28.03.2024

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Preußische Allgemeine Zeitung - Aktuelle Ausgabe

© Preußische Allgemeine Zeitung Folge 51-52/14 vom 20.12.2014

S. 1 Preußische Allgemeine Zeitung

Die Nervosität wächst
Pegida und Co.: Etablierte Eliten reagieren entgeistert bis hysterisch

Zwischen einst loyalen Bürgern und führenden Politikern wie Medien tut sich ein tiefer Graben auf. Man versteht sich nicht mehr.

Die Nervosität bei etablierten Parteien und Medien wächst spürbar. Zunächst war versucht worden, die neuen Bürgerbewegungen wie Pegida durch Totschweigen abzuwürgen. Das hat, auch dank neuer Medien wie dem Internet, nicht funktioniert. Daher werden die protestierenden Bürger nun mit zunehmender Verbissenheit attackiert. Nordrhein-Westfalens Innen­minister Ralf Jäger (SPD) beschimpfte die Wortführer der Dresdener Pegida-Demonstranten gar als „Nazis in Nadelstreifen“. Eine Entgleisung, die den Übergang von der Nervosität zur Hysterie anzeigt.

Das Jahr 2014 hat die politische Landschaft der Bundesrepublik möglicherweise grundlegender umgewälzt, als man dies bislang zur Kenntnis nehmen wollte.

Der Einzug der AfD ins EU- und drei Länderparlamente sowie die Demonstrationen wie Pegida oder „Demo für alle“ sind zwei Aspekte des gleichen Phänomens. Dazu gehört auch die Abwendung von den großen, entweder durch den Staat oder durch Konzerne unterhaltenen Medien.

Hier tut sich ein Graben auf. Die Reaktionen der Mächtigen auf den Protest vertiefen den Graben noch. Die Wortführer werden zu Unpersonen gestempelt, die mitdemonstrierenden Bürger zu naiven Mitläufern herabgewürdigt, welche „unbegründeten, diffusen Ängsten und Ressentiments“ erlegen seien. Beides erweist sich bei näherem Hinsehen als hilflose Abwehr einer Funktionselite, die den Draht zu weiten Teilen des Volkes verloren hat und die, schlimmer noch, unwillig oder gar unfähig ist, jenen Draht wieder aufzunehmen.

Dass sich gerade Dresden zum Epizentrum des Protests entwickelt hat, dürfte kein Zufall sein. Nirgends in den neuen Bundesländern war die Begeisterung über die deutsche Vereinigung größer als in Sachsen, der Aufstand gegen die Kommunisten zuvor dynamischer. Und nirgends war der Glaube an die Bundesrepublik und das Vertrauen in ihre Ordnung intensiver. Die Partei des „Kanzlers der Einheit“, Helmut Kohl, fuhr hier über Jahre Ergebnisse bayerischen Zuschnitts ein. Doch 2014 gelang der AfD ausgerechnet in Sachsen ihr erster Durchbruch auf Landesebene und wurde bald darauf Pegida geboren.

Das zeigt: Die sich hier von der etablierten Elite abwenden, sind gerade jene, die zuvor am treuesten zu ihr gestanden haben. Statt sich ihnen aber zu öffnen, polemisieren die Etablierten lieber gegen sie, und dies selbst Seite an Seite mit Linksextremisten, welche für diesen Staat, seine Ordnung und seine loyalen Bürger seit jeher nur Hass und Verachtung übrig haben.

Nicht die Bürgerproteste gefährden den gesellschaftlichen Konsens. Die Spaltung ging von oben aus statt von den Bürgern. Pegida ist lediglich eine Antwort aus ihren Reihen. Dass diese Spaltung noch zu überwinden ist, daran wachsen die Zweifel mit jedem Tag mehr.

Hans Heckel

(siehe auch Seiten 2 und 5)


100 Millionen Christen werden verfolgt
Hilfsorganisationen wie Open Doors setzen sich weltweit für bedrohte Glaubensgenossen ein – heutzutage eine Mammutaufgabe

Seit zwölf Jahren ist Markus Rode dabei. Er kommt aus der Wirtschaft und ist eigentlich Diplomkaufmann. Als bekennender Christ habe er eines Tages erfahren, wie viele Glaubensgenossen weltweit verfolgt und diskriminiert würden. Es war ein Schlüsselerlebnis. Heute leitet er die deutsche Sektion von Open Doors. Das 1955 gegründete überkonfessionelle Hilfswerk setzt sich weltweit für verfolgte und benachteiligte Christen ein.

Es ist eine Mammutaufgabe, die sich Open Doors und ähnliche Hilfsorganisationen wie zum Beispiel „Kirche in Not“ vorgenommen haben. „Die Zahlen sind gerade 2014 dramatisch angestiegen“, erklärt Rode. Weltweit würden etwa 100 Millionen Christen aufgrund ihres Glaubens verfolgt. Was sie so oft ins Fadenkreuz radikaler Andersdenkender geraten lässt? „Meist ist es die Nähe zum westlichen Denken, die ihnen unterstellt wird“, so Rode. Triebfeder sei aber auch die Angst, dass das Christentum Menschen verführen könne, sich von ihrem bisherigen Glauben abzuwenden.

Rode verweist auf den jährlich veröffentlichten Weltverfolgungsindex von Open Doors. Er listet die 50 Länder auf, in denen es Christen derzeit am schwersten haben. Die Diskriminierung beginnt, wenn Glaubensgenossen aufgrund ihrer Religion zum Beispiel am Arbeitsplatz benachteiligt werden. Sie endet dort, wo Christen um Leib und Leben fürchten müssen wie derzeit zu Zehntausenden in Syrien und im Irak.

Natürlich sei der radikale Islamismus aktuell die größte Bedrohung, erklärt Rode – zumal immer mehr Gruppierungen auf der Welt den IS-Anhängern nacheifern würden. Aus seiner grundsätzlichen skeptischen Haltung gegenüber dem Islam macht der Open-Doors-Mitarbeiter dabei keinen Hehl. All diese Gruppen würden schlicht und einfach das geschriebene Wort umsetzen, so wie es im Koran nachzulesen ist. Dort stehe eben zum Beispiel, dass ein Glaubenswechsel ein todeswürdiges Verbrechen sei.

Aber es gibt auch nichtislamische Länder, die – von der Weltöffentlichkeit weitgehend unbeachtet – gläubige Christen zu Tausenden verfolgten. Vietnam zählt dazu. Das dortige Regime basiert nach wie vor auf der marxistisch-leninistischen Lehre und den Vorstellungen Ho Chi Minhs. Gegenüber der katholischen Bevölkerung von rund acht Millionen und den evangelischen Protestanten von fast 1,7 Millionen herrscht starkes Misstrauen. „Die Herrschenden schränken jegliche unabhängige religiöse Ausübung strengstens ein“, heißt es im Bericht der Arbeitsgruppe des UN- Rats für Menschenrechte.

Ebenfalls auf dem Weltverfolgungsindex zu finden ist Indien. Radikale Hindus vertreten dort die „Hindutva“-Ideologie und streben ein rein hinduistisches Land an. Für Andersgläubige bleibt kein Platz. Die seit Mai regierende nationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP, Indische Volkspartei) ist eine Verfechterin dieser Ideologie. Während der ersten 100 Tage unter Präsident Narendra Modi kam es zu über 600 Angriffen auf religiöse Minderheiten. „Die Lage der Christen ist dort gerade in den vergangenen Jahren immer komplizierter geworden“, erklärt Rode.

Ob ihm das alles nicht manchmal mutlos in seiner Arbeit werden lasse? Rode schüttelt energisch den Kopf. „Für mich gibt es dabei noch eine weitere Botschaft. Selbst in hochgradig christenfeindlichen Staaten existiert eine lebendige und wachsende Kirche. Christen halten im Verborgenen an ihrem Glauben fest, obwohl sie bespitzelt, verhaftet oder misshandelt werden. Wir müssen ihnen zeigen, dass wir an ihrer Seite stehen.“

Frank Horns


Jan Heitmann:
Letzter Dienst

Er begann als unkonventioneller Hoffnungsträger, wurde zu einem der berühmtesten Stadtoberhäupter der Welt und endete als unbeliebtester Politiker Berlins. Dass es so weit gekommen ist, hat Klaus Wowereit ausschließlich selbst zu verantworten. Niemand wird ihm absprechen können, die bis dahin eher kleinbürgerlich-spießig daherkommende Hauptstadt zu einer weltoffenen Metropole gemacht zu haben. In den Berliner Politikbetrieb brachte er mit einer einmaligen Mischung aus Charme, Lässigkeit, Hybris und Hedonismus frischen Wind. Was die Berliner an ihrem „Wowi“ besonders schätzten, war sein Gespür für ihre Stadt. Doch das war ihm irgendwann abhanden gekommen.

Andernfalls hätte er sich nicht nur mit Hingabe der Förderung von Kunst und Kultur gewidmet und sich auf jeder Party sehen lassen, sondern sich um die für eine Millionenstadt existenzielleren Politikfelder wie die Kriminalitätsbekämpfung, den Wohnungsbau und die Verschuldung gekümmert. Zur Vernachlässigung kommt bei Wowereit noch das Versagen hinzu. Denn immer dann, wenn er sich gekümmert hat, ging es – man denke nur an das Flughafendesaster und die gescheiterte Neugestaltung des Tempelhofer Feldes – gründlich schief. Doch statt seine Fehler einzugestehen, hat er sie in selbstherrlicher Manier kleingeredet, seine Kritiker mit pampigen Antworten bedacht oder blöde Kommentare abgegeben. Damit hat Wowereit ein Musterbeispiel dafür gegeben, wie sich ein Politiker selbst demontiert. Etwas Positives hat er Berlin hinterlassen: Ein neues Lebensgefühl. Mehr aber auch nicht. Mit seinem Abgang hat „Wowi“ seinen Berlinern einen letzten Dienst erwiesen.


S. 2 Aktuell

Zweifel an Unparteilichkeit des Staates
Polizei leitete Demonstrationszug der Pegida in eine perfekte Sackgasse

Je mehr Zulauf die Dresdner Pegida erhält, umso lauter und schriller wird der Chor ihrer Kritiker, wobei manche Stimmen ganz besonders hervorstechen. Darüber hinaus scheint es aber auch den einen oder anderen Saboteur zu geben, der eher im Verborgenen agiert.

Keinen Hehl aus ihrer tiefen persönlichen Abneigung macht die Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU). Obwohl sie dem Organisator der Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pegida) Lutz Bachmann vor noch nicht einmal einem Jahr den Sächsischen Fluthelferorden überreicht hatte, verweigert sie nun jedweden Dialog mit der Führungsspitze des Bündnisses gegen die Islamisierung des Abendlandes und probt stattdessen den verbalen Schulterschluss mit „allen“, die Pegida entgegentreten wollen, letztlich also auch der gewaltbereiten Antifa. Darüber hinaus unterstellt Orosz denjenigen Bürgern ihrer Stadt, die keine importierten Glaubenskriege wollen, „Menschen zu bedrohen, die hier Schutz suchen“. Deshalb wurden bei der letzten Pegida-Demonstration nun erstmals auch Rücktrittsforderungen an ihre Adresse laut.

Noch ambitionierter als die im Grunde doch eher verwirrt wirkende Oberbürgermeisterin gibt sich der Rektor der Technischen Universität Dresden, Hans Müller-Steinhagen, dessen Stimme erhebliches Gewicht besitzt – immerhin ist die Hochschule ja der größte Arbeitgeber von „Elbflorenz“. Er bezeichnete die Aktionen der Pegida als „falsch und gefährlich“ und verkündete dann am 4. Dezember unter klarer Verletzung des politischen Neutralitätsgebotes: „Als Rektor der TU Dresden distanziere ich mich im Namen meiner Universität von diesen Veranstaltungen und rufe alle Mitarbeiter und Studierenden auf, nicht an den von Pegida organisierten Demonstrationen teilzunehmen.“ Dem folgte die Aufforderung an sämtliche Angehörige der Einrichtung, sich der von der Hochschule organisierten Gegendemonstration „Open Your Mind – Stop Racism!“ anzuschließen. Dabei kamen dann aber trotz der Behauptung, dass die Universität „geschlossen“ hinter ihrer Leitung stehe, nur 3000 Personen – bei immerhin 37000 Studenten und 8000 Beschäftigten!

Dennoch freilich verstärkt die faktische Ächtung der Pegida das Klima der Angst an der TU Dresden, das aus dem harschen Führungsstil Müller-Steinhagens resultiert, von dem jetzt gerade wieder ein dramatischer offener Brief der Interessenvertretung des Akademischen Mittelbaus zeugt: Der Rektor habe „ein überaus eingeschränktes oder illusorisches Verständnis von Wissenschaft“ und zerstöre damit nicht zuletzt auch „die individuelle Perspektive meist hochqualifizierter und engagierter Arbeitnehmer“. Angesichts solcher Zustände wagt natürlich kaum jemand, das Risiko einzugehen, von den allgegenwärtigen Spitzeln unter den „antifaschistisch“ eingestellten Studenten und Kollegen auf einer Pegida-Veranstaltung gesichtet zu werden.

Außerdem wäre da noch Tina Kulow, die seit 2011 als Facebook-Managerin für Deutschland fungiert. Diese steht im Verdacht, für die Sperrung der Facebook-Seite der Pegida am 4. Dezember und diverse Löschungen verantwortlich zu sein. Immerhin hatte Kulow sich bereits 2013 als Befürworterin ungesetzlicher Handlungen wie der Blockade genehmigter Demonstrationen zu erkennen gegeben, indem sie mit einem Plakat posierte, auf dem stand: „13. Februar in Dresden. Nicht lange fackeln. Nazis blockieren.“ Dazu kommt ihre Absichtserklärung, den Verein „Dresden Nazifrei“ zu „promoten“. Angesichts dessen erscheint die Vermutung, Kulow sabotiere die „rechte“ Bürgerinitiative, durchaus plausibel.

Darüber hinaus bezweifeln aber auch etliche Pegida-Anhänger, dass die Polizei tatsächlich so uneingeschränkt auf der Seite des gewaltlos agierenden Bündnisses steht, wie man allerorten behauptet. Schließlich ist der große Demonstrationszug vom 1. Dezember ja ganz offenkundig in eine perfekte Sackgasse geleitet worden: vorn die Blockierer, die erstaunlicherweise an der sonst so gut bewachten Sy-nagoge vorbei Stellung beziehen konnten, rechts das Elbufer und links die unüberwindliche Mauer der Brühlschen Terrasse, von der weitere Antifa-Störer auf die Pegida-Demonstranten hinunter spuckten. Wirklich nur eine taktische Fehlleistung der Einsatzleitung der Polizei oder mehr?

Wolfgang Kaufmann


Eiertanz um die Wahrheit
Antisemitismus in Frankreich: Kaum einer benennt die Ursache

Die Empörung ist groß, aber die Bereitschaft zur echten politischen Aufarbeitung gering. Frankreich, so berichten es dortige Medien, werde von einer neuen Welle des Antisemitismus erfasst. Die Grande Nation verfügt über eine der größten jüdischen Gemeinden in Europa; auch deswegen war das Entsetzen über die „Schande von Créteil“ so groß. Drei maskierte Täter aus einer Sozialsiedlung im Nachbarort überfielen Anfang Dezember ein junges Paar in seiner Wohnung. Um das vermeintliche Geldversteck zu erfahren, vergewaltigte einer der Räuber die 19-jährige Frau. „Die Juden haben Geld“, sagten die mittlerweile inhaftierten Täter laut dem männlichen Opfer immer wieder.

Das sei das „mittelalterliche Vorurteil von den reichen Juden“, erboste sich Roger Ackermann vom jüdischen Dachverband Frankreichs CRIF. Jüdische Organisationen betreiben seit Jahren ein sogenanntes Auswanderungsbüro. Es ist eine Anlaufstelle für Juden, die nach Israel oder in die USA ausreisen wollen. Seit dem Überfall in dem Pariser Vorort läutet das Telefon permanent. Schon in den Wochen des Gaza-Krieges im vergangenen Sommer hatte es eine ganze Reihe antisemitischer Überfälle und Angriffe auch auf Synagogen gegeben. In Frankreich leben 500000 bis 600000 Juden, sie fühlen sich zunehmend bedroht. In den ersten zehn Monaten des Jahres haben sich die Drohungen und Attacken auf sie nach den offiziellen Angaben des Innenministers mehr als verdoppelt. Die Polizei zählt bislang fast 1000 Fälle. Die jüdischen Gemeinden fordern daher mit Nachdruck einen nationalen Plan, der dagegen ansteuert. „Rassismus und Antisemitismus sind gleichbedeutend mit der geplanten Zerstörung des französischen Traums“, zitiert die Nachrichten-agentur DPA den französischen Großrabbiner Haim Korsia. Innenminister Bernard Cazeneuv will den Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus nun zur „nationalen Sache“ machen. Die Republik werde die Juden schützen, versprach er im französischen Fernsehen.

Doch bei der Analyse tut sich das politische Establishment schwer. Und so war es Marine Le Pen, Präsidentin des Front National (FN), die den Finger in die Wunde legte; „Der Front National ist ganz und gar nicht rassistisch. Es gibt keinen einzigen Punkt in unserem Programm, der Bezug auf die Rasse nimmt. Diejenigen, welche diese abscheulichen Verbrechen begehen, stammen aus den Kreisen, die von der Einwandererlobby mit Samthandschuhen angefasst werden.“ In der Tat geht ein Großteil der antisemitischen Ausschreitungen auf das Konto muslimischer Einwanderer. Meinungsforscher haben unter Frankreichs Muslimen „einen neuen Antisemitismus“ diagnostiziert. Auch die Täter von Créteil stammen aus diesem Umfeld. Die Zahl antisemitischer Vorfälle hatte erstmals nach dem Beginn der zweiten Intifada im Jahr 2000 zugenommen. Nun erreicht sie einen neuen Höchststand. Der Nahostkonflikt, soziale Probleme, wirtschaftliche Schwierigkeiten und zunehmende Glaubenskonflikte lassen Schlimmes befürchten. „Viele Juden glauben, dass es noch schlimmer kommt“, sagt Roger Ackermann. Peter Entinger


Prag gegen Quote
EU-Kommissarin im Loyalitätskonflikt

Bei der Frage, inwieweit das Ideal der Geschlechtergleichheit bereits realisiert ist, liegt die Tschechei unter 142 Staaten hinter Ländern wie Deutschland (10.) und Aserbaidschan (94.), aber noch vor Indonesien (97.) auf dem 96. Platz. Während in den 5000 börsennotierten Unternehmen der Europäischen Union 40 Prozent der Aufsichtsratssitze von Frauen belegt sind, sind es in der Tschechischen Republik nur zehn. Und während die Deutschen bis zum Januar 2016 eine Frauenquote von 30 Prozent einführen, hat sich die Koalitionsregierung in Prag aus der Mitte-Rechts-Bewegung ANO 2011, der konservativen Christlichen und Demokratischen Union – Tschechoslowakische Volkspartei sowie der Partei des Ministerpräsidenten Bohuslav Sobotka, der Tschechischen Sozialdemokratischen Partei (CSSD), einmal mehr dagegen ausgesprochen.

Entgegen der Kabinettsmehrheit waren die acht Minister der CSSD für die Quote. Zwar war die Partei jahrelang die einzige im Land, die keine Frau in ihrer Führungsriege aufzuweisen hatte, doch nun will sie bis zu ihrem Kongress im März 2015 eine „innerparteiliche Quote“ einführen, wofür sich vor allem die Frauen-Lobby des „Orange-Clubs“ einsetzt.

Probleme dürfte die tschechische EU-Kommissarin für Verbraucherschutz und Justiz, Vera Jourova, bekommen, die zwar persönlich für die Quote ist, aber als Mitglied der tschechischen Regierungspartei ANO 2011 die negative Haltung der von ihrer Partei mitgetragenen Prager Regierung im quotenfreundlichen Brüssel vertreten muss. Das wird schwer, zumal die EU bis 2020 eine Frauenquote von 40 Prozent in Wissenschaft und Forschung anpeilt. In Österreich gilt diese seit 2009, in Spanien, Norwegen und Polen wird sie bald gelten, nur in Tschechien ist nichts zu spüren. Zwar sind 60 Prozent der Universitätsabsolventen Frauen, auch 40 der Promovierenden, aber nur 23 der Dozenten und ganze 13 der Professoren. Im 17-köpfigen Regierungsrat für Forschung und Innovation sitzen zwei Frauen, in der Staatlichen Förderungsagentur nur eine einzige. Wolf Oschlies


MELDUNGEN

Millionen für Moldau

Berlin – Deutschland stellt 12,6 Millionen Euro für die „Modernisierung kommunaler Dienstleistungen“ und fünf Millionen zur „Förderung sozialer Infrastruktur“ in der Republik Moldau zur Verfügung. In das Projekt „Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung im ländlichen Raum“ fließen weitere zehn Millionen Euro. Zudem werden im aktuellen Haushaltsjahr Einzelprojekte aus den Mitteln des „Stabilitätspakts für Südost-europa“ in Höhe von 230000 Euro gefördert. Die Bundesregierung begründet diese Ausgaben damit, dass „ihr Engagement zur Lösung des Transnistrienkonflikts ein wesentlicher bilateraler Beitrag zur Krisenprävention und Konfliktbearbeitung“ sei. J.H.

 

Konservatives Internet-Magazin

Rosenheim – Bewährtes zu bewahren und den Fortschritt in kritischer Solidarität zu begleiten, ist die Devise des Internet-Magazins „Deutschland Direkt Online“, das in diesen Tagen zu neuem journalistischen Leben erweckt wird. Die komplett neu gestaltete elektronische Zeitschrift will auch Leser ansprechen, die mit den modernen Kommunikations- und Informationsmedien nicht so vertraut sind. Die Navigation auf den übersichtlich aufgebauten Seiten stellt auch Computer-Laien nicht vor Probleme. Der Anspruch, zugleich konservativ und zukunfts-offen zu sein, gilt nicht nur für die Nutzung dieses noch jungen Mediums, sondern auch für die Inhalte. Im Mittelpunkt werden kultur-, gesellschafts- und familienpolitische Themen sowie Texte zu Wissenschafts-, Wirtschafts- und Technologiefragen stehen. Herausgegeben wird deutschland-direkt.de, so die Web-Adresse, von Heidi Stecher, Chefredakteur und für den Inhalt verantwortlich ist Hans-Jürgen Mahlitz, den Lesern der PAZ als deren langjähriger Chefredakteur und Autor bekannt. U.M.


S. 3 Preussen/Berlin

Der ideale Sündenbock
BER-Chef schmeißt hin: Wollte die Politik mit Mehdorn nur von eigenem Versagen ablenken?

BER-Chef Hartmut Mehdorn wirft das Handtuch. Mit der Ankündigung, dass der neue Hauptstadtflughafen BER frühestens im zweiten Halbjahr 2017 eröffnen kann, ist bei dem Skandal-Projekt ohnehin mit Zusatzkosten in Milliardenhöhe zu rechnen. Nun droht eine weitere Kostenexplosion.

Die Länder Berlin und Brandenburg waren laut einer Meldung des „Handelsblatts“ bereits seit Wochen auf der Suche nach einem Nachfolger für den umstrittenen Flughafenchef Hartmut Mehdorn. Wie weiter berichtet wird, hat ein beauftragter Personalberater bereits konkrete Namen auf seinem Zettel. Mehdorn, der von Matthias Platzeck 2013 geholt worden war, um den Flughafen BER zu Ende zu bauen, will Mitte 2015 gehen Das Verhältnis Mehdorns zum Flughafen-Aufsichtsrat war mittlerweile so zerrüttet, dass eine Vertragsverlängerung, die erst 2016 angestanden hätte, ohnehin als äußerst unwahrscheinlich galt. Mehr noch: Spekuliert wurde schon länger über eine vorzeitige Ablösung des 72-Jährigen.

Nachdem der frühere Bahnchef Mehdorn bereits in Fragen des Schallschutzes oder der Weiternutzung des Flughafens Tegel die Nerven der Gesellschafter reichlich strapaziert hatte, war es vor Kurzem zu einer neuerlichen Eskalation gekommen: In einem Brief an den Bundesverkehrsminister bezichtigte Mehdorn die Gesellschafter Bund, Berlin und Brandenburg der „Inquisition“. Eine Anspielung auf ein externes Gutachten, dass die vom langsamen Baufortschritt genervten drei Eigentümer in Auftrag gegeben haben.

Dass Mehdorn gegenüber dem Aufsichtsrat einen recht eigenwilligen Stil pflegte, ist an sich nicht neu. Schon dass er im Frühjahr dieses Jahres zu einer Sitzung des Flughafenaufsichtsrates in Begleitung eines Anwaltes erschienen war, der das Gremium über seine Rechte und Pflichten belehren sollte, kann als schwerer Affront gelten.

Aus Sicht der Politik gibt Mehdorn den idealen Sündenbock ab: Die Öffentlichkeit hat sich regelmäßig über dessen oft nicht zielführende Ideen echauffiert. Weitgehend in den Hintergrund gerückt ist dabei das krasse Versagen der Politik. Kaum noch die Rede ist etwa davon, dass es Politiker waren, die den von Fachleuten bereits aussortieren Standortvorschlag Schönefeld wieder aus dem Papierkorb kramten und zum idealen Platz für das Milliardenprojekt kürten.

Ebenfalls kaum ein Thema ist der Verzicht auf Einbeziehung eines privaten Investors, der Verzicht auf einen Generalauftragnehmer oder die völlig unrealistische Kostenkalkulation, mit der die Politik für das Projekt um Zustimmung geworben hat. Schweigen liegt zudem über den allein bis Mai 2012 insgesamt 286 Änderungswünschen, mit denen die Gesellschafter laut Architekturbüro GMP den Bauablauf „regelrecht zerschossen“ haben.

Vor diesem Hintergrund kann die überraschende Berufung des umstrittenen Hartmut Mehdorn im vergangenen Jahr durchaus als das passende i-Tüpfelchen in einer Kette des Versagens und Vertuschens gesehen werden. Etwaige Hoffnungen der verantwortlichen Politiker, mit einer vorzeitigen Ablösung Mehdorns der Öffentlichkeit einen vermeintlichen Alleinschuldigen präsentieren zu können, dürften sich allerdings als verfrüht erweisen.

So hat das Berliner Landgericht dem 2013 geschassten Chef der Flughafengesellschaft Rainer Schwarz inzwischen eine Gehaltszahlung über eine Million Euro zuerkannt. „Es besteht kein wichtiger Kündigungsgrund“, so das Gericht. Als Begründung angeführt wird, das Schwarz den Aufsichtsrat ab Februar 2012 sehr wohl darüber informiert habe, dass der Flughafen zumindest nicht mit dem regulären Brandschutzkonzept in Betrieb gehen könne.

Indirekt läuft dies darauf hinaus, dass Klaus Wowereit und auch die anderen Mitglieder des Aufsichtsrats sehr wohl rechtzeitig über die Zustände auf der Baustelle Bescheid wussten. Damit stellt sich schon beim Rauswurf des Mehdorn-Vorgängers Schwarz die Frage, ob schon dieser nur ein Sündenbock war, den Wowereit, Platzeck und Co. geopfert haben, um von der eigenen Verantwortung abzulenken.

Mit dem vorzeitigen Abschied Mehdorns droht dem Skandal-Projekt indes weiterer Stillstand. „Wenn jetzt auch noch der Kopf abgeschlagen wird, dann haben wir mindestens ein halbes Jahr lang eine führungs- und strategielose Flughafengesellschaft“, warnt der Vorsitzende des Berliner BER-Untersuchungsausschusses Martin Delius (Piratenpartei) kurz vor dem Mehdorn-Abgang.

Absturzgefahr droht allerdings zunehmend auch in finanzieller Hinsicht. Dass der Flughafen bis zum nun anvisierten Eröffnungstermin im Jahr 2017 weitere drei Jahre stillliegen wird, zieht ein zusätzliches „Wartegeld“ von einer Milliarde Euro nach sich, so der brandenburgische CDU-Fraktionsvorsitzende Ingo Senftleben. Laut einem Bericht des „Tagesspiegel“ drohen Haushaltspolitiker der rot-schwarzen Koalition im Berliner Abgeordnetenhaus aber schon jetzt ganz offen mit einem Zahlungsstopp beim BER. Entzündet hat sich der Unmut der Abgeordneten an der Praxis der Senatsfinanzverwaltung, freihändig Zahlungen an den Flughafen zu leisten, wenn die entsprechenden Anträge als „bedarfsgerecht“ eingestuft werden. Aus Sicht des SPD-Fraktionsgeschäftsführers Torsten Schneider kämen dabei aber keine objektiven Auszahlungskriterien zur Anwendung, da die Finanzverwaltung wegen inzwischen aufgekommener Insolvenzgerüchte beim BER einknicke. Norman Hanert


Aufschwung im Ku’damm-Kiez
von Vera Lengsfeld

Die Berliner Luxusmeile gehört zu den berühmtesten Boulevards der Welt. Besonders in der Weimarer Zeit war die 3,5 Kilometer lange Straße die Bummelmeile Nummer 1 in Deutschland. Zwischen Breitscheidplatz und Halensee reihen sich Geschäfte, Restaurants, Kaufhäuser, Theater, Kabaretts und Cafés wie auf einer Perlenschnur aneinander.

Niemand sieht der Prachtstraße mehr an, dass sie ihr Dasein als Reitweg für die Kurfürsten begann. Für Touristen war der Kurfürstendamm, der übrigens auf Wunsch Otto von Bismarcks zur Nobelmeile ausgebaut wurde, stets die erste Adresse. Einmal den Ku'damm rauf und runter, war der Traum eines jeden Ostberliners. Nach dem Mauerfall war dementsprechend die Trabbi-Dichte hier am höchsten.

Aber bald danach begann der zeitweilige Abstieg. Im Ostteil der Stadt entwickelten sich die intakten Gründerzeitquartiere des Prenzlauer Bergs, später Friedrichshains zu Besuchermagneten, vor allem für junge Leute. Über dem Bauboom im Osten geriet der Westen ins Hintertreffen.

Nach 20 Jahren Einheit sah es um den Ku’damm herum ziemlich traurig aus. Die Einkünfte der Geschäfte und der Restaurants gingen zurück, so sehr, dass die besorgten Eigentümer, Pächter und Bewohner eine Initiative zur Rettung der City West gründeten. Fünf Jahre später ist das Resultat der Revitalisierungsbemühungen überwältigend. Nicht nur erstrahlt der Boulevard im alten Glanz, er hat auch Zulauf wie in seinen Hochzeiten.

Dazu trägt erheblich bei, dass manche hässlichen Lückenfüller aus den 50er und 60er Jahren durch attraktive Neubauten ersetzt wurden. Das berühmte Kranzler-Eck ziert heute ein Glaspalast des Architekten Helmut Jahn. Eine Ladenpassage verbindet heute den Ku’damm mit der Kantstraße. Am Ku’damm-Eck haben Gerkan und Partner ein halbrundes zehngeschossiges Hotel gebaut.

Mein persönlicher Favorit ist das Bikini- Haus. Der Name des Geschäfts- und Bürogebäudes an der Budapester Straße stammt aus der Entstehungszeit des Hauses, als das mittlere Geschoss noch als offener Laubengang konzipiert war, was ihm – wie bei einem Bikini – eine zweiteilige Struktur gab.

Später wurde das Zwischengeschoss geschlossen und in eine Kunsthalle umgewandelt. Nach dem jüngsten Umbau ist es wieder offen, und die Dachterrassen wurden erweitert. Im Winter gibt es hier eine vielbesuchte Eisbahn. Nach dem Schlittschuhlaufen kann man mit oder ohne Glühwein einen wunderschönen Ausblick auf den Zoo genießen, in den frisch restaurierten Zoopalast ins Kino gehen oder dem Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche einen Besuch abstatten.

Schöner kann ein Berlin-Abend nicht sein.


Linke unterwandern Fans
Extremistisches Milieu im Umfeld von Fußballklubs wächst

Das frühere Zentralorgan der SED „Neues Deutschland“ hat sich über den Versuch des Verfassungsschutzes beschwert, unter der Anhängerschaft des SV Babelsberg 03 V-Leute anzuwerben. Babelsberg ist ein Ortsteil von Potsdam, in dem sich die Reichen der Region niedergelassen haben. Kein Mensch würde den Ort mit linksextremer Gewalt in Verbindung bringen, aber alle 14 Tage herrscht dort Bürgerkriegsstimmung, wenn der in der Regionalliga Nord-Ost (4. Liga) spielende SV Babelsberg seine Heimspiele austrägt. Die Anhängerschaft des Vereins ist Teil einer gut organisierten linksextremen „Fanszene“, die, wie in Hamburg beim FC St. Pauli, häufig deckungsgleich mit der Antifa ist.

Schon zu Beginn der 90er Jahre war die Potsdamer Hausbesetzerszene auf der Suche nach einem Zeitvertreib in Babelsberg fündig geworden, dessen Stadionanlage noch aus DDR-Zeiten sinnigerweise nach dem kommunistischen Bürgerkriegsaktivisten der Novemberrevolution Karl Liebknecht benannt ist.

Der brandenburgische Verfassungsschutz berichtet, dass am 4. Mai 2013 die Mitarbeiterin eines Ordnungsdienstes als „Nazibraut“ beschimpft und geschlagen wurde. Als die Frau versuchte, mit ihrem Auto zu flüchten, umringten 50 Babelsberger „Fußballfans“ den Wagen mit dem Ruf „Da sind die Nazischweine“ und beschädigten ihn mit Fußtritten.

Anscheinend ist nach dem Babelsberger Weltbild die ganze Welt voller „Nazis“ – sogar die eigene Anhängerschaft. So berichtete die linke Tageszeitung „taz“ im Jahre 2011, dass die Fanszene über das Thema Ausgrenzung streite: „Es geht darum, wie duldsam und offen man gegenüber interessierten Neulingen sein sollte, deren Verhalten nicht gleich den Erwartungen der Gruppe entspricht.“ „Nazis“ werden naheliegenderweise auch bei den konkurrierenden Fußballvereinen ausgemacht, die zum Traditionsbestand des früheren DDR-Fußballs gehören wie der 1. FC Lokomotive Leipzig.

Babelsberg ist kein Einzelfall. Fans des mittlerweile in der 7. Liga spielenden früheren Bundesligisten Tennis Borussia Berlin und das Umfeld des 1999 gegründeten Vereins Roter Stern Leipzig sind gleichfalls dem linksextremen Milieu zuzurechnen. Ein wütender Tennis-Borussia-Fan verabschiedete sich: „Ich stelle mich nicht hinter Antifa-Fahnen und verkaufe auch keine Stadionhefte ... wo RAF’ler als ,kämpfende RAF-Genossen‘ gelobt werden.“ Hans Lody


Giftige Erde im Tierpark
Toxischer Sand sollte in Gehegen und auf Wegen verstreut werden

Weit größere Ausmaße als bisher angenommen hat der Skandal um die illegale Entsorgung von kontaminierter Erde im Tierpark Berlin-Friedrichsfelde. Wurde bisher angenommen, dass auf dem Gelände 30000 Tonnen schwermetallbelasteter Erde aufgeschüttet worden sind, so geht Berlins Umwelt-Staatssekretär Christian Gaebler (SPD) inzwischen von mindestens 90000 Tonnen aus.

Die Kosten für die Entsorgung werden inzwischen auf bis zu 2,4 Millionen Euro geschätzt. Große Mengen des Erdaushubs stammen offenbar von einem Lager an der Heidestraße und waren auch mit Wissen der Behörden in den Tierpark verbracht worden.

Allerdings gingen diese von viel geringeren Mengen aus – „und davon, dass der Sand, wie Untersuchungen vor Ort ergeben hatten, lediglich sehr gering kontaminiert war“, so Gaebler. Noch zur Amtszeit des früheren Tierpark-Chefs Bernhard Blaszkiewitz war geplant worden, die Erde in den Tiergehegen auszustreuen, sowie zur Anlage neuer Wege zu verwenden. Wie Untersuchungen inzwischen ergeben haben, geht von dem Sand zwar keine unmittelbare Gefahr für Mensch, Tier oder Grundwasser aus. Allerdings kann das Material auch nicht wie geplant einfach in Gehegen und auf Gehwegen ausgestreut werden, da Regen die Schadstoffe auswaschen könnte.

Nach jetzigem Erkenntnisstand ist man beim Tierpark offenbar von einer falschen Verwendbarkeit der angelieferten Erde ausgegangen. Abzuwarten bleibt, was die inzwischen eingeleiteten Ermittlungen gegen Blaszkiewitz ergeben werden, dem die Staatsanwaltschaft illegale Abfallentsorgung und das unerlaubte Betreiben einer Anlage vorwirft.

Blaszkiewitz Amtsnachfolger Andreas Knieriem, der erst am 1. April dieses Jahres seinen Dienst angetreten hat, hofft, dass es gelingt, die Verursacher zur Rechenschaft zu ziehen, um dem Tierpark finanzielle Belastungen zu ersparen. Nach Angaben des neuen Tierpark-Direktors ist zwischen September und November 2013 dem Tierpark von einer Charlottenburger Baufirma Bodenmaterial angetragen worden. Das Unternehmen habe den Mitarbeitern damals bestätigt, dass der Sand unbedenklich sei. Wie inzwischen festgestellt wurde, ist allerdings deutlich mehr Sand als vereinbart angeliefert worden, zudem darf der verunreinigte Sand auch nicht verbaut werden, sondern er muss kostenpflichtig entsorgt werden. N.H.


S. 4 Hintergrund: Deutsche Innovationen

Forschung aus Deutschland
Wie Reallabore zukunftsweisende Entwicklungen fördern

Im globalen Wettbewerb um Spitzenleistungen nehmen Wissenschaftler aus Deutschland mit ihren Projekten auf vielen Gebieten führende Plätze ein. Für diesen guten Ruf sorgen etwa Entwicklungen aus der Informationstechnik, der „zeitgemäßen Mobilität“, der Optik oder der biologischen Forschung.

Das Land Baden-Württemberg will den Wandel zu einer umweltgerechten, aber trotzdem technologischen Gesellschaft, die alle Handelnden besser als bisher einbindet, vorantreiben. Hierzu fördert das Land ab Januar 2015 sieben sogenannte Reallabore an verschiedenen Hochschulstandorten.

In diesen Reallaboren sollen zukunftsweisende Lösungen für Mobilität in der Stadt, ökologisch vertretbares Wirtschaften und neue Formen der Teilhabe an Entscheidungsprozessen entwickelt werden. Menschen sind nicht mehr nur Informationsquellen, sondern Individuen, mit denen die Wissenschaftler gemeinsam nach neuen Erkenntnissen suchen. „Lösungen für wichtige Zukunftsfragen kann die Wissenschaft heute nur noch zusammen mit der Gesellschaft erarbeiten“, sagt Theresia Bauer, die Forschungsministerin Baden-Württembergs, „mit den Reallaboren ermöglichen wir hierfür eine neue, innovative Form des Wissenstransfers.“

Das Reallabor an der Universität Stuttgart oder „Future City Lab Stuttgart“ macht die gesamte Stadt zum Labor. Es ist eines von dreien alleine in Stuttgart. Beteiligt sind Institute der Universität, so das Internationale Zentrum für Kultur- und Technikforschung und das Zentrum für Risiko- und Innovationsforschung sowie das Städtebau-Institut und andere Einrichtungen. Hinzu kommen außeruniversitäre Partner: die Stadt Stuttgart, der Verband Region Stuttgart, Bürger- und Studenten-Initiativen sowie Institutionen aus Kultur und Bildung. „Wir stellen in unserem Reallabor die Mobilitätskultur und damit den Menschen und seine Motivation, sein Denken, seine Möglichkeiten, seine Ideen zur Beweglichkeit im Raum in den Fokus der Betrachtung“, sagt die Professorin Antje Stokman, Leiterin des Instituts für Landschaftsplanung und Ökologie, „so werden Akteure der Zivilgesellschaft als Mitforscher in den Prozess des Wissenserwerbs, der Generierung von Forschungsdaten und Entwicklung von Szenarien und Pilotprojekten eingebunden.“

Das „Future City Lab“ will auf verschiedenen Wegen die Menschen ermutigen, über ihr Mobilitätsverhalten nachzudenken und darüber ins Gespräch zu kommen, sowie dazu, neue Formen der Mobilität auszuprobieren. Dazu sollen gemeinsame Projekte, die Vernetzung über Internet-Plattformen, aber auch Vorträge und Diskussionsveranstaltungen beitragen.

Ein anderes Reallabor ist in Karlsruhe am Karlsruhe Institute of Technology (KIT) angesiedelt. Das „Reallabor 131 – KIT findet Stadt“ will Themen wie lebenswerte Mobilität, Kreislaufwirtschaft, Gesundheit oder demografische Entwicklungen zusammen mit anderen Forschungseinrichtungen, aber auch den Bürgern in der Karlsruher Oststadt untersuchen. Im Fokus stehen dabei Projekte zur Quartiersentwicklung. Sie können beispielsweise im Rahmen des „BürgerForums Nachhaltige Oststadt“ formuliert werden.

Weitere Reallabore sind an der Universität Heidelberg, in Freiburg und Reutlingen angesiedelt. Das Reallabor Nordschwarzwald, das von den Universitäten Freiburg und Rottenberg betreut wird, untersucht den Nationalpark Schwarzwald. Insgesamt hat das Land Baden-Württemberg sieben Millionen Euro für einen Zeit­raum von drei Jahren bereitgestellt. Friedrich List


Sofia ist zurück
Die modernisierte deutsch-amerikanische Sternwarte fliegt wieder

Ein blauer Sommerhimmel und eine sternenklare Nacht haben eines gemeinsam – sie sind voller Dampf. Er kommt in der Wetterzone, also bis in etwa zwölf Kilometer Höhe vor. Er verschluckt einen großen Teil der Infrarotstrahlung aus dem All. Damit können Astronomen einen wichtigen Bereich des elektromagnetischen Spektrums von der Erde aus nicht nutzen. Dafür benötigen sie entweder ein Weltraumteleskop – oder ein hochfliegendes Flugzeug.

Sofia, das einzige Flugzeug dieser Art, betreiben das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die US-amerikanische Raumfahrtbehörde Nasa. Die Buchstaben stehen für Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie. Sofia untersucht Sterne und ihre Entstehung, andere Galaxien sowie Planeten anderer Sterne. Kernstück ist ein in Deutschland von Kayser-Threde und MT Mechatronics (früher MAN Technologie) gebautes Infrarot-Teleskop mit einem 2,7 Meter durchmessenden Hauptspiegel. Was das Teleskop sieht, wird über Datenleitung in spezielle Instrumente zum Empfang der verschiedenen IR-Frequenzen in der Druckkabine übertragen und dort von Astronomen ausgewertet. Das Teleskop ist weltweit das einzige seiner Art.

Das Flugzeug selbst ist eine Boeing 747SP, eine verkürzte „Special Performance“-Version des „Jumbo-Jets“. Die 747SP kann weiter und höher fliegen als andere große Jets. Die 45 gebauten Maschinen wurden überwiegend auf transozeanischen Strecken im Pazifik eingesetzt. Die Nasa erwarb eine SP und bereitete sie für die Aufnahme des Teleskops vor. Sofia flog erstmals im April 2007 und ist seit Ende 2010 im kalifornischen Palmdale stationiert.

Im Juni 2014 beobachtete ein DLR-Team um die Astronomin Claudia Dreyer erstmals das Vorbeiziehen eines fernen Planeten vor seinem Stern. Die fremde Welt ist 6,5-mal so schwer wie die Erde und kreist in 40 Lichtjahren Entfernung von der Erde um seinen Stern. Die genauere Auswertung soll nun zeigen, ob es sich um einen Gesteinsplaneten oder aber um einen Gasplaneten wie etwa Jupiter oder Neptun handelt.

Dieses Jahr stand eine Grundüberholung der Sternwarte an. Der „Jumbo“ musste zum vorgeschriebenen „D-Check“. Seit Juli stand Sofia daher bei Lufthansa Technik in Hamburg, Anfang November waren die Arbeiten beendet. Nun ist die 747 in vielen Bereichen wie neu. „Wir haben eine neue Kabine installiert“, sagt Walter Heerdt, der bei Lufthansa Technik für die VIP-Fliegerei und maßangefertigte Firmenflugzeuge zuständig ist, „die Flugzeugstruktur wurde überholt und ein neues Fahrwerk eingebaut.“ Außerdem ersetzte man zwei Triebwerke und überholte auch die Triebwerksgondeln samt Aufhängungen. Auch das Teleskop und die mit ihm verbundenen Instrumente wurden gewartet und modernisiert.

Sofia startete Ende November zum Flug zurück über den großen Teich nach Palmdale in Kalifornien. Die Sternwarte wird ab Mai 2015 wieder zu Beobachtungsflügen aufsteigen. Forscher in den USA und in Europa hoffen, dass sie Sofia noch einige Jahrzehnte nutzen können. F.L.


Wirkstoff gegen HIV in Braunalgen

Der Bremer Meeresökologe Christian Wild vom Leibnitz-Zentrum für Marine Tropenökologie an der Universität Bremen hat zusammen mit Kollegen anderer Institute einen möglichen Wirkstoff gegen das HI-Virus entdeckt. Die Forscher ließen Extrakte aus der im Roten Meer und anderen tropischen Regionen heimischen Braunalge Lobophora auf menschliche Zellkulturen einwirken. Das Ergebnis ließ Wissenschaftler aufmerksam werden. Denn die HI-Viren konnten nicht mehr in die Wirtszellen eindringen, um sich zu vermehren.

Das HI-Virus vermehrt sich, indem es Zellen des Immunsystems kapert und dazu bringt, Kopien von sich herzustellen, anstatt Infektionen im Körper zu bekämpfen. Am Ende versagt das Immunsystem, und HIV-Patienten sterben an eigentlich heilbaren Krankheiten, beispielsweise an einer Lungenentzündung. Ohne Wirtszellen können sich Viren aber nicht fortpflanzen; was immer also das Eindringen von Viren aufhält, hält auch die Vireninfektion auf.

Die Wissenschaft fahndet schon lange nach neuen, heilenden Wirkstoffen in der Natur. „Braun- und Rotalgen besitzen ein ganzes Arsenal an unbekannten Molekülen, die im Verdacht stehen, Krankheiten wie Krebs und Hepatitis zu bekämpfen“, sagt Christian Wild.

Wild und seine Kollegen suchen nun nach genau den Molekülen in der Braunalge, welche die Virenhemmung bewirken. Sobald sie deren Zusammensetzung kennen, können sie daraus ein neues Medikament entwickeln. Neben Wild gehören auch Stephan Kremb und Christian Volstra von der saudischen Universität KAUST sowie Ruth Brack-Werner vom Institut für Virologie des Münchner Helmholtz-Zentrums zur Mannschaft. F.L.


Zeitzeugen

Alfred Krabbe – Der Leiter des deutschen Sofia-Instituts an der Universität Stuttgart gilt als Vater der deutschen Infrarot-Astronomie. Er ist seit 2009 Professor an der Universität Stuttgart und arbeitet bereits seit 1997 in verschiedenen Funktionen an der fliegenden Sternwarte mit. Bevor er nach Stuttgart kam, lehrte er an der Universität Köln und am Space Science Institute an der Universität Berkeley in Kalifornien.

Stephan Kremb – Kremb forscht am Red Sea Resarch Center der saudischen König-Abdullah-Universität für Wissenschaft und Technologie (KAUST). Er ist der Erstautor der Braunalgen-Studie, die in Zusammenarbeit mit Christian Wild entstand. Kremb sucht nach bisher unbekannten bioaktiven Molekülen etwa in wirbellosen Tieren oder Pflanzen. Außerdem arbeitet er an Nachweisen für Dengue- und HI-Viren.

Christian Wild – Der Bremer Wissenschaftler beschäftigt sich mit dem Leben in und um Korallenriffe in tropischen Meeren. Wild gehört zur Abteilung Ökologie des Bremer Leibniz-Zentrums für Marine Tropenökologie (ZMT). Der Professor lehrt an der Universität Bremen. Bis 2013 war er Leiter der ZMT-Abteilung für Marine Tropenökologie. Bis Herbst 2010 leitete er eine Forschungsgruppe zur Korallenriff-Ökologie an der Uni München.

Claudia Dreyer – Sie ist Projektleiterin am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Dahlem. Dreyer und ihr Team beobachteten im Sommer 2014 von Sofia aus das Vorbeiziehen eines fremden Planeten an seiner Sonne. Der Planet veränderte das Licht des Sterns, was Rückschlüsse auf die Lufthülle der fremden Welt erlaubt. Dreyers Team will nun klären, ob es sich um eine Wasserwelt oder einen kleinen Gasplaneten handelt.

Antje Stokman – Die Diplom-Ingenieurin leitet das Institut für Landschaftsplanung und Ökologie an der Universität Stuttgart. Die Professorin wurde 2011 mit dem Topos Landscape Award ausgezeichnet. Seit 2005 gehört sie dem Studio Urbane Landschaften an, einem transdisziplinären Netzwerk für Forschung, Lehre und Praxis. Die Mitglieder kommen aus Bereichen wie Landschaftsarchitektur Stadtplanung, Biologie oder Wasserwirtschaft.


S. 5 Deutschland

Der Durchmarsch der Angela Merkel
Ein Löcken wider den Stachel gab es auf dem CDU-Parteitag nur beim Thema »Kalte Progression«

Bundeskanzlerin Angela Merkel bestimmt den Kurs der CDU uneingeschränkt. Dies liegt auch daran, dass sich kein potenzieller Nachfolger aus der Deckung wagt. Doch beim Thema „Kalte Progression“ musste die Parteichefin erstmals Zugeständnisse machen.

Der 27. Parteitag der CDU wird wohl nicht als einer in die Geschichte eingehen, der das Ende der Regentschaft von Angela Merkel als Vorsitzende und Bundeskanzlerin einläutete. Mehr als 96 Prozent der Delegierten bescherten ihr ein neuerliches Traumergebnis. Dennoch muckte die jüngere Garde auf und drängte die Partei zu einem arbeitnehmer- und wirtschaftsfreundlicheren Kurs. Es war Jens Spahn, Jahrgang 1980, eigentlich ein Gesundheitspolitiker, der mit dem Kampfbegriff der „Kalten Progression“ in die Auseinandersetzung vor dem Parteitag einstieg. Den Effekt, dass ein Arbeitnehmer bei einer Gehaltssteigerung in Höhe des Inflationsausgleichs in eine höhere Steuerklasse rutscht und unterm Strich weniger im Geldbeutel hat, wollen angeblich alle in der CDU abschaffen. Zumindest beschließt die Partei dies immer.

Umgesetzt hat sie es bisher nicht. Merkel, Finanzminister Wolfgang Schäuble und auch der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder hatten sich bis zuletzt gesträubt, diese Forderung des Mittelstands, der Sozialausschüsse und der Jungen Union zu übernehmen. Angesichts der Schuldenbremse sei kein Spielraum für solche „Geschenke“. Doch der Nordrhein-Westfale Spahn, Kandidat der Jungen Union für das Bundespräsidium, ließ nicht locker. Zudem häuften sich Forderungen aus vielen Parteigliederungen, die CDU müsse sich als wirtschaftsliberale Partei profilieren, um keine Wähler an die Alternative für Deutschland (AfD) zu verlieren. Am Ende kam es zu einem Kompromiss. Die Delegierten nahmen die Forderungen in den wirtschaftspolitischen Leitantrag auf, allerdings mit der Einschränkung, das Ziel eines ausgeglichenen Bundeshaushalts bis 2017 nicht zu gefährden.

Wie sehr das Thema den Delegierten unter den Nägeln brannte, lässt sich daran erkennen, dass Spahn schließlich in das Präsidium gewählt wurde. War der 34-Jährige einer der Gewinner der Zusammenkunft, so gab es auch einen Verlierer. Thüringens Fraktionschef Mike Möhring fiel bei der Wahl zum Bundesvorstand mit dem zweitschlechtesten Ergebnis durch. Ihm warfen die Delegierten offenbar einen zu freundlichen Kurs gegenüber der AfD vor. Mehrere Partei-Granden, allen voran Generalsekretär Peter Tauber, sollen im Vorfeld Stimmung gegen Möhring gemacht haben. Die Euro-kritische Konkurrenz war nur am Rande ein Thema. Lediglich ein unbekannter Delegierter aus Baden-Württemberg nahm den Namen AfD in den Mund. Doch Äußerungen wie die von Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der einerseits vor „rechten Rattenfängern“ warnte, andererseits aber ein härteres Vorgehen gegenüber Islamisten ankündigte, zeigen, dass die CDU auf der Suche nach ihrem Kurs ist.

Dass der Berliner Koalitionspartner SPD in Thüringen den „Linken“ Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten wählte, hat die Partei verunsichert. Das Erfurter Modell könnte zum Testlauf für den Bund werden. Zwar versichern alle Beteiligten, dass die Große Koalition stabil sei, doch spätestens 2017 werden die Karten neu gemischt. Nicht umsonst warnte Merkel in Köln davor, die „FDP abzuschreiben“, die „immer noch unser natürlicher Koalitionspartner ist“. Parallel dazu bereitet die Kanzlerin ein Bündnis mit den Grünen vor. Die Landesregierung in Hessen gilt als Prestigeprojekt. Generalsekretär Tauber soll die Partei dafür weiter „modernisieren“.

Im Konrad-Adenauer-Haus blickt man mit Sorge auf den Zustand der Landesverbände. In nur noch vier Bundesländern stellt die CDU den Ministerpräsidenten, an lediglich sieben von 16 Landesregierungen ist sie beteiligt. Durch die Marginalisierung der FDP ist die Partei auf neue Partner angewiesen. Tauber steht nun für den Generationswechsel in der Union. Mehr Mitglieder mit Immigrationshintergrund, mehr Frauen, mehr junge Menschen lautet das Ziel. Nur ein Viertel aller Parteimitglieder sind bislang Frauen und keine drei Prozent der Mitglieder sind jünger als 25 Jahre alt. „Der Wechsel von der Jungen Union zur Mutterpartei funktioniert schlecht, für junge Menschen mit Haupt- oder Realschulabschluss ist schon die Hürde zur JU meist zu hoch, in der Jungakademiker den Ton angeben“, sagte Tauber dem „Tagesspiegel“ und nennt ein weiteres Problem: Nur ein Drittel der Mitglieder sei über E-Mail erreichbar. So entstehe der Eindruck einer verstaubten Altherrenpartei, in „der es wenig Bereitschaft zum Mitmachen“ gebe.

Dass dies auch an der Allmachtsstellung von Kanzlerin Merkel liegen könnte, spricht niemand laut aus. General Tauber nennt sie „einen Glücksfall für Partei und Land“, aber Konservative fühlen sich zunehmend isoliert. Kritik am Euro-Rettungsschirm gilt als verpönt, Familienpolitik wird in der Union nicht diskutiert und in Sachen Einwanderung sucht man das rechte Maß zwischen „noch mehr“ und Islamkritik. Und Debatten um eine mögliche Nachfolge Merkels gelten als ungehörig. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen „wünscht sich Merkel noch viele Jahre“, Julia Klöckner aus Rheinland-Pfalz findet ihre „Aufgabe dort richtig spannend“ und Annegret Kramp-Karrenbauer beeilte sich zu versichern, „dass ich mich 2017 an der Saar zur Wiederwahl stelle.“

Peter Entinger


Wieder mehr Kinder
Allerdings besteht kein Grund zur Entwarnung

Die gute Nachricht zuerst: In Deutschland werden wieder mehr Kinder geboren. 2013 kamen nach Angaben des Statistischen Bundesamts (destatis) rund 8500 Säuglinge mehr zur Welt als im Jahr davor. 682069 Neugeborene erblickten im vergangenen Jahr das Licht der Welt. Die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau – und das ist die weniger gute Nachricht – hat sich dadurch jedoch kaum erhöht. 2013 bekamen Frauen im Mittel 1,41 Kinder. Schon in den 90er Jahren lag dieser Wert relativ konstant um 1,4 herum.

Dass die Geburtenzahlen und die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau relativ konstant sind, sei kein Grund zur Beruhigung, da die Geburtenziffer in Deutschland im internationalen Bereich zu gering sei. Der demographische Wandel lasse sich so nicht aufhalten. „In den kommenden Jahren wird die Zahl der Frauen zwischen 26 und 35 Jahren relativ stabil bleiben“, erklärte das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) in Wiesbaden gegenüber der „Stuttgarter Zeitung“. „Nach 2020 wird diese Altersgruppe jedoch voraussichtlich deutlich schrumpfen.“ Um die Geburtenzahl dann noch konstant zu halten, müssten die Mütter 1,6 statt 1,4 Kinder im Durchschnitt gebären.

Als positiv werten die Forscher, dass es offenbar immer noch eine große Anzahl von Frauen gibt, die mehr als ein Kind wollen. „Wenn das erste Kind geboren ist, steigt die Bereitschaft zum zweiten Kind spürbar an“, teilt das Statistische Bundesamt mit. Bei 49 Prozent der Neugeborenen des Jahres 2013 handelte es sich um Erstgeborene, bei 34 Prozent um Zweitgeborene, bei elf Prozent um Drittgeborene und bei fünf Prozent um ein viertes oder weiteres Kind.

Als Problem stellt sich in diesem Zusammenhang jedoch heraus, dass die Mütter in Deutschland immer älter werden. Das durchschnittliche Alter bei der Erstgeburt lag 2013 bei rund 29 Jahren, vor fünf Jahren waren die Frauen noch ein halbes Jahr jünger. „Die Geburten haben sich ins höhere Alter verschoben“, so Vera Kreuter vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung. Damit werde die Zeit knapp für das zweite oder gar dritte Kind. „Je länger man das absichtlich aufschiebt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es dann unabsichtlich nicht mehr klappt“, sagte sie der Nachrichten-agentur DPA.

Kreuters Ansicht nach könne die Politik mehr tun, um diesen Mangel zu beheben. „Es ist bewiesen, dass familienpolitische Leistungen einen Einfluss haben auf die Zahl der Geburten.“ Anhand von Studien lasse sich belegen, dass eine gute Betreuungssituation die Entscheidung für das erste Kind erleichtere: „Das Elterngeld begünstigt vor allem die Entscheidung für das zweite Kind.“

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Geburtenrate in Deutschland vor allem durch die Kinder in Familien mit Migrationshintergrund hochgehalten wird. Frauen mit Immigrationshintergrund bekommen nicht nur mehr, sondern auch früher Kinder. So sind ausländische Frauen mit Anfang 20 doppelt so häufig Mutter wie deutsche Frauen. Generell mache sich in der Gesellschaft der Trend zur Kinderlosigkeit breit. Von den heute 70-jährigen Frauen blieben nur zwölf Prozent kinderlos, 29 Prozent hatten drei oder mehr Kinder. Zwei Generationen später sieht dies anders aus. Von den heute 45-Jährigen haben 25 Prozent keine Kinder und nur 17 Prozent drei oder mehr. P.E..


Was Pegida wirklich will
Dokumentation: Das Positionspapier der Bürgerbewegung

Als „Schande für Deutschland“, „Rechtsextremisten“, „Fremdenhasser“ und „ekelhaft“ werden von Politikern und Medien Tausende diffamiert, die seit Oktober Montag für Montag in Dresden auf die Straße gehen und auf die verfehlte deutsche Einwanderungs- und Asylpolitik aufmerksam machen. Dass die meisten von ihnen aus der bürgerlichen Mitte kommen, politischen Radikalismus ablehnen und ihre Demonstrationen friedlich verlaufen, zählt nicht. Worum es den „Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) wirklich geht, haben sie in einem Positionspapier niedergeschrieben, das hier aus dokumentarischen Gründen im Wortlaut wiedergegeben wird:

1. Pegida ist für die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen und politisch oder religiös Verfolgten. Das ist Menschenpflicht.

2. Pegida ist für die Aufnahme des Rechtes auf und die Pflicht zur Integration ins Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (bis jetzt ist da nur ein Recht auf Asyl verankert).

3. Pegida ist für dezentrale Unterbringung der Kriegsflüchtlinge und Verfolgten, anstatt in teilweise menschenunwürdigen Heimen.

4. Pegida ist für einen gesamteuropäischen Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge und eine gerechte Verteilung auf die Schultern aller EU-Mitgliedsstaaten. (Zentrale Erfassungsbehörde für Flüchtlinge, welche dann ähnlich dem innerdeutschen, Königsteiner Schlüssel die Flüchtlinge auf die EU-Mitgliedsstaaten verteilt) und für dessen konsequente Umsetzung.

5. Pegida ist für eine Senkung des Betreuungsschlüssels für Asylsuchende (Anzahl Flüchtlinge je Sozialarbeiter/Betreuer – derzeit ca. 200:1, faktisch keine Betreuung der teils traumatisierten Menschen).

6. Pegida ist für ein Asylantragsverfahren in Anlehnung an das holländische bzw. Schweizer Modell und bis zur Einführung dessen, für eine Aufstockung der Mittel für das BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge), um die Verfahrensdauer der Antragstellung und Bearbeitung massiv zu kürzen und eine schnellere Integration zu ermöglichen.

7. Pegida ist für die Aufstockung der Mittel für die Polizei und gegen den Stellenabbau bei selbiger.

8. Pegida ist für die Ausschöpfung und Umsetzung der vorhandenen Gesetze zum Thema Asyl und Abschiebung.

9. Pegida ist für eine Null-Toleranz-Politik gegenüber straffällig gewordenen Asylbewerbern und Migranten.

10. Pegida ist für den Widerstand gegen eine frauenfeindliche, gewaltbetonte politische Ideologie aber nicht gegen hier lebende, sich integrierende Muslime.

11. Pegida ist für eine Zuwanderung nach dem Vorbild der Schweiz, Australiens, Kanadas oder Südafrikas.

12. Pegida ist für sexuelle Selbstbestimmung.

13. Pegida ist für die Erhaltung und den Schutz unserer christlich-jüdisch geprägten Abendlandkultur.

14. Pegida ist für die Einführung von Bürgerentscheidungen nach dem Vorbild der Schweiz.

15. Pegida ist gegen Waffenlieferungen an verfassungsfeindliche, verbotene Organisationen wie z.B. PKK.

16. Pegida ist gegen das Zulassen von Parallelgesellschaften/Parallelgerichten in unserer Mitte, wie Sharia-Gerichte, Sharia-Polizei, Friedensrichter usw.

17. Pegida ist gegen dieses wahnwitzige „Gender Mainstreaming“, auch oft „Genderisierung“ genannt, die nahezu schon zwanghafte, politisch korrekte Geschlechtsneutralisierung unserer Sprache.

18. Pegida ist gegen Radikalismus, egal ob religiös oder politisch motiviert.

19. Pegida ist gegen Hassprediger, egal welcher Religion zugehörig.


MELDUNGEN

Asylanten dürfen bleiben

Erfurt – Kaum im Amt, hat der erste Ministerpräsident der „Linken“, Bodo Ramelow, wie zuvor schon andere Landesregierungen eine ausländerrechtliche Entscheidung getroffen, über die sich abgelehnte Asylbewerber freuen können. „Während des Winters“ werden sie trotz der Ablehnung ihres Asylantrags nicht abgeschoben und belasten damit weiter die öffentlichen Haushalte in Deutschland. Ramelow meint, die Thüringer Verordnung sei ein Zeichen der Humanität gegenüber den Menschen, die ohne einen Abschiebestopp bei der Rück­kehr in ihre Herkunftsländer einer unerträglichen Situation ausgesetzt wären. Andere Bundesländer hingegen lehnen das sogenannte Wintermoratorium ab und wollen abgelehnte Asylbewerber konsequent abschieben.. H.L.

 

Bundespolizei einsatzbereit

Berlin – Vehement widerspricht die Bundesregierung Aussagen von Polizeigewerkschaftern und Presseberichten, die Bundespolizei sei wegen fehlender finanzieller Mittel nicht mehr in der Lage, ihre Fahrzeuge zu warten und zu betanken. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Linkspartei stellt sie fest, die Bundespolizei „war und ist nicht ‚zahlungsunfähig‘“. Außerdem sei sie „sowohl in materieller als auch in personeller Hinsicht für die gesetzliche Aufgabenerfüllung bedarfsgerecht ausgestattet“. Im Bestand der Bundespolizei sind derzeit 103 Krafträder, 1533 Pkw, 3373 Kraftwagen bis 3,5 Tonnen, 326 Lkw und 66 Busse. Von diesen 5401 Einsatz- und Streifenfahrzeugen sind laut Bundesregierung 5145 einsatzbereit. Außerdem verfügt die Bundespolizei über 20 Wasserwerfer, 16 Löschfahrzeuge, fünf Mastfahrzeuge und 58 „geschützte Sonderwagen“. J.H.


S. 6 Ausland

Wie der Vater so der Sohn
Die republikanischen Politiker Ron und Rand Paul fallen in Washington als Querdenker aus dem Rahmen

Nach Einschätzung des früheren US-amerikanischen Präsidentschaftskandidaten und Kongress­abgeordneten Ron Paul kommt eine hierzulande kaum beachtete Resolution des US-Repräsentantenhauses einer Kriegserklärung an Russland gleich.

Die Resolution 758 sei eines der „schlimmsten Werke von Gesetzgebung“, das jemals beschlossen worden sei, so der Republikaner Ron Paul. In dem Anfang Dezember mit nur zehn Gegenstimmen beschlossen Papier war die russische Ukraine-Politik auf das Schärfste verurteilt worden. Die Resolution enthält nicht nur eine Reihe von Vorwürfen gegen Wladimir Putin wie der Bruch internationaler Verträge oder die militärische Unterstützung der Separatisten, sondern auch eine Reihe von Forderungen an das Weiße Haus. So sollen nach Vorstellung des Repräsentantenhauses die Sanktionen gegen Russland nochmals verschärft werden sowie die Ukraine Waffen und Militärausbildung erhalten. Aus Sicht Pauls, der 2008 und 2012 als Präsidentschaftskandidat angetreten war, stellt die Resolution eine neue Eskalationsstufe dar, die sogar in einen dritten Weltkrieg münden könnte. In seiner Zeit als Kongressabgeordneter habe er festgestellt, dass diese Art von Resolutionen zwar als „harmlose“ Meinungsbekundungen dargestellt würden, oft aber zu Sanktionen und Krieg führen, so Paul. Mit Blick auf den „Iraq Liberation Act“ von 1998 führt der wohl prominenteste Querdenker unter den US-Republikanern an, er habe die Irak-Resolution damals nicht abgelehnt, weil er ein Bewunderer von Saddam Hussein gewesen sei, sondern weil er gewusst habe, dass ein erneuter Krieg gegen den Irak nicht die Probleme lösen, sondern die Dinge eher verschlechtern würde. „Wir wissen alle, was dann geschah.“, so der Republikaner.

Der Name Paul könnte in Zukunft noch in einem ganz anderen Zusammenhang für Schlagzeilen sorgen. Rand Paul, dem Sohn des Dissidenten Ron Paul, werden gute Chancen eingeräumt, im Jahr 2016 für die Republikaner ins Rennen um die US-Präsidentschaft zu gehen. Die „Washington Post“ meinte im Februar dieses Jahres gar, dass er von den Republikanern, die für eine Nominierung als Präsidentschaftskandidat in Frage kommen, die besten Chancen habe. Ähnlich wie die seines Vaters unterscheidet sich auch seine Sichtweise in vielen Fragen grundlegend von der vorherrschenden in der Republikanischen Partei. Deutlich wird inzwischen allerdings ein Bemühen Rand Pauls, durch ein pragmatisches konzessionsbereites Herangehen seine Basis zu verbreitern und eine größere politische Wirkung zu erzielen.

Trotz realpolitischer Zugeständnisse würde mit Rand Paul als US-Präsidenten ein völlig neuer Politikstil in Washington Einzug halten. Paul vertritt viele Positionen, die auch die konservative Tea-Party-Bewegung auf ihre Fahnen geschrieben hat. So ist der Senator von Kentucky Marktliberaler und Befürworter eines schlanken Staates. Wie sein Vater ist Rand Paul auch bekennender Anti-Interventionist und plädiert für Zurückhaltung der USA bei Militäreinsätzen im Ausland. Aufsehen erregte er mit einer 13-stündigen Rede vor dem US-Senat, in der er sich gegen Barack Obamas Einsatz von Drohnen über fremden Territorium aussprach.

Auch innenpolitisch könnte der Kontrast zu Republikanern wie dem Präsidentschaftskandidat Jeb Bush oder Demokraten wie dem Amtsinhaber Barck Obama kaum größer sein. Zusammen mit mehreren Hundertausend US-Bürgern ist Rand Paul an einer Sammelklage gegen die Abhörpraktiken des Geheimdienstes NSA beteiligt. Mehrheitsfähig unter den Republikanern ist wiederum Pauls Ablehnung von Obamacare, Obamas Krankenversicherungspolitik, von restriktiveren Waffengesetzen und von staatlicher „Antidiskriminierungspolitik“ sowie seine Forderung nach Steuersenkungen.

Doch selbst einmal angenommen, Rand Paul würde die nächste Präsidentenwahl gewinnen, bliebe die Frage, was ein solcher Querdenker Staats- und Regierungschef der USA tatsächlich von seinen Vorstellungen im Regierungsalltag umsetzen könnte. Mit Blick auf das, was Barack Obama zu Beginn seiner Amtszeit versprochen hat, ist mittlerweile Skepsis hinsichtlich der Gestaltungsmacht von Politikern angebracht – zumindest wenn man davon ausgeht, dass Obama das gewollt hat, was er versprochen hat. War Obama mit dem Versprechen gestartet, den Einfluss der Lobbyisten in Washington zurückzudrängen, so diagnostiziert der Journalist Mark Leibovich inzwischen das genaue Gegenteil. In seinem Buch „This Town“ beschreibt der beim „New York Times Magazine“ zu innenpolitischen Themen schreibende Leibovich akribisch, wie unter Obama der Lobbyismus zu bisher nicht gekannter Hochform aufgelaufen ist. Autonomes Regierungshandeln sei unter Obama allenfalls noch in Konturen zu erkennen. Stattdessen gäben nicht gewählte Akteure wie Wirtschaftslobbyisten und ein „rück-sichtslos-selbstbezogenes Medienkartell“ in Washington den Ton an, so Leibovich. Aus deutscher Sicht ist die Frage naheliegend, welche Auswirkungen die beschriebenen Zustände im Zentrum der westlichen Führungsmacht auf die übrige Welt und speziell auf die Beziehungen nach Europa haben.

Norman Hanert


Aufrüstung im Baltikum
Nato plant schnelle Eingreiftruppe – Russland entwickelt Raketen

Im Zuge der Ukrainekrise fühlen sich die drei baltischen Staaten Lettland, Litauen und Estland zunehmend von Russland bedroht und haben mehr Nato-Präsenz auf ihrem Territorium gefordert. Mehrfach hat Russland in jüngster Vergangenheit den estnischen Luftraum verletzt. In dem Baltenstaat wächst die Furcht, dass Putin – ähnlich wie in der Ukraine – russischstämmigen Bürgern, die in Estland etwa 30 Prozent ausmachen, „zu Hilfe eilen“ könnte. Dem hat die Nato bereits Rechnung getragen, indem die Bildung einer schnellen Eingreiftruppe, die unter anderem vom Deutsch-Niederländischen Korps in Münster gestellt werden und bis 2016 einsatzbereit sein soll, zugestimmt hat.

Russland kritisiert, dass mit Unterstützung der USA ein Luftraum-Überwachungszentrum und eine Radarstation eingerichtet wurden und unterstellt den USA ein geopolitisches Interesse an der Region, die Russland selbst als wichtige Einflusssphäre betrachtet. Der stellvertretender Außenminister Alexej Meschkow kritisierte die „Verlegung von atomwaffenfähigen Flugzeugen“ in die baltischen Staaten. Der Kreml spricht von Provokationen des Westens im Baltikum, die er mit neuen Manövern und Waffentests beantworten werde. Moskau will die Präsenz seiner Kriegsschiffe in internationalen Gewässern ausweiten. 2015 sollen großangelegte Manöver in Zentralrussland mit zehntausenden Soldaten stattfinden, wobei auch neue Waffen getestet werden sollen.

Berichte russischer Zeitungen deuten darauf hin, dass Russland mit Hochdruck daran arbeitet, dem Raketenschutzschild der Nato eigene moderne Systeme entgegenzusetzen. Die Militärausgaben wurden seit dem Wiederantritt Putins als Präsident drastisch erhöht, die Modernisierung der Armee läuft auf Hochtouren. Für die Entwicklung neuer Waffensysteme sucht er Partner. Einen hat er in Indien gefunden (siehe auch Seite 7). Der Chef-Konstrukteur des Rüstungskonzerns „Almaz Antej“, Pawel Sosinow, erklärte, dass  Russland an Antworten auf die beiden US-amerikanischen Raketenabwehrsysteme „Terminal High Altitude Area Defense“ (THAAD) und „Ground Sourced Midcourse Defense“ (GMD) suche. Die Umrüstung modernster Artillerie- und Raketensysteme mit spektakulären Eigenschaften schreite voran: Neue Kurzstreckenrakten in Zusammenhang mit der amerikanischen Raketenabwehr befänden sich der Testphase. Zum Gründungstag der russsichen Armee im November erhielt die Truppe modernisierte Panzerhaubitzen und Mehrfachraketenwerfer mit automatisierter Zielerfassung. Es sei wichtig, Ziele aus großer Distanz zu treffen. Eine Maßnahmen gegen den Aufbau einer globalen Raketenabwehr zu treffen sei die Entwicklung der Interkontinentalrakete RS-24 „Jars“ auf einer mobilen Abschussrampe. Diese könne auch mit nichtnuklearen Präszisions-Sprengköpfen ausgerüstet werden. Russische Rüstungsbetriebe wurden mit der Entwicklung neuer Flugzeuge beauftragt Das Militär erneuert seine Flugzeugflotte mit modernisierten Kampfjets des Typs Su-35S und MiG-35S, doch als wichtigstes Elemente der russischen Luft- und Weltraumverteidigung gelten das Luftabwehrsysstem S-400 und das Raketenabwehrsystem Panzyr-S.

Estland kauft derweil in Holland 44 gepanzerte Fahrzeuge „Combat Vehicle 90“ und sechs Panzer vom Typ Leopard.

Manuela Rosenthal-Kappi


Vielvölkerstaat Albanien
Das Land ist heterogener, als es Tirana darstellt

Groß-Albanien am Belgrader Himmel“ jubelten Mitte Ok­tober Zeitungen in Tirana und Prishtina. Während des Qualifikationsspiels für die Fußball-Europameisterschaft zwischen Serbien und Albanien war ein Kleinflugzeug mit der Flagge Groß-Albaniens ins Stadion geschwebt, was eine Massenprügelei und den Abbruch des Spiels zur Folge hatte. Serben lieben den albanischen Imperialismus nicht. Erst im späten 18. Jahrhundert wurden Albaner von den Osmanen auf dem Westbalkan angesiedelt. Seither und besonders derzeit gerieren sie sich als „ältestes Volk Europas“, das seinen „ethnisch reinen Großstaat“ haben müsse. Unter Albanern kursieren Karten von „Shqipëria e Madhe“ (Groß-Albanien), wie sie vom Flugzeug über Belgrads Stadion flatterten: Albanien plus „historische albanische Regionen“ – Malizi (Montenegro), Kosova, Ostkosova (Südserbien), Ilirida (Makedonien), Cameria (Nordepirus), dazu Teile Süditaliens.

Auch wildeste albanische Chauvinisten wissen, dass ein Groß-Albanien nur mit Krieg zu erlangen ist, und das wagen sie nicht. Eine ethnisch reine Nation ist mit manipulierten Statistiken leicht auszuweisen, und darin sind Albaner seit Jahrzehnten Meister. Sie bestreiten nicht die Existenz ethnischer Minderheiten wie Griechen, Makedonen, Serben, Montenegriner, Aromunen oder Roma ab, wohl aber deren Bedeutung, zumal deren Anteil durch albanischen Zuwachs laufend zurückgehe. So sei die Bevölkerung von 803000 im Jahre 1923 über 1,1 Millionen 1945 auf 2,1 Millionen im Jahre 1971 gewachsen. 1955 seien 92 Prozent der Einwohner Albaner gewesen, 1961 95, die 2,4 Prozent Griechen und 0,9 Prozent Makedonen würden bald „inexistente Minderheiten“ sein.

So tönte der stalinistische Diktator Enver Hoxha, was man in Athen, Belgrad und Skopje nicht ernst nahm: 1928 wies die erste Volkszählung acht Prozent Nicht-Albaner aus, 1951 waren es 20 Prozent, fehlende Nicht-Albaner wurden nicht zu Unrecht in sechs Konzentrationslagern und 14 Verbannungsgebieten für Minderheiten vermutet. Tiranas offizielle Angaben waren Unsinn. 1989 soll es in Albanien 100 Serben und Montenegriner gegeben haben, nach Angaben von deren Sprechern waren es mindestens 30000. Angeblich 28000 Griechen waren tatsächlich 400000, die 4000 Makedonen 60000 und ähnliche Entlarvungen mehr.

Seit 1989 sind serbische Namen auf -ic verboten, wer sie dennoch will, muss 1000 Euro zahlen. Serbische Schulen, Kirchen, Geistliche gibt es nicht, Gesetze für Minderheitenschutz auch nicht. Besser geht es den über 400000 Griechen und den 180000 Makedonen, die man gegen die 500000 Albaner in Makedonien „aufrechnet“. Als in Albanien offiziell 4000 Makedonen gezählt wurden, waren die anders als beispielsweise in Bulgarien wenigstens als solche anerkannt, besaßen Grundschulen mit makedonischen Schulbüchern. Heute tragen ihre alten Regionen in Mala Prespa wieder makedonische Namen, was das Zusammenleben erleichtert – sagt zufrieden Minderheiten-Sprecher Edmund Temelko. W.O.


MELDUNGEN

Mehr US-Hilfe für die Ukraine

Washington – Der US-Kongress hat ein Gesetz zu Waffenlieferungen an die Ukraine und neuen Sanktionen gegen Russland verabschiedet. Der einstimmig beschlossene „Ukraine Freedom Support Act“ macht den Weg zur Lieferung sogenannter tödlicher Militärausrüstung für den Kampf gegen die pro-russischen Rebellen in der Ostukraine frei. US-Präsident Barack Obama, der bisher lediglich die Lieferung nicht-tödlichen Materials genehmigt hat, erhält dadurch weiteren Spielraum. Außerdem kann die US-Regierung nun weitere Sanktionen gegen Russland beschließen. Abgeordnete des ukrainischen Parlaments begrüßen das Gesetz als „historische Entscheidung“. U.M.

 

Neue Partei in Polen

Warschau – Das nationalistische Wahlbündnis Ruch Narodowy (RN, deutsch: Nationale Bewegung) wird in eine politische Partei umgewandelt. Nach Angaben von RN-Funktionären im sozialen Netzwerk Facebook wird die neue Partei vor allem von Mitgliedern der Organisation „Allpolnische Jugend“ (MW), des National-Radikalen Lagers (ONR) und der Union für Realpolitik (UPR) getragen. Zum Vorsitzenden wurde Robert Winnicki von der MW gewählt. Die antiliberale und antipluralistische Partei propagiert einen einheitlichen, nationalen und rein katholischen Staat und fordert unter anderem die staatliche Kontrolle der wichtigsten Wirtschaftssektoren wie Energie, Banken, Versicherungen, Bergbau und Rüstungsindustrie sowie der Bildung und des Gesundheitswesens. Bei der letzten EU-Wahl erzielte die Nationale Bewegung mit einer eigenen Liste 1,5 Prozent und 1,57 Prozent bei den jüngsten Regionalwahlen. J.H.


S. 7 Wirtschaft

Nur ein Tropfen auf dem heißen Stein
Die Entwicklungshilfe macht nur ein Zehntel der illegalen Geldabflüsse aus der »Dritten Welt« aus

Angesichts der nicht abreißenden Flut von Asylbewerbern, die nach Europa drängt, ist die Frage naheliegend, wie erfolgreich eigentlich die bisher geleistete Entwick- lungshilfe war.

Europa ist nicht nur zum globalen Hauptziel von Zuwanderung geworden, die EU ist weltweit auch der größte Geldgeber, wenn es um Entwicklungshilfe geht. Rund die Hälfte der entsprechenden Zahlungen stammt entweder von der EU direkt oder ihren Mitgliedsstaaten. Allein dem deutschen Bundesentwicklungsministerium stehen in diesem Jahr rund 6,4 Milliarden Euro zur Verfügung. Aktuell ist es das südostasiatische Land Myanmar, das sich auf einen wahren Geldsegen von den Europäern freuen darf. Wie vor Kurzem in Brüssel mitgeteilt wurde, will die Europäische Union den Reformprozess in Myanmar mit fast 700 Millionen Euro an Entwicklungsgeldern bis zum Jahr 2020 unterstützen. Die Gelder sollen dem Land helfen, seine „zahlreichen Übergangsphasen“ zu bewältigen, so die Darstellung der EU-Kommission. Zumindest in Brüssel scheint in Sachen Entwicklungshilfe immer noch das Prinzip „Viel hilft viel“ zu gelten. Bereits im Jahr 2005 haben sich die EU-Staaten in einem verbindlichen Zeitplan darauf geeinigt, dass bis 2015 jedes Land 0,7 Prozent seines Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe ausgibt.

Nicht nur der massive Zuwanderungsdruck aus Nordafrika lässt Zweifel aufkommen, dass die massiven finanziellen Anstrengungen der EU bei der Entwicklungshilfe wirklich effektiv sind. Zweifel an der herkömmlichen Entwick­lungshilfepolitik sind nicht neu. Bereits zu Anfang der 80er Jahre erregte der Nobelpreisträger und Wirtschaftswissenschaften Gunnar Myrdal Aufsehen, als er diagnostizierte, die herkömmliche Hilfspolitik alimentiere nur korrupte Staatseliten, beseitige aber nicht die Armut. Tatsächlich scheinen das Resultat der Milliardenbeträge die von Nord nach Süd fließen, allzu oft nur Bittsteller-Mentalität, Korruption und Vorzeigeprojekte zu sein.

Auf einen bislang kaum beachteten Aspekt der Unterentwick­lung, hat unlängst Bjørn Lomborg von der Copenhagen Business School aufmerksam gemacht. Während in der öffentlichen Wahrnehmung der Begriff „Dritte Welt“ automatisch mit Armut in Verbindung gebracht wird, sieht die Realität doch etwas differenzierter aus. So fließt aus den Entwicklungsländern auf illegalen Wegen jedes Jahr eine gigantische Menge Geld ab. Nach Schätzungen des Instituts für globale finanzielle Integrität (GFI) sind allein 2011 durch illegale Zahlungen aus den Entwicklungsländern eine Billion US-Dollar in Richtung Industriestaaten geflossen. Allein für Indien und das Jahr 2011 belaufen sich die Schätzungen für das auf diesem Weg verloren gegangene Kapital auf etwa 85 Milliarden Dollar. Aufmerksam geworden ist man auf das Phänomen im Zuge von Untersuchungen zu der Frage, auf welchen Gebieten der Entwicklungshilfe sich bis zum Jahr 2030 am meisten bewirken lässt. Die Befragung von 62 Arbeitsgruppen hochrangiger Ökonomen durch das Copenhagen Consensus Center förderte nicht nur altbekannte Aufgaben wie die Verbesserung des Gesundheitswesens oder bessere Bildungsmöglichkeiten zutage. Vielmehr nannten die um Rat befragten Experten auch die Forderung nach Eindämmung illegaler Finanzströme. Aus Sicht des Wirtschaftswissenschaftlers Alex Cobham müsste das Unterbinden solcher Geldtransfers sogar mit an erster Stelle der Aufgaben stehen.

Die Ursachen für diese Transfers, die in einigen Ländern Afrikas der Bevölkerung bis zu einem Fünftel des Einkommens rauben, liegen zum einen in der Bereicherung durch kleptokratische Eliten. Diese verschieben einen Teil des Reichtums ihrer Länder auf Bankkonten in der Schweiz und anderen einschlägigen Finanzplätzen. Dazu kommen Steuervermeidungsstrategien großer multinationaler Konzerne, wie sie auch im Fall der Steueroase Luxemburgs aktuell in der Kritik stehen. Auch Entwicklungsländern entgehen erhebliche Steuereinnahmen, indem Konzerne über Tochtergesellschaften meist ganz legal ihre Gewinne in Länder mit geringer Steuerlast verschieben. Erhebliche Summen werden allerdings auch auf illegale Weise durch falsche Rechnungen verschoben. Allein für Ghana, Kenia, Mosambik, Tansania und Uganda geht das Institut für globale finanzielle Integrität davon aus, dass durch falsche Rechnungen bei Im- und Exporten zwischen 2002 und 2011 60,8 Milliarden US-Dollar illegal über die Grenzen geflossen sind. Momentan wird das Volumen der illegalen Geldflüsse auf das Zehnfache der internationalen Entwick­lungshilfe geschätzt. Schaut man auf die Profiteure – kleptokratische Eliten, Schwarzgeldoasen und große multinationale Unternehmen –, dürfte die Eindämmung derartiger Finanzströme ein sehr schwieriges Unterfangen werden. N. Hanert


Indien im Visier
Putin plant militärische Kooperation

Während weltweit die Rüstungsexporte im vergangenen Jahr zurückgingen, hat Russland seine Waffenexporte allein im vergangenen Jahr um 20 Prozent erhöht. Nach Plänen des russischen Präsidenten Wladimir Putin soll der Export künftig weiter erhöht werden. Der Kreml strengt derzeit entsprechende Verträge mit China und Indien an.

Im vergangenen Jahr hatte Russland Waffen und Kampftechnik im Wert von 4,78 Milliarden US-Dollar an Indien geliefert. Vor seinem anvisierten Besuch in Indien kündigte Putin an, künftig die Kooperation mit dem Land, das sich als zuverlässiger Partner erwiesen habe, auszubauen. Dazu zähle auch die gemeinsame Entwicklung und Produktion moderner Waffensysteme. Putin wörtlich: „Wir messen der weiteren Entwicklung der militärtechnischen Zusammenarbeit als einer der wichtigsten Komponenten unserer strategischen Partnerschaft eine besondere Bedeutung zu.“ Als Beispiel für eine effektive Zusammenarbeit nannte er die Überschallrakete „BrahMos“ sowie Arbeiten an einem Kampfjet der neuesten Generation. Daneben plant Moskau den Bau neuer Energieblöcke für das Atomkraftwerk Kudankulam sowie den Bau eines neuen Atomkraftwerks in Indien. „Wir haben die Möglichkeit, 25 Atomblöcke in Indien zu bauen,“ sagte der russische Präsident.

Daneben ist geplant, bei der Entwicklung der Hochtechnologie, der Atomenergie, der Raumfahrt, im Flugzeug- und Autobau, der Pharmaindustrie, der Chemie sowie der Informations- und Nanotechnologie enger mit Indien zusammenzuarbeiten.

Bei seiner Visite will Putin zudem einen Liefervertrag über 20 Jahre mit Indien vereinbaren, bei dem 2,5 Millionen Tonnen Flüssiggas jährlich, beginnend ab 2017, geliefert werden Darüber hinaus sollen aber auch Fragen zur Produktion von Passagierflugzeugen des Modells Suchoj Superjet 100 und die Weiterentwicklung des Satellitensystems besprochen werden. Laut Putin hat Indien Interesse an der Zollunion mit Russland, Weißrussland und Kasachstan bekundet. MRK


Litauen setzt auf Flüssiggas
Memel will baltische Staaten versorgen – Polen und Finnland bauen eigene Terminals

Anfang Dezember wurde das schwimmende litauische Flüssiggasterminal in der Ostsee vor der Küste des Memellandes in Betrieb genommen. Bereits im Oktober wurde bei Memel die Rückvergasungseinheit für unter Kälte verdichtetes Erdgas mit großem propagandistischen Getöse gegen Russland in Empfang genommen. Mit der Installation ist der Hafen nach gut drei Jahren Bauzeit funktionsbereit. Gänzlich fertiggestellt ist das Hafensystem freilich nicht: Statt der eigentlichen Leitung unter dem Kurischen Haff hindurch wird eine Ersatzröhre verwendet – wann das geplante System vollständig steht, ist offen. Anfang 2015 wird offiziell der reguläre Betrieb mit einem geplanten jährlichen Durchsatz von zunächst 540 Millionen Kubikmetern Gas beginnen, was der Ladung von sechs bis sieben Gastankern der hierfür zurzeit vorgesehenen Größe entspricht.

Litauen, das bisher sein gesamtes Erdgas zu einem schlecht verhandelten Preis aus Russland bezogen hatte, will seine Bezugsquellen diversifizieren und den Einkaufspreis drücken. Tatsächlich ist das Erdgasförderunternehmen Gazprom mit seinen Forderungen trotz eines bis Ende 2015 bestehenden Vertrages schon jetzt um beinahe ein Viertel zurückgegangen, was nach Angaben der litauischen Regierung die Baukosten des Terminals bereits mehrfach ausgleichen würde. Über den Hafen sollen ab dem ersten Jahr eine Milliarde Kubikmeter Erdgas angelandet werden, wobei ein Ausbau der Kapazitäten auf vier Milliarden Kubikmeter vorgesehen ist. Der erste Gaslieferant für das Terminal ist Norwegen, dessen geheim gehaltene Einstiegspreise für Litauen etwas unter den neuen russischen zu liegen scheinen. Für einen Teil des Gases ist eine Verstromung vorgesehen, durch die Litauen seine bisher hohe Abhängigkeit von ausländischen Strom-importen senken will.

Mit dem neuen Hafen würden theoretisch auch die beiden baltischen Nachbarstaaten weitestgehend über Memel versorgt werden können. In der Tat will die lettische Premierministerin Laimdota Straujuma nun vorgeblich einen massiven Ausbau des Gasnetzes von Litauen nach Lettland voranbringen. Noch kurz zuvor hatte sie einen eigenen lettischen Gashafen favorisiert. Freilich liegen die gesetzlichen Änderungsnotwendigkeiten für eine Nutzung des lettischen Gasleitungsnetzes durch Drittanbieter im Rigenser Parlament weiterhin auf Eis, und die einflussreiche lettische Gasgesellschaft Latvijas Gaze dürfte an einer Änderung dieses Zustandes nicht interessiert sein. Estland und Finnland möchten ebenso wenig in eine Abhängigkeit von Litauen geraten und planen gemeinsam die Errichtung eines binationalen Terminals in Finnland, das beiden Ländern eigene Gasanlieferungen gewährleistet. Um dessen Ausgestaltung gab es zwischen beiden Ländern seit Jahren ein Tauziehen, das Ende November mit einer Festlegung zugunsten Finnlands beendet wurde. Estland hatte sich dabei einen kleineren eigenen Gashafen ausbedungen und tritt zugleich in erste Verhandlungen über die Mitbenutzung des Memeler Gashafens ein. Mit einer Fertigstellung der finnischen Anlage wird frühestens 2018 gerechnet.

Polen baut seit geraumer Zeit seinen eigenen Flüssiggashafen vor dem pommerschen Swinemünde, über den es bisher nicht zuletzt auch einen wirtschaftlichen Anschluss des Baltikums zu betreiben suchte. Dem hatten sich die baltischen Staaten freilich vehement widersetzt. Das polnische Terminal soll nach mehreren Verzögerungen ebenfalls 2015 mit einer Kapazität von fünf Milliarden Kubikmetern in Betrieb gehen, wobei jetzt angekündigt wurde, diese Kapazität nochmals um 50 Prozent zu erhöhen. Ein auf 20 Jahre angelegter Liefervertrag mit Katar verpflichtet Polen allerdings zu Zahlungen, die deutlich über dem Weltmarktpreis liegen. In Litauen hofft man daher, nach dem Bau der Gaspipeline zwischen beiden Ländern ab 2019 in den polnischen Markt vorstoßen zu können. Freilich könnten sich umgekehrt auch für Litauen die wohl künstlich niedrig gehaltenen Gaspreise der Gegenwart bereits in Kürze drastisch erhöhen. Die momentane Gas-Euphorie in und um Ostpreußen würde sich damit sehr schnell wieder gelegt haben. Thomas W. Wyrwoll


MELDUNGEN

Soli-Integration belastet Millionen

Berlin – Nach Berechnungen der Bundesregierung würde eine Integration des Solidaritätszuschlages in die Einkommensteuer bei 8,44 Millionen Steuerpflichtigen zu Schlechterstellungen führen. Besonders betroffen wären solche mit außergewöhnlichen Einkünften, mit Kindern, mit Abzugsbeträgen von der Einkommensteuer und mit dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünften. U.M.

 

Fossile Energie unverzichtbar

Hannover – Mehr als zehn Jahre nach Einleitung der sogenannten Energiewende tragen Erdöl, Erdgas, Steinkohle und Braunkohle mit rund 80 Prozent zur Deckung des deutschen Energieverbrauchs bei. Das geht aus der Studie „Reserven, Ressourcen und Verfügbarkeit von Energierohstoffen“ der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) hervor. Die Experten der BGR gehen zudem davon aus, dass das Land noch Jahrzehnte von fossilen Energieträgern wie Öl, Gas und Kohle abhängig sein wird. J.H.

 

Milliardenteurer Mindestlohn

Berlin – Der jährliche Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft durch gesetzgeberische Maßnahmen hat sich in den vergangenen zwölf Monaten im Saldo um 9,2 Milliarden Euro erhöht. Allein die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns belastet die Wirtschaft zusätzlich mit Bürokratiekosten in Höhe von rund 9,7 Milliarden Euro jährlich. Das geht aus dem Jahresbericht des Nationalen Normenkontrollrates (NKR) zum Bürokratieabbau hervor. Nach Auffassung der Experten stehen Bundesregierung und Parlament wieder weitgehend dort, wo die Bemühungen um Bürokratieabbau und Kostensenkungen begonnen haben. J.H.


S. 8 Forum

Opfer der EZB
von Philipp Hötensleben

Die Lebensversicherungen senken laufend ihre Garantieverzinsungen und für Geldanlagen ab einer bestimmten Höhe verlangen einige Banken mittlerweile Zinsen, statt welche zu zahlen. Wer einen Bausparvertrag hat, ist dagegen fein raus. Denkste! Die LBS-Bausparkassen kündigen nämlich zehntausenden ihrer Kunden die Verträge. Sie können deren Geld wegen der Nied­rigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) nämlich kaum noch gewinnbringend anlegen, müssen den Bausparern aber hohe Zinsen zahlen. Die Kündigungswelle betrifft zunächst nur Verträge, bei denen die Bausparer die erforderliche Summe seit mindestens zehn Jahren angespart, aber noch kein Darlehen aufgenommen haben. Großzügig, wie die LBS nun einmal ist, bietet sie ihren Kunden an, das Geld in neuen Bausparverträgen zum lächerlichen Zinssatz von 0,25 Prozent anzulegen. Wer nicht so dumm ist, darauf hereinzufallen, kann sich sein Geld auszahlen lassen. In jedem Fall ist der Bausparer der Gelackmeierte und ein weiteres Opfer einer irrsinnigen Geldpolitik der EZB.


Keine Sternstunde
von Jan Heitmann

Auch wenn US-Präsident Barack Obama die Veröffentlichung des Berichts zu den systematischen Folterungen durch US-Geheimdienste als Sternstunde staatlicher Transparenz hinstellt, ist sie noch lange kein Beweis für die Wirkung der werteerhaltenden Kräfte der US-amerikanischen Demokratie. Denn dass die Einzelheiten der „erweiterten Verhörtechniken“ überhaupt an das Licht der Öffentlichkeit gelangten, ist keineswegs einem breiten, von gemeinsamen Werten getragenen Konsens von Politikern und Parteien zu verdanken, sondern ausschließlich der Beharrlichkeit Einzelner.

Da ist John McCain zu nennen, der sich als einziger republikanischer Spitzenpolitiker unmissverständlich gegen die Folter als Verhörmethode ausspricht. Er weiß aus eigener leidvoller Erfahrung, was Folter bedeutet, leidet er doch bis heute unter den Folgen der in sechsjähriger nordvietnamesischer Kriegsgefangenschaft ertragenen Misshandlungen. Und es ist die Abgeordnete Dianne Feinstein zu nennen, die als Vorsitzende des Geheimdienstausschusses die Erstellung des ursprünglich vertraulichen Berichts energisch vorangetrieben hatte. Warum sie das tat, hat sie in wenige Worte gefasst: Die mit Billigung der damaligen Regierung durchgeführten Folterungen seien eine „Beschmutzung unserer Werte“.

Auch wer sich aus Nibelungentreue oder Opportunismus zu sehr mit den USA einlässt, ris­kiert Beschmutzung. Das zeigt das aktuelle Beispiel Polen. Dessen ehemaliger Präsident Aleksander Kwasniewski musste vor wenigen Tagen zugeben, dass Warschau der CIA ein „ruhiges und abgelegenes Objekt“ im masurischen Alt Keykuth [Stare Kiejkuty] überlassen hatte, in dem dann Terrorverdächtige gefoltert wurden. Das sollte den europäischen Ländern eine Lehre sein.


In permanenter Empörung
von Frank Horns

Zutiefst beunruhigt war er eigentlich immer; höchst besorgt auch. Bang war es ihm um die Demokratie, rechte Spukgestalten ließen sich allerorten ausmachen. Die silbergrauen Haare wie in permanenter Empörung gesträubt, über den Schultern ein Schal, als bräuchte es ein wärmendes Utensil vor dem kalten Blick der Böswilligen – so bleibt Ralph Giordano im Gedächtnis. Fast sehnte man sich danach, ihn einmal Lachen zu sehen, aber die Miene höchster Bedenklichkeit schien er niemals abzulegen. Das alles hatte auch etwas Selbstgerechtes.

„Die Quelle meiner Arbeit ist die Empörung“, hat er einmal selbst von sich gesagt. Auch, dass Israel sein Mutterland sei und Deutschland sein „Schmerzensland mit dem er sich unlöslich verbunden“ fühle. Ralph Giordano wurde am 20. März 1923 in Hamburg geboren. Als Sohn einer Jüdin entging er nur knapp dem Holocaust. Er wurde von der Gestapo misshandelt und eingesperrt. In seinem großartigen Roman „Die Bertinis“ zeichnete er den Leidensweg seiner Familie im Dritten Reich nach. Das Buch wurde ein Welterfolg und machte ihn zu einem der einflussreichsten Intellektuellen Deutschlands. Der Kampf gegen rechts wurde sein Lebensthema. Über 20 weitere Bücher ließ der ehemalige WDR-Fernsehjournalist den „Bertinis“ folgen. Zu den bekanntesten zählen „Die zweite Schuld“ und „Wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte“. Ralph Giordano lebte seit 1972 in Köln. Jetzt ist er im Alter von 91 Jahre an den Folgen eines Sturzes in seiner Wohnung gestorben.

Wenn so einer geht, tut er es nicht still. Groß ist das Medienecho – im „Hamburger Abendblatt“ ebenso wie auf „Spiegel online“, in der FAZ oder der „Neuen Zürcher Zeitung“. Was dabei auffällt: Mit einer Art milder Ratlosigkeit wird seiner gedacht. Das hat natürlich seinen Grund. Der Mann, sein Werk und sein Wirken sind sperrig. Er kritisierte die Political Correctness als das „eigentliche Übel“, geißelte die „Gutmenschen vom Dienst“ und machte in den letzten Jahren vor allem als Islamkritiker von sich reden. Den Bau einer großen Moschee in Köln-Ehrenfeld bezeichnete er als „Kriegserklärung“ und „feindliche Landnahme“.

Generös wird dies in der „Süddeutschen“ als „Altershobby” bezeichnet. Aber das war es mitnichten. Giordano hatte sich nicht auf senilen Irrwegen verrannt. Er war nur – wie zeit seines Lebens – ein Unbequemer geblieben. Laut und deutlich tat er seine Meinung kund. Das verlangt Respekt, und verleitet zur Träumerei. Was wäre eigentlich gewesen, wenn dieser Unbequeme die Größe besessen hätte einen Schlussstrich zu ziehen. Die Gräuel der Nationalsozialisten liegen 70 Jahre zurück. Kein klar denkender Mensch wünscht sich diese Zeit zurück. Wir leben in einem anderen Deutschland, das sich anderen Herausforderungen stellen muss. So ein Bekenntnis des „Mahners von Dienst“ hätte Deutschland gutgetan.


Moment mal!
Die italienische Krankheit
von Klaus Rainer Röhl

Zufällig war ich auch in Italien, als Bundespräsident Joachim Gauck, nach obligatorischer Antifa-Pflichtübung (Besuch einer Gedenkstätte für Nazi-Opfer) und mit wenig mehr als schulterklopfenden Sprüchen im Gepäck, in Rom eintraf, um dem in der Dauerkrise befindlichen Staat einen Besuch abzustatten. Da interessierte mich die Frage, warum es dort drüben, wo jetzt tatsächlich die Zitronen blühen, trotz des neuen, hervorragend qualifizierten Ministerpräsidenten und Wirtschafts-Fachmanns Matteo Renzi so gar keinen Wirtschaftsaufschwung gibt. Das wollte im Grunde auch Gauck, glaube ich, herausfinden. Doch ehe Renzi ihm erklären konnte, warum es jetzt irgendwie mit der italienischen Wirtschaft aufwärts gehen könnte, hatten die Kräfte der Vergangenheit schon zugeschlagen, auf dem Gebiet, auf dem sie die meiste Erfahrung, ja sogar Routine besitzen: Streiks, am liebsten Generalstreiks, anzufachen und lange durchzuhalten. Gegen jede Ansätze von Reformen, wie sie in Deutschland gegen großen Widerstand durchgesetzt wurden, die aber auch für Italien allein die einzige Möglichkeit wären, aus der Schuldenfalle herauszukommen. Nämlich mit Reformen à la Hartz-IV, das heißt harten Einschnitten ins gewohnte Leben der Italiener.

Einen Bruch mit diesem liebgewordenen Lotterleben hatte Renzi bei seinem Amtsantritt im Februar 2014 versprochen. In 100 Tagen würde er das Krisenland Italien umkrempeln. Nun regiert er schon seit mehr als zehn Monaten, und mit Europas drittgrößter Wirtschaft geht es trotzdem weiter bergab. Die Einkommen sinken, die Zahl der Arbeitslosen und der Konkurse wächst. Zwar hat die Regierung eine Arbeitsmarktreform beschlossen, aber davon entstehen natürlich noch keine neuen Jobs. So dreht sich die italienische Spirale einfach weiter. Dauerkrise, noch mehr Arbeitslosigkeit und – Streiks. Dabei glaubt die Mehrheit der Italiener nach wie vor, dass Renzis Pläne richtig sind: Bürokratie abbauen, Steuern senken, den Verwaltungsapparat straffen! Sparen! „Bloß nicht bei mir!“, sagt jeder einzelne Bewohner der unbekümmerten Halbinsel. So lebt man nach wie vor auf Pump. Und reagiert mit den alten Methoden, wie die deutschen Linken und Grünen am liebsten auch reagieren würden. Arbeitslosigkeit, Teuerung, Massenverelendung – was dagegen tun? Noch mehr Investitionen auf Pump. Noch ein paar Tage Streik, das heißt noch weniger Arbeit für die Wirtschaft pro Tag. Noch weiter sinkendes Sozialprodukt. Nur pumpt keiner dem Land mehr einen Euro, es sei denn, gegen die Zusicherung von Reformen.

Teuerung, Arbeitslosigkeit, besonders für Jugendliche, Verelendung. Die Antwort darauf: Noch mehr Streiks, also noch weniger Bruttosozialprodukt. Und Deutschland und die angeblich von Deutschland kontrollierte EU sollen daran schuld sein. Also, nicht anpacken, Ärmel hochkrempeln und neu durchstarten, wie Renzi es vielleicht wollte, sondern weiter die Schuld bei anderen suchen. Vor allem beim Hauptzahler Deutschland und seiner einsamen Kanzlerin. Sie ist die viel karikierte Feindfigur, wie sie es lange auch in Griechenland war. Mit Hakenkreuzbinde.

Unser ewig reisender und überall vollmundig herumtönender Staatsschauspieler Gauck erklärte jedoch am Wochenende im Gespräch mit Italiens Staatpräsident Giorgio Napolitano, er spüre in Deutschland „große Anerkennung“ für die ehrgeizigen Pläne von Renzi. Während unser Bundespräsident seine Spürnase ins Feld führte und Italien lobte, begannen bereits die Vorbereitungen für den größten Generalstreik der letzten Monate. In 54 Städten protestieren die Italiener gegen die Regierung von Renzi, ihren vielleicht letzten und einzigen Hoffnungsträger. Und im Grunde gegen jede Veränderung.

Dabei geht es den Italienern, mit uns verglichen, in vielerlei Hinsicht eigentlich Gold. Im Gegensatz zu uns haben sie nicht die 2008 offiziell gezählten vier Millionen Muslime im Land, deren Anzahl durch Zuwanderung ständig weiter steigt, und einen Wahnsinns-Satz wie „Der Islam gehört zu Italien!“ würde dort niemand auch nur zu denken wagen.

Die Massen der Flüchtlinge, die per Schiff und Schrottbooten von Schleppern für Unsummen an das nahe liegende Ufer Italiens gebracht werden, lässt man dort, wenn irgend möglich, nicht lange Wurzeln schlagen, sie werden so schnell wie möglich nach Norden weitergeleitet, in erster Linie nach Deutschland, und das finden die Italiener natürlich gut so. Wir sprechen hier von Wirtschaftsmigranten, nicht von den Kriegsflüchtlingen aus zerstörten Zonen Syriens und des Irak, die schützt man auch dort nach Kräften und hilft ihnen. Aber am liebsten schickt man sie ebenfalls nach Norden. Man hat ja selbst schon Probleme genug.

Italien ist krank und will keinen Arzt. Dabei gibt es so viele positive Seiten, die das Land, außer den blühenden Zitronen, noch attraktiv machen könnten, wenn wir es mit Deutschland vergleichen: Keine Moslems beanspruchen Raum für Moscheen, keine Hass­prediger rufen offen zum Dschihad auf, keine Rekrutierung von Killern für den sogenannten Islamischen Staat. Hier herrscht nur das sprichwörtlich gewordene „tutto corretto“. Doppelt wird das Volk abkassiert durch Mafia und Gewerkschaften, und den Rest zahlt Europa, solange es irgendjemanden in der EU gibt, aus dem man noch ein Quäntchen Geld für die Fortführung des unbeschwerten Lebens herauspressen kann. Dazu sagt einer der führenden italienischen Publizisten, der Philosoph und Deutschland-Kenner Angelo Bolaffi: „Italien braucht Europa als Korrektiv wie eine Mutter, die etwas strenger ist“, und er fügt hinzu: „Die Leute sagen: Italien hat ein paar Probleme, mit der Mafia, mit der Korruption, mit der Bürokratie, mit der Wirtschaft – aber gäbe es Frau Merkel nicht, dann könnten wir investieren, es ginge allen besser, und wir hätten wieder Arbeit!“ Das sei, fügt Bolaffi hinzu, „Keynesianismus für Kinder!“ Also Stuss.

Gerade erscheint ein neues Buch auf dem Markt „Das vierte Reich“, das bereits auf den Bestsellerlisten steht. Darin wird behauptet, die Deutschen hätten nun endlich ihr Ziel erreicht, „Europa zu unterwerfen“.

Man muss einmal ein paar Tage italienisches Fernsehen erlitten haben. Das glaubt einem niemand. 20 Jahre hat Berlusconi als quasi Alleinherrscher das Land zu einer kulturellen Wüste gemacht, die Programme des grottenschlechten italienischen Fernsehens, noch von Berlusconi geprägt, halten nicht einmal technisch den Vergleich mit unseren primitivsten Privatsendern wie RTL2 oder SAT1 aus.

Alle Darsteller im italienischen Fernsehen einschließlich der Teilnehmer an politischen Talkshows sehen aus wie schlecht geschminkte Komödianten einer drittklassigen Laienspielgruppe. „Intellektuelle gab es mal“, sagt Bolaffi. Wo vor 30 Jahren auf der Piazza del Popolo in den Cafés Fellini, Visconti, Pasolini und Moravia saßen, sei jetzt „niemand mehr“, meint der Deutschlandkenner.

Und nun kommt Gauck und erzählt den Italienern noch ein Märchen. Doch niemand hört hin. Weil an dem Tag seiner Anreise schon die Vorbereitungen auf den mächtigen landesweiten Generalstreik, den siebzehnten in den letzten drei Jahren, begannen.

So geht es nun gar nicht.


S. 9 Kultur

Ein falsches Bild gemacht
Ein van Gogh zum Schnäppchenpreis? Das gibt es nur beim Kunstfälscher − wie in Moritzburg zu sehen ist

Das Kunstmuseum Moritzburg in Halle bietet eine außergewöhnliche Schau. Sie präsentiert rund 200 Bilder und Objekte, die als kostbare Originale galten − bis sie als Fälschungen entlarvt wurden.

Zum Auftakt werden Produktfälschungen wie ein iPhone mit ausziehbarer Antenne gezeigt. Es folgen durch moderne Ergänzungen verfälschte antike Statuetten. Dann geht es um Geldfälschung. Der in den 1970er Jahren als „Blütenrembrandt“ bekannt gewordene Günter Hopfinger ist mit 20- und 1000-D-Mark-Scheinen vertreten. Pro „Blüte“, mit Buntstift auf Papier gezeichnet, brauchte er an die acht Stunden. Der für das Geldwesen zuständige Ausstellungskurator Ulf Dräger bekennt sich zu seiner Begeisterung für diese peniblen Handarbeiten: „Sie haben die bezaubernde Aura von diffizilen Miniaturkunstwerken.“

Im Mittelpunkt der Schau stehen drei spektakuläre Fälle von Gemäldefälschungen. Hauptfigur des ersten Falls ist der in Düsseldorf geborene Otto Wacker (1898−1970). Er eröffnete 1927 in Berlin eine Kunstgalerie und brachte über 30 falsche van Goghs zum Durchschnittspreis von 10000 Mark in Umlauf. Ausgestellt sind der „Schnitter im Kornfeld“ und weitere Bilder, die Wackers Bruder Leonhard in der Manier Vincent van Goghs gemalt hat. Otto Wacker flog auf, als er in eine von der Galerie Cassirer veranstaltete Schau mit Gemälden Vincent van Goghs drei Fälschungen einlieferte. Die Galerie-Mitarbeiterin Grete Ring entdeckte den Schwindel: „Die Situation ist der Enthüllung günstig. Vor dem schimmernden Hintergrund der echten Bilder ... stehen die drei Fälschungen hilf- und gnadenlos wie Baumwollflicken auf einem Brokatgewand.“

Otto Wacker kam vor Gericht. Doch die zur Begutachtung von 16 verdächtigen Gemälden engagierten Experten waren sich nicht einig, ob es sich um Originale Vincent van Goghs oder um Fälschungen handelte. Für Aufklärung sorgten schließlich die erstmals zum Nachweis von Kunstfälschungen eingesetzten Röntgenaufnahmen. Otto Wacker wurde zu drei Jahren Haft verurteilt.

Der Niederländer Han van Meegeren (1889−1947) produzierte mindestens 14 Fälschungen in der Manier niederländischer Meister des 17. Jahrhunderts. Seine besondere Spezialität wa­ren falsche Vermeers. Der ist für seine Genreszenen berühmt. Nur ein Gemälde mit religiösem Motiv gilt als gesichertes Werk von seiner Hand. Diesem „Mangel“ half van Meegeren ab. Prominentes Beispiel ist das ausgestellte Gemälde „Christus und die Ehebrecherin“.

Van Meegeren verkaufte es an den Bankier und Galeristen Alois Miedl, der es für 1650000 Gulden an Hermann Gö­ring weitergab. Das aber wurde dem Fälscher nach Kriegsende zum Verhängnis. Wegen des Vorwurfs, niederländisches Kulturgut an den NS-Staat verkauft zu ha­ben, kam er in Untersuchungshaft. Er entschloss sich zu einem Geständnis: „Christus und die Ehebrecherin“ sowie weitere, in renommierten Kunstsammlungen wie dem Rijksmuseum hängende „Vermeers“ seien von ihm hergestellte Machwerke. Zunächst wollte ihm niemand glauben. Erst nach umfangreichen kunsttechnologischen Untersuchungen und einem unter Zeugen im Gefängnis gemalten weiteren Bild in der Manier Vermeers wurde Han van Meegeren als Fälscher anerkannt und zu einem Jahr Haft verurteilt.

Über eine unvollständig deklarierte Farbtube stolperte Wolfgang Beltracchi. Als Wolfgang Fischer 1951 in Höxter geboren, nahm er den Nachnamen seiner Ehefrau Helene Beltracchi an. Das Paar belieferte Auktionen mit gefälschten Gemälden französischer und deutscher Künstler. Experten bestätigten nach Stilanalysen die „Echtheit“ der Machwerke. Wolfgang Beltracchi hatte ein cleveres Geschäftsprinzip. Er fälschte gern Bilder, die namentlich bekannt sind, aber als verschollen gelten und von denen es keine historische Abbildung gibt. Zu ihnen gehört Heinrich Campendonks „Rotes Bild mit Pferden“, dessen unbekanntes Aussehen Beltracchi sich und uns ausgemalt hat. Es wurde 2006 auf einer Auktion für 2,88 Millionen Euro ersteigert und nachträglich einer kunsttechnologischen Untersuchung zugeführt. Auf der Leinwand fanden sich Spuren von Titanweiß. Dieses Pigment jedoch war zu Campendonks Schaffenszeit noch nicht erfunden.

Eigentlich wollte Beltracchi das zu Campendonks Zeit übliche Zinkweiß verwenden. So stand es auch auf der Farbtube, während das untergemischte Titanweiß nicht deklariert war. Beltracchi wurde zu sechs Jahren, seine Gattin zu vier Jahren Haft verurteilt. Verhandlungsgegenstand vor Ge­richt waren 14 Bilder, deren Fälschung Beltracchi einräumte. Sie haben der Fälscherbande knapp 16 Millionen Euro eingebracht. Beltracchi legte je­doch kein um­fassendes Geständnis ab, so dass der dringende Verdacht besteht, etliche weitere Fälschungen aus seiner Hand sind noch in Umlauf.

Leihgabe der Kunsthalle Emden ist das Gemälde „Landschaft Oberstdorf“. Lange wurde es für ein Werk Alexej von Jawlenskys gehalten. Doch einer Prüfung durch Mitarbeiter des Jawlensky-Archivs in Locarno hielt es nicht stand. Seit 2013 gilt es als Arbeit eines unbekannten Fälschers.

Das Jawlensky-Archiv ist aus Schaden klug geworden. In den 1990er Jahren tauchten über 570 bis dahin unbekannte Zeichnungen und Aquarelle auf, die das Archiv in Jawlenskys Werkkatalog aufnahm. Die „wiederaufgefundenen“ Aquarelle wurden 1998 in Essen ausgestellt – und erwiesen sich als Fälschungen.

Um fortan die Oeuvre-Verzerrung durch gefälschte Arbeiten zu unterbinden, zog das Jawlensky-Archiv vorbildliche, aber noch längst nicht zum allgemeinen Standard gewordene Konsequenzen: Alle Beurteilungsverfahren werden nun grundsätzlich interdisziplinär vollzogen. Die für die Stilanalyse zuständigen Spezialisten arbeiten mit den die Herkunft der Werke prüfenden Provenienzforschern und den für die Materialuntersuchung zuständigen Naturwissenschaftlern Hand in Hand. Veit-Mario Thiede

Bis 1. Februar 2015 im Kunstmuseum Moritzburg, Friedemann-Bach-Platz 5, Halle (Saale). Montag, Dienstag, Freitag bis Sonntag und Feiertage 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 20 Uhr. Mittwochs sowie 24. und 31. Dezember geschlossen. Telefon (0345) 212590. Infos im Internet: www.

kunstmuseum-moritzburg.de


Was Frauen wollen
Schmuckkunst − Die Hansestadt Stade zeigt mittelalterliche Schätze

Es fing mit Muscheln, Knochen und Steinen an, um mit Gold und Edelsteinen zu enden: Die Schmucksucht der Menschen besteht, seit es diese gibt, und begleitete sie in allen Zeiten nicht nur im Diesseits, sondern auch ins Jenseits. Die archäologischen Museen der ganzen Welt besitzen Prunkstücke dieser Art. Je älter, desto verblüffender, wie etwa die mindestens 3500 Jahre alten weltberühmten minoischen „Bienen von Malia“, die im Archäologischen Museum von Heraklion auf Kreta zu bewundern sind.

Dieser brillant konzipierte und naturalistisch wiedergegebene goldene Anhänger ist nur ein Beweis für die frühe Meisterschaft der Goldschmiedekunst, die selbst das Granulieren, das Auflöten kleinster Metallkügelchen, perfekt beherrschte. Die Granulationstechnik war vor 4000 Jahren im Nahen Orient entstanden, erlebte ihre Blüte unter den Etruskern von 800 bis 400 v. Chr., geriet nach dem frühen Mittelalter in Vergessenheit und wurde erst Anfang des vorigen Jahrhunderts von den Schmuck­herstellern wiederentdeckt.

In der Wanderausstellung „Schätze des Mittelalters“ aus dem Staatlichen Archäologischen Museum in Warschau ist vor allem diese filigrane Technik auf ihrem dann für lange Zeit letzten Höhenflug zu bewundern. Vorerst letztmalig in Deutschland werden noch bis zum 1. März 2015 im Schwedenspeicher von Stade be­eindruckende Objekte von Fundplätzen im heutigen Polen, Weißrussland und der Ukraine gezeigt.

Besonders viele der wertvollen Schmuckstücke stammen aus dem 10. und 11. Jahrhundert. Im Mittelpunkt stehen die Perlen. Dabei handelt es sich nicht um in Muscheln gereiftes Perlmutt. Mit Perlen werden hier alle durchbohrten, mehr oder weniger runden Objekte bezeichnet, die sich in Ohr- oder Schläfenringen und in Ketten wiederfinden.

Zu den anspruchsvollsten Stücken zählen die im ostslawischen Raum gefundenen Perlen vom Typ Wolhyn. Ihr komplizierter durchbrochener Aufbau besteht aus einem in der Mitte verdickten Metallstift, um den sich drei oder vier halbrunde schmale Metallbänder spannen. Jedes Element dieser raffinierten Perle ist mit Granalien, kleinsten Kügelchen, in Doppellinien und Dreiecksmustern verziert. Wollte man ihre Kunstfertigkeit bis ins kleinste Detail wertschätzen, müsste man die Stücke im wahrsten Sinne des Wortes unter die Lupe nehmen. So filigran sind die drei mal zwei Zentimeter großen Schmuckstücke gearbeitet.

Der slawische Schmuckreichtum war legendär. Im 11. Jahrhundert herrschte unter dem Pias­tenherrscher Bołeslaw Chrobry (965/967−1025) und seinen mächtigen Nachfolgern großer Wohlstand in Polen, den der Chronist Gallus Anonymus um 1115 so beschreibt: „Die Männer im Heer trugen goldene Ketten von übergroßem Gewicht. Die Frauen des Hofes gingen so schwer belastet mit goldenem Schmuck aller Art, dass sie nach einem Sturz nicht ohne Hilfe wieder aufstehen konnten.“

Einen Goldrausch hat die Stader Ausstellung allerdings nicht zu bieten. Die Schmuckstücke bestehen vornehmlich aus Bronze und Silber. Eine Vitrine widmet sich dazu mit Kolliers, Arm- und Fingerringen der mittelalterlichen Glaskunst. Helga Schnehagen

Museum Schwedenspeicher, Wasser West 39, 21682 Stade, Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 10 bis 17 Uhr, Sonnabend und Sonntag bis 18 Uhr.


Ende der Warterei
Samuel Beckett und sein Tod vor 25 Jahren

Zuletzt kam er dann doch – der Tod. Es schien, als habe Samuel Beckett Zeit seines Lebens auf das Ende gewartet: auf das „Endspiel“, wie er eines seiner Stücke nannte, auf das Nichts, das er in allen seinen Werken thematisiert, natürlich auch auf Godot beziehungsweise Gott. Sein bedeutendstes Drama heißt be­kanntlich „Warten auf Godot“. Zwei Landstreicher warten in dem Stück aus unbestimmten Gründen auf eine nicht näher bezeichnete Person namens Godot, die nie erscheinen wird. Liest man Godot von hinten, heißt das so viel wie „nach Gott“ (englisch „to God“) oder auch „zum Hund“ („to dog“). Da warten also zwei darauf, vor die Hunde zu gehen.

Für den Atheisten Beckett hörte das Warten auf das Nichts, für das Godot chiffrenhaft steht, vor 25 Jahren auf. Mit seinem Tod am

22. Dezember 1989 in Paris starb der wohl unabhängigste Dichter der Gegenwart. Was hat der 1906 in Dublin geborene Protestant nicht für turbulente Zeiten miterlebt? Erster Weltkrieg, irischer Unabhängigkeitskampf, Nationalsozialismus – zwischen 1928 und 1937 reiste der sehr gut Deutsch sprechende Beckett mehrfach durch Deutschland –, Zweiter Weltkrieg, Atombombe, Vietnamkrieg und so weiter. Genug Stoff für einen Schriftsteller, sollte man meinen.

Und bei Beckett? Keine Spur da­von! Seine Figuren fesseln sich lieber nackt auf einen Stuhl („Murphy“), leben in Mülltonnen („Endspiel“), hören Tonbänder ab („Das letzte Band“) oder sind in Grabhügeln vergraben, aus denen nur der Kopf hervorlugt („Glückliche Ta­ge“). Um sich voll auf die abstrakte Gedankenwelt zu konzentrieren, reduzierte Beckett die physische Sichtbarkeit auf ein äußerstes Minimum. Die äußere Welt mit ihrem politischen Theater hatte bei dem Literaturnobelpreisträger von 1969 keine Chance. Als Bertolt Brecht ankündigte, er plane eine politische Fassung von „Warten auf Godot“, setzte Beckett alle Hebel in Gang, um das zu verhindern.

Brecht hatte Beckett nicht verstanden. Beckett die Deutschen dafür umso besser. 1975 inszenierte er im Berliner Schillertheater seinen „Godot“. Es war ein überwältigender Erfolg. Beckett war fasziniert von den Deutschen, und das deutsche Theaterpublikum, das von allen Seiten indoktriniert wurde, war fasziniert von einem Dramatiker, der sich jeglichen politischen Doktrinen entzog. H. Tews


Stubenhocker, still und stilvoll

Böse ausgedrückt ließe sich be­haupten, dass Max Beckmann nicht wusste, wie man eine Auster malt. Was da auf einem Esstisch ausgebreitet ist, erscheint eher als eine Mischung von Krokodils- und Hundemaul. Aber es ist eine Riesenmuschel, welcher der Austernliebhaber in einem Stillleben ei­ne dämonisch verzerrte Form verlieh.

In einer bemerkenswerten Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle ist zu sehen, wie der Maler, der sich nie als Expressionist empfand, in viele seiner Stillleben genreuntypische Bewegung hineingebracht hat. Eine seltsame Nervosität herrscht in diesen Bildern: Gläser oder Teller schneiden eine Fratze, Blumen vibrieren in ihren Vasen und sehen aus wie Vögel, Bücher tanzen aus der Reihe.

Als Beckmann diese bedrohlich anmutenden Stillleben malte, leb­te er selbst schon in einer bedrohlichen Zeit. Den Ersten Weltkrieg überstand das Mitglied der Berliner Sezession als freiwilliger Sanitäter in Ostpreußen. Später, in der NS-Zeit, wurde er schon früh seiner Professur an der Frankfurter Städelschule enthoben und galt fortan als „entarteter“ Künstler. 1936 gab es in Hamburg bei Hildebrand Gurlitt ei­ne letzte große Ausstellung seiner Werke in Deutschland. Dazu passt, dass beim Schwabinger Kunstfund des im Mai verstorbenen Gurlitt-Sohns Cornelius das Beckmann-Gemälde „Der Löwenbändiger“ aufgetaucht ist, das möglicherweise ein Fall von Kunstraub ist.

In der noch bis zum 18. Januar laufenden Hamburger Schau mit Beckmanns Stillleben wird das nicht thematisiert. Es geht schließlich nur um Werke, deren Provenienz geklärt ist. Was die Hamburger dabei aufgefahren haben, ist von höchstem Niveau: Die 70 Ge­mälde aus bedeutenden öffentlichen und privaten Sammlungen decken ein halbes Jahrhundert von Beckmanns Künstlerleben ab. Der Maler, der mit seinen grimmigen Porträts bekannt geworden ist, scheint sein Atelier selten verlassen zu haben: Landschaftsmalerei und Stadtansichten waren nicht seine Sache. Der Stubenhocker malte nur die ihn direkt umgebenden Dinge, man kann auch sagen: seinen Alltag. Essen, Blumen, musizieren mit Cello und Geige – das war seine Welt. Und es bringt Freude, darin einzutauchen. Harald Tews


Kritische Stimme verstummt

Ralph Giordano, der am 10. Dezember in Köln im Alter von 91 Jahren gestorben ist, wird noch lange mit seinem autobiografischen Roman „Die Bertinis“ in Erinnerung bleiben. Darin schildert er, wie er als Sohn eines italienischen Einwanderers und einer jüdischen Mutter nationalsozialistische Verfolgung und die Bombenangriffe auf Hamburg im Stadtteil Barmbek überlebte. Zuletzt wurde diese unabhängige Stimme dafür kritisiert, dass sie gegen den Moscheebau in Köln aufrief. tws

(Siehe Kommentar auf Seite 8.)


S. 10 Geschichte

Heiligabend feiern statt töten
Vor 100 Jahren begingen deutsche und britische Frontsoldaten gemeinsam das Weihnachtsfest

Knapp fünf Monate nach Beginn des Ersten Weltkriegs ereignete sich an der Westfront das sogenannte Weihnachtswunder. Trotz der vorausgegangenen erbitterten Kämpfe legten zahlreiche Soldaten beider Seiten, allen voran Deutsche und Briten, für einige Stunden und sogar Tage die Waffen nieder, um gemeinsam zu feiern.

„Ehe das Laub fällt, seid Ihr wieder zu Hause“, hatte Kaiser Wilhelm II. (1859–1941) seinen Soldaten versprochen, als diese im August 1914 in den Krieg zogen. Das freilich sollte sich als Illusion erweisen, denn nach dem Erstarren der Fronten standen die Kämpfer auch zu Heiligabend noch im Schlamm der Schützengräben. Ganz genauso erging es vielen Angehörigen der britischen Expeditionstruppen, denen ebenfalls die baldige Rückkehr in die Heimat verhießen worden war. Deshalb machte sich Ende Dezember 1914 eine ausgeprägte Kriegsmüdigkeit auf beiden Seiten breit, die zu einer spontanen Waffenruhe in Teilbereichen der Westfront führte, dem sogenannten „Weih­nachtswunder“.

Ausgangspunkt des Ganzen scheint dabei ein Frontabschnitt in der Nähe der flandrischen Stadt Ypern gewesen zu sein, in dem die Stellungen von Briten und Deutschen so nahe beieinander lagen, dass man problemlos durch Rufen kommunizieren konnte.

Laut den überlieferten Augenzeugenberichten begann die Verbrüderung am 23. Dezember im Zusammenhang mit der Bergung von Verwundeten und Toten im Niemandsland zwischen den Gräben. Im Anschluss an die hierfür vereinbarte Feuerpause kam es nämlich zu gemeinsamen Gebeten oder auch richtiggehenden Gottesdiensten. Danach wiederum obsiegte das Bedürfnis nach Entspannung und Heiterkeit, weshalb am 24. Dezember mehrere Fußballspiele stattfanden, in denen die Angehörigen der beiden Kriegsparteien aufeinandertrafen. Dem folgten abendliche Grillfeste sowie der Austausch von Geschenken, wobei besonders deutsches Bier und britischer Christmas Pudding die Seiten wechselten. Und auch der 25. Dezember stand vielfach noch ganz im Zeichen unkriegerischer Betätigungen wie dem wechselseitigen Haareschneiden. Bei dieser Gelegenheit soll sogar der eine oder andere Brite auf seinen früheren Friseur gestoßen sein, der vor dem Krieg auf der Insel gearbeitet hatte.

Es gibt Hinweise darauf, dass auf deutscher Seite vor allem sächsische und bayerische Einheiten die Waffen niederlegten, während es beim Gegner die Schotten und Waliser waren. So kam es beispielsweise im Raum Frelinghien zu einer gemeinsamen Weih­nachtsfeier von Soldaten des Sächsischen Infanterie-Regimentes Nr. 134 und des Jäger-Bataillons Nr. 6 mit Angehörigen des 2nd Bataillon der Royal Welsh Fusiliers.

Der festtägliche Frieden endete zumeist am Abend des ersten Weihnachtstages, in manchen Fällen hielt die Waffenruhe aber auch bis Neujahr. Dabei ging die Initiative zu der Kampfpause durchaus nicht nur von den unteren Dienstgraden aus. Vielfach waren es Offiziere wie der Leutnant Kurt Zehmisch vom 134. Sächsischen Infanterieregiment, die den formellen Befehl zur Feuereinstellung gaben.

Der deutschen und britischen Militärführung fehlte natürlich jedwedes Verständnis für das Geschehen an der Front – schließlich hatten die jeweiligen Regierungen gerade die Bitten um einen weihnachtlichen Waffenstillstand, die von Papst Benedikt XV. alias Giacomo della Chiesa (1854–1922) und dem Pariser Erzbischof Léon-Adolphe Kardinal Amette (1850–1920) geäußert worden waren, abgelehnt. Besonders erbost zeigte sich dabei der Oberkommandierende der britischen Expeditionsstreitkräfte, Field-Mar­shal Sir John D. French (1852–1925), der in einem Schloss 30 Kilometer hinter der Frontlinie residierte und gerade zu Mittag speiste, als die Nachricht von der Fraternisierungswelle eintraf. Er befahl, die Verbrüderungen „unter allen Umständen“ zu stoppen. Parallel hierzu verlangte Frenchs rechte Hand, General Horace L. Smith-Dorrien (1858–1930), die umgehende Ermittlung der Namen aller verantwortlichen Offiziere, um „entsprechende disziplinarische Maßnahmen“ einleiten zu können. Wenig später wurde über diejenigen Truppenführer, deren Untergebene mit dem Feind verkehrt hatten, eine Urlaubssperre verhängt. Ebenso kam es zu zahlreichen Strafversetzungen.

Deutscherseits erfolgten dahingegen keine nennenswerten Sanktionen – vielleicht, weil die Nachrichten vom Weihnachtsfrieden hier aufgrund der besser funktionierenden Zensur nicht in die Presse gelangt waren und einige höhere Militärs augen­zwinkernd argumentierten, die Truppen hätten den Waffenstillstand ja nebenher zu einer Verstärkung der Grabenanlagen genutzt.

Außerdem zelebrierten auch längst nicht alle deutschen Einheiten an der Westfront den Weihnachtsfrieden, wobei „Experten“ wie der ehemalige „Stern“-Chefredakteur Michael Jürges unterstellen, dass es sich bei den Weiterkämpfenden vor allem um preußische Soldaten gehandelt habe, die von ihren Offizieren mit Waffengewalt an der Fraternisierung gehindert worden seien. Allerdings gibt es hierfür keinerlei Belege. Aber wahrscheinlich machten wohl eher die schweren Verluste der Vergangenheit an manchen Frontabschnitten weihnachtliche Verbrüderungen unmöglich. Darüber hinaus zeigten auch die Franzosen und Belgier oft nur wenig Bereitschaft, einer Kampfpause zuzustimmen, da der Gegner schließlich in ihrer Heimat stand.

Ebenso erlebte die Ostfront keine größere Waffenruhe während der Kriegsweihnacht 1914, zum einen, weil die russischen Soldaten das Fest nach dem orthodoxen Kalender, also zu einem späteren Zeitpunkt, feierten, zum anderen wegen der größeren Abstände zwischen den Frontlinien, die mündliche Kontaktaufnahmen meist verhinderten. Jedoch wurde auf deutscher Seite ab und an das Feuer eingestellt, um wenigstens ein paar Stunden der Ruhe und Besinnung zu genießen.

Im Jahr darauf kam es dann auch im Westen nur noch höchst selten zu Waffenstillständen und Verbrüderungen während der Weihnachtstage. Dabei fielen die Strafen auf britischer Seite erneut härter aus als bei den Deutschen. So mussten sich Captain Miles Barne und Captain Iain Col­quhoun von den Scots Guards, die das Fraternisierungsverbot miss­achtet hatten, nun vor einem Kriegsgericht verantworten. Und ab 1916 waren die Fronten schließlich so verhärtet, dass selbst bei den unteren Dienstgraden niemand mehr auf die Idee verfiel, mit dem Feind zu feiern.

Wolfgang Kaufmann


Dezemberfinale
Aus dem Tagebuch von Vera Lengsfeld: Dezember 1989

Die PAZ-Autorin Vera Lengsfeld war seit den 1970er Jahren in der Opposition gegen das SED-Regime aktiv und seitdem Mitorganisatorin aller wichtigen Veranstaltungen der Friedens- und Umweltbewegung der DDR. 1988 wurde sie wegen „Versuchter Zusammenrottung“ verhaftet und nach einem Monat in den Westen abgeschoben. Am Morgen des 9. November 1989 in die DDR zurückgekehrt, wurde sie Mitglied der Verfassungskommission des Runden Tisches und später der ersten und zugleich letzten frei gewählten Volkskammer. Von 1990 bis 2005 gehörte sie dem Deutschen Bundestag an. An dieser Stelle berichtet die bekannte Bürgerrechtlerin monatlich aus eigenem Erleben über die Ereignisse vor 25 Jahren in der DDR.

Dem Vorschlag aus Karl-Marx-Stadt, um punkt 12 Uhr von Nord nach Süd eine Menschenkette durch das ganze Land zu bilden, sind am 3. Dezember Hunderttausende gefolgt. Diese Kette soll die Entschlossenheit zur demokratischen Erneuerung versinnbildlichen. In den großen Städten kommt für eine Viertelstunde der Verkehr zum Erliegen. Viele Autofahrer steigen aus und reihen sich ein. Am Schluss soll die Kette fast lückenlos gewesen sein.

Auch SED-Mitglieder fangen an zu rebellieren. Tausende versammeln sich am Abend vor dem Haus des Zentralkomitees und fordern eine radikale Erneuerung der Partei und den Rücktritt des ge­samten Politbüros. Als Egon Krenz zu ihnen sprechen will, schallen ihm Buhrufe, Pfiffe und Rücktritt-Sprechchöre entgegen.

In diesen Turbulenzen trifft sich das Zentralkomitee der SED am 5. Dezember zu seiner 12. Tagung. Die hatte Generalsekretär Krenz in der Hoffnung einberufen, mit der Opferung weiterer Spitzenfunktionäre die innerparteiliche Lage beruhigen zu können. Dass er selbst ge­opfert werden sollte, davon wird Krenz vollkommen überrascht. Ihm wird kurzerhand mitgeteilt, dass er zurückzutreten habe, samt dem Politbüro und dem ZK. Außerdem wird eine Reihe von Altkadern aus der Partei ausgeschlossen, unter anderem Erich Honecker und Erich Mielke.

Auf dieser Sitzung beginnt der Aufstieg von Gregor Gysi. Er wird zum Leiter einer parteiinternen Untersuchungskommission ernannt, die sich mit den Verbrechen der SED befassen soll. Noch in der Nacht lässt Gysi die Räume des Politbüros versiegeln. Danach hat man von der Untersuchungskommission kaum noch was gehört.

Kaum sind sie gestürzt, werden mehrere Politbüromitglieder auf Anweisung der Regierung Hans Modrow verhaftet. Es trifft unter anderem Erich Mielke, der in die von ihm mitkonzipierte Untersuchungshaftanstalt Hohenschönhausen eingeliefert wird. Dort beschwert er sich bei jeder Gelegenheit über die „unmenschlichen Haftbedingungen“.

Während ihr langjähriger oberster Befehlsgeber hinter Gittern sitzt, sind die Stasi-Mitarbeiter auf allen Ebenen fieberhaft damit beschäftigt, Akten zu vernichten. Der DDR-Hörfunk bringt als erster Sender ein Stück über die Aktenvernichtung.

Daraufhin beschließen in Erfurt viele Bürger umgehend, dagegen vorzugehen. Die Menge umstellt das MfS-Gebäude. Autofahrer, unter anderem die städtische Müllabfuhr, blockieren die Auffahrt. Es dauert nicht lange und die Stasi gibt nach. Die Demonstranten finden Beweise für eine umfangreiche Aktenvernichtung. Sofort werden die Archive versiegelt und eine Bürgerwache eingesetzt, um weitere Vernichtungen zu verhindern.

Der gestürzte SED-Generalsekretär Egon Krenz tritt auch als Staatsratsvorsitzender zurück.

Auch bei der Staatssicherheit dreht sich das Personal-Karussell. Fast alle Generale werden durch jüngere Offiziere ersetzt. Die buchstäblich in letzter Sekunde erfolgenden Beförderungen haben vor allem Folgen für die Pensionskasse im vereinten Deutschland.

Am Abend des 6. Dezember stellt sich der flüchtige Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski in Westberlin den Behörden. Er stellt Antrag auf politisches Asyl und wird vorerst ins Untersuchungsgefängnis Moabit eingeliefert.

Am nächsten Tag konstituiert sich im Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Ostberlin unter tumultartigen Begleitumständen der Zentrale Runde Tisch. Den Regierungsparteien SED, CDU, LDPD, DBD und NDPD mit je drei stimmberechtigten Teilnehmern sitzen zunächst die neuen oppositionellen Vereinigungen Demokratischer Aufbruch, Demokratie jetzt, Grüne Partei, Initiative für Frieden und Menschenrechte, Vereinigte Linke und SDP mit je zwei Stimmen sowie das Neue Forum mit drei Stimmen gegenüber. Draußen vor der Tür rebellieren Frauen des vor wenigen Tagen gegründeten Unabhängigen Frauenverbandes gegen ihre Nichtzulassung am Runden Tisch. Sie dürfen schließlich mit zwei Stimmen teilnehmen. Die Regierungsseite wird als Ausgleich mit dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund verstärkt. So verzeichnet jede Seite 17 stimmberechtigte Vertreter.

Die Bevölkerung indes ist vom Runden Tisch viel weniger angetan als die Opposition. Vor dem Dietrich-Bonhoeffer-Haus zieht eine große Demonstration auf, die mit Pfeifkonzerten, „Stasi raus“-Rufen und Protesten gegen die Wahlfälschung lautstark klar macht, was sie von den Verhandlungen hält.

Der Außerordentliche Parteitag der SED tritt am 16. Dezember erneut in Berlin zusammen, wie Gysi es vorgeschlagen hatte. Die Pause hat wie erhofft bewirkt, dass es keine Mehrheit für die Auflösung der Partei mehr gibt. Stattdessen wird Gysi zum Parteichef gewählt und die SED legt sich einen zweiten Namen zu: PDS – Partei des Demokratischen Sozialismus. Kaum jemand glaubte an den Erfolg dieses Manövers. Die SED schien so diskreditiert zu sein, dass sie keinerlei Zukunftsaussichten zu haben schien, auch nicht mit neuem Zweitnamen. Spätestens Gysis Hinweis auf das verloren gehende Vermögen bei einer Auflösung der Partei hätte ein Signal sein müssen, die Herausgabe genau dieses Vermögens zu fordern. Das nicht getan zu haben, war einer der fatalen Fehler der Opposition, der bis heute nachwirkt.

Die von Gysi umgehend eingesetzte innerparteiliche Gruppe zur Vermögenssicherung war außerordentlich effektiv. Nach Schätzungen der ZERV, der Zentralen Erfassungsstelle für Vereinigungskriminalität, sind unter der politischen Verantwortung von Modrow und Gysi etwa 24 Milliarden D-Mark in dunklen Kanälen verschwunden. Der Mammutteil dieses Vermögens ist bis heute nicht entdeckt, weil alle beteiligten SED-PDS-Funktionäre wie Gregor Gysi, Dietmar Bartsch, Roland Clauss und André Brie vor dem Bundestagsuntersuchungsausschuss die Aussage verweigert haben. Bis heute gibt es keinen relevanten öffentlichen Druck, um die Genannten zur Preisgabe ihres Wissens zu bewegen.

Mit einem Trick versucht die Regierung Modrow, die Staatssicherheit zu retten, deren Auflösung vom Runden Tisch bereits verfügt worden ist. Sie beschließt, einen „Verfassungsschutz“ mit 10000 und einen „Nachrichtendienst“ mit 4000 Mitarbeitern.

Sie kann damit ihre Abschaffung nicht aufhalten.

Die Autorin dieses Beitrags ist Verfasserin des unlängst erschienenen Buches „1989 – Tagebuch der Friedlichen Revolution – 1. Januar bis 31. Dezember“, TvR Medienverlag Jena.


S. 11 Preussen

Königsberger schreibt Musikgeschichte
Im Katholizismus wie im Protestantismus gehört »Macht hoch die Tür, die Tor macht weit« zu den beliebtesten Adventsliedern

Die Entstehungsgeschichte von „Macht hoch die Tür“ ist legendenumwoben. Heinz Ney legt in seiner kommendes Frühjahr erscheinenden Dokumentation „Gottes Häuser in Königsberg“ den wahren Kern frei.

Das Lied „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ hat seine Geschichte oder viele Geschichten, denn von seiner Entstehung wurde im Laufe der Jahrhunderte in immer anderen Versionen berichtet, mal mehr, mal weniger dramatisch. So soll das Adventslied „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ an einem Weih­nachtsabend vor fast 400 Jahren von verzweifelten Bürgern gesungen worden sein, die in einem furchtbaren Unwetter vergeblich an der verschlossenen Tür des Königsberger Doms rüttelten und um Obdach flehten, bis ihnen dieses Lied das Tor öffnete. Wie in jeder Überlieferung liegt ein wahrer Kern darin, und diesen hat der Königsberger Heinz Ney freigelegt. In seiner Dokumentation „Gottes Häuser in Königsberg“, die im nächsten Frühjahr erscheinen wird, hat er dem Adventslied und seinem Schöpfer, dem Pfarrer Georg Weissel, einen breiten Platz eingeräumt, denn er war es, der im Dom Zuflucht gesucht hatte. Diese Entstehungsgeschichte fügt er in eine Schilderung des kirchlichen wie sozialen Lebens der Stadt in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein, so dass ein Zeitbild von großer Eindringlichkeit entsteht. Wir entnehmen seinem Buchmanuskript diesen historischen Rückblick, der uns in das weihnachtliche Königsberg der Barockzeit führt.

„Es war im Jahre 1642 in Königsberg. In dieser Stadt hatte der in Domnau geborene Georg Weissel die Pfarrstelle an der ,nur klein und schlecht erbauten‘ Altroßgärter Kapelle inne, in die er als erster Prediger kurz nach ihrer Errichtung eingeführt worden war. Es war eine schwierige Zeit, Krieg, Hunger, Seuchen waren nicht spurlos an der Bevölkerung vorübergegangen. Wohlstand fand man vor allem noch in den Häusern der alteingesessenen Königsberger Kaufleute, aber auch im Haus des Fisch- und Getreidehändlers Sturgis. Er gehörte nicht zu den angesehenen Patriziern, sondern war vielmehr ein Emporkömmling, der mit kaufmännischem Gespür und zähem Fleiß zu Wohlstand und Reichtum gekommen war. Zwar hatte man ihm einen Bauplatz im vornehmen Viertel versagt, doch hielt sein neu erbautes, großes Haus am Roßgärter Markt jedem Vergleich stand. Nur eines ärgerte den Besitzer: Nicht weit entfernt von seinem Grundstück lag ein Armen- und Siechenheim, und dicht bei seinem Gartenzaun verlief der schmale Fußweg, den die Armenhäusler benutzten, wenn sie Besorgungen in der Stadt machen oder am Sonntag den Gottesdienst besuchen wollten.

Zwar belästigten sie den Kaufmann nie, aber Sturgis ärgerte sich über den Anblick der armseligen Gestalten und beschloss, Abhilfe zu schaffen. Spitzfindig wie er war, kaufte er die lange, breite Wiese, über die der Pfad führte, und legte einen herrlichen Park an. Er umgab ihn mit einem Zaun, schloss ihn nach außen durch ein prächtiges Tor und auf der Rückseite durch eine kleine verriegelte Pforte zu seinem Hausgarten ab. Nun war den Armen der Weg verwehrt, und der Umweg über die Stadt war für die meisten zu weit und beschwerlich.

So klagten sie Pfarrer Weissel ihr Leid und baten um Rat und Hilfe. Sollte es Gott nicht möglich sein, dass der reiche Mann das Tor seines Herzens öffnete, damit die Barmherzigkeit Einzug halten konnte? War es nicht so, dass der Name des Kaufmanns Sturgis in Sammellisten in der Regel hinter hohen Summen zu finden war und dass er sich besonders freigiebig zeigte, wenn Spender und Betrag öffentlich bekannt gegeben wurden? Auch hatte er stets eine großzügige Hand, wenn in der Adventszeit der Kirchenchor vor den Häusern der Wohltäter seine Lieder erklingen ließ?

Doch in diesem Jahr war es anders. Das verschlossene Tor war Grund für die abweisende Haltung, mit der man Sturgis gegenüberstand. Man wollte diesmal nicht vor dem Haus des Getreidehändlers singen. Weissel aber gab zu bedenken: ,Ich meine, wir würden Advent und Weihnachten nicht richtig feiern können, wenn wir den reichen Mann ausschlössen. Unser Erlöser geht ja an keinem Haus und an keinem Herzen vorüber. Wollen wir ihm nachfolgen oder nicht?‘ Der Chorleiter, ein junger Student, wurde nachdenklich. Aber würden sich seine Sänger überreden lassen? Schließlich einigte man sich darauf, dass Pfarrer Weissel die Sänger begleitete. Doch welches Lied sollte bei Sturgis erklingen?

Da zog Weissel eine Schublade auf und entnahm ihr ein Blatt, dicht beschrieben mit Versen. Schweigend und sichtlich ergriffen las der junge Student:

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit …

,Wundervoll‘, rief er voller Begeisterung. Dieses Lied sollte nun zum ersten Mal erklingen, freilich zunächst nach einer provisorischen Weise. Später würde sich sicher ein Komponist finden, der eine passende Melodie schaffen würde.

Aber wie war es überhaupt zu diesem Lied gekommen? Während der junge Chorleiter noch einmal die fünf Strophen überflog, erzählte Weissel: Es war während des starken Wintersturmes, der vor Kurzem über das Samland gefegt war und viel Schnee mit sich gebracht hatte. Der junge Pfarrer war in der Nähe des Doms unterwegs. Der Wind peitschte ihm in das Gesicht und wollte ihm fast den Atem rauben. Weissel strebte dem Dom zu, um dort unter dem hohen Portal Schutz zu suchen. Die Augen fest auf die Tür gerichtet erreichte er die breite Treppe. In diesem Augenblick öffnete sich das Portal weit und der freundliche Glöckner machte eine einladende Geste: ,Willkommen im Haus des Herrn. Hier ist jeder in gleicher Weise willkommen, ob Patrizier oder Tagelöhner. Das Tor des Königs aller Könige steht ihm weit offen.‘ Weissel schüttelte den Schnee vom Mantel und klopfte dem Glöckner auf die Schulter. ,Er hat mir soeben eine ausgezeichnete Predigt gehalten.‘ Bis sich das Unwetter gelegt hatte, war auf einer Bank im Dom das Lied entstanden, das nun der Student in den Händen hielt.

Am Nachmittag des vierten Advents versammelten sich die Alten und Siechen zur Weihnachtsfeier der Gemeinde, die auch in diesem Jahr wieder durch die Spenden der reichen Handelsherren ermöglicht worden war. Danach sollte der Chor noch die Wohltäter, die bislang nicht besucht worden waren, mit Weihnachtsliedern erfreuen. Und dazu gehörte der Getreidehändler Sturgis, der allein in einem großen Zimmer seines Hauses auf die Gäste wartete. Der Tisch war festlich geschmückt und bedeckt mit erlesenen Esswaren, wollte er doch durch seine Großzügigkeit die aufgebrachten Gemüter besänftigen. Dort kamen sie: Pfarrer Weissel und der Chor – und dahinter die Alten und Siechen. Entsetzt beobachtete Sturgis, wie der seltsame Zug an den weit geöffneten Türen seines Hauses vorbeizog. Wollte man ihn so kränken? Doch nein, jetzt machten sie halt. Gerade vor dem prächtigen Tor seines Parks. Ob sie dort singen wollten? Zögernd verließ der Kaufmann das Haus und ging durch den Garten zu der kleinen Pforte, die in den Park führte.

Da begann Pfarrer Weissel seine Rede. Er sprach vom König aller Könige, der auch heute noch vor verschlossenen Herzenstüren warte und Einlass begehre – wie bei dem Kaufmann Sturgis. Und wandte sich nun an diesen mit den Worten ,Ich flehe euch an, öffnet nicht nur dieses sichtbare Tor, sondern das Tor Eures Herzens und lasst den König ein, ehe es zu spät ist.‘ Dann drehte er sich um und wies auf die Schar der Alten, die ihnen gefolgt waren. In diesem Augenblick begann der Chor zu singen: ,Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit …‘

In dem reichen Kaufmann ging eine merkbare Verwandlung vor. Es erschien ihm, als singe da ein Engelschor. Tief drangen die Worte in sein Herz ein. Langsam ging er zu dem großen Parktor, griff mit zitternder Hand in seine Tasche, holte den Schlüssel heraus und öffnete weit die schweren eisernen Flügel. Pfarrer Weissel trat als Erster durch das geöffnete Tor, nach ihm der Chor und dann folgten, noch etwas zögernd, die Armenhäusler. Sie zogen singend durch den Park bis zu der kleinen Pforte. Sturgis öffnete sie und verkündete, dass von nun an Tor und Tür geöffnet bleiben sollten, um dem König aller Könige Einlass zu gewähren. Daraufhin traten alle in sein prächtiges Haus ein, auch die Alten, deren Anblick der Kaufmann ja bisher kaum ertragen konnte. Es wurde eine Weih­nachts­feier, wie sie niemand erwartet hätte, eine Feier voller Freude, Frieden und Dankbarkeit. Sturgis saß neben dem Pfarrer und bat ihn, die Strophen des neuen Liedes als Erinnerung an diesem Weihnachtstag in sein Gesangbuch einzutragen. Diese Bitte wurde ihm gerne gewährt. Aber auch Weissel hatte einen Wunsch: Er bat den Kaufmann, die für ihn wichtigste Zeile in diesem Lied zu unterstreichen. Ohne zu zögern ergriff er die Feder und unterstrich den ersten Satz der letzten Strophe: Komm, o mein Heiland Jesu Christi, meins Herzens Tür dir offen ist …“

Der Weg durch den Park des Kaufmanns Sturgis aber wurde fortan der Advents- oder Weih­nachtsweg genannt. Auch dann, als das kleine Kapellchen dem prächtigen Barockbau weichen musste, für den bereits im Jahr 1651 der Grundstein gelegt wurde. Der mächtige Turm der Altroßgärter Kirche mit dem für ihn charakteristischen Zeltdach, der 1683 errichtet wurde, dominierte das Roßgartenviertel, bis die Bomben auch diese ehrwürdige Königsberger Kirche zerstörten. Und noch andere Wege lassen sich zurückverfolgen.

Ein Wort, das in dem Adventslied nicht fehlen durfte, hat auch heute noch Bedeutung: Barmherzigkeit. Das berühmte Krankenhaus wurde nach dem Abriss des Armen- und Siechenheimes auf diesem Gelände am Hinterroßgarten errichtet.

Das Adventslied „Macht hoch die Tür“ ist lebendiges Liedgut geblieben und im Evangelischen Gesangbuch enthalten, wie auch weitere Lieder von Georg Weissel, der dem Königsberger Dichterkreis angehörte. Von seinen 20 Kirchenliedern werden „O Tod, wo ist dein Stachel“ und „Such wer da will ein ander Ziel“ noch heute gesungen. Das Weissel-Lied „Nun, liebe Seel, nun ist es Zeit“ verwendete Johann Sebastian Bach in der fünften Kantate des Weihnachtsoratoriums. Für den jungen Pfarrer hatte sich die Domtüre aber auch in anderer Hinsicht weit geöffnet: Georg Weissel heiratete 1624 die Tochter des Dompfarrers Georg Mylius. Leider wurde dem Paar kein langes Eheglück beschieden: Weissel verstarb bereits 1635, seine Frau Agnes folgte ihm sechs Jahre später. Ruth Geede


Weder Kanzler noch Präsident oder Fraktionschef
Das politische Ende des langjährigen Bundesinnen, -außen- und -verteidigungsministers Gerhard Schröder hatte etwas Tragisches

Gerhard Schröder war väterlicher- wie mütterlicherseits ostfriesischer Herkunft. Der Protestant war denn auch von norddeutscher Zurückhaltung, was ihm sein Politi­ker­dasein nicht unbedingt erleichterte. Sein Vater war preußischer Beamter in der Reichsbahndirektion, und wie viele damalige Beamtenkinder verlebte Gerhard Schröder Kindheit und Jugend fern der angestammten Heimat seiner Vorväter. Er wuchs in der Südwestecke Preußens, im Saarland, auf. In Saarbrücken kam er am 11. September 1910 zur Welt, in Trier machte er 1929 Abitur. Schon früh zog es den späteren Außenpolitiker in die Ferne. Sein Jurastudium begann er in der gegenüberliegenden Ecke Preußens, an der Albertina in Königsberg. Ein Auslandssemester verbrachte er in Edinburg, wo der spätere „Atlantiker“ die britische Lebensart kennen- und schätzen lernte.

Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten verhielt sich Schröder insoweit opportunistisch, als er bereits 1933 NSDAP-Mitglied wurde und in die SA eintrat. Andererseits war sein Verhalten zu Juden eher nonkonform. Als Rechtsanwalt arbeitete er in einer Kanzlei mit jüdischen Teilhabern, die rassisch Verfolgte unterstützte, und 1941 heiratete er mit der Bankierstochter Brigitte Landsberg die Tochter eines „Mischlings ersten Grades“. Im selben Jahr trat er in diesem Zusammenhang aus der NSDAP aus.

So verwundert es nicht, dass der Ausgang des Zweiten Weltkrieges dem Politiker Schröder trotz seiner ihm später vorgeworfenen NSDAP- und SA-Mitgliedschaft eher förder- denn hinderlich war. Schon im Juni 1945 wurde der anglophile Deutsche aus britischer Kriegsgefangenschaft entlassen und noch im selben Jahr Regierungsbeamter in der britischen Besatzungszone

Nach der Gründung der Bundesrepublik zog der Mitbegründer der CDU in den Bundestag ein. 1953 machte ihn Bundeskanzler Konrad Adenauer als Nachfolger seines früheren Chefs Robert Lehr zum Bun­des­innenminister. In dieser Funktion setzte sich Schröder für einen starken Staat mit einer starken Exekutive ein. Diese konservative Staatsauffassung belastete sein Verhältnis zu Sozialdemokraten wie Liberalen.

Seine Beziehungen zu SPD und FDP verbesserten sich jedoch, nachdem er 1961 von Heinrich Brentano das Auswärtige Amt übernommen hat­te. An der Spitze des Außenministeriums war Schröder in seinem Element, hier setzte er seine wichtigsten politischen Akzente. Nun begann aber auch die Abkühlung der Beziehungen zu seinem ihm bis dahin wohlgesonnenen Partei- und Regierungschef. Im Gegensatz zu seinem Chef sah der anglophile Kühle norddeutscher Abstammung das Heil der Bundesrepublik nämlich eher im Kielwasser der USA als in jenem Frankreichs. Im Sinne der US-amerikanischen Entspannungspolitik sowie auch der exportorientierten und -abhängigen westdeutschen Wirtschaft bemühte er sich über den Ausbau der Handelsbeziehungen um eine Normalisierung des Verhältnisses zu Osteuropa. Im Gegensatz zur späteren sozialliberalen Ostpolitik redete er jedoch weder einer Verzichtspolitik noch der Anerkennung der DDR das Wort.

Erleichtert wurde die Politik des Außenministers, als im Bundeskanzleramt an die Stelle des „Gaullisten“ Adenauer der „Atlantiker“ Ludwig Erhard trat. Ironischerweise waren es jedoch ausgerechnet die USA, die mit ihrer Besatzungspolitik der Arbeit des „Atlantiker“-Gespanns Erhard–Schröder ein schnelles Ende bereiteten. Nun begann Schröders politischer Abstieg. Er verlor den parteiinternen Machtkampf um Erhards Nachfolge gegen Kurt Georg Kiesinger und wurde in dessen Kabinett der Großen Koalition ins Verteidigungsministerium vermeintlich abgeschoben. 1969 verlor er die Präsidentenwahl gegen seinen Kabinettskollegen Gustav Heinemann. Und nach dem Gang in die Opposition und dem Rücktritt des Fraktionsvorsitzenden Rainer Barzel unterlag er 1973 bei der Wahl für dessen Nachfolger seinem eigenen früheren Staatssekretär Karl Carstens. 1980 schaffte er es gar nicht einmal mehr auf die Landesliste, was sein Ende als Bundestagsabgeordneter bedeutete. Vor 25 Jahren, am 31. Dezember 1989, starb Gerhard Schröder in Deutschlands hohem Norden auf seiner Ferieninsel Sylt. Manuel Ruoff


S. 12 Leserforum

Leserforum

Putin sollte sich der historischen Wahrheit stellen

Zu: Beschwiegene Verbrechen (Nr. 41)

Von Putins neuem Gesetz vom 5. Mai dieses Jahres, das auch die angebliche Diffamierung russischer Kriegshelden und Befreier unter Strafe stellt, bin ich wirklich enttäuscht. Putin weiß doch, was für ein Elend und welche Versklavung das kommunistische System vielen Völkern bis zu uns und bis an die Elbe gebracht hat. Von nun an darf auch in Russland nur noch politisch korrekt gedacht und geschrieben werden. Ein Alexander Solschenizyn müsste heute wieder irgendwo um Asyl bitten. Schade!

Bei der brutalen, rechtswidrigen Vertreibung aus Ost- und Westpreußen, Schlesien und Pommern mit zirka 2,5 Millionen Deutschen waren meist Frauen und Kinder als Opfer zu beklagen. Das muss nun weiter unter dem Teppich bleiben. Um der Gerechtigkeit willen muss aber auch gesagt werden, dass die „Großen Drei“ in Potsdam dieses Verbrechen gemeinsam abgesegnet haben mit dem Ziel, Deutschland kleinzumachen, was ja auch ziemlich gut gelungen ist.

Deutschland, der angebliche Friedenstörer, stellt heute aber keine Gefahr mehr dar. Auch in diesen Zeiten wird weiter gekämpft, Ströme von Blut fließen, Millionen sind auf der Flucht. Aber aus heutiger Sicht Deutschland für alles Übel in der Welt verantwortlich zu machen, wirkt schon lächerlich. Herr Putin, bitte stellen Sie sich der Wahrheit, denn: Nur die Wahrheit macht uns frei.

Marta Hauptmann, Farmington Hills, Michigan/USA

 

 

An die Gurgel gegangen

Zu: „Gender statt Geschichte“ (Nr. 46)

Den Bericht aus Berlin habe ich schmunzelnd gelesen – man kommt am besten mit dem Bildungsquatsch auf diese Weise zurecht. Meine Zeit an zwei Gymnasien im Bodenseeraum umfasst einige Epochen der Bildungsreform (1968–2005), bei denen es meinem Studienfach Geografie immer mehr „an die Gurgel ging“.

Da ich auch fachfremd in Geschichte eingesetzt wurde, habe ich die Gelegenheit wahrgenommen, die Ostkolonisation des Mittelalters fächerverbindend zu untersuchen und hoffte, damit den Blick der Schüler geschichtlich auf die deutschen Ostgebiete zu lenken. Die Geografielehrer kämpften vergeblich gegen die Geschichte als Fach im Stundenpool, und in den fast 40 Jahren wurde dieser Bereich zunehmend politisiert. Folge: in Klasse 9/10 kein Geografieunterricht mehr (Verlust des Raumbezugs), in Klasse 11 eine Wochenstunde ganzjährig oder maximal 19 Stunden halbjährlich. Darin waren zu behandeln: die naturwissenschaftlichen Grundlagen (Klima, Boden, Geologie, Wasser), in zwei Wochenstunden. Klasse 12: Entwicklungsländer (naturwissenschaftliche Grundlagen, Geschichte, Wirtschaftsformen), Wirtschaft der DDR und BRD im Vergleich der Industrieräume, Energieversorgung, Bodenschätze, Weltwirtschaft, Handelspolitik und Handelsströme.

Man kann sich sicher den Stoff-Druck vorstellen. Ich verzichtete deshalb in Klasse 11 auf die Dis­kussion über die Atomenergie trotz umfangreicher Fortbildung zum Beispiel am Kernforschungszentrum Karlsruhe und überließ das den Physikern. Die zunehmende Politisierung des Themas konnte ich kopfschüttelnd verfolgen, von der Klima-Ideologie blieb ich zum Glück verschont. Jeder kleine „Schulanfänger“ am Gymnasium belehrte mich wortreich über schädliche Atomstrahlung oder über das Waldsterben, während die Kinder wohlhabender Baden-Württemberger mich mit ihren Ägyptenreisen erfreuen wollten – dafür reichten die 45 Stunden natürlich nicht aus.

In den letzten zehn Jahren vor der Pensionierung hatte ich mich als Fachleiterin Geografie mit den neuen Fachbündelungen Klasse 5/6, Naturphänomene und EPG (drei Wochenstunden Erdkunde, Politik, Geschichte), auseinanderzusetzen. Deshalb mein Schmunzeln: Hat Berlin erst jetzt ent­deckt, dass man das Raum- und Zeit-Bewusstsein so gut durch einen politischen Einheitsbrei überprägen kann, womit der Ideologisierung Tür und Tor geöffnet wird? Zunahmen des Dienstleistungssektors erübrigen ja auch Kenntnisse über den Limes.

Doch ich möchte schließen. Ich war übrigens Lehrerin vor und nach den Ostverträgen, vor und nach den Subventionen für Zonenrandgebiete, vor und nach der Wende, nach 1968, nach dem Verlust europäischer Kolonialreiche und dessen Folgen und während der Globalisierung und Vergrößerung der europäischen Vernetzung.

Mechthild Staesche, Markdorf

 

 

Kein »Überfall«

Zu den Leserbriefen: Keine Unschuldslämmer (Nr. 45) und: Der Krieg hatte viele Väter (Nr. 48)

Im August 1939 besuchte uns ein befreundeter Arzt aus Nordhorn (Niedersachsen) in Zoppot bei Danzig. Er war ein großer Verehrer Hindenburgs und wollte am nächsten Tag die Weiterreise zum Tannenbergdenkmal antreten. Meine Eltern begleiteten ihren Gast am folgenden Tag zum Hafen nach Danzig. Dort erschienen plötzlich polnische Flugzeuge, die auf alles schossen, was sich bewegte. Meine Mutter sagte, sie seien um ihr Leben gerannt. Der Arzt habe erschrocken gesagt: „Mein Gott! Was ist denn das? Mitten im Frieden! Unter diesen Umständen fahre ich lieber sofort nach Nordhorn zurück.“

Von einem „Überfall“ auf Polen kann überhaupt keine Rede sein. Wenn Hitler in der Nacht des 1. September 1939 sagte, ab heute wird zurückgeschossen, so hatte das seine volle Berechtigung.

Karin Khemlyani-Albrecht,Bendestorf

 

 

Es wird wieder gesundes Essen produziert, doch es merkt keiner

Zu: Von wegen „Besser-Esser“ (Nr. 43)

Als langjähriger Leser der Preußischen Allgemeinen Zeitung verfolge ich als ein auf Nutztiere spezialisierter Tierarzt die unterschiedlichen Leserbrief-Kommentare und die dazu passenden Artikel. Schon die Begriffe „Massentierhaltung“, „minderwertiges Fleisch“, „Tierquälerei“ oder „mit Antibiotikaresten verseuchtes Fleisch“ stoßen bei mir auf regen Widerspruch.

Ich nehme mir jetzt mal die Zeit, dagegen einen Leserbrief zu verfassen. Ich denke doch, dass diese Schreiber wenig Ahnung davon persönlich haben, was sich in den letzten 20 Jahren für dramatische Veränderungen in Deutschland in der Nutztierhaltung abgespielt haben. Früher waren die Kühe angebunden in dunklen, alten Ställen. Seit dieser Zeit werden nur noch moderne, luftige Ställe mit viel Licht genehmigt und gebaut; jede Kuh hat ausreichend Platz zum Liegen und Bewegen. Die Kälber kommen gleich nach der Geburt an die frische Luft und wachsen in Gruppen frei sich bewegend auf. Die durchschnittliche Anzahl von Kühen in deutschen Ställen liegt zurzeit bei unter 100 Tieren. Jedes Stück Fleisch wird auf Rückstände inklusive Antibiotikarestmengen untersucht. Dabei gibt es eine Beanstandungsquote von unter 0,1 Prozent.

Trotzdem hat sich die Tiermedizin verpflichtet, auch hinsichtlich der Resistenzbildung von Antibiotika in der Humanmedizin eine genaue wissenschaftlich fundierte Umgangsweise und Reduzierung des Einsatzes von Antibiotika ab 2014 durchzuführen. Von der Humanmedizin dagegen wird der berühmte „Finger“ gerne abgelenkt und auf Landwirtschaft und Veterinäre gezeigt.

Und im Endeffekt liegt alles in der Hand der Verbraucher: Ist er bereit, für gesunde Nahrungsmittel angemessene Preise zu bezahlen, oder nicht. Ab Januar 2015 wird der Preis für Milch und deren Produkte massiv einbrechen, so viel steht jetzt schon fest. Das heißt, viele Landwirte werden wieder aufhören oder pleite gehen, ebenso hören viele Familienbetriebe auf, die Schweine halten, weil keiner ihre Ferkel kauft, geschweige denn Mastschweine abnimmt. Man kann dabei ruhig von einem Bauernsterben reden.

Der Verbraucher will zwar gute Produkte, ist aber nachweislich nur wenig daran interessiert, gutes Geld dafür auszugeben. Das spielt natürlich auch den fünf großen Lebensmittelkonzernen den Ball zu, die den Preis jederzeit drücken können.

All das kann der durchschnittliche deutsche bäuerliche Betrieb nicht mehr lange durchhalten. Überleben werden nur die Großbetriebe, oder es muss dann aus dem Ausland importiert werden. Das heißt aber auch: Viele Standards, die hier üblich sind, gelten dann nicht so schnell wie bei uns. Man sehe nur die Legebatterien, die von Deutschland abgebaut dann nach Osteuropa gingen und dort noch viele Jahre Batterie-Eier auf den deutschen Markt bringen dürfen.

Natürlich kann sich jeder auch vegetarisch ernähren, aber unsere Zivilisationskrankheiten kommen nicht vom Urprodukt, sondern von der Lebens- und Ernährungsweise des deutschen Bürgers, was ja auch gefördert wurde durch die Auflösungstendenzen der gemeinsamen familiären Esskultur, bedingt durch die Veränderungen in der Arbeitswelt in Deutschland.

Dr. Volker Daum, Fachtierarzt, Bayreuth


S. 13 Das Ostpreußenblatt

Vorboten einer Rezession
Nördliches Ostpreußen von Sanktionen besonders hart betroffen – Rückgang des Lebensstandards

Seit über einem  Jahr schwächelt die russische Wirtschaft. Die Sanktionen des Westens haben diesen Prozess beschleunigt, das russische Embargo gegen westliche Waren stürzt importabhängige Regionen wie das nördliche Ostpreußen in eine tiefe Krise. Die Bewohner richten sich darauf ein, im kommenden Jahr den Gürtel noch enger zu schnallen als derzeit schon.

In der ersten Novemberhälfte war trotz des anhaltenden Rubelverfalls in den Banken und Wechselstuben des Königsberger Gebiets noch keine Aufregung zu bemerken. Vereinzelt gab es eine höhere Nachfrage nach Euro und Dollar, wobei sich der Euro aus geografischen Gründen im Gebiet einer höheren Nachfrage erfreut als in Zentralrussland, wo das Interesse am Dollar immer höher war. Da viele Bewohner des nördlichen Ostpreußens öfter ins benachbarte Polen oder nach Litauen zur Erholung oder zum Einkaufen fahren, ist auch die Nachfrage nach polnischen Złoty gestiegen.

Seit Ende November hat sich die Situation im nördlichen Ostpreußen jedoch rapide verschlechtert. Der Rubel stürzte Mitte Novemberinnerhalb weniger Tage um 20 Prozent im Vergleich zum Euro/Dollar. Als der Kurs des Rubel unter zwei US-Cent und 1,5 Euro-Cent gefallen war, stürmten die Königsberger die Banken. Der hohe Andrang führte schnell zu einem Bargeldmangel an den Kassen. Die Banken gingen dazu über, den Währungsverkauf auf 2000 bis 3000 Euro zu begrenzen und einige Bankfilialen erklärten, dass sie über gar keine Valuta mehr verfügten. Diese Begrenzung führte dazu, dass noch mehr Bankkunden Valuta kaufen wollten, ganz gleich zu welchem Kurs. Laut einer Prognose des Ministeriums für Wirtschaftsentwicklung wird bis Jah-resende eine Inflationsrate von zehn Prozent erwartet. Es ist aber bereits mit bloßem Auge erkennbar, dass die reale Teuerung weit über diesem Wert liegt. Infolge des Embargos verteuern sich besonders Lebensmittel. Stiegen die Preise im August, als die Sanktionen verhängt wurden, bis Ende Oktober noch relativ langsam, so stiegen sie seit der Rubelschwäche im November und Anfang Dezember sprunghaft an.

Die ursprüngliche Besorgnis, dass das Produktsortiment an Nahrungsmitteln eingeschränkt werden könnte, hat sich nicht bewahrheitet. Dafür drücken tägliche Preissteigerungen die Menschen. Besonders Fisch ist für viele unerschwinglich. Vor allem der heimische Dorsch ist teuer, da ein Großteil des Fangs exportiert wird. Die Läden verlangen jetzt den doppelten Preis. Auch heimischer Lachs ist teurer geworden. Weniger bedeutend ist die Verteuerung von Geflügel, während der Schweine- und Rindfleischpreis allmählich steigen. Die Preise für Obst und Gemüse schwanken ständig. Im Hinblick auf die bevorstehenden Weih-nachts- und Neujahrsfeiertage fragen sich viele, wie viel es sie mehr kosten wird, den Weih-

nachtstisch zu füllen. Zurzeit verkaufen die Läden noch Waren aus Lagerbeständen, die sie zu günstigeren Preisen eingekauft haben. Doch bald schon werden neue Waren eintreffen, die dann mit Sicherheit teurer sein werden.

Auch Autos werden schnell teurer. Obwohl die Mehrheit der ausländischen Autos in russischen Fabriken montiert wird, kommen die meisten Teile aus dem Ausland und werden in Euro gehandelt. Noch versuchen die Autohändler den Preis zu halten, indem sie in Sonderaktionen Rabatte gewähren. Dennoch stockt der Verkauf von Neuwagen in diesem Jahr bedrohlich. Ein weiterer Preisanstieg dürfte die Branche in die Krise stürzen.

Ladeninhaber scherzen bereits darüber, dass sie nicht voraussagen können, inwieweit die Preise stabil bleiben, weil die Entwicklung des Rubelkurses unberechenbar sei. Einige Verkäufer halten Waren zurück, indem sie den Kaufinteressanten sagen, das Produkt sei bereits reserviert oder schon bezahlt und nur noch nicht abgeholt.

Um ihr Geld irgendwie vor der völligen Entwertung zu retten, kaufen die Königsberger Technikartikel: Fernseher mit großen Bildschirmen, teure Notebooks, Fotoapparate und Möbel sind die Renner.

Möbelhersteller sind bereits alarmiert, zählt die Möbelbranche doch zu den führenden in der Region. Ein Großteil der Produktion geht nach Russland. Königsberger Unternehmer, und nicht nur die Möbelhersteller, stecken in einer besonders schwierigen Situation. Fast alle Komponenten für den Produktionsprozess kommen aus westeuropäischen Ländern. Da sie in Euro gehandelt werden, führt dies unweigerlich zu einer Verteuerung der Produktion, aber die Unternehmer können diese Preissteigerung nicht einfach weitergeben, da die Kaufkraft der Käufer zusehends abnimmt. Um die Gewinneinbußen zu minimieren, müssen sie Mitarbeiter entlassen.

Der Rubelverfall bereitet den Menschen im Gebiet auch deshalb Sorgen, weil viele von ihnen traditionell die Weihnachtstage in Polen oder Litauen verbringen. Jetzt werden die meisten auf diese Reisen verzichten müssen. Auch die Anziehungskraft polnischer Läden lässt nach, da die Waren dort jetzt nicht mehr billiger sind als zu Hause. Darüber sind auch die polnischen Nachbarn besorgt, die bereits einen großen Kundenrück-gang spüren.

Der Kleine Grenzverkehr hatte dazu geführt, dass Einkaufszentren und Möbelläden, Lebensmittel sowie Technik- und Bekleidungsläden wie Pilze aus dem Boden schossen. Kunden kamen aus dem nördlichen Ostpreußen nach Zoppot und Danzig, besuchten regelmäßig Cafés, Restaurants und ähnliches. Das war ein spürbarer Stimulus für die wirtschaftliche Entwicklung der grenznahen Region der Repbulik Polen. Unter der sich negativ entwickelnden wirtschaftlichen Situation leiden die Bewohner beiderseits der innerostpreußischen Grenze.

Und im neuen Jahr müssen besonders die im nördlichen Ostpreußen den Gürtel noch enger schnallen, wenn die Ölpreise sich nicht stabilisieren. Ansonsten wird die Inflation noch schneller voranschreiten. J. Tschernyschew


Palmburger Brücke wird abgetragen
Pläne für Erhalt wurden verworfen – Viele Königsberger bedauern Entscheidung der Stadtregierung

Die bewegte Geschichte der „Berliner Brücke“ genannten Palmburger Brücke über den Pregel am Stadtrand Königsbergs aus dem Jahr 1938, die in den vergangenen Jahrzehnten eines der bedeutendsten Wahrzeichen Königsbergs war, ist dem Ende geweiht. Zwar ist das Bauwerk unter Touristen nicht so bekannt wie der Dom oder das Haus der Räte, aber beinahe jeder hat wenigstens einmal von ihr und ihrer bemerkenswerten Geschichte gehört.

„Berliner Brücke“ wird sie genannt, weil sie einst als Verbindung von Königsberg nach Berlin eingerichtet wurde. Die Brücke war wie das Haus der Räte ein Wahrzeichen für die Region und ihre Bewohner. Nach ihrer Zerstörung während der Kampfhandlungen des Zweiten Weltkriegs ragten ihre zwei Hälften aus dem Pregel heraus. Es sah so aus, als bräuchte es nicht viel, um sie wieder in den alten Zustand zu versetzen.

Heute verbindet eine neue moderne Brücke die beiden Ufer, während die alte Palmburger Brücke bald Geschichte ist. Das bedauern viele Anwohner Königsbergs. Auch die mit dem Abriss beauftragten Bauarbeiter drückten ihr Bedauern aus, als der Verfasser dieser Zeilen einiger der letzten Stunde der Brücke filmte. Ein Mann mittleren Alters brachte seine Gefühle zum Ausdruck: „Ich lebe seit meiner Geburt in der Stadt. Deshalb kann ich mich gut daran erinnern, wie ich als Junge über die Brücke gelaufen bin. Das war zwar gefährlich, aber wahnsinnig interessant. Und als einmal ein Film hier gedreht wurde, kamen alle Kinder aus der Nachbarschaft angelaufen. Sie wollten sehen, wie die berühmten Filme gemacht werden, die anschließend in allen Kinos des Landes gezeigt wurden.“ Auf der Brücke wurden Episoden zahlreicher sowjetischer Kriegsfilme gedreht, die in ganz Russland gezeigt wurden.

Viele Königsberger bedauern die Entscheidung der Stadtregierung, die Brücke abzureißen, anstatt sie, wie geplant, wieder aufzubauen und als Entlastungsstrecke weiter zu nutzen. Unter ihnen ist auch Gouverneur Nikolaj Zukanow, der sagte: „Wie viele Bewohner der Stadt bin ich auch hier geboren und mit ihnen hatte ich gehofft, dass die Brücke die Stadt verschönern würde. Es ist zwar keine direkte Zierde, sondern eher eine Erinnerung an die Geschichte, wie ein Freilichtmuseum.“

Obwohl Experten meinten, der Erhalt der Brücke sei nicht möglich, hätte sie zumindest als Sehenswürdigkeit dienen können, zumal die Stützen so gut erhalten sind, dass sie eine neue Brücke getragen hätten. Die Abrissarbeiten sollen bis Mitte Januar beendet sein. Die Bauarbeiter bezweifeln jedoch, die Arbeiten bis dahin erledigen zu können, da die Brückenkonstruktion sehr solide ist. J.T.


MELDUNGEN

Bürgerwille entscheidet

Tilsit – Anwohner einer im Süden der Stadt gelegenen Straße, in der jüngst Dutzende von schmucken Eigenheimen entstanden sind, wünschten sich als künftige Adresse „Tilsitskaja Uliza“, also Tilsiter Straße, und stellten einen entsprechenden Antrag an die Stadtverwaltung. Dem Antrag wurde am 1. November mit Beschluss Nr. 1012 stattgegeben. Die Widmung der Tilsiter Straße ist ein weiterer Schritt zu dem Tag, an dem Tilsit seinen alten Namen und damit seine historische Würde zurück-erhalten wird. H.Dz.

 

Flughafenausbau wegen Fußball

Powunden – Wie der russische Sportminister Witalij Mutko bei seinem Besuch in Königsberg am 6. Dezember bestätigte, wird die Ostpreußenmetropole nun doch Austragungsort der Fußballweltmeisterschaft 2018. Zuvor hatte es Zweifel daran gegeben, dass die Stadt den Infrastrukturanforderungen der FIFA gerecht werden könne. Zu diesem Zweck soll nach Angaben des Ministers unter anderem der Flughafen in Powunden [Chrabrowo] massiv ausgebaut werden. Zu den neuen Planungen gehört der Bau von „mehr als 50“ Passkontrollstellen, durch die man bis zu 1120 Passagiere pro Stunde abfertigen will. Schon seit 2013 finden im Flughafenbereich umfangreiche Baumaßnahmen statt. Hierunter fallen eine Verdoppelung der Fläche des Terminals 1 auf 50000 Quadratmeter und eine Verlängerung der Piste von 2,5 auf 3,4 Kilometer. TWW

 

Störungen des Verkehrs

Straße Nr. S7g: Preußisch Holland [Pasłak] – Mal-deuten [Małdyty], Baustelle. Straße Nr. 15: Kauernik [Kurzetnik], Randstreifenarbeiten. Straße Nr. 16: Sensburg, Olsztynska Straße, Baustelle; Barranowen [Baranowa], Baustelle; Erlenau [Olszewo] – Arensfelde [Mikosze], Baustelle. Straße Nr. 22: Elbing (Elblag) – Fichthorst [Jegłownik], Baustelle. Straße Nr. 54: Glinka – Braunsberg [Braniewo], Baustelle; Braunsberg [Braniewo], Baustelle. Straße Nr. 58: Kurken [Kurki], Brückenbau, einspurig; Alt Keykuth [Stare Kiejkuty] – Marxöwen [Marksewo], Baustelle. Straße Nr. 59: Salza [Zalec] – Muntowen [Muntowo], Baustelle. Straße Nr. 63: Angerburg [Wegorzewo], Zamkowa Straße, Erneuerung der Fußgängerzone; Spirgsten [Spytkowo] – Grünhof [Gajewo], Baustelle. Straße Nr. 65: Reimannswalde [Kowale Oleckie] – Seedranken [Sedranki], Baustelle; Herzogskirchen [Gaski] – Przytullen [Przytuły], Baustelle; Przytullen [Przytuły] – Stradaunen [Straduny], Baustelle. E.G.


S. 14 Ostpreussische Familie

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

es bleibt unvergessen, das letzte Weihnachtsfest in unserer Heimat Ostpreußen kurz vor der großen Flucht. Als wir Anfang November auf Wunsch von Frau Viola Kleppe aus Rösrath unsere Leserinnen und Leser baten, ihre Erinnerungen an Weihnachten 1944 aufzuschreiben und an uns zu senden, hofften wir, dass wir wenigstens einige Zuschriften bekommen würden, denn die Zeitspanne bis zu einer geplanten Veröffentlichung in unserer Weihnachtsausgabe war sehr kurz. Wir waren überrascht, wie schnell die ersten Beiträge eintrafen und wie präzise und lebendig die nun 70 Jahre zurückliegenden Ereignisse beschrieben wurden, so dass es schon früh absehbar war, dass sich der Wunsch der Historikerin nach einer möglichst breit gefächerten, authentischen Schilderung des letzten Weihnachtsfestes in Ostpreußen vor der Vertreibung erfüllen würde. Das Thema interessierte sie nicht nur als Tochter eines Königsbergers, der sein letztes Weihnachten in seiner Heimatstadt noch als fröhliche Feier in Erinnerung hatte, sondern auch aus wissenschaftlich-historischen Gründen. Frau Kleppe wird über ihre Eindrücke und Erkenntnisse, die sie aus den Zuschriften gewonnen hat, für unsere Zeitung schreiben – wir wollen heute ohne Kommentar einige Beiträge veröffentlichen, die aufzeigen, wie unterschiedlich unsere Landsleute dieses Christfest erlebten und in der Erinnerung behielten, obgleich sie ja damals noch Kinder waren. Das ist unser Beitrag zum Weihnachtsfest 2014, und einen schöneren könnten wir als Ostpreußische Familie uns auch nicht wünschen.

Beginnen wir mit den Erinnerungen der Schriftstellerin Hannelore Patzelt-Hennig an ihr Weihnachten 1944, das sie nicht mehr in dem Dorf an der Memel verbrachte, wo sie bei ihren Großeltern lebte. Sie waren unter Kanonendonner mit Pferd und Wagen geflohen und hatten nun eine längere Bleibe auf einem Hof bei Braunsberg gefunden. Und hier sollte das Kind mit seiner Mutter und den Großeltern das Weihnachtsfest erleben, das so ganz anders verlief als zu Hause und ihnen doch die letzten glücklichen Stunden in der Heimat bescherte.

„Das Zimmer, in dem die Großeltern, meine Mutter und ich lebten, war kahl und schmucklos. An den Wänden hing nichts außer einer kleinen Landkarte von Europa, die Großvater an einen bereits vorhandenen Nagel gehängt hatte. Es gab in dem Raum außer dem Kachelofen nur zwei Bettgestelle, einen Tisch und ein paar Stühle. Außer diesem Zimmer stand uns noch ein winziges Gelass zur Verfügung, in dem wir einen Teil unseres Fluchtgepäcks untergebracht hatten. Dinge, die wir nicht auf dem Fluchtwagen lassen wollten, der schon ungefähr zwei Monate auf dem Hof unserer Wirtsleute stand. Meine jetzige Freiheit sah ich auf diese Räume beschränkt – eine Begrenzung, an die ich Siebenjährige mich erst gewöhnen musste. Auf dem Bauernhof meiner Großeltern überall mit dabei gewesen – in Haus, Stall, Scheune, Garten, auf Wiese und Feld – fiel mir das schwer. Am meisten vermisste ich die Tiere, die zu meinem Leben gehört hatten. In den fremden Stall nahm mich Großvater nicht mit, wenn er unsere dort untergebrachten Pferde füttern ging. „Wir wollen uns hier so unaufdringlich wie möglich verhalten“, so hörte ich immer wieder von den Großeltern. Aber ich hatte auf dem teppichfreien Fußboden in unserem großen Wohnraum genügend Platz zum Spielen. Meine Gefährtin war ein Mädchen aus unserem Treck, das mit Eltern und Bruder in einer Stube über uns untergebracht war. Wir dachten oft an unsere Spielsachen, die wir zurücklassen mussten. Und unsere Hoffnung, dass bei der Weihnachtsbescherung etwas zum Spielen unter dem Tannenbaum liegen möge, war groß. Wir lernten ein Weihnachtsgedicht nach dem andern, sangen Weihnachtslieder, auch Choräle, die Großvater uns beibrachte.

Und dann kam der Heilige Abend. Ein gar nicht so kleiner Tannenbaum stand plötzlich in der Stube, geschmückt mit Kugeln, Kerzen und Lametta. Jetzt war wirklich Weihnachten! Bald fiel mir aber auf, dass ich von dem Weihnachtsschmuck kein Teil kannte. Ich vermisste vor allem meine Lieblingskugeln, die mokkabraunen, mit Goldfäden überspannten. Auch die bunten Vögel, die zu Hause auf den Ästen gesessen hatten, entdeckte ich nicht. Gar keinen Gefallen fand ich an der Baumspitze, deren Rand keine Glöckchen hatte, die unsere Spitze so schön machten. Als ich danach fragte, hieß es: ,Unseren Baumschmuck haben wir nicht mit: Du weißt doch, wie voll der Wagen schon vom Nötigsten war.‘ Bald darauf wurde Kaffee getrunken. Mutter wirkte sehr betrübt. Bis zuletzt hatte sie auf ein Lebenszeichen von Vater gehofft, der an der Westfront kämpfte. Aber es war keines eingetroffen. Ich blickte auf den Weihnachtsbaum. Es dauerte ja nicht mehr lange, und der Heilige Abend war da. Die Freude darauf verdrängte alles in meinem Herzen.

Dann war es soweit. Die Kerzen brannten, ich sagte drei Gedichte auf und dann sangen wir die alten Lieder. Nachdem ,Stille Nacht, heilige Nacht‘ verklungen war, durfte ich die Päckchen aufmachen, die unter dem Weihnachtsbaum lagen. Sie enthielten selbstgestrickte Kleidungsstücke für mich und ein Mäntelchen für meine Puppe, das ich mir so sehr gewünscht hatte, denn sie war kurzärmlig auf die Flucht gegangen. Tief unter die Äste des Weihnachtsbaumes geschoben entdeckte ich dann noch einen flachen Karton. Sein Inhalt ließ mich jubeln: Es waren Bauernhoftiere in handlicher Größe, Pferde, Kühe, Schafe, Hühner, und auch ein Hund war dabei. Schwarz wie unser Mohrchen, den wir zurücklassen mussten mit all den anderen Tieren, bis auf die beiden Pferde für den Fluchtwagen. Über dieses Geschenk freute ich mich am meisten, ja, ich barst fast vor Seligkeit! Weihnachten hatte sich damit für mich erfüllt. Trotz allem, was wir entbehrten.“

Ja, die Tiere waren es, von denen der Abschied am schwersten fiel. Und das war nicht nur der Hund, das Katzchen, das „Truschchen“, wie das Kaninchen zärtlich genannt wurde, das konnte auch ein Fohlen, ein Kälbchen, ein Lämmchen sein – oder sogar eine ausgewachsene Gans! Für die kleine Christa war jedenfalls der Sommer mit ihrem Paulinchen der schönste ihrer Kindheit, denn sie hatte das von der Muttergans verstoßene Gisselchen aufgezogen, so dass es seine Ziehmutter auf Schritt und Tritt verfolgte. Sogar bis in die Schule, wo Paulinchen laut schnatternd auf dem Schulhof stand und nicht Ruhe gab, bis Christa schulfrei bekam und sie gemeinsam nach Hause zogen, wo sie nach Paulinchens Ansicht auch hingehörten. Aber nun stand Weihnachten vor der Türe. Ihr letztes Weihnachtsfest in der ostpreußischen Heimat blieb für Christa Jedamski aus Eschborn bis heute unvergessen. Lassen wir sie erzählen: „Es war Weihnachten 1944, das letzte Weihnachtsfest im Kreis der gesamten Familie. Keiner wollte so recht daran glauben, aber jeder ahnte es. Die Erwachsenen liefen geschäftig hin und her, sie hatten sorgenvolle Gesichter, es kam keine rechte Vorweihnachtsstimmung auf, nur wir Kinder warteten wie immer ungeduldig auf das schönste Fest des Jahres. Es war bitterkalt, draußen auf der Straße zogen deutsche Militärkolonnen vorbei, die Panzerketten rumpelten und schoben den verschmutzten Schnee zur Seite. Wir Kinder saßen am Fenster und hauchten Gucklöcher in die vereisten Fensterscheiben. Flüchtlingstrecks standen längst der Straße, die kleine Stadt war heillos verstopft von Pferdefuhrwerken. Militärfahrzeugen und den Menschen, die zu Fuß flüchteten. Es lag etwas Bedrohliches und Unheilvolles über unserer Stadt, obgleich der Himmel sein schönstes Blau zeigte. Unser Haus war voll mit Flüchtlingen, die nur eine kurze Rast machen wollten. Die Pferde waren abgeschirmt und standen in den warmen Ställen, um neue Kräfte für die lange und entbehrungsreiche Fahrt in das ,Land Irgendwo‘ zu schöpfen.

Großvater, der von Fenster zu Fenster gegangen war und stumm den Vorbeimarsch der Menschenzüge verfolgte, wurde auf einmal ruhiger. Sein Körper straffte sich, als hätte er einen Entschluss gefasst, der keinen Aufschub duldete. Er ging in die Küche, wo die ganze Familie beisammen war, und sagte, dass das Vieh geschlachtet werden müsse. Hilfreiche Hände gäbe es genug, und wir könnten alle zusammen noch einmal richtig Weihnachten feiern. Und die armen Soldaten sollten mal was Anständiges in den Bauch bekommen. Nun entstand eine Hektik in der Küche, und ich bekam es mit der Angst zu tun. Voller Schrecken dachte ich an mein Paulinchen – jetzt würde sie auch dran sein! Ich musste ihr Leben retten. Großvater war mein bester Freund, zu ihm konnte ich immer mit all meinen Sorgen kommen, der wüsste bestimmt Rat, was zu tun wäre. Also ganz schnell zu Großvater – aber wo war er denn bloß? Ich rannte über den Hof, in die Ställe – nichts. Doch da hörte ich seine Stimme von der Straße her. Dort stand er mit Großmutter bei den Soldaten, die von ihren Panzern abgestiegen waren und auf den Weitermarsch warteten. Beide verteilten heißen Tee, aber ich glaube, es war Grog. Großvater mochte keinen „trockenen“ Tee! Meine Mutter schleppte mit Tante Minchen einen Wäschekorb mit dick beschmierten Broten herbei, und sie verteilten alles an die „armen Jungs“, wie Großvater sich ausdrückte.

Und nun kam auch ich noch mit meinem großen Kummer. Ob er auch ein bisschen Zeit für mich hatte? Er hatte sie – nahm mich an die Hand und hörte zu, schob seine Mütze in das Genick, wie er es immer tat, wenn er angestrengt nachdachte, und sagte dann: ,Komm, das werden wir auch noch schaffen!‘ Schnell gingen wir in den Gänsestall, füllten einen Kartoffelkorb mit Stroh, setzten Paulinchen hinein, und ab ging es über den Wirtschaftshof in das Haus und in mein Zimmer. ,So‘, sagte mein Großvater, ,das hätten wir geschafft, du musst nur aufpassen, dass sie nicht zu viel Krach macht, die Schnatterliese.‘ Ach, war ich froh über Paulinchens Rettung!

Und dann kam der Heilige Abend. Ein großer Tannenbaum stand diesmal in der Scheune, um ihn waren Strohballen aufgestapelt, auf denen wir saßen, die Stalllaternen spendeten ein flackerndes Licht. Es schneite, in der Ferne hörte man das Wummern der Stalinorgeln. Großvater fing an ,Stille Nacht‘ zu singen, zitternd fielen nach und nach auch andere Stimmen ein – da gingen plötzlich die Scheunentore auf. Das Lied verstummte, Entsetzen stand in allen Augen. Aber es waren deutsche Soldaten, die da standen und unter ihnen mein Vater, der für zwei Tage Fronturlaub bekommen hatte. Überrascht sahen sie auf die um den Tannenbaum Versammelten, und ein Soldat sagte leise: ,Wie im Stall zu Bethlehem!‘ Und sie bekamen alle Platz in der Scheune. So andächtig war es noch nie in der Kirche gewesen, aber auch noch nie so voller Ängste und Ungewissheit. Als dann Essen und Trinken verteilt wurden, verflogen Traurigkeit und Wehmut für einige Stunden. Und Paulinchen? Sie schlief vor meinem Bett, als ich müde und schlaftrunken in mein Zimmer gebracht wurde. Leise gluckste sie vor sich hin, als ich behutsam ihr Gefieder streichelte. Wovon sie wohl geträumt haben mag? Von einer grünen saftigen Wiese am See?“

Aber die würde sie leider nie mehr erleben. Denn einige Tage später reihte sich auch Christas Familie in den Flüchtlingsstrom ein. Paulinchen musste zurück bleiben, und schrie ihren Abschiedsschmerz dem Treckwagen hinterher. „Ich fühlte, wie mein Kinderherz zerbrach“ beendet Christa Jedamski ihre Erinnerung an die letzte Weihnacht zu Hause.

Für den Heiligenbeiler Martin Coch war es noch ein friedliches Fest, jedenfalls spürte das Kind nichts von der Vorahnung, die schon die Erwachsenen hegten wie seine Erinnerung beweist: „Auch wenn es schon 70 Jahre her ist, kann ich mich an das letzte Weihnachtsfest in Heiligenbeil/Abbau noch gut erinnern. Es muss ein richtiger Winter gewesen sein, denn mein Vater war einige Tage vor dem Fest wie in jedem Jahr mit uns Kindern mit dem großen Pferdeschlitten in die Damerau gefahren, um Weihnachtsbäume für den Hof und unsere Instleute zu schlagen. Die Damerau war das große Waldgebiet im südlichen Teil des Kreises Heiligenbeil zwischen Vorderwalde und Sonnenstuhl, das für seine schönen Fichtenbestände bekannt war. Unvergessen bleibt, wie uns auf der Rückfahrt die in der Kälte dampfenden Pferde unter dem Gebimmel der Schlittenglocken den steilen Berg aus den Tälern der Bahnau und Omaza hinaufzogen. Ein paar Minuten später war unser Hof erreicht, und es wurde abgeladen.

Am Heiligabend versammelte sich wie immer die Familie nach Einbruch der Dunkelheit im festlich geschmückten Wohnzimmer vor dem mit Christbaumkugeln und Lametta behängten Weihnachtsbaum, auf dem die selbst gefertigten Wachskerzen leuchteten. Meine Schwester Luise setzte sich an Mutters Flügel und begleitete den Gesang der schönen alten Weihnachtslieder. Bei der anschließenden Bescherung fand ich für mich unter dem Weihnachtsbaum das wertvollste Geschenk, das ich jemals bekommen habe: Meyer’s Großes Konversationslexikon in 52 Bänden. Immer wieder hatte in bei meinen Großeltern Ruhnau in diesem einmaligen Nachschlagewerk aus dem 19. Jahrhundert geblättert, um meinen Wissensdurst zu stillen. Nun gehörte es mir! Den eigentlichen Grund für diese viel zu teure Gabe meiner Großeltern habe ich erst viel später erkannt: Den lieben „Alterchen“ war wohl schon klar, dass wenige Wochen nach Weihnachten die Flucht aus der Heimat beginnen würde. Dann war die zentnerschwere Buchreihe sowieso verloren, weil an ihrer Stelle lebenswichtigere Dinge mitgenommen werden mussten. Da konnte man einem Neunjährigen noch schnell eine Freude mit solch einem Geschenk machen. Als wir dann Ende Januar 1945 mit den Großeltern auf die Flucht über das Eis des Frischen Haffes gingen, blieben auch das Lexikon wie meine Geige im Hause liegen.“

Bei vielen Leserinnen und Lesern werden jetzt Erinnerungen geweckt werden, die sie längst vergessen glaubten. Und sie werden schwanken zwischen „Ja, so war es“ und „Nein, es war doch alles ganz anders!“ Jeder, der noch ein unzerstörtes Daheim hatte, versuchte die Ängste und Nöte zur Seite zu schieben, die den Alltag bestimmten, sah in dem Schein der Kerzen einen Hoffnungsschimmer. Dr. Wolfgang Klein aus Schwörstadt konnte das Weihnachtsfest in seiner Heimatstadt Königsberg feiern, und wenn sich auch der 91-Jährige an manche Einzelheiten nicht erinnern kann, so ist ihm die Stimmung noch heute gegenwärtig, die in seinem Königsberger Elternhaus herrschte.

„Ich konnte das Weihnachtsfest und die Tage danach daheim verbringen. Es waren trostlose Tage, denn die Stadt war ja zu einem großen Teil durch die Bombenangriffe zerstört worden. Ob viel oder wenig Schnee lag, weiß ich nicht mehr, aber es herrschten die für die Jahreszeit gewohnten Temperaturen. Wir wohnten auf den kaum zerstörten Hufen. Soweit ich mich erinnere, waren nicht alle Kachelöfen in den Zimmern beheizt. Vieles war nicht mehr in den Räumen vorhanden, es fehlten die Teppiche, es fehlte das wertvolle Kristall, die Bücherregale waren zum Teil geräumt, und noch so vieles andere Vertraute war nicht mehr zu sehen. Die Wohnung wirkte deshalb so leer, weil mein Vater, der zur Abwehr gehörte, bereits seit Anfang 1943 nach und nach die wertvollsten Sachen in den Westen Deutschlands ausgelagert hatte. Er hatte auch dafür gesorgt, dass meine Tante mit den Angehörigen im Sommer 1943 Königsberg verließ.

Am Weihnachtsabend saßen meine Eltern mit mir an einem runden Tisch ohne Decke, ob Kerzen oder Licht den Raum erhellten, weiß ich nicht mehr. Gebäck war vorhanden, wohl auch ein Getränk. Das Essen war aus Eingemachtem zubereitet, das aus dem Vorrat im Keller geholt wurde. Unsere Gedanken und Worte betrafen vor allem meinen gefallenen Bruder. So war uns nach Feiern nicht zu Mute, und wir gingen früh ins Bett. Worüber sollten wir den auch reden? An den Weihnachtstagen sprachen wir ,was wir noch unternehmen könnten‘, es wurde kurz darüber geredet und dann auch getan. Wir ahnten, was aus uns werden könnte. Ich konnte die Stadt mit einem Marschbefehl Anfang Januar verlassen, und meine Eltern entschlossen sich, ,mit Pferd und Wagen‘ die große Flucht anzutreten.“

Das waren also einige Erinnerungen an das letzte Weihnachtsfest in dem Land, das bis zum großen Exodus eine beschützte Kindheit geboten hatte, die immer wieder in den Aufzeichnungen anklingt. Wir danken allen Einsendern, auch wenn es manchmal nur zu einigen kurzen Zeilen gelangt hat – 70 Jahre sind eben eine lange Zeitspanne! Vor allem aber danken wir Frau Viola Kleppe, weil sie mit ihrem Anliegen auch uns zu einer echten „Weihnachtsfamilie“ verholfen hat.

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern eine Weihnacht voller Freude und Frieden.

Eure Ruth Geede


S. 15-16 Glückwünsche

Wir gratulieren

ZUM 100. GEBURTSTAG

Eggert, Albert, aus Ittau, Kreis Neidenburg, am 20. Dezember

Hillgruber, Erika, geb. Lorenz, aus Neukirch, Kreis Elchniederung, am 23. Dezember

Müller, Rudolf, aus Schellendorf, Kreis Ebenrode, am 28. Dezember

ZUM 99. GEBURTSTAG

Dießelberg, Christel, geb. Brodowski, aus Lyck, am 28. Dezember

Neumann, Helene, aus Ortelsburg, am 30. Dezember

Schmidt, Meta, geb. Siebert, aus Altenkirch, Kreis Tilsit-Ragnit, am 1. Januar

ZUM 98. GEBURTSTAG

Janowski, Antonie, geb. Wierutsch, aus Masuren, Kreis Treuburg, am 2. Januar

Landwehr, Marta, geb. Hartmann, aus Steinhalde, Kreis Ebenrode, am 27. Dezember

Lojewski, Johanna, aus Lübeckfelde, Kreis Lyck, am 27. Dezember

Polleit, Anna, geb. Behrendt, aus Palmnicken, Kreis Samland am, am 28. Dezember

Sujatta, Helene, aus Seebrücken, Kreis Lyck, am 1. Januar

ZUM 96. GEBURTSTAG

Brettschneider, Emil, aus Bönkenwalde, Kreis Heiligenbeil, am 22. Dezember

Emsbach, Paula, geb. Wegmann, aus Groß Budlacken, Kreis Wehlau, am 31. Dezember

Krause, Martha, geb. Kudritzki, aus Lyck, General-Busse-Str. 24, am 28. Dezember

Mirbach, Christel, aus Lyck, am 25. Dezember

ZUM 95. GEBURTSTAG

Bohlmann, Gertrud, geb. Kowalzik, aus Treuburg, am 30. Dezember

Brummack, Helene, geb. Abroszat, aus Schneckenmoor, Kreis Elchniederung, am 1. Januar

Duddek, Johanna, aus Millau, Kreis Lyck, am 2. Januar

Hepke, Gertrud, geb. Schmidt, aus Moneten, Kreis Treuburg, und aus Rehbusch, Kreis Ebenrode, am 20. Dezember

Kaiser, Editha, geb. Neiß, aus Wehlau, am 30. Dezember

Lesniowski, Helga, geb. Gogolin, aus Geigenau, Kreis Lyck, am 1. Januar

Mertins, Charlotte, geb. Herrmann, aus Kuglacken, Kreis Wehlau, am 26. Dezember

Moller, Hederig, geb. Schweiger, aus Kellen (Kellmienen), Kreis Tilsit-Ragnit, am 17. Dezember

Neumann, Hans-Hubert, aus Starkenberg, Kreis Wehlau, am 1. Januar

Prinz, Else, geb. Zilkenath, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 1. Januar

Wagner, Willi, aus Ebenrode, am 22. Dezember

Wirths, Christa, geb. Schirwinsky, aus Paterswalde, Kreis Wehlau, am 25. Dezember

ZUM 94. GEBURTSTAG

Boersch, Hildegard, geb. Koßmann, aus Klemenswalde, Kreis Elchniederung, am 25. Dezember

Czerwinski, Martha, aus Millau, Kreis Lyck, am 31. Dezember

Engelke, Edith, geb. Trzaska, aus Neidenburg, am 30. Dezember

Fedrau, Christel, geb. Sokoll, aus Rhein, Kreis Lötzen, am 26. Dezember

Grisard, Alfred, aus Neu Trakehnen, Kreis Ebenrode, am 21. Dezember

Illgen, Else, geb. Krüger, aus Follendorf, Kreis Heiligenbeil, am 30. Dezember

Jochim, Liesbeth, geb. Bobran, aus Stradaunen, Kaiser-Wilhelm-Str. 110, am 28. Dezember

Matheisl, Herta, aus Lötzen, am 29. Dezember

Nobel, Hildegard, geb. Karpowski, aus Plöwken, Kreis Treuburg, am 22. Dezember

Ossa, Erna, aus Neidenburg, am 27. Dezember

Reiner, Ursula, geb. Krueger, aus Lötzen, am 20. Dezember

Röhle, Else, geb. Steppat, aus Reinlacken, Kreis Wehlau, am 25. Dezember

Schimkus, Helmut, aus Erlen, Kreis Elchniederung, am 24. Dezember

ZUM 93. GEBURTSTAG

Achterath, Lilli, geb. Rietz, aus Neusiedel, Kreis Tilsit-Ragnit, am 1. Januar

Bondzio, Luise, geb. Bendix, aus Lyck, am 22. Dezember

Czerwinski, Gertrud, geb. Magalski, aus Rogenau, Kreis Ortelsburg, am 26. Dezember

Hauschild, Gerda, geb. Bastian, aus Angertal, Kreis Angerburg, am 1. Januar

Herrmann, Waltraut, aus Elbing, am 27. Dezember

Marczinski, Arno, aus Rundfließ, Kreis Lyck, am 29. Dezember

Marks, Gertrud, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 28. Dezember

Melzer, Michael, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 28. Dezember

Möhlmann, Frieda, geb. Radau, aus Großheidekrug, Kreis Samland, am 23. Dezember

Olschewski, Berta, geb. Moskwa, aus Thalheim, Kreis Neidenburg, am 23. Dezember

Rompf, Elfriede, geb. Wark, aus Warnicken, Kreis Samland, am 22. Dezember

Schulz, Erna, geb. Nagat, aus Klein Friedrichsgraben, Kreis Elchniederung, am 21. Dezember

Thomzigk, Gerda-Rita, geb. Lissek, aus Ortelsburg, am 29. Dezember

ZUM 92. GEBURTSTAG

Bordan, Ella, geb. Schimanski, aus Bartzdorf, Kreis Neidenburg, am 30. Dezember

Brachmann, Gertrud, geb. Bondzio, aus Herzogskirchen, Kreis Treuburg, am 1. Januar

Brandecker, Wolfgang, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 21. Dezember

Dorß, Annemarie, geb. Buhl, aus Maschen, Kreis Lyck, am 1. Januar

Ebert, Maria, geb. Sewzyk, aus Luckau, Kreis Ortelsburg, am 26. Dezember

Glomb, Horst, aus Vierbrücken, Kreis Lyck, am 26. Dezember

Hansch, Ewald, aus Freiwalde, Kreis Neidenburg, am 31. Dezember

Krause, Helene, geb. Müller, aus Tilsit, am 21. Dezember

Krehl, Georg, aus Allenburg, Kreis Wehlau, am 31. Dezember

Kutzborski, Willi August, aus Fließdorf, Kreis Lyck, am 31. Dezember

Möller, Emma, geb. Langanke, aus Rhein, Kreis Lötzen, am 29. Dezember

Nagel, Werner, aus Kuggen, Klycken, Schaaken, Kreis Königsberg, und Kallen, Kreis Heiligenbeil, und Preußisch Holland und Kreis Samland, am 24. Dezember

Schawaller, Ella, aus Rehbusch, Kreis Ebenrode, am 29. Dezember

Vesper, Charlotte, geb. Balewski, aus Klein Schläfken, Kreis Neidenburg, am 31. Dezember

Werwath, Wolfgang, aus Ebenrode, am 29. Dezember

ZUM 91. GEBURTSTAG

Beyer, Ursula, geb. Schaar, aus Lentenbude, Kreis Elchniederung, am 23. Dezember

Bucher, Elisabeth, geb. Stein, aus Wehlau, am 30. Dezember

Dallmann, Max, aus Lyck, Königin-Luisen-Platz 3, am 20. Dezember

David, Hildegard, geb. Wegener, aus Hohensprindt, Kreis Elchniederung, am 23. Dezember

Ehlers, Christel, geb. Gerwinat, aus Ginkelsmittel, Kreis Elchniederung, am 21. Dezember

Ernestsons, Gertrud, geb. Zablowski, aus Groß Friedrichsdorf, Kreis Elchniederung, am 23. Dezember

Evers, Lotti, geb. Cub, aus Prostken, Kreis Lyck, am 1. Januar

Gehlhaar, Herta, aus Lesgewangen, Kreis Tilsit-Ragnit, am 1. Januar

Gilbert, Erika, geb. Rattay, aus Lengau, Kreis Treuburg, am 22. Dezember

Göb, Marianne, aus Steinberg, Kreis Lyck, am 1. Januar

Hanke, Fritz, aus Neukuhren, Kreis Samland, am 22. Dezember

Hansen, Lotte, geb. Kaßmekat, aus Kuglacken, am 2. Januar

Heisler, Gertrud, geb. Schaaf, aus Ebenrode, am 20. Dezember

Kempchen, Lisbeth, geb. Taubert, aus Scharnau, Kreis Neidenburg, am 2. Januar

Kohlwage, Alma, aus Lilienfelde, Kreis Ortelsburg, am 26. Dezember

Kollakowski, Otto, aus Muschaken, Kreis Neidenburg, am 27. Dezember

Lukasczyk, Erich, aus Sielacken, Kreis Wehlau, am 24. Dezember

Marquardt, Konrad, aus Treuburg, am 31. Dezember

Neumann, Christel, geb. Jendral, aus Jägersdorf, Kreis Neidenburg, am 24. Dezember

Oswald, Eva, geb. Hübner, aus Neukuhren, Kreis Samland, am 31. Dezember

Peck, Josefa, geb. Hippler, aus Lopsienen, Kreis Samland, am 22. Dezember

Rama, Walter, aus Muschaken, Kreis Neidenburg, am 29. Dezember

Rieck, Christel, geb. Findeisen, aus Treuburg, am 27. Dezember

Schiggas, Hans, aus Neidenburg, am 21. Dezember

Schlicker, Kurt, aus Peterswalde, Kreis Elchniederung, am 23. Dezember

Schnarelt, Ruth, geb. Gerwin, aus Zimmerbude, Kreis Samland, am 20. Dezember

Schuran, Charlotte, geb. Schütze, aus Klein Krösten, Kreis Lötzen, am 29. Dezember

Seelig, Elisabeth, geb. Hübner, aus Rothenen, Kreis Samland, am 31. Dezember

Specht, Margot, geb. Becher, aus Merunen, Kreis Treuburg, am 30. Dezember

ZUM 90. GEBURTSTAG

Albers, Christel, geb. Cyrkel, aus Saberau-Abbau, Kreis Neidenburg, am 23. Dezember

Bartsch, Vera, geb. Löper, aus Schneckenwalde, Kreis Elchniederung, am 21. Dezember

Bartschies, Heinz, aus Lyck, am 24. Dezember

Clausen, Hedwig, geb. Joswig, aus Klein Lasken, Kreis Lyck, am 31. Dezember

Dembek, Willy, aus Grundensee, Kreis Lötzen, am 22. Dezember

Dunzik, Margarete, geb. Schick, aus Lötzen, am 24. Dezember

Dziedzitz, Heinrich, aus Steinberg, Kreis Lyck, am 22. Dezember

Erismann, Alfred, aus Hohenwalde, Kreis Heiligenbeil, am 23. Dezember

Froese, Grete, geb. Laser, aus Kalthagen, Kreis Lyck, am 26. Dezember

Gardeick, Heinz, aus Neukirch, Kreis Elchniederung, am 23. Dezember

Genzmer, Jürgen, Dr, aus Grünlinde, Kreis Wehlau, am 31. Dezember

Gerdes, Richard, aus Gartenau, Kreis Neidenburg, am 26. Dezember

Glashoff, Charlotte, geb. Samsel, aus Schönwiese, Kreis Neidenburg, am 24. Dezember

Hartmann, Lucie, geb. Gatzke, aus Widminnen, Kreis Lötzen, am 21. Dezember

Holz, Hildegard (Hilla), geb. Pletz, aus Königsberg-Rosenau, am 21. Dezember

Joswig, Gretel, geb. Mordas, aus Gordeiken, Kreis Treuburg, am 2. Januar

Kewitz, Alfred, aus Grünau, Kreis Lötzen, am 30. Dezember

Schütz, Herbert, aus Seesken, Kreis Treuburg, am 31. Dezember

Stumm, Herta, geb. Stumm, aus Großwalde, Kreis Neidenburg, am 21. Dezember

Tietz, Gerhard, aus Wehlau, am 27. Dezember

Werts, Betty, geb. Gedack, aus Wehlau, am 30. Dezember

Ziermann, Ingelore, geb. Möhr, aus Pillau, Kreis Samland, am 26. Dezember

ZUM 85. GEBURTSTAG

Baumann, Hildegard, geb. Gräwert, aus Schönhofen, Kreis Treuburg, am 2. Januar

Bilipp, Grete, geb. Skubisch, aus Ebenfelde, Kreis Lyck, am 29. Dezember

Bohlmann, Else, geb. Stiebel, aus Auersberg, Kreis Lyck, am 2. Januar

Brinkmann, Roswitha, geb. Böhme, aus Reimannswalde, Kreis Treuburg, am 23. Dezember

Brzezinski, Erika, geb. Sczepan, aus Schützendorf, Kreis Ortelsburg, am 31. Dezember

Buschsenja, Christel, geb. Kinder, aus Neidenburg, am 22. Dezember

Clormann, Christel, geb. Tesarsch, aus Bartendorf, Kreis Lyck, am 26. Dezember

Czinczel, Gerhard, aus Löfkeshof/Ballupönen, Post Neusiedel, Kreis Tilsit-Ragnit, am 28. Dezember

Demant, Horst, aus Amalienhof, Kreis Ebenrode, am 21. Dezember

Dombrowski, Werner, aus Lyck, Bahnhofstraße 1, am 28. Dezember

Dzienian, Ewald, aus Eibenau, Kreis Treuburg, am 2. Januar

Fidorra, Horst, aus Großalbrechtsort, Kreis Ortelsburg, am 28. Dezember

Gollub, Christel, aus Wallenrode, Kreis Treuburg, am 24. Dezember

Güse, Ruth, geb. Schelwat, aus Kirpehnen, Kreis Samland, am 30. Dezember

Hamann, Rudolf, aus Alt Passarge, Kreis Heiligenbeil, am 29. Dezember

Harborth, Anneliese, geb. Artschwager, aus Argemünde, Kreis Elchniederung, am 26. Dezember

Heinz, Christel, geb. Woßeck, aus Seerappen, Kreis Samland, am 25. Dezember

Hellriegel, Hans, aus Stosnau, Kreis Treuburg, am 24. Dezember

Höhne, Charlotte, geb. Kassner, aus Grundensee, Kreis Lötzen, am 31. Dezember

Jurgeleit, Siegfried, aus Schakendorf, Kreis Elchniederung, am 24. Dezember

Kamp, Karlheinz, aus Zohpen, Kreis Wehlau, am 31. Dezember

Kant, Gerda, geb. Tatzik, aus Altkirchen, Kreis Ortelsburg, am 24. Dezember

Kobus, Maria, geb. Ruskowski, aus Gellim, Kreis Ortelsburg, am 22. Dezember

Kotowski, Bruno, aus Wittenwalde, Kreis Lyck, am 31. Dezember

Kozian, Ilse, aus Ortelsburg, am 23. Dezember

Kraft, Emmi, geb. Groth, aus Ittau, Kreis Neidenburg, am 26. Dezember

Krüger, Gerda, geb. Koriath, aus Wallendorf, Kreis Neidenburg, am 1. Janaur

Lange, Christel, geb. Nichau, aus Schölen, Kreis Heiligenbeil, am 27. Dezember

Lechleiter, Irmgard, geb. Wlotzki, aus Kandien, Kreis Neidenburg, am 1. Januar

Liske, Reinhard, aus Schareiken, Kreis Treuburg, am 24. Dezember

Masuch, Herbert, aus Fürstenwalde, Kreis Ortelsburg,, am 26. Dezember

Meier, Christel, geb. Wischnewski, Kreis Neidenburg, am 26. Dezember

Mengel, Elfriede, geb. Mallek, aus Illowo, Kraschewo, Kreis Neidenburg, am 25. Dezember

Naumann, Eva, geb. Deutsch, aus Trankwitz, Kreis Samland, am 27. Dezember

Neumann, Günter, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 20. Dezember

Nikulski, Eitel, aus Willkassen, Kreis Treuburg, am 27. Dezember

Noack, Adelheid, geb. Boguschewski, aus Plöwken, Kreis Treuburg, am 27. Dezember

Payk, Heinz, aus Höhenwerder, Kreis Ortelsburg, am 30. Dezember

Petrat, Irmgard, geb. Hamann, aus Gauleden, Kreis Wehlau, am 30. Dezember

Post, Helmut, aus Baringen, Kreis Ebenrode, am 29. Dezember

Pottek, Samuel Fried., aus Wallendorf, Kreis Neidenburg, am 29. Dezember

Przygodda, Gotthold, aus Schützengrund, Kreis Ortelsburg, am 28. Dezember

Reich, Vera, geb. Willuweit, aus Schneckenmoor im Gutsbezirk Schnecken Forst, Kreis Elchniederung, am 20. Dezember

Romanowski, Herbert, aus Kechlersdorf, Kreis Lyck, am 25. Dezember

Schellien, Kurt, aus Soldau, Kreis Neidenburg, am 27. Dezember

Schmidt, Annemarie, geb. Metzdorf, aus Treuburg, am 28. Dezember

Schrader, Hildegard, geb. Schories, aus Klemenswalde, Kreis Elchniederung, am 2. Januar

Schröder, Kurt, aus Hohenfürst, Kreis Heiligenbeil, am 11. Dezember

Schrön, Christel, geb. Pientka, aus Grünflur, Kreis Ortelsburg, am 23. Dezember

Schulte, Christel, geb. Podzkiewitz, aus Ehrenwalde, Kreis Lyck, am 20. Dezember

Schwagereit, Klaus, aus Ostseebad Cranz, Kreis Samland, am 23. Dezember

Schweig, Ulrich, aus Soldau, Kreis Neidenburg, am 23. Dezember

Suppelna, Erna, geb. Gaßner, aus Birkenstein, Kreis Tilsit-Ragnitz, am 31. Dezember

Syttkus, Peter, aus Walden, Kreis Lyck, am 24. Dezember

Szumny, Elfriede, geb. Blumhoff, aus Neuendorf, Kreis Lyck, am 29. Dezember

Teschner, Fritz, aus Stampelken, Kreis Wehlau, am 22. Dezember

Tiedtke, Erich, aus Augam, Kreis Preußisch Eylau, am 27. Dezember

Weise, Kurt, aus Urfelde, Kreis Ebenrode, am 27. Dezember

ZUM 80. GEBURTSTAG

Adams, Eleonore, geb. Lenz, aus Eichhorn, Kreis Treuburg, am 29. Dezember

Alpers, Anneliese, geb. Hoffmann, aus Schakendorf, Kreis Elchniederung, am 22. Dezember

Binkowski, Sigrid, geb. Poganski, aus Pilgramsdorf, Kreis Neidenburg, am 20. Dezember

Bleiß, Eva, geb. Döbel, aus Liebstadt, Kreis Mohrungen, am 30. Dezember

Böer, Roswitha, geb. Wischnewski, aus Friedberg, Kreis Treuburg, am 1. Januar

Brodowski, Georg, aus Güsen, Kreis Lyck, am 29. Dezember

Derwehlies, Lothar, aus Ebenrode, am 21. Dezember

Galla, Georg, aus Liebenberg, Kreis Ortelsburg, am 26. Dezember

Gehle, Hannelore, geb. Heiser, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 24. Dezember

Gildehaus, Irena, geb. Kaczenski, aus Wilhelmsthal, Kreis Ortelsburg, am 2. Januar

Gregorz, Christel, geb. Pietrzyk, aus Sarken, Kreis Lyck, am 1. Januar

Fischer, Liesbeth, geb. Zielonka, aus Klein Schiemanen, Kreis Ortelsburg, am 1. Januar

Fleck, Christel, geb. Petersilie, aus Wehlau, am 24. Dezember

Fröhlich, Erwin, aus Lyck, am 26. Dezember

Fülle, Christel, geb. Scherwat, aus Wirbeln, Kreis Ebenrode, am 26. Dezember

Hansen, Charlotte, geb. Höfer, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 29. Dezember

Harder, Gisela, geb. Jeimke-Karge, aus Lodehnen, Kreis Mohrungen, am 29. Dezember

Heide, Christel, geb. Prystuppa, aus Stosnau, Kreis Treuburg, am 22. Dezember

Hünerbein, Anneliese, geb. Fisch, aus Willenberg, Kreis Ortelsburg, am 29. Dezember

Hosenberg, Josef, aus Groß Leschienen, Kreis Ortelsburg, am 24. Dezember

Jakschas, Gerhard, aus Königshöhe, Kreis Lötzen, am 29. Dezember

Jankowski, Dieter, aus Treuburg, am 27. Dezember

Janz, Adolf, aus Gilgetal, Kreis Elchniederung, am 20. Dezember

Jessat, Kurt, aus Schirrau, Kreis Wehlau, am 20. Dezember

Karge, aus Lodehnen, Kreis Mohrungen, am 29. Dezember

Keller, Gerda, geb. Killat, aus Wolfsdorf, Kreis Elchniederung, am 22. Dezember

Kilimann, Dorothea, geb. Iwan, aus Reinlacken, Kreis Wehlau, am 31. Dezember

Kinder, Hildegard, geb. Pisowotzki, aus Alt Passarge, Kreis Heiligenbeil, am 28. Dezember

Klein, Hubert, aus Gedwangen, Kreis Neidenburg, am 24. Dezember

Kniebel, Traute, geb. Kobialka, aus Sargensee, Kreis Treuburg, am 1. Januar

Koch, Gertraud, geb. Hennig, aus Seedranken, Kreis Treuburg, am 23. Dezember

Krätzer, Christel, geb. Sommerfeld, Kreis Neidenburg, am 20. Dezember

Krauledat, Otto, aus Gengen, Kreis Ebenrode, am 22. Dezember

Krieger, Heinz, aus Steinberg, Kreis Lyck, am 23. Dezember

Kröske, Horst, aus Auersberg, Kreis Lyck, am 1. Januar

Kuhn, Edva, geb. Studt, aus Schlaugen, Kreis Goldap, am 20. Dezember

Lederer, Dora, geb. Bähr, aus Loye, Kreis Elchniederung, am 27. Dezember

Lenßen, Christel, geb. Perrey, aus Hohenberge, Kreis Elchniederung, am 20. Dezember

Lindemann, Christel, geb. Torkler, aus Kölmersdorf, Kreis Lyck, am 25. Dezember

Masuhr, Ulrich, aus Klein Plauen, Kreis Wehlau, am 21. Dezember

Meier, Sigrid, geb. Schipporeit, aus Metgethen, Kreis Samland, am 31. Dezember

Okun, Günther, aus Rosenheide, Kreis Lyck, am 24. Dezember

Pelzer, Hiltraud, geb. Pelzer, aus Schallen, Kreis Wehlau, am 31. Dezember

Pielhau, Elfriede Christel, geb. Preuß, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 29. Dezember

Piepgras, Christel, geb. Sakautzki, aus Groß Friedrichsdorf, Kreis Elchniederung, am 24. Dezember

Plappert, Christel, geb. Borbe, aus Kallwen, Kreis Elchniederung, am 21. Dezember

Praß, Edith, geb. Piontek, aus Ehrenwalde, Kreis Lyck, am 25. Dezember

Rattay, Kurt, aus Rohmanen, Kreis Ortelsburg, am 2. Januar

Redlich, Anneliese, geb. Dalchau, aus Neusorge/Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 23. Dezember

Reiche, Eva, geb. Trochim, aus Treuburg, am 28. Dezember

Sawicki, Renate, geb. Murza, aus Kalgendorf, Kreis Lyck, am 30. Dezember

Schalwat, Gitta, aus Sonnenmoor, Kreis Ebenrode, am 29. Dezember

Schenk, Ruth, geb. Lasarzewski, aus Klein Lasken, Kreis Lyck, am 24. Dezember

Schiwek, Christa, geb. Hecht, aus Rudau, Kreis Ortelsburg, am 25. Dezember

Schlisio, Harry, aus Goldbach, Kreis Wehlau, am 22. Dezember

Schlüter, Ursula, geb. Brazko, aus Stahnken, Kreis Lyck, am 2. Januar

Schneider, Manfred, aus Mallwischken, Kreis Schloßberg, am 21. Dezember

Schulz, Irmgard, geb. Beisel, aus Sanditten, Kreis Wehlau, am 24. Dezember

Seemann, Irmgard, geb. Wiek, aus Grunau, Kreis Heiligenbeil, am 25. Dezember

Siebert, Benno, aus Schirrau, Kreis Wehlau, am 26. Dezember

Simoleit, Werner, aus Bartztal, Kreis Ebenrode, am 21. Dezember

Simon, Brunhilde, geb. Thiel, aus Sangnitten, Kreis Preußisch Eylau, am 29. Dezember

Sokoll, Alfred, aus Steinberg, Kreis Lyck, am 28. Dezember

Spohde, Margarete, geb. Spohde, aus Petersdorf, Kreis Wehlau, am 23. Dezember

Vogt, Lieselotte, geb. Konietzny, aus Allenburg, Kreis Wehlau, am 20. Dezember

Wohlgemuth, Heinz, aus Wilkendorf, Kreis Wehlau, am 26. Dezember

Wohlgemuth, Paul, aus Pregelswalde, Kreis Wehlau, am 30. Dezember

Woyciniuk, Dieter, aus Sieden, Kreis Lyck, am 1. Januar

ZUM 75. GEBURTSTAG

Ambrosius, Hannelore, geb. Feyer, aus Wehlau, am 28. Dezember

Anderson, Christel, geb. Palis, aus Klein Engelau, Kreis Wehlau, am 26. Dezember

Biedermann, Marga, geb. Schulz, aus Altenkirch, Kreis Tilsit-Ragnit, am 20. Dezember

Böhnke, Kurt, aus Canditten, Kreis Preußisch Eylau, am 28. Dezember

Borowsky, Egbert, aus Neukirch, Kreis Elchniederung, am 27. Dezember

Broosch, Werner, aus Grunau, Kreis Heiligenbeil, am 27. Dezember

Bruisch, Hans, aus Heinrichswalde, Kreis Elchniederung, am 27. Dezember

Buttkereit, Gerhard, aus Tutschen, Kreis Ebenrode, am 27. Dezember

Czinczel, Gerhard, aus Löffkeshof, Kreis Tilsit-Ragnit, am 28. Dezember

Franzen, Sieglinde, geb. Krämer, aus Gauleden, Kreis Wehlau, am 31. Dezember

Friederici, Jürgen, aus Neukirch, Kreis Elchniederung, am 28. Dezember

Haack, Franz, aus Partheinen, Kreis Heiligenbeil, am 30. Dezember

Gill, Reinhold, aus Grünau, Kreis Tilsit-Ragnit, am 29. Dezember

Gnosa, Gerhard, aus Reimannswalde, Kreis Treuburg, am 31. Dezember

Gronwald, Werner, aus Strobjehnen, Kreis Samland am 23. Dezember

Grützmacher, Annemarie, geb. Joppien, aus Nöttnicken, Kreis Samland, am 23. Dezember

Gunia, Hidwig, geb. Orlowski, aus Rohrdorf, Kreis Ortelsburg, am 30. Dezember

Junker, Manfred, aus Jodingen, Kreis Elchniederung, am 20. Dezember

Kindt, Dietrich, aus Goldbach, Kreis Wehlau, am 21. Dezember

Kiy, Grunhilde, geb. Badorrek, aus Hamerudau, Kreis Ortelsburg, am 29. Dezember

Klingbeil, Brigitte, geb. Ulma, aus Altkirchen, Kreis Ortelsburg, am 1. Januar

Krutschinna, Hildegard, geb. Schiwy, aus Friedrichshof, Kreis Ortelsburg, am 25. Dezember

Laubrinus, Werner, aus Großudertal, Kreis Wehlau, am 30. Dezember

Lehmann, Günter, Hamburg und Canditten, Kreis Preußisch Eylau, am 31. Dezember

Pucknus, Heinz, aus Seckenburg, Kreis Elchniederung, am 1. Januar

Rathje, Anneliese, geb. Zitranski, aus Balga, Kreis Heiligenbeil, am 23. Dezember

Rohde, Werner, aus Grundensee, Kreis Lötzen, am 29. Dezember

Schempp, Christa, geb. Schmischke, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 23. Dezember

Steinfeld, Rita, geb. Kiesling, aus Schönhofen, Kreis Treuburg, am 24. Dezember

Unruh, Eckhard, aus Milken, Kreis Lötzen, am 24. Dezember

Waltereit, Elisabeth, aus Schlossbach, Kreis Ebenrode, am 24. Dezember

Wermbter, Helfried, aus Labiau, am 28. Dezember

Wippich, Georg, aus Deutschheide, Kreis Ortelsburg, am 27. Dezember

ZUR GOLDENEN HOCHZEIT

Fieberg, Rudi, aus Königsberg, und Ehefrau Dorothea, geb. Wick, aus Tetschen-Bodenbach, Sudetenland, am 29. Dezember


S.17 Heimatarbeit

Landsmannschaftliche Arbeit

BUND JUNGES OSTPREUSSEN

Vorsitzender: Stefan Hein, Gst.: Buchtstr. 4, 22087 Hamburg, Tel.: (040) 4140080, E-Post: kontakt@junge-ostpreussen.de, www.junge-ostpreu­ssen.de.

Bad Pyrmont – Freitag, 20. bis Sonntag, 22. Februar, Ostheim: BJO-Frühjahrsseminar mit den Themen „2015 – Jahr der Jahrestage: Deutschland und (die) Ostpreußen im 20. Jahrhundert“. Die bekannte DDR-Bürgerrechtlerin und ehemalige Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld zieht eine Bilanz zur Aufarbeitung des SED-Unrechts im Jahr 2015, während Dr. Heike Amos vom Institut für Zeitgeschichte auf die Aktivitäten der Staatssicherheit der DDR in Bezug auf die Vertriebenen eingeht. Der Altsprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, Wilhelