedt – Donnerstag, 13. November, 15 Uhr, Begegnungsstätte, Schützenwall 4: Monatstreffen. – Sonnabend, 15. November, 10 Uhr, Stephani Kapelle: Gedenken zum Volkstrauertag.

Osnabrück – Dienstag, 18. November, 16.30 Uhr, Hotel Ibis, Blumenhaller Weg 152: Kegeln. – Freitag, 21. November, 15 Uhr, Gaststätte Bürgerbräu, Blumenhaller Weg 43: Treffen der Frauengruppe. – Donnerstag, 27. November, 14 Uhr, Gaststätte Bürgerbräu, Blumenhaller Weg 43: Literaturkreis.

Rinteln – Donnerstag, 13. November, 15 Uhr, Hotel Stadt Kassel, Klosterstraße 42, 31737 Rinteln: Monatstreffen. An diesem Nachmittag wird Ekkehard Schlicht aus Bad Salzuflen zum Thema „Herkunft und Lebensweise der Urbevölkerung in Preußen“ sprechen. Der Eintritt ist frei, auch Freunde, Verwandte und interessierte Gäste aus Nah und Fern sind herzlich willkommen. – Bitte vormerken: Die nächste Veranstaltung ist dann als Adventsfeier für Sonnabend, 6. Dezember, vorgesehen. Weitere Auskünfte und Informationen zur landsmannschaftlichen Arbeit in Rinteln gibt es beim Vorsitzenden Joachim Rebuschat unter Telefon (0 57 51) 53 86 oder über: rebuschat@web.de

 

NORDRHEIN-WESTFALEN

Vorsitzender: Jürgen Zauner, Geschäftsstelle: Buchenring 21, 59929 Brilon, Tel. (02964) 1037, Fax (02964) 945459, E-Mail: Geschaeft@Ostpreussen-NRW.de, Internet: www.Ostpreussen-NRW.de

Bielefeld – Donnerstag, 13. November: Gesprächskreis ostpreußisch Platt, Sonntag, 16. November: Teilnahme der Ostpreußen an der Gedenkstunde zum Volkstrauertag auf dem Sennefriedhof, Donnerstag, 20. November: Literaturkreis. Alle Veranstaltungen (Ausnahme Volkstrauertag) beginnen um 14.30 Uhr in den Räumen der Kreisvereinigung der Ostdeutschen Landsmannschaften, Wilhelmstraße 13, 33602 Bielefeld.

Bad Godesberg – Sonntag, 9. November, 15 bis 16 Uhr, Stadthalle Bad Godesberg: Dia-Vortrag von Janne Neuman mit dem Titel „Was ist geblieben vom alten Königsberg?“. Eine Dokumentation. Beginn mit einem gemeinsamen Kaffeetrinken, anschließend Programm. Gäste sind herzlich willkommen. Eintritt frei.

Bonn – Sonntag, 23. November, 15 Uhr, Nordfriedhof Bonn: Ostdeutsches Totengedenken der im BdV-Kreisgruppe Bonn vereinigten Landsmannschaften. – Dienstag, 25. November, 14 Uhr, Nachbarschaftszentrum Brüser Berg, Fahrenheitstraße 49: Treffen des Frauenkreises. Thema „Licht im Ost“.

Bochum – Freitag, 12. Dezember, ab 19 Uhr, Ostdeutsche Heimatstube Bochum, Neustraße 5, ab 19 Uhr: Stammtisch des Bundes Junges Ostpreußen. Weitere Informationen: Michael Kobus unter Gruppe-Bochum@Ostpreussen-NRW.de .

Dortmund – Jeden dritten Montag im Monat (17, November), Landgrafenschule, Eingang Märkische Straße, 14 bis 17 Uhr: Treffen der Frauengruppe. Gäste sind willkommen.

Düsseldorf – Jeden Mittwoch, 18.30 bis 20 Uhr, GHH/Eichendorff-Saal, 1. Etage: Chorprobe der Düsseldorfer Chorgemeinschaft.

Ennepetal – Donnerstag, 20. November, 18 Uhr, Heimatstube, Archivgebäude, Kirchstraße 52 (Grundschule Harkort): Monatsversammlung.

Gütersloh – Sonntag, 16. November, 11.30 Uhr, Ehrenfriedhof Unter den Ulmen: Gemeinsames Begehen des Volkstrauertages mit Reden, Kranzniederlegung und musikalischer Begleitung.

Mühlheim an der Ruhr – Sonntag, 16. November, 11 Uhr, Altstadtfriedhof: Gedenken zum Volkstrauertag, am Gedenkstein der Landsmannschaft mit Gedicht, Predigtwort, Trompetensolo und Kranzniederlegung.

Neuss – Sonntag, 16. November, 11 Uhr, Hauptfriedhof, Rheydter Straße: Feierstunde zum Volkstrauertag.

Wesel – Samstag, 15. November, 16 Uhr, Heimatstube, Kaiserring 4: Alle Landsleute und Heimatfreunde der Landsmannschaft Ostpreußen sind zum Kulturabend der Landsmannschaft Ostpreußen-Westpreußen eingeladen. Paul Sobotta wird in einem Vortrag über „Die Bedeutung Ostpreußens in der deutschen Politik- und Kulturgeschichte“ berichten. Anmeldungen bei Paul Sobotta, Telefon (0281) 45657.

Witten – Montag, 17. November, 15 Uhr, Versammlungsraum, Evangelisch-Lutherische Kreuzgemeinde, Lutherstraße 6–10: Treffen zum Volkstrauertag und Totensonntag, Außerdem: „Flug über das nördliche Ostpreußen – Ein Filmbericht.“

 

RHEINLAND-PFALZ

Vors.: Dr. Wolfgang Thüne, Wormser Straße 22, 55276 Oppenheim.

Mainz – Jeden Freitag, 13 Uhr, Café Oase, Schönbornstraße 16, 55116 Mainz: Die Gruppe trifft sich zum Kartenspielen. – Sonnabend, 8. November, 15 Uhr, Mundus Residenz, Große Bleiche 44, 55116 Mainz: Heimatnachmittag. mit der Film „Masuren, eine Reise mit Wolf von Lojewski“.

 

SACHSEN

Vorsitzender: Alexander Schulz, Willy-Reinl-Straße 2, 09116 Chemnitz, E-Mail: alexander.schulz-agentur@gmx.de, Telefon (0371) 301616.

Leipzig – Tag der Heimat in Sachsen – Der Festsaal des Neuen Leipziger Rathauses war bis auf den letzten Platz gefüllt, als der Kreisvorsitzende Peter Wolf die Veranstaltung eröffnete. Nach den Hymnen aller Landsmannschaften, gesungen vom Leipziger BdV-Chor, folgte eine bewegende Totenehrung aller Kriegs- und Vertreibungsopfer.

Wolf begrüßte dann die Ehrengäste: den Landesvorsitzenden der Vertriebenen und Spätaussiedler in Sachsen MdL Frank Hirche, die Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla, von der Sächsischen Staatskanzlei Peggy Liebscher, MdL Sebastian Gemkow, Dr. Baumann sowie die Vorsitzenden der Kreisgruppen in Sachsen. Hirche überbrachte die Grüße des Landesvorstandes und ging besonders auf das Motto „Deutschland geht nicht ohne uns“ ein.

Die Generation der Heimatvertriebenen hat nicht nur die Erinnerung wachgehalten an das Leid von Krieg, Flucht und Vertreibung, sondern sich stets für Aussöhnung und friedliche Beziehungen zu den Nachbarstaaten eingesetzt. Gerade in der gegenwärtigen kritischen Lage ist die Meinung der Erlebnisgeneration wichtig und muss als Weckruf gehört werden. Sachsen ehrt jedes Jahr am Tag der Heimat den Einsatz und die Arbeit der Vertriebenengeneration.

Dem Sächsischen Staatsministerium des Innern wird in besonderem Maße für die Förderung dieser Großveranstaltung gedankt. Die Bundestagsabgeordnete Kudla würdigte die Leistung der Vertriebenen beim Aufbau unseres zerstörten Landes. Vom Bundestag wurde darum auch ein Gedenktag an Vertreibung beschlossen. Kudla versprach, sich weiterhin für die Belange der Heimatvertriebenen einzusetzen und forderte alle auf, wachsam zu sein, denn: „Wir brauchen keinen Krieg!“

Liebscher war schon bei vielen Veranstaltungen des Leipziger Kreisverbandes und ist jedes Mal erfreut über die Darbietungen des Chores „Lied der Heimat“ unter der Leitung von Rosa Wegelin, der seit 20 Jahren die heimatliche Kultur pflegt, Liedgut und Literatur bewahrt und weitergibt.

Hirche zeichnete verdienstvolle Mitglieder des Verbandes mit der goldenen Ehrennadel des BdV aus. Diese Ehrung erhielten Peter Wolf, Rosa Wegelin, Helga Link, Irmgard Schäfer, Frau Streubel, Fritz Stramm und Inge Scharrer. Festredner der Veranstaltung war MdL Sebastian Gemkow. Seine Rede fand bei allen großen Anklang. Gemkow, selbst kein Vertriebener, erzählte von seinen beiden Großvätern, von denen er viel über die Vertreibungsgeschichte erfahren hat. Berührend war seine Schilderung, wie er mit einem Großvater dessen Heimatort besuchte und dadurch auch die Stätte seiner Wurzeln. Ganz wichtig ist, dass die Erinnerungen und Erfahrungen der Heimatvertriebenen an die junge Generation weitergegeben werden, die kaum etwas über dieses Kapitel unserer Geschichte weiß. Ein besonderer Höhepunkt war die von Peter Wolf erstellte Power-Point-Präsentation, bei der Bilder von den Aktivitäten und Chorreisen des Leipziger Kreisverbandes zu sehen waren. An den Verkaufstischen konnte jeder etwas für sich finden. Bewundert wurden die schönen Bernsteinarbeiten von Herrn Weihe aus Limbach-Oberfrohna und die kunstvollen Handarbeiten von Frau Rick aus Dresden. Der Nachmittag war dem Kulturprogramm gewidmet. Eingeladen war auch der Dresdener Chor „Heimatmelodie“ unter der Leitung von Herrn Liebal. Auch die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland war in die Veranstaltung mit eingebunden. Mit der Moderation von Dr. Hellmund vom DRZ erfreute die „Kindergruppe Sonnenschein“, geleitet von Vera Eichnler mit Liedern in deutscher und russischer Sprache. Kleine Künstler zeigten auf verschiedenen Instrumenten ihr Können. Für alle Operettenfreunde sang der Solist Viktor Surzanskij das Wolgalied aus dem „Zarewitsch“. „Das Instrumentenensemble“ unter der Leitung von Peter Wegelin spielte Melodien bekannter Komponisten aus den Vertreibungsgebieten, dazu sangen die Wegelin-Töchter Margarite Hartok und Anna Sahiti. Den Abschluss bildete das gemeinsame Singen mit den Frauen aus Grünau, der Rheumaliege und der Volkssolidarität. Als bei dem Lied „Kein schöner Land“ alle im Saal aufstanden und mitsangen, war es sehr bewegend. Mit Dankesworten von Herrn Dr. Baumann, dem Schlusswort des Vorsitzenden Wolf und der Nationalhymne ging eine Veranstaltung zu Ende, die dem Motto „Deutschland geht nicht ohne uns“ sicher im guten Sinne gerecht wurde.

Limbach-Oberfrohna – Am 11. Oktober waren alle Landsleute und Gäste der Kreisgruppe zum Erntedankfest eingeladen. Wir wollten feiern wie es in der Heimat Ostpreußen üblich war, und so erstrahlte der Raum in den leuchtenden Farben des Herbstes. Es gab viele schöne Dinge zu bestaunen: Buntes Herbstlaub, farbige Weinlaubranken, Maiskolben, Getreide und Blumen. Der Tischschmuck wurde mit viel Liebe von Horst Braczko und Harald Kedzierski hergestellt und durfte als kleine Aufmerksamkeit mit nach Hause genommen werden. Reinhard Gerullis und Horst Braczko stellten Erntewerkzeuge aus, eine alte Waage, Zubehör rund um das Arbeitspferd, alte Kannen und Krüge und noch vieles mehr vom Bauernhof der Familie Braczko. Große Körbe mit Obst, Blumen und Gemüse schmückten den Saal. Familie Weihe stellte Gaben der Ernte zur Schau. Irmgard Gläser hatte eine Ausstellung wertvoller ostpreußischer Handarbeiten vorbereitet. Fotograf Günter Hartwig hat mit vielen wertvollen Bildern den Verlauf der Vereinsarbeit dokumentiert.

Eine Kindergruppe der Gerhard-Hauptmann-Schule aus Limbach-Oberfrohna stellte Bernsteinarbeiten aus. Vor Ort zeigten die Kinder, wie man mit Bernstein arbeitet. Kurt Weihe konnte vor vielen Jahren die Schüler davon begeistern, mit dem Gold unserer Heimat zu arbeiten. Es entstanden schon viele wertvolle Stücke. Weihe nennt seine fleißigen Mädchen die Bernsteinprinzessinnen.

Alle geladenen Ehrengäste waren der Einladung gefolgt. Herzlich willkommen hieß Kurt Weihe Jens Baumann vom Sächsischen Innenministerium Dresden; Herrn Zempel, Vorsitzender im Reichenbacher Haus der Heimat für „Begegnen und Erinnern“. Weiter zählten zu den Ehrengästen die Rechtsanwältin Dr. Ingeborg Christoph aus Berlin, die Vorsitzende der Landsmannschaft der Ost- Westpreußen aus Thüringen, Edeltraud Dietel, der Vorsitzende der Kreisgruppe Oelsnitz Vogtland, Kurt Jurgeit, der Vorsitzende der Kreisgruppe Leipzig vom Bund der Vertriebenen, Peter Wolf, sowie der Landesvorsitzende der Ost- Westpreußen Sachsen e. V. Alexander Schulz. Nach der Begrüßung durch Kurt Weihe rezitierte Elli Springwald ein Gedicht von der Ernte. Dann kündigte Weihe den Einzug der Bauernfamilie an. Seine kleinsten Urenkel eröffneten den bunten Reigen. Alle waren gekleidet wie Erntearbeiter und trugen landwirtschaftliche Werkzeuge. Sogar ein ostpreußischer Wasserträger war dabei. Dreschflegel, Sense, Harke und vieles mehr waren zu bestaunen.

Elli Springwald und Hannelore Kedzierski hatten dann die Ehre, die wunderbare Erntekrone der Kreisgruppe hereinzutragen. Horst Braczko hat sie hergestellt. Er brachte bei einem Besuch in der Heimat Getreide mit und säte es aus. Mit den verschiedenen Getreidesorten, die er geerntet hat. entstand eine typisch ostpreußische Krone.

Später stellten sich die Kinder der Gerhard Hauptmann Schule mit ihrer Lehrerin Frau Wolf vor. Sketche und Gedichte der Kinder erfreuten die Zuschauer.

Danach wurde der gemischte Chor aus Langenberg begrüßt. Mit vielen bekannten Heimatliedern zum Mitsingen verbrachten all den Nachmittag. Zwischendurch wurden Gedichte aus Ostpreußen von Anneliese Marschall, Elli Springwald und Hannelore Kedzierski vorgetragen. Nach dem abwechslungsreichen Kulturprogramm kamen die Ehrengäste zu Wort.

In der nachfolgenden Pause begann angeregter Erfahrungsaustausch. Es wurde plachandert ohne Ende. Bei Kaffee, selbstgebackenem Kuchen und belegten Broten mit frisch geschlachteter Wurst, stärkten sich alle. Nach der Pause folgten viele wichtige Informationen, die Reinhard Gerullis bekannt gab. Er bedankte sich anschließend für die zahlreiche Teilnahme und wünschte ein gesundes frohes Wiedersehen. Es wurden alle Landsleute und Gäste zur Jahresabschlussveranstaltung am 6. Dezember um 14 Uhr in das Eschemuseum Limbach-Oberfrohna eingeladen.

 

SACHSEN-ANHALT

Vors.: Michael Gründling, Große Bauhausstraße 1, 06108 Halle, Telefon privat (0345) 2080680.

Magdeburg – Dienstag, 18. November, 13.30 Uhr, Immermannstraße: Treffen der Stickerchen. – Freitag, 21. November, 15 Uhr, TuS, Zielitzer Straße: Treffen des Singekreises.

 

SCHLESWIG-HOLSTEIN

Vors.: Edmund Ferner. Geschäftsstelle: Telefon (0431) 554758, Wilhelminenstr. 47/49, 24103 Kiel.

Bad Schwartau – Donnerstag, 13. November, 14.30 Uhr, AWO-Begegnungsstätte: Egon Milbrod ist zu Gast. Mit dem Motorrad hat er Moskau und St. Petersburg besucht. Von dieser abenteuerlichen Reise wird er berichten. Bei dieser Gelegenheit kann auch die geplante Adventsfahrt gebucht werden. – Mittwoch, 3. Dezember: Zur Einstimmung auf die Adventszeit geht es zum Rauchhaus Möllin. Als eine komplett erhaltenen Hofanlage aus den Jahren um 1800 bietet es einen Ort zum Entspannen und Genießen. Ein Schlemmerbuffet, musikalische Unterhaltung sowie Kaffee und Kuchen erwarten die Gäste. Abfahrt um

9 Uhr vom ZOB Bad Schwartau. Preis: 45 Euro inklusive.

Burg – Dienstag, 11. November, 15 Uhr, Haus im Stadtpark: Beim monatlichen Treffen der Gruppe spricht Adolf Fröse aus Burg über „Erinnerungen eines Fischerjungen am Kurischen Haff“. Gäste sind herzlich willkommen. Der vorgesehene Besuch im „Meereszentrum“ wird aus betrieblichen Gründen verschoben.

Flensburg – Sonntag, 16. November, 11.30 Uhr, Flensburger Kapelle am Friedenshügel: Die Landesgruppe Flensburg bittet zum Volkstrauertag. Es wird ein Bus zum Friedhof eingesetzt. – Sonntag, 23. November, 15 Uhr, Kapelle Am Friedenshügel: Die Vereinigten Landsmannschaften Flensburg bitten zum Totensonntag um Anwesenheit. Es wird ein Bus zum Friedhof eingesetzt.

Neumünster – Mittwoch, 12. November, 12 Uhr, Restaurant am Kantplatz: Mittagessen der Landsmannschaft. Anmeldungen bitte bis zum 2. November unter Telefon (04321) 82314.

Pinneberg – Sonntag, 16. November, 15 Uhr: Bingo und Gänseverspielen. Der Weihnachtsbraten und andere Preise können gewonnen werden, Weitere Informationen: Rosemarie Schmidt, Telefon (04101) 62667.


S. 19 Heimatarbeit

Aus den Heimatkreisen

ELCH-NIEDERUNG

Kreisvertreter: Manfred Romeike, Anselm-Feuerbach-Str. 6, 52146 Würselen, Telefon/Fax (02405) 73810. Geschäftsstelle: Barbara Dawideit, Telefon (034203) 33567, Am Ring 9, 04442 Zwenkau.

Beim 7. Deutsch-Russischen Forum, das vom 17. bis 19. Oktober in Tilsit stattfand, gestalteten die Kreisgemeinschaften Elchniederung, Tilsit-Ragnit und die Stadtgemeinschaft Tilsit das Rahmenprogramm. Unserer Kreisgemeinschaft oblag dabei die Aufgabe, freitags eine Fahrt durch die Elchniederung zu organisieren. Dabei wurden die wichtigsten und interessantesten Orte des Kreises aufgesucht. Der Kreisvertreter Manfred Romeike hatte die Route ausgearbeitet und gab allen Teilnehmern im Bus Informationen an die Hand. Unterwegs erzählte er Wissenswertes zu den einzelnen Kirchspielen, besonderes Augenmerk lag dabei auf der Geschichte der Kirchen in den einzelnen Orten.

Die Fahrt begann um neun Uhr morgens, der erste Weg führte nach Heinrichswalde. Hier wurden die Kirche und das Heimatmuseum besichtigt. Der im Sommer eingeweihte Gedenkstein vor der Kirche fand dabei großen Anklang bei den Besuchern. Die Leiterin des Touristikbüros, Anastasia Wenselena, und die Dolmetscherin Valentina Famenkowa erläuterten die wichtigsten Fakten zur Heinrichswalder Kirche, und der Leiter des Museums, Wjatscheslaw Kent, führte durch die Räumlichkeiten des Heimatmuseums. Zu einigen Exponaten erzählte er, wie sie den Weg ins Museum gefunden haben. Nachdem sich alle Teilnehmer im Gästebuch eingetragen hatten, wurde die Fahrt über Neukirch und einem kurzen Stopp in Kuckerneese fortgesetzt. Über Herdenau ging es nach Karkeln, wo bei einem etwas längeren Aufenthalt Zeit für einige Fotos und einen Spaziergang ans Haff war. Danach wurde die Rundfahrt fortgesetzt nach Pait. Hier wurde die Gruppe von Jürgen Leiste empfangen, der den renovierten Kaisersaal zeigte. Dabei gab er einen kurzen Überblick über die Geschichte des Jagdschlosses.

Nach einem Abstecher nach Inse wurde die Gruppe in Rauterskirch erwartet. Die Mitarbeiterinnen der Sozialstation hatten dort einen Imbiss für die Gruppe vorbereitet. An reichlich gedeckten Tischen erfuhren die Teilnehmer etwas über die Arbeit der Frauen in der Sozialstation. Nach der Stärkung wurde die Kirchenruine in Rauterskirch besichtigt Anschließend übernahm Dieter Neukamm die Information über den Kreis Tilsit Ragnit. Dort führte dann der Direktor der Schule von Breitenstein, Jurij Userzow, die Gruppe durch das Museum in seine Schule. Nach einem langen und erlebnisreichen Tag führte der Weg dann am Abend über Tilsit-Ragnit zurück in das Hotel nach Tilsit.

 

HEILIGENBEIL

Kreisvertreterin: Elke Ruhnke, Im Bökel 76, 42369 Wuppertal, Tel.: (0202) 46 16 13. E-Mail: ruhnke@kreis-gemeinschaft-heiligenbeil.de. Stellvertreter: Christian Perbandt, Im Stegfeld 1, 31275 Lehrte, Tel.: (05132) 57052.

E-Mail: perbandt@kreisge­meinschaft-heiligenbeil.de. 2. stellvertretender Kreisvertreter: Bernd Schmidt, Heideweg 24, 25578 Dägeling, Telefon (04821) 8 42 24. E-Mail: Schmidt.ploessen@gmx.de. 2. Schriftleiterin: Brunhilde Schulz, Zum Rothenstein 22, 58540 Meinerzhagen, Tel.: (02354) 4408, E-Mail: brschulz@dokom.net. Internet: www. kreisgemeinschaft-heiligenbeil.de

Der Vorstand der Kreisgemeinschaft Heiligenbeil gratuliert Martin Schröder recht herzlich zum 90. Geburtstag.

Geboren wurde Martin Schröder am 10. November 1924 in Sargen im Kreis Heiligenbeil. Er wuchs in der unruhigen Zeit der Weimarer Republik auf, die durch die Nachwirkungen des Ersten Weltkrieges geprägt war. Dennoch erlebte er in einem behüteten Elternhaus im Kreise seiner fünf Geschwister eine glückliche Kindheit und Jugend auf dem Lande. Seine Eltern waren Albert Schröder aus Hohenfürst und Ehefrau Berta, geb. Paschke, aus Schönlinde.

1942 wurde Martin Schröder als Soldat eingezogen und kam an die Ostfront. Von dort wurde er nach Würzburg verlegt, wo er im Jahr 1945 in amerikanische Kriegsgefangenschaft geriet. Diese hat bis heute Spuren hinterlassen. Die Entlassung erfolgte im Dezember 1947.

Mit seiner Frau Hildegard wanderte er im Jahr 1952 in die USA aus und kehrte 1955 zurück nach Deutschland, um sich hier eine neue Existenz aufzubauen.

Im Jahr 2009 veröffentlichte er seine Autobiografie: „Ich glaubte ihnen allen nicht“ in der Hoffnung, mit seinen Aufzeichnungen anderen Menschen Mut zu machen, ebenfalls ihre Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg festzuhalten und einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Seine Liebe zu seiner ostpreußischen Heimat bringt er unter anderem dadurch zum Ausdruck, dass er seit dem 1. Januar 1998 als Gemeindevertreter von Sargen tätig ist. Für sein ehrenamtliches Engagement wurde er im Jahr 1992 mit der Treueurkunde und im Jahr 2011 mit der Silbernen Ehrennadel der Kreisgemeinschaft ausgezeichnet.

Der Vorstand der Kreisgemeinschaft Heiligenbeil wünscht Martin Schröder für die weitere Zukunft alles Gute, vor allem viel Schaffenskraft, und dass er noch lange für die Kreisgemeinschaft tätig sein möge.

 

LÖTZEN

Kreisvertreter: Dieter Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg. Geschäftsstelle: Ute Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg, Telefon (040) 6083003, Fax: (040) 60890478, E-Mail: KGL.Archiv@gmx.de

Sonnabend, 15. November, Lötzener Heimatmuseum in der Patenstadt Neumünster, Sudetenlandstraße 18 H (Böcklersiedlung): Von 10 bis 16 Uhr ist letztmalig Gelegenheit, die Sonderausstellung „Mein Hauptweg, meine Nebenwege“, Werke aus drei Jahrzehnten künstlerischen Schaffens von Elena Steinke

(Breklum), zu sehen. Daneben ist es möglich, Teile der ständigen Ausstellung zur Geschichte und Kultur von „Lötzen – die Perle Masurens“ zu besuchen. Um 16.15 Uhr beginnt unter dem Titel „Goldstücke am Pflaumenbaum und andere Schätze“ die Märchenstunde mit Angelika Rischer, Märchenerzählerin aus Hamburg, die im schlesischen Habelschwerdt geboren wurde. Sie erzählt Märchen aus dem Deutschen Osten. Der Eintritt ist frei. – Diese Veranstaltung ist die letzte im Jahresprogramm 2014.  Zur Auftaktveranstaltung für das Veranstaltungsangebot in 2015, die am 21. März durchgeführt werden wird, wird heute schon herzlich eingeladen.

 

TILSIT-RAGNIT

Kreisvertreter: Dieter Neukamm, Am Rosenbaum 48, 51570 Windeck, Telefon (02243) 2999, Fax (02243) 844199. Geschäftsstelle: Eva Lüders, Telefon/Fax (04342) 5335, Kührenerstraße 1 b, 24211 Preetz, E-Mail: Eva.lueders@arcor.de.

Der Redakteur (Schriftleiter) des Heimatbriefes „Land an der Memel“ und „Tilsiter Rundbrief“, Heinz Powils, beendet mit der Weihnachtsausgabe 2014 seine Tätigkeit. (Näheres dazu lesen sie in der Weihnachtsausgabe.) Ab 2015 wird dann Heiner Coenen als neuer Redakteur für das Heimatblatt verantwortlich sein. Ab sofort können ihm Beiträge für die Pfingstausgabe des Heimatbriefes übersandt werden: Heiner Coenen, Maarstraße 15, 52511 Geilenkirchen , Telefon (02462) 3087, E-Post: heiner.coenen@t-online.de

Es gibt noch weitere personelle Veränderungen bekanntzugeben: Kommissarische Kirchspielvertreterin für das lange verwaiste Kirchspiel Königskirch ist Renate Kunze, Schlagbaumweg 32, 51467 Bergisch Gladbach, Telefon (02202) 9649094, E-Post: renate.kunze@netcologne.de.

Für das Kirchspiel Sandkirchen ist vorläufig verantwortlich: Reinhard August, Rosengassenweg 1, 83026 Rosenheim/Pang, Telefon (08031) 94330, E-Post: reinhard_august@yahoo.de


S. 20 Heimatarbeit

Bewahrte Bräuche
60. Werkwoche in Bad Pyrmont

Sechzig Wochen Weben, Stricken, Sticken und Nähen, dazu ostpreußisches Liedgut, plachandern und ganz nebenbei entsteht ein Stück Heimat. In diesem Jahr fand vom 13. bis 19. Oktober zum 60. Mal die Werkwoche der Landsmannschaft Ostpreußen (LO) im Ostheim, Bad Pyrmont, statt. Das Motto „Erhalten und Gestalten“ hat sich bis heute gehalten und wurde um den Zusatz „Weiterentwickeln“ ausgedehnt.

Schon 1948 gründeten ostpreußische Frauen – zunächst in Westdeutschland – erste Frauengruppen. Viel konnte auf der Flucht nicht gerettet werden, doch die ostpreußischen Strick- und Stick-

muster, die Doppelstrick- und Webtechniken wurden von den Vertriebenen beherrscht und Neues konnte aus alten Vorgaben geschaffen werden.

Bei den Treffen und der gemeinsamen Handarbeit entstand ein geschützter Raum, um über die schrecklichen Erlebnisse von Krieg, Flucht und Vertreibung, dem schmerzlichen Verlust von Angehörigen und der Heimat Ostpreußen zu sprechen. Was nun der wichtigere Grund war, sich zu treffen, die Handarbeit oder der Austausch, kann nicht beantwortet werden. Wichtig war beides. Der Austausch konnte den sicheren Raum jedoch nicht ohne Weiteres verlassen, das dort gesammelte Werk-Wissen schon. Es sollte den nachfolgenden Generationen erhalten bleiben, und so veranstaltete die LO 1969 die erste von vielen Werkwochen unter der Leitung von Hanna Wangerin.

Heute nehmen aus Ostpreußen Vertriebene oder Verbliebene, Nachfolgende und Interessierte an dem Seminar teil, um ostpreußische Volkskunst zu erlernen, zu erhalten, zu gestalten und weiterzugeben. Die Bundesvorsitzende der ostpreußischen Frauenkreise, Uta Lüttich, leitet seit 1998 die Werkwoche, die sie als „Höhepunkt des Jahres“ bezeichnet.

Techniken wie Strohunruhen und Stoffdruck werden heute zwar nicht mehr angeboten, aber es wird nach wie vor am Rahmen gewebt und am Webstuhl doppelgewebt. Strickend entstehen neben Schlaufenhandschuhen auch ostpreußische Musterhandschuhe – die sogenannten Handschkes mit langen Stulpen.

Das Sticken ostpreußischer Muster mit Kreuzstich und der Technik der Weißstickerei erfreuen sich eines regen Zulaufes. Besonders zu erwähnen sind die Schneiderinnen, die Ostpreußenkleider vom Unterrock bis zur Jacke anfertigen. Im Laufe der 45 Jahre hat so manche Teilnehmerin ihr Ostpreußenkleid genäht und trägt es noch heute voller Stolz. Stolz sind die Teilnehmerinnen auf ihr Geschaffenes am Ende einer Woche immer.

Da während der arbeitsreichen Woche keine Zeit zum Feiern blieb, wurde am Sonnabend der Conférencier und Sänger Peter Juréwitz eingeladen, der den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen ostpreußisch herbstlich, heiteren und ergötzlichen Abend gestaltete.

Die nächste Werkwoche findet vom 12.bis 18. Oktober 2015 im Ostheim, Bad Pyrmont statt.


Auf die Zukunft ausgelegt
Sprecher blickt bei Ostpreußischer Landesvertretung auf erfolgreiches Jahr zurück

Unser Auftrag ist Ostpreußen.“ Diesen Satz aus dem Bericht des Sprechers der Landsmannschaft Ostpreußen (LO), Stephan Grigat hätte man als Motto der Sitzung der Ostpreußischen Landesvertretung (OLV) wählen können. Die OLV ist die Mitgliederversammlung der LO und deren oberstes Beschlussorgan, das für grundsätzliche Entscheidungen und die Überwachung der Geschäftsführung des Vorstandes zuständig ist. Politisch gesehen nimmt sie die Rolle eines Exilparlaments der vertriebenen Ostpreußen wahr.

Nachdem die OLV bei ihren letzten Sitzungen grundlegende und wegweisende Leitlinien und Resolutionen verabschiedet hatte und in diesem Jahr auch keine Wahlen durchzuführen waren, standen bei der Versammlung am vergangenen Wochenende im Ostheim in Bad Pyrmont überwiegend Routineangelegenheiten auf der Tagesordnung. Dazu gehörten unter anderem die Entgegennahme der Berichte, die Entlastung des Vorstandes und die Verabschiedung des Haushaltsplans.

Der Sprecher der LO informierte die Delegierten in seinem Tätigkeitsbericht über seine Reisen nach Ostpreußen, zahlreiche Gespräche mit Politikern, Gremien, Vertretern von Institutionen und Verwaltungen hierzulande und in der Heimat. Mit großer Genugtuung stellte Grigat fest, dass die LO dort mittlerweile als Gesprächspartner akzeptiert und geschätzt sei. Zudem berichtete er über die erfolgreiche Durchführung des Deutsch-Russischen Forums in Tilsit mit seinem anspruchsvollen Rahmenprogramm und des Sommerfestes der LO in Allenstein. Beide Veranstaltungen stießen auf immer weiter wachsendes Interesse und seien mittlerweile als feste Größen etabliert. Grigat machte unmissverständlich deutlich, dass die LO auf die Zukunft ausgelegt sei und nicht mit dem Dahinscheiden der Erlebnisgeneration zu existieren aufhören werde. Ostpreuße sei für die LO heute nicht mehr nur der in Ostpreußen Geborene und dessen Nachfahre, Ostpreuße sei für die LO auch, wer sich zu Ostpreußen bekenne und daran mitwirken wolle, die Erinnerung an die Bedeutung und Geschichte Ostpreußens zu bewahren und sich am Wirken der LO in der dreigeteilten Heimat zu beteiligen.

Ein weiteres Thema seines Berichts war Grigats Tätigkeit im Vorstand des Bundes der Vertriebenen sowie im Stiftungsrat der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“.

Der Bericht des Sprechers wurde ebenso wie die Berichte des Bundesgeschäftsführers, des Chefredakteurs der PAZ, des Referats Heimatpolitik der LO, des Bundes Junges Ostpreußen, der Bundesvorsitzenden der ostpreußischen Frauenkreise sowie des Jahresberichts und der Jahresrechnung des Schatzmeisters nach kurzer Aussprache zustimmend zur Kenntnis genommen. Die nachfolgende Entlastung des Vorstandes war daher nur noch eine Formsache und erfolgte einstimmig. Ebenso wurde der Haushaltsplan für 2015 mit großer Mehrheit verabschiedet.

Auf großes Interesse bei den Delegierten stießen die Vorträge des Direktors des Ostpreußischen Landesmuseums in Lüneburg, Joachim Mähnert, und des Direktors des Kulturzentrums Ostpreußen im Deutschordensschloss Ellingen, Wolfgang Freyberg. Beide stellten Funktion, Aufbau und Arbeitsweise ihrer Einrichtungen vor. Besonders hilfreich waren dabei die Hinweise, wie Archivalien und Sachzeugen der ostpreußischen Geschichte, beispielsweise aus aufgelösten Heimatstuben, ihren Weg in beide Häuser finden können, um für Öffentlichkeit und Forschung dauerhaft bewahrt zu werden.

Dem gemeinsamen Auftrag Ostpreußen verpflichtet, sorgten Vorstand und Delegierte für einen harmonischen Verlauf, sachliche Diskussionen und große Geschlossenheit bei den Abstimmungen.

Jan Heitmann


S. 21 Lebensstil

Nordsee in der Stube
Im Herbst ist auf den Halligen häufig »Land unter« angesagt. Dann reicht das Wasser bis an die Hauswand

Bevor die Herbststürme einsetzen, versorgen sich die Bewohner der Halligen vorsorglich mit Proviant für mehrere Wochen. Wenn die Nordseefluten die Häuser auf den höher gelegenen Warften erreichen, sind die winzigen Inseln tagelang von der Außenwelt abgeschnitten.

In die Ortsschule gehen nur vier Kinder. Wie das? Klar, die Schule liegt auf einer Insel, einer einsamen Insel, auf der nur wenige Familien leben. Kinder, die auf einer Hallig leben, sehen jeden Tag das Meer. Und dann sehen sie natürlich noch die Fähren mit den Touristen, die für einen Tag hierher kommen, und Schiffe, die Lebensmittel, und was man sonst so braucht, auf die Hallig bringen. Eben mal schnell in einem Supermarkt einkaufen gehen, geht auf diesen Eilanden nicht. Weil es keinen gibt.

Halligen sind kleine Inseln vor den Küsten, die bei Sturmfluten überschwemmt werden können. Sie liegen im nordfriesischen Wattenmeer zwischen der Halbinsel Eiderstedt und Föhr. Entstanden sind sie größtenteils durch die schwere Sturmflut von 1362, der „Großen Mandrenke“, die große Landstücke überflutete. Boden wurde hinweg gerissen. Die kleinen Inseln blieben übrig. Immer wieder rissen Sturmfluten Erde fort.

Die Menschen leben in Häusern, die auf Warften stehen, künstlich aufgeschüttete Erdhügel, welche die Häuser bei einer Sturmflut schützen sollen. Bei Überflutung ragen dann nur noch die Häuser aus dem Meer heraus. Aber nicht immer gelingt das. Es kam schon vor, dass die Nordsee bis in die Stuben drang. 1962 gab es eine furchtbare Sturmflut. Seitdem bekamen die Häuser auf den Halligen im obersten Stockwerk einen Schutzraum. Dahin sollte man sich flüchten, wenn es draußen wieder stürmisch zugeht. Damals wie heute spielt das Wetter die größte Rolle für das Leben der Bewohner. Sie richten sich nach den Gezeiten, dem Zu­sammenspiel von Ebbe und Flut.

Erde, Mond und Sonne bestimmen den Ablauf, wobei der Mond mit seiner Anziehungskraft auf das Wasser den größten Einfluss hat. Wenn Ebbe ist, kann man nicht mit dem Schiff hinaus. Ebenso nicht bei Sturm. Da die Inseln immer wieder von Salzwasser überflutet werden, haben die Bewohner stets wichtige Vorräte im Haus, falls sie von der Außenwelt abgeschnitten werden. Besonders im Herbst wehen so starke Orkane, dass weder Schiffe noch Hubschrauber auf die Halligen kommen können. Hallig Hooge ist die zweitgrößte der Halligen im Schleswig-Holsteinischen Wattenmeer, von denen es insgesamt zehn gibt: Oland, Gröde, Habel, die Hamburger Hallig, Nordstrandischmoor, Norderoog, Süderoog, Südfall und Langeneß. Nicht alle sind bewohnt. Auf Hallig Hooge wohnen 113 Menschen und viele Tiere: Kühe, Schafe, Ziegen. Verschiedene Küstenvögel sind hier zu Hause, und viele Zugvögel machen Rast auf ihren Wegen ins Winter- oder Sommerquartier.

Das Leben auf einer Hallig war früher sehr hart. Es gab keinen Strom, noch nicht einmal Trinkwasser. So fingen die Leute das Regenwasser auf, wobei das auch für die Tiere reichen musste, denn auch die können kein Salzwasser vertragen. Die vielen Sturmfluten machten den Bewohnern das Leben schwer, sie konnten deshalb auch keine Äcker bewirtschaften, sondern lebten von ihren Kühen und Schafen oder von der Seefahrt. Im Winter heizten sie ihre Öfen mit Kuhmist. Dazu wurde der Mist getrocknet und zu sogenannten Ditten (Stücken) geformt. 20000 brauchte man davon, um einen kalten Winter zu überstehen.

Heute gibt es zum Glück anderes Heizmaterial. Auch haben die Halliger eine Wasserversorgung und Strom. Ein Krankenpfleger sorgt für Erste Hilfe. Ansonsten muss man zum Arzt auf das Festland reisen. Warum bleiben die Menschen hier, obwohl das Leben nicht so einfach ist?

Wer die Halligen einmal per Fähre besucht, wird Antworten finden. Keine verstopften Straßen, kein Autolärm, keine stinkenden Abgase. Hier hetzen keine Menschen hin und her, die es eilig haben. Vögel kreisen über den Köpfen, die Luft schmeckt nach Meer und man kann fast bis nach Dänemark gucken. Die Schüler der Halligschule werden alle von Uwe Jessel, dem einzigen Lehrer hier, betreut. Alle pflegen den Schulgarten gemeinsam, haben eine Taube und eine Schildkröte als Haustiere. Bei ihren Ausflügen können sie Vogelschwärme beobachten und fanden sogar mal einen gestrandeten Schweinswal. Der war zwar schon tot, aber die Schüler durften ihn wiegen und anfassen. Im Frühling kann man an den sogenannten Ringelgans­tagen beobachten, wie die Entenvögel hier rasten, bevor sie in die Brutgebiete nach Sibirien fliegen. Aber auch die Moderne hat Einzug gehalten. Englischunterricht bekommen die Halligkinder von einem Lehrer per Internet vom Festland aus.

Jeden Tag in der freien Natur sein, Muscheln sammeln und Tiere beobachten. Wer würde nicht gerne auf einer Hallig leben wollen? Silvia Friedrich


Komplize des Pferdes
Attraktion beim Trakehner Hengstmarkt: Die Freiheitsdressur des Monsieur Pignon

Seinen Lehrgang beginnt Jean François Pignon mit einem Gebet. Er bittet um gutes Gelingen und Unversehrtheit aller Teilnehmer. Der französische Weltstar der Freiheitsdressur ist ein gläubiger Mensch. Nicht im dogmatischen Sinne einer Religion, sondern im Vertrauen auf Gott, wie er betont. Denn der Umgang mit Pferden habe ihn Demut gelehrt. Missionarisches liegt ihm fern. Eine Botschaft aber hat er: „Aimons-nous les uns et les autres“ – „Lasset uns einander lieben!“ Darin bezieht er natürlich die Kreatur mit ein.

Diese Geisteshaltung ist unabdingbare Voraussetzung für er­folgreiche Kommunikation. Oder Pignon: „Ohne Liebe läuft nichts.“ Sie ist die Rahmenbedingung, selbst wenn man wie er die Pferdesprache spricht. Der spezielle Draht, den der Franzose zu den Pferden entwickelt hat, be­ruht auf genauer Beobachtung des natürlichen Verhaltens der Tiere in der Herde. „Alle Antworten im Umgang mit dem Pferd“, so Pignon, „findet man in der Herde.“

Übersetzungsfehler haben oft katastrophale Folgen. Sie sind leicht zu vermeiden. Denn die Pferdesprache ist einfach. Und, um im Bilde zu bleiben, mit einem kleinen, klar und eindeutig formulierten Grundwortschatz kommt man bereits im Alltag sehr weit. Er hilft beim Verladen auf den Pferdehänger genauso wie beim Überwinden scheinbar un­passierbarer Hindernisse. Eine unverständliche Ausdrucksweise dagegen verunsichert und produziert Ängste.

Schon der erste Eindruck ist entscheidend. Kann ich mich dir anvertrauen? Bist du stark genug, mich in jeder Lebenslage zu beschützen? Das seien die im Grunde einzigen Fragen, die das Pferd stellt. Die Ernährung ist darin eingeschlossen. Pferde kennen keine Worte, geben keine Küsschen, machen keine Ge­schenke wie Leckerli oder Möhren. „Sie sind absolute Egoisten“, so Pignon. Sie klären ziemlich schnell, wer das beste Gras fressen darf. Dazu drohen, beißen, schlagen und steigen sie.

Um die Dominanz-Frage zu klären, benutzt Pignon die Gerte. Immer liebevoll, unaufgeregt, entspannt und ruhig, nie wütend oder zornig und nie, um das Pferd zu verletzen oder ihm weh zu tun. Bis der Vierbeiner sich ihm anvertraut. Denn in den Aufgabenbereich des Dominanten fällt auch die Verantwortung für den Dominierten. Der Sorge um sein Wohlergehen entledigt, entspannt Letzterer. „Der Mensch“, so Pignon, „dominiert von Natur aus die Kreatur, muss sie aber davon überzeugen. Nur dann ist er überhaupt für das Pferd interessant und kann sein Komplize werden.“

Die Welt vieler Pferdefreunde, die ihre Pferde am liebsten streicheln, füttern, beschmusen, sich von ihnen beschnuppern und beknabbern lassen, gerät hier aus den Fugen. Pignon spricht nicht, füttert nicht, streichelt nicht, erlaubt keine Nähe und kein Schnuppern, weder an sich selbst, noch an möglichen Gefahrenquellen. Er will keine Eigeninitiative, sondern volle Konzentration und volles Vertrauen auf und in ihn und willige Gefolgschaft.

Auf dieser Grundlage erbaut er spielerisch ein ganzes Universum: eine faszinierende Show mit derzeit 14 frei laufenden Pferden, die jüngsten noch im Fohlenalter. Bei der „Baltic Horse Show“ in Kiel war die Truppe derart tiefenentspannt, dass der eine oder andere Kumpel bei der Arbeit sogar gähnte. Alles lief wie am Schnürchen. Eine Woche danach, beim 52. Trakehner Hengstmarkt in Neumünster, sah die Welt etwas anders aus. Die Kübelpflanzen am Hallenrand lieferten zeitweilig die besseren Argumente. Respekt und Gehorsam muss sich auch ein Pignon immer wieder erarbeiten. Pferde machen keine Geschenke!

Dabei fing alles mit einem Geschenk an. An einem Frühlingstag im Jahr 1978 machte sich André Pignon, Züchter und Ausbilder, auf die Suche nach einem Pferd für eine Freundin. Nach Hause kommt er statt mit einem mit zwei Pferden. Eigentlich nur mit eineinhalb, denn der Beipack ist fürchterlich mager, hat keine Papiere und sollte zum Schlachter gebracht werden. Doch mit seinem zutraulichen Verhalten er­obert das 18 Monate alte Stutfohlen das Herz des Familienvaters, der es für seine Kinder mitnimmt.

Gazelle, wie der Familienzuwachs wegen seiner langen knochigen Beine genannt wird, wählt sich den zehnjährigen Jean François aus. Damit ist er fortan für ihre Erziehung verantwortlich und lernt dabei auch selber, Hartnäckigkeit und Geduld zu zeigen. Der Beginn einer einzigartigen Beziehung, die das Paar zu Showstars machte. Mit 23 Jahren verlässt Gazelle in Barcelona in Topform das Rampenlicht. Nicht ganz: Mit dem 2012 angelaufenen Kinofilm „Gazelle“ bleibt sie dem Publikum auf unbestimmte Zeit erhalten. Helga Schnehagen


Berauscht zum Martinsfest

Einer Legende nach sollen die Mosellaner die Straußenwirtschaften erfunden haben, um sich in trüben Novembertagen aufzuheitern. Denn in den kleinen Weinschenken der Winzer wird dann der Federweißer ausgeschenkt, jener noch gärende Jungwein, der mancherorts nicht zu Unrecht wegen gewisser Nachwirkungen auch „Rauscher“ ge-nannt wird. In der Moselstadt Cochem wird der aus weißen Rebsorten gepresste Traubenmost, der gerade zu gären be­ginnt, am zweiten und dritten Wochenende im November bei Musik, Stimmung und Tanz im beheizten Festzelt ausgeschenkt.

Die voranschreitende Gärung kann seinen Geschmack innerhalb von Stunden völlig verändern. Entsprechend schwierig er­weisen sich Transport und Lagerung. Genau das aber ist eine der Stärken dieses kapriziösen Ge­tränks: Federweißer ist immer frisch. Weil er viele Vitamine, verdauungsfördernde Milchsäurebakterien und relativ wenig Alkohol enthält, ist er auch gesund.

Zum Federweißer, der andernorts Najer Woi oder Bitzler (Pfalz), Bremser (Franken), Sauser (Ba­den, Südtirol) und Sturm oder Heuriger (Österreich) heißt, wird oft Zwiebelkuchen serviert. Doch am 11. November locken die Straußenstuben an der Mosel mit dem Duft gebratener Gänse – aber erst, nachdem die Martinsfeuer auf den Höhen entzündet und im Tal die Laternenumzüge beendet wurden. Harald Tews

Federweißerfest Cochem: am 8. und 9. sowie 14. und 15. November auf dem Endertplatz.


Auf Schatzsuche nach Fuggergold

Um 1500 wurde die Welt plötzlich riesig. Die Spanier eroberten ihr Kolonialreich in Südamerika, indessen erlangten die Portugiesen mit dem lukrativen Gewürzhandel über ihre asiatischen Handelsniederlassungen große Vermögen. Im Sommer 1533 sank eines ihrer reich beladenen Handelsschiffe namens „Bom Jesus“ („Guter Jesus“) auf seiner Fahrt nach Indien in einem Sturm im südlichen Atlantik. Die Sensation war perfekt, als südafrikanische Ex­perten 2008 ein im Diamantensperrgebiet vor der Küste Namibias entdecktes Schiffswrack als die „Bom Jesus“ identifizierten.

Arbeiter waren im April des Jahres in 180 Metern Entfernung vom Strand nahe der Stadt Oranjemund auf die Reste des Indienseglers gestoßen. Der vom Chefgeologen der Namdeb-Diamantenmine herbeigerufene Minenarchäologe Dieter Noli erkannte in den zum Vorschein gekommenen Röhren bronzene Hinterlader-Kanonen, wie sie im Mittelmeerraum um 1535 als Schiffsgeschütze ge­bräuchlich waren.

Bei seinen Vorträgen kommt der in Kapstadt geborene, deutschstämmige Noli jedes Mal ins Schwärmen: Die Überreste der „Bom Jesus“ ergaben das am vollständigsten erhaltene Schiff aus dem 16. Jahrhundert. Zurückzuführen ist das auf den Fundort im Gebiet des Diamantentagebaus. Infolgedessen war den skrupellosen Wracktauchern auch die kostbare Ladung des Seglers entgangen. Bei der Ausgrabung auf dem durch einen Deich gesicherten Areal sieben Meter unterhalb des Meeresspiegels barg man mehr als 2500 Gold- und Silbermünzen, Seeastrolabien für die Navigation, Schwerter, Ele­fantenstoßzähne und große Mengen von Quecksilber in versiegelten Tonbehältern.

Mit von der Partie war auch der Kulturwissenschaftler Wolfgang Knabe aus Königsbrunn, dessen Spezialgebiet der Aufbruch deutschsprachiger Entdecker und Kaufleute in der Frühen Neuzeit ist. In der Tat fanden sich eindrucksvolle Belege dafür, dass schwäbische Kaufleute erfolgreich in den Überseehandel der Portugiesen mit Indien und China eingestiegen waren: An Bord befand sich auch eine Warenladung von Augsburger und Nürnberger Kaufleuten, darunter mehrere Tonnen Kupferbarren, die sämtlich mit dem Handelszeichen des Augsburger Handelshauses Fugger gestempelt sind. Insgesamt spiegelt sich mit den Funden das europäische Warensortiment im damaligen Asienhandel wieder. Doch nur Portugiesen und Italiener investierten in eigene Schiffe.

Das Ergebnis ihrer akribischen Untersuchungen publizierten Knabe und Noli 2012 in ihrem faszinierenden Buch „Die versunkenen Schätze der ‚Bom Jesus‘: Sensationsfund eines Indienseglers aus der Frühzeit des Welthandels“. Im Fernhandelsmuseum „Mercatorum“ in Königsbrunn bei Augsburg, dessen Gründung maßgeblich auf die Bestrebungen von Knabe zurückgeht, wird ein 1:50-Modell der „Bom Jesus“ gezeigt. Auch in Oranjemund ist der Bau eines Museums geplant, in dessen Mittelpunkt das portugiesische Schiff mit seiner Ladung stehen wird. D. Jestrzemski


S. 22 Neue Bücher

Bewusst vernachlässigt
Kriminalität in Deutschland

Angesichts der aktuellen Gefahrenlage aufgrund des aggressiven Islamismus sowie der immer ungebremsteren Zuwanderung von „Flüchtlingen“ aller Art – bald wohl auch solchen, die Terror und Ebola verbreiten – sind die Probleme durch die organisierte Kriminalität mittlerweile ziemlich in den Hintergrund getreten. Dabei brennt es auf diesem Gebiet genauso lichterloh: Deutschland ist und bleibt ein bevorzugter Tummelplatz für osteuropäische und asiatische Menschenhändler, Mafiabanden russischer, italienischer und balkanesischer Herkunft, Drogensyndikate aus aller Herren Ländern, Rockergangs, Autoknackerkolonnen und anderes zwielichtiges Gesindel.

Die Ursache hierfür liegt in der oftmals hanebüchenen Rechtslage und der daraus resultierenden knieweichen Strafverfolgung. Und genau so lautet dann auch die Kernaussage des Buches „Deutschland, Verbrecherland? Mein Einsatz gegen die organisierte Kriminalität“ von Egbert Bülles, wobei Autor und Verlag gut daran getan hätten, das Fragezeichen hinter „Verbrecherland“ durch ein Ausrufezeichen zu ersetzen. Denn die Befunde des ehemaligen Chefs der Abteilung organisierte Kriminalität bei der Kölner Staatsanwaltschaft sind mehr als eindeutig: Während die Spitzen von Politik und Polizei wider besseres Wissen verkünden, das organisierte Verbrechen befinde sich in der Bundesrepublik auf dem Rückzug, expandiert dieses in Wirklichkeit in erschreckendem Ausmaß.

Betrachtet man dabei die von Bülles beschriebenen Deliktgruppen (Einschleusung von Scheinasylanten, Frauen- und Drogenhandel, Geldwäsche, Autoklau, Trickbetrug, EC-Karten-Ausspähung, Schutzgelderpressung), so wird schnell klar, warum die Sicherheitsorgane und die Justiz unseres Staates derart ineffizient, ja unwillig agieren: Organisierte Kriminalität ist zum allergrößten Teil Ausländerkriminalität – und die darf es bekanntlich nicht in nennenswertem Umfang geben! Also lautet die Devise: „Lieber Verbrechensphänomene nach Gutmenschenart verschweigen, als sie wirksam zu bekämpfen.“

Ein weiterer Hemmschuh ist der Föderalismus. Dies kann man am Beispiel des Falles einer Gruppe von Trickbetrügern aus Polen und Rumänien ersehen, den Bülles schildert. Am Ende waren 29 Staatsanwaltschaften in sieben Bundesländern damit beschäftigt, eine einzige Person aus der Bande zu verfolgen, wobei die Ermittlungsbehörden mehr gegeneinander als zusammen arbeiteten, weswegen die Hintermänner auch nie gefasst werden konnten. Dazu kommt der politisch gewollte Personalmangel. Die Zahl der Beamten, die sich mit der organisierten Kriminalität herumschlagen, ist viel zu klein und tendenziell rück-läufig, während die Abteilungen für die Bekämpfung des tatsächlichen oder herbeiphantasierten Rechtsextremismus immer weiter aufgestockt werden.

Am meisten empört den Oberstaatsanwalt a.D. aber nicht dieser Umstand, sondern der völlig unangemessene „Respekt vor dem Mafia-Geld“: Bis heute habe es die Politik nicht fertiggebracht, das UN-Abkommen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität aus dem Jahre 2000 und die daraus erwachsenden EU-Richtlinien umzusetzen, so dass die konsequente Beschlagnahme von kriminell erworbenen Vermögenswerten nach wie vor unterbleibe. Dabei, so Bülles, „ist das liebe Geld die Achillesferse der Verbrecher-Gesellschaft. Nichts trifft die Banden so sehr wie der Verlust ihrer Finanzmittel. Diese sind ihr Fundament.“

Alles in allem also eine niederschmetternde Diagnose. Und ein weiterer guter Grund, Staat und Justiz zu misstrauen.

Wolfgang Kaufmann

Egbert Bülles: „Deutschland, Verbrecherland? Mein Einsatz gegen die organisierte Kriminalität“, Econ Verlag, Berlin 2013, broschiert, 297 Seiten, 18,99 Euro


Zu viel Vielfalt schadet
Oxford-Professor warnt vor Folgen wachsender Zuwanderung

Dass es viele werden, war absehbar. Daher verkündete Innenminister Thomas de Maizère bereits im Frühsommer, dass er für dieses Jahr von 200000 Asylbewerbern in Deutschland ausgehe. Inzwischen gilt es jedoch als wahrscheinlicher, dass es 230000 werden. Und während sich die Berichte über chaotische Zustände in den Aufnahmelagern häufen, betonen zahlreiche Politiker immer wieder, wie wichtig Zuwanderung für Deutschland sei, um unseren Fachkräftemangel zu beheben. Kritische Grundsatzfragen zum Thema Einwanderung werden hingegen kaum gestell, und allein daher ist das aktuelle Buch des britischen Ökonomen Paul Collier „Exodus. Warum wir Einwanderung neu regeln müssen“ dringend eine weite Verbreitung zu wünschen.

Dass das geschieht, ist jedoch nicht anzunehmen, denn der Oxford-Professor kommt zu vielen Schlüssen, die unsere Politiker nicht hören wollen. Er selbst ist der Enkel eines Deutschen, der Anfang des 20. Jahrhunderts sein Glück in Großbritannien suchte. Karl Hellenschmidts Vita hat den Enkel bis heute geprägt, nie würde dieser Zuwanderung grundsätzlich infrage stellen, doch nimmt er gerade seine Familie als Beispiel dafür, dass nur über Integration beziehungsweise Assimilation die Aufnahmegesellschaft, von der ja auch der Zuwanderer profitiert, erhalten bleiben kann. Wie viel Vielfalt erträgt eine Gesellschaft, lautet daher eine seiner vielen Fragen.

Dabei betont er auch stets, wie wichtig der Erhalt der Nation ist, diese gemeinsame Identität sei bedeutend für die Solidarität untereinander, wie er anhand zahlreicher Studien belegt. Durch die Arbeit an seinem 2008 erschienen Bestseller „Die unterste Milliarde“ hat er sich sehr intensiv mit der Entwicklung Afrikas befasst und weiß daher, das Nationen eine wichtige Grundlagen für einen Rechtsstaat sind, der wiederum Grundlage für Wohlstand ist. Ein Staat hingegen, der sich nur aus unterschiedlichen Familienverbänden, Clans, Sippen, Ethnien oder Ähnlichem zusammensetze, erlange nie den nötigen Zusammenhalt. Dies belegt Collier anhand von Länderbeispielen.

Überhaupt ist „Exodus“ recht zahlenlastig. Doch das ist auch notwendig. Die angeführten Studien untermauern Colliers Thesen und machen es schwer, seine Argumente einfach zu übergehen. Kapitel für Kapitel erarbeitet er die Antworten auf drei grundsätzliche Fragen: Was bestimmt die Entscheidungen von Migranten? Wie wirkt sich die Migration auf die Zurück-gelassenen aus? Und welche Folgen hat sie für die einheimische Bevölkerung in den Aufnahmegesellschaften? Über diesen drei Teilfragen steht die Hauptfrage, wie viel Zuwanderung daher für alle drei beteiligten Parteien die beste sei.

Im Rahmen seiner Ausführungen rechnet Collier zudem mit dem Multikulturalismus ab. „Wenn ein anständiger Lebensstandard etwas Schätzenswertes ist, dann sind, an diesem Kriterium gemessen, eben nicht alle Kulturen gleich.“ Als Beispiel führt er hier die Nigerianer an, die aus der Erfahrung ihres Umfeldes heraus von starkem Misstrauen gegeneinander geprägt seien. Dieses Misstrauen trügen sie auch in ihre Aufnahmeländer, und je nachdem, wie groß die Zahl der Nigerianer dort sei, gehe von ihnen eine Art Ansteckungsgefahr aus. Und wenn irgendwann keiner mehr keinem traut, dann sei das der Anfang vom Ende einer solidarischen Gesellschaft. Schon jetzt hätten Studien belegt, dass „je mehr Einwanderer in einer Gemeinde leben, desto geringer wird das Vertrauen nicht nur zwischen den verschiedenen Gruppen, sondern auch innerhalb der Gruppen“.

Der Autor verweist auch darauf, dass sich die Migrationspolitik der Aufnahmeländer häufig nicht mit den Ansichten ihrer Bevölkerung deckt. Zu allem Übel würden jegliche seriöse Debatten zu dem Thema von den Parteien abgewürgt, was fatalerweise wiederum dazu führe, dass sich Rechtsradikale des Themas annähmen.

Zudem hat Collier sich mit Details befasst, welche Auswirkungen die Zuwanderung auf die Löhne, die Wohnsituation oder die Bildung in den Aufnahmelagern hat. Hier konkurrieren die Zuwanderer vor allem mit den unteren sozialen Schichten … und den bereits vor Ort lebenden Migranten. Und beheben Einwanderer wirklich den Fachkräftemangel? Auch hier kommt der Autor zu Ergebnissen, die unsere Politiker nicht hören wollen. Ähnliches gilt auch für die Behauptung, viele Zuwanderer ins Land zu lassen, sei eine humanitäre Pflicht. Hier hebt der Ökonom hervor, dass schließlich keineswegs die Ärmsten der Armen kämen und die unterentwickelten Herkunftsländer so ihre sowieso schon kleine Mittelschicht verlören. Zwar würden die Ausgewanderten Geld an ihre daheimgebliebenen Familien überweisen, doch dieses würde selten entwicklungsfördernd eingesetzt.

Am Ende seiner höchst aufschlussreichen Ausführungen kommt der Autor zu dem Schluss, dass nur die baldige Einführung von Obergrenzen für Zuwanderer für Aufnahmeländer wie Herkunftsländer, aber auch die Migranten selbst vor negativen Folgen schützen kann. R. Bellano

Paul Collier: „Exodus. Warum wir Einwanderung neu regeln müssen“, Siedler, München 2014, geb., 314 Seiten, 22,99 Euro


Noch lange nicht »ein Volk«
Was die Deutschen im Osten und im Westen noch voneinander trennt

Viele Mitbürger, die im Westen wohnen, hatten mit der DDR und den Folgen nach der „Wende“ wenig am Hut. Immer wieder hört man von Ex-DDR-Bürgern, wie sehr sie selber sich für den Westen interessierten und wie mangelhaft das Interesse von der anderen Seite war und ist. Kann man sich zum Beispiel in Baden-Württemberg oder Bayern vorstellen, dass viele Menschen aus den neuen Bundesländern sich noch immer als zweitklassig fühlen? 25 Jahre nach dem Mauerfall ist – von unterschiedlichen Löhnen und Gehältern mal abgesehen – noch längst nicht alles gleich. Einige änderten ihre Vornamen, wenn sie im Westen arbeiteten, um nicht gleich als Ossi erkannt zu werden. Viele können nur schwer mit den Diskriminierungen leben. Einige sind schweigsam geworden, verbittert. Erst, wenn man sich mit den Menschen aus Brandenburg oder Thüringen unterhält und wirklich einmal zuhört, erfährt man die Bedenken, die noch immer vorherrschen.

Die im Buch „Der Osten ist ein Gefühl“ vertretenen Stimmen gehören Prominenten wie Sebastian Krumbiegel, Achim Mentzel oder Inka Bause. Aber auch Unbekannte kommen zu Wort, erzählen ihre Geschichte. Es gehen auch einige Blicke von West nach Ost. Menschen, die damals viel mit der DDR zu tun hatten wie Wolfgang Klein, von 1983 bis 1986 Korrespondent für die ARD in Ost-Berlin.

Auch heute noch ist die Mauer in den Köpfen der Menschen nicht verschwunden. Das erfährt die Herausgeberin Anja Goerz in ihrer täglichen Rundfunkarbeit. Die Journalistin stammt vom nordfriesischen Festland. Dort hatte man wenig mit dem Osten zu tun. Erst die Arbeit beim Radiosender radioeins/rbb und ihr Wohnort in Falkensee bei Berlin machten es ihr deutlich. Wer hat bisher jemals denjenigen zugehört, die sich über die „Wende“ nicht freuten? Wer hat den Alltagsgeschichten aus der DDR gelauscht? Nachgefragt, wie man lebte im „Arbeiter- und Bauernstaat“, ohne gleich mit westdeutschen Plattitüden alles niederzuwalzen.

Wer im sogenannten Speckgürtel rund um Berlin lebt, spürt es täglich – auch 25 Jahre nach dem Mauerfall. Wir sind noch lange nicht „ein Volk“. Zu viel Unausgesprochenes steht zwischen den Deutschen aus Ost und West. Es wurde viel zu wenig miteinander geredet. Silvia Friedrich

Anja Goerz: „Der Osten ist ein Gefühl“, dtv premium, München 2014, kartoniert, 200 Seiten, 14,90 Euro


Mehr Mut und Größe
Autor bemängelt die Zunahme an faulen Kompromissen in der deutschen Politik

Gut zu verhandeln, das ist eine hohe Kunst, deren Basis erlernbare Techniken sind. Darüber hinaus ist Persönlichkeitskompetenz gefragt. Wirklich neu ist diese Erkenntnis aus dem Bereich der Sozialwissenschaften nicht, und doch werden in der Politik, wo ständig auf allen Ebenen verhandelt wird, immer wieder vermeidbare Fehler in der Verhandlungsführung gemacht. Welche genau und wie man im Rahmen einer definierten Rolle zielorientiert verhandeln sollte, erklärt Matthias Schranner in seinem Buch „Faule Kompromisse. Wie gut verhandeln unsere Politiker?“ Der Econ Verlag stellt den Autor, Jahrgang 1964, als einen der führenden Verhandlungsexperten vor. Seine Karriere begann bei der Polizei, wo Schranner als verdeckter Drogenfahnder arbeitete. Heute berät er die Vereinten Nationen, global vernetzte Konzerne und Arbeitgeberverbände. Auch bei Parteiverhandlungen wirkt er im Hintergrund als Berater mit.

In der Politik läuft zu viel falsch, befindet der Autor. Gegen akzeptable Kompromisse hat er nichts einzuwenden. Doch nur allzu häufig seien faule Kompromisse das Ergebnis von politischen Verhandlungen, und zwar in den meisten Fällen, weil eine Verhandlungspartei ohne „Mut und Größe“ zu früh einem Kompromiss zugestimmt habe. Grundsätzlich gilt die Regel, dass Entscheidungsträger wie Bundeskanzler oder Minister nicht selbst verhandeln dürfen, auch weil die Gefahr des Gesichtsverlusts zu groß ist.

Eine ständige Kontrolle der auf einer der unteren Ebenen geführten Diskurse ist nicht gegeben. Anhand der Opel-Rettung von 2008/09 legt Schranner die aus seiner Sicht von Seiten der deutschen Regierung begangenen taktischen Fehler dar. Ein echtes Verhandlungsdesaster habe sich während der Koalitionsgespräche 2009 angebahnt, als die FDP entschlossen war, „einen Regen von Steuererleichterungen auf die Bürger niederprasseln zu lassen“. Heraus kamen Steuernachlässe auf Hotelübernachtungen und somit ein Kompromiss von der Sorte schnell und schmutzig, so der Autor. Hier fehlte es offensichtlich auf beiden Seiten am Willen zu einer akzeptablen Alternativlösung.

An Namensnennungen fehlt es nicht in dem Buch. Lob, aber mehr noch Tadel werden freimütig ausgeteilt. Gern wendet sich Schranner direkt an seine Leser, stellt provokative Fragen. Leicht verständlich, beinahe schulbuchmäßig erklärt er die Methodik des politischen Verhandelns, ist es doch seine eingangs erklärte Absicht, dem Bürger als Entscheidungsträger einen Leitfaden an die Hand zu geben, um aktuelle Verhandlungen einschätzen und sich dementsprechend verhalten zu können. Wenn jemand dabei außerdem für sich selbst etwas hinzulernt, sei das ein zusätzlicher Gewinn.

Nun verfügt der Autor auch über enorme Kenntnisse aus der Privatwirtschaft. Davon aber gibt er nur theoretisches Basiswissen preis, so etwa, wenn er sich auf einen Katalog von unterschiedlichen Prämissen bei der Verhandlungsführung in Wirtschaft und Politik bezieht, was Ziel, Strategie und Taktik betrifft. Als „Königsklasse“ bezeichnet er die Verhandlungen über Kauf und Verkauf von Unternehmen. Dabei geht es um riesige Summen beziehungsweise um Gewinnmaximierung, während für die Allgemeinheit oft Tausende Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Und dennoch ist Transparenz hier tabu, wo strikte Geheimhaltung oberstes Gebot ist. Unstatthaft wäre auch eine Manager- oder gar eine Vorstandsschelte aus berufenem Munde, während „sachliche“ Politikerschelte bekanntlich durchaus eine Option sein kann. Daraus kann jeder seine Schlüsse ziehen.

Dagmar Jestrzemski

Matthias Schranner: „Faule Kompromisse. Wie gut verhandeln unsere Politiker?“, Econ Verlag, Berlin 2013, broschiert, 222 Seiten, 18 Euro


S. 23 Rautenberg Buchhandlung

Rautenberg Buchhandlung


S. 24 Panorama

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Man wird nervös / Wie die Kölner Demo eingeschlagen ist, was »Qualitätsmedien« derzeit alles erleiden, und warum »Flüchtlinge« Recht auf Komfort haben

Merken Sie’s auch? Eine merkwürdige Nervosität breitet sich aus im Land. Die Engelsgeduld, mit welcher die braven Deutschen bislang alles haben passieren lassen, ob sie es mochten oder nicht, zeigt Risse.

Auf dem Thron der Tonangeber, die den Deutschen bislang unangefochten eintrichtern konnten, was sie zu glauben und zu denken hatten, ist es unangenehm zugig geworden. Die helle Aufregung über die Kölner Hooligan-Demo gegen Salafisten ist ja kaum mit der Zahl von 5000 Teilnehmern oder den verletzten Polizisten zu erklären. Du liebe Zeit! Da hatten wir schon ganz andere Kaliber von Straßenschlachten, ohne dass ein Hahn danach krähte.

Nein, bei den sogenannten „Eliten“ aus Politik, staatlich subventioniertem Kulturbetrieb und „Qualitätsmedien“ keimt der trübe Verdacht, dass hinter „Köln“ mehr hervor lugen könnte als der Ausraster von „Fußballfans und Neonazis“, die sich da mal eben Luft gemacht haben. Nämlich eine allgemeine, ansteigende Unzufriedenheit.

Politiker sind den Dauerzorn ja schon gewöhnt. Jetzt kommen aber auch die Medien dran. Die steckten alle unter einer Decke, schrieben und redeten daher auch alle mehr oder weniger das Gleiche, so verbreiten es „Wutbürger“ und „Verschwörungstheoretiker“ im Internet. „Qualitätsjournalisten“ entgegnen, das sei alles Humbug. Gefährlicher Humbug, weil er das Vertrauen untergrabe.

Das wollen wir ihnen natürlich glauben, allerdings sollten sie uns dabei auch behilflich sein, was sie leider nicht immer sind. Als die „Tagesschau“ unter Feuer kam wegen ihrer einseitigen, verzerrenden Sicht auf die Ukraine-Krise, hat sich deren Chefredakteur Kai Gniffke peinlich verhas­pelt.

Wir erinnern uns: Die Sendung hatte behauptet, in der Ostukraine würden „OSZE-Beobachter“ von „prorussischen Separatisten“ festgehalten, was ein Skandal gewesen wäre. Allerdings handelte es sich bei den Leuten gar nicht um OSZE-Beobachter, sondern um eine undurchsichtige Gruppe westlicher Militärs, denen die Ostukrainer wohl mit einer gewissen Berechtigung skeptisch gegenüberstanden. Bis auf die PAZ und einige wenige andere Medien wollte den Deutschen diese Faktum aber kaum jemand verraten, auch die „Tagesschau“ nicht. Die Behauptung, Putins Spießgesellen hielten unschuldige Vertreter der „europäischen Staatengemeinschaft“ fest, passte einfach besser ins gewünschte Gesamtbild.

Gniffke rechtfertigte die „Tagesschau“-Enten später damit, dass „OSZE-Beobachter“ doch im Einklang mit der Wortwahl „von Nachrichtenagenturen und Qualitätszeitungen“ gestanden habe. Die „FAZ“ nannte das jetzt „eine der traurigst möglichen Rechtfertigungen“. Gniffke hat zugegeben, dass man einfach woanders abgeschrieben hatte.

Ärger in Sachen Glaubwürdigkeit hat indes auch die „FAZ“ nicht wenig, seitdem das Buch „Gekaufte Journalisten“ des ehemaligen langjährigen „FAZ“-Redakteurs Udo Ulfkotte am Markt ist: Korrupte Kollegen, verfilzt mit mächtigen Zirkeln, die vor allem aus den USA gesteuert würden, so sein deftiger Vorwurf, nicht allein, aber ganz besonders gegen die „FAZ“.

Günther Nonnenmacher, Mitherausgeber der Zeitung, hat dafür nun eine elegante Gegenoffensive ersonnen. Schon während seiner Zeit bei der „Frankfurter“ sei Ulfkotte immer merkwürdiger geworden, so Nonnenmacher laut „Mediummagazin“: „Wir haben Ulfkottes seltsame Entwicklung auf seine existenzielle Erkrankung zurückgeführt – und deshalb auch Rücksicht genommen. Menschliche Rücksichtnahme war immer ein Prinzip dieses Hauses.“ Ein Hammer, nicht wahr? Da erklärt er den Kritiker öffentlich regelrecht zum Geistesgestörten und versichert ihn zugleich seiner „menschlichen Rücksichtnahme“. Die Bandagen werden härter, offenbar fühlen sich gewisse Kreise in die Enge getrieben und schlagen um sich.

Auch andernorts wird nicht mehr gefackelt. Nach der Köln-Demo scheinen Politik und „Qualitätsmedien“ nur noch darüber nachzusinnen, wie man das Demonstrationsrecht dergestalt zusammenstaucht, dass unliebsame Demos unmöglich werden, ohne mit den neuen Regelungen auch linke Aufmärsche zu behindern. Gar nicht so einfach. Dabei drängt die Zeit. Mit jedem Tag wächst die ungezügelte Zuwanderung, und mit ihr die Zahl der unlustigen Deutschen. Die beeindruckende Welle an „Willkommenskultur“-Aktionen und „Gegen Rechts“-Attacken verliert an Wirkung, wozu auch solche Meldungen beitragen dürften: Im Ruhrgebiet haben 17 „Flüchtlinge“ ihre Unterbringung in einer Turnhalle abgelehnt wegen des mangelnden Komforts. Die Menschen aus dem Irak, Pakistan, Somalia, Syrien und Sri Lanka seien „sichtlich schockiert“ gewesen angesichts der „kargen Ausstattung“. Aha.

Was wohl ein Deutscher dabei denkt, der nach seiner Flucht 1945 in weit kärgeren Unterkünften leben musste, oft über Jahre. Oder ein Polizist, für den derlei Unterbringung bei Castor-Transporten fern der Heimat ebenso normal ist wie für einen Soldaten im Katastropheneinsatz?

Macht nichts, der Reiseveranstalter, Verzeihung, die zuständige Stadtverwaltung hat versprochen, die Unterkünfte nach den Wünschen ihrer Gäste weitaus wohnlicher zu gestalten. In der Zwischenzeit ziehen die „Flüchtlinge“ erst einmal zu Freunden und Verwandten, wie gemeldet wird.

Wie bitte? Was wird gemeldet? Die haben also Freunde und Verwandte in der Gegend, bei denen sie auch wohnen könnten, verlangen aber ultimativ, auf Kosten der deutschen Steuerzahler behaglich untergebracht zu werden? Ja, Sie haben richtig gelesen. Erzählen Sie’s aber nicht weiter, sonst könnte (nein: müsste!) man Sie beschuldigen, „Stimmung gegen Flüchtlinge“ gemacht zu haben, Sie verkappter Nazi-Hooligan!

Damit würden Sie ja auch unserem Land schaden. Schließlich haben wir alle etwas von der Bereicherung durch die neuen Nachbarn. Bei (de facto) nur noch fünf Millionen Arbeitslosen benötigen wir jeden einzelnen von denen.

Das finden Sie unlogisch? Diejenigen von den Neulingen, die nicht in die Sozialsysteme einwanderten, würden die Dauerkrise auf dem Arbeitsmarkt doch nur noch mehr verschärfen, beim Löhnedrücken helfen und die Arbeitslosigkeit hochtreiben?

Mag ja sein, aber darum geht es doch gar nicht. In manchen „Flüchtlings“-Unterkünften kommt ein Sozialarbeiter auf fünf „Flüchtlinge“, dazu Wachpersonal, Psychologen, Reinigungskräfte und so weiter. Eine ganze Industrie hat sich um das Geschäftsmodell „Flüchtlingsbetreuung“ gebildet. Eine sagenhafte Erfolgsgeschichte. Wie viele Arbeitsplätze da wohl entstanden sind? In einer Industrie, die, nebenbei bemerkt, von Leuten wie Ihnen und mir bezahlt werden muss. Aber darüber reden Sie bitte auch nicht zu laut, schließlich geht es hier um „unsere Pflicht zur Solidarität“.

Mit den „Qualitätsmedien“ ist dieser florierende Industriezweig bestens vernetzt. Da lesen und hören Sie deshalb auch immer das Gleiche, wenn es unter „Flüchtlingen“ mal wieder zu einer Messerstecherei gekommen ist oder sich die Umgebung eines Asylantenheims unversehens in einen Brennpunkt der Kriminalität verwandelt, wo man vorher tagsüber nicht einmal die Haustür abschloss.

Nämlich, was lesen Sie dann? Genau: Experten erkennen in der unerwarteten Zuspitzung einen Beleg dafür, dass es einen „erschreckenden Mangel an Betreuungsangeboten“ gegeben habe. Die betroffene Kommune fordert Land und Bund auf, die dringend benötigten Mittel für die dringend benötigten, zusätzlichen „Betreuungsangebote“ endlich bereitzustellen.

Klingelt’s? Ja, bei uns im Kopf und bei denen in der Kasse. Man würde gern wissen, was der ganze Kram zusammen kostet. Aber diese spannende Zahl werden wir in dem Land, in dem sonst wirklich alles gezählt wird, wohl nie erfahren.


MELDUNGEN / ZUR PERSON

Hardliner des Amtes enthoben

Berlin – Rudolf Hausmann, bisher Leiter der Intensivtäter-Abteilung bei der Berliner Staatsanwaltschaft, ist laut „Focus“ seines Amtes enthoben worden. Er gilt als Hardliner und hatte für Aufsehen gesorgt mit der Forderung, Kinder krimineller Klans aus den Familien zu holen und in Heimen unterzubringen. Während Hausmanns Amtszeit seit 2011 ging die Zahl jugendlicher Intensivtäter in Berlin von 550 auf zuletzt 486 zurück. H.H.

 

Sender feuert Moderator

Berlin – Der Berliner Jugend-Radiosender „Star FM“ hat seinen Moderator Martin Kesici von dessen Posten enthoben, weil er auf seiner Facebook-Seite zur Kölner „HoGeSa“-Demo geschrieben hatte: „Endlich gehen die Deutschen gegen die Salafisten auf die Straße. Wurde auch Zeit.“ Der Musiker und Sohn eines Türken bestritt, dass es sich um eine „Nazi-Demo“ gehandelt habe, schließlich seien „auch Türken, Schwarze, Kurden etc. mitgelaufen“. H.H.

 

Auf Lenins Spuren

Zur Stimmenabgabe kam der Rebellenführer in Zivil. Trat Alexander Sachartschenko in den Tagen zuvor martialisch im Kampfanzug auf, gab er sich bei der Stimmabgabe bei den umstrittenen Wahlen in der Ostukraine lammfromm im Zweireiher. Der Wolf im Schafspelz hätte sich nicht besser tarnen können.

In der selbsternannten „Volksrepublik Donezk“ unterstützten 80 Prozent der Wähler dieses Täuschungsmanöver ebenso wie im benachbarten Lugansk, wo Rebellenchef Igor Plotnizki ein ähnlich hohes Wahlergebnis in nicht totzukriegender kommunistischer Tradition eingefahren hat. Russland hatte bereits angekündigt, die Wahlen in den beiden „Volksrepubliken“ anzuerkennen. Es wird die Ausnahme bleiben. Ukraines Präsident Poroschenko bezeichnete die Wahlsieger als „Banditen“. Einen ostukrainischen Staatschef Sachartschenko, wie sich der 38-jährige Sohn eines Bergmanns aus dem „Donbass“ selbst sieht, wird er ebenso wenig anerkennen wie der Westen.

Mit Sachar­tschenko haben die Ostukrainer für die Abspaltung gestimmt. Was für eine politische Zukunft sie mit ihm bei der Wahl „gekauft“ haben, dürfte auch ihnen unbekannt sein. Wie aus dem Nichts tauchte er als Rebellenchef auf. Nach eigenen Angaben verkaufte er sein Unternehmen, um damit die Separatisten zu finanzieren.

Bislang war nur bekannt, dass er nach dem Absolvieren einer Technischen Hochschule als Minenelektriker tätig war. Möglich ist, dass er als kleiner Oligarch schon früh die politischen Strippen zog. Sicher ist: Als Anhänger der Lehren Lenins wird er den roten, blutgetränkten Weg zur Unabhängigkeit, der bislang 4000 Tote forderte, unbeirrt fortsetzen. Vielleicht setzt man dem „Banditen“ dafür ja auch mal ein Denkmal als Freiheitshelden. H. Tews


MEINUNGEN

Thomas Böhm reagiert im medienkritischen Portal „Journalistenwatch“ (29. Oktober) auf den Plan von Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU), eine Anti-Salafisten-Demo in Berlin zu verbieten:

„Die Geschehnisse um die HoGeSa-Demo in Köln legen eher die Vermutung nahe, dass hier endlich der Anlass gefunden wurde, im ,Kampf gegen Rechts‘ die Meinungsfreiheit weiter einzuschränken und unser Demonstrationsrecht nur noch für die gelten zu lassen, die politisch genehm sind. Sollten Herr Henkel und Konsorten mit diesem Verbot durchkommen, ist in diesen Tagen eine weitere Hürde in Sachen Abschaffung der Demokratie genommen worden.“

 

 

Der Kabarettist Andreas Rebers im „Münchner Merkur“ (28. Oktober) zur Gleichgültigkeit der Deutschen gegenüber der Gefahr des Islamismus:

„In kaum einem Land der Welt machen die Menschen so sehr von ihrem Recht auf Nichtwissen und Nichtwissenwollen Gebrauch wie bei uns.“

 

 

Laut einem Gerichtsurteil bekommen auch Kinder aus dem Ausland, die ihre Eltern in Deutschland besuchen, für die Zeit ihres Aufenthalts Sozialgeld. Darüber empört sich Reinhard Müller in der „FAZ“ vom 28. Oktober:

„Das ist ein weiteres fatales Signal auf dem Weg in ein anderes Land. Es fügt sich aber leider in eine Rechtsprechung, aber auch einen politischen Willen, Europa vor allem als Solidargemeinschaft zu sehen – mit Deutschland als zentralem Sozialamt.“

 

 

Der langjährige FDP-Politiker Hermann Otto Solms meint zum Kindergeld-Urteil und zur Politik der Großen Koalition in „Focus-online“ vom 31. Oktober:

„Deutschland wird ... immer mehr zum Sozialamt für Europa. Das zeigt das jüngste Urteil des Bundessozialgerichts über Hartz IV für im Ausland lebende Kinder ... Diese Unvernunft, ohne Gegenleistung möglichst viele Wohltaten zu gewähren, kann der Steuerzahler kaum noch mit seiner Arbeit und seinen Leistungen bewältigen.“

 

 

Den Vorwurf, Deutschland sei das Problem der Euro-Zone, weil es nicht genug Schulden mache, hält Christian Ortner in der Wiener „Presse“ (31. Ok­tober) für lächerlich:

„Wer Deutschland für ,das Problem Europas‘ hält, kann sich ja einen Augenblick vorstellen, wie heute eine Eurozone dastünde, in der sich Deutschland in den vergangenen zehn Jahren wie Italien oder Frankreich geriert hätte: Der hätten die Gläubiger mit Recht bereits den Geldhahn abgedreht wie den Griechen vor ihnen.“

 

 

Der renommierte „Börsenprofessor“ Max Otte warnt im „Focus“ (3. November) davor, dass sich Deutschland mit den Russland-Sanktionen in die Krise manövriere:

„Die Nato-Kriegstreiberei und der Wirtschaftskrieg gegen Russland ... ist hochgefährlich. Das ist in gewisser Weise ein Konjunkturprogramm für Amerika, weil dann die Investitionen natürlich nach Amerika fließen.“