24.04.2024

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Preußische Allgemeine Zeitung - Aktuelle Ausgabe

© Preußische Allgemeine Zeitung Folge 50/14 vom 13.12.2014

S. 1 Preußische Allgemeine Zeitung

Linke Falle
Verbissene Abgrenzung von der AfD führt die Union in die Irre

SPD, Grüne und Linkspartei wollen auf Dauer linke Vorherrschaft sichern, indem sie die Bürgerlichen spalten.

Für bürgerliche Wähler ist das Geschehen absurd: Eben haben SPD und Grüne unter dem milden Lächeln der meisten Medien einen Vertreter der aus der SED hervorgegangenen Linkspartei zum Ministerpräsidenten eines Bun­des­landes gewählt. Doch nicht dies wird zum Anlass für Attacken genommen, sondern die Nachricht, dass es zwischen CDU und AfD in Thüringen Gespräche gegeben hat, ob und wie die Wahl von Bodo Ramelow noch zu verhindern gewesen wäre.

Die Zielrichtung der gespielten Empörung ist unübersehbar. Nach dem abzusehenden Untergang der FDP soll der Union kein neuer möglicher Partner im bürgerlichen Lager nachwachsen, welcher mittelfristig nur die AfD sein könnte. Dem gegenüber öffnen sich SPD, Grüne und „Linke“ gerade sämtliche Optionen für Bündnisse links der Mitte.

Der Union soll nichts anderes mehr bleiben als darauf zu hoffen, dass jemand aus dem linken Spektrum sie zu einem Bündnis einlädt. Das ist natürlich nicht umsonst zu haben, weshalb es die inhaltliche Aushöhlung der Merkel-Partei weiter vorantreiben dürfte.

Dies führt zu einem weiteren Kuriosum, das bereits bei der vergangenen Bundestagswahl sichtbar wurde. Damals hatten die bürgerlichen Parteien Union, AfD und FDP insgesamt klar die absolute Mehrheit der Stimmen errungen. Allein, dass Liberale und AfD beide knapp an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterten, öffnete der SPD den Weg auf die Regierungsbank. Dort haben sich die Sozialdemokraten inhaltlich derart durchgesetzt mit ihren Forderungen, dass Spötter bald von der „ersten SPD-geführten Unionsregierung der Bundesrepublik“ sprachen.

Von einer Zusammenarbeit zwischen Union und AfD auf Bundesebene spricht zurzeit ohnehin niemand. Doch die verbissene Abgrenzung, welche die Bundes-CDU von ihren Landesverbänden zu erzwingen trachtet, spielt letztlich nur dem rot-rot-grünen Spektrum in die Hände. Das linke Lager gewinnt so auf lange Sicht die Initiative im Land, selbst wenn eine Mehrheit des Volkes dies gar nicht wünscht.

Denn auf diese Weise wird einem Kurs der Boden bereitet, der von weiten Teilen des Volkes in immer offensiverer Weise abgelehnt wird. Die anschwellenden Demonstrationen gegen die Zuwanderungspolitik stellen nur ein Symptom von vielen dar für diese wachsende Entfremdung.

Die FDP hat ihren sehr wahrscheinlichen Untergang der Tatsache zu verdanken, dass weite Teile ihrer einstigen Wählerschaft nicht mehr daran glaubten, dass ein Kreuz bei den Liberalen die von ihnen gewünschte Politik voran­­-bringt. Der Absturz erfolgte unmittelbar nach dem besten FDP-Wahlergebnis aller Zeiten. Das sollte die CDU nicht vergessen, die sich derzeit selbstgewiss ihrer blendenden Umfragewerte rühmt. Hans Heckel


Spritze für die Konjunktur
Deutschland beteiligt sich mit 89 Milliarden Euro an EU-Programm

Deutschland wird sich mit 89 Milliarden Euro an 58 Projekten der geplanten EU-Investitionsoffensive beteiligen. Immerhin wird das Geld überwiegend im Land bleiben. So sollen zwei Millionen Euro für den Anschluss der ländlichen Regionen in Bayern ausgegeben werden. Für den Ausbau des Berliner Eisenbahnnetzes einschließlich der Anbindung an den zukünftigen Hauptstadtflughafen BER sind 6,5 Milliarden Euro vorgesehen, für den Ausbau der Windkraft 13,5 Milliarden und für den Autobahnbau rund zehn Milliarden Euro.

Ende November hatte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker einen 315 Milliarden Euro umfassenden Investitionsplan vorgelegt, um die schwächelnde Konjunktur in Europa anzukurbeln. Neben der Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur sollen vor allem Projekte aus den Bereichen Erneuerbare Energien, Bildung, und Forschung finanziert werden. Der Wunschzettel der EU-Mitgliedsstaaten allerdings ist lang: Bisher sind Vorschläge für rund 2000 Projekte mit einem Volumen von 1,3 Billionen Euro in Brüssel eingegangen.

Die EU-Kommission hofft, durch das Investitionsprogramm das Bruttoinlandsprodukt der EU in den kommenden drei Jahren um 330 bis 410 Milliarden Euro steigern und bis zu 1,3 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen zu können. Dafür garantiert die EU über einen „Europäischen Fonds für strategische Investitionen“ 16 Milliarden Euro aus ihrem eigenen Haushalt. Weitere fünf Milliarden Euro stellt die Europäische Investitionsbank zur Verfügung. Zudem setzt die EU-Kommission auf die Beteiligung der Wirtschaft, von der sie für jeden Euro aus öffentlichen Mitteln eine Investition von 15 Euro erwartet, die andernfalls nicht getätigt würde. J.H.


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Jan Heitmann:
Unersättlich

Ohne Staat geht es nicht und der Staat benötigt Geld, das diejenigen aufbringen müssen, zu deren Daseinsvorsorge der Staat wiederum verpflichtet ist. Niemand wird das grundsätzlich in Frage stellen. Wohl aber sollte man kritisieren, wenn der Staat mehr von seinen Bürgern fordert, als er tatsächlich benötigt. Dass dem so ist, liegt nahe, wenn man sieht, dass die öffentlichen Kassen und Sozialversicherungen in diesem Jahr bereits über 66 Milliarden Euro mehr verfügen als erwartet. Wo mögen bloß die zusätzlichen Milliarden geblieben sein, fragt sich der gebeutelte Steuerzahler. Doch statt einer Antwort auf diese berechtigte Frage hört er das Klagen der Politiker über leere Kassen. Und muss immer mehr zahlen. In den vergangenen zehn Jahren ist das Steueraufkommen um 40 Prozent gewachsen, bis 2017 werden die Einnahmen des Staates aus Lohn- und Einkommensteuer um 30 Prozent zunehmen. Dennoch haben wir selbst bei gestiegenem Einkommen immer weniger im Portemonnaie.

Schuld daran ist vor allem die Kalte Progression. Für Änderungen bei dieser heimlichen Steuermehrbelastung sehen die Politiker durch die Bank keinen Spielraum. Dabei geht es gar nicht darum, dem Staat etwas wegzunehmen, sondern darum, ihm nicht noch mehr zu geben, insbesondere dann, wenn er es, wie die vorgenannten Zahlen zeigen, gar nicht benötigt. Niemand würde jemanden, der über ein kontinuierlich steigendes Einkommen verfügt, andererseits aber seine schlechte finanzielle Lage beklagt, ernstnehmen und ihm Geld geben. Genau das aber erwartet die Politik von den Bürgern. Die schlichte Wahrheit ist: Der Staat ist unersättlich geworden.


S. 2 Aktuell

»Andreas« trifft »Petrus« in Istanbul
Papst Franziskus und der Patriarch von Konstantinopel fordern von Muslimen Bekenntnis gegen Gewalt

Wie alle Päpste der letzten Jahrzehnte hat auch Papst Franziskus, Nachfolger des Apostelbruder Petrus, seinem Amtsbruder von der orthodoxen Kirche in Istanbul, dem Patriarchen von Konstantinopel und Nachfolger des Apostelbruders Andreas, schon im zweiten Jahr seiner Amtszeit einen Besuch abgestattet.

Anders als der Besuch von Papst Benedikt im Jahre 2006 in Istanbul, als jener sich wegen seiner Regensburger Äußerung zum Gewaltproblem des Islams zu rechtfertigen gezwungen sah, wurde der jetzige Besuch in Istanbul überschattet von den auch in der islamischen Welt immer mehr als Belastung empfundenen Gewaltverbrechen des sogenannten Islamischen Staates (IS) in Syrien und dem Irak, dem auch viele Christen und andere Nichtmuslime zum Opfer fallen. Wie einige Tage zuvor die jordanische Königin forderte das Oberhaupt der katholischen Kirche ein Ende der Gewalt und des Terrors im Namen der Religion im Nahen Osten. Angesicht der zunehmenden Gewalt hätten vor allem die religiösen Führer eine besondere Verantwortung, dem Terror und der Unmenschlichkeit Einhalt zu gebieten, redete Papst Franziskus den muslimischen Religionsvertretern, mit denen er auch in der Türkei zugsammengetroffen ist, ins Gewissen. Seine Gesprächspartner, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und der Obermufti der Türkei, wollten jedoch zu dieser Verantwortung keine Stellungnahme abgeben, sondern redeten von einer steigenden Gefahr der Islamophobie im We­sten, als ob die Tausende von Opfern religiöser Gewalt, vor allem Muslime selbst, nicht im Irak und in Syrien zu beklagen wären, sondern in Westeuropa.

Als der Papst die Hagia Sophia, die einst größte und bedeutendste Kirche der noch geeinten Christenheit in Konstantinopel, betrat, rief der islamische Gebetsrufer die Gläubigen zum Gebet. Das zeigte bereits, welch geringe Rücksicht und wie wenig Respekt die türkisch-islamischen Autoritäten dem obersten Repräsentanten der katholischen Christenheit entgegenbrachten. Den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, der den Papst nach Istanbul eingeladen hatte, erkennen sie erst gar nicht als Oberhaupt der Weltorthodoxie an und sie verweigern immer noch die Wiedereröffnung des einzigen geistlichen Seminars des Patriachats auf der Istanbul vorgelagerten Insel Chalki. Mit seinem orthodoxen Amtsbruder Bartholomäus, der den Papst zum Andreasfest der orthodoxen Christen eingeladen hatte, verbinden den Papst gleich mehrere Agenden, nicht nur das Bemühen um die Einheit der Christen sowie den Schutz der religiösen Minderheiten und der Natur. In mehreren gemeinsamen ökumenischen Gottesdiensten und Gebetsfeiern ließen beide auch die christlichen Randgruppen in Istanbul zu Wort kommen, Opfer der Bürgerkriege in Syrien, dem Irak und der Ukraine sowie afrikanische Flüchtlinge, die auch, oft nur als Zwischenstation auf ihrem Weg nach Westeuropa, in der Türkei hängen geblieben sind. Sie gestalteten mit ihren Gesängen den Papst-Gottesdienst in der katholischen Kathedrale von Istanbul.

In der türkischen Öffentlichkeit wurde der Besuch des Papstes kaum wahrgenommen. Es gab keine geschmückten Straßen und Fahnen, wie sonst üblich bei Papstbesuchen in europäischen Ländern; sogar im islamischen Albanien waren die Straßen noch wenige Wochen zuvor

geschmückt gewesen. Die Zeitungen und das Staatsfernsehen berichteten kaum über den Besuch, was etwas verwunderte, hatte der Papst doch nur wenige Tage zuvor vor dem Europaparlament gesprochen und dort den Vertretern Europas, zu dem die Türkei ja auch gehören will, ins Gewissen geredet. Wenn berichtet wurde, wurde besonders die Bescheidenheit des Pontifex hervorgehoben. Vor dem Prunkpalast von Staatschef Erdogan in Ankara, in dem der Papst als erster Staatsgast empfangen wurde, machte der Gast gute Miene zum bösen Spiel. Der Prunksucht und der Umweltzerstörung – der neue Präsidentenpalast wurde in einem Naturschutzgebiet errichtet – setzte der Papst Bescheidenheit und Nachhaltigkeit entgegen. In Istanbul verschmähte Franziskus erneut die bereitgestellte Luxuslimousine und stieg stattdessen in einen einfachen Renault. Übernachten wollte er nicht in einem Fünf-Sterne-Hotel, sondern in einer bescheidenen Unterkunft.

Solche Gesten kamen auch in der Türkei, die immer mehr unter den Sultanallüren ihres Staatsoberhauptes leidet, gut an. Auch Teile der Führungselite um Erdogan zeigten sich beeindruckt vom Papst. Ibrahim Kalin, ein enger Berater von Präsident Erdogan, lobte in einem Beitrag für die regierungsnahe englischsprachige Zeitung „Daily Sabah“ die Ernsthaftigkeit des Papstes beim Dialog zwischen Christen und Muslimen. Franziskus war in Istanbul sogar schon einen Schritt weiter, als er in der Wir-Form von Christen und Muslimen als Gläubigen in der Einen Welt sprach. Bodo Bost


Griff nach Hollywood
Chinesen wollen nicht nur US-Filme konsumieren und imitieren

China gewinnt als Markt für Produkte der Filmindustrie rasant an Bedeutung. Der Umsatz wird dieses Jahr bei rund fünf Milliarden US-Dollar liegen. Es wird erwartet, dass der Anteil der Kinogänger unter den Chinesen, der 2000 noch bei mageren vier Prozent lag, bis 2019 auf über 75 Prozent hochschnellen wird und der chinesische den US-amerikanischen als weltweit größten Markt ablösen wird. Statistisch gesehen entstehen im Reich der Mitte jeden Tag zehn neue Kinos. Bereits im vergangenen Jahr hat einer der reichsten Männer Chinas, der Milliardär Wang Jianlin, der mit der „Dalian Wanda Group“ Chinas größte Kinokette besitzt und 2012 die größte US-amerikanische Kinokette, AMC, erworben hat, mit großem Pomp und unter Beteiligung diverser Leinwandgrößen aus Hollywood ein neues riesiges Filmstudio für umgerechnet 8,2-Milliarden US-Dollar eröffnet. Oriental Movie Metropolis soll das Hollywood Chnas werden. Denn insbesondere nach amerikanischen Filmen ist die Nachfrage dort groß.

Chinas Wirtschaft versucht von diesem Interesse jedoch nicht nur dadurch zu profitieren, dass es die amerikanische Filmindustrie kopiert, sondern auch dadurch, dass es sich am Original beteiligt, sprich in die amerikanische Filmindustrie investiert. So gab nun Wang Jianlin bekannt, dass er sich mit dem im kalifornischen Santa Monica beheimateten kanadischem Medienunternehmen Lionsgate in die seit 2004 kommerziell erfolgreichste Film- und Fernsehvertriebsgesellschaft außerhalb der USA einkauft. Das Hollywood-Studio hat einige der kommerziell erfolgreichsten Filme der letzten Jahre herausgebracht wie „Die Tribute von Panem“-Serie und „Breaking Dawn – Bis(s) zum Ende der Nacht“, enorme Kassenschlager auch in China. Ob Wang Jianlin die Aktienmehrheit an Lionsgate wird erwerben können, hängt von den noch laufenden Verhandlungen ab. Daneben will der umtriebige Chinese auch noch in die alteingesessene US-amerikanische Filmproduktions- und Filmverleihgesellschaft Metro Goldwyn Mayer (MGM) investieren.

Wie Wang Jianlin ist auch sein Landsmann und Konkurrent Jack Ma, Gründer der Handels- und Kommunikationsplattform Alibaba.com, an der amerikanischen Filmindustrie interessiert. Diesen Oktober besuchte er Hollywood und verhandelte mit führenden Repräsentanten der dortigen großen Studios. Auch er zeigte Interesse an einem Engagement bei Lionsgate. Das aus Hollywoods Blütezeiten bekannte ehemalige Grauman’s Chinese Theatre, das heutige TCL Chinese Theatre, ist bereits seit 2013 in chinesischem Besitz.

Chinas Präsident Xi Jinping sieht die Entwicklung mit Wohlwollen und als eine Gelegenheit, die, den wirtschaftlichen wie kulturellen Ruf seines Landes in der Welt „mit sanfter Gewalt“ (so sein Motto) zu verbessern. „Hollywood-Filme sind großartig und ehrlich“, so der Staatspräsident der Volksrepublik und Generalsekretär der Kommunistischen Partei. Sie vermittelten „eine klare Sicht auf Werte und den Unterschied zwischen Gut und Böse.“

Liselotte Millauer/M.R.


Streit um Rente
Regierung sieht »erfreuliche Entwicklung«

Das durchschnittliche Rentenzugangsalter hat sich seit dem Jahr 2000 um knapp zwei Jahre erhöht und lag im Jahr 2013 bei 64,1 Jahren, wobei es kaum Unterschiede zwischen Männern und Frauen gab. Das geht aus dem aktuellen Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung hervor. Demnach ist im gleichen Zeitraum auch die Erwerbstätigenquote der 60- bis 64-Jährigen von 20 Prozent auf 50 Prozent angestiegen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung bis zum Jahr 2028 auf 21,4 Prozent steigen werden. Dass die Versicherten trotz der Beitragserhöhungen im Rentenalter keine adäquate Gegenleistung mehr zu erwarten haben, geht aus dem Bericht unmissverständlich hervor: „In Zukunft wird der erworbene Lebensstandard nur dann erhalten bleiben, wenn die finanziellen Spielräume des Alterseinkünftegesetzes und die staatliche Förderung genutzt werden, um eine zusätzliche Vorsorge aufzubauen.“

Unterdessen fordert die Bundestagsfraktion der Linkspartei leichtere altersgerechte Übergänge in die Rente anstatt einer Rente ab 67 Jahren und verweist in einem parlamentarischen Antrag auf die ihrer Ansicht nach schlechte Beschäftigungssituation älterer Menschen. So sei im Alter von 64 Jahren nur noch knapp jeder Zehnte in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Sie fordert deshalb von der Bundesregierung, die Rente mit 67 zurückzunehmen und es Versicherten mit 40 Beitragsjahren ab Vollendung des 60. Lebensjahres zu ermöglichen, abschlagsfrei in Rente gehen zu können.

Die Bundesregierung hingegen hält die im Jahre 2007 beschlossene Rente mit 67 weiter „für notwendig und vertretbar“. Aus ihrem zweiten „Bericht zur Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre“ geht hervor, dass sie die Entwick­lung sogar für „mehr als erfreulich“ hält. Gegenüber dem ersten Bericht 2010 habe sich die Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmer deutlich erhöht, auch habe sich deren soziale Lage, „bezogen auf Gesundheit und Bildungsniveau“, weiter verbessert, so die Begründung der Bundesregierung. J.H.


MELDUNGEN

Vergoldeter Ruhestand

Brüssel – Der ehemalige EU-Ratspräsident Herman van Rompuy wird nach Recherchen der britischen Zeitung „The Telegraph“ in den nächsten drei Jahren 729000 Euro von den Steuerzahlern der EU erhalten. Van Rompuy, der zum 1. Dezember sein Amt an Donald Tusk übergeben hat, kann mit einem Übergangsgeld in Höhe von 55 Prozent seines Basiseinkommens, einer einmaligen Zahlung von 26000 sowie einer Pension von etwas mehr als 65000 Euro im Jahr rechnen. In Brüssel wird die Zahlung derart hoher Übergangsgelder damit begründet, dass die totale Unabhängigkeit der EU-Politiker gesichert werden müsse. Laut „Telegraph“ sind die Zahlungen an den ehemaligen EU-Ratspräsidenten nur „Teil einer viel größeren Rechnung für den Wechsel in der EU-Administration“. N.H.

 

Unabhängigkeit für Datenschützer

Bonn – Die Bundesregierung will dem Amt des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit den Status einer obersten Bundesbehörde verleihen, die eigenständig und unabhängig ausgestaltet ist. Noch untersteht die Datenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff mit Dienstsitz in Bonn der Dienstaufsicht des Bundesinnenministeriums, während die Rechtsaufsicht durch die Bundesregierung ausgeübt wird. Mit dem Gesetzentwurf reagiert die Regierung auf Urteile des Europäischen Gerichtshofs, in denen die Anforderungen an die Unabhängigkeit der datenschutzrechtlichen Kontrollstellen präzisiert wurden. Künftig soll das Amt ausschließlich parlamentarischer und gerichtlicher Kontrolle unterstehen. Auf eine Rechtsaufsicht der Bundesregierung und Dienstaufsicht des Innenministeriums soll verzichtet werden, das Amt soll auch nicht mehr organisatorisch an ein Ministerium angebunden sein. Die Amtsleitung soll vom Bundestag gewählt werden. J.H.


S. 3 Preussen/Berlin

Linke bedrohen Herrmann
Kreuzberg: Grüne Bezirksbürgermeisterin im Visier der eigenen Gefolgsleute

Ein „Antirassistischer Adventsbesuch“ durch Linksextremisten im Wohnhaus von Monika Herrmann (Grüne) zeigt, in welche Lage sich die umstrittene Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg mit ihrer Politik manövriert hat: Aktivisten einer „Autonomen Zelle Umzug“ sind in das Wohnhaus von Herrmann eingedrungen und haben die Wände des Hausflurs beklebt und mit Parolen beschmiert.

Als unverhohlene Aufforderung zum Weggang wurden Herrmann obendrein noch Umzugskartons in den Hausflur vor die Wohnungstür gestellt. Wie aus einem Bekennerschreiben hervorgeht, werfen die Linksextremisten der Grünen vor, sie habe „den politischen Flüchtlingen vom Kreuzberger Oranienplatz die politische Solidarität entzogen“. Herrmann habe die Flüchtlinge „hingehalten, verarscht und ausgetrickst“ sowie sich der Verantwortung entzogen, lauten die Anfeindungen der „Autonomen Zelle Umzug“.

Die linksextreme „Unterstützerszene“ wirft Herrmann vor, dass sie an der Räumung des lange von Asylbewerbern besetzten Kreuzberger Oranienplatzes mitgewirkt habe. Ebenso übelgenommen wird, dass Hermann angedeutet hat, auch eine polizeiliche Räumung der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule sei als allerletztes Mittel denkbar.

Besonders pikant ist die scharfe Verurteilung der Aktion gegen Herrmann durch die Grünen. So hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der Landesparteichefs Bettina Jarasch und Daniel Wesener sowie der Spitze des Kreisverbands Friedrichshain-Kreuzberg: „Wir müssen in Berlin deshalb gemeinsam deutlich machen, dass Gewalt und Drohungen kein Mittel der Politik sind, gerade in der Flüchtlingspolitik.“

Sprechen sich Kritiker für eine kontrollierte Zuwanderungspolitik oder gegen den Missbrauch des Asylrechts aus, scheinen allerdings völlig andere Kriterien zu gelten. So werden gesetzeswidrige Blockaden von ordnungsgemäß angemeldeten Demonstrationen oder gar linksextremistische Gewalt gegen Zuwanderungskritiker im Regelfall mit dem Schlagwort „Zivilcourage“ verharmlost oder gar gererchtfertigt.

Aus Sicht Hermanns kann die Aktion der Autonomen als Menetekel gewertet werden: Offensichtlich ist, dass Herrmann selbst bei Kreuzbergern, die den Grünen bisher durchaus gewogen waren, viele Sympathien eingebüßt hat. Der linksextremen Szene geht die „Flüchtlingspolitik“ der Grünen offenbar noch längst nicht weit genug.

Ein ähnliches Desaster droht bei einem weiteren politischen Projekt, das die 50-Jährige mit Inbrunst vorantreibt. Geht es nach Kreuzbergs Grünen, dann soll der legale Verkauf von Cannabis die aus dem Ruder gelaufene Lage an Drogenumschlagplatz Görlitzer Park entschärfen. Schon vor einiger Zeit hatte Herrmann vorgeschlagen, per Ausnahmegenehmigung einen „Coffeeshop“ einzurichten, in denen Cannabis legal verkauft werden dürfte. Um die Tatsache, dass es eine Nachfrage nach Cannabis gebe, komme man nicht herum, so eines der angeführten Argumente. Dass mit dieser Argumentation auch einem legalisierten Verkauf von Schusswaffen und Schlimmerem das Wort geredet werden könnte, scheint im politischen Biotop Kreuzberg bislang kaum aufgefallen zu sein.

Ähnlich dürftig ist es um andere immer wieder zu hörende Argumente zugunsten einer Cannabis-Legalisierung bestellt. Als böser Trugschluss dürfte sich Erfahrungen zufolge die Hoffnung erweisen, mit „Coffeeshops“ die von den Drogenhändlern ausgehende Kriminalität wieder eindämmen zu können. Die überwiegend schwarzafrikanischen Asylbewerber, die derzeit den Görlitzer Park und seine Umgebung als Drogendealer bevölkern, sind auf lukrative Einnahmequellen angewiesen. Oftmals muss die illegale Schleusung nach Europa abgezahlt werden, auch bei den Familien in der Heimat besteht eine erhebliche Erwartungshaltung.

Als oftmals Ungelernte können sie mit legaler Arbeit solche Erwartungen und Verpflichtungen kaum befriedigen. Zu befürchten ist daher, dass sie nach einer Cannabis-Legalisierung auf den Handel mit härteren Drogen umgesteigen oder Geld mit anderen Kriminalitätsarten wie Raub oder Einbrüchen zu gewinnen trachten.

Experten äußern sich generell skeptisch zur inzwischen vorherrschenden Sichtweise in der öffentlichen Diskussion um eine Cannabis-Legalisierung. So ruft der eifrige Einsatz für eine Freigabe von Haschisch durch Kreuzbergs Bürgermeisterin Monika Herrmann oder den Grünen-Spitzenpolitiker Cem Özdemir den Eindruck hervor, als sei der Konsum von Cannabis harmlos.

Der vor Kurzem vorgelegte Drogenbericht der Bundesregierung spricht dagegen eine völlige andere Sprache: So sind in den Suchtbehandlungsstellen die Folgen von Cannabis-Konsum zum größten Problem geworden. Bei der ambulanten Behandlung und Beratung sind Cannabiskonsumenten mit 60 Prozent inzwischen die zahlreichste Gruppe. Auch im Bereich der stationären Betreuung sind diejenigen, die Hilfe im Zusammenhang mit Cannabiskonsum benötigen, mit 28 Prozent mittlerweile die größte Gruppe.

Was mit der Freigabe der vermeintlich harmlosen Droge Haschisch droht, ist in diversen Studien inzwischen gründlich untersucht worden. Gravierend sind weniger die körperlichen Folgen, als die psychischen Probleme, die bis hin zu schweren psychischen Störungen und sogar dauerhaften Schädigungen des zentralen Nervensystems gehen. Norman Hanert


Mit der U-Bahn Richtung Weltniveau
von Klaus Gröbig

Noch wird an der Verlängerung der U-Bahnlinie 5 vom Alexanderplatz zum (neuen) Hauptbahnhof gebaut, da hat der Berliner Senat schon neue Pläne. Die viel genutzte Linie 1 soll von der Warschauer Straße (Friedrichshain/Kreuzberg) bis zur großen Verkehrsdrehscheibe Ostkreuz (Lichtenberg) verlängert werden. Kritiker erwarten zu hohe Kosten und befürworten stattdessen pauschal einen Ausbau von Straßenbahnlinien. Abgesehen davon, ob dies verkehrspolitisch gerechtfertigt ist, bedient die Straßenbahn von ihrer Geschwindigkeit, den Haltestellenabständen und der Transportkapazität andere Aufgaben im öffentlichen Nahverkehr als U- oder S-Bahn.

Im internationalen Vergleich hinkt Berlin, was seine U-Bahn angeht, hinterher. Paris kommt auf 219,9 Kilometer und London sogar auf 402 Kilometer Strecke. Berlin weist gerade mal magere 146,2 auf. Der Abschnitt Alexanderplatz–Brandenburger Tor (Linie 5) verlängert nach seiner im Jahre 2019 angestrebten Fertigstellung das Netz um 2,2 Kilometer. Er wird dann das im Ostteil der Stadt gelegene Neubaugebiet Hellersdorf ohne Umsteigen mit dem Hauptbahnhof verbinden.

Die ins Auge gefasste Verlängerung der Linie 1 zu einem der größten Verkehrsknotenpunkte Berlins überhaupt verlängert das Netz noch einmal um weitere eineinhalb Kilometer. Fahrgäste aus dem Westteil der Stadt (etwa dem Kurfürstendamm) könnten so ohne Umsteigen zu nicht weniger als sieben S-Bahn-Linien gelangen. Bereits heute steigen am Ostkreuz täglich rund 100000 Menschen um. Auch die Deutsche Bahn als Betreiberin der S-Bahn begrüßte die Senatspläne.

Warum der Fahrgastverband IGEB die Pläne als finanziell und verkehrstechnisch unsinnig ablehnt und von einem Phantom-Projekt spricht, ist schwer zu verstehen. Das Projekt dürfte verglichen mit der ziemlich aufwändigen U-5-Verlängerung in Berlin-Mitte preiswerter werden, da der Bau eines Tunnels nicht erforderlich ist. Die Ausführung als Hochbahn auf Stelzen wird favorisiert. Der Senat lässt momentan mehrere Varianten prüfen. Verkehrsstaatssekretär Christian Gaebler (SPD) erwartet einen deutlichen Fahrgastzuwachs auf der ohnehin schon gut frequentierten Ost-West-Verbindung. Sofern der Senat bis zu den im Herbst 2016 erwarteten Neuwahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus verbindliche Entscheidungen träfe, könnte selbst eine spätere Regierungsbeteiligung der als U-Bahn-Bau-kritisch geltenden Grünen diesem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur nicht mehr im Wege stehen. Wer aber einer Einschränkung des Autoverkehrs in Berlin das Wort redet, muss auch die Mittel für den Ausbau attraktiver öffentlicher Verkehrsmittel bereitstellen.


Zuwanderung verdoppeln
Brandenburg: Trotz voller Aufnahmestellen sollen mehr kommen

Die jährliche Zuwanderung von Ausländern nach Brandenburg verdoppelt sich von 6200 in diesem Jahr auf 12000 im Jahr 2016. Das gab das Innenministerium des Landes bekannt. Die Dauerproblematik, dass die Aufnahmestelle Frankfurt (Oder) ständig überfüllt ist, will das Land mit einer neuen Außenstelle lösen.

Die Aufnahmestellen für die von den Medien unterschiedslos unter „Flüchtlinge“ verbuchten Zuwanderer nach Brandenburg sind überfüllt. Vorletzten Mittwoch waren 1547 Personen in Eisenhüttenstadt und den drei Außenstellen untergebracht. Insgesamt hat Brandenburg 1650 Plätze. Das Bundesland kann also kaum noch aufnehmen. Inzwischen suchen auch die Landkreise nach Unterkünften und selbst die Schulen müssen mithelfen und sich darauf einstellen, bei der Aufnahme von Asylbewerberkindern den zur Integration nötigen Deutschunterricht irgendwie selbst zu organisieren.

Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) rechnet künftig mit 7000 bis 8000 „Flüchtlingen“ jährlich. Das sei „eine durchaus konservative Schätzung“. Vor diesem Hintergrund kündigte er weitere Aufnahmestellen an. Einen Aufnahmestopp wie in Berlin werde es mit ihm nicht geben, so Schröter. In der Hauptstadt gelte wegen Masern- und Windpockenerkrankungen ein Zuzugsstopp für die fünf Erstaufnahmeeinrichtungen, gab die Senatsverwaltung für Soziales nun bekannt. Das Beispiel vor Augen, sind Schröter die eingeschränkten Möglichkeiten bestens bekannt: „Wir stoßen irgendwann an unsere Grenzen.“ Kasernen und andere öffentliche Liegenschaften nutzbar zu machen, dauere aufgrund der Vorschriften lange. Schröter beteuert, die Bevölkerung dürfe mit Problemen durch neue Unterkünfte „nie allein gelassen“ werden, das sei früher „unglücklich gelaufen“.

Wie sehr die eigene Strategie unbedingter Aufnahme Rot-Rot überfordert, zeigt sich am Auf und Ab der diskutierten „Lösungen“. Noch vor Tagen sollten Jugendherbergen bei der Aufnahme in die Bresche springen, der Brandschutz kam dazwischen. Jetzt gilt diese Lösung als Notreserve. Selbst wenn die Entscheidung über die zusätzliche Außenstelle in den nächsten Tagen fällt und sie zügig umgesetzt wird, so würde sie dem Land doch kaum Spielraum verschaffen. So ist es nur eine Frage der Zeit, bis Gemeinden und womöglich auch Privatpersonen mit Zwangszuweisungen rechnen müssen. SG


Ohne Bürger
»Band des Bundes« vor der Vollendung

Der „Band des Bundes“ genannte Gebäuderiegel in Berlins Regierungsviertel soll am Spreebogen seinen Abschluss erhalten. Der Abriss von Plattenbauten nahe dem Reichstag steht bevor. In diesem „Luisenblock“ wird dann ein Neubau für den Bundestag errichtet. Doch wo bleibt der Platz für die Bürger? Die Planungen für den geschwungenen „Luisenblock“, der Büros des Bundestags, Wohnraum, Geschäfte und Restaurants beherbergen soll, sind noch nicht abgeschlossen. Es fehlt noch ein angemessener Zugangsbereich für Besucher des Bundestags.

Mit der Idee, ein über die Spree hinweg laufendes „Band des Bundes“ verschiedener Bauten der Bundesregierung zu errichten, entschieden Berlins Architekten Axel Schultes und Charlotte Frank 1993 einst den Wettbewerb zur Gestaltung des Parlamentsviertels. Ein wichtiger Bestandteil sollte ein Ort für die Bürger sein, „Bundesforum“ genannt. Das blieb bisher Vision. Geld und Ideen für die Nutzung fehlten. Im Oktober erst gliederte der Ältestenrat des Bundestags zumindest das Besucherzentrum des Bundestags aus dem Band aus. Die Stadt Berlin wurde nicht gefragt. Damit bleiben die Bürger weiter außen vor. Ein Architektenwettbewerb soll dazu Näheres klären.

Dennoch wird das Band an seinem anderen Ende geschlossen, zwei Bürohäuser wurden am Schiffbauerdamm zu diesem Zweck bereits abgerissen. Der Abriss weiterer zwei Häuser soll bis März 2015 abgeschlossen sein. 2016 erhält der Schiffbauerdamm dann seinen historischen Straßenverlauf zurück. SV


Aggressiv gegen Kirchen

In Templin, einem 16007 Seelen zählenden Städtchen im Norden Brandenburgs, stehen an den Ausfallstraßen vier Schildermasten. An ihnen sind jeweils drei Schilder mit Gottesdiensthinweisen der katholischen und der evangelischen Amtskirche sowie der freikirchlichen Gemeinde angebracht. Seit einigen Tagen hängen dort auch Werbeschilder für „Nudelmessen“ der „Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters“, nachdem das Straßenverkehrsamt sie genehmigt hatte. Der Verein sieht sich als eine Organisation von Kirchenkritikern. Dabei sollen die „Kritiker“ ausgesprochen aggressiv vorgehen. Stefan Förner, Sprecher des Erzbistums Berlin: „Die sind missionarischer unterwegs, als man es der katholischen Kirche manchmal unterstellt.“ Allerdings dürften die Schilder bald wieder verschwinden. Templins Bürgermeister Detlef Tabbert (Linke) nannte sie „pietätlos“. Die Genehmigungsbehörde sprach von einer Verkettung von Missverständnissen. H.L.


S. 4 Hintergrund: Weltkriegsliteratur

Vom Saulus zum Paulus
Wie der Erste Weltkrieg aus Schriftstellern Pazifisten und Antikriegsliteraten machte

Als 1914 kurz vor Weihnachten der Krieg immer noch tobte, wich die Kriegsbegeisterung allmählicher Ernüchterung. Ein Spiegelbild dessen findet sich in der Literatur.

So vernichtend der Erste Weltkrieg auch war, so hat er doch eine neue Literaturgattung hervorgebracht: den Antikriegsroman. Als Synonym dafür steht Erich Maria Remarques „Im We­sten nichts Neues“, der 1929 erschienen ist. Dabei hat es Antikriegsromane schon lange vorher gegeben, ohne dass sie so genannt wurden. Hätte Bertha von Suttners „Die Waffen nieder!“ von 1889 diese Bezeichnung nicht ebenso verdient, wie Tolstois „Krieg und Frieden“ über den napoleonischen Krieg in Russland, Grimmelshausens „Simplicissimus“ über den Dreißigjährigen Krieg oder Homers Epos „Ilias“ über die Belagerung Trojas?

So sind wohl alle Romane, welche nicht das Heldenhafte, sondern das Elend des Krieges zeigen, Antikriegsromane. Doch mit der Verwendung dieses Begriffes kristallisierte sich im Zuge des Ersten Weltkrieges eine politische Gesinnung heraus, mit welcher zeitgenössische Rezipienten ihre pazifistische Haltung in den literarischen Werken bestätigt sahen. Beispielhaft dafür steht Henri Barbusses schon 1916 erschienener Roman „Das Feuer“, der in über 60 Sprachen übersetzt wurde und mit dem der einstige französische Kriegsfreiwillige zum Vorkämpfer der Friedensbewegung avancierte. Sein Pendant in Deutschland war Fritz von Unruh, der mit „Opfergang“ (1919) den Wandel vom Saulus zum Paulus durchmachte.

Nicht alle machten die Kehrtwende vom Militaristen zum Pazifisten mit. Zwei der in Deutschland lange Zeit am meisten gelesenen Werke über den Ersten Weltkrieg, Walter Flex’ „Der Wanderer zwischen beiden Welten“ und Ernst Jüngers „In Stahlgewittern“ schwanken zwischen schwärmerischer Zustimmung und unheroischem Entsetzen. Weder vom Kriegstaumel ergriffen noch von Kriegsgräueln abgeschreckt, nimmt besonders Jüngers Werk eine indifferente Haltung ein, die ihm nach 1945 zum Vorwurf gemacht wurde.

Doch der sich lange hinziehende Krieg bot genug verkaufsfördernden Stoff für Literaten. In der Weimarer Zeit gab es unzählige Erlebnis- und Frontromane, die heute fast alle vergessen sind. Dem Geist der Zeit entsprechend haben Autoren wie Arnold Zweig („Streit um den Sergeanten Grischa“, „Junge Frau von 1914“, „Erziehung vor Verdun“), Hans Carossa („Rumänisches Tagebuch“), Ludwig Renn („Krieg“) oder Karl Kraus mit seinem Endzeitdrama „Die letzten Tage der Menschheit“ wahre (Anti-)Kriegswerke geschaffen. Passend zum Jubiläumsjahr des Kriegsausbruchs erinnert der Reclam Verlag mit einer Neuübersetzung von Jaroslav Hašeks „Bravem Soldaten Schwejk“ an ein Meisterwerk humoristischer Kriegsliteratur.

Andere Verlage machen mit neuen Briefeditionen deutlich, wie selbst Autoren wie Stefan Zweig und Hermann Hesse zu Konvertiten wurden. Während Zweig im Briefwechsel mit Romain Rolland den Krieg anfangs rechtfertigte („Von Welt zu Welt“, Aufbau Verlag), schrieb Hesse 1914: Der Krieg „tut den Seelen gut, er säubert und vereinfacht, und man muß das schätzen“ („Aus dem Traurigen etwas Schönes machen. Briefe 1905− 1915“, Suhrkamp Verlag).

Einer, der sich nicht umdrehen ließ, war Thomas Mann. Seine „Betrachtungen eines Unpolitischen“ von 1918 sind eine einzige große Rechtfertigungsschrift des Krieges. Später aber lässt er seinen Roman „Der Zauberberg“ damit enden, dass er den Helden Hans Castorp in das „Weltfest des Todes“, wie er den Ersten Weltkrieg nennt, entlässt. Ähnlich wie bei Robert Musils „Mann ohne Eigenschaften“ wurde der Krieg somit als konsequenter Abgesang einer Epoche begriffen, die unbarmherzig von der zerstörerischen Moderne abgelöst wird. Harald Tews


Rätsel Faustus
Textstelle in Ernst Jüngers Kriegstagebuch entschlüsselt

Ernst Jüngers Roman „In Stahlgewittern“ basiert auf seinem Kriegstagebuch von 1914 bis 1918, das erst vor einem Jahr bei Klett-Cotta als Faksimile herausgekommen ist. Dort findet sich auf Seite 195 ein zweiteiliges Buchstabenfeld, über das es im Kommentarteil heißt, es sei wohl ein Chiffrier-Code. Es handelt sich aber keineswegs um einen Code, sondern um den verschlüsselten Text.

Dass sich der Text selbst bis in unsere Zeit unentschlüsselt erhalten hat, belegt, dass Schablonenchiffrierung eine einfache, aber wirkungsvolle Verschlüsselungstechnik ist. Die von Jünger geschilderten Kriegsgeschehnisse Anfang November 1916 handeln von Ausschweifung und Prostitution. Am 1. November wurde ausgelassen gefeiert und getrunken, danach wankte man ins Quartier.

Hier schließt sich der chiffrierte Text an. Auch der Abend des 2. November wurde sehr gesellig, danach ging man wieder in die Unterkünfte, zuweilen mit dem Umweg über eine „Madame“. Die Schilderungen begnügen sich mit Andeutungen. „Ein netter Sündenpfuhl, dieses Brancourt“, schrieb Jünger am 3. November.

Für Jünger hatten diese Ausschweifungen unangenehme Folgen: In mehreren Eintragungen deutet er eine Tripper-Infektion an. Wann und wie es dazu kam, musste man bisher zwischen den Zeilen lesen, denn Jünger hält sich mit eigenen Bekenntnissen über Bordell- oder Prostituiertenbesuche vornehm zurück. Da er bereits Kommandogewalt über Mannschaften hatte, durfte der Fehltritt mitsamt seinen Folgen natürlich nicht ruchbar werden.

Erst am Ende des Hefts findet sich der Schlüssel zum Dechiffrieren des Textes. Auf einem quadratischen Feld von sieben mal sieben Feldern sind neun Punkte angeordnet. An den Ecken befinden sich die Zahlen eins bis vier, sie geben die Reihenfolge der vier Positionen an. Der zu entschlüsselnde Text stellt noch weitere Hürden vor die Auflösung. Erstens handelt es sich um Kurrentschrift, die zwar ordentlich geschrieben ist, jedoch ohne Wortzusammenhang die einzelnen Buchstaben in manchen Fällen zur Deutungssache macht. Zweitens hat Jünger seine Schablone nicht immer genau aufs Blatt gelegt, weshalb einige Buchstaben zu weit nach rechts gerückt sind.

Hieraus ergibt sich folgender Text: „Im Faustus klopfte ich an, es wurde geöffnet und ich war ziemlich geschmacklos. Dann Boje.“

Diese Textstelle bildet ein Scharnier zwischen Jüngers Schilderungen über die alkoholisierte Gesellschaft, die nach ihrem Geburtstagsbesäufnis auch gegenüber der Quartierfrau des Fähnrichs Heilmann anzüglich wurde, und den Sauf- und Puffgeschichten des folgenden Tages. Unter dem „Faustus“ wird man ein Frontbordell verstehen müssen, jedenfalls sicher nicht das Haus der Prostituierten „la poule“, an dem der nicht näher bezeichnete Offizier Boje anderntags erfolglos gegen die Tür hämmerte. Da ihm nicht geöffnet wurde, nahm sich Boje vor, der Dame „am nächsten Morgen zum mindesten 20 Mann ins Quartier zu legen: Das sind so Kriegsverhältnisse.“ Alexander Glück


Ernst Jünger:
Der »gefährliche Dichtersoldat«

Der „Spiegel“ bezeichnete ihn als „Jahrhundertschriftsteller“ und „Dichtersoldaten“, Bun­despräsident Roman Herzog sprach von ihm als „verwirrend vielschichtig, zugleich aber auch konsequent und unbeirrbar“ und für den französischen Nobelpreisträger André Gide war sein Erstlingswerk nichts weniger als „das beste Kriegsbuch überhaupt“. Obwohl sein in einem Dreivierteljahrhundert entstandenes literarisches Werk unzählige Titel umfasst, er in seinen Schriften subtile Kritik am NS-Regime übte und er den Attentätern des 20. Juli nahestand, wird Ernst Jünger immer wieder auf seine Weltkriegsbücher reduziert, denen der hochdekorierte Stoßtruppführer seinen frühen Ruhm verdankte. „In Stahlgewittern“, „Das Wäldchen 125“ und „Feuer und Blut“ waren Titel, die in den 20er und 30er Jahren in kaum einem deutschen Bücherschrank fehlten.

Daran entzündete sich nach 1945 die Kritik, Jünger habe mit seiner „Idealisierung des Kriegers“ Gewaltverherrlichung betrieben und nach 1933 dem Militarismus sowie der Schaffung einer „deutschen Volksgemeinschaft“ Vorschub geleistet. Später galt er damit vielen automatisch als Stichwortgeber für Nationalisten, Rechtsextremisten und Ewiggestrige. Jünger polarisiert auch heute, über 16 Jahre nach seinem Tod, immer noch. Allerdings werden sein Wirken und Werk mittlerweile differenziert gesehen. So feiern beispielsweise die „Stahlgewitter“ seit einiger Zeit eine Renaissance. Auch der Blick auf die Person hat sich geändert. Für den „Focus“ war „dieser lebende Klassiker der Gefährlichste, der heute schreibt“. Das war positiv gemeint und sollte daran erinnern, dass Jünger stets geistig unabhängig geblieben war und sich nie hat ideologisch vereinnahmen lassen.


Zeitzeugen

Thomas Mann – Der Literaturnobelpreisträger veröffentlichte 1918 seine „Betrachtungen eines Unpolitischen“, in denen er sich gegen die pazifistische Haltung der „Zivilisationsliteraten“ während des Ersten Weltkriegs wandte. Der 600 Seiten lange essayistische Angriff galt vor allem seinem Bruder Heinrich Mann, einem entschiedenen Kriegsgegner.

Robert Musil – Der österreichische Autor nahm als Reserveoffizier am Ersten Weltkrieg teil und schrieb mit dem „Mann ohne Eigenschaften“ eines der bedeutendsten Werke der Moderne. Der unvollendete Roman, in dem in ei­ner „Parallelaktion“ von 1913 die 1918 anstehenden Thronjubiläen von Kaiser Franz Joseph I. (70 Jahre) und Kaiser Wilhelm II. (30 Jahre) vorbereitet werden, sollte mit dem Ersten Weltkrieg enden.

Arnold Zweig – Der anfangs national gesinnte schlesische Autor wurde 1915 zum Militärdienst eingezogen. Unter dem Eindruck des Krieges wandelte er sich zum entschiedenen Pazifisten, was er vor allem in seinem sechsbändigen Romanzyklus über den Ersten Weltkrieg „Der große Krieg der weißen Männer“ zum Ausdruck brachte. Nach 1945 ging er aus dem Exil nach Ost-Berlin und wurde Präsident der Deutschen Akademie der Künste der DDR.

Romain Rolland – Der für den Roman „Johann Christof“ bekannte französische Literaturnobelpreisträger initiierte nach dem Ersten Weltkrieg mit seinem Kollegen Henri Barbusse die links-pazifistische Friedensbewegung „Clarté“. Mit dem österreichischen Briefpartner Stefan Zweig (nicht verwandt mit Arnold Zweig) setzte er sich später für eine deutsch-französische Verständigung ein.

Ernst Jünger – Der Autor, der noch als 18-jähriger Schüler in die Fremdenlegion eintrat, veröffentlichte 1920 mit „In Stahlgewittern“ seine Fronterlebnisse als Stoßtruppführer. Das Buch endet unter anderem damit, dass der Kriegsfreiwillige den Orden Pour le Mérite erhält. Wegen seiner ambivalenten Haltung in zwei Weltkriegen wurde dem Autoren, der 1998 im Alter von 102 Jahren starb, in der bundesrepublikanischen Rezeption oft Kriegsverherrlichung vorgeworfen.


S. 5 Deutschland

Hoffnungsträger ohne Fortune
Statt einer Trendwende gelingt dem FDP-Vorsitzenden Lindner nur eine Politik der Nadelstiche

Seit einem Jahr ist Christian Lindner FDP-Vorsitzender. Eine Trendwende konnte der 35-Jährige bisher nicht einleiten. Nun setzt er auf eine Politik der Nadelstiche.

Egal, wie die Geschichte ausgehen mag, man wird Christian Lindner nicht nachsagen können, er habe nicht alles versucht. Mit 35 Jahren ist er der jüngste Parteivorsitzende in Deutschland, doch Freunde und Mitstreiter wollen in den vergangenen Monaten Spuren von Müdigkeit bei ihm erkannt haben. Vor einem Jahr hat er ein Himmelfahrtskommando übernommen, den Vorsitz der gerade aus dem Bundestag gewählten FDP. Er war und ist der letzte Hoffnungsträger einer finanziell klammen und personell ausgedünnten Partei, die zuletzt in einer Meinungsumfrage der Forschungsgruppe Wahlen nicht mehr gesondert ausgewiesen wurde. Andere Institute sehen sie irgendwo zwischen zwei und drei Prozent. „Wir wussten, dass es ein Marathonlauf wird und kein Sprint“, sagt Lindner, „aber ich bin sicher, dass wir am Ende erfolgreich sein werden.“ Mit dem Ende meint Lindner, der auch die Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen führt, den Wiedereinzug in den Bundestag 2017. „Das wird die alles entscheidende Schlacht“, zitiert die „Taz“ einen Mitarbeiter im Thomas-Dehler-Haus.

Geht die Wahl 2017 verloren, dann dürften sich auch die letzten Großspender abwenden und sich die ohnehin frustrierte Basis weiter verkleinern. Quasi als Aufwärmübung müssen die Liberalen ein Jahr vorher die Landtagsfraktionen in Baden-Württemberg und Nord-rhein-Westfalen verteidigen. Die Wahlen in Hamburg und Bremen, die 2015 über die Bühne gehen, werden von der Parteiführung kleingeredet, zu schlecht sind die Meinungsumfragen dort.

Beobachter des Politikbetriebs rätseln, mit welchen Themen Lindner die Trendwende schaffen will. Fleiß ist ihm nicht abzusprechen, er nimmt jede Talkshow-Einladung an, er hält Vorträge vor teilweise weniger als einem Dutzend Zuhörer und er versucht, der Basis ein guter Chef zu sein. Zu Beginn seiner Amtszeit kündigte er an, die Partei zu einem Sammelbecken „der mitfühlenden Liberalen“ zu machen, sozialliberal sollte die Ausrichtung sein. Es war ein deutlicher Fingerzeig an die CDU, dass man notfalls auch wieder mit der SPD regieren könne. Seit die Sozialdemokraten in Thüringen aber mit Grünen und Linkspartei über eine Regierung verhandelten, ist dieses Interesse abgekühlt. Die Zeichen im Bund dürften auf Rot-Rot-Grün stehen, die FDP spielt in den Plänen von Sigmar Gabriels SPD keine zentrale Rolle. Also fährt Lindner eine Doppelstrategie. Drängte er zunächst den Eurokritiker Frank Schäffler und dessen Anhänger aus der Parteiführung, so äußerte er kürzlich Verständnis für die Positionen der Alternative für Deutschland. „Die Leute wählen diese Partei, weil sie das Gefühl haben, dass die Politiker ihre Versprechen in Sachen Währungspolitik gebrochen haben.“ Die FDP bekenne sich natürlich zum Euro, aber Regeln und Gesetze müssten nun einmal eingehalten werden. Wenig später entdeckte Lindner auch das Ausländerthema für sich. Der Parteivorsitzende forderte konsequentes Vorgehen gegen missbräuchliche Zuwanderung in die Sozialsysteme. Das europäische Recht erlaube es, Ausländer, die nicht integriert werden könnten, in ihre Heimatländer abzuschieben.

Doch als ein enger Vertrauter, der NRW-Frakionsvize Gerhard Papke, strengere Regeln für Asylbewerber forderte und eine heftige Kontroverse in der Partei entfachte, meldete sich Lindner als Mahner zu Wort. Solche Themen müsse man diskutieren dürfen, aber die FDP habe eine lange Rechtsstaatstradition und werde nicht mit der AfD um Wähler am rechten Rand buhlen. Gleichzeitig fordert er ein Punktesystem für Einwanderer nach kanadischem Vorbild und teilt damit unverhohlen AfD-Positionen.

Weggefährten sehen darin ein durchdachtes Kalkül. Lindner sende Signale aus, dass sich seine Partei auch um bisher vernachlässigte, brisante Themen kümmern wolle. Gleichzeitig verschärft Lindner die Tonlage. So verglich er den Bundestag mit der DDR-Volkskammer. Bei der Abstimmung über den gesetzlichen Mindestlohn hätten nur fünf Abgeordnete dagegen votiert, sagte er dem „Focus“. „Das ist nicht nur Politik wie in der DDR-Volkskammer. Das sind auch Abstimmungsergebnisse wie in der Volkskammer.“ Einmal in Fahrt gekommen, legte Lindner nach: „Egal, wer in Berlin und in den Ländern regiert. Ohne die FDP sind die Bündnisse alle sozialdemokratisch.“

Für Aufsehen sorgte in diesem Zusammenhang die Meldung, dass sich im Umfeld der FDP ein „Netzwerk Liberale Agenda 2025“ gebildet habe. Der Personalberater Jochen Kienbaum und der Biotech-Investor Roland Oetker zählen unter anderem zu den Initiatoren. Mit an Bord ist auch Marie-Christin Ostermann, Lindners Schatzmeisterin in Nordrhein-Westfalen. Sie war über viele Jahre Präsidentin des Verbandes der Familienunternehmer in Deutschland, der sich in der Vergangenheit vehement gegen den Mindestlohn und für Steuersenkungen ausgesprochen und teilweise auch heftige Kritik an der Euro-Rettungspolitik geäußert hatte. Auch die Gründung der AfD war in diesem Kreis durchaus wohlwollend begleitet worden. Ostermann wünscht sich nun „die Rückkehr einer starken liberalen Kraft“. Parteichef Lindner nimmt es mit Wohlwollen zur Kenntnis und gibt sich staatsmännisch. „Wer neues Vertrauen bekommen will, darf den Lautstärkeregler nicht überdrehen.“

Peter Entinger


Zuwachs für Opferverband
Stalinismusopfer schließen sich Dachorganisation an

Die Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) hat Zuwachs bekommen. Die älteste und mit 1500 Mitgliedern stärkste Organisation von politischen Häftlingen in der DDR, die Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS), hat ihren Beitritt zum Dachverband erklärt, der bereits seit 1991 existiert. Auch 25 Jahre nach dem Ende des SED-Unrechtsstaates besteht Handlungsbedarf für die nunmehr 36 verschiedenen Mitgliedsorganisationen der UOKG. Mit mehreren Presseerklärungen und Appellen hatte ihr Vorsitzender Rainer Wagner versucht, die Wahl des Ministerpräsidentenkandidaten Bodo Ramelow von der SED-Nachfolgepartei „Die Linke“ zu verhindern. An die SPD-Landtagsabgeordneten gewandt erklärte Wagner: „Die Entscheidung ist ein Affront gegen die Opfer des SED-Regimes. Ein kommunistischer Ministerpräsident in dem 40 Jahre von der SED diktatorisch unterdrückten Thüringen kommt einer Rehabilitierung der SED gleich und macht diese salonfähig.“

Die UOKG gibt die Zeitschrift „Der Stacheldraht“ in einer Auflage von 10000 Exemplaren heraus. Sie erscheint neunmal im Jahr. Dort werden verschiedene Anliegen der Unrechtsopfer artikuliert, die sich nur einer unangemessen niedrigen Aufmerksamkeit und Zuwendung durch Politik und Medien erfreuen. So ist beispielsweise das Menschenrechtszentrum Cottbus von der Schließung bedroht, weil der Bund sich 2015 aus der Finanzierung zurückziehen will. Angesichts der Vielzahl von politischen Gedenkprojekten, die der Bund finanziert, ist dies ein Affront gegen die ehemaligen politischen Gefangenen in der DDR.

Ein weiteres wichtiges Thema ist die geringe Entschädigung der Opfer kommunistischer Gewalt-herrschaft. Ganze Opfergruppen wie die 1945 nach Russland zwangsdeportierten Frauen haben nie eine Opferentschädigung erhalten. Die jetzt beschlossene Erhöhung der Opferrente für politische Häftlinge betrachtet die UOKG als „Trostpflaster oder Almosen“. Deshalb ist Wagner mit dem 5. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz unzufrieden und fordert eine grundlegende Überarbeitung. Auch geht es um eine Entschädigung für die von politischen Gefangenen erpresste Zwangsarbeit. Erste Gespräche mit der Deutschen Bahn haben stattgefunden. Der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens, Rüdiger Grube, rang sich am 29. November zu einer Entschuldigung durch: „Die Aufarbeitung des geschehenen Unrechts sind wir Ihnen, die aus politischen Gründen ins Gefängnis mussten, schuldig.“

Daniela Kolbe, Leipziger Bundestagsabgeordnete der SPD, regte gemeinsame Gespräche zwischen den Vertretern der Betroffenen, den Firmen und der Politik an. Kai Wegner von der Berliner CDU sprach sich für Gespräche über einen Opferfonds aus. Im Ergebnis scheint die „große Politik“ wenig Interesse an den Anliegen der Personengruppe zu bekunden. Immer wenn es um Geld geht, fühlen sich die Opferverbände machtlos. Ihre Zahl ist zu gering, um wirksamen politischen Druck auszuüben und so ihre Interessen durchzusetzen. Dazu könnte es nützlich sein, zusätzliche Verbündete zu suchen, die bereit sind, die Anliegen der Opferunion zu unterstützen. Hans Lody


Realität contra Statistik
Schönt die Bundesregierung Zahlen zu Rumänen und Bulgaren?

Während einige etablierte Medien unter Bezug auf offizielle Zahlen berichten, dass die nach Deutschland zugezogenen Rumänen und Bulgaren deutlich weniger Sozialleistungen als andere Ausländer bezögen, lässt ein Bericht aus Duisburg stark an der Aussagekraft amtlicher Statistiken zweifeln.

In der Tageszeitung „Der Westen“ ließ eine Schilderung des Duisburger Gesundheitsamtsleiters aufhorchen, der zufolge die rund 10000 Personen aus Bulgarien und Rumänien in der Ruhrgebietsstadt in der Regel nicht krankenversichert sind. Dennoch benötigten sie „aber natürlich auch eine medizinische Versorgung“, so der Amtsleiter.

Das wirft die Frage auf, warum in Duisburg der Anteil der nicht Krankenversicherten unter den Rumänen und Bulgaren so hoch ist, wo doch laut offiziellen Angaben die Quote der Hartz-IV-Empfänger unter diesen Balkanbewohnern in Deutschland recht niedrig sein soll. Entweder sind ausgerechnet in der Ruhrgebietsstadt viele Problemfällen gelandet, die nicht repräsentativ für Deutschland sind, oder aber die offiziellen Zahlen zur Zuwanderung aus dem Balkan in die Bundesrepublik geben in keiner Weise die Realität wieder. Ebenso würde interessieren, ob Rumänien und Bulgarien für die Kosten aufkommen, wenn ihre Staatsbürger hierzulande massenhaft medizinische Leistungen in Anspruch nehmen.

Geht es nach den Grünen, dann sollen unabhängig von ihrem aufenthaltsrechtlichen Status künftig sogar alle in Deutschland lebenden Personen in die gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen werden. Die Kosten, die mit 490 Millionen Euro pro Jahr angegeben werden, sollen nach den Vorstellungen der Grünen den Krankenkassen vom Bund erstatten werden. Würden die Pläne Realität, ergäben sich weitreichende Konsequenzen. Völlig ausgehöhlt würde das bisher zugrundegelegte Solidarprinzip. Während Einheimische Beiträge für ihre Krankenversicherung zahlen, bekämen zugezogenen Ausländer die Absicherung auf Kosten der Steuerzahler umsonst. Auch wenn derartige Forderungen momentan noch auf Widerstand stoßen, dürfte spätestens mit einem politischen Machtwechsel in Berlin das Vorhaben Gratis-Krankenversicherung für Zuwanderer wieder auf der Tagesordnung stehen.

Doch auch schon jetzt unter einer christdemokratisch geführten Bundesregierung werden die bisherigen gesetzlichen Regelungen gegen den Asylrechtsmissbrauch immer weiter aufgeweicht. So haben sich Union und SPD darauf geeinigt, dass Ausländer bei bestimmten Verstößen gegen das Aufenthaltsrecht nicht mehr in Abschiebehaft genommen werden sollen. Angesichts einer solchen Herangehensweise kann kaum noch verwundern, wie hilflos die Politik dem Problem der sogenannten unbegleiteten Flüchtlingskinder gegenüber steht. Dabei hat das Landeskriminalamt Hamburg erst kürzlich in einem Dossier vor der Zunahme der Zahl zugereister jugendlicher Intensivtäter gewarnt, „die sich aggressiv und respektlos aufführen“ und sogar „in den meisten Fällen eine ausländerrechtliche Erfassung oder Mitarbeit“ verweigern. Während die Polizei der Hansestadt eine Abschiebung als „unmöglich“ einstuft, wird damit gerechnet, dass allein in diesem Jahr zusätzlich 1000 „minderjährige unbegleitete Flüchtlinge“ nach Hamburg kommen werden.

Norman Hanert


MELDUNGEN

Mehr Rechte für Ausländer

Berlin – Der Bundestag hat den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur „Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern“ gebilligt. Künftig sollen sich die betroffenen Ausländer drei Monate nach ihrer Ankunft fast uneingeschränkt in Deutschland bewegen dürfen. Auch dürfen sie nach 15 Monaten Aufenthalt in Deutschland selbst dann eine Arbeit aufnehmen, wenn sich dafür ein geeigneter Deutscher oder EU-Bürger findet. Außerdem wird das nach dem Asylbewerberleistungsgesetz geltende Sachleistungsprinzip abgeschafft. Der notwendige Bedarf der Betroffenen, die außerhalb von Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht werden, sei „künftig als Geldleistung zu erbringen“, um die „Selbstbestimmungsmöglichkeiten der betroffenen Ausländer“ zu stärken, heißt es in der Vorlage. J.H.

 

NRW zurück zur Sperrklausel

Düsseldorf – Die SPD-geführte Regierung von Nordrhein-Westfalen betreibt die Wiedereinführung einer Sperrklausel für Kommunalwahlen. Die oppositionelle CDU steht dem Vorhaben offen gegenüber und könnte so die parlamentarische Zweidrittel-mehrheit sichern. Ungeachtet mehrerer gegenteiliger Urteile des Landes- und des Bundesverfassungsgerichts soll damit – gestützt auf ein Gutachten des Verfassungsrechtlers Wolfgang Roth – ein neuer Versuch unternommen werden, kleine Parteien von der parlamentarischen Mitwirkung auf kommunaler Ebene auszuschließen. Artikel 28 des Grundgesetzes verlangt die Gleichheit der Wahl, die nach geltender Rechtsprechung nicht mit einer kommunalen Sperrklausel zu vereinbaren ist. H.L.


S. 6 Ausland

Zwei Farben, eine Ideologie
Führungsschicht in Saudi-Arabien stellt sich nur aus Eigeninteresse gegen die IS-Terroristen

Die Fahnen von Saudi-Arabien und dem terroristischen „Islamstaat“ sind identisch, sie unterscheiden sich lediglich in ihrer Farbe. Die saudische enthält das islamische Glaubensbekenntnis auf grünem Grund, bei der IS-Fahne steht es auf schwarzem Grund – ein Unterschied, der nicht ins Gewicht fällt, symbolisieren die Fahnen doch die ideologische Nähe der saudischen Führungsschicht zu den sunnitischen Terroristen.

In Mekka hatten sich zur jährlichen Hadsch, der Pilgerfahrt, im Oktober wieder etwa zwei Millionen Muslime in dem traditionellen weißen Pilgerkleid versammelt und sind um den schwarzen Meteoriten, die Kaaba, gezogen. Nur wenige Hundert Kilometer weiter nördlich enthaupteten zur selben Zeit die ganz in schwarz gekleideten Islamstaat-(IS)-Terroristen ihre Gegner. Im Islam ist weiß die Farbe der Mekkapilger. Schon bevor Mekka erreicht wird, ersetzen männliche Pilger ihre Kleidung durch zwei ungenähte weiße Tücher, die um Taille und Schultern geschlungen werden. Die Symbolkraft der Farben und ihre Wirkungen auf die Menschen spielt auch im Islam eine entscheidende Rolle. Dabei ist weder weiß noch schwarz die Hauptfarbe des Islam, dessen Symbol der grüne Halbmond ist. Der Prophet Mohammed soll gesagt haben, das Anschauen des Grünen sei Gottesdienst. Aus diesem Grund ist Grün die Kultfarbe des Islam. Mohammed soll sich bevorzugt grün gekleidet haben. Dementsprechend sind Schmuck-elemente in Moscheen bevorzugt in grün gehalten, die Hauptmoschee in Medina ist sogar ganz in grün.

Die Flaggen vieler islamischer Staaten enthalten Grün, darunter ganz prominent die Flagge von Saudi-Arabien, die auf grünem Hintergrund denselben Spruch enthält wie die schwarze Flagge des IS. Die saudische Flagge ziert lediglich noch ein arabisches Krummschwert, kaum ein Zeichen für eine friedliche Gesinnung des Islam. Auf beiden Flaggen, schwarz wie grün, ist das allerdings in etwas unterschiedlicher Kalligrafie arabisch verfasste islamische Glaubensbekenntnis zu lesen: „Es gibt keinen Gott außer Allah und Mohammed ist sein Prophet.“ Beide Bewegungen, der Salafismus der Islamstaat-Terroristen und der Wahhabismus des saudischen Königreichs marschieren unter derselben Fahne, lediglich die Farbe unterscheidet beide.

Die schwarze Farbe der Salafisten, die ja eine Rückkehr zum Ur-Islam predigen und nach außen praktizieren, geht auch auf den Propheten Mohammed zurück. Nach der Überlieferung soll der Prophet am Tage der Eroberung von Mekka einen schwarzen Turban getragen haben. Darauf berufen sich die Salafisten bis heute, und deshalb haben sie auch Schwarz zu ihrer Farbe von Fahne und Gewändern gemacht. Die schwarze Farbe signalisiert jedoch auch, dass das eigentliche Ziel des von „Kalif“ Abu Bakr al Baghdadi in Syrien und dem Irak im August ausgerufenen Kalifats die Stadt Mekka ist und dass die Kriege in Syrien und dem Irak nur Vorgeplänkel sind für den Endkampf um Mekka, wie zu Zeiten des Propheten, der mit der Eroberung der Stadt Mekka seine endgültige Anerkennung fand und den Durchbruch des Islams als stärkste Religion Arabiens durchsetzen konnte. Dieser Anspruch der IS-Dschihadisten auf Mekka hat wahrscheinlich die Saudis bewogen, sich an der von den USA seit Juli zusammengestellten Koalition gegen den IS-Terror zu beteiligen, obwohl saudische Gelder den Aufstieg der IS zur weltgrößten Terrororganisation begünstigt haben. Der IS hatte in seiner Anfangszeit „Sponsoren“ aus Saudi-Arabien, private Sympathisanten, die die sunnitischen Extremisten als Speerspitze im Kampf gegen die verhassten Schiiten sahen. Saudi-Arabien hat eine 900 Kilometer lange Grenze zum Irak, auf der anderen Seite dieser Wüstengrenze stehen die Dschihadisten des Islamstaats an vielen Stellen den Saudis bereits direkt gegenüber. Die IS-Kämpfer kontrollieren die westirakische Region Anbar, die fast die Hälfte der Grenze zu Saudi-Arabien ausmacht. 30000 Soldaten und ein hochtechnisiertes Aufklärungs- und Überwachungssystem, weitaus besser als das zwischen der Türkei und Syriens, sollen die Saudis vor dem Eindringen der Islamstaatsterroristen schützen.

„Die Dschihadisten interessieren sich nicht für das Öl. Geld haben die schon genug“, sagte der kürzlich verstorbene Journalist und profunde Kenner der islamischen Welt, Peter Scholl Latour, in einem seiner letzten Interviews. „Sie wollen nach Mekka und Medina. Sie wollen die heiligen Stätten des Islam aus der Kontrolle der Saudis befreien, die in ihren Augen Heuchler sind.“ Besonders unter jungen Männern in Saudi-Arabien wächst die Wut auf die herrschende Klasse mit ihrer Doppelmoral. Diese zeigt sich in deren dekadentem Luxus und in der strategischen Zusammenarbeit mit dem Erzfeind USA.

Die saudische Führungselite ist gegenüber dem Islamstaat gespalten. Ein Teil begrüßt, dass die IS-Milizen den Aufschwung der Schiiten, den der Umsturz im Irak mit US-Hilfe eingeleitet hatte, ausgebremst haben. Ein neuer sunnitischer Staat in der Region, die für sie als Wiege des Islams gilt, käme den Saudis nicht ungelegen. Vor allem aber fühlen sich viele Saudis angezogen von der strikten salafistischen Ideologie der IS-Kämpfer. Andere Saudis dagegen lehnen deren Bestrebungen ab, denn sie erinnern sich an den Aufstand der wahhabitischen Ichwan (Muslimbrüder) gegen König Abd-al Aziz, der in den späten 1920er Jahren beinahe für den Zusammenbruch des Wahhabismus und der Dynastie der Saud gesorgt hätte. Dass der Obermufti von Saudi-Arabien noch vor der Hadsch den IS-Terroristen ihr Muslimsein absprach, weil sie auch den Tod von Muslimen in Kauf nähmen, wirkte angesichts des weltweiten Entsetzens über den IS-Terror, wie der hilflose Versuch einer Augenwischerei von Seiten der obersten religiösen Autoritäten des Königreiches. Bodo Bost


Minsk droht dem Kreml
Lukaschenko ätzt im Fernsehen gegen russisches Einfuhrverbot

Russland hat sich unanständig verhalten, ist dazu übergegangen, alle Vereinbarungen, die wir in unserer Zollunion getroffen haben zu brechen ... Russland will Weißrussland als Transitland schließen.“ So wütete Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko bei einem Auftritt im weißrussischen Fernsehen am 3. Dezember nach einem Treffen mit dem St. Petersburger Gouverneur. Mit scharfer Kritik an Putin mimte er den Beleidigten, der zutiefst deprimiert über das Verhalten Russlands sei, dem er doch immer ein zuverlässiger Freund gewesen sei und auch weiter sein werde,

Lukaschenko ist stocksauer auf den Kreml, weil dieser ein Import- und Transitverbot für weißrussisches Fleisch und andere Lebensmittel verhängt hatte, vordergründig mit dem Vorwurf, Minsk halte die Sanitärstandards nicht ein. Tatsächlich geht es aber darum, Minsk abzustrafen, weil weißrussische Importeure die von Moskau verhängten Gegensanktionen als Antwort auf das EU-Embargo unterlaufen haben sollen. Der Vorwurf aus Russland lautet, Weißrussland führe verbotene Produkte weiter ein und etikettiere diese um für den Transit nach Kasachstan, Armenien, Usbekistan, China, in die Mongolei und in die Türkei. Laut der russischen Veterinärbehörde „Rosselchosnadsor“ seien diese dann aber unterwegs in Russland „verloren“ gegangen.

Als Reaktion hat Moskau die Lebensmittel von 18 weißrussischen Firmen mit einem Transit-Embargo belegt, was Minsk empfindlich trifft. Allein beim Fleischhandel bliebe Weißrussland auf 400000 Tonnen sitzen, die es vertraglich vereinbart aus dem Westen bezieht. Lukaschenko reagierte mit seiner bekannten emotionalen Art: „Wir sind eine Transitrepublik. Wir verdienen damit, wenn auch nicht viel, aber doch Geld, wir können uns ein Transitverbot über unser Territorium in andere Länder nicht leisten.“

Schließlich diene die Zollunion dazu, dass gegenseitige Vergünstigungen auftreten und keine Behinderungen. Und als Wink mit dem Zaunpfahl Richtung Moskau setzte er hinzu: „In der EU würden solche Entscheidungen nicht fallen.“ Lukaschenko drohte, weitere Verhandlungen über die Zollunion platzen zu lassen, wenn Russland die Beschränkungen und Handelsbarrieren nicht zurücknimmt.

Lukaschenko wirft Putin vor, nicht zu seinem Wort zu stehen. Als der Westen wegen der Ukrainekrise Sanktionen gegen Russland verhängt hatte, habe er mit Putin ein Gespräch geführt, in dem er diesem unmissverständlich zu verstehen gab, dass Weißrussland sich an Gegensanktionen nicht beteiligen würde, weil das Land mit dem Westen Verträge abgeschlossen hatte, auf deren Erfüllung es angewiesen war. Putin habe damals Verständnis gezeigt und zugesichert, dass Weißrussland unter den Gegensanktionen nicht leiden werde, und nun wolle er Minsk bestrafen. Es sei Putins Absicht, Weißrussland als Transitland kaltzustellen. Lukaschenko kritisiert, dass der Warenfluss zwischen Russland und den baltischen Staaten derweil trotz Sanktionen wachse.

Zudem habe der Kreml das Embargo im Alleingang beschlossen, ohne vorher mit seinen Partnern in Minsk und Astana darüber zu beraten. Der Streit zwischen Minsk und Moskau beflügelt die Annahme der Putingegner, dass die Zollunion lediglich als Instrument Moskaus dienen soll, um verlorenen Einfluss im postsowje-tischen Raum zurückzugewinnen.

Manuela Rosenthal-Kappi


»Syriza« schwenkt um
Griechischer Links-Partei drohen bei Kurswechsel Verluste

Möglicherweise trennen nur wenige Wochen den griechischen Oppositionsführer und Vorsitzenden der Partei „Syriza – Vereinte Soziale Front“ Alexis Tsipras von der Regierungsübernahme in seinem Land. Für die für den 17. De­zem­ber angesetzte Wahl zum Staatspräsidenten durch das griechische Parlament muss ein Kandidat eine Mehrheit von 180 Stimmen auf sich vereinen. Die Regierungskoalition bekommt nach derzeitigem Stand bestenfalls 150 Stimmen zusammen. Erhält kein Kandidat die benötigte Mehrheit, müssen das Parlament aufgelöst und Neuwahlen angesetzt werden. Die Chancen für die sich bisher radikal gebende Syriza, aus diesen Wahlen als Sieger hervorzugehen, sind hoch, denn alle Umfragen sehen Tsipras’ Partei klar vorn.

Den Syriza-Anhängern könnten nach einem Regierungswechsel indes noch einige Überraschungen bevorstehen. Stand die Partei bisher für Forderungen wie einen Ausstieg aus dem Euro, so kündigt sich schon jetzt an, dass sich die Partei in Regierungsverantwortung deutlich gemäßigter aufführen würde. So ist im Syriza-Hauptquartier nicht nur ein Porträt Che Guevaras verschwunden, auch die Rhetorik wird zunehmend entschärft und auf regierungstauglichen Kurs gebracht. Forderungen nach der Aufkündigungen des mit der EU vereinbarten Sparkurses oder der kompletten Einstellung des Schuldendienstes sind verschwunden.

Vom Tisch ist ebenso die vermeintliche Drohung mit einem Euro-Ausstieg Griechenlands. Stattdessen sprechen wichtige Parteivertreter nun von Neuverhandlungen mit der EU. Dazu wird immer öfter eine Rhetorik bemüht, die auch aus Paris und Rom regelmäßig zu hören ist. Mit zusätzlichem Geld soll Wachstum geschaffen werden. Ins Bild passt, dass Tsipras bereits in Frankfurt zu Besuch bei EZB-Chef Mario Draghi war und zusätzlich in Rom andere wichtigen Entscheidungsträger in der EU getroffen hat. Ziel der Visiten ist es augenscheinlich, sich als verantwortungsbewusster und flexibler Politiker zu präsentieren.

Dieser Kurswechsel von Syriza ist mit Risiken verbunden. Schon jetzt ziehen einige prominente Linksradikale in der Partei nicht mit. Auf lange Sicht droht, dass enttäuschte Protestwähler zu anderen radikalen Parteien abwandern. Andererseits kann keine griechische Regierung mit der EU brechen, weil schon jetzt absehbar ist, dass das Land mit den bisher erhaltenen Hilfen nicht auskommen wird.

Regierungschef Antonis Samaras hat zwar im September aus wahltaktischen Gründen verkündet, dass sein Land kein drittes Hilfspaket brauchen werde, doch deutet inzwischen alles auf das Gegenteil hin. Nach den bisher gezahlten 240 Milliarden Euro werden nochmals neue Milliarden in Richtung Athen fließen müssen. So ist inzwischen klar, dass trotz der Geldpolitik der EZB Griechenland ohne fremde Hilfe eine Rückkehr an die Finanzmärkte nicht möglich ist. Einem Bericht des „Spiegel“ zufolge sollen bereits Gespräche über ein weiteres Zehn-Milliarden-Hilfspaket für das Krisenland angelaufen sein. Brüssel spricht in diesem Zusammenhang von „vorsorglicher Kreditlinie“. Norman Hanert


MELDUNGEN

Couleurverbot gescheitert

Wien – An der Universität Wien dürfen Verbindungsstudenten auch weiterhin ihre Farben tragen. Heinz Engl, Rektor der Hochschule, erklärte gegenüber der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH), dass es keine rechtliche Handhabe für ein Couleurverbot gebe. Die ÖH hatte einen entsprechenden Beschluss gefasst, der aber unwirksam ist. Gegen den traditionellen Couleurbummel der Verbindungsstudenten führt die ÖH nun Gegenkundgebungen durch. Diese stehen unter dem Motto „Burschis raus aus Universität und Gesellschaft!“ Die Aktionen stehen möglicherweise im Zusammenhang mit den zu erwartenden Krawallen gegen den Wiener Korporationsball am 30. Januar 2015 in der Wiener Hofburg. H.L.

 

Stetz wird Kiews Chefpropagandist

Kiew – Das ukrainische Parlament hat in der vergangenen Woche die Gründung eines Informationsministeriums beschlossen. Das Ministerium soll das Land hauptsächlich vor Informationen aus dem Ausland abschirmen und auf der Krim sowie in den von pro-russischen Kräften kontrollierten Gebieten in der Ostukraine Gegenpropaganda betreiben. Zum Chef des neuen Ministeriums wurde Juri Stez berufen, der über enge Verbindungen zu Staatspräsident Petro Poroschenko verfügt. Journalisten kennen den früheren Fernsehmanager in Poroschenkos Diensten vor allem als Leiter der Informationsabteilung des ukrainischen Militärs und Gestalter von dessen Informationspolitik. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“, die zudem beklagt, dass ausländische Journalisten in der Ukraine unter Druck geraten seien, kritisiert das neue Regierungsressort als „eine Art Propagandaministerium“. J.H.


S. 7 Wirtschaft

Putin setzt auf Türkei als Partner
Aus für transeuropäische Erdgasleitung – Strategiewechsel bei Gazprom wegen Haltung der EU

Bei seinem Besuch in Ankara hat Russlands Präsident Wladimir Putin das South-Stream-Pipelineprojekt für gescheitert erklärt. Stattdessen plant er den Bau einer neuen Erdgasleitung in die Türkei. Künftig müssten sich die Europäer ihr Gas dort selbst „abholen”. Ein Schulterschluss mit Russland verleiht der Türkei mehr geopolitisches Gewicht, während die EU-Länder Bulgarien und die Ukraine das Nachsehen haben.

Russlands Wirtschaft droht im kommenden Jahr eine Rezession, weshalb die russische Regierung Defizite in den Haushalten für die kommenden drei Jahre bereits eingeplant hat. Neben den Sanktionen des Westens drückt der Preisverfall bei Öl und Gas auf die energieexportlastige russische Wirtschaft Seit Längerem sucht Wladimir Putin nach neuen Partnern, die hohe Preise für Energieträger zu zahlen bereit sind. Als strategischer Partner rückt nun die Türkei in den Fokus des russischen Präsidenten.

Vor einem Treffen der EU-Energieminister in Brüssel äußerte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel die Hoffnung, dass es doch noch eine Chance für das South-Stream-Projekt geben möge. Kurz zuvor hatte Gazprom-Chef Alexej Miller das Bauvorhaben für endgültig beendet und darüber hinaus erklärt, dass Gazprom keine weiteren Erdgasleitungen in Europa mehr bauen werde. Diesen Kurswechsel begründete der Konzernchef mit der EU-Bürokratie, die das South-Stream-Projekt zum Scheitern gebracht habe. Das Projekt war auf Widerstand der EU und auch der USA gestoßen, mit der Begründung, dass mit Gazprom Lieferant und Pipeline-Betreiber vom selben Konzern kontrolliert werden. Das verstößt gegen das dritte Energiepaket der EU. Nachdem die bulgarische Regierung die Arbeiten an der Pipeline im Sommer eingestellt und somit dem Druck aus Brüssel nachgegeben hatte, verkündete Putin nun von russischer Seite das Aus. Sollte es bei diesem von Putin bei seinem Treffen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan in Ankara verkündeten Strategiewechsel bleiben, bekäme die EU die Folgen bald empfindlich zu spüren. Bulgarien spielt eine Schlüsselrolle für das South-Stream-Projekt, denn der geplante Unterwasser-Abschnitt der Pipeline soll durch bulgarische Hoheitsgewässer führen. Bulgarien verlöre neben geschätzten 6000 Arbeitsplätzen drei Milliarden Euro Investitionen und die jährliche Transitgebühr in Höhe von zirka 400 Millionen Euro. Auch für Serbien und Ungarn ist das Ende des Bauvorhabens ein Rückschlag, da sie stark von russischem Erdgas abhängig sind.

Mit Verlusten müssen auch Stahlkonzerne wie Salzgitter oder die österreichische Voestalpine rechnen. Sie zittern um mehrere hundert Millionen Euro, da sie Zulieferverträge für Röhren unterzeichnet hatten für die South-Stream-Pipeline, die unter Umgehung der Ukraine von Südrussland durch das Schwarze Meer bis nach Österreich weitergeführt werden sollte. Nach Fertigstellung sollten über South Stream 63 Milliarden Kubikmeter Gas jährlich Richtung Westen strömen.

Russland benötigt dringend frische Einnahmen und neue Handelspartner. Bei dem derzeit nied-rigen Ölpreis drohen den Staatskonzernen Rosneft und Gazprom Milliardenverluste, die es aufzuhalten gilt. Putin stellte Erdogan den Bau einer neuen Leitung auf dem Grund des Schwarzen Meeres in die Türkei in Aussicht, über die Südeuropa – unter Umgehung der Ukraine, über die zurzeit 50 Prozent des Erdgases, das die EU von Russland kauft, transportiert werden – versorgt würde. Die Europäer müssten sich dann ihr Gas dort „abholen” und sich selbst um den Bau neuer Gasleitungen kümmern. Durch die Röhren der geplanten Pipeline in der Türkei sollen 50 Milliarden Kubikmeter an die türkisch-griechische Grenze strömen und von dort soll russisches Gas in den Süden Europas gelangen.

Die Türkei erklärte Putin bei seinem Besuch zu einem bevorzugten Abnehmer für Gaslieferungen, er stellte dem neuen Partner gar Preisnachlässe in Aussicht. Darüber hinaus haben Putin und Erdogan eine Erhöhung des gegenseitigen Handelsvolumens auf 100 Milliarden Euro bis 2020 beschlossen. Ein Schulterschluss zwischen Türkei und Russland hat auch einen geopolitschen Aspekt, der die europäische Politik im Nahen Osten beeinflussen wird. Russiche Beobachter glauben, dass Putin Russland derzeit weiter nach Osten ausrichtet dabei die Türkei nicht nur als Bündnispartner gewinnen will, um ihr mehr Gewicht gegenüber der EU zu verleihen, sondern mit Blick auf die türkische und russische Rolle in Syrien auch an der Gründung einer alternativen Koalition als Gegengewicht zur USA interessiert sei, die in der Lage sein werde, über das Schicksal des Nahen Osten mitzuentscheiden.

Die USA sehen in Putins Ankündigung, das South-Stream-Projekt aufzugeben, eine Bestätigung für die Wirksamkeit der westlichen Sanktionen. Gleichzeitig hoffen die Amerikaner, bald den europäischen Markt mit Flüssiggas, gewonnen mit der umstrittenen Fracking-Methode, beliefern zu können. Laut einer Studie des Zentrums für globale Energiepolitik der University of Columbia könnten europäische Verbraucher trotz steigender Nachfrage zirka 20 Prozent sparen.

Bis dahin kommen jedoch auf die Europäische Union und insbesondere auf Deutschland harte Forderungen zu. Von ihnen wird verlangt werden, die für Russland als Transitland bedeutungslos gewordene Ukraine vor dem wirtschaftlichen Kollaps zu bewahren und auch Bulgarien wegen der erlittenen Verluste unter die Arme zu greifen. Gleichzeitig muss für den Weiterfluss des Gases gesorgt werden. In Telefonaten mit Ungarns Premier Viktor Orban und dem serbischen Präsidenten Tomislav Nikolic hat Putin jedoch zugesichert, auch weiterhin im Energiesektor mit beiden Ländern zusammenarbeiten zu wollen.

Manuela Rosenthal-Kappi


Ukraine in Endzeitstimmung
Der anhaltende Konflikt treibt das Land in die Staatspleite

Nachdem der Ukraine erst im Frühjahr 17 Milliarden US-Dollar zugestanden wurden, warnt nun der Internationale Währungsfonds (IWF), dass das Land weitere 19 Milliarden Dollar benötige, wenn der Konflikt in der Ostukraine nicht bald beigelegt wird. Tatsächlich spitzt sich die wirtschaftliche Lage des Landes immer mehr zu. Gemessen an den Prämien für Kreditausfallversicherungen gilt die Ukraine an den Finanzmärkten inzwischen – gleich nach Venezuela – als heißer Kandidat für eine Staatspleite. Entsprechend schwierig ist es inzwischen, überhaupt noch Investoren zu finden, die bereit sind, Staatsanleihen der Ukraine zu kaufen.

Nicht viel besser stellt sich die Situation bei der Energieversorgung dar. Nicht ausbleibendes Erdgas, sondern Kohlemangel droht die Ukraine in den kommenden Wintermonaten wirtschaftlich endgültig in die Knie zu zwingen. Während in der Vergangenheit die Ukraine selbst genug Kohle förderte, hat sich dies mit den Sezessionsbestrebungen der Regionen Lugansk und Donetsk grundlegend geändert. Bergwerke in den abtrünnigen Gebieten haben ihren Betrieb eingestellt, zudem sind auch wichtige Schienenverbindungen unterbrochen. Als Folge ist die Ukraine inzwischen dringend auf Kohleimporte angewiesen. Als Lieferant in die Bresche springen sollte ausgerechnet Russland. Obwohl die ukrainische Seite für sich reklamiert, sämtliche Rechnungen pünktlich bezahlt zu haben, haben nach Angaben des Energieministers in Kiew russische Unternehmen ihre Kohlelieferungen in die Ukraine am 21. November eingestellt. Nachdem die Ukraine wegen des strengen Frosts bereits Rekordmengen an Gas verbraucht hat, ist angesichts dahinschwindender Gas- und Kohlevorräte eine Energiekrise im kommenden Winter damit noch wahrscheinlicher geworden.

Für weitere Hiobsbotschaften sorgte die inzwischen zurückgetretene Chefin der Zentralbank Valeria Gontareva. Sie musste einräumen, dass die 40 Tonnen an ukrainischen Goldreserven fast vollständig verschwunden sind. Damit scheinen sich schon länger in Kiew kursierende Gerüchte zu bestätigen, wonach die Goldreserven der Ukraine schon kurz nach dem Umsturz in die USA ausgeflogen worden sind. Das Verschwinden der über Jahre angesammelten

Goldreserven ist nicht der einzige Anlass, dass bei einigen Ukrainern der Eindruck wächst, man sei inzwischen ein von den USA abhängiges Protektorat. So hat die Berufung von drei Ausländern zu Ministern der neuen Regierung im ukrainischen Parlament zu einer handfesten Schlägerei geführt. Zu den im Eilverfahren Eingebürgerten gehört neben dem Georgier Aleksandr Kvitashvili als neuem Gesundheitsminister und dem Litauer Aivaras Abromavicius als neuem Wirtschaftsminister auch die US-Amerikanerin Natalie Jares­ko als neue Finanzministerin.

Aus Sicht von Präsident Petro Poroschenko ist eine „unorthodoxe Entscheidung“ zur Einbürgerung und Berufung der drei Ausländer nötig gewesen, um im Kampf gegen die Korruption voranzukommen. Tatsächlich ist die Ukraine ein Jahr nach dem Beginn der Proteste auf dem Maidan laut Transparency International „das korrupteste Land in Europa“. N.H.


Mehr Schaden als Nutzen
Selbst US-Ökonomen warnen vor negativen Folgen von TTIP

Mit Brad DeLong, einem Wirtschaftswissenschaftler der University of California in Berkeley, warnt nun auch ein ausgewiesener Experte davor, dass mit dem geplanten Transatlantischen Freihandels- und Investionsschutzabkommen (TTIP) in Europa Arbeitsplätze und Wachstum verloren gehen. Weil Europas Wirtschaft nicht rund laufe und viele Menschen keine Jobs hätten, habe das Freihandelsabkommen TTIP voraussichtlich negative wirtschaftliche Auswirkungen auf die Region, so die Warnung des US-Ökonomen in der österreichischen Tageszeitung „Standard“. Nur wenn Vollbeschäftigung herrsche, würde ein Abkommen positive wirtschaftliche Effekte haben. Jobs, die dann verschwinden, würden rasch durch neue Arbeitsplätze ersetzt, so der ehemalige US-Vizefinanzminister unter Präsident Bill Clinton. Nichtsdestoweniger sieht De Long geopolitische Vorteile durch das geplante Abkommen. So würden für den Welthandel Standards gesetzt. Langfristig könne TTIP dabei helfen, die Welt zu demokratisieren.

Sollte die Prognose über die negativen wirtschaftlichen Folgen für Europa zutreffen, dürfte allerdings fraglich sein, ob sich die in Aussicht gestellten politischen Vorteile tatsächlich einstellen. Für wirtschaftlich ohnehin angeschlagene Länder wie Italien, Frankreich und Griechenland könnte sich ein Freihandelsvertrag, der zunächst einmal die Arbeitslosenzahlen weiter steigen lässt, schnell als ein politscher Sprengsatz entpuppen. Und für Deutschland bestünde – selbst wenn es sich selber in der neuen Freihandelszone gut behaupten könnte – mit einem beschleunigten wirtschaftlichen Niedergang in anderen Teilen der Euro-Zone das Risiko, dass ganz schnell wieder das Thema Transferunion auf der politischen Tagesordnung der EU stünde.

Ebenso wie der Berkely-Ökonom DeLong geht auch Jeronim Capaldo in einer an der Tufts University/Massachusetts entstanden Studie davon aus, dass TTIP dazu führt, dass in Europa mehr Arbeitsplätze in nicht konkurrenzfähigen Wirtschaftsbereichen wegbrechen als neue in konkurrenzfähigen Branchen entstehen. Capaldo kommt in seiner Analyse zu dem Schluss, dass TTIP eher den USA nützen werde, während vor allem auf Nord- und Westeuropa negative Auswirkungen zukommen würden. In der gesamten EU sei mit dem Verlust von 580000 Arbeitsplätzen zu rechnen, so die pessimistische Prognose.

Da in der Untersuchung nur die Wirkungen von TTIP auf den Handel, nicht aber auf die Investitionen berücksichtigt worden sind, sah sich die Studie der Tufts University umgehend dem Vorwurf methodischer Mängel ausgesetzt. Im Falle DeLongs dürfte es allerdings schwer fallen, seine Warnung vor negativen Folgen für Europa als Außenseitermeinung abzubügeln. Der Berkeley-Ökonom ist bei dem Thema ein ausgewiesener Experte. In den 90er Jahren war er im Auftrage der US-Regierung für die Uruguay-Welthandelsrunde zuständig, ebenso hat er am Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA) mitgearbeitet. N.H.


MELDUNGEN

In Belgien gehen die Lichter aus

Brüssel – Belgien, das für sein des Nachts beleuchtetes Autobahnnetz international bekannt ist, sieht sich in diesem Winter mit einer ausgemachten Energiekrise konfrontiert. Nachdem vor einigen Monaten bereits in mehreren Kernreaktoren Risse entdeckt worden waren, hat ein Brand im Atomkraftwerk Tihange nun dazu geführt, dass vier von insgesamt sieben belgischen Kernreaktoren keinen Strom mehr ins Netz einspeisen können. Als Folge gibt es bei der belgischen Regierung inzwischen Pläne, die Straßen- und Weih­nachtsbeleuchtung einzuschränken. Medienberichten zufolge sollen von den Einschränkun-gen unter anderem die Schaufensterbeleuchtung, die Lichtwerbung und die Neonbeleuchtung der Straßen betroffen sein. Ländliche Regionen Belgiens sollen nötigenfalls sogar völlig vom Netz getrennt werden, um einen landesweiten Zusammenbruch des Stromnetzes zu verhindern. N.H.

 

Rettungsfonds ein Riesenflop

Bonn – Der Bankenrettungsfonds erweist sich nach Ansicht des Bundesrechnungshofes als Riesenflop. Die Prüfer haben festgestellt, dass die Banken bisher erst 1,8 Milliarden Euro eingezahlt haben. 43 Prozent der Banken überwiesen dem Bericht zufolge sogar weniger als 1000 Euro. In Einzelfällen lag die Zahlung bei nur 0,01 bis 0,07 Euro – in Worten: ein bis sieben Cent. Eigentlich sollten die deutschen Geldinstitute innerhalb von 50 Jahren einen Kapitalstock in Höhe von 70 Milliarden Euro bilden und in den ersten drei Jahren 3,6 Milliarden Euro einzahlen. Weiter heißt es in dem Bericht: „Bei größeren Stabilisierungsmaßnahmen wäre der Restrukturierungsfonds nach wie vor auf öffentliche Gelder angewiesen.“ J.H.


S. 8 Forum

Einfach schändlich
von Philipp Hötensleben

Sie waren Dolmetscher, Fahrer, Wachleute. Ohne die zeitweise bis zu 4000 sogenannten Ortskräfte hätten die Deutschen in Afghanistan nicht viel beschicken können. Die Einheimischen haben nicht nur für die Truppe, sondern für verschiedene Bundesministerien gearbeitet. Nun, wo die Masse der Bundeswehr abzieht und sie damit ihre Schutzmacht verlieren, fürchten viele von ihnen, als Kollaborateure von den Taliban verfolgt zu werden. Nichts wäre einfacher, als sie nach Deutschland in Sicherheit zu bringen. Doch von denen, die sich mit der Bitte um Ausreise an ihren Dienst­herrn gewandt haben, wurde mehr als die Hälfte abgelehnt. Das ist einfach schändlich. Es ist schändlich, weil die Afghanen erwarten können, dass Deutschland diejenigen, denen es etwas schuldet, nicht im Stich lässt. Und es ist noch schändlicher vor dem Hintergrund, dass unser Land gleichzeitig ohne zu zögern abertausende Zuwanderer aufnimmt, denen es rein gar nichts schuldet.


Wenn, dann beide
von Jan Heitmann

An das Bundesverdienstkreuz hat die türkischstämmige Tugce Albayrak ganz bestimmt nicht gedacht, als sie zwei bedrängten Mädchen beisprang und dafür mit ihrem Leben bezahlte. Unter den über 1000 Trauergästen, die Abschied von ihr nahmen, war auch Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Er sei „in offizieller Mission dorthin gefahren, um den Eltern zu zeigen, dass sie in ihrer Trauer nicht alleine sind“, sagte er gegenüber den Medien. Menschen gedenken der mutigen Frau auf den Straßen, in den Medien und den sozialen Netzwerken wird Tugce Albayrak für ihre Zivilcourage gefeiert und das Bundespräsidialamt prüft, ihr gegen die Regel posthum das Bundesverdienstkreuz zu verleihen. Sie hat es verdient.

Auch der 25-jährige Daniel Siefert wird nicht an das Bundesverdienstkreuz gedacht haben, als er Anfang vergangenen Jahres in Kirchweyhe mutig einen Streit schlichten wollte. Auch er wurde dafür von dem bereits vorbestraften südländischen Täter auf brutale Weise ins Koma getreten, aus dem er nicht mehr erwachte. Doch bereits hier enden die Parallelen beider Fälle. Für Daniel Siefert gab es keine Mahnwachen. Als seine Freunde zusammenkommen wollten, um seiner zu gedenken, verhinderte der Bürgermeister die „ungenehmigte Versammlung“. Er ging sogar noch weiter, wetterte – eifrig von den Medien unterstützt – gegen „fremdenfeindliche Stimmungsmache“ und organisierte Mahnwachen „gegen rechts“. Zur Trauerfeier für Daniel Seifert kamen nur Angehörige und Freunde. Kein Ministerpräsident unter den Trauergästen, ja nicht einmal ein Beileidsschreiben an die Familie, schließlich gäbe es „so viele Fälle dieser Art“, wie Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) lapidar mitteilen ließ. Daniel Seifert hat das Bundesverdienstkreuz verdient. Warum es ihm nicht posthum verliehen wurde? Weil er nur ein ganz gewöhnlicher Deutscher war.


Deutsch für daheim
von Frank Horns

Da haben‘s ordentlich was auf die Goschn kriegt“, die Leute von der CSU. Ist ja auch schon fast ein Reflex. Die Christlich-Soziale Union taugt derzeit einfach zu gut als Watschenmann. Die Dauerblamage um die ungeliebte Pkw-Maut, die „Schmutzeleien“ um die Seehofer-Nachfolge (siehe PAZ 47) sind nur zwei Krisenpunkte, die derzeit ein desolates Gesamtbild ergeben.

Und nun dies: „Wer dauerhaft hier leben will, soll dazu angehalten werden, im öffentlichen Raum und in der Familie deutsch zu sprechen“, hieß es anfangs in einem ihrer Leitanträge zum Nürnberger CSU-Parteitag. Was für eine Steilvorlage für Bonmots und bissige Bemerkungen. „Die CSU ist in Absurdistan angekommen. Zum Schreien komisch, wenn es nicht so brandgefährlich wäre“, ätzte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi. CDU-Generalsekretär Peter Tauber höhnte auf Twitter: „Ich finde ja, es geht die Politik nichts an, ob ich zu Hause lateinisch, klingonisch oder hessisch rede.“

Ja, der CSU-Leitantrag ist hervorragend geeignet, um sich darüber medienwirksam zu echauffieren und in gerechter Empörung auf die Seite der Gutmenschen zu stellen. Zwei Punkte werden dabei allerdings geflissentlich übersehen. Erstens: Wenn jemand zu etwas angehalten wird, ist das mit einem Ratschlag gleichzusetzen. Von einer spitzelnden Sprachpolizei für den familiären Raum, wie vielfach unterstellt wird, ist hier keineswegs die Rede.

Der zweite ausgeblendete Punkt: Es ist ein verdammt guter Rat. Er berücksichtigt, wie immens wichtig es für alle Beteiligten ist, eine gemeinsame Sprache zu sprechen. Zuwanderer, die fließendes und vielleicht sogar akzentfreies Deutsch beherrschen, kommen gut an. Das ist menschlich und wäre in jedem anderen Land der Welt genauso. Wer auf Deutsch in Hamburg, Berlin oder München auf seine Mitmenschen zugeht, zeigt, dass er bereit und willig ist, sich zu integrieren. Er zeigt damit auch den nötigen Respekt vor einem Gastgeberland, das ihn bereitwillig aufgenommen hat.

Natürlich sind das Gemeinplätze. Sie sollten selbstverständlich sein für jeden, der von Auswärts bei uns eine neue Heimat sucht. Dass Menschen erst dazu angehalten werden müssen, ist das eigentliche Ärgernis in Bezug auf die CSU-Äußerung. Ein zweites Ärgernis folgte kurze Zeit nach der Veröffentlichung des Satzes. Vom negativen Mediengetöse verschreckt, formulierte die CSU ihren Leitsatz brav um: „Wer dauerhaft hier leben will, soll motiviert werden, im täglichen Leben deutsch zu sprechen“, heißt es jetzt.

Ob die konsequenten Deutschverweigerer unter den Zuwanderer so eine zahme und schwache Sprache jemals verstehen werden?


Frei gedacht
Weihnachten: Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst
von Eva Herman

Weihnachtszeit. Straßen erleuchten hell im Christbaumschmuck, Schaufenster werden zu Lichtermeeren, Sonderangebote, in glänzende Päckchen gehüllt, sollen gekauft werden, um am Heiligen Abend Freude zu schenken. Weihnachtsstress. Die Menschen laufen durch die Straßen, durch Geschäfte, Supermärkte, Weihnachtsmusik soll sie erinnern an die Heilige Nacht, stundenlang, tage-, wochenlang. Nirgendwo kann man den Glockenklängen entkommen, es schallt und klingelt und tönt. Sie laufen und kaufen, suchen und prüfen. Weihnachten, Fest der Liebe. Eine Radiomoderatorin verkündet jeden Tag, sie habe immer noch kein Geschenk gekauft, sie wisse auch nicht, für welche Menüfolge sie sich an den Feiertagen entscheiden solle: Wann die Würstchen mit Kartoffelsalat, wann die Gans, den Lachs …?

Weihnachten, Fest der Liebe. Das christliche Abendland hat seinen Event, eine Veranstaltung der Superlative. Es dürfte die wichtigste Show sein im Jahr: Hier addieren sich die Konsumzahlen, zeigt sich, wie kaufkräftig die Untertanen noch sind. Ist der Einzelhandel zufrieden? Haben sich die Zahlen gesteigert im Vergleich zum Vorjahr? Kaufen die Deutschen genug? Steigerung muss sein, es geht um die stete Maximierung aller Posten: der Umsätze, des Imports, des Exports, der Arbeitszeit, des Bruttosozialprodukts. Solange man sich noch steigert, stagniert die Welt nicht, solange die Umsätze wachsen, lässt sich die Schraube weiter nach oben drehen. Das sind die Merkmale der modernen Zeit. Wir leben nun einmal im Hier und Jetzt, im Materialismus, und der fordert.

Je kaufkräftiger die Menschheit, je präziser der Blick auf die Zahlen gerichtet ist, umso unerbittlicher wird zu Weihnachten argumentiert. Es geht um Geschenke, um Absatz, Handel: Weihnachten ist ein Geschäft, man macht keinen Hehl daraus. Großkonzerne und Weltbankfilialen geben den Takt vor, ihre Stellvertreter in den Regierungsbänken kommen beflissen ihren Aufgaben nach, sie motivieren zum Kauf, sie treiben das Rad an, schließen gefährliche Allianzen. Wenn die Zahlen stimmen, lächeln sie zufrieden, die Untertanen folgen den Anweisungen, sie fragen nicht mehr, sondern machen, was erwartet wird. Moderne Zivilisation halt.

Während die Menschen sich im Hamsterrad weiter drehen, bemühen sie sich wie unter unsichtbarem Zwange, nicht nur ihre Bürgerpflichten als Steuerzahler und Verbraucher zu erfüllen: Auch die Erwartungen ihrer Nebenmenschen, der Kollegen und Freunde, der Kinder, die sie selbst mit nährten, wollen bedient werden. Man will ja nicht kleinlich sein: Wenn die Nachbarn ihren Nachwuchs zuschütten mit elektronischen Kommunikationsmedien, kann man schlecht nur von Liebe und Wahrheit reden, während die eigenen Kleinen mit traurigen Augen unter einem leeren Baum sitzen müssen, oder? Es ist längst zu einem dämonischen Gruppendruck geworden, was das Weih­nachtsfest genannt wird, er schwillt an, wird von Jahr zu Jahr mehr, einem dunk­len Ungeheuer, das bedrohlich über der Welt lagert, einem morphogenetischen Felde gleich, das stetig weiterwächst. Es belastet den Körper, den Geist, die Seele.

Weihnachten, das Fest der Liebe. Was wissen wir eigentlich noch davon? Welches Kind kennt die Weihnachtsgeschichte, kennt den wahren Ursprung des hohen Festes? Wer war noch das Christkind? Warum brachte es letztes Jahr so wenig Geschenke? Wer kann noch ein deutsches Weihnachtslied singen, neben „Jingle Bells“ und „Rudolph, the red nosed Reindeer“? In Zeiten, in denen auch Kreuze in den Schulen abgehängt und stattdessen Halbmonde aufgehängt werden, in denen die Kultur und Tradition dem Kaufzwang und den Gleichstellungsmerkmalen geop­fert wird, kann man nur schlecht noch sprechen über den großen und heiligen Moment in Bethlehem, als der Gottessohn dereinst unsere Erde betrat. Gewiss, das bedeutsame Datum ist uns im Kopf, es prägt den Kalender, regelt unseren Alltag, ohne dass wir über den Ursprung nachdenken. Was weiß man heute noch von der Krippe, in der das Jesuskind lag und die Welt auf die bedeutsamsten Umwälzungen vorbereitete, die die Welt je gesehen hatte? In unserer modernen Zeit steht der Begriff der Krippe für andere Maßstäbe: Für Fremdbetreuung, fehlende Bindung, überlastete Erzieher, für eine versagende Gesellschaft. Wer denkt dabei noch an Christus, der die Wahrheit brachte, und den Weg zeigte zum Glück, zum Schöpfer?

Es war der Gottessohn, welcher der schon damals verirrten Menschheit den über alles wichtigen Satz schenkte: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Wenn die Menschen diesen Gedanken stets und immer beherzigt hätten, so wäre kein einziger Krieg möglich gewesen, kein unnützes Todes- oder Mordopfer, keine einzige Ungerechtigkeit auf der ganzen Welt. Hätte die Menschheit die Größe dieses einen bedeutsamen Christussatzes erkannt, wäre unsere Welt in einem völlig anderen Zustand, als es heute der Fall ist. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Wie könnte da noch ein einziger Politiker verhängnisvolle Verträge unterschreiben, die sein Land in Agonie und Verderben führen? Wie könnte er lügen, sein Land, seine Bürger verraten? Er würde es ja schon seinetwegen und mit Blick auf die nachfolgenden Generationen nicht tun können, nähme er nur diesen einen Satz wirklich ernst.

Vor 2014 Jahren erhielt die Menschheit das größte Geschenk, das der Schöpfer ihr je zu geben bereit war: seinen Sohn. Er sandte ihn auf die verderbende Erde, um zu retten, was noch zu retten war. Doch was war die Antwort? Das Heiligste und Höchste, was der Himmel uns schenkte, wurde gemordet. Kaltblütig, ohne mit der Wimper zu zucken, schlug man Christus ans Kreuz. Das Gewissen der Menschheit, das erst langsam danach zu verdeutlichen suchte, was wirklich geschehen war, drückte zunehmend. Die belastende Verantwortung der Kirchenfürsten, die für sich seit Gedenken eine Stellvertreterposition des Schöpfers auf Erden beanspruchen und die sehr wohl erkannten, dass es sich um einen Mord, einen klaren Verstoß gegen das fünfte Gebot gehandelt hatte, drehten die Sache einfach um: Die Kreuzigung Jesu wurde ein Riesengeschäft, ein nun schon über zwei Jahrtausende währender Ablasshandel, der die Seelen der Menschen in einen Tiefschlaf versetzte: „Jesus starb für unsere Sünden“, lautet die Grundlage des christlichen Glaubens. Eine Absage an unsere Eigenverantwortung!

Es ist spannend: Die Kirchen scheinen die Auswirkungen dieser verheerenden Botschaft noch immer nicht zu realisieren. Als sei der Schöpfer ein immer nur hinnehmendes Wesen, das nachsichtig über allen Welten thront, scheint man seine hohe Antwort zu unterschätzen. Doch Gott lässt sich nicht täuschen! Niemand fragt sich wirklich, was hier auf Erden derzeit geschieht: Die Systeme brechen zusammen, weltweit, Kriege, Morde, Lügen, Täuschung, Depression … Doch wer forscht nach der Ursache?

Weihnachten 2014. Stress, Druck, innere Leere. Wer aufmerksam die Entwicklungen verfolgt, wer offenen Blickes nach den Gründen für den Verfall der Menschheit fragt, der darf am Heiligen Abend einmal innehalten. Bei seinem Gebet möge er an den großen Wahrheitsbringer Christus denken. Und was wir Menschen mit ihm gemacht haben. Frohe Weihnacht.


S. 9 Kultur

Subversive Botschaft
Vor 80 Jahren erschienen die ersten »Vater und Sohn«-Geschichten von Erich Ohser alias e.o.plauen

In aller Welt gelesen, sind die „Vater und Sohn“-Bildergeschichten zu Klassikern geworden. Ihr Erfolg überdeckt das Schicksal des Autors, der sich 1944 das Leben nahm.

Die „Vater und Sohn“-Geschichten kennt jedes Kind. Etwa diese: Der mit Schnauzbart, Glatze, buschigen Augenbrauen sowie Wohlstandsbauch einem Seebär ähnelnden Vater und sein ihm gerade einmal bis an den Hosenbund heranreichender Sohn freuen sich über den Fang eines Fisches aus einem Bach. Vergnügt tragen sie ihn in einem Eimer nach Hause. Sohn weint, als der Vater den noch lebenden Fisch zerlegen will. Die Sonne strahlt, als Vater und Sohn den Fisch im Eimer zurück zum Bach bringen. Fisch ist glücklich, als er wieder ins Wasser gelassen wird. Vater und Sohn sind betrübt, als ein größerer Fisch den doch gerade erst dem Tod entronnenen Fisch frisst. Ende der Geschichte.

Ganz ohne Worte kommt diese in nur sechs Bildern erzählte Ge­schichte aus, aber genau das erklärt auch den anhaltenden Erfolg der „Vater und Sohn“-Comics seit nunmehr genau 80 Jahren. Der Minimalismus der Bildersprache, die sich in den Schwarz-Weiß-Zeichnungen nur auf ein paar Striche beschränkt, ist universell verstehbar. Generationen von Schulkindern, erst in Deutschland und später auch in aller Welt, haben sich mit diesen Geschichten beschäftigt. Ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben, wie es Vorgänger wie Wilhelm Busch noch taten, hat der Zeichner Erich Ohser einfach nur Emotionen sprechen lassen. Freude, Trauer, Zorn, Glück, Erleichterung, Niedergeschlagenheit, Trost und Erstaunen sind die bewegenden Zutaten, die stets in einer heiteren Pointe münden.

Die Lebensfreude und der Optimismus, die dabei zum Ausdruck kommen, standen ganz im Gegensatz zu einem Lebensabschnitt Ohsers, als er beruflich selbst wenig zu lachen hatte und am Tiefpunkt seiner Karriere angelangt war. Anfang 1934 erhielt er vom „Reichsverband der deutschen Presse“ ein Einschreiben: Sein Antrag auf Aufnahme in den Verband wurde wegen einer „publizistischen Tätigkeit im marxistischen Sinne“ abgelehnt. In linken Zeitschriften wie dem SPD-Organ „Vorwärts“ waren politische Karikaturen von Ohser erschienen, die sich auch über Hitler lustig machten. Doch ohne Mitgliedschaft im „Reichsverband“ durfte er nichts mehr veröffentlichen.

Der Zeichner war praktisch arbeitslos. Die Familie, zu der auch der 1931 geborene Sohn Christian zählte, lebte eine Zeit lang nur vom Verdienst seiner Frau, der Illustratorin Marigard Bantzer, die Ohser während des Studiums an der Leipziger Kunstakademie kennengelernt hatte. So setzte er seine Hoffnung auf einen Zeichen-Wettbewerb, den die „Berliner Illustrirte Zeitung“ vor 80 Jahren ausrief. Deren Redakteur Kurt Kusenberg war von der Ullsteiner Verlagsleitung damit beauftragt, sogenannte Stehende Figuren für die Zeitschrift zu entwickeln. Darunter verstand man eine Serie von humoristischen Zeichnungen in der Art von Wilhelm Buschs „Max und Moritz“ oder ähnlicher Bildergeschichten, wie sie in den Satirezeitschriften „Fliegende Blätter“, „Kladderadatsch“ oder „Simplizissimus“ erschienen waren. Nur moderner, ja, amerikanischer sollten sie sein, ähnlich den „Micky Maus“-Comics in den USA.

Ohser nahm an dem Wettbewerb teil, an dem sich 32 Zeichner beteiligten – und gewann. Nun musste eine Lösung gefunden werden, das Berufsverbot zu umgehen, und so einigte man sich mit dem Propagandaministerium, dass Ohser nur unpolitische Karikaturen und nur unter Pseudonym zeichnen durfte. Am 13. Dezember erschien mit „Der schlechte Hausaufsatz“ seine erste „Vater und Sohn“-Geschichte, die Ohser später mit e.o.p signierte. Nach dem Namenskürzel stand das „p“ für die Stadt Plauen im Vogtland, wo der 1903 geborene Ohser aufgewachsen ist. Später wurden seine Bildergeschichten unter dem Alias e.o.plauen weltweit bekannt.

Die populären „Stehenden Figuren“ wurden sofort für kommerzielle und propagandistische Werbezwecke genutzt. „Vater und Sohn“-Figuren warben für eine Lotterie, für Kaffeefilter und eine Zigarettenmarke. Für die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ waren sie ebenso wenig wegzudenken wie für das Winterhilfswerk. Als ihm der Rummel zu viel wurde, beendete der inzwischen zu Wohlstand ge­kommene Ohser, der sich ein großes Atelier am Berliner Tauentzien gönnte, 1937 die Serie nach der 157. „Vater und Sohn“-Geschichte. Inzwischen gut dem politischen System angepasst, durfte er ab 1940 für die Zeitschrift „Das Reich“ wieder politische Karikaturen anfertigen, von denen aber NS-Größen ausgenommen waren. Stattdessen zog er Churchill und Stalin durch den Kakao.

Spott über Hitler äußerte Ohser nur privat. Das aber sollte ihm zum Verhängnis werden. Als seine Berliner Wohnung zerbombt wurde, zog er nach Kaulsdorf am Rande Berlins, wo der extrem schwerhörige Ohser mit seinem Studienfreund Erich Knauf lautstark Witze über Hitler riss. Ein der SS angehöriger Nachbar denunzierte die beiden, die daraufhin verhaftet wurden. Bevor sich Ohser vor dem Volksgerichtshof wegen staatsfeindlicher Äußerungen verantworten sollte, erhängte er sich am 6. April 1944 in Gestapohaft.

Seine Bildergeschichten aber lebten fort. In Loriot fand er nach dem Krieg einen würdigen Nachfolger. Noch heute werden seine Bücher neu verlegt. Der Konstanzer Südverlag hat im Jubiläumsjahr neben drei Bänden mit allen „Vater und Sohn“-Geschichten auch erstmals eine kolorierte Ausgabe herausgebracht („Vater und Sohn. Zwei, die sich verstehen – Die 33 lustigsten Geschichten“, 80 Seiten, 18 Euro). Darin ist zu ahnen, wie subversiv die Zeichnungen gegen den damaligen Zeitgeist gerichtet sind. Es fehlt das heldenhafte Bild vom muskulösen Teutonen.

Stattdessen ist der Vater selbst oft ein Kind, das sich in manchen Ge­schichten der Obrigkeit widersetzt. Und immer siegt das Warmherzige. Man mag es auch naiv nennen. Oder anrüchig. In heutigen Zeiten, in denen vieles gendergerecht zu­geht, wäre die Geschichte eines Vaters, der mit seinen Sohn Hand in Hand einem Sonnenuntergang entgegengeht, kein Vorbild mehr. Diese Geschichte hieße dann „Mutter und Tochter“ und statt lustiger Streiche gäbe es eine Handvoll Verhaltensregeln. Harald Tews


Wiederbelebte »Tote Stadt«
Korngolds selten gespielte Oper glanzvoll auferstanden in Chemnitz

Erich Wolfgang Korngolds Oper „Die tote Stadt“ erlebte am 4. Dezember 1920 eine doppelte Uraufführung in Hamburg und Köln. In den Jahren darauf war das Stück sehr beliebt und wurde viel inszeniert. Später ist das musikdramatische Werk des Komponisten lange Zeit in Vergessenheit geraten. Korngold wurde 1934 vom Regisseur Max Reinhardt nach Amerika geholt. Dort hat er in den folgenden zwei Jahrzehnten Musik für 20 Hollywood-Filme geschrieben und da­mit ein Genre geprägt, das ihn von seinen mu­sikalischen Anfän­gen entfremdete.

Seit einiger Zeit ist nun „Die tote Stadt“ wieder öfter auf den Spielplänen zu finden. Bereits 1921 war Chemnitz eine Station auf dem ersten Siegeszug des Werkes. Jetzt hat Helen Malkowsky dort abermals eine ge­lungene Inszenierung ge­staltet.

Die Handlung folgt einem Roman des symbolistischen Dichters Georges Rodenbach über den Mythos der weltabgeschiedenen Stadt Brügge. Das Libretto, von Vater und Sohn Korngold unter Pseudonym verfasst, ist sprachlich nicht sehr bedeutend. Doch das tut der Spannung keinen Abbruch. Die Sänger der Titelpartie verfügen über einen Atem und eine Tonfülle, die dem Bühnengeschehen die volle Aufmerksamkeit garantiert. Die Szenerie rahmt die Figuren wirkungsvoll ein. Wenige Attribute unterstreichen ihre Beziehungen zueinander, ohne sie zu überdecken.

Paul (Niclas Oettermann) hat eine Art Privatreligion um seine verstorbene Frau Maria errichtet. Dann begegnet er der leichtlebigen Marietta (Marion Ammann), die ihr aufs Haar gleicht und doch völlig anderen Wesens ist. Zwischen seinem fanatischen Kult um die Tote und Mariettas Eifersucht darauf entwickelt sich ein Stellvertreterkampf zwischen Leben und Tod. Dazwischen steht Frank (Klaus Kuttler), der einerseits den Freund wieder auf die Seite des Lebens ziehen will. Andererseits wird er ihm zum Rivalen, da auch er von Marietta fasziniert ist. Eine große Anspannung erstreckt sich über die ganzen zweieinhalb Spielstunden. Eine gespielte Theaterprobe mit musikalischen Parodien im zweiten Akt bringt kaum Auflockerung. Auch sie ist durchzogen von der Rivalität.

Tenor Niclas Oettermann ist ein von jahrelanger Trauer ge­spen­s­tisch verhuschter Paul. Dabei ver­schafft sich seine untergründige Leidenschaft zuweilen kraftvolle Ausbrüche. Die Schweizer Sopranistin Marion Ammann stattet die Rolle der Marietta mit Macht und Verletzlichkeit aus. Bariton Klaus Kuttler als Frank steht ihnen in nichts nach. Die schlimmsten Wendungen enthüllen sich am Schluss als Traumgebilde.

Generalmusikdirektor Frank Beermann hat schon in der Vergangenheit sein Gespür für die musikalischen Qualitäten in den Nebenlinien des Repertoires bewiesen. So bei den ge­lungenen Wiederbelebungen der selten aufgeführten Opern von Otto Nicolai und Hans Pfitzner. Dem perlenden Klang Korngolds verleiht er mit der Robert-Schumann-Philharmonie ein durchsichtiges und klares Wesen. Die Stimmen der Sänger können wie auf einer warmen Flut dahinströmen. Während von Tod und Vergangenheit gesungen wird, entfaltet sich eine wundervolle musikalische Welt voller Frische und le­bendiger Fülle. Sebastian Hennig

Nächste Vorstellungen am 16. Dezember um 19.30 Uhr und am 18. Januar 2015 um 15 Uhr. Karten: www.theater-chemnitz.de


Ausverkauf der Kunst
Plünderung von Kulturgütern: Drei Museen zeigen ganzes Ausmaß

Der Raub von Kulturgütern ist so alt wie die Menschheit selbst. Wie ein roter Faden ziehen sich Kulturvandalismus und die systematische Plünderung von Kunst im Zuge von Kriegen, Revolutionen und Diktaturen durch die Weltgeschichte. Noch immer sind in Deutschland die Museen mit der Aufarbeitung der Entführungen, Verschleppungen, Verluste und ungeklärten Provenienzen von Kunstwerken im Dritten Reich be­schäftigt.

Drei Museen widmen sich derzeit diesem Thema: die Kunsthalle Bremen, das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg und das Staatliche Museum Schwerin. Während in Bremen und Hamburg der Fokus auf Erwerbungen im Nationalsozialismus und deren möglicherweise unrechtmäßigem Besitz liegt, liefert Schwerin in seiner Ausstellung „Kunstraub-Raubkunst“ anhand von hochkarätigen Kunstwerken mit hochinteressanten Biografien einen fesselnden Überblick über die Kunst(raub)geschichte von der Antike bis zur Gegenwart.

Das Thema ist topaktuell. So finanziert sich die Terrororganisation Islamischer Staat neben dem Ausbeuten von Ölquellen auch mit dem Verkauf von archäologischen Schätzen. Dazu hat die Deutsche Unesco-Kommission (DUK) auf ihrer Hauptversammlung in Frankfurt am Main am 21. Okto­ber unter dem Titel „Fünf nach Zwölf für die Kulturgüter aus der Wiege der Zivilisation“ eine Resolution verfasst, um den Handel mit geraubten Kulturgütern unverzüglich zu unterbinden.

Die DUK verurteilt darin die nach aktuellen Berichten flächendeckende Zerstörung und systematische Plünderung von historischen Stätten und Kulturgütern in Syrien, Irak und Libyen auf das Schärfste. Die antiken Kunstschätze sind für die Menschen dieser Länder Teil ihrer kulturellen Herkunft und Zukunft. Zugleich stellen sie einen unersetzlichen Schatz des kulturellen Erbes der Menschheit dar.

Die Unesco-Konvention gegen illegalen Handel mit Kulturgut verbietet seit 1970 die unzulässige Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut. Die 115 Vertragsstaaten, zu denen seit 2007 auch Deutschland gehört, haben sich verpflichtet, die Ursachen für den illegalen Handel zu beseitigen, Praktiken zu beenden und zu den Wiedergutmachungen beizutragen. Schätzungen zu­folge geht der Um­satz des illegalen Handels mit Kulturgut jährlich in die Milliarden und ist neben dem Drogen- und Waffenhandel ei­ner der umsatzstärksten illegalen Märkte der Welt.

Berichten zu­folge ist Deutschland ein wichtiger internationaler Umschlagplatz für den illegalen Handel mit geraubten Kulturgütern. Die DUK be­grüßt daher, dass die Bundesregierung die Novellierung des Gesetzes zum Kulturgüterschutz auf Basis der EU-Richtlinie zum verbesserten Schutz gegen den Handel mit illegalen Kulturgütern verabschieden will. Demnach sollen künftig für alle gehandelten Kulturgüter lückenlose Herkunftsnachweise verlangt werden.

Helga Schnehagen

Kunsthalle Bremen: „Eine Frage der Herkunft: Drei Bremer Sammler und die Wege ihrer Bilder im Nationalsozialismus“, bis 4. Januar 2015. Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg: „Raubkunst?“, bis 1. November 2015. Staatliches Museum Schwerin: „Kunstraub-Raubkunst“, bis 1. Fe­bruar 2015.


S. 10 Geschichte

Ein letztes großes Aufbäumen an der Westfront
Mit der Ardennenoffensive hoffte Adolf Hitler, die Angloamerikaner zum Rückzug in ihre Heimatländer bewegen zu können

Am 16. Dezember 1944 startete die deutsche Wehrmacht die Ardennenoffensive, deren Ziel darin bestand, dass die Anti-Hitler-Koalition zusammenbricht und die Angloamerikaner sich in ihre Heimatländer zurückziehen. Allerdings scheiterte das Unternehmen aufgrund mangelnden Nachschubs und unzureichender Luftunterstützung. Während der Kämpfe, die bis zum 21. Januar 1945 andauerten, starben 17000 deutsche und 19000 alliierte Soldaten.

Nach der alliierten Landung in der Normandie und dem Zusammenbruch mehrerer Heeresgruppen an der Ostfront im Zuge der sowjetischen Sommeroffensive stand Deutschland im Herbst 1944 militärisch mit dem Rücken zur Wand. In dieser Situation fasste Adolf Hitler den Entschluss, sämtliche Reserven zu mobilisieren und im Westen anzugreifen, um den Briten und Nordamerikanern einen derart empfindlichen Schlag zu versetzen, dass sie aus der Anti-Hitler-Koalition ausscheren. Da­raufhin erarbeitete der Chef des Wehrmachtführungsstabes, Generaloberst Alfred Jodl (1890–1946), einen Plan, der Ende Oktober vorlag und folgendes vorsah: Mit Beginn der winterlichen Schlechtwetterphase, in der die gegnerische Luftüberlegenheit weniger zum Tragen kommen würde, sollten starke Panzerverbände durch die Ardennen und die westliche Eifel in Richtung Antwerpen vorstoßen und dabei die feindlichen Heeresgruppen zur Nordseeküste hin drücken und vernichten – ihnen also quasi eine Neuauflage des Fias­kos von Dünkirchen im Jahre 1940 bescheren.

Daraufhin wurden folgende Truppenkontingente im Raum um Monschau und Echternach konzentriert und dem Oberbefehl von Generalfeldmarschall Walter Model (1891–1945) unterstellt: die neu gebildete 6. SS-Panzerarmee unter dem Generaloberst der Waffen-SS Sepp Dietrich (1892–1966), die 5. Panzerarmee unter dem General der Panzertruppen Hasso von Manteuffel (1897–1978) und die 7. Armee unter General der Artillerie Erich Brandenberger (1892–1955). Diese drei Angriffsverbände von Models Heeresgruppe B sowie die bereitstehenden Reserveeinheiten verfügten zu Beginn des später dann „Herbstnebel“ genannten Unternehmens „Wacht am Rhein“ über rund 250000 Soldaten, 600 Panzer und 1900 Geschütze.

Ihnen gegenüber lagen etwa 75000 GIs des VIII. und V. Armeekorps der 1. US-Armee unter Generalleutnant Courtney H. Hodges (1887–1966), die entweder noch keine Kampferfahrung besaßen oder nach der überaus verlustreichen Allerseelenschlacht im Hürtgenwald dringend der Erholung bedurften. Diese wenig optimale Dislozierung resultierte daraus, dass die alliierten Befehlshaber absolut nichts von dem bevorstehenden Angriff ahnten, weil man deutscherseits diesmal auf allerhöchste Geheimhaltung und Tarnung gesetzt hatte: So waren die entscheidenden Befehle nicht wie üblich per Funk, sondern durch Kradmelder übermittelt worden. Deshalb telegrafierte der Chef der britisch-kanadischen 21st Army Group, Field Marshal Bernard L. Montgomery (1887–1976), noch am 15. Dezember 1944 an den alliierten Oberkommandierenden Dwight D. Eisenhower (1890–1969): „Die Lage der Deutschen ist so, dass sie Großoffensiven nicht mehr einleiten können.“ Anschließend bat „Monty“ um Weihnachtsurlaub, den er auch genehmigt bekam.

Umso größer war die Verwirrung am Morgen des Folgetages, als um 5.30 Uhr heftiges Artilleriefeuer einsetzte, wonach dann die deutschen Panzerspitzen in Richtung St. Vith, Bastogne und La Roche vorstießen: „Wo zum Teufel nimmt dieser Hundesohn nur die Soldaten her?“, tobte Generalmajor Omar N. Bradley (1893–1981) von der 12. US-Heeresgruppe mit Blick auf Hitler, der inzwischen das Führerhauptquartier „Adlerhorst“ bei Bad Nauheim bezogen hatte.

Aufgrund der soliden Vorbereitung sowie der erhofft günstigen Wetterbedingungen verlief die Ardennenoffensive zunächst recht erfolgreich: So standen Dietrichs Panzer bereits am 17. Dezember in der Nähe von Spa, wo sich das Hauptquartier der 1. US-Armee befand. Darüber hinaus wurden in der Schnee-Eifel an die 8000 Gefangene gemacht und die Stadt Bastogne eingekesselt, in der die 101. US-Luftlandedivision unter Brigadegeneral Anthony McAuliffe (1898–1975) saß. Am Ende entstand so ein Frontbogen von 60 Kilometern Breite, der 100 Kilometer nach Westen und damit fast bis an die Maas reichte.

Allerdings ergriff die Gegenseite bald wirksame Maßnahmen, um den deutschen Vorstoß aufzuhalten. Dazu gehörte, die besonders bedrohten Truppen nördlich des deutschen Angriffskeils unter das Kommando des erfahrenen Schlachtenlenkers Montgomery zu stellen. Des Weiteren erhielt die 3. US-Armee von Generalleutnant George S. Patton (1885–1945), die an der Grenze des Saarlandes stand, die Weisung, nach Norden abzudrehen und dort die Flanke der Deutschen zu attackieren. Parallel hierzu kam den Alliierten dann auch noch das Wetter zu Hilfe: Nachdem es am 21. Dezember aufklarte, flogen ihre Luftstreitkräfte innerhalb von vier Tagen 6000 Einsätze. Und die trugen erheblich dazu bei, dass die Ardennenoffensive zu Heiligabend gestoppt werden konnte, denn durch die permanenten Angriffe kam die Nachschubversorgung auf deutscher Seite fast vollkommen zum Erliegen.

Dem folgten der Beginn der alliierten Gegenangriffe am 26. Dezember und das parallel zur Ardennenoffensive geplante deutsche Unternehmen „Bodenplatte“ vom 1. Januar 1945. Zweck desselben war es, die Lufthoheit über den Ardennen zu erringen, um so eine Fortsetzung der Offensive zu ermöglichen. Jedoch verlor Hitlers Luftwaffe dabei 277 der eingesetzten 1035 Maschinen, ohne dass die Aktion zum Ziel führte. Ebenso erfolglos blieb die allerletzte große Bodenoffensive der Wehrmacht an der Westfront, das Unternehmen „Nordwind“, das in der Silvesternacht begann: Diesmal sollten die Heeresgruppen G und Oberrhein unter Generaloberst Johannes Blaskowitz (1883–1948) beziehungsweise dem Reichsführer SS Heinrich Himmler (1900–1945) in Lothringen und dem Elsass angreifen, wovon sich Hitler gleichfalls erhoffte, die festgefahrene Ardennenoffensive wieder in Gang zu bringen: „Das ist … eine entscheidende Operation. Ihr Gelingen wird absolut automatisch das Gelingen der zweiten mit sich bringen. Wir werden das Schicksal dann doch meistern.“

Allerdings ging auch diese Rechnung Hitlers nicht auf, weil die Rote Armee ihre Winteroffensive vorverlegte, was zu einer drastischen Ressourcenverknappung führte. Deshalb konnten die Westalliierten die Frontausbuchtung im Bereich der Ardennen bis Ende Januar 1945 beseitigen – danach war der Weg nach Deutschland hinein frei.

Wolfgang Kaufmann


Staatsdiener, Wissenschaftler und Politiker
Bundespräsident Carl Carstens machte auf vielen Gebieten eine mehr als gute Figur – Vor 100 Jahren kam er in Bremen zur Welt

Das Elternhaus des am 14. De­zember 1914 in Bremen geborenen Karl Carstens war alles andere als bildungsfern. Beide Elternteile waren Lehrer. Und unter normalen Umständen wäre das Einzelkind sicherlich auch finanziell unbeschwert aufgewachsen. Aber wie viele Familien des deutschen Bildungsbürgertums wurde die kleine Familie durch den Ersten Weltkrieg und dessen Folgen hart gebeutelt. Carstens frankophiler Vater fiel bereits vor seiner Geburt ausgerechnet in Frankreich und das Ersparte wurde ein Opfer der Hyperinflation. Mit Tugenden wie Fleiß, Sparsamkeit und Selbstdisziplin ermöglichte Carstens Mutter ihm das Abi­tur und absolvierte er mit Auszeichnung ein Studium. Im Gegensatz zu seinem Vater entschied er sich für Rechts- und Staatswissenschaften. Allerdings zog es auch ihn zu den Franzosen. So studierte er unter anderem im französischen Dejon. Durch die bescheidenen Verhältnisse von ihm und seiner Mutter sah er sich ab 1933 zu Kompromissen mit den nationalsozialistischen Machthabern gezwungen. Er wurde NSDAP-Mitglied. Dem Studium mit Promotion folgte der Kriegsdienst bei der Flak. Als einziger Sohn einer Kriegerwitwe konnte er in der Heimat Dienst tun und Kriegsgefangenschaft blieb ihm erspart.

So konnte er bereits ab 1945 als Anwalt seinen erlernten Beruf ausüben. Die US-Amerikaner störten sich weniger als später der innenpolitische Gegner an Carstens NSDAP-Mitgliedschaft. Während in Westdeutschland die Bundesrepublik gegründet wurde, studierte er mit einem Jahresstipendium an der Yale-Universität. Dort perfektionierte er sein Englisch; dort lernte er wichtige Angehörige der Besatzungs- und späteren Schutzmacht kennen; dort baute er seine aus der NS-Zeit her resultierenden Ressentiments gegenüber dem Staat als Arbeitgeber ab; und dort lernte er die Vereinbarkeit von Politik und Wissenschaft kennen.

Denn wissenschaftlich interessiert und ambitioniert war Carstens auch. Überhaupt ist es faszinierend, in wie vielen Bereichen Carstens auch ohne Parteiprotektion erfolgreich war. So brachte er es in der Wissenschaft bis zum Professor, in der Staatsverwaltung bis zum Staatssekretär und im Parlament bis zum Fraktionschef. Von dem Bundespräsidentenamt und dem Bundestagspräsidentenamt als eher repräsentativen Ämtern ganz abgesehen.

Carstens hatte schon vor seinem USA-Aufenthalt mit Politikern als Klienten zu tun gehabt. Nun wurde er Rechtsberater des Bremer Senats. Als Bevollmächtigter seiner Geburtsstadt beim Bund schickte ihn sein Bürgermeister Wilhelm Kaisen, der zu einer Art politischer Ziehvater wurde, nach Bonn. Wenn Carstens auch bis zu Kaisens Tod dem Sozialdemokraten loyal verbunden blieb, so begann er doch in Bonn sich zunehmend für den Bundeskanzler und CDU-Vorsitzenden Konrad Adenauer, mit dem er dort beruflich viel zu tun hatte, und dessen Westpolitik zu begeistern. Mitte der 50er Jahre vollzog er den Wechsel. Der „Botschafter“ des „roten“ Bremen beim Bund trat in die Dienste des Auswärtigen Amtes und wurde CDU-Mitglied. Im Außenministerium brachte er es bis zum Stellvertreter des Ministers. Den Wechsel von Heinrich von Bren­ta­no zu Gerhard Schröder an der Spitze des Ministeriums überstand Carstens unbeschadet. Und als die CDU 1966 wegen der Großen Koalition das Außenministerium für den SPD-Vorsitzenden Willy Brandt räumte, nahm Schröder Carstens in das Verteidigungsministerium mit. Als 1969 die CDU Oppositionspartei wurde, war für den Christdemokraten allerdings kein Platz mehr in der Regierung. Er kehrte der Politik den Rücken und widmete sich nun der Wissenschaft, was für ihn kein Problem war, tanzte er doch parallel auf mehreren Hochzeiten. Bereits 1952 hatte er sich habilitiert und 1960 war er zum Professor für Staats- und Völkerrecht berufen worden. Das wissenschaftliche Spielbein wurde nun zum Standbein ausgebaut. Groß umziehen brauchte er dafür nicht. In Bonn übernahm er 1970 die Leitung des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.

Doch bald gewannen ihn die christdemokratischen Parteifreunde für eine Mitarbeit in der parlamentarischen Opposition. 1972 wurde er über die Landesliste in den Bundestag gewählt. Der vormalige Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes widmete sich als Parlamentarier verständlicherweise besonders der Außenpolitik. Carstens profilierte sich als Gegner der sozialliberalen Ostpolitik, was ihm viele Meinungsbildner lange verübelten. Selbst in den Reihen der Union machte sich Knochenmarkserweichung breit. Doch noch waren in der Union die entschiedenen Gegner der Brandtschen Ostpolitik in der Mehrheit. So musste der Partei- und Fraktionschef Rainer Barzel 1973 zurücktreten und Carstens konnte sich gegen Richard von Weizsäcker bei der Neuwahl des Fraktionsvorsitzenden durchsetzen.

Schon vor der Bundestagswahl 1976 hatte Barzels Nachfolger als Parteivorsitzender, der damalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Helmut Kohl, deutlich gemacht, dass er auch bei einer Niederlage nach Bonn kommen werde. Tatsächlich blieb die Union auch nach der Wahl in der Opposition und Kohl wurde deshalb deren Fraktionsvorsitzender. Allerdings hatte die Union wenn schon nicht die absolute, so doch wenigstens die relative Mehrheit der Sitze im Bundestag zurückerobert und so konnte Carstens gesichtswahrend auf den Posten des Bundestagspräsidenten ausweichen.

Der Popularitätsverlust der sozialliberalen Koalition führte dazu, dass sie in der 7. Bundesversammlung nicht mehr die Mehrheit hatte. Die Union konnte de facto bestimmen, wer 1979 Walter Scheels Nachfolger als erster Mann im Staate wurde. Sie entschied sich für den zweiten Mann im Staate. So wurde Carstens der fünfte Bundespräsident der Republik.

Carstens erfreute sich bei seinem Amtsantritt aufgrund der Erinnerung an die harten Kämpfe um die Ostpolitik keiner großen parteiübergreifenden Beliebtheit. Allerdings gelang es ihm, dieses zu ändern. Dafür gibt es diverse Gründe. Einer war sicherlich die insbesondere von linker Seite viel gelobte Überparteilichkeit, mit der er sein Amt wahrnahm. Ein anderer, dass er seinem Image, hanseatisch steif und unnahbar zu sein, entgegenarbeitete. Zu nennen sind hier der von ihm geführte Dialog mit der Jugend und seine Wanderungen durch die Republik.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass er sich nach der „Wende“ von 1982 den von Regierung wie Opposition gewünschten Neuwahlen zum Bundestag trotz missbräuchlicher Verwendung der Vertrauensfrage nicht entgegenstellte. Hätte er sich anders entschieden, hätte er sich gegen beide Volksparteien und wohl auch eine Mehrheit der Bevölkerung stellen müssen, was man in einer derart wichtigen Frage nicht ernsthalt von einem Bundespräsidenten erwarten kann.

Aufgrund seiner zunehmenden Beliebtheit und der Mehrheitsverhältnisse in der achten Bundesversammlung hätte Carstens sich wohl ohne Schwierigkeiten wiederwählen lassen können. Aber er verzichtete aus Altersgründen und zog sich ins Privatleben zurück. Am 30. Mai 1992 erlag er in Meckenheim bei Bonn den Folgen eines Schlaganfalls. Manuel Ruoff


S. 11 Preussen

Von leeren Tagen gab Gott ihr wenig
Vor 85 Jahren starb Frieda Jung – Ihr Urgroßneffe Eberhard Jung über die große ostpreußische Heimatdichterin

Zu Weihnachten 1928 ver­schickt die ostpreußische Dichterin Frieda Jung voller Stolz ihre Bände „Neue Gedichte“ und „Gestern und Heute“ an Verwandte und versieht sie eigenhändig mit Widmungen. Es sollten ihre letzten Werke sein. Im Herbst des folgenden Jahres muss sich die 64-jährige in Kiaulkehmen bei Nemmersdorf im Kreis Gumbinnen geborene Lehrertochter einer Operation unterziehen. Zwar verläuft der Eingriff an den Stimmbändern in der Frauenklinik zu Insterburg gut, doch eine plötzliche Herzschwäche lässt sie vor 85 Jahren am 14. Dezember 1929 für immer verstummen.

In einem der blau-goldenen 111 Seiten umfassenden Büchlein mit Gedichten auch in ostpreußischem Platt lautet eine Widmung: „Meinem lieben Großneffen Walter / ein Gruß aus der Heimat seiner Eltern / Weihnachten 1928“. Dieser Großneffe ist gerade 16 Jahre alt und befindet sich in der Ausbildung in Berlin; er wird später mein Vater werden. Seine Großtante, meine Urgroßtante, erlebte das Weihnachtsfest im darauf folgenden Jahr nicht mehr.

Nach der Operation hatte die Genesende noch hoffnungsvoll an ein „Lewet Freilein Soldatke“ auf einer Postkarte geschrieben: „Mi geiht ganz got. Bloß veel räde sull eck nich, wil men Hals wedder moal dammlich weer.“ Ja, ihr Hals und ihre Stimme! Ihr Hals machte ihr schon lange Probleme bei Lesungen. Nach dem Russeneinfall zu Beginn des Ersten Weltkriegs musste die Dichterin, die bis 1916 in Buddern im Kreis Angerburg lebte, aus ihrem geliebten Dorf fliehen und berichtete über ihre geschundene Heimat. Nach dem Krieg reiste die am 4. Juni 1865 geborene Lehrertochter, die inzwischen mit ihren Gedichten und Erzählungen eine bekannte und verehrte Schriftstellerin war, mit Vorträgen und Lesungen durch Mitteldeutschland. Bei einer Versammlung in Erfurt, wo sie vor 700 Personen sprach, für ihre Heimat warb und auch Spenden für das vom Reich getrennte Ostpreußen sammelte, versagte ihre Stimme völlig. Ein Arzt verordnete ihr daraufhin eine längere Kur in Reichenhall.

Schon früh hatte eine Sehschwäche der jungen Frau Probleme bereitet. Das machte es ihr unmöglich, den Lehrerberuf zu ergreifen. Lehrer wollte sie werden, weil sie bereits mit 16 Jahren nach Erkrankung und Tod ihres Vaters und Lehrers in der Dorfschule von Kiaulkehmen, dem 1935 nach ihr benannten Jungort, den Unterricht übernahm und eine Visitation überstand. Damit endete die glück­liche Kindheit der jungen Friedel, wie sie gerufen wurde. Sie sprang auch bei ihrem älteren Bruder ein und führte nach dem Tod seiner Frau den Haushalt und sorgte für dessen Kinder. Die 20-Jährige stürzte sich in eine Beziehung zu einem Gumbinner Lehrer namens Brauer – sein Vorname ist in der Familie nicht überliefert. Diese Ehe scheitert, ein gemeinsames Kind stirbt bereits kurz nach der Geburt. Frieda Jung macht eine Ausbildung zur Kindergärtnerin in Lyck und arbeitet in den nächsten zwölf Jahren als Erzieherin in mehreren ostpreußischen Haushalten.

In dieser Zeit schrieb sie bereits Erlebtes auf, verfasste auch Festgedichte zu Geburtstagen und Jubiläen. Doch erst eine ältere Dame, der Frieda Jung nach ihren Wanderjahren begegnete und die ihr die lange ersehnte Ruhe bot und sie als Gesellschafterin anstellte, ermunterte sie, Gedichte und Geschichten aufzuschreiben und auch zu veröffentlichen. Mit feinem Humor wird in dem 1905 erschienenen Prosaband „Freud und Leid“ diese „Tante Seidel“ beschrieben, die mit dem Akkusativ auf Kriegsfuß stand und unter anderem die Mahnung sprach: „Friede, ich achte Dir und ehre Dir – aber das musst Du nie vergessen, dass ich drei Häuser habe und Deine Brotfrau bin!“

Frieda Jung wagte 1900 nach dem Tod der Tante Seidel den Schritt in die Öffentlichkeit. Im Kaiserreich war das für eine alleinstehende Frau von 35 Jahren sicher ungewöhnlich und mutig. Ihrem ersten Band „Gedichte“, herausgegeben vom Verlag Gräfe und Unzer in Königsberg, folgten in den nächsten Jahren „Maienregen – Gottessegen“ und „Freud und Leid“. Mit ihrer Lyrik und Prosa hatte sie Erfolg. Die Menschen liebten diese einfachen, natürlichen und heimatverbundenen Verse wie „Heimat“, „Mein Dorf“ oder „Min Ritterspoorn“ und schätzten die mit feinem Humor erzählten Geschichten. Ihre Bücher erreichten Auflagen von mehreren Tausend Exemplaren. Die Kritik sprach von Perlen ersten Ranges und bescheinigte den Gedichten „Frische, Kraft, Unmittelbarkeit des Fühlens und eine plastische Darstellungsgabe, die ihresgleichen sucht“.

Ihr Gedicht „Herr, gib uns helle Augen, / Die Schönheit der Welt zu sehn“ lernten Kinder sogar in der Schule. Diesen Erfolg hat wohl auch ihr Verleger nicht vorausgesehen. Es war zunächst ohne Titel unter Widmungsverse VIII in „Festgedichte und Freundesgrüße“ 1906 in Gumbinnen gedruckt und erst später in mehreren Gedichtbänden unter „Gebet“ erneut veröffentlicht worden. Offenkundig hat dieses auch heute noch moderne Gedicht seine eigene Dynamik entwickelt. Die schlichten Wünsche, in tief­empfundenen Gottesglauben ausgesprochen, trafen auch über Ostpreußen hinaus auf offene Ohren.

Der Erfolg ermöglichte es der Dichterin, in Buddern im Kreis Angerburg ein Haus zu bauen, in der Nähe ihrer älteren Schwester Martha, die mit dem Gastwirt Carl Mengel verheiratet war und dort einen Laden mit Waren des täglichen Bedarfs betrieb. Mitten im Ersten Weltkrieg nach der Zerstörung des Mengel-Hauses zog Frieda Jung nach Insterburg [Tschernjachowsk], dem Geburtsort ihres Vaters August Jung. Hier wurde ihr anlässlich ihres 60. Geburtstages 1925 vom Magistrat die Ehrenbürgerschaft der Stadt Insterburg verliehen. Nach den Erinnerungen an die glückliche Kindheit und Jugend überkommen die Dichterin auch Sorgen des Alterns. Sie nennt im Rückblick ihr Leben ein bergig Land und spricht von „Greisengeschick! / Und doch! – Wie frei, /Wie frei wird der Blick!“ Sie bilanziert: „Nun bin ich fertig / Will schließen mein Haus / Lösche darin / Alle Lichter aus.“

Fünf Tage vor Heiligabend 1929, einem kalten Wintertag, strömten so viele Insterburger und Freunde zur Beisetzung, „dass kurz vor der Trauerfeier die Halle gesperrt werden muss“, berichtet der „Königsberger Stadtspiegel“ am 20. Dezember. Eine Schule sollte nach der verstorbenen Dichterin benannt werden. Diese Frieda-Jung-Mittelschule steht noch heute in Insterburg. Freilich werden in dem imposanten Gebäude keine Kinder mehr unterrichtet, sondern von der Russischen Post Briefmarken verkauft und Renten ausgezahlt.

Unweit davon, am Wohnhaus in der alten Friedrichstraße [teatralnaja uliza, Theaterstraße] ist vor einigen Jahren auf Betreiben der Heimatgruppe der Insterburger zu Darmstadt eine Gedenktafel angebracht worden. In Russisch und Deutsch liest der Besucher: „In diesem Haus lebte von 1916 bis 1929 / die ostpreußische Dichterin und / Ehrenbürgerin der Stadt Insterburg / Frieda Jung“. So halten auch die heutigen Bewohner der Stadt die Erinnerung an „ihre Frida“ – das Russische kennt kein ie – wach. In ihrem Gedicht „Ich Lebe“ hat die Dichterin eine knappe Bilanz ihres Lebens mit Höhen und Tiefen, Freud und Leid gezogen: „Das darf ich sagen: / Von leeren Tagen / Gibt Gott mir wenig. / Reich wie ein König / misst er mir die Leiden, / Misst er mir die Freuden. / Ich falle! Ich schwebe! So tief! So hoch! / Ich lebe! Ich lebe!“

Eberhard Jung


»Mein Pegasus ist bloß ein Kunterchen«
Erminia von Olfers-Batocki verband mit Frieda Jung die Liebe zur plattdeutschen Literatur – Völlig unerwarteter Tod vor 60 Jahren

Ich sehe sie noch vor mir, wie sie auf der Bank in dem Innenhof des leeren Fabrikgebäudes in Bad Harzburg sitzt: sehr aufrecht, sehr diszipliniert, mit dem klaren Blick – ihre braunen Augen dem unerwarteten Gast entgegensehend, bis dann das Erkennen ein Lächeln auf ihr schmales Gesicht zaubert. Ich hatte das Glück, sie einige Jahre nach der Flucht in ihrem Exil besuchen zu können und zu erleben, wie sie, die Dichterin und Gutsherrin von Tharau, ihren Altersalltag auch nach der Vertreibung meisterte. Ohne leidvolle Klage um das Verlorene, das sie in ihren literarischen Arbeiten bewahrte, bis ihr der Tod am 14. Dezember 1954 die Feder aus der Hand nahm.

Das Leben und Sterben der Erminia von Olfers-Batocki verlief in Bahnen, die zu denen der nur elf Jahre älteren Frieda Jung auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein können. Und doch verbindet diese beiden Dichterinnen sehr viel: Es ist die Liebe zur plattdeutschen Dichtung, der sie in ihrem künstlerischen Schaffen einen breiten Raum gaben. Da auch ich die Schönheit und Ausdrucksmöglichkeiten der plattdeutschen Sprache empfand und sie in meinen ersten schriftstellerischen Arbeiten verwendete, entstand bald eine beglückende Verbindung zu der so viel älteren Erminia von Olfers-Batocki, deren Gedichte, Erzählungen und Märchen bereits ihren Platz in der ostpreußischen Heimatliteratur gefunden hatten. Ihr erstes Buch „Tropfen im Meer“, das sie 1910 unter dem Pseudonym E. v. Natangen herausgab, waren Gedichte in Hochdeutsch wie auch ihr letztes, „Das Taubenhaus“, in das ihre eigene, das geistige Leben Ostpreußens mitbestimmende Familiengeschichte eingebunden ist. Dazwischen liegen viele Veröffentlichungen – Balladen, Märchen, Spiele – in plattdeutscher Sprache. Erminia von Olfers-Batocki sah sich nie selber als große Literatin. „Mein Pegasus ist bloß ein Kunterchen, Ihrer ist ein edler Trakehner“, sagte sie einmal zu Agnes Miegel. Worauf diese erwiderte: „Aber wenn unsere plattdeutschen Pegasusse Wettrennen machen, dann gewinnt Ihrer bestimmt!“

Ihr Dichterross sollte eigentlich seinen Lebensabend geruhsam auf dem Tharauer Gutshof verbringen, auf dem die Schriftstellerin mit ihrem gelähmten Mann lebte. Hier hatte die 1878 in Ratshof bei Königsberg Geborene 30 Jahre ihres Lebens verbracht, ehe sie 1912 ihren Kinderfreund Hans von Olfers heiratete. Es folgten lange Jahre mit dauernd wechselnden Wohnsitzen, bis die fast 60-Jährige nach dem Tod ihres Bruders auf das Gut in Natangen zog, das nun ihrer einzigen Tochter Hedwig gehörte, und meinte: „Nun zieh ich bloß noch einmal um, auf unseren Tharauer Friedhof!“ Das Schick­sal wollte es anders. Nach furchtbaren Fluchterlebnissen und monatelangem Exil in Pommern unter sowje­tischer Besatzung kam sie elend und ausgeplündert in Bad Harzburg an, glücklich wieder mit ihrer durch die Flucht getrennten Tochter und deren Familie vereint zu sein. Dort konnte sie in den folgenden Jahren ihrer Tochter helfen, ein Blumengärtchen anzulegen, und mit ihren vier Enkelchen spielen. Und schreiben. Ihre späten Gedichte weisen die nicht zu löschende Liebe zur Heimat auf – und die Sehnsucht nach einer nie erfolgten Heimkehr. Sie blieb auch in Bad Harzburg, als Hedwig mit ihrer Familie nach Hannover zog. Ihren 75. Geburtstag feierte sie inmitten vieler Landsleute beim Klang ihrer plattdeutschen Lieder. Am 14. Dezember erlosch das Lebenslicht der 78-Jährigen, deren Schaffen bis zuletzt ihrer ostpreußischen Heimat und Sprache galt.

Ihre Tochter Hedwig von Lölhöffel ist in ihrer Danksagung an alle, die bei der Trauerfeier auf dem Friedhof in Bad Harzburg am 18. Dezember dabei waren, auf die letzten Stunden ihrer Mutter eingegangen:

„Der Tod meiner Mutter traf uns völlig unerwartet. Am Freitag zuvor war sie noch zu Fuß auf dem Friedhof gewesen. Am Sonnabend bekam sie einen Ohnmachtsanfall mit starken Gallenschmerzen wie im Frühjahr. Bis Montag blieb sie ruhig in ihrem Stübchen liegen, von Fräulein von Kries gepflegt. Sie schrieb mir, nun könne sie doch nicht zu Weihnachten kommen, und wir sollten sie in den Feiertagen besuchen. Dienstag gegen Abend wurde ich aus der Klinik angerufen, der Arzt hätte sich zur Operation entschlossen. Eine Stunde später dann der Anruf, es sei nicht mehr zur Operation gekommen, meine Mutter sei bereits in der Narkose eingeschlafen.

Am Beerdigungstag war strahlend blauer Himmel. Nach Mutters letzten Willen hatte ich Superintendent Doskocil, Pfarrer in Tharau 1922 bis 1932, nach Bad Harzburg gebeten. Eine große Schar ostpreußischer Landsleute zog den Friedhofsberg hinauf, auch die Zahl der Harburger Freunde war groß. Viele Kränze lagen am Sarg, eine Geigerin aus Bad Harzburg leitete auf eigenen Wunsch mit ihrem Spiel die Feier ein. Dann sang die Gemeinde das alte Königsberger Lied von Simon Dach und Heinrich Albert ,Ich bin ja, Herr, in Deiner Macht‘. Superintendent Doskocil sprach sehr persönlich von Mutters Wirken in der Heimat. Drei ihrer Gedichte wurden von Ostpreußen gesprochen. Der lange Zug ging über den sonnenhellen Friedhof, am Grabe sprachen Vertreter der Landsmannschaft, einige Trauergäste nahmen mit Wort und Lied von ihr Abschied. Junge Ostpreußen sangen ihr Lied ,Wat is to­huus?‘ So war es eine Feier ganz nach ihrem Sinne.“

Und eine Feier, in der auch in der Ferne die verlassene Heimat Ostpreußen war. Ruth Geede


S. 12 Leserforum

Leserforum

Vergessliche Bayern

Zu: Bayern verstehen (Nr. 44)

In der Rezension des Buches „Mia san mia. Die andere Geschichte Bayerns“ von Teja Fiedler vermisse ich die enge Verbindung der Bayern mit dem Nationalsozialismus. Hitler hat sich lieber in Bayern aufgehalten (Berchtesgaden, München) als in Berlin. Berlin war für ihn eine sozialdemokratisch geprägte Arbeiterstadt und nur wichtig als Hauptstadt. München war sein privater Wohnsitz und „Hauptstadt der Bewegung“. Dies vergessen die Bayern gerne und möchten Erinnerungsstätten lieber nach Berlin legen.

Im Übrigen hoffe ich, dass die PAZ in einer für Printmedien schwierigen Zeit weiterhin eine Leserschaft findet, die eine anspruchsvolle Zeitung schätzt, welche nicht immer dem Mainstream folgt.

Dr. Horst H. Knuth, Worms

 

 

Ein »Kraut«-Vernichter

Zu: „Tourist mit Stahlhelm“ (Nr. 46)

In dem Artikel über die Schlacht im Hürtgenwald und über die Rolle Hemingways darin ist zu lesen, Hemingway habe sich der stattlichen Zahl von 122 „Krauts“ gerühmt, die er eigenhändig getötet haben will. Das sei nichts als Angeberei gewesen, habe aber Gerüchte um ihn als Kriegsverbrecher genährt, an denen vermutlich nichts dran sei.

Aus welchen Quellen stammen die Informationen? Hemingway hat diese grausige Tat meines Wissens in seinen Memoiren aufgezeichnet. Gibt es ein späteres Dementi? Gibt es Beweise, dass er vielleicht gar nicht vor Ort war? Haben Kameraden gegenteilige Aussagen gemacht? Wenn nicht, gibt es keinen Anlass, Hemingways Aussage in Zweifel zu ziehen.

Brigitte Bean-Keiffenheim, Frankfurt

 

 

Abenteuerliche Türken-These

Zu: Blamage für Erdogan (Nr. 47)

Was der türkische Präsident Recep Tayyib Erdogan über die angebliche Entdeckung Amerikas durch türkische Seefahrer von sich gibt, ist keineswegs neu.

Schon vor rund 20 Jahren erlebte ich nämlich Ähnliches: Ich war damals als Lehrer und Schulleiter im Duisburger Norden (mit hohem türkischen Einwohner-Anteil) tätig, als mich eines Tages ein 16-jähriger türkischer Schüler ansprach und mir vorhielt, ich hätte ihnen im Geschichtsunterricht etwas Falsches vermittelt, nämlich dass Kolumbus Amerika entdeckt hätte. Ich erwiderte, ich habe sehr wohl darauf hingewiesen, dass die Wikinger schon fast ein halbes Jahrtausend vorher Amerika erreicht hätten, doch der Schüler „belehrte“ mich, weder Kolumbus noch die Wikinger hätten Amerika entdeckt, sondern es seien die Türken gewesen. Als ich nach der Quelle fragte, erhielt ich zur Antwort, das habe er in seiner Jugendorganisation gelernt, von der ich wusste, dass es sich hierbei um die „Grauen Wölfe“ handelte.

Ich bin damals nicht näher darauf eingegangen, habe mich aber kundig gemacht und dabei herausgefunden, dass es tatsächlich einen Professor an der Universität Ankara gab, der permanent zu beweisen versuchte, dass alle möglichen Entdeckungen und Erfindungen der Geschichte türkische Errungenschaften gewesen seien (vielleicht handelte es sich dabei um jenen auch in Ihrem Artikel genannten Youssef Mroueh, der allerdings aus dem Libanon stammt und überdies in Kanada lebt). Damals wurden solche Thesen nachdrücklich von den nationalistischen Kräften in der Türkei und ihrer Partei MHP vertreten. Inzwischen sind sie auch von den islamistischen Kräften im Umfeld Erdogans übernommen worden.

2006 veröffentlichte der Professor Fuat Sezgin, einst Dozent an der Johann-Wolfgang-von-Goethe-Universität in Frankfurt am Main, ein Buch mit dem Titel „Die Entdeckung des amerikanischen Kontinents durch muslimische Seefahrer vor Kolumbus“. Da ist zwar nie die Rede von Türken, sondern immer nur von Muslimen, aber für den einfachen Türken ist das, wie ich wiederholt feststellen konnte, geradezu identisch.

Dabei haben tatsächlich Araber mit ihren Schiffen nachweislich die Ozeane dieser Welt befahren, doch das wiederum passt nicht zum türkischen Selbstverständnis, weil die Türken auch heute noch die Araber als Menschen auf einer geringeren Entwicklungsstufe betrachten. Kommentar eines türkischen Schülers dazu: Arabische Staaten dürfe es eigentlich gar nicht geben, da diese Regionen allesamt einmal zum Osmanischen Reich gehörten, dessen Wiedererrichtung das Endziel sei, denn: „Am türkischen Wesen soll die Welt genesen, und selbstverständlich muss Türkisch statt Englisch dann Weltsprache werden!“

Wolfgang Reith, Neuss

 

 

Ami go Home

Zu: Erstarrte Fronten (Nr. 47)

Das Titelbild mit dem fingerzeigenden US-Präsidenten Barack Obama vor Kanzlerin Angela Merkel ist aufschlussreich: Merkel hatte sich doch bei Putin für die „Befreiung“ bedankt, und nun muss sie ihn des Völkerrechtsbruchs für die sowjetische Krim beschuldigen. War da nicht auch noch gemeinschaftlicher unverjährbarer Völkermord an Königsbergern/Preußen/Sudeten?

Außerdem können Sklaventreiber keinen befreien, denn wir sind immer noch ein Satellitenvolk. Darum müssen zunächst die Russen Ostpreußen freigeben und die in Deutschland stationierten US-Soldaten nach Hause gehen. Und gebt uns endlich einen Friedensvertrag sowie die volle Souveränität! Preußen ist wieder zu gründen, denn völkerrechtlich sind die abgetrennten Gebiete deutsch.

Martin Schröder, Detmold

 

 

Regelloser Milchmarkt ruiniert bäuerliche Familienbetriebe

Zu: Ende einer Sünde (Nr. 47)

In dem Artikel zur Kartellbildung in einer freien Marktwirtschaft hat der Autor die Milchwirtschaft aufs Korn genommen. Hierbei ist ihm entgangen, dass die Milcherzeuger auch weiterhin ein Kartell bilden können.

Diese Ausnahme wurde von der Bundesregierung in dem Jahr 1960 ausschließlich gebilligt und bleibt auch weiterhin bestehen. Dieses Kartell soll die Milcherzeuger vor dem Lebensmitteleinzelhandel (LEh) schützen.

Wir haben trotz allem von Mitte der 90er Jahre über die Hälfte der Milchviehbetriebe auf jetzt nur noch 76000 Betriebe verloren. Was daran allerdings eine Subvention darstellt, bleibt wohl das Geheimnis des Autors.

Alles redet von einem niedrigen Weltmarktpreis. Richtig ist, dass die Milcherzeuger in Europa und Deutschland nicht den niedrigsten, aber auch nicht den höchsten Milchauszahlungspreis bekommen. Was ist subventioniert, wenn die Erzeugung von einem Kilogramm Milch mit vernünftiger Entlohnung 50 Cent kostet, aber der Bauer in der Regel nur 40 Cent bekommt oder wie im Jahr 2009 sogar nur 15 Cent pro Kilogramm?

Jeder Markt braucht Regeln, die es auf dem Milchmarkt nicht gibt. Dafür gibt es permanent Krisen (2009 bis 2012 sowie 2014/15). Diese Regeln fordert der Bund Deutscher Milchviehalter auf Bundes- und EU-Ebene. Hier sollte Gemein- vor Eigennutz gehen, heißt es im Artikel. Bei wöchentlich 80 bis 90 Arbeitsstunden für die gesamte Familie auf einem Milchviehbetrieb und einem bei weitem nicht kostendeckenden Milchpreis kann ich da nur auf Desinformiertheit schließen.

Es ist für diesen Staat beschämend, einen Mindestlohn zu verabschieden und die Bauern systematisch auszubeuten. Ich möchte als Vorsitzender einer Milcherzeugergemeinschaft darauf hinweisen, dass wir zwar Verträge mit einer Molkerei abschließen, in denen nur Menge und Qualität definiert sind, aber kein Preis, der die Herstellungskosten deckt.

Wir haben in Deutschland ein Anti-Dumpinggesetz, das die Bauern als Urproduzenten aber nicht mit einschließt. Es ist schon bezeichnend, dass die Bauern in Deutschland vor dem Grundgesetz Menschen zweiter Klasse sind. Jeder Unternehmer kennt seine Herstellungskosten, der in die Preisbildung einfließt und der sein Produkt verkauft. Nicht nur die Bauern in der EU, sondern weltweit können aber keine Rechnung schreiben, sondern bekommen eine Abrechnung.

Ich würde es begrüßen, wenn die PAZ, die ich nicht nur immer, sondern auch sehr gerne lese, die ich auch als Korrektiv dringend benötige, auch nach diesem Preisfindermodel abgerechnet wird. Das heißt, ich bekomme die PAZ und nach sechs Wochen sage ich Ihnen, wie viel sie dafür bekommen. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die Übermacht und die Margenverteilung bei der Lebensmittelherstellung und dem Verkauf hinweisen.

Von den ungenügenden Margen der Bauern sollen auch noch Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen finanziert werden. Tierwohl und Umweltmaßnahmen werden mit etwa 8,5 Cent je Kilogramm Milch beziffert. Leider haben wir noch einen Bauernverband, der die Politiker so berät, dass sich die Bauern verraten fühlen.

Die Milchviehhalter haben ein Konzept zur Abwendung von Milchmarktkrisen vorgelegt, die aber bislang ignoriert werden. Milchkrisen ruinieren die Familienbetriebe, vernichten Arbeitsplätze in den Großbetrieben zum Beispiel in Mitteldeutschland. Erst arbeiten Deutsche, dann Polen, danach Russen. Billig, billiger am billigsten.

Die Betriebe werden mit Schulden überzogen, die sie bis zur nächsten Milchkrise nicht mehr abbauen können. Im Gegenteil: Lobby-Interessen verhindern den Wettbewerb zum Beispiel auf Molkereiebene. Statt kostendeckender Preise bekommen die Bauern eine sogenannte Förderung einmal jährlich zu Weih­nachten. Sie macht zirka 50 bis 70 Prozent des Betriebsgewinns je nach Ausrichtung der Betriebe aus. Um an billige Nahrungsmittel heranzukommen, scheut die EU nicht davor zurück, die Bauern zu Sozialhilfeempfängern zu machen und das bei dieser immensen Arbeitsbelastung.

Trotz aller Kritik möchte ich mich aber für die vermehrte Berichterstattung zum Thema Landwirtschaft in der PAZ bedanken. Denn für alle Menschen gilt der Satz: ,,Landwirtschaft, wir brauchen sie zum Leben!“

Ottfried Wolter, Landwirt, Neetze


S. 13 Das OStpreußenblatt

Und sie bewegt sich doch
Allenstein erhält eine neue Straßenbahn, die 2015 in Betrieb gehen soll

50 Jahre nach Abschaffung der Straßenbahn soll Allenstein ab kommendem Jahr aus Mitteln der EU geförderte neue Linie erhalten. Nach mehrmaligen Terminverschiebungen schreiten die Bauarbeiten voran.

Bereits 1907 verfügte die Stadt Allenstein über eine Straßenbahn, deren Betrieb Mitte der 60er Jahre eingestellt worden war. Mit dem 2006 beantragten EU-Projekt „Modernisierung und Entwicklung eines integrierten Systems der öffentlichen Verkehrsmittel“ entsteht ein neues Schienennetz. Beim Bau der geplanten Trassen kam es mehrmals zu Verzögerungen und Terminverschiebungen. Doch seit einigen Monaten ist deutlich Bewegung in die Bauarbeiten gekommen; die letzten Verträge sind unter Dach und Fach.

Während sich die Stadt Allenstein über den Fortschritt der Bauarbeiten, Arbeit für ihre Einwohner und die Aussicht auf geringere Luftverschmutzung im Stadtzentrum freut, sorgen die gleichzeitigen Grabungen an verschiedenen Baustellen seit drei Monaten für Staus und damit für Unmut bei den Autofahrern. Piotr Grzymowicz, der Präsident von Allenstein, zeigte sich am 21. November bei einem Ortstermin an der Bischof-Tadeusz-Płoski-Straße in Jomendorf, der Verlängerung der General-Sikorski-Straße, optimistisch: „Mit einem stärkeren ÖPNV (öffentlicher Personennahverkehr), vor allem der Straßenbahn, senken wir die Belastung durch Emissionen, die Zahl der Verkehrsunfälle – und damit die Folgekosten für die Gesellschaft.“

Gleichzeitig konnte er den Autofahrern Hoffnung auf ein absehbares Ende der Bauarbeiten machen. Anlass des Ortstermins war nämlich die Lieferung der ersten Schienen für die Stra-ßenbahn. Am Streckenabschnitt Płoskistraße, auf dem die Schienen in einem getrennten Gleisbett neben der Straße verlaufen werden, ist der Erfolg der Arbeit besonders deutlich zu sehen. Nach einer Stagnation von eineinhalb Jahren sind binnen kurzem auf der gesamten Steigung das Fundament befestigt, Schotter ausgebracht und Betonschwellen gelegt worden. Bis Weihnachten sollen nach dem Zeitplan zwei parallele Schienenstränge auf diesem in einer weiten Kurve verlaufenden Teilstück fertig gestellt sein. Grzymowicz zeigte sich optimistisch, dass auch das restliche Schienennetz wie geplant einsatzbereit sein wird. „Die Einhaltung des Termins im Oktober 2015 sollte zu schaffen sein. Die Eröffnung der neuen Straßenbahn fällt dann auf den 50. Jahrestag der Abschaffung der früheren“, stellte das Stadtoberhaupt fest.

Er wird sie als Präsident von Allenstein erleben können, denn er wurde in der Stichwahl am 30. November in seinem Amt bestätigt. Uwe Hahnkamp


Erfolgsgeschichte in Allenburg
15 Jahre Förderverein Kirche Allenburg – Einsatz für Pflege kultureller Einrichtungen und Völkerverständigung

Die Allenburger Kirche hat Glück gehabt, dass es Menschen gab, denen ihr Schicksal nicht gleichgültig war. Menschen auf deutscher und russischer Seite bewahrten sie in gemeinsamen Bemühungen vor dem Verfall.

Ein großes Verdienst für den Erhalt der Kirche erwarb sich der „Förderverein Allenburger Kirche und Pflege kultureller Zwecke und Einrichtungen, Völkerverständigung e.V.”, der in diesem Jahr im November sein 15-jähriges Bestehen feiern konnte.

In dieser Zeit ist es – oft unter großen Mühen – gelungen, die nach dem Krieg noch erhaltene Allenburger Kirche vor dem Verfall zu retten und sie so vor dem Schicksal zahlreicher anderer Kirche im nördlichen Ostpreußen zu bewahren. Im Jubiläumsjahr des Vereins erhielt die Kirche ihre Turmuhr zurück, für deren Restauration sich der Förderverein mithilfe von Spendern eingesetzt hatte. Die neue Kirchturmuhr wurde mit einem feierlichen Akt eingeweiht, an dem neben der Vereinsvorsitzenden  Ute Bäsmann Kurt Palis, sowie Fritz und Ulrich Masuhr vom Förderverein Allenburger Kirche angereist waren. Ebenso nahmen Landrat Bakalin und die Bürgermeister Sedow und Boldyrew sowie Propst Vieweg von der evangelischen Auferstehungskirche in Königsberg und Pfrarrer Dmitrij von der orthodoxen Kirche Friedland an der Feier teil. Der Glockenton ertönt jede Viertelstunde vom Band, zur vollen Stunde erklingt außerdem die Melodie des Liedes „Üb’ immer Treu und Redlichkeit” analog dem Glockenspiel am Platz der Garnisonkirche in Potsdam.

Bis zur Einweihung der neuen Turmuhr in diesem Frühjahr und der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen dem Förderverein, Bürgermeistern und Landräten war es allerdings ein langer und oft steiniger Weg.

Vor 15 Jahren, am 10. November 1999, gründeten acht Personen den Förderverein Allenburger Kirche, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die Allenburger Kirche vor dem Verfall zu retten. Im Inneren des Gotteshauses sollte ein Museum eingerichtet werden, das Exponate von der Zeit vor 1945 bis heute zeigt. Von Beginn an gehörte es zur Zielsetzung des Vereins, sich um ein Miteinander von Russen und Deutschen zu bemühen, sich für die Erhaltung und Bewahrung von Kirchenbauten einzusetzen und dabei zum gegenseitigen Verständnis beider Kulturkreise beizutragen. Im Jahr 2001 wurde dann eine evangelisch-lutherische Gemeinde gegründet, deren Gottesdienste zunächst alle zwei Wochen in einer Bibliothek stattfanden und später im Versammlungssaal der Kolchose, der die Allenburger Kirche nach dem Krieg zur Nutzung überlassen wurde. Im damaligen Kolchosdirektor fand der Förderverein einen eifrigen Mitstreiter, der half, die bürokratischen Hürden zu überwinden.

Auch nachdem das Gotteshaus 2010 der Russisch-Orthodoxen Kirche übergeben wurde – die evangelische Gemeinde war durch den Wegzug der Russlanddeutschen in die Bundesrepublik Deutschland sehr klein geworden –, wird die Kirche als solche genutzt und der Kirchturm blieb der evangelischen Gemeinde erhalten.

Wer die Kirche besichtigen möchte, sollte einen Tag vorher bei Luba Daub unter der Mobilnummer (007) 9622623869 oder (007) 9062344020 seinen Besuch ankündigen. Sie wird den Schlüssel zur Kirche besorgen. Für 2015 plant Pfarrer Dmitrij eine Feier zum 610-jährigen Bestehen der Allenburger Kirche, zu der Gäste aus der Bundesrepublik Deutschland sehr willkommen sind.. Der Termin wurde auf den 29. August festgelegt. M. Rosenthal-Kappi


Grenzabertigung Fehlanzeige

Der Bau der neuen Memelbrücke bei Paskalwen [Dubki] steht kurz vor seiner Vollendung. Die Brücke ist von großer Bedeutung für den intereuropäischen Transportkorridor Danzig–Königsberg–Riga. Die Tilsiter Königin-Luise-Brücke ist dem modernen Schwerlastverkehr seit Langem nicht mehr gewachsen, doch schlimmer noch sind die sich in den Straßen der Stadt stauenden und auf die Zollabfertigung wartenden Lastkraftwagen, die mit Lärm und Abgasen eine unzumutbare Belastung für die angrenzenden Häuser und deren Bewohner darstellen. Mit Genugtuung wurde daher die Fertigstellung der 15 Kilometer langen Umgehungsstraße begrüßt, die als Zubringer den Güterverkehr zu der neuen Brücke hinführt und die Stadt vom Durchgangsverkehr bald entlasten sollte.

Doch diese Hoffnung hat nun einen argen Dämpfer bekommen. Zur Abfertigung des Transitverkehrs an der neuen Umgehungsstraße und der Auffahrt zur Memelbrücke bedarf es eines neuen Zoll- und Grenzterminals. Wie sich aber jetzt herausstellt, gibt es dafür seitens der Grenzbehörden weder Planungsansätze noch Bauprojekte. So wird sich für den Schwerlastverkehr und die Anwohner bis auf Weiteres wohl nichts ändern. Gouverneur Nikolaj Zukanow zeigte sich äußerst verärgert und bezeichnete diese Situation als völlig absurd. H.Dz.


MELDUNGEN

Hendryk Hoch wiedergewählt

Osterode – Der 64-jährige deutschstämmige Hendryk Hoch, seit 1996 Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft Ermland-Masuren ist in seiner Heimatstadt Osterode für das Wahlkomitee „Gemeinsam für Osterode” (Razem dla Ostrody) des Landrats Wlodzimierz Brodiuk (Partei Bürgerplattform PO) wiedergewählt worden. Vor Jahren wäre es nicht möglich gewesen, dass ein Deutscher im Stadt-rat Aufnahme findet, doch heute ist es inzwischen möglich. Für die Deutschstämmigen im südlichen Ostpreußen und andere ethnische und nationale nichtpolnische Volksgruppen hat sich seit der politischen Wende vieles zum Positiven verändert.

Hochs Wiederwahl gilt als Zeichen für eine gelungene Integration und einem entspannten Umgang der polnischen Gesellschaft mit den nichtpolnischen Volksgruppen. Das Ermland-Masuren-Journal bewertet Hochs Wiederwahl als ein „Beispiel für die vielen Vertreter der nationalen Minderheiten in Polen, die sich politisch engagieren und längst in den Parteien und Wahlkomitees ihre politische Heimat gefunden haben.” PAZ

 

Viel Spaß bei Tanzübungen

Allenstein – Das Verbindungsbüro der Landsmannschaft Ostpreußen (LO) in Allenstein hat im Hotel Górecki in Heilsberg das dritte Volkstanzseminar durchgeführt. Die Jugendlichen sind in diesem Jahr sehr zahlreich zu dieser Veranstaltung gekommen. Es gab insgesamt 46 Teilnehmer aus den Orten Bartenstein, Heilsberg, Ortelsburg, Rastenburg und Neidenburg.

Das Seminar wurde von Grzegorz Swoboda geleitet. Swoboda war insgesamt 15 Jahre lang Tänzer der Volkstanzgruppe „Tworkauer Eiche“, Tänzer und später auch Choreograf der Gesangs- und Tanzgruppe „Strzecha“ in Ratibor sowie Gründer und Leiter der Gruppe „Cheerleader Eskada“, die den dritten Platz beim Polnischen Wettbewerb der Cheerleader- und Show-Dance-Tänze gewonnen hat.

Der erste Tag des diesjährigen Seminars fing zunächst mit den Polkaschritten an, da außer der Volkstanzgruppe „Saga“ auch noch ganz viele Anfänger dabei waren. Sobald die Grundlagen bekannt waren, konnte man mit weiteren Tänzen beginnen. Während des Seminars haben die Teilnehmer sechs Volkstänze kennengelernt: Alte Ermländische Bauernpolka, Siebenschritt, Rossenthiner, Dreitoriger, Sternpolka, Bauernhochtid. Die Kinder und Jugendlichen haben sogar in den Pausen sehr fleißig weitergeübt und dabei viel Spaß gehabt.

Am Ende des verlängerten Wochenendes sind alle Teilnehmer müde, aber sehr zufrieden nach Hause gefahren. E.G.


S. 14 Ostpreussische Familie

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

dies ist die letzte Familienseite in diesem Jahr, in der wir noch einmal auf die Wünsche, Fragen und Antworten unserer Leserinnen und Leser eingehen. Die nächste Doppelnummer der PAZ ist ja die Weihnachtsausgabe, und in der wollen wir einige der Erinnerungen an das letzte Weihnachtsfest vor der Flucht bringen, die sich Frau Viola Kleppe gewünscht und auch erhalten hat. Und da es unsere wichtigste Aufgabe ist, nach Menschen zu suchen, die schon lange aus dem Blickfeld der nach ihnen Fragenden verschwunden sind, beginnen wir auch heute mit einem Suchwunsch, von dem ich aber glaube, dass er kaum zu erfüllen sein wird, denn er hat mit den Vertriebenengebieten wenig zu tun. Trotzdem hat sich Frau Angelika Hofmann aus Norderstedt an uns gewandt, denn sie hatte schon einmal ein Echo auf eine in unserer Kolumne veröffentlichten Suchfrage zu verzeichnen, obgleich es eigentlich nur ein Teilerfolg war. Damals ging es um den verschollenen Bruder ihrer Mutter. Eine Tante von Frau Hofmann hatte geglaubt, diesen auf einem vor einiger Zeit in Königsberg gemachten Foto zu erkennen. Der Mann, der sich daraufhin meldete, war zwar der Abgebildete, aber es war leider nicht der gesuchte Onkel von Angelika Hofmann.

Nun geht es wieder um ein Foto, diesmal aus dem Jahr 1940. Es hing in der Studentenbude ihres Vaters Helmut Knoch während seiner Studienzeit im thüringischen Ilmenau. Da er nur ein Semester Elektrotechnik studiert hat, können wir somit die Suche nach der jungen Frau, deren Porträt auf dem Foto zu sehen ist, zeitlich auf dieses Jahr begrenzen. Es muss die Studentenbude des damals 19-Jährigen geschmückt haben und stellt wohl seine damalige Freundin dar, die wahrscheinlich nicht aus Thüringen, sondern aus seinem früheren Lebenskreis stammt. Und da spielt nun Ostpreußen eine Rolle. Helmut Knoch wurde am 15. Februar 1921 in Mosteiten/Eschenberg in der Elchniederung geboren und absolvierte nach der Schulzeit ein Praktikum in Tilsit, ehe er nach Ilmenau ging. Danach war er im Fronteinsatz bis zum Ende des Krieges. Da er aus einer ostpreußischen Familie stammte, war er schon früh Leser unserer Zeitung. Seine Tochter hofft nun, dass die abgebildete junge Frau, die das Porträt zeigt, auch in Ostpreußen beheimatet war, vielleicht war es eine Verbindung aus seiner Tilsiter Zeit. Zu Helmut Knochs Bekanntenkreis gehörte nach dem Krieg eine Dame, die Geschichten aus Ostpreußen und Schleswig-Holstein veröffentlichte. Sie hieß Gertrud Schurig und verstarb im Jahr 2011. Es könnte sein, so Frau Hofmann, dass sie die unbekannte Schöne auf dem Foto ist. Es wäre zu begrüßen, wenn hierzu Hinweise aus unserem Leserkreis kämen, denn Angelika Hofmann möchte die Lebensgeschichte ihres 2012 verstorbenen Vaters aufarbeiten. Ihre Familie war sehr lange auf der Suche nach vermissten Verwandten, wobei sich Fragen ergeben haben, die noch immer offen stehen. Es könnte sein, dass sich für deren Lösung aus den Zuschriften zu unserer heutigen Veröffentlichung einige Mosaiksteine ergeben, die wir dann in unserer Kolumne zusammensetzen. (Angelika Hofmann, Quickborner Straße 6 in 22844 Norderstedt, Telefon 040/5226962, E-Mail: hofmann@math.uni-hamburg.de)

Seit die älteren Ausgaben des Ostpreußenblatts im Internet abrufbar sind, entdecken manche Leser den Namen von Gesuchten, die auch in ihrer Familie vorkommen. Das ist natürlich eine große Überraschung, und die „Wer“-Fragen ergeben sich dann von selbst: Wer hat meine Großmutter gesucht – wer hat nach meinem Onkel gefragt – wer will über meine Cousine Auskunft haben? Da diese Suchfragen aber schon vor Jahrzehnten gestellt wurden, ist der Auftraggeber der Suchanzeigen nicht mehr feststellbar. So landen dann manche Anfragen bei uns in der Hoffnung, dass sich jemand aus der Familie des ehemaligen Auftraggebers meldet, denn der oder die Betreffende dürfte nicht mehr am Leben sein. Es waren ja damals gerade die älteren Vertriebenen, die nach ihren vermissten Angehörigen, Freunden, Nachbarn oder Kameraden suchten. Wenn auch dies bei den Anfragen weitgehend berücksichtig werden muss, besteht doch die Möglichkeit, auf diesem unerwarteten Wege Familienangehörige zu finden, von deren Existenz man bisher nichts wusste. Tatsächlich ist dies schon einige Male durch Veröffentlichungen auf unserer Familienseite geschehen, und so hofft auch Herr Guido Weinberger aus Lübeck, dass er bei uns fündig wird. Er entdeckte im Ostpreußenblatt Nummer 18/13 vom 1. April 1967 in der Rubrik „Nachrichten über Wehrmachtsangehörige“, dass ein Angehöriger der Schutzpolizei mit Namen Kretzing aus Tilsit gesucht wurde. Der Vorname ist leider unbekannt, das Geburtsdatum wird auf etwa 1910 geschätzt, so dass der Gesuchte bei Kriegsende etwa 35 Jahre alt gewesen sein musste. Nun ist die Großmutter von Herrn Weinberger eine geborene Kretzing, ein Name, der höchst selten ist. Sie stammt aus Schakuhnen bei Tilsit, die Familie lässt sich viele Generationen in dieser Gegend zurückverfolgen. Zweifellos kommt auch der gesuchte Kretzing aus dieser Familie. Da aber sein Vorname unbekannt ist, kann man ihn schwer einordnen.

Großmutter Frieda Kretzing ist die Tochter des Richard Kretzing, Fleischermeister und Viehhändler, *1863 in Tilsit, †1922 in Kaukehmen. Sie war eines von sieben Kindern des eigenständigen Fleischermeisters, von dessen Söhnen drei ebenfalls diesen Beruf erlernten. Hugo und Max machten sich in Berlin, Paul in Paleiten selbständig. Ein anderer Sohn, Erich, war Drogist und Kaufmann in Kaukehmen, der Jüngste, Alfred, fiel im Ersten Weltkrieg. Urgroßvater Carl Kretzing, *1835, †1870, war Handelsgärtner in Tilsit, Richard war sein einziger Sohn. Wenn also der im Ostpreußenblatt gesuchte Kretzing aus dieser Familie stammen sollte, könnte er ein Sohn von Paul, dem Urgroßvater des Anfragenden sein, der dies auch vermutet. Es ist auch möglich, dass Urgroßvater Carl Brüder hatte und der Gesuchte von einem dieser Tilsiter Kretzings abstammt. Nun, vielleicht bringt unsere heutige Veröffentlichung etwas Klarheit in diese Spätsuche. (Guido Weinberger, Königsstraße 69, 23552 Lübeck, Telefon 017672512311.)

Dass die Frage von Herrn Gerhard Thal nach den Verbliebenen, die nach dem Russeneinmarsch in dem Schreckenslager Königsberg-Rothenstein umkamen, nicht ohne Echo bleiben würde, hatte ich erwartet. Und das kam dann auch prompt und präzise wie immer von Herrn Dietmar Wrage, dem Bewahrer samländischer Geschichte. Herr Thal hatte nach diesem Massenlager, in dem zeitweise bis zu 4000 Gefangene, zumeist „verdächtige Zivilpersonen“, zusammengepfercht waren, gefragt, weil von dort das letzte Lebenszeichen seines Vetters Günter Siebert aus Königsberg gekommen war. Herr Thal konnte bisher keine Auskunft darüber erhalten, wo die Verstorbenen beerdigt wurden. Deshalb wandte er sich an uns, denn seine bisherigen Anfragen hatten fast immer eine gute Resonanz gefunden. Und so scheint es auch bei seiner letzten Frage zu sein, denn Herr Wrage übersandte mir eine Mail mit Hinweisen auf eine viel versprechende Info-Quelle. Zu den Gefangenen in dem GPU-Lager Rothenstein/Kaserne gehörte damals auch der Mittvierziger Max Schneege aus dem samländischen Tykrehnen/St. Lorenz. Er berichtete nach seinem Überleben in einer Zusammenstellung von den furchtbaren Erlebnissen bei seinen mehrfachen Aufenthalten in dem Massenlager. So konnte er authentische Angaben über das Verscharren der in dem Lager Verstorbenen auf dem Feld gegenüber der Kaserne machen. Herr Wrage gibt nun Herrn Thal den Hinweis, dass dieser sich an den Sohn des inzwischen verstorbenen Max Schneege wenden soll und diesen um Auswertung der Angaben in dem Bericht seines Vaters zu bitten. Wir sagen Dietmar Wrage herzlichen Dank für diesen sehr wichtigen Hinweis.

Ein Königsberger Denkmal hat uns eine der schönsten Geschichten des Jahres beschert: die Entdeckung der Skulptur des Walter von der Vogelweide von Georg Fuhg, die mit abgeschlagener Nase im Innenhof der Universität auf ihre Restaurierung wartet. Noch immer kommen Zuschriften zu diesem 1930 vom Deutschen Sängerbund gestifteten Denkmal, das wie durch ein Wunder erhalten blieb und, nachdem die Russen wohl den kulturellen Wert der Figur erkannt hatten, auf einer Wiese am Dom Aufstellung fand, ehe sie beschädigt wurde und in der Versenkung verschwand. Aus dieser „heilen“ Zeit ist Herrn Dr. Hans-Dietrich Nicolaisen aus Büsum das Denkmal in Erinnerung, als er im Frühjahr 1991 mit seiner Frau an einer Studienreise nach Königsberg teilnahm, und ein damals aufgenommenes Foto kann dies bestätigen. Bei der Stadtführung, die von einer Russin geleitet wurde, machte diese ihre Gäste auf die Skulptur besonders aufmerksam, indem sie Verse des Minnesängers in russischer Sprache zitierte. Die Gruppe schwieg ein wenig betreten, denn niemand konnte die deutschen Verse des Dichters in voller Länge auswendig. Hätten Sie noch einige aus dem Gedächtnis aufsagen können, falls Sie der Generation angehören, die als Schulkind im Musikunterricht noch mit altem deutschen Liedgut vertraut gemacht wurde?

Eure Ruth Geede


Eine Kerze anzünden in der Geburtskirche Jesu
Das Caritas Baby Hospital als Insel des Friedens im Westjordanland

Eines unserer schönsten Weihnachtslieder führt „in Bethlehems Stall“. Wie haben wir als Kinder, wenn wir das Lied „Ihr Kinderlein kommet …“ sangen, uns die Krippe in dem armseligen Stall vorgestellt, der doch so viel Geborgenheit bot, ein Hort der Liebe und Hoffnung. Beth­lehem über 2000 Jahre danach? Die Neugeborenen finden auch heute, wenn es um die Erhaltung ihres jungen Lebens geht, einen Hort, der ihnen Hilfe und Heilung verspricht: das Caritas Baby Hospital, das von der Kinderhilfe Bethlehem finanziert und betrieben wird. Ob Lungenkrankheiten, Infektionen oder chronische Erkrankungen: Rund 36500 Kinder werden jährlich dort behandelt, davon etwa 500 auf der neuen Intensivstation. Unter der Leitung von Chefärztin Hiyam Marzouqa setzt sich ein 34 Personen umfassendes Ärzte- und Pflegeteam täglich für das Leben der Kleinsten ein – unabhängig von deren Religion, Nationalität und wirtschaftlicher Herkunft.

„Kinder jammern weniger als Erwachsene“ – Dr. Hiyam Marzouqa, seit 2006 Chefärztin des Caritas Baby Hospitals in Bethlehem, liebt ihre Arbeit trotz hoher emotionaler Belastungen und stressiger Situationen. Obwohl sie das Leben während ihrer zwei Studienaufenthalte in Deutschland sehr genoss, kehrte die Palästinenserin nach dem Abschluss in ihre Heimat zurück. Einerseits weil sie die Wärme und Herzlichkeit ihrer Heimat vermisste, andererseits weil es im Westjordanland an qualifiziertem Arztpersonal – vor allem an Kinderärzten – mangelt. Das 1952 gegründete Caritas Baby Hospital ist das einzige auf Neugeborene und Kinder spezialisierte Krankenhaus im gesamten Westjordanland, das die Mütter in das Behandlungskonzept mit einbezieht. Zur stationären Behandlung stehen insgesamt rund 90 Betten zur Verfügung, davon sieben auf der erst letztes Jahr gegründeten Intensivstation. Häufig werden vor allem Neugeborene eingeliefert. die an Atemwegserkrankungen, Infektionen oder Erbkrankheiten leiden.

Neben medizinischen Notfällen prägen auch logistische Probleme die Arbeit im Caritas Baby Hospital. Je nach Schwere des Falls muss die Klinik so manches Kind trotz eigener Intensivstation in andere Krankenhäuser verlegen. ,,Kinder, die zum Beispiel chirurgische Eingriffe benötigen, müssen wir in eine nahe gelegene Klinik in Jerusalem bringen“, erzählt Dr. Marzouqa. ,,Dazu benötigen wir eine Transfererlaubnis für die Straßensperren zwischen palästinensischem Autonomiegebiet und israelischem Boden.“ Obwohl das Krankenhaus in Jerusalem nur zehn Fahrtminuten von Bethlehem entfernt liegt, können Stunden verstreichen, bis die Bewilligung erteilt und der Patiententransport erfolgen kann. Auch die Behandlung von Kindern aus Gaza, in der Geschichte des Krankenhauses früher keine Seltenheit, gestaltet sich mittlerweile sehr schwierig. Nur in sehr seltenen Fällen erhalten Patienten eine Ausreisegenehmigung. Dennoch ist es dem Caritas Baby Hospital gelungen, während der Feuerpausen der jüngsten Gewalteskalation zwischen Israel und Hamas im Sommer 2014, Patienten aus Gaza zu übernehmen.

Dr. Marzouqa bezeichnet das Caritas Baby Hospital als ,,eine funktionierende Klinik in einem faktisch nicht funktionierenden Staat“. Leid und Resignation gehören zum Alltag. Die Chefärztin sieht es als essenzielle Aufgabe an, Eltern kranker Kinder zu motivieren, zu bestärken und ihnen Sicherheit zu geben. Die Mitarbeiter der Klinik müssten die Menschen richtiggehend an die Hand nehmen, denn die unsichere Lage im Westjordanland zwinge sie zur Vorbildfunktion. Um dafür Kraft zu schöpfen, besuche sie oft morgens die Geburtskirche. Dort entzünde sie für sich, ihre Familie und die benachteiligten Menschen im Heiligen Land eine Kerze und bete, dass möglichst viele ihrer Patienten die Klinik wieder gesund verlassen mögen. „Medizinische Hilfe zu leisten ist das Eine. Der Umgang mit persönlichen Ängsten um manchmal hoffnungslose Behandlungsverläufe einiger Patienten ist das Andere. Wenn ich aber sehe, wie oftmals Kinder schwerkrank auf die Intensivstation kommen und diese mit einem Lächeln wieder verlassen können, sogar nach Hause entlassen werden dürfen, motiviert mich das immer wieder von Neuem“.

(Kinderhilfe Bethlehem im Deutschen Caritasverband e.V., Postfach 420 in 79004 Freiburg i.Br., Telefon 0761/200-314, E-Mail: khb@cantas.de, www.kinderhilfe-bethlehem.de) R.G.


S. 15 Glückwünsche

Wir gratulieren

ZUM 97. GEBURTSTAG

Engling, Luzia, aus Ostpreußen, am 13. Dezember

Lingk, Hans Joachim, aus Babeck, Kreis Treuburg, am 16. Dezember

Neumann, Edith, aus Königsberg/Pr., Littauerwall 62/Hansaring, am 16. Dezember

von Zaborowski, aus Memel, am 16. Dezember

ZUM 96. GEBURTSTAG

Buksa, Ernst, aus Prostken, Kreis Lyck, am 16. Dezember

Hoffmann, Frieda, geb. Naujokat, aus Palmnicken, Kreis Samland, am 15. Dezember

ZUM 95. GEBURTSTAG

Eckhardt, Frieda Anna, geb. Pawlowski, aus Schnippen, Kreis Lyck, am 19. Dezember

Greb, Heinz, aus Steinhald, Kreis Ebenrode, am 19. Dezember

Grzegorzewski, Ruth, geb. Wedemann, aus Birkenwalde, Kreis Lyck, am 16. Dezember

Naporra, Otto, aus Klaussen, Kreis Lyck, am 17. Dezember

Probst, Elli, geb. Stoltz, aus Weißensee, Kreis Wehlau, am 19. Dezember

Schirrmacher, Erna, geb. Homp, aus Großheidekrug, Kreis Samland, am 18. Dezember

ZUM 94. GEBURTSTAG

Brandstädter, Magarete, geb. Berkoben, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 16. Dezember

Lenk, Margarete, geb. Köhn, aus Bärwalde, Kreis Samland, am 14. Dezember

Magnus, Hildegard, geb. Moldzio, aus Lyck, am 19. Dezember

Mast, Ruth, geb. Prießner, aus Schlesien, am 16. Dezember

Perl, Hildegard, geb. Arndt, aus Lötzen, am 15. Dezember

ZUM 93. GEBURTSTAG

Boy, Gertrud, geb. Wiertschoch, aus Borken, Ortsteil Niederhorst, Kreis Lyck, am 14. Dezember

Bradler, Richard, aus Groß Allendorf, Kreis Wehlau, am 16. Dezember

Dannappel, Karl, aus Schuttschen, Kreis Neidenburg, am 15. Dezember

Eggert, Gertrud, geb. Langner, aus Gimmendorf, Kreis Neidenburg, am 18. Dezember

Herzmann, Elfriede, geb. Theophil, aus Ebenrode, am 14. Dezember

Hoffmann, Christel, geb. Seesko, aus Treuburg, am 19. Dezember

Holzapfel, Ursula, geb. Metauge, aus Groß Kuhren, Kreis Samland, am 15. Dezember

Klein, Christel, geb. Schlisski, aus Wehlau, am 18. Dezember

Krause, Anna, geb. Gusek, aus Grabnick, Kreis Lyck, am 13. Dezember

Lyß, Elfriede, geb. Schwedt, aus Kniprode, Kreis Neidenburg, am 13. Dezember

Pecher, Hildegard, geb. Pecher, aus Lüdtkenfürst, Kreis Heiligenbeil, am 17. Dezember

Sauter, Margarete, geb. Zeheter, aus Lötzen, am 14. Dezember

Sender, Herbert, aus Moddelkau, Kreis Neidenburg, am 15. Dezember

ZUM 92. GEBURTSTAG

Grau, Elsa, aus Schloßbach, Kreis Ebenrode, am 13. Dezember

Huonker, Elfriede, geb. Rama, aus Omulefofen, Kreis Neidenburg, am 18. Dezember

Mühlberg, Gerda, aus Seerappen, Kreis Samland, am 19. Dezember

Nieber, Werner, aus Grabnick, Kreis Lyck, am 13. Dezember

Trzaska, Heinz-Walter, aus Ortelsburg, am 19. Dezember

ZUM 91. GEBURTSTAG

Becker, Gerda, geb. Bautz, aus Neuendorf, Kreis Elchniederung, am 19. Dezember

Doddek, Gertrud, geb. Gregel, aus Borken, Kreis Lyck, und aus Scharfs, Kreis Rastenburg, am 14. Dezember

Knabe, Hans, aus Sonnau, Kreis Lyck, am 17. Dezember

Kolander, Hildegard, geb. Schipper, aus Schuditten, Kreis Samland, am 17. Dezember

Lehnert, Wanda, geb. Alzuhn, aus Rehwalde, Kreis Elchniederung, am 15. Dezember

Matern, Gerda, geb. Kattelat, aus Wargienen, Kreis Wehlau, am 15. Dezember

Pietrass, Frieda, aus Groß Krösten, Kreis Lötzen, am 13. Dezember

Rosowski, Ernst, aus Wilhelmshof, Kreis Ortelsburg, am 17. Dezember

Sallewsky, Christel, aus Lyck, Yorkplatz 4, am 14. Dezember

Schulz, Frieda, geb. Kowalewski, aus Millau, Kreis Lyck, am 17. Dezember

Seidlitz, Christel, geb. Cypris, aus Reichensee, Kreis Lötzen, am 19. Dezember

Spörl, Erna, geb. Kwyzinski, aus Ilowo, Kreis Neidenburg, am 15. Dezember

Teppen, Edith, geb. Neumann, aus Mensguth, Kreis Ortelsburg, am 14. Dezember

ZUM 90. GEBURTSTAG

Czerwinski, Ottilie, geb. Chosz, aus Krummfuß, Kreis Ortelsburg, am 15. Dezember

Defayay, Grete, geb. Wielga, aus Willenberg, Kreis Ortelsburg, am 16. Dezember

Geppert, Egon, aus Pillau, Kreis Samland, am 14. Dezember

Gleisner, Christel, geb. Janzik, aus Waiblingen, Kreis Lyck, am 16. Dezember

Groß, Ilse, geb. Bochum, aus Seckenburg, Kreis Elchniederung, am 15. Dezember

Haas, Erna, geb. Jünger, aus Kechlersdorf, Kreis Lyck, am 17. Dezember

Heidmann, Ruth, geb. Griggel, aus Fischhausen, Kreis Samland, am 19. Dezember

Leymann, Otto, aus Birkenwalde, Kreis Lyck, am 14. Dezember

Marstaller, Wolfgang, aus Eiserwagen, Kreis Wehlau, am 13. Dezember

Matzeit, Fritz, aus Kastaunen, Kreis Elchniederung, am 14. Dezember

Nagat, Frieda, aus Klein Friedrichsgraben, Kreis Elchniederung, am 15. Dezember

Olepp, Elisabeth, geb. Korallus, aus Goldbach, Kreis Wehlau, am 14. Dezember

Schmidt, Grete, geb. Schmidt, aus Sanditten, Kreis Wehlau, am 19. Dezember

Schmölke, Lieselotte, geb. Seidler, aus Wehlau, am 18. Dezember

Strelow, Erika, geb. Schmielewski, aus Salleschen, Kreis Neidenburg, am 14. Dezember

ZUM 85. GEBURTSTAG

Beyer, Johanna, geb. Gollischewski, aus Neidenburg, am 15. Dezember

von Bülow, Sigismund, aus Partheinen, Kreis Heiligenbeil, am 13. Dezember

Czerwinski, Ernst, aus Lyck, am 16. Dezember

Dettner, Johannes, aus Rosignaiten, Kreis Samland, am 15. Dezember

Dombrowski, Helene, geb. Czieslick, aus Kulessen, Kreis Lyck, am 14. Dezember

Holtorf, Eva, geb. Bremer, aus Trappen/Trappönen, Kreis Tilsit-Ragnit, am 13. Dezember

Horch, Reinhold, aus Goldbach, Kreis Wehlau, am 19. Dezember

Hummel, Inge, geb. Rutz, aus Kalaushöfen, Kreis Samland, am 19. Dezember

Klotzek, Emma, aus Lyck, Arno-Kallweit-Straße 5, am 15. Dezember

Kurzewitz, Hildegard, geb. Mazasek, aus Saluschen, Kreis Neidenburg, am 16. Dezember

Lasarzik, Otto, aus Berndhöfen, Kreis Lyck, am 17. Dezember

Lewandrowski, Werner, aus Moddelkau, Kreis Neidenburg, am 13. Dezember

Lojewski, Rosemarie, aus Grabnick, Kreis Lyck, am 13. Dezember

Ochmann, Christel, geb. Reszies, aus Lessen, Kreis Elchniederung, am 13. Dezember

Powilleit, Ruth, geb. Mosdzen, aus Grünflur, Kreis Ortelsburg, am 16. Dezember

Przykopp, Edith, aus Garbassen, Kreis Treuburg, am 14. Dezember

Przykopp, Hans, aus Garbassen, am 18. Dezember

Rosenwald, Kurt, aus Skaten, Kreis Wehlau, am 14. Dezember

Schröder, Hildegard, geb. Hering, aus Rosenheide, Kreis Lyck, am 13. Dezember

Schüler, Christel, geb. Bindzus, aus Bergenau, Kreis Treuburg, am 15. Dezember

Späth, Margarete, geb. Wawrzyn, aus Steinberg, Kreis Lyck, am 13. Dezember

Steiner, Brigitte, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 17. Dezember

Tilitzki, Fritz, aus Ostseebad Cranz, Kreis Samland, am 18. Dezember

Till, Anna, geb. Zielinski, aus Wachau, Kreis Sensburg, am 11. Dezember

Weithöner, Elfriede, geb. Greszyk, aus Birkenwalde, Kreis Lyck, am 15. Dezember

ZUM 80. GEBURTSTAG

Abel, Heinz, aus Wehlau, am 15. Dezember

Anders, Ursel, geb. Koslat, aus Treuburg, am 18. Dezember

Bayer, Inge, geb. Lietz, aus Schwengels, Kreis Heiligenbeil, am 14. Dezember

Boese, Erika, geb. Krinke, aus Genslack, Kreis Wehlau, am 14. Dezember

Brosch, Werner, aus Rohmanen, Kreis Ortelsburg, am 16. Dezember

Ehmcke, Gudrun, geb. Fortak, aus Erben, Kreis Ortelsburg, am 19. Dezember

Falatik, Hildegard, geb. Bartikowski, aus Steintal, Kreis Neidenburg, am 14. Dezember

Grabosch, Günter, aus Krummfuß, Kreis Ortelsburg, am 16. Dezember

Heuwinkel, Waltraut, geb. Lasarzik aus Wiesenfelde, Kreis Treuburg, am 19. Dezember

Hubert, Eugen, aus Neukuhren, Kreis Samland, am 13. Dezember

Jeromin, Dr. Ulrich, aus Neumalken, Kreis Lyck, am 17. Dezember

Kaminski, Kurt aus Richtenberg, Kreis Treuburg, am 17. Dezember

Kerstan, Siegfried, aus Altkirchen, Kreis Ortelsburg, am 15. Dezember

Kreutzer, Leopold, aus Petersdorf, Kreis Wehlau, am 19. Dezember

Kromat, Manfred, aus Baringen, Kreis Ebenrode, am 18. Dezember

Kutz, Richard, aus Alt Kriewen, Kreis Lyck, am 13. Dezember

Libnau, Christel, geb. Stawinski, aus Lyck, am 19. Dezember

Makies, Erwin, aus Jagsten, Kreis Elchniederung, am 13. Dezember

Mitschereit, Christa, aus Tutschen, Kreis Ebenrode, am 14. Dezember

Mlinarzik, Erwin, aus Berndhöfen, Kreis Lyck, am 16. Dezember

Nelle, Inge, geb. Dulkies, aus Alt Sellen, Kreis Elchniederung, am 14. Dezember

Niesalla, Paul, aus Liebenberg, Kreis Ortelsburg, am 18. Dezember

Nitkowski, Christel, geb. Wilkop, aus Jägersdorf, Kreis Neidenburg, am 14. Dezember

Paragnik, Maria, aus Treuburg, am 19. Dezember

Perrey, Klaus, aus Treuburg, am 13. Dezember

Reinies, Helga, geb. Jacksteit, aus Kleinerlenrode, Kreis Elchniederung, am 19. Dezember

Rosowski, Heinz, aus Wallen, Kreis Ortelsburg, am 14. Dezember

Schaper, Christel, geb. Klein, aus Grünau, Kreis Elchniederung, am 13. Dezember

Schisslbauer, Elfriede, aus Disselberg, Kreis Ebenrode, am 17. Dezember

Somplatzki, Herbert, aus Großalbrechtsort, Kreis Ortelsburg, am 19. Dezember

Staudinger, Cäcilia, geb. Verheyen, aus Butzbach, am 16. Dezember

Trunk, Christel, geb. Symanzik, aus Keipern, Kreis Lyck, am 17. Dezember

ZUM 75. GEBURTSTAG

Bartel, Anneliese, geb. Jesse, aus Bartenhof, Kreis Wehlau, am 14. Dezember

Bauer, Hannelore, geb. Liedtke, aus Leipen, Kreis Wehlau, am 18. Dezember

Evers, Brigitte, geb. Loyal, aus Kattenau, Kreis Ebenrode, am 19. Dezember

Horn, Rosemarie, geb. Kossak, aus Sargensee, Kreis Treuburg, am 16. Dezember

Kaschub, Eva, geborene Zimmel, aus Warschfelde, Kreis Elchniederung, am 17. Dezember

Klein, Christa, geb. Behrens, aus Groß Ponnau, Kreis Wehlau, am 17. Dezember

Koriath, Manfred, aus Burdungen, Kreis Neidenburg, am 18. Dezember

Krause, Lieselotte, geborene Zollondz, aus Oschekau, im Kreis Neidenburg, am 16. Dezember

Kuhr, Günter, aus Loye, Kreis Elchniederung, am 19. Dezember

Link, Dietrich, aus Göritten, Kreis Ebenrode, am 17. Dezember

Saklowsky, Dietmar, aus Salza und Mertenau, Kreis Lötzen, am 15. Dezember

Spell, Georg, aus Willenberg, Kreis Ortelsburg, am 18. Dezember

Teske, Udo, geb. Brink, aus Barnen, Kreis Treuburg, am 14. Dezember


S. 16 Heimatarbeit

Landsmannschaftliche Arbeit

BADEN-WÜRTTEMBERG

Vors.: Uta Lüttich, Feuerbacher Weg 108, 70192 Stuttgart, Telefon und Fax (0711) 854093, Geschäftsstelle: Haus der Heimat, Schloßstraße 92, 70176 Stuttgart, Tel. und Fax (0711) 6336980.

Lahr – Jeden dritten Donnerstag im Monat, 19 Uhr, Begegnungshaus, Friedrichstraße: Treffen des Ostdeutschen Lesekreises.

– Bericht –

Im Begegnungshaus Lahr traf sich der Ostdeutsche Lesekreis zu einem Rückblick auf 25 Jahre Tätigkeit. Der Kreis wurde 1989 zum 40jährigen Bestehen der Ost- und Westpreußischen Landsmannschaft von Irma Barraud gegründet, damit ostdeutsches Literaturgut nicht verloren geht. Das ist bis heute gelungen, denn hier treffen sich Mitglieder aus den verschiedenen ostdeutschen Landsmannschaften sowie interessierte Personen. Schon der erste Abend, eröffnet vom Irma Barraud und Angela Karl, wurde sehr gut angenommen. Es folgten viele weitere interessante Themenabende. Hier, um nur einige zu nennen, ein paar Beispiele: Der Leseabend aus Schriften von Siegfried Lenz und Arno Surminski, das Gedenken an den 50. Todestag des schlesischen Dichters Gerhardt Hauptmann, der Auftritt von Katharina Flassak, die ihr Buch „Fegefeuer Balkan“ vorstellte, oder die Lesung aus dem Roman „Der große Schwabenzug“ vom Banater Dichter Guttenbrunn. Der Ostdeutsche Lesekreis ist ein offener Kreis, indem auch badische sowie andere Literaten ihren Platz haben. Jeder ist herzlich eingeladen.

Ludwigsburg – Donnerstag, 18. Dezember, 15 Uhr, Krauthof, Beihinger Straße 27: Vorweihnachtsfeier.

Reutlingen – Sonnabend, 13. Dezember, 14 Uhr, Treffpunkt für Ältere, Gustav-Werner-Straße 6a: Weihnachtsfeier. Nach der gemütlichen Kaffeetafel wird der Posaunenchor Wannweil unter Leitung von Rudi Reiser mit weihnachtlichen Weisen auf das Fest einstimmen. Landsleute werden die Teilnehmer mit heimatlichen Vorträgen unterhalten. Alle Landsleute und Freunde sind herzlich eingeladen. Auskünfte Ilse Hunger (07121) 52541. – Mittwoch, 17. Dezember, Gasthaus Edelweiß, Sickenhäuser Straße: Weihnachtsfeier der Frauengruppe. Bitte Päckchen für den Grabbelsack mitbringen.

Ulm/Neu Ulm – Sonntag, 14. Dezember, 14 Uhr, Ulmer Stuben: Weihnachtsfeier der Ost- und Westpreußen. Es werden weih-nachtliche Gedichte und Texte vorgetragen. Der Chor Alexander Diehl tritt auf. Jeder Gast erhält eine kleine weihnachtliche Leckerei. – Zu Weihnachten werden Königsberger Marzipan und Lebkuchen in kleinen Mengen vorbereitet. Bestellungen nimmt Frau Jahnke entgegen. – Donnerstag, 18. Dezember, 14 Uhr, Ulmer Stuben: Weih-nachtsfeier der Frauengruppe.

Wendlingen – Sonntag, 14. Dezember, 14.30 Uhr, Gasthaus Zum Lamm, Kirchheimerstraße 26: Vorweihnachtliche Feier der Ostpreußen, Westpreußen und Pommern mit einer Kaffeetafel und heimatlichem Gebäck. Singen, Musizieren und besinnliche Worte werden alte Erinnerungen wach werden lassen. Ein Diafilm mit 130 Bildern aus 60 Jahren Landsmannschaft zeigt den gemeinsamen Beitrag zur Heimatpflege.

 

BAYERN

Vorsitzender: Friedrich-Wilhelm Böld, Telefon (0821) 517826, Fax (0821) 3451425, Heilig-Grab-Gasse 3, 86150 Augsburg, E-Mail: info@low-bayern.de, Internet: www. low-bayern.de.

Altmühlfranken – Sonntag, 14. Dezember, 15.30 Uhr, Hotel Krone, Gunzenhausen: Weihnachtsnachmittag mit Kaffee und Kuchen sowie Gedichten und Geschichten aus dem historischen Nordosten Deutschlands.

Bamberg – Mittwoch, 17. Dezember, 15 Uhr, Hotel Wilde Rose: Vorweihnachtliche Feier.

Hof – Sonnabend, 13. Dezember,15 Uhr, Restaurant Altdeutsche Bierstube, Marienstraße 88, 95028 Hof: Adventsfeier.

Ingolstadt – Sonntag, 14. Dezember, 13. Uhr, Gasthaus Bonschab, Münchener Straße 8: Adventsfeier.

Kitzingen – Sonnabend, 13. Dezember, Hotel Würzburger Hof: Vorweihnachtliche Feier mit Beiträgen von Mitgliedern und musikalischer Umrahmung durch Landsmann Günter Schmidt.

Landshut – Dienstag, 16. Dezember, 14 Uhr, Insel: Weih-nachtsfeier.

Weiden – Sonntag, 1. Februar, 14.30 Uhr, Café Mitte, Am Stockerhutpark 1, 92637 Weiden: Nächstes Treffen.

– Bericht –

Zur Vorweihnachtsfeier fanden sich die Landsleute und Gäste im weihnachtlich geschmückten Café Mitte ein. Der erste Vorsitzende, Norbert Uschald, freute sich über den zahlreichen Besuch. Nach dem gemeinsamen Singen der Heimatlieder „Land der dunklen Wälder“ und „Westpreußen mein lieb Heimatland“ gratulierte die Kassiererin Ingrid Uschald den Geburtstagskindern des Monats Dezember.

Mit dem Lied „Macht hoch die Tür“ wurde die adventliche Feier eingeleitet. Der Vorsitzende erinnerte an den Sinn des Advents und entzündete die Kerzen am Adventskranz. Dazu trug Kulturwartin Renate Poweleit Gedanken zu jeder Kerze vor. Danach gedachten die Anwesenden aller verstorbenen Landsleute, besonders derer, die bei Flucht und Vertreibung ums Leben kamen.

Norbert Uschald sorgte mit seiner Gattin Anita und den Kindern Andreas, Katharina und Barbara für eine stimmungsvolle musikalische Umrahmung. Flöte, Melodika, Keyboard und Zither kamen zum Einsatz. Danach ließ Uschald Kindheitserinnerungen von der Weihnachtszeit in Ostpreußen wieder aufleben. Ilse Stark trug ein Weihnachtsgedicht vor.

Während des Liedes „Lasst uns froh und munter sein“ verteilte Ingrid Uschald Weihnachtstüten mit leckeren Sachen und zitierte dabei das Gedicht „Drauß’ vom Walde komm ich her“. Mit dem Volkslied „Kein schöner Land“ und guten Wünschen für Weih-nachten und das neue Jahr verabschiedete man sich.

 

BERLIN

Vorsitzender: Rüdiger Jakesch, Geschäftsstelle: Forckenbeck-straße 1, 14199, Berlin, Telefon (030) 2547345, E-Mail: info@bdv-bln.de, Internet: www.ostpreussen-berlin.de. Geschäftszeit: Donnerstag von 14 Uhr bis 16 Uhr Außerhalb der Geschäftszeit: Marianne Becker, Telefon (030) 7712354.

Königsberg, Samland, Labiau – Sonntag, 14. Dezember, 14 Uhr, Johann-Georg-Stuben, Johann-Georg-Straße 10, 10709 Berlin: Gemeinsames Treffen.

Rastenburg – Sonntag, 14. Dezember, 15 Uhr, Restaurant Stammhaus, Rohrdamm 24 B: Weih-nachtsfeier. Anfragen: Martina Sontag, Telefon (033232) 188826.

Gumbinnen, Johannisburg, Lötzen, Sensburg – Dienstag, 16. Dezember, 13 Uhr, Restaurant Dalmata, Albrechtstraße 52, 12167 Berlin: Adventsfeier. Anfragen Gumbinnen: Joseph Lirche Telefon (030) 4032681. Johannisburg und Sensburg: Andreas Maziul Telefon (030) 5429917. Lötzen: Gabriele Reiß, Telefon (030) 75635633.

 

BREMEN

Vorsitzender: Helmut Gutzeit, Telefon (0421) 25 09 29, Fax (0421) 25 01 88, Hodenberger Straße 39 b, 28355 Bremen. Stellvertrende Vorsitzende: Marita Jachens-Paul, Ratiborer Straße 48, 27578 Bremerhaven, Telefon (0471) 86176. Landesgeschäftsführer: Jörg Schulz, Am Anjes Moor 4, 27628 Uthlede, Telefon (04296) 74 77 01.

Frauengruppe – Jeder 3. Donnerstag im Monat, 15 Uhr im Hotel zur Post, Bahnhofsplatz 11, 28195 Bremen: Treffen der Frauengruppe. Am 18. Dezember zusätzliche weihnachtliche Zusammenkunft.

Bremerhaven – Freitag, 19. Dezember, 14.30 Uhr, Barlachhaus: Adventsfeier.

 

HAMBURG

Erster Vorsitzender: Hartmut Klingbeutel, Kippingstr. 13, 20144 Hamburg, Tel.: (040) 444993, Mobiltelefon (0170) 3102815. 2. Vorsitzender: Manfred Samel, Fried-rich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg, Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

Insterburg – Die Gruppe trifft sich jeden ersten Mittwoch im Monat (außer im Januar und im Juli) zum gemeinsamen Singen und einem kulturellem Programm um 12 Uhr, Hotel Zum Zeppelin, Frohmestraße 123–125. Kontakt: Manfred Samel, Friedrich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg. Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

 

HESSEN

Vorsitzender: Eberhard Traum, Wächtersbacherstraße 33, 63636 Brachtal, Telefon (06053) 708612.

Kassel – Sonntag, 14. Dezember, 15 Uhr: „Mit den Hirten will ich gehen...“ – Advents- und Vorweihnachtsfeier mit Dorothea Deyß und ihrem Sing- und Spielkreis zum dritten Advent.

 

NIEDERSACHSEN

Vorsitzende: Dr. Barbara Loeffke, Alter Hessenweg 13, 21335 Lüneburg, Telefon (04131) 42684. Schriftführer und Schatzmeister: Gerhard Schulz, Bahnhofstraße 30b, 31275 Lehrte, Telefon (05132) 4920. Bezirksgruppe Lüneburg: Manfred Kirrinnis, Wittinger Straße 122, 29223 Celle, Telefon (05141) 931770. Bezirksgruppe Braunschweig: Fritz Folger, Sommerlust 26, 38118 Braunschweig, Telefon (0531) 2 509377. Bezirksgruppe Weser-Ems: Otto v. Below, Neuen Kamp 22, 49584 Fürstenau, Telefon (05901) 2968.

Helmstedt – Jeder zweite Donnerstag im Monat, 15 Uhr, Begegnungsstädte Schützenwall 4: Gemeinsames Treffen der Landmannschaft der Ost- und Westpreußen.

Holzminden – Bericht – Zum ersten Advent hatte die Vorsitzende Renate Bohn alle Mitglieder und natürlich auch Gäste in den „Felsenkeller“ zum gemütlichen Plachandern und einem Film von der Kurischen Nehrung eingeladen. Am 3. Advent findet ebenfalls im „Felsenkeller“ um 15 Uhr eine vorweihnachtliche Andacht mit Pastor i. R. Günther Grigoleit statt. Bei der anschließenden Feier werden  ostpreußische Bräuche  (die Brummtöpper mit der Teufelsgeige), gemeinsam Weihnachtslieder gesungen, und bei Kaffee und möglichst Selbstgebackenem aus der Weihnachtsbäckerei ein kleines Theaterstück aufgeführt. Natürlich sind auch hier Nicht-Ostpreußen und Gäste herzlich willkommen.

Osnabrück – Dienstag, 16. Dezember, 16.30 Uhr, Hotel Ibis, Blumenhaller Weg 152: Gemeinsames Kegeln. – Freitag, 19. Dezember, 15 Uhr, Gaststätte Bürgerbräu, Blumenhaller Weg 43: Treffen der Frauengruppe.

 

NORDRHEIN-WESTFALEN

Vorsitzender: Jürgen Zauner, Geschäftsstelle: Buchenring 21, 59929 Brilon, Tel. (02964) 1037, Fax (02964) 945459, E-Mail: Geschaeft@Ostpreussen-NRW.de, Internet: www.Ostpreussen-NRW.de

Bonn – Sonnabend 13. Dezember, 14.30 Uhr, Namen-Jesu-Kirche, Bonnegasse: Ökumenischer Adventsgottesdienst.

Dortmund – Jeden dritten Montag im Monat (aktuell: 15. Dezember), 14 bis 17 Uhr, Landgrafenschule, Eingang Märkische Straße: Treffen der Frauengruppe. Gäste sind willkommen.

Düsseldorf – Jeden Mittwoch, 18.30 bis 20 Uhr, GHH/Eichendorff-Saal, 1. Etage: Chorprobe der Düsseldorfer Chorgemeinschaft.

Ennepetal – Sonntag, 14. Dezember, 15 Uhr, Restaurant „Rosine“, Bergstraße 4-6, Ennepetal Voerde: Weihnachtsfeier. – Donnerstag, 18. Dezember, 18 Uhr, Heimatstube Kirchstraße 52: Jahresausklang. Anmeldung erforderlich.

Münster – Sonntag, 14. Dezember, 15 Uhr, Friedenskrug, Zum Erlenbusch 16, 48167 Münster Gremmendorf (zu erreichen mit Buslinie 6 vom Hauptbahnhof Münster aus Richtung Gremmendorf bis Haltestelle Heidestraße): Weihnachtsfeier.

Witten – Montag, 15. Dezember, 15 Uhr, Evangelisch Lutherische Kreuzgemeinde, Lutherstraße 6 –10: Weihnachtsfeier im Wandel der Zeit.

Wuppertal – Sonntag, 14. Dezember, 14 Uhr, Rotter Kirche, Rödiger Straße, 42283 Wuppertal (Über den öffentlichen Nahverkehr mit den Linien 604 und 614 zu erreichen. Die Haltestelle heißt Thorner Straße): Adventsfeier mit Kaffee und Kuchen. Es singen die Chorfreunde Wuppertal. Die Tanzgruppe von Ursula Knocks tritt ebenfalls auf. Gäste sind herzlich willkommen.

 

RHEINLAND-PFALZ

Vors.: Dr. Wolfgang Thüne, Wormser Straße 22, 55276 Oppenheim.

Ludwigshafen – Dienstag, 16. Dezember, 12.30 Uhr, Schiller-Stube, Kapellengasse 25., Ludwigshafen-Oggersheim: Treffen zum Weihnachtsessen.

Mainz – Jeden Freitag, 13 Uhr, Café Oase, Schönbornstraße 16, 55116: Kartenspielen.

 

SACHSEN-ANHALT

Vors.: Michael Gründling, Große Bauhausstraße 1, 06108 Halle, Telefon privat (0345) 2080680.

Gardelegen – Mittwoch, 17. Dezember, 12 Uhr, Waldgaststätte, Lindenthal: Weihnachtsfeier.

 

SCHLESWIG-HOLSTEIN

Vors.: Edmund Ferner. Geschäftsstelle: Telefon (0431) 554758, Wilhelminenstr. 47/49, 24103 Kiel.

Bad Oldesloe – Nach der Begrüßung der November-Runde erinnerte Gisela Brauer an die Gedenktage des Monats – Allerheiligen, Allerseelen, Volkstrauertag und Ewigkeitssonntag – und gab die Einladung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge zur Feierstunde am Volkstrauertag weiter. Thema des Nachmittags war der Schriftsteller Siegfried Lenz. Katharina Makarowski sprach über den Ostpreußen, der zum bekanntesten und erfolgreichsten Erzähler Deutschlands wurde. Dabei ging sie auf einige seiner zahlreichen Romane ein. Sein Tod hat viele bewegt. Zu Beginn der Trauerfeier im Hamburger Michel stellte Arno Surminski fest, dass es nun wieder einen Ostpreußen weniger gebe, und Altbundeskanzler Helmut Schmidt schloss seine Abschiedsworte mit dem Satz: „Ich werde ihn vermissen.“ Dann sprachen die Teilnehmer über die gegenwärtigen Flüchtlingsströme und ihre eigene Ankunft nach Angst und Schrecken auf der Flucht in den Jahren 1945 bis 1947 in Westdeutschland. Freude machten die Fotos von Ulrich Klemens. Bildern, die im Oktober beim Besuch im Hause Klemens aufgenommen wurden. Und wer wird als nächster in der Gruppe sein Hobby vorstellen? Geburtstagskinder des Monats waren Katharina Makarowski und Elfriede Storjohann.

Pinneberg – Achtung Terminverschiebung der Adventsfeier, neues Datum: Sonntag, 14. Dezember, 15 Uhr, Restaurant Mondea, Mühlenstraße 70d. Auf dem Programm: Gemeinsames Singen, Geschichten und Gedichte hören. Voranmeldung unter (04101) 62667 oder (04101) 73473.

 

THÜRINGEN

Vors.: Edeltraut Dietel, August-Bebel-Straße 8 b, 07980 Berga an der Elster, Tel. (036623) 25265.

Saalfeld – Sonnabend, 13. Dezember, 19 Uhr, Meininger Hof, Alte Freiheit 1, 07381 Saalfeld: Gala-Konzert der Akkordeon-Bigband-Saalfeld.


S. 17-18 Heimatarbeit

Aus den Heimatkreisen

ELCH-NIEDERUNG

Kreisvertreter: Manfred Romeike, Anselm-Feuerbach-Str. 6, 52146 Würselen, Telefon/Fax (02405) 73810. Geschäftsstelle: Barbara Dawideit, Telefon (034203) 33567, Am Ring 9, 04442 Zwenkau.

Danzig, die Elchniederung, Nikolaiken und der Oberländer Kanal gehören unter anderem zu den Zielen der neuntägigen Busreise, die die Kreisgemeinschaft Elchniederung vom 15 bis zum 23. Mai 2015 veranstaltet (siehe auch den Reisebericht auf Seite 20). Unter Leitung von Peter Westphal erwartet die Teilnehmer dieses Programm:

1. Tag: Fahrt ab Hannover mit Zustiegsmöglichkeiten entlang der Fahrtroute bis nach Polen, Zwischenübernachtung in Danzig. Da Ihr Hotel unmittelbar an der Altstadt liegt, bleibt am Abend noch Gelegenheit, für einen ersten Erkundungsspaziergang.

2. Tag: Nach dem Frühstück unternehmen Sie einen geführten Rundgang durch die sehr schön restaurierte Danziger Altstadt. Beim Bummel über den langen Markt sehen Sie den Artushof, den einstigen Treffpunkt der hanseatischen Kaufleute, und den Neptunbrunnen, spazieren am Ufer der Mottlau zum imposanten Krantor und erreichen durch die Frauengasse mit den für Danzig typischen „Beischlägen“ vor den Häusern die Marienkirche, eine der größten Backsteinkirchen der Welt. Nach dem geführten Altstadtrundgang bleibt noch etwas Zeit für eine individuelle Mittagspause, bevor die Reise weiter zum polnisch-russischen Grenzübergang geht. Dort erwartet Sie Ihr russischer Reiseleiter, der Sie während Ihres gesamten Aufenthaltes im nördlichen Ostpreußen begleiten wird. Anschließend Weiterreise vorbei an Königsberg, Wehlau und Tapiau weiter bis nach Tilsit, wo Sie Ihre Zimmer im Hotel „Rossija“ beziehen.

3. Tag: Am Vormittag Möglichkeit zur Teilnahme am Gottesdienst gemeinsam mit der evangelischen Kirchengemeinde in Heinrichswalde. Anschließend Weiterfahrt über Neukirch nach Rauterskirch. Dort Empfang durch die örtliche Bevölkerung und Besichtigung der historischen Kirche. In der auch mit deutschen Mitteln unterstützten Sanitätsstation ist der Tisch zu einem kleinen Imbiss gedeckt.

Rückfahrt über Seckenburg, Groß Friedrichsdorf und Kreuzingen nach Tilsit. Nach dem Abendessen geführter Rundgang durch Tilsit. Beim Besuch der heute teilweise wieder restaurierten Hohen Straße können Sie die einstige Schönheit der Stadt an der Memel erahnen. Natürlich besteht an diesem Reisetag auch die Möglichkeit zu eigenen Unternehmungen, sofern Sie nicht am geführten Ausflugsprogramm teilnehmen möchten. Unser bewährter Taxiservice steht Ihnen dazu zur Verfügung. Übernachtung in Tilsit.

4. Tag: Nach dem Frühstück Rundfahrt durch die Elchniederung, insbesondere in die Gebiete nördlich der Gilge mit Besuch von Sköpen, Kuckerneese, Herdenau, Karkeln, Inse, zum Jagdschloss Pait, weiter über Milchhof, Alt-Dümpelkrug, Rautersdorf, Bretterhof, Rautenburg und zurück nach Tilsit. Auch an diesem Reisetag besteht wieder die Möglichkeit zu eigenen Unternehmungen, sofern Sie nicht am geführten Ausflugsprogramm teilnehmen möchten. Übernachtung in Tilsit.

5. Tag: Heute verlassen Sie Tilsit und erreichen im südlichen Ostpreußen das Land der großen Seen – Masuren. Bei einer Rundfahrt erleben Sie von der Jägerhöhe bei Angerburg einen besonders schönen Ausblick über das Naturparadies der Seenlandschaft. Anschließend erreichen Sie Rastenburg und Lötzen, die „Sommerhauptstadt“ Masurens. In Heilige Linde besuchen Sie die barocke Klosterkirche mit ihrer sehens- und hörenswerten Orgel. Abendessen und Übernachtung in Nikolaiken.

6. Tag: Nach dem Frühstück beginnt Ihre heutige Masurenrundfahrt mit einer Schiffsfahrt über die Masurischen Seen von Nikolaiken nach Niedersee. Anschließend Weiterfahrt in Richtung Eckertsdorf mit Besuch des Philliponenklosters, das von „Altgläubigen“, einer Religionsgemeinschaft, die nach ihrer Vertreibung aus Russland in Ostpreußen Aufnahme fand, gegründet wurde. Danach erreichen sie den wohl romantischsten Fluss Masurens-die Kruttinna. Bei einer Stakenkahnfahrt genießen Sie Natur pur. Zum heutigen Abendessen erwartet Sie der Küchenchef zum rustikalen Grillabend am Seeufer. Übernachtung in Nikolaiken.

7. Tag: Nach dem Frühstück Weiterreise nach Westen in das Ermland. Zunächst besuchen Sie die Hauptstadt Ermland-Masurens: Allenstein. Bei einer Führung sehen Sie u.a. die Burg des ermländischen Domkapitels. Hier residierte auch Nikolaus Kopernikus als Verwalter des Kapitels. Sehenswert sind weiterhin das Hohe Tor und die St.- Jakobus-Kirche. Am Nachmittag fahren Sie nach Hohenstein (Olsztynek). Hier erleben Sie in einem Freilichtmuseum ein traditionelles ostpreußisches Dorf mit Gehöften, Windmühlen und Kirchen. Die Gebäude im Museumskomplex repräsentieren die Architekturbesonderheiten der historischen Regionen Ostpreußens: Ermland, Masuren, Oberland, Samland und Memelland. Ihr heutiges Übernachtungshotel „Anders“ liegt in Stare Jablonki bei Osterode malerisch hoch über einem See. Die weitläufige im Wald gelegene Hotelanlage mit gepflegten Spazierwegen und eigenem Badestrand ist um eine einstige deutsche Villa herum entstanden.

8. Tag: Gleich nach dem Frühstück erwartet Sie ein weiterer Höhepunkt der Reise: eine Fahrt auf dem Oberländer Kanal, einer ingenieurtechnischen Meisterleistung des 19. Jahrhunderts. Hier überwinden die Schiffe auf der Strecke zwischen Buchwalde und Elbing den Höhenunterschied zwischen dem Ermland und dem Oberland durch das sogenannte Aufschleppen über Rollberge. In den letzten beiden Jahren wurden die technischen Anlagen komplett überholt, nach langer Pause können die geneigten Ebenen nun erstmals wieder befahren werden. Am Nachmittag Weiterreise nach Westen vorbei an Deutsch Eylau und Graudenz bis nach Schneidemühl (Pila) zur letzten Zwischenübernachtung.

9. Tag: Rückreise nach Deutschland. Unterwegs Mittagspause auf einem polnischen Markt an der Grenze.

Anmeldung bei Peter Westphal, Obere Wiesenbergstr. 26, 38690 Goslar, Telefon und Fax (05324) 798228 oder bei Partner-Reisen Lehrte, Tel. (05132) 588940, info@partner-reisen.com

 

HEILIGENBEIL

Kreisvertreterin: Elke Ruhnke, Im Bökel 76, 42369 Wuppertal, Tel.: (0202) 46 16 13. E-Mail: ruhnke@kreis-gemeinschaft-heiligenbeil.de. Stellvertreter: Christian Perbandt, Im Stegfeld 1, 31275 Lehrte, Tel.: (05132) 57052. E-Mail: perbandt@kreisge­meinschaft-heiligenbeil.de. 2. stellvertretender Kreisvertreter: Bernd Schmidt, Heideweg 24, 25578 Dägeling, Telefon (04821) 8 42 24. E-Mail: Schmidt.ploessen@gmx.de. 2. Schriftleiterin: Brunhilde Schulz, Zum Rothenstein 22, 58540 Meinerzhagen, Tel.: (02354) 4408, E-Mail: brschulz@dokom.net. Internet: www. kreisgemeinschaft-heiligenbeil.de

Die Kreisgemeinschaft Heiligenbeil hatte bereits zum Kreistreffen 2013 in Burgdorf ihr neues Buch über Flucht und Vertreibung herausgebracht. „Keine Zeit für Trauer, keine Zeit für Tränen“ ist all denen gewidmet, die in jenen Tagen alles verloren – die Heimat, Familienangehörige, Verwandte, Freunde, Nachbarn, ihren gesamten Besitz, Haus und Hausrat, Vieh und Felder – den Unzähligen, die durch Bomben und Granaten ihr Leben lassen mussten, die im Schneesturm auf dem Eis des Frischen Haffs erfroren, die in den eisigen Fluten der Ostsee ertrunken sind. Die Überlebenden berichten hier über ihr Schicksal. Sie wagten mit Mut und Tapferkeit einen Neuanfang. Eine außergewöhnliche Dokumentation im Kampf gegen das Vergessen. Es kommen Zeitzeugen zu Wort, die über beinahe unglaubliche Dinge berichten, die sich während der Flucht und Vertreibung zugetragen haben und über die viele bisher kaum oder gar nicht sprechen konnten. Sie haben hier versucht, auf diese Art und Weise ihre teilweise traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten. Die Kreisgemeinschaft Heiligenbeil sieht es als überaus wichtig an, dass diese Erlebnisse in einer Dokumentation an folgende Generationen weitergegeben werden, damit sich so etwas Furchtbares niemals wiederholt.

Das Buch „Keine Zeit für Trauer, keine Zeit für Tränen“ hat 288 Seiten (ISBN 978-3-00-042633-9) und zeigt viele bisher unveröffentlichte Fotos. Der Preis beträgt 19,80 Euro zuzüglich Porto und Verpackung. Buchbestellungen an: Kreisgemeinschaft Heiligenbeil e. V., Bernd Schmidt, Heideweg 24, 25578 Dägeling, Telefon (04821)-84224, E-Mail: schmidt.ploessen@gmx.de, Internet: www.heiligenbeil-ostpreussen.de

 

KÖNIGSBERG LAND

Kreisvertreterin: Gisela Broschei, Bleichgrabenstraße 91, 41063 Mönchengladbach, Telefon (02161) 895677, Fax (02161) 87724. Geschäftsstelle: Im Preußen-Museum, Simeonsplatz 12, 32427 Minden, Telefon (0571) 46297, Mi. Sa. u. So. 18-20 Uhr.

Bekanntlich sind für einige Kirchspiele des früheren Landkreises Königsberg Ortsfamilienbücher (OFB) vorhanden. Für das Kirchspiel Powunden sind jetzt zwei Bände (A bis K und L bis Z) erschienen. Erfasst sind darin alle Geburten, Eheschließungen und Todesfälle aus den Jahren 1738 bis 1874. Ab 1870 wurden im damaligen Deutschen Reich die Standesämter eingerichtet. Die beiden Bände OFB Powunden umfassen 718 Seiten. Dem Text gehen umfangreiche Erklärungen voraus, aus dem man persönliche Geschichtskenntnisse erweitern kann. Einige Überschriften seien hier angeführt: Vorwort eine Seite A4 mit Erklärungen, Historischer Hintergrund, Kirchenbeschreibung, Abkürzungen, Symbole, Begriffe, Register der Familien (in alphabetischer Reihenfolge), Ortsregister und so weiter. Für Familienforscher sind nach Erachten des Autors diese Unterlagen unverzichtbar. Man erspart sich Anfragen bei Archiven und Behörden. Verfasser ist Dr. Patrick Plew, Österreicher Straße 26, 01279 Dresden, E-Mail: patrick.plew@arcor.de Mit Ausnahme der Kirchspiele Neuhausen und Schaaken, sind jetzt für alle Kirchspiele nördlich des Pregels OFB vorhanden. Das OFB Schaaken ist fertig zur Drucklegung. Zurzeit wird Korrektur gelesen. Mit dem Erscheinen kann in Kürze gerechnet werden. Besucher unseres Museums in Minden haben Gelegenheit die vorgenannte OFB einzusehen. Mit Rücksicht auf die Urheberrechte können in Minden keine Kopien gezogen werden. Bestellungen bitte an den Verfasser richten.

Carl Mückenberger

 

LÖTZEN

Kreisvertreter: Dieter Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg. Geschäftsstelle: Ute Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg, Telefon (040) 6083003, Fax: (040) 60890478, E-Mail: KGL.Archiv@gmx.de

Seit gut eineinhalb Jahren befinden sich das Lötzener Kreisarchiv und die Heimatsammlung der Kreisgemeinschaft Lötzen an der Adresse Sudetenlandstraße 18H (Böcklersiedlung) in Neumünster.

Von den für die Museumssaison 2014 angebotenen elf öffentlichen Veranstaltungen konnten zehn realisiert werden. Die Spannbreite ihrer Themen reichte dabei von historischen (zum Beispiel „Erster Weltkrieg in Ostpreußen“) über literarischen (Arno Surminski, Agnes Miegel) bis hin zu „Märchen aus dem deutschen Osten“. Es war ein besonders schöner Abschluss der diesjährigen Veranstaltungsreihe, als die Märchenerzählerin Angelika Rischer aus Hamburg mit ihrer faszinierenden Stimme und in beeindruckender Textsicherheit am dritten Sonnabend (als Veranstaltungstag eingeschliffen) im November Märchen aus Pommern, Ostpreußen und Schlesien erzählte. Wer liebt nicht „Der alte Miesekater, Frau Katze und Jungfer Kitze“? Die Zuhörer verließen nach Anhören dieses ostpreußischen Märchens sehr heiter den Veranstaltungsraum, der Besucher immer wieder auch durch seine besondere Atmosphäre anspricht.

Mit den für angemeldete Gruppen zusätzlich durchgeführten Veranstaltungstagen (fünf in 2014) konnte Breitenwirkung erzielt werden. Das Konzept, Besonderheiten des Lötzener Archivs und „Schätze“ der Heimatsammlung in Form eines anschaulichen Vortrags vorzustellen und danach die Besucher auf Entdeckung gehen zu lassen, hat sich bewährt. Auch die Wiederholung des Buchmarktes – obwohl am heißesten Tag des Jahres angeboten – kam an. Der Anstieg der Besucherzahl auf deutlich über 400 ist jedoch auch den zwei Kunstausstellungen zu verdanken (nicht gerechnet die Besucher der Sonderausstellung „Ostpreußen verzaubert“, die über fünf Wochen im Foyer des Rathauses Neumünster gezeigt werden konnte).

Stießen schon die gemalten Erinnerungen der Helene Dauter an eine Kindheit in Ostpreußen auf gute Resonanz in der ersten Jahreshälfte, so war die Ausstellungseröffnung mit Werken der Künstlerin Elena Steinke (Königsberg/Brek-lum) Ende Juni die am stärksten besuchte Veranstaltung – alle 53 Sitzgelegenheiten des großen Ausstellungsraumes waren besetzt.

Die Altersspannbreite der Besucher dieses Jahres lag zwischen sieben (Jungen aus der Nachbarschaft) und 95 Jahren (gebürtiger Schlesier, in Neumünster wohnend). Die Betreuung einzelner angemeldeter Besucher geht oft mit großem Zeitaufwand einher – und wird trotzdem gern und fast jederzeit praktiziert.

Mit Sonderausstellungen werden neue Besucher und Wiederkehrer erreicht – dieser Ansatz zur Schaffung eines „lebendigen Museums“ wird in 2015 fortgeführt werden. Immer wieder erstaunt, welche Wege Besucher, die überwiegend aus ganz Norddeutschland kommen, auf sich nehmen. Auch eine private Reise von Leopoldshöhe nach Masuren startete – per Wohnmobil – mit dem Besuch des Lötzener Heimatmuseums.

Ein großes Dankeschön gilt der unkomplizierten, vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen und mit dem Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg. Hinzu kommt die Kontaktpflege mit historisch und künstlerisch interessierten Menschen, auch in Polen.

In wenigen Wochen liegt das Jahresprogramm für 2015 vor. Es wird auf Anfrage gern zugeschickt (von der Geschäftsstelle).

 

LYCK

Kreisvertreterin: Bärbel Wiesensee, Diesberg 6a, 41372 Niederkrüchten, Telefon (02163) 898313. Stellvertr. Kreisvertreter: Dieter Czudnochowski, Lärchenweg 23, 37079 Göttingen, Telefon (0551) 61665. Karteiwart: Siegmar Czerwinski, Telefon (02225) 5180, Quittenstraße 2, 53340 Meckenheim.

Zum sechsten Mal trafen sich am Donnerstag, dem 13. November ehemaliger Lycker Landsleute, die in Bremen und „umzu“ (bremisch herum) wohnen, sowie einige heimatinteressierte Landsleute auch aus weiterer Entfernung um 14 Uhr im Hotel „Zur Post“ in Bremen gegenüber des Hauptbahnhofs.

Organisator dieser Treffen in Bremen ist Wilhelm Norra, Ortsvertreter von Sareiken, Bezirksvertreter von Lyck-Land und Mitglied des Kreistages der Kreisgemeinschaft Lyck. Alle interessierten Landsleute wurden wieder schriftlich eingeladen, außerdem wurde im Ostpreußenblatt sowie in der Bremer Tageszeitung, dem Weser-Kurier, auf die Veranstaltung hingewiesen.

Um 14 Uhr eröffnete Wilhelm Norra das Bremer Treffen und konnte 59 Teilnehmer begrüßen. Darunter als Gast wieder den ersten Vorsitzenden der Kreisgemeinschaft Angerburg, Kurt-Werner Sadowski, von der Landsmannschaft der Pommern, Herbert Schlawin mit seiner Gattin Hannelore, vom Vorstand der Kreisgemeinschaft Lyck den Karteiwart Siegmar Czerwinski, aus Lüneburg den Lycker Landsmann Elimar Labusch, dienstältester Führer im Ostpreußischen Landesmuseum Lüneburg.

Aus Bremen natürlich Heidi Mader, Sprecherin der Mittleren Generation und Kassenwartin der Kreisgemeinschaft Lyck, Orts- und Bezirksvertreterin von Stradaunen. Aus Hannover Heinz Bartschies, der dort einen kleinen Lycker Stammtisch leitet. Auch mehrere Ortsvertreter des Kreises Lyck konnte Wilhelm Norra begrüßen.

Nach seiner Eröffnungsrede sprach Kurt-Werner Sadowski ein Grußwort der Kreisgemeinschaft Angerburg und hielt einen kleinen interessanten Vortrag über Wissenswertes der Kreisgemeinschaften und der Landsmannschaft der Ostpreußen. Am Schluss seiner Rede gratulierte ihm Wilhelm Norra zum Bundesverdienstkreuz, das Kurt-Werner Sadowski für seine Verdienste in der Kreisgemeinschaft Angerburg im Frühjahr dieses Jahres verliehen wurde und überreichte ihm als Anerkennung ein kleines Präsent. Elimar Labusch aus Lüneburg sprach danach über das Ostpreußische Landesmuseum in Lüneburg und erläuterte dabei auch die anstehenden Baumaßnahmen des Museums mit der vorübergehenden Schließung.

Vom Vorstand der Kreisgemeinschaft nahm in diesem Jahr Siegmar Czerwinski aus Meckenheim bei Bonn am Bremer Treffen teil. Er sprach die Grüße des Vorstandes aus und berichtete über seine umfangreiche Tätigkeit als Karteiwart. Ein weiteres Grußwort erfolgte vom Herbert Schlawin, dem Vorsitzenden der Landsmannschaft der Pommern in Bremen, den Wilhelm Norra beim Tag der Heimat in Bremen kennengelernt hatte, und der gern einmal an dem Bremer Lycker Treffen teilnehmen wollte.

Viel vorzutragen hatte Heidi Mader, Sprecherin der Mittleren Generation, Kassenwartin, Orts- und Bezirksvertreterin von Stradaunen sowie Mitglied des Kreistages der Kreisgemeinschaft Lyck. Hauptthema war die von ihr geplante Gruppenreise nach Lyck vom 11. Juni bis zum 18. Juni 2015 mit individueller Anreise bis Warschau, vorzugsweise per Flugzeug. Die Weiterreise nach Lyck erfolgt dann als Gruppe per Bus zum Hotel Rydzewski.

Heinz Bartschies, „Lycker Urgestein“, der in Hannover einen kleinen Lycker Stammtisch leitet, berichtete über die dortigen Zusammenkünfte, wobei sein charakteristisches „Erbarmung“ natürlich nicht fehlen durfte.

Ganz besonders erfreut war Wilhelm Norra, dass er die Ortsvertreter von Birkenwalde, Kelchendorf, Soffen, Lisken, Neuendorf, Steinkendorf , Millau, Talussen, Renkussen, Keipern und Stradaunen begrüßen konnte.

Danach wurden die Teilnehmer gemäß Liste aufgerufen und stellten sich kurz mit ihrem Heimatort vor. Durch diese Zeremonie lernte man sich gegenseitig gut kennen. Leider hatten sich wegen akuter Krankheit kurzfristig etwa zehn Landsleute zum Treffen abgemeldet. Die Frage, ob das Lycker Treffen im Jahre 2015 auch in Bremen stattfinden solle, wurde einstimmig mit „Ja“ beantwortet.

Pünktlich um 16 Uhr war der offizielle Teil des Treffens erledigt. Obligatorisch wurde das Ostpreußenlied gesungen, dann gab es Kaffee und Kuchen und natürlich viel zu erzählen. Um Aufmerksamkeit bat dann noch die Landsmännin Edelgard Gassewitz ehemals Lyck, Sie trug ein Gedicht sowie eine lustige Kurzgeschichte von Siegfried Lenz vor. Gegen 18.30 Uhr war das Treffen beendet. Zum Ausklang hatte Wilhelm Norra dann noch einen Tisch im Bremer Ratskeller reserviert. Einige Landsleute machten von dieser Gelegenheit Gebrauch und verlebten dort noch ein paar schöne Stunden.

Das nächste Lycker Treffen in Bremen findet am Donnerstag, 19. November 2015, 14,00 Uhr, wiederum im Hotel „Zur Post“ am Bahnhofsplatz statt. Alle Landsleute, die sich in die Anwesenheitslisten eingetragen haben, erhalten wieder eine schriftliche Einladung. Wer in diesem Jahr nicht dabei war, und im Jahr 2015 teilnehmen möchte, wird aus organisatorischen Gründen gebeten, sich – möglichst schon jetzt – bei Wilhelm Norra, Telefon (0421) 820651.

 

PREUSSISCH EYLAU

Kreisvertreterin: Evelyn v. Borries, Tucherweg 80, 40724 Hilden, Tel. 02103-647 59, Fax: 02103-230 68, Email: evborries@gmx.net. Kartei, Buchversand und Preußisch Eylauer-Heimatmuseum im Kreishaus Verden/Aller Lindhooper Str.67, 27283 Verden/Aller, Tel.: 04231-15 589, Email: preussisch-eyla@landkreis-verden.de, www.preussisch-eylau.de.

Die Wahlperiode der im Jahr 2011 gewählten Bezirksvertrauensleute und Beisitzer ohne Bezirk als Mitglieder der Delegiertenversammlung (oberstes Organ der Kreisgemeinschaft) läuft nach einer Amtszeit von vier Jahren im September 2015 ab. Somit muss im Jahr 2015 neu gewählt werden. Der geschäftsführende Vorstand hat mich gemäß Paragraph 8 der Satzung der Kreisgemeinschaft Preußisch Eylau für die Wahl der Bezirksvertrauensleute und Beisitzer ohne Bezirk zur Wahlleiterin bestimmt.

Hiermit rufe ich zur Einreichung von schriftlichen Wahlvorschlägen auf. Vorschlagsberechtigt und wählbar sind alle erwachsenen Mitglieder der Kreisgemeinschaft. Mitglieder sind nach Paragraph 3 der Satzung die aus dem Heimatkreis stammenden Landsleute und deren Nachkommen, sowie jeder andere, der sich für die Ziele der Kreisgemeinschaft einsetzt. Die Wahlvorschläge müssen enthalten:

Erstens: Vor- und Zunamen der vorgeschlagenen Person, gegebenenfalls auch den Geburtsnamen.

Zweitens: Geburtsdatum und Geburtsort.

Drittens: Beruf.

Viertens: Heimatanschrift bis 1945, gegebenenfalls. die Anschrift der Eltern, Großeltern oder weiteren Verwandten. Die Heimatanschrift muss nicht zwingend in der betreffenden Stadt/dem betreffenden Amtsbezirk liegen.

Fünftens: jetzige Wohnanschrift mit Telefonnummer gegebenenfalls E-Mail-Adresse.

Sechstens: Angaben, für welche der drei Städte oder welche(n) Amtsbezirk(e) der Wahlvorschlag erfolgt oder ob der Vorschlag für einen Beisitzer ohne Bezirk gemacht wird (eine Übersicht hierzu finden Sie auf dem Einlegeblatt „Wahlvorschlag“).

Siebtens: Die schriftliche Zustimmung des Vorgeschlagenen zu dessen Kandidatur. (Diese Zustimmung ist unbedingt notwendig, da sonst der gesamte Wahlvorschlag ungültig wird.)

Vorschläge zur Wiederwahl sind zulässig, desgleichen Vorschläge für die eigene Person (Selbstvorschläge). Die Wahlvorschläge müssen bis zum 31. Januar 2015 bei Frau Tryta (Wahlleiterin) eingegangen sein. Anschrift: Regina Tryta, Landkreis Verden, Lindhooper Straße 67, 27283 Verden.

 

RÖSSEL

Kreisvertreter: Reinhard Plehn, Georg-Büchner-Straße 66, 40699 Erkrath, Tel. (0211) 253274 Reinhard.Plehn@online.de. Redaktion Rößeler Heimatbote: Gisela Heese-Greve, 23562 Lübeck, Tel. (0451) 58249090.

Sonntag, 14. Dezember, 14 Uhr, Kirche St. Marien, Marienkirchplatz 30, 41460 Neuss: Die Kreisgemeinschaft lädt alle Landsleute aus nah und fern zur Adventsfeier nach Neuss ein. Um 14 Uhr beginnt die Messe in der Kirche mit unserem ehemaligen Visitator, dem Domkapitular Lothar Schlegel. Ab 15 Uhr auf dem Programm: Adventsfeier bei Kaffee und Kuchen im Marienhaus, Kapitelstraße 36 (fünf Gehminuten von der Kirche entfernt).

 

TILSIT-RAGNIT

Kreisvertreter: Dieter Neukamm, Am Rosenbaum 48, 51570 Windeck, Telefon (02243) 2999, Fax (02243) 844199. Geschäftsstelle: Eva Lüders, Telefon/Fax (04342) 5335, Kührenerstraße 1 b, 24211 Preetz, E-Mail: Eva.lueders@arcor.de.

Die Direktorin des Museums für Stadtgeschichte Tilsit (Sowjetsk), Anzhelika Shpilyova, hat die bekannte aus Ragnit stammende Künstlerin Ursula Benker-Schirmer eingeladen, eine Ausstellung ihrer Werke in den Räumen des Museums durchzuführen. In dem Einladungsschreiben heißt es: „Sie gelten als eine bekannte Meisterin des künstlerischen Textils und Ihre Kunstwerke wurden bereits in verschiedenen Ländern präsentiert. Das Museum für Stadtgeschichte Sowjetsk zeigt großes Interesse an einer Ausstellung Ihrer Arbeiten in der Stadt, in der Sie Ihre Jugendjahre in der Königin-Luise-Schule verbracht haben und mit der Sie bis heute verbunden sind. Für die Durchführung einer Ausstellung sind wir bereit, Ihnen zwei Säle mit einer Gesamtgröße von 97 Quadratmetern zur Verfügung zu stellen. Neben den Gobelins möchten wir auch gerne einige Ihrer Grafiken zeigen“ Ursula Benker Schirmer betreibt heute die „Fränkische Gobelin Manufaktur“ in Marktredwitz, sie zählt zu den bedeutendsten Tapisserie–Künstlerinnen der Gegenwart. Ihre Gobelins ehren öffentliche Gebäude und Kirchen. Ihr Hauptwerk, der Versöhnungsgobelin, hängt in der Chichester Cathedral in West-Sussex, England. Er ist dem Frieden nach dem Schrecken zweier Weltkriege gewidmet. Er zeigt, von Licht gebrochen, christliche Symbole wie Fisch, Feigenbaum, Schale und Kelch. An seiner Einweihung im Jahr 1984 nahm auch der damalige Bundespräsident Carl Carstens teil (siehe PAZ, 14. Dezember 2013 „Versöhnungsgobelin in der Kathedrale von Chichester“) Die Ausstellung soll im Herbst 2015 in Tilsit stattfinden.

 

TILSIT–STADT

Stadtvertreter: Hans Dzieran, Stadtgemeinschaft Tilsit, Postfach 241, 09002 Chemnitz. Geschäftsführer: Manfred Urbschat, E-Mail: info@tilsit-stadt.de.

Herzog-Albrecht-Schule – Das nächste Schultreffen findet in Lübeck statt. Die Unesco-Weltkulturerbestadt hat viele Sehenswürdigkeiten und ist nicht nur mit dem Lübecker Marzipan eine Reise wert. Das Treffen ist für Montag, 1. Juni bis Mittwoch, 3. Juni 2015 geplant. Austragungsort ist das Hotel Excelsior in der Hansestraße 3. Dort haben wir unter dem Stichwort „Schultreffen“ eine Option auf Hotelzimmer zum Preis von 98,97 Euro pro Doppelzimmer und Nacht und 88,74 Euro pro Einzelzimmer und Nacht, alle einschließlich Frühstück. Ein interessantes Programm ist vorbereitet. Bitte bereits jetzt anmelden bei Schulsprecher Siegfried Dannath-Grabs, Telefon (0351) 8037740 oder direkt im Hotel Excelsior, Hansestraße 3, 23558 Lübeck, Tel. (0451) 88090. Eine Stornierung ist bis vier Wochen vor dem Termin kostenfrei möglich.


„Tiefstes Bayern“
Ein Ostpreußin über den Start im Westen

Ich landete im tiefsten Bayern, verstand kein Wort und war als einziges evangelisches Kind auch noch ziemlich isoliert inmitten von lauter Katholiken“, erinnerte sich Vera Pallas an den schwierigen Start im Westen der Republik. „Und das alles ohne Eltern.“

Mit sehr persönlichen Schilderungen berührte die Ostpreußin Vera Pallas die Zuhörer im vollbesetzten Lesezimmer der Stadtbücherei im Eislinger Schloß. Auf Einladung des CDU-Stadtverbandes Eislingen berichtete sie über die durch das Unrecht der Vertreibung verlorene Heimat, über Flucht und Ankunft im Westen Deutschlands.

Gerade das Beispiel der Integration Vertriebener könnte Vorbild heutiger Prozesse sein, so der Eislinger CDU-Vorsitzende Raisch zur Begrüßung. „Was heute wie selbstverständlich erscheint, war ein für beide Seiten langwieriger und schmerzhafter Prozess.“ Auch wenn die Ostpreußen genauso Deutsche sind wie Schwaben, Schlesier und Sachsen und sich Vera Pallas ärgert, dass dies immer öfter vergessen wird. Es gab Sprachbarrieren und unterschiedliche Bräuche, man musste das Wenige teilen und mit gegenseitigen Ressentiments kämpfen. Doch man packte gemeinsam an, auch dies wurde an diesem Nachmittag im Eislinger Schloß deutlich. Es entstanden Nachbarschaften, Freundschaften und Partnerschaften. Heute gibt es kaum eine Familie, kaum einen Freundeskreis ohne Wurzeln im deutschen Osten.

Vera Pallas gibt Handwerkskunst aus dem deutschen Osten an nachfolgende Generationen in Kursen und im Schulunterricht weiter. Auch die Handarbeiten sind ein Stück Geschichte, denn Sie zeugen von den Wanderungsbewegungen in früheren Zeiten.

Preußen als offenes und tolerantes Land bot in früheren Zeiten vielen Flüchtlingen Zuflucht. Vor allem Lutheraner aus Österreich, Frankreich und auch aus Holland fanden in Ostpreußen eine neue Heimat. Dies spiegelt sich noch heute in der Vielfältigkeit ostpreußischer Produkte wider. Die liebevoll gestalteten Arbeiten von Vera Pallas zeigen dies. PAZ


S. 19 Heimatarbeit

Bronzenes Symbol
Gedenktafel für 9700 Sudetendeutsche

Viele Unterstützer trugen dazu bei, dass jetzt am Bahnhofsgebäude in Schwalmstadt-Treysa eine Bronzetafel zur Erinnerung an rund 9700 dort angekommene vertriebene Sudetendeutsche des Jahres 1946 angebracht werden konnte. Über 100 Besucher nahmen an der Enthüllung der bronzenen Gedenktafel teil. In ihrem Grußwort erinnerte die hessische Landesbeauftragte für Heimatvertriebene und Spätaussiedler, Margarete Ziegler-Raschdorf, an die acht Güterzugtransporte mit je 40 Waggons, die seinerzeit die heimatlos gewordenen Menschen in die Schwalm gebracht hatten. Mehrere Förderer, darunter das Hessische Ministerium für Soziales und Integration, hätten die Anschaffung der Gedenktafel und deren künstlerische Gestaltung ermöglicht.

Die Schwalm sei bereits vor Kriegsende Aufnahmeregion für viele Ausgebombte aus dem Ruhrgebiet gewesen. Nach dem Krieg strömten tausende Heimatlose aus verschiedenen Vertreibungsgebieten in die ländliche Region. Darauf bezugnehmend beschrieb die Landesbeauftragte in ihrer Rede: „Eine Million Menschen sind als Vertriebene in Hessen aufgenommen worden. Die Passagiere der acht Güterzüge und deren Nachkommen sind Teil der 30 Prozent der hessischen Bürgerinnen und Bürger mit Vertreibungshintergrund oder einem Aussiedlerschicksal. Aufgrund dieser Dimension ist es gut und richtig, am örtlichen Bahnhof als dem Ankunftsort der Vertriebenen auf die historischen Ereignisse hinzuweisen.“

Ausdrücklich dankte die Landesbeauftragte Familie Gömpel, die vor dem Hintergrund ihres persönlichen Schicksal den Antrieb fand, die Gedenktafel zu initiieren und Spendengelder zu sammeln: „Herr und Frau Gömpel sind ein Beispiel, wie neue Verbindungen entstehen. Herr Gömpel ist in der Schwalm geboren, Frau Gömpel kam als Kleinkind mit ihrer Familie als Vertriebene aus dem Sudetenland in Treysa an. Gemeinsam schrieben beide 2013 ein Buch über das Ankommen der Sudetendeutschen in der Region. Ihre Erfahrungen um die Erstellung des Buches nahmen sie zum Anlass, mit der Stadtverwaltung, der Stadtsparkasse, dem Rotary-Club, der Deutschen Bahn, dem Bund der Vertriebenen, der Sudetendeutschen Landsmannschaft und anderen Stellen und Förderern Kontakt aufzunehmen. Es ist ihnen gelungen, in kurzer Zeit Gelder einzuwerben und den Bildhauer Lutz Lesch mit der Erstellung der Bronzetafel zu beauftragen.“

Die Landesbeauftragte Ziegler-Raschdorf betonte, dass es für die Gedenktafel keinen besseren Platz als das Bahnhofsgebäude geben könne. Es war der Ort an dem die Vertriebenen eintrafen: „Alle Menschen, die in den Bahnhof Treysa gehen, kommen an der Tafel vorbei und werden sie sehen. So kann die Darstellung Anlass zum Nachdenken für Viele werden. Es hat außerdem eine besondere Symbolik, dass die Gedenktafel für die Sudetendeutschen in Reichenbach gefertigt wurde, der alten Heimat im Sudetenland. Das Schicksal der Vertriebenen muss uns lehren, aufnahmebereit – im wahrsten Sinne des Wortes – für die heutigen Flüchtlinge und Opfer von Gewalt und Vertreibung zu bleiben, die nach Hessen kommen und unsere Hilfe benötigen.“ PAZ


Ostpreußen als Doktorarbeit
Volkskundlerin Gesa Bierwerth promoviert über die Reisen der Landsleute in ihre Heimat

Dr. Ostpreußen“ hat sie eine lokale Zeitung ein wenig voreilig genannt. Noch schreibt Gesa Bierwerth aus Anklam an ihrer Promotion. „Zu drei Vierteln sei sie aber bereits fertig“, erzählt die 29-Jährige. Sie studiert im kanadischen Quebec Volkskunde. Kulturerbeforschung ist ihr Schwerpunkt. Die Doktorarbeit beschäftigt sich mit den Reisen der Ostpreußen in ihre Heimat.

Wie sie auf das Thema gekommen ist? Nein, Vorfahren aus dem östlichsten Teil Deutschlands hat sie nicht, berichtet sie. 2005 besuchte sie eher zufällig ein Ostpreußen-Treffen und war überwältigt von der Atmosphäre. Beeindruckend sei es gewesen, „die ganzen Leute zu sehen, und sich vorzustellen, was die alles erlebt haben“. So folgte drei Jahre später erstmals eine Reise in das südliche Ostpreußen. Sie begleitete einen Herrn, der erstmals sein Heimatdorf besuchte. Ein ergreifendes Wechselbad der Gefühle auch für sie selber. Der Besuch rief bei ihrer Reisebegleitung fast im gleichen Augenblick Erinnerungen an eine wundschöne Kindheit wie auch traumatische Fluchterlebnisse wach.

Die junge Wissenschaftlerin begann sich von da an mit dem Thema immer intensiver auseinanderzusetzen, bis es sie es schließlich zum Thema ihrer Promotion wählte. In Kanada ist es übrigens ein weitgehend unbekanntes Kapitel der Geschichte. Wenn sie davon erzählt, müsse sie weit ausholen. Kaum jemand wisse vom Schicksal der Vertriebenen. Hat sie es ihren Zuhörern dann nahegebracht, ist die Erschütterung vor allem über das Ausmaß von Flucht und Vertreibung meist groß.

Eine Bitte an die deutschen Leser der PAZ hat die junge Wissenschaftlerin auch. Gerne würde sie noch weitere schriftliche Aufzeichnungen wie Reiseberichte oder Tagebücher aus der Zeit nach 1945 noch für ihre Forschungsarbeit auswerten. Wer solche Aufzeichnungen, der Wissenschaft zur Verfügung stellen möchte, schickt sie – am besten als Kopie – an: Gesa Bierwerth, Erich-Mühsam-Straße 9, 17389 Anklam, oder per E-Mail an: gesabierwerth@gmx.de

Frank Horns


S. 20 Heimatarbeit

3213 Kilometer besonderer Art
Viele einzigartige Momente und Höhepunkte hatte die Heimatreise der Kreisgruppe Elchniederung

Eine Heimatreise besonderer Art veranstaltete die Kreisgruppe Elchniederung im Juli und September. Neben dem Besuch der heimatlichen Scholle gehörte auch die Teilnahme an den Feierlichkeiten zum diesjährigen Stadtfest in Heinrichswalde dazu. Höhepunkt der Festlichkeiten war die Einweihung des Gedenksteines für die ehemaligen Bewohner der Elchniederung vor der Kirche unter Beteiligung der örtlichen Bevölkerung sowie führender Vertreter der Gebietsverwaltung.

Der Beginn der Reise erfolgte wie in den Jahren zuvor vom Betriebshof Partner–Reisen–Grund-Touristik in Lehrte. Los ging’s bei wechselhafter Witterung um dann, je weiter die Reise nach Osten ging, in ein sommerliches Hoch von über 30 Grad hineinzufahren.

In gewohnter Weise führte die Fahrtroute zunächst entlang der Bundesautobahn A2 mit Zustiegsmöglichkeiten bis Berlin-Schönefeld, so dass letztlich alle 53 Teilnehmer wohlbehalten an Bord waren. Danach führte die Strecke nach Überqueren der deutsch- polnischen Grenze in Frankfurt / Oder nach Gnesen, wo die Möglichkeit einer Besichtigung des imposanten Domes mit seiner reichhaltigen Geschichte gegeben war. Tagesziel war danach Thorn [Torun] mit Zwischenübernachtung. Bereits der nächste Tag sah eine Führung durch die einzigartige Altstadt vor, bei der auch das Rathaus mit dem Kopernikus-Denkmal, die Marien- und Johanneskirche sowie das Kopernikus–Museum besichtigt wurden. Gleichwohl blieb genügend Zeit zu einem kleinen Bummel durch die schöne alte Hansestadt, bevor die Reise parallel zur Weichsel bis zur mächtigen Marienburg an der Nogat zu einem Fotostopp führte.

Im Ostpreußenland angekommen, führte die Reise über Elbing [Elblag] bis zum neuen polnisch–russischen Grenzübergang Heiligenbeil II [Mamonowo II], wo die Reisegruppe durch die Leiterin von Swena-Tours, einem Partnerbüro von Partner–Reisen-Grund-Touristik, verstärkt wurde.

Die Grenzkontrollen verliefen ohne Schwierigkeiten, so dass die Fahrt an Königsberg vorbei bis nach Gumbinnen [Gussew] führte, wo sich die Reisegruppe zunächst teilte, 16 der 53 Teilnehmer hatten sich für ein dreitägige eigenes Programm mit Bezug auf Gumbinnen entschieden.

Die restlichen Businsassen fuhren weiter bis nach Tilsit [Sowetsk], wo für die nächsten drei Tage Quartier bezogen wurde. Der nächste Morgen sah dann sogleich eine geführte Rundfahrt durch die nahe gelegene Elchniederung insbesondere in die Gebiete nördlich der Gilge vor. Charlotte Meschkauskiene, einzige noch lebende Deutsche in Rautersdorf [Bolschije Wereshki] und ehemals ein Wolfskind, begleitete die Fahrt. Hier bestand auch die Möglichkeit, im direkten Kontakt, etwas über die schwere Zeit der vielen elternlosen Kinder nach 1944 zu erfahren.

Von Rautersdorf ging es nach Heinrichswalde [Torgelow-Ferdinandhof], wo am späten Nachmittag die Eröffnungsfeierlichkeiten zum diesjährigen Stadtfest unter Mitwirkung der örtlichen Presse sowie des russischen Fernsehens erfolgten. Der Höhepunkt war zweifelsfrei die Gedenksteineinweihung, bei der die Reisegruppe als deutsche Delegation unter Mitwirkung der evangelischen Gemeinde in tiefer Ergriffenheit das „Ostpreußenlied“ unter Anteilnahme der örtlichen Bevölkerung anstimmte. Dieser Moment darf als ein weiterer Erfolg der Kreisgemeinschaft im Bemühen um Aussöhnung und Verständigung sowie des kulturellen Erhalts deutscher Geschichte gesehen werden.

So gilt an dieser Stelle ausdrücklich dem Initiator des Gedenksteines, Hartmut Dawideit, dem unerwartet verstorbenen Geschäftsführer der Kreisgemeinschaft Elchniederung unser aller Dank. Ihm war es leider nicht mehr vergönnt, diesen Akt des Gedenkens für die einstigen Bewohner in würdiger Form mitzuerleben.

Mit den so gewonnenen Eindrücken erfolgte die Rückfahrt nach Tilsit, wo der erlebnisreiche Tag noch lange die Gemüter bewegte. Der nächste Tag sah dann zunächst einen geführten Rundgang durch Tilsit vor. Besonderes Augenmerk galt dabei auch dem wiedererrichteten Königin Luise-Denkmal im Park Jakobsruh, dessen festliche Einweihung anlässlich des 207. Jahrestages des Tilsiter Friedensschlusses am 6. Juli 2014 stattgefunden hat.

So eingestimmt ging es am frühen Nachmittag bei bestem Sommerwetter zurück nach Heinrichswalde, wo im Bereich des Stadtparks eine Vielzahl verschiedener Stände, Zelte und eine große Bühne aufgebaut waren. Das Programm, mit allerlei Darbietungen und Sehenswürdigkeiten für Jung und Alt, fand regen Anklang. Hierbei wurde im Rahmen der Festrede durch den Kreisvertreter der Elchniederung, Manfred Romeike, der für das deutsch-russische Heimatmuseum zuständige Leiter, Waldemar Kent, mit der Silbernen Ehrennadel der Landsmannschaft Ostpreußen ausgezeichnet.

Im Nachgang zu dieser Auszeichnung wurde dann später auch das so erwähnte Museum zur Heimatgeschichte – unweit der der Kirche gelegen – aufgesucht. Die in jeder Hinsicht sehenswerte Ausstellung, die auch bei der russischen Bevölkerung große Akzeptanz erfahren hat, ist unter anderem dem steten Bemühen des bereits erwähnten Geschäftsführers der Kreisgemeinschaft sowie einer Vielzahl von Landsleuten und deren Unterstützung zu verdanken.

Mit der Rückfahrt nach Tilsit endete dieser eindrucksvolle Tag. Am Sonntag, stand ein weiterer Höhenpunkt auf der Agenda. Zunächst ging es wieder nach Heinrichswalde, wo ein gemeinsamer Gottesdienst mit der evangelischen Gemeinde im dortigen Gemeindehaus stattfand. Die Herzlichkeit dieser überwiegend russlanddeutschen Gemeindemitglieder basiert auf eine über viele Jahre gewachsene Verbindung mit entsprechenden Kontakten, die in dieser Diaspora unser aller Unterstützung bedarf.

Anschließend: Weiterfahrt über Neukirch [Timirjasewo] nach Rauterskirch, wo die Reisegruppe bereits von der örtlichen Bevölkerung auf dem Dorfplatz der ehemaligen Kleinbahnstation erwartet wurde. Nach dem Empfang kam es traditionell zur Verteilung der zuvor von den Landsleuten liebevoll zusammengestellten Geschenke an die versammelten Bewohner. Später wurden weitere Mitbringsel in der Sanitätsstation den zuständigen Krankenschwestern der Kirchspiele Rauterskirch und Seckenburg [Sapowednoje] übergeben.

Daran schloss sich der Besuch der historischen Kirche, entworfen vom Generalquartiermeister des Großen Kurfürsten, Philipp von Chieze an. Im Sommer 1975 durch Blitzschlag zerstört, war es erst mit der Perestroika möglich, die Kirche und ihr Umfeld mit vereinten Kräften im Jahre 2004 zu beräumen und den Platz als ehrwürdige Gedenkstätte zu gestalten. Seither ist dieses historische Kleinod durch eine vielfache Berichterstattung weit über die Gebietsgrenze auch unter der russischen Bevölkerung bekannt.

Hiernach ging es in die mit deutschen Mitteln unterstützte Sanitätsstation, wo der Tisch zu einem reichhaltigen Imbiss gedeckt war. Nach einem herzlichen Abschied erfolgte dann die Rückfahrt nach Tilsit zur letzten Zwischenübernachtung. Der nächste Tag, ein Montag, sah das Passieren der Luisenbrücke mit Grenzübergang nach Litauen ins Memelland vor. Zu Beginn der Abreise wurde die Gruppe aus Gumbinnen aufgenommen. Die folgende Grenzkontrolle verlief ohne Besonderheiten. Sehr bald wurde Heydekrug [Distrikt Klaipeda], mit Besichtigung der imposanten Kirche, erreicht. Anschließend erfolgte die Fahrt in das Memeldelta, wo in naturbelassener Landschaft, ein ausgiebiges Picknick vorbereitet war. So gestärkt ging es per Schiff über die Minge durch das Memeldelta und weiter über das Kurische Haff bis nach Nidden [Nida] mit dem beeindruckenden Panorama der Wanderdünen auf der Kurischen Nehrung. Hier bezog die Gruppe das Hotel Jurate, bekannt als Quartier von Königin Luise auf ihrer Flucht vor Napoleon. Der folgende Tag sah unter anderem eine geführte Ortsbesichtigung vor. Das ehemalige Fischerdorf am Kurischen Haff ist heute wohl der bekannteste Ferienort Litauens.

Leider hieß es bereits am nächsten Tag wieder Abschied nehmen. Nach kurzer Fahrt wurde die litauisch-russische Grenze passiert. Nun ging es 50 Kilometer zwischen Haff und Ostsee entlang der Kurischen Nehrung über Cranz [Selenogradsk] bis Königsberg. Bei einer Stadtführung waren Sehenswürdigkeiten wie der wiedererrichtete Dom mit dem Kantgrab, das Königstor und andere bekannte Objekte zu sehen.

Nach einer Versorgungspause ging es am Nachmittag zum russisch-polnischen Grenzübergang und von dort über einen Zwischenaufenthalt in Danzig – inklusive Übernachtung und Stadtrundgang – nach Kolberg [Kolobrzeg], einem heute wieder boomender Kur- und Badeort. Der letzte Tag sah die Rückreise nach Deutschland vor.

Alles in allem eine in jeder Hinsicht beeindruckende Heimatfahrt, bei der insgesamt 3213 Kilometer zurück gelegt wurden. Für 2015 sind im Mai und August ähnliche Fahrten geplant.

Peter Westphal


S. 21 Lebensstil

Adel verpflichtet
Es gibt nicht nur ein Palais Lobkowicz − Mit ihren Schlössern betreibt die Familie in Tschechien ein erfolgreiches Unternehmen

Der Name Lobkowicz bleibt in Deutschland ewig mit der Prager Botschaft in Erinnerung, wo Au­ßenminister Hans-Dietrich Genscher am 30. September 1989 Tausenden dorthin geflüchteten DDR-Bürgern die Ausreise in die Bundesrepublik verspochen hatte. Das Palais Lobkowicz gehörte einer gleichnamigen Adelsfamilie, die darüber hinaus weitere se­henswerte Besitzungen hat.

Adrian Ludwig Richters Gemälde „Überfahrt über die Elbe am Schreckenstein bei Aussig“ von 1837 ist bis zum Rahmen angefüllt mit romantischem Sentiment. Im Bug des Fährkahns musiziert der Harfner. Daneben greift ein Knabe spielerisch in die Flusswellen. Vervollständigt wird die Gesellschaft durch eine Schnitterin mit Erntekorb, ein Liebespaar und einen Wanderer mit geschultertem Tornister, der auf den Stock gestützt hinaufschaut zum Felssporn. Auf diesem thront die Burg Schreckenstein [Strekov], wo nur wenig später Richard Wagner die Eingebung zu seiner Oper „Tannhäuser“ empfangen hat.

Heute befindet sich an der Stelle darunter eine Staumauer, die den mythischen Strom dahinter zu einem trägen Wirtschaftsteich domestiziert. Das 1936 vollendete Masaryk-Stauwerk ist nicht nur eine technische Anlage, sondern zugleich ein national-tschechisches Denkmal. Die Burg darüber gehört inzwischen wieder der Familie Lobkowicz. Genau so wie es fast 400 Jahre lang war, bis zur Enteignung nach dem Februarputsch von 1948. Maximilian Lobkowicz (1888–1967) setzte sich damals mit Handgepäck nach London ab. Dort war er zuvor bereits als tschechoslowakischer Botschafter tätig und beteiligte sich an der Aufstellung der Exilregierung.

Während des Kriegs übersiedelte die Familie in die Vereinigten Staaten. So wuchs Maximilians Enkel William Lobkowicz in Boston auf. Dort sah er dann 1989 im Fernsehen die Botschaftsflüchtlinge in einem Prager Palais, welches seinen Familiennamen trug. Darauf ermunterte ihn der Vater, in Prag wegen des zurückgelassenen Familienbesitzes vorstellig zu werden.

Ausschlaggebend für eine Rück­gabe des Familienbesitzes waren aber das frühere Bekenntnis zum Tschechentum und ein Enteignungstermin nach der kommunistischen Machtergreifung.

Bereits Georg Christian von Lobkowitz (1835–1908) vertrat als Landmarschall im Böhmischen Landtag die Adelspartei und vertrat damit auch die böhmischen Interessen und den Gebrauch der tschechischen Muttersprache ge­genüber der Habsburger Monarchie. Auch während des Zweiten Weltkriegs hat sich kein Angehöriger der Familie Lobkowicz als Deutscher empfunden oder dargestellt. Der Name „Lobkowitz“ erfolgt zudem in alt­tschechischer Schreibweise. Die Sprache der alten und neuen Heimat hat sich dann William Lobkowicz schnell angeeignet. Doch von den zehn zurückerstatteten Schlössern hat er sechs wieder veräußern müssen, um die restlichen vier unterhalten zu können. So wurde die riesige Barock­anlage von Schloss Eisenberg [Jezerí] dem tschechischen Staat überlassen, weil dort der Reparaturbedarf unabsehbar war.

Dort förderte einst im 18. Jahrhundert der vierte Fürst Philipp Hyazinth, ein bedeutender Flötenvirtuose, den talentierten Sohn seines Forstmeisters. Dadurch konnte der 22-jährige Christoph Willibald Gluck seine musikalische Ausbildung in Mailand vervollständigen, und sein Ruhm in der italienischen Oper gelangte auf so gebahntem Weg in volle Fahrt.

Neben der bekannten deutschen Botschaft gibt es in Prag ein weiteres Palais Lobkowicz. Es ist heute das einzige Gebäude in Privatbesitz innerhalb der Mauern der Prager Burg. Nach Ende des Ersten Weltkriegs war es zunächst an­dersherum, als Maximilian Lobkowicz 1918 der gerade formierten Regierung in seinem Palais Räume zur Verfügung stellte. Seit Frühjahr 2007 ist dort nun die Fürstliche Kunstsammlung ausgestellt, darunter Pieter Breughel des Älteren berühmte „Heuernte“. Das Hauptwerk des holländischen Malers aus seinem Jahreszeitenzyklus war früher einer der Anziehungspunkte der Prager Nationalgalerie im Palais Sternberg. Von dort müssen nun die Schritte, an Veitsdom und romanischer Georgsbasilika vorbei, die Georgigasse hinab bis kurz vor den Ausgang aus dem Burgbezirk hin zum Museumspalais gelenkt werden.

Der Ausstellungsbesuch kann mit den Erläuterungen eines elektrischen Hörführers unternommen werden, den der Fürst Lobkowicz, ein ausgebildeter Chorsänger, höchstselbst besprochen hat. Von diesen professionellen Beigaben sticht die Präsentationsform etwas ab. Denn die fürstliche Sammlung verfügt über den unbeholfenen Charme eines Privatmuseums. So wurde ein schönes Cranach-Gemälde etwas ab­gelegen hinter und über einer Vitrine platziert. Zahlreiche Jagdgewehre zieren in dekorativen Anordnungen die rotbespannten Wände. Zwei große Veduten von Canaletto zeigen London von der Themse aus. Außerdem schuf Carl Robert Croll für Ferdinand Joseph von Lobkowitz (1797−1868) eine große Zahl von Landschaftsgemälden seiner Besitzungen mit den Schlössern und Einblicken in deren Innenleben.

Bedeutender als dieser stolze malerische Besitzkatalog war das Mäzenatentum des siebten Fürsten Joseph Franz Maximilian für die klassische Musik. Er wurde zum Widmungsträger dreier Sinfonien von Beethoven. Ein Raum erinnert mit zahlreichen historischen Partituren und Instrumenten an die musikalischen Neigungen der Familie. Der erste Stock ist häufig für die Besucher unzugänglich. Denn dort befinden sich die großen Empfangsräume. Da­durch überschneidet sich zuweilen die kulturhistorische Verantwortung der Familie Lobkowicz mit den Zielen ihrer familieneigenen touristischen Zielgebietsagentur „Lobkowicz Events Ma­nagement“.

Neben dem Lobkowicz-Bier, das es schon seit 1466 gibt, ist die Vermietung die Grundlage für die Bewirtschaftung der umfänglichen Besitzungen. Ein weiteres Schloss von William Lobkowicz liegt in Mühlhausen [Nelahozeves] an der Moldau, dem Geburtsort von Antonín Dvorák. In der Renaissanceanlage wird dem Besucher in der Dauerausstellung „Private Räume: Daheim beim Adel“ die Lebenskultur der letzten Epoche der böhmischen Fürsten nahegebracht. Speisezimmer, Schlafzimmer, Musiksalon und Raucherzimmer sind dem Stil des Ferdinand Zdenko von Lobkowicz (1858–1938) nachempfunden. Hier sind ebenfalls einige kostbare Gemälde von Veronese, Rubens und dem jüngeren Breughel zu sehen.

Im Schloss Raudnitz [Roudnice nad Labem] ist derzeit bis Ende Oktober eine Ausstellung antiker Vasen aus tschechischem Mu­seumsbesitz zu besichtigen. Und am 13. und 14. September wird dort ein großes Weinlesefest ge­feiert, auf dem auch das geschätzte Lobkowicz-Bier in Strömen fließen wird. Sebastian Hennig


Mein lieber Gurt
Nur Feiglinge schnallen sich an: Auf dem Balkan ignorieren Autofahrer die Gurtpflicht. Das will man jetzt ändern

Oben ohne: Nach dieser Devise wird auf dem Balkan Auto gefahren. An­schnallen? Nein, danke! Dabei sind Regeln zur Verkehrssicherheit älter als die ex-jugoslawischen Nachfolgestaaten, aber kaum einer hält sich daran. Umfragen aus Makedonien, Bosnien oder Serbien be­weisen: Nur Fahrschüler tragen Gurte, gemeinhin fahren etwa sieben von zehn Chauffeure ohne Gurt und Kindersitz, das Handy am Ohr und den Finger auf der Hupe, souverän über Stopp-Schilder, Zebrastreifen und durchgezogene Li­nien. Statt Schuldbewusstsein nur infantiler Trotz: Als im Frühjahr 2013 die serbische „Agentur für Verkehrssicherheit“ Staatspräsident Tomislav Nikolic in eine Kampagne für Anschnallgurte einspannte, wurde er als An­geber und Besserwisser beschimpft.

In Kroatien wurden 2012 laut Statistik 769721 Verkehrssünder aufgegriffen, darunter 83359 Gurtmuffel, die je 500 Kuna (etwa 62 Euro) zahlten. In Rumänien stieg zum 1. Juli dieses Jahres die Strafe für Nichtanschnallen auf 180 Lei (41 Euro). Balkanische Autofahrer meiden den Gurt wider besseres Wissen und greifen zu „Anti-Gurt-Mythen“, die Rumäniens Verkehrspolizei jüngst auflistete: In der Stadt und im Taxi sind Gurte keine Pflicht, in Autos mit Airbag sind sie überflüssig, ein aufmerksamer Chauffeur be­nötigt keinen Gurt. „Ich bin ein so guter Fahrer, mir kann nichts passieren“, heißt es dann, oder: „Ich habe mein Kind im Arm, wozu noch ein Kindersitz?“ Gurte sind auf dem Balkan, was Stahlhelme 1914 für englische Militärs waren: etwas für Feiglinge!

2004 dokumentierte die Weltgesundheitsorganisation, dass weltweit täglich 3000 Menschen bei Verkehrsunglücken sterben. Den Balkan-An­teil daran kann man ständig in den „Schwarzen Chroniken“, den Unfallberichten der Presse, nachlesen. Das kleine Slowenien zählte von 1991 bis 2011 insgesamt 6450 Verkehrstote, das kaum größere Makedonien be­klagte zwischen 2001 und 2010 rund 1500 Opfer, in Serbien starben 595 zwischen Januar und November 2011 (was ein Fortschritt gegenüber 897 Verkehrstoten 2008 war).

Die Situation wird nicht besser werden, da Autoimporte seit einigen Jahren boomen: Von 2010 bis 2013 kamen 144000 Gebraucht- und 20000 Neuwagen nach Ma­kedonien, wo sie das Straßenchaos vermehren. Zudem sind einige Länder in der EU (Slowenien, Rumänien, Bulgarien, Kroatien), und ihre „Fahrkultur“ beschäftigt Brüssel seit Jahren, andere sind es nicht, was bilaterale Verträge zur Schadensregulierung bedingt.

Seit einem knappen Jahrzehnt eskaliert ein „Krieg“ zwischen Autofahrern und Behörden. Es wurden Strafpunkte und höhere Strafen, differenziert nach Art und Schwere des Vergehens, eingeführt. Seither hat man die Strafen oft verschärft, wobei Tempoüberschreitungen und Alkohol am Steuer am höchsten rangieren, meist in Euro ausgewiesen, bis hin zu 2000 Euro in Montenegro, 1200 Euro in Slowenien oder 500 Euro in Bosnien. Dazu können Strafpunkte kommen, die ab einer bestimmten Höchstzahl Führerscheinentzug bedeuten, oder gleich kombinierte Höchststrafen.

Wer etwa in Slowenien als angetrunkener „Geisterfahrer“ auf der falschen Autobahnseite erwischt wird, der berappt 1200 Euro Strafe, kriegt das Höchstmaß von 18 Strafpunkten und ist den Führerschein für geraume Zeit los. Die Radikalsten sind die Serben, die noch am Ort des Vergehens Haftstrafen von bis zu 30 Tagen verhängen können. In Makedonien mit ei­nem Durchschnittslohn von (um­gerechnet) 340 Euro werden 500 Euro für Tempoüberschreitung um 70 Stundenkilometer fällig, was der Skopjer Motorjournalist Igor Nikolovski als politisches Eigentor empfand: „Die Strafen sind den Einkommen der Leute unangepasst, hier wird Angst gesät mit dem Missbrauch von Vorschriften und der Anwendung unrealistisch hoher Strafen, bis sich niemand mehr in sein eigenes Auto traut. Makedonische Straßen sind unsicher, wer sie sanieren will, soll nicht Geld für unnütze Denkmäler in Skopje verschwenden.“

Anderswo ist es ähnlich, und überall mehr oder minder wirkungslos: In Serbien wurden 2010 ganze 54 Führerscheine eingezogen, bis August waren es im Jahr 2013 schon rund 1635. Das zeigt, dass gerade drastische Strafen zur Verkehrserziehung untauglich sind, sagt der slowenische Kulturwissenschaftler Andrej Brglez, der ein besseres Verfahren vorschlug: Schon in Grund- und Mittelschule einen lebensnahen, jugendgemäßen Verkehrsunterricht abhalten, der ganz von selber zu natürlicher Rücksicht auf der Straße führt.

Verkehrsschulung ödet an, wenn sie nicht über Lebensrettungs-Appelle hinauskommt. Kreativ war allein der Autoclub aus Rumänien (ACR). Er schaffte es mit traumhaften Dekolletés, „geborgt“ bei den TV-Schönheiten Nicoleta Luciu und Gina Pistol, dass „Gurttragen von keinem Mann mehr missachtet wird“. Dem stimmte der restliche Balkan begeistert zu. Wolf Oschlies


MELDUNG

Weihnachten im Schloss

Potsdam − In den preußischen Schlössern und Gärten lässt es sich auch zu Weihnachten sinn- und stilvoll feiern oder beschenken: Von der erlebnisreichen Weihnachtsfeier über Spenden für die Restaurierung kostbarer Kunstwerke bis hin zur Patenschaft für Parkbänke, Bäume oder Rebstöcke reichen die Möglichkeiten. So bietet die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) für 50 Euro eine Schlösser-Pauschale an, mit der man alle Schlösser der SPSG samt Ausstellungen ein Jahr lang besuchen kann (www.spsg.

de/kombitickets). Oder man verschenkt das „Ticket sanssouci“, mit dem das Schloss zum Wunschtermin besichtigen kann. Darüber hinaus kann man Weih­nachten auch in den glanzvollen Räumen und Sälen der preußischen Schlösser feiern. Im Rahmen einer vorweihnachtlichen Feier verraten Intimkenner des Hofes brisante Geheimnisse: Fürst Pückler, Hofkoch Tamanti oder die Hofdame von Haacke geleiten die Gesellschaften durch einen unvergesslichen Abend (www.spsg.de/eventlocations). Mit einer Spende ab 350 Euro kann man auch Baumpate oder ab 1000 Euro Parkbankpate werden (E-Mail: spenden@spsg.de). tws


S. 22 Neue Bücher

»Von Gott Geliebte«
30 christliche Briefe

Angela Reinders, eine Aachener Theologin und Historikerin, bietet dem Leser, wie es auf dem Umschlag heißt, „Höhepunkte christlicher Briefkultur“. Es geht nämlich um Auszüge aus 30 Briefen, die in den letzten zwei Jahrtausenden geschrieben worden sind. Die Absender sind durchwegs namhafte Persönlichkeiten, die Empfänger kaum minder namhaft.

Als erster kommt der Völkerapostel Paulus zu Worte. Er wendet sich an die junge Christengemeinde in Rom, der er sich vorstellt und die er feierlich begrüßt: „Paulus, Knecht Christi Jesu, berufen zum Apostel … an alle, die in Rom sind, als von Gott Geliebte …“ Den Abschluss bildet ein Brief von Jorge Kardinal Bergolio, seit 13. März 2013 als Papst Franzis-kus das Oberhaupt der katholischen Kirche.

Die Seiten dazwischen füllen Briefe des Statthalters Plinius an Kaiser Trajan, Karls des Großen an Papst Leo III., Martin Luthers an den Erzbischof von Mainz, von Friedrich von Bodelschwingh an Kronprinz Friedrich Wilhelm, von Dietrich Bonhoeffer an seine Familie, von Frère Roger an das Volk Gottes, von Dorothee Sölle an ihre Kinder, um nur einige Exempel herauszugreifen.

Reinders begnügt sich nicht mit der Wiedergabe der Schriftdokumente. Vorab werden Absender und der Adressat vorgestellt, der Leser mit der Zeit und den besonderen Umständen vertraut gemacht, so bei dem Ersterwähnten: „Paulus, der einst Christen verfolgt hat, wird nun von jüdischen Gläubigen angefeindet und selbst verfolgt …“

Auch Edith Steins berühmter Brief an Papst Pius XI. vom April 1933 wird wiedergegeben. Darin fordert die konvertierte Jüdin das Kirchenoberhaupt auf, seine Stimme gegen den Antisemitismus der neuen Machthaber in Deutschland zu erheben. Der Papst, der einen weit besseren Überblick hat als die Nonne, wartete noch einige Jahre, bis er in einer eigenen Enzyklika „Mit brennender Sorge“ den Rassismus geißelte. Die Last der Verantwortung, die mit dem Reden wie mit dem Schweigen verbunden war, wird dem Leser dramatisch bewusst, wenn er erfährt, dass Edith Stein und tausende anderer gerade deshalb getötet wurden, weil sie in Bischöfen wortgewaltige Fürsprecher gefunden hatten.

Den Tod vor Augen tröstet

Dietrich Bonhoeffer seine Lieben mit den bekannten Zeilen: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag.“ Dorothee Sölle, die streitbare Theologin, beklagt die Schwierigkeiten, „die lebendige Kinder heute mit ihren christlichen Eltern haben“ – und umgekehrt. Sie wünschte sich in ihrem Brief an ihre Kinder, „dass Ihr alle ein bisschen fromm werdet“, und spricht vielen Eltern aus dem Herzen.

Wenn es in der Einleitung heißt, es seien „30 Briefe, die Kirchengeschichte prägten“, so ist das zwar mit Blick auf die Kirchengeschichte etwas hoch gegriffen. Aber der Leser legt das Buch mit erheblichem Zugewinn aus der Hand. Das Gebotene ist belehrend wie erbauend.

Konrad Löw

Angela Reinders: „Das höre, wenn Du leben willst‘ – Briefe über Gott und die Welt“, Pattloch Verlag, München 2014, 288 Seiten, laminiert mit Schutzumschlag, 19,99 Euro


Jagdszenen vor Gericht
Mit Pathos und Humor krititisiert Norbert Blüm das Rechtssystem

Norbert Blüm erhebt „Einspruch!“. Der Ex-Arbeitsminister und eifrige Buchautor („Streit über Gott”) wehrt sich in seinem neuesten Werk dagegen, dass Menschen dort Unrecht erleiden, wo sie ihr Recht suchen. Seine Polemik richtet sich voller Pathos „Wider die Willkür an deutschen Gerichten“.

Sie liest sich stellenweise wie eine Streitschrift aus der Lutherzeit oder dem 18. Jahrhundert. Kraftvolle Worte voller Galgenhumor werden gefunden für einen tatsächlich beunruhigenden Zustand. Das häppchenweise Lesen des Buches wird dadurch erleichtert, dass die einzelnen Teile sich aus Dutzenden kleinerer Kapitelchen zusammensetzen. Fettgedruckte Überschriften geben zumeist unmissverständlich die Stoßrichtung des Abschnitts zu erkennen.

Blüm stellt fest, dass die Aufgabe des Rechtsanwaltes herabgesunken ist zu einem Job wie jeder andere. Dadurch werde das Recht selbst blockiert: „Wo ethische Gebote sich im Rückzug befinden, sind rechtliche Verbote auf dem Vormarsch.“ Um nicht in einer Fülle von Verfahren zu ersticken wird immer öfter dem schnellen Vergleich der Vorzug vor einer präzisen Rechtsermittlung gegeben. Dabei bleibt zumeist das Wesentliche auf der Strecke. Das Empfinden für die Rechtlichkeit geht zurück und die Wahrheit wird zur Nebensache; „Kenner vermuten, dass jedes vierte Strafurteil nicht stimmt.“

Blüm plädiert darum für eine „„Seenotrettungsstelle“ für jene, die von den hohen Wellen der Gerichte verschluckt zu werden drohen.“ Die Präsidenten der Bundesanwaltskammer wiesen die Möglichkeit einer Stellungnahme zurück.

In der „Zeit“ schrieb Norbert Blüm 2012 „Über die Enteignung der Kindheit und die Verstaatlichung der Familie“. Auch im vorliegenden Buch erhält das Familienrecht einen hervorragenden Platz. Dort wird die Hand an die Wurzel des Zusammenlebens aller gelegt. Der dritte Teil des Buchs ist dann der „Ehe auf Abruf” gewidmet. Es geht um „das Scheidungsrecht als Fluchthilfe“. Die Auflösung der innigsten Beziehung der Menschen untereinander bedeutet eine Schwächung der Natur des Menschen an sich. Weder den Jakobinern oder Bolschewiken, noch Mao oder Pol Pot sei die von ihnen angestrebte Auslöschung der Familienbezüge gelungen, stellt der Autor fest und fragt sich dabei: „Werden es die neoliberalen Softies auf leisen Sohlen schaffen, was den Gewaltsystemen misslungen ist?“

Blüm empört sich immer wieder darüber, wie die Rohheit als ein Naturereignis aufgenommen wird. Rechtswahrer lassen sich dazu herab, ihren Mandanten mitzuteilen, dass das Leben eben nun einmal nicht gerecht sei. „Statt morgenländisches Nebeneinander der Ehepartner tritt das abendländische Nacheinander der Lebensabschnittsgefährten.“ Das Gerede von „sich verändernden Lebensverhältnissen“ setzt jetzt die Maßstäbe. Eine vorgebliche neue Ordung dient der Tradierung jeder aktuellen Unordnung. Blüm wartet immer wieder mit kräftigen Metaphern auf: „Der Orientierungswechsel gleicht der Cleverness eines Skirennfahrers, der sich die Slalomfahnen auf den Rücken gebunden hat, um nicht anzustoßen.“ Was aber seinem Buch am meisten zugute kommt, sind die unfrisierten Berichte. Der letzte Teil enthält fünf „Jagdszenen“. Das sind wirkliche Verfahrensberichte von nachteilig durch die Entscheidungen der Gerichte Betroffenen. Da wird beschrieben, wie sich ein Mann beiläufig in ein neues Leben ohne seine Familie verabschiedet und die Nachgiebige zuletzt immer die Dümmere bleibt. Es dämmert dabei die Erkenntnis: „Nie war der Feminismus männlicher.” Das ist eine unlösbare Zwickmühle. Die sechste der „Jagdzenen“ ist „eine Mischung aus Dichtung und Wahrheit“. Blüm kann kurzweilig zuspitzend schreiben. Insgesamt aber ist er weit grimmiger hier, als er witzig ist. Und das liegt wohl am Thema, bei dem einem auch irgenwie das Lachen vergehen kann. Sebastian Hennig

Norbert Blüm. „Einspruch! Wider die Willkür an deutschen Gerichten, Eine Polemik”, Westend Verlag, Frankfurt 2014, geb., 256 Seiten, 19.99 Euro


Babylonische Türme
Profitstreben, Dauerstress und Globalisierung zersetzen die Gesellschaft

Im neuesten Buch des Juristen, Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlers Meinhard Miegel geht es darum, dass unserer Gesellschaft auf Exzess ausgelegt ist. „Hybris. Die überforderte Gesellschaft“ heißt es plakativ. Rücksichtsloses Profitstreben, vor allem seitens großer Konzerne, habe eine Entwicklung in Gang gebracht, die dazu führte, so Miegel, dass sich die Menschen hauptsächlich auf Konsumieren und Produzieren fokussieren.

Trickreiche Werbung fungiere als Motor. Nur wer arbeite und Geld verdiene, könne in größerem Umfang konsumieren, daher drehe sich im öffentlichen Leben fast alles um Arbeit, aber wohl gemerkt, nur um Erwerbsarbeit. Schon den Kindern werde vorgelebt, dass die Mehrung des materiellen Wohlstands eine Art von Tugend sei. Dabei lohne sich dieser hochgelobte Dauerstress immer weniger, denn besser wurde seit den 70er Jahren nichts mehr, betont der Autor, im Gegenteil: Die Einkommen der Mittelschicht schrumpfen, allgemein klaffen sie immer weiter auseinander, und jeder Innovationsschub geht mit einem weiteren Schwund der Erwerbsarbeit einher.

Besonders nachdenklich macht Miegels Feststellung, dass, wie so manches andere, auch die Bevölkerung verwirtschaftet worden sei. Infolge des ökonomisierten Denkens kam es zum Geburtenrückgang und schließlich zur rasanten Alterung der Bevölkerung, mit der wir jetzt konfrontiert sind. Die Globalisierung, vor allem den globalisierten Handel, bezeichnet Miegel als „den höchsten der babylonischen Türme“.

„Anders als die Unternehmens- und Wirtschaftsstrategen auf den Reißbrettern dargestellt hatten“, wurde das Leben dadurch zunehmend komplizierter, aber keinesfalls friedlicher. Weltweit wird die Verteilung der globalen Gütermenge immer ungleicher. Dabei seien die ökologischen Tragfähigkeitsgrenzen schon in den 70er Jahren überschritten worden. Seitdem wuchs die Weltbevölkerung von 3,7 auf 7,3 Milliarden Menschen.

Die Globalisierung ist vielschichtig und wird von sehr unterschiedlichen Akteuren getragen, doch Miegel verweist auf den Hauptverursacher unserer heutigen prekären Situation, für die er im Einzelnen kaum Auswege aufzeigen kann: „Wenn je ein Staat Sonderrechte beansprucht hat, dann sind es die heutigen Vereinigten Staaten von Amerika“: Im Militärischen, in dem Einsatz aller verfügbaren Kommunikationsstränge, um Freund und Feind zu belauschen, im Lenken globaler Finanz- und Handelsströme nach eigenem Gutdünken, in der überheblichen Missachtung des Naturschutzes.

In diese Richtung ergeht seine Warnung: „Alle, die in der Geschichte der Menschheit Weltherrschaftspläne hegten …, sind letztlich gescheitert.“

Dagmar Jestrzemski

Meinhard Miegel: „Hybris. Die überforderte Gesellschaft“, Propyläen Verlag, Berlin 2014, geb., 313 Seiten, 22,99 Euro


Nein, danke
Kinderbuch I: Wenn alles nichts ist

Abteilung „Kindersachbuch“, Stichwort „Scheidungen“ – Erwachsene mit Trennungsabsichten sollen hier in der Hamburger Thalia-Buchhandlung anscheinend finden, was ihrem Nachwuchs die in Scherben gebrochene Welt erklärt. Für Kinder ab fünf Jahren steht das Bilderbuch „Alles Familie“ parat. Es werde recht häufig gekauft, erklärt die zuständige Verkäuferin. Vielleicht auch, weil eine goldene Plakette auf dem Cover anzeigt, dass es den deutschen Jugendbuchpreis gewonnen hat.

Seinen kleinen Lesern soll es die vielen Formen des Familienlebens nahebringen. „Hier finden wir sie alle“, heißt es im Text, „die Alleinerziehenden, die Patchworkfamilien, die Kinderdorf- und Adoptivfamilien.“ Sogar Leihmütter und Regenbogenfamilien, also gleichgeschlechtliche Partnerschaften mit Kindern, werden vorgestellt.

Wer die 32 Seiten durchblättert, sucht eine Konstellation allerdings vergeblich. Das Bilderbuch enthält uns die Bilderbuch-Familie vor. Mutter, Vater und ihr leibliches Kind waren der Texterin Alexandra Maxeiner und der Illustratorin Anke Kuhl weder Zeichenstrich noch Wörter wert. Warum auch? Alles ist schließlich Familie, wie uns ihr Buch so bunt und flott erklärt.

Ja, das Buch ist gut gemacht. Es hat seinen Preis unter anderem gewonnen, weil es, so die Jury, „mit kurzen, prägnanten und konzise formulierten Sätzen überzeugt, allesamt prall mit Informationen gefüllt”. Alles sei durchzogen von einer großen Leichtigkeit und einem sensiblen Humor. Lachen mag man trotzdem nicht, eher weinen. Denn wenn alles Familie sein soll, ist in Wirklichkeit nichts Familie. Dann gehört auch der Postbote dazu oder die nette Fleischfachverkäuferin im Supermarkt um die Ecke, ebenso der Teilzeit-Liebhaber der Mutter, und der One-Night-Stand des Vaters. Das kann nicht sein, das ist falsch. Schutz, Halt, Erziehung und Geborgenheit soll die Familie bieten. Darin ist sie eine seit Jahrtausenden unübertroffene Einrichtung. Eine Familie ist etwas Besonderes, etwas Einzigartiges. Arme Kinder, wenn ihnen dies vorenthalten wird. Frank Horns

Alexandra Maxeiner, Anke Kuhl: „Alles Familie”, Klett Kinderbuch Leipzig, 2013, 23 Seiten, geb., 13,95


Ja, bitte
Kinderbuch II: Märchenhaft mit Tiefgang

Als Verfasserin ihrer dreibändigen Lebenserinnerungen „Eilig liefen meine Füße“ wurde Inta-Elisabeth Klingelhöller einem breiteren Publikum bekannt. Nun hat die 1934 im ostpreußischen Kreis Bartenstein geborene Autorin ein Kinderbuch geschrieben, das uns in eine bunte, aufregende und ziemlich menschliche Märchenwelt entführt.

Aber halt, als Autorin von „Der edle Ritter Sir Lanzelot Kristoph von Edelstein“ möchte sich Inta-Elisabeth Klingelhöller nicht so gerne bezeichnet wissen. So steht hinter ihrem Namen auf dem Buch auch das Kürzel Hg für Herausgeberin. „Das Buch habe ich über Jahre mit einem meiner Enkel erstellt“, erzählt sie. Vor allem zwei Fragen hätten beide geleitet: „Was ist ein edler Ritter?“ und „Was muss man tun, um ein edler Ritter zu sein?“ Ihr Anliegen war es, ihren Enkel in spannenden Gesprächen herauszufinden zu lassen, was Edelmut bedeutet. Nämlich, „sich selber einzubringen, Verantwortung für andere Menschen oder die Kreatur neben sich zu übernehmen.”

Es gelte, Vertrauen zu schaffen. Auf dieser Grundlage lassen sich auch über Grenzen hinweg Konflikte lösen und oft auch aussichtslose Situationen zum Besseren wenden.

Wer jetzt angesichts dieser Überlegungen einen schwerfälligen, besserwisserischen Text erwartet, liegt zum Glück völlig falsch. Die Geschichte vom Ritter der Burg Eberharting, der zusammen mit seinem Hund Jonny zwei Drachenkinder rettet, liest sich sehr unterhaltsam und lebendig. Viel handfester Humor ist zu entdecken. Kinder werden das Buch schon allein deswegen lieben, besonders wenn es ihnen vorgelesen wird. Und weil so viel Nachdenkenswertes in den Zeilen steckt, werden auch anregende Gespräche danach, sobald das Büchlein einmal zugeklappt ist, nicht ausbleiben. Was kann man mehr von einem Kinderbuch erwarten?

Frank Horns

Inta-Elisabeth Klingelhöller (Hg): „Der edle Ritter Sir Lanzelot Kristoph von Edelstein“, kartoniert, 128 Seiten, 12 Euro. Zu beziehen bei: Inta-Elisabeth Klingelhöller, Am Osterberg 1, 29482 Küsten / OT. Sallahn, Telefon (05864) 9874948, E-Mail: inta-elisabeth-autorin@hotmail.de


S. 23 Rautenberg Buchhandlung

Rautenberg Buchhandlung


S. 24 Panorama

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Einfache Antworten / Was Pegida so gefährlich macht, wie wir darüber allerorten strikt dasselbe lesen, und warum der Steuerstaat jetzt an unser Erbe muss

Die „Tagesschau“ muss sich fragen lassen, ob ihr Standpunkt noch politisch korrekt genug ist, um das Prädikat „Qualitätsmedium“ zu verdienen. Zu der jüngsten Demonstration von Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) in Dresden brachten die Nachrichtenmacher tatsächlich bloß eine Nachricht, ganz ohne giftige Wertung, ohne das vorgeschriebene „Vorsicht Rechte!“ oder so.

Der Zuschauer kam sich vor, als habe man ihn in die ferne Vergangenheit katapultiert, als ihm seriöse Nachrichtensprecher neutral gehaltene Meldungen aus aller Welt präsentierten. Unsere Meinung zum Geschehen sollten wir uns gefälligst selber bilden. Die Nachrichtenmacher hielten uns nämlich für „mündige Bürger“.

Ja, so war das damals! Irgendwo in den Tiefen der Hamburger „Tagesschau“-Redaktion muss ein Greis überlebt haben, der über Pegida genauso berichtet wie man es einst im Mai getan hätte, vermutlich war der jüngere Kollege krank geworden. So hieß es lapidar, rund 10000 Pegida-Demonstranten hätten gegen eine „von ihnen empfundene Islamisierung des Abendlandes“ protestiert, etwas weniger Menschen hätten gegen Pegida demonstriert. Punkt. Also, ich war vor Rührung den Tränen nahe: Eine Nachrichtensprecherin erzählt mir, wie’s war – ohne Propaganda! Dass es das noch gibt.

Na ja, war auch die Ausnahme. Die anderen TV-Kanäle holten mich schnell zurück in die pralle Gegenwart. Stimme und Gesicht von Empörung und Abscheu bebend, wurden die „rechten Pegida-Marschierer“ so tief wie möglich in die braune Jauche gestoßen, ob beim ZDF, bei ntv oder N24 oder sonst wo.

Die Botschaft war klar: Wölfe im Schafspelz. Die tun nur so, als seien sie keine Nazis, Rassisten oder Rechtspopulisten. In den Zeitungen lautete es nicht anders.

Praktisch alle stimmten überein in ihrem moralischen Todesurteil, was einen schon unsicher macht. Sind die Pegida-Leute womöglich wirklich ganz finstere Gestalten? Immerhin müssen wir feststellen, dass die Verurteilung aus ganz verschiedenen Medien kommt, von der linken „Süddeutschen Zeitung“ über die bürgerliche „Frankfurter Allgemeine“ bis zum Nachrichtensender ntv oder zum Magazin „Focus“.

Die Unabhängigkeit unserer vielfältigen Medien gebietet es natürlich, dass jedes einzelne seinen ganz eigenen Blick auf das Geschehen wirft. Oder? Die „Süddeutsche“ lobt die braven Gegendemonstranten, die Pegida die Stirn geboten haben, mit den Worten: „Unter dem Motto ,Dresden für alle‘ waren sie in einem Sternlauf aus sechs Richtungen zum Rathaus gezogen, um ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus zu setzen.“ Der Sender ntv meldete dazu: „Unter dem Motto ,Dresden für alle‘ zogen sie aus sechs Richtungen zum Rathaus, um ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus zu setzen.“ Die „FAZ“ schrieb hingegen: „Unter dem Motto ,Dresden für alle‘ waren sie in einem Sternlauf aus sechs Richtungen zum Rathaus gezogen, um ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus zu setzen.“ Und der „Focus“ formulierte schlussendlich: „Unter dem Motto ,Dresden für alle‘ zogen sie aus sechs Richtungen zum Rathaus, um ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus zu setzen.“

Wer jetzt noch nicht begriffen hat, was mit „Vielfalt“ heutzutage gemeint ist, konnte es hier lesen: Alle sagen strikt dasselbe.

Und leiden auch alle unter denselben Missständen. Schlimm fanden es die Qualitätsmedien-Macher, dass sie schon wieder keine richtigen Nazis ausmachen konnten. Übler noch: Bei den Fernsehbildern sahen wir, wie ausgerechnet ein Schwarzer das Pegida-Transparent hochhielt. Hätte da nicht mal die Regie eingreifen können? Zumindest wäre es doch wohl nicht zu viel verlangt, wenn der Kameramann seinen Apparat so hinschwenkt, dass man den Dunkelhäutigen wenigstens nicht sehen konnte.

Das war sehr unsensibel, denn was soll der unbedarfte Zuschauer denn glauben, wenn er zu so einem Bild erzählt bekommt, dass da lauter Rassisten unterwegs sind? Das verwirrt bloß.

In derart kniffligen Situationen ist Fingerspitzengefühl gefragt. Und Talent, Talent für perfide Formulierungen. Die sind schon gefunden: Bei Pegida seien normale Bürger und Nazis dermaßen „verschmolzen“ („Tagesspiegel“), dass man die richtigen Nazis gar nicht mehr herausfinde. Mit anderen Worten: Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist ... braun!

Wunderbare Lösung für alle Gelegenheiten. Ab sofort müssen auf unliebsamen Demonstrationen weder Nazis mitlaufen noch NS-Parolen gerufen werden. Das Urteil steht trotzdem fest, geschöpft aus der unergründlichen Tiefe der hohlen Hand.

Fairerweise muss angemerkt werden, dass bei den Gegnern von Pegida, denen mit dem „Zeichen setzen“, auch keine Extremisten gesichtet wurden. Und wieso nicht? Weil kein einziger Medienvertreter sie gesucht hat. Trick­reich, was? Das Resultat von alldem nennt sich voller Stolz „ausgewogene, kritische Berichterstattung“. Ja, ja ... ihr uns auch!

Pegida breitet sich trotz der schweißtreibenden Bemühungen von Parteien, Gewerkschaften, Religionsfunktionären, Antifa und wem nicht alles über immer mehr deutsche Städte aus wie eine Epidemie. Was reitet die Leute bloß, fragen sich Vertreter der selten so eng versammelten Obrigkeit.

Experten erklären uns: Pegida vereinfacht, bricht „komplexe Sachverhalte auf Parolen herunter“, das ziehe einfache Gemüter eben an. Wovon sprechen die? Etwa von Parolen wie „Deutschland braucht Einwanderung“, „Einwanderung ist Bereicherung“, „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“, „Der Mensch ist schuld am Klimawandel“ und ähnliches?

Natürlich nicht. Das sind die Parolen der Guten, weshalb es sich verbietet, sie Parolen zu nennen. Sie heißen „komplexe Antworten“. Frage: Wie unterscheiden wir „komplexe Antworten“ von „einfachen Parolen“? Das ist nicht schwer. Wer sagt, „Der Euro spaltet Europa“, der ist ein Freund von Parolen und einfachen Antworten. Wer dagegen sagt, „Der Euro eint Europa“, der „gibt sich nicht mit einfachen Antworten zufrieden“. So einfach ist die Antwort, lehren uns die Warner vor den „einfachen Antworten“.

Zu den Parolen zählt ohne Zweifel das Genöle vom angeblich „gierigen Steuerstaat“, der uns alles wegnehmen will. Diese Behauptung ist nicht bloß polemisch, sie ist auch herzlos. Der Streit um die kalte Progression hat die Not offengelegt. Gerne würde der Steuerstaat noch weit saftiger hinlangen als bisher. Langsam gehen ihm aber die Quellen aus. Schon heute zahlen die Deutschen unter allen großen Industrienationen die höchsten Steuern und Abgaben.

In der Politik wächst die Furcht, dass die Deutschen irgendwann die Lust verlieren, sich abzurackern, sobald sie merken, für wen sie da eigentlich malochen.

Tatsächlich macht sich ein gewisser Überdruss breit. In der Frühzeit der Republik waren Steuern und Abgaben geradezu mickrig, trotzdem stemmte der Staat unvergleichliche Mammutaufgaben des Wiederaufbaus, ohne Schulden zu machen.

Die Nostalgie der Bürger hat die Politiker erreicht, die sich darauf ihren ganz eigenen Reim machen. Sie versinken nicht etwa in Scham vor ihrer Unfähigkeit, mit dem Geld der Bürger umzugehen. Nein, sie sagen sich: Ach ja? Da gab es also eine Zeit, in der die Bundesbürger richtig Geld sparen und Vermögen aufbauen konnten mit ehrlicher Arbeit? Dann wissen wir ja, wohin uns der nächste Raubzug führen muss: An die Früchte der damaligen Erfolge!

Bei Grünen und SPD sprießt die Begierde nach einer drastischen Erhöhung der Erbschaftsteuer, um sich endlich auch die Ernte der Aufbaujahre unter den Nagel reißen zu können, wo sie doch sonst schon alles abgemäht haben. Merke: Vor wirklich talentierten Panzerknackern ist auf Dauer eben nichts sicher.


MELDUNGEN / ZUR PERSON

AfD streitet über Pegida

Berlin – Innerhalb der Alternative für Deutschland (AfD) wird verschiedenen Berichten zufolge heftig über die Haltung der Partei zur Bürgerbewegung Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) gestritten. Während die Sympathie für Pegida an der AfD-Basis wächst, fürchtet die Führung offenbar, für mögliche radikale Entgleisungen bei der Bewegung in Mithaftung genommen zu werden. Beobachter halten den Zwist für äußerst bedrohlich für die AfD. H.H.

 

Dügida-Chef bedroht

Düsseldorf – Der Wortführer des Pegida-Ablegers in Düsseldorf (Dügida), Alexander Heumann, wird von mutmaßlichen Linksextremisten bedroht. Die Täter haben auf den Hauseingang von Heumanns Anwaltskanzlei 23 Aufkleber mit dem Text „Hier ist kein Platz für Rassisten! Alexander Heumann pass auf!“ geklebt. Grüne, FDP, „Piraten“, Evangelische Kirche und DGB rufen zum Protest gegen Dügida auf. H.H.

 

Aufstand der Jugend

So etwas mag Kanzlerin Angela Merkel überhaupt nicht: Eigene Parteimitglieder, die sich quer stellen. Leute, die Veränderungen innerhalb der CDU fordern, finden sich dann rasch auf dem Ne­bengleis wieder. Norbert Röttgen oder Christian Wulff haben das bitter erfahren müssen. Von daher war es mutig von Jens Spahn, für das CDU-Präsidium zu kandidieren und dabei in Kauf zu nehmen, dass einer von den arrivierten Kandidaten herausfliegt.

Die Junge Union nominierte den 34-Jährigen, so dass sich bei den Wahlen am vergangenen Dienstag plötzlich acht Kandidaten um sieben Plätze stritten. Als Gesundheitsexperte aus dem nord­rhein-westfälischen Ahaus forderte er den 53-jährigen Gesundheitsminister Hermann Gröhe, der direkt vom mitgliederstärksten Bundesverband Nordrhein Westfalen nominiert wurde, zu einer fidelen „Reise nach Jerusalem“ heraus.

Spahn hatte bei einer Niederlage weniger zu verlieren gehabt als der Minister. Das erleichterte die Kandidatur. Da er schon bei der letzten Kabinettsbildung umgangen wurde, rebelliert der Katholik, der sein Abitur an der Bischöflichen Canisiusschule in Ahaus machte, leise von unten. Im Bundestag ist er Mitglied der „Wilden 13“, einer Gruppe von Abgeordneten, die sich für die steuerliche Gleichsetzung von homosexuellen Lebenspartnerschaften einsetzt.

Zuletzt erregte Spahn, der schon seit seinem 22. Lebensjahr im Bundestag sitzt, Aufsehen mit seiner Forderung nach Abschaffung der Kalten Progression. Auf allen Kanälen – Twittermeldungen, Facebook und dem eigenen „spahntv“ auf seiner Internetseite“ – bringt er sich in Stellung für höhere Aufgaben. Wie Kanzlerin Merkel den Aufstand der Jugend abwehren will, wird sich noch zeigen. Harald Tews


MEINUNGEN

Willy Wimmer (CDU), ehemals Verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion und Staatssekretär, weist auf „Freie Welt“ (4. Dezember) auf die Ursprünge des Ukraine-Konflikts hin:

„Es gibt Entwicklungen in Russland, die können einem Sorgen bereiten. Man sollte allerdings nach den Ursachen fragen. In Moskau konnte man – wie hier auch – seit langem sehen, wie zielgerichtet die USA die Strangulierung Moskaus in Angriff genommen haben. Mos­kau ist als russische Metropole nicht nur ,bedingt abwehrbereit‘. Heute wird durch die neue ukrainisch-amerikanische Finanzministerin für das offenkundige US-Protektorat Ukraine klar, wohin die Reise geht. Kiew wird aus Washington politisch und familiär geführt.“

 

 

Der Schriftsteller Eugen Ruge, als Sohn eines deutschen Gulag-Häftlings vor 60 Jahren in der UdSSR geboren, warnt im „Spiegel“ (8. Dezember) vor einer Politik, die auf den Sturz Putins abzielt:

„Selbst wenn der Regimewechsel gelingt – was käme nach Putin? Was westliche Regimewechsel-Versuche anrichten können, sehen wir aktuell im Irak. Merkel war damals Unterstützerin dieser Politik. Sollen wir uns das wirklich wünschen: irakische Verhältnisse in der Atommacht Russland?“

 

 

Der Präsident des Ifo-Instituts, Hans Werner Sinn, zieht im Wirtschaftsmagazin „Bilanz“ (Dezember-Ausgabe) eine bittere Bilanz des Euro:

„Das Euro-Experiment bewirkt für Europa Siechtum, wir sind die mit Abstand am langsamsten wachsende Weltregion. Und warum? Weil wir Sparkapital über Banken und Versicherungen in die Staatsapparate und den Immobiliensektor Südeuropas gelenkt haben. Statt unser Sparkapital sinnvoll zu investieren, wurde es dort aufgegessen oder verbrannt.“

 

 

Der im Februar aus dem Amt scheidende Präsident von Uruguay, José Mijica, erklärt der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (7. Dezember) die weltweit wachsende Kluft zwischen Politikern und Bürgern:

„Irgendwo ist die Idee auf der Strecke geblieben, dass wir alle gleichwertig sind. Unser politisches System hat sich dahin entwickelt, dass die Politiker heute das Leben einer privilegierten Minderheit leben ... Heute erinnern viele Präsidentschaften an die Höfe früher. Diese Distanz führt dazu, dass die Bürger immer weniger daran glauben, dass die politischen Institutionen ihre Interessen vertreten. Und das ist das Schlimmste, was einer Gesellschaft passieren kann.“

 

 

Der Journalist Markus Gärtner prangert auf „Kopp online“ (9. Dezember) die Berichterstattung über Pegida an:

„Gibt es vielleicht reale Ängste, die sie (die Demonstranten) haben könnten? Sollten sie die nicht artikulieren können, bevor man ihnen einen Stempel auf den Mund klebt? Und: Müssen wir uns über die wachsende Verachtung gegenüber Journalisten noch wundern, wenn derart undifferenziert und einseitig ,berichtet‘ und polemisch draufgehauen wird?“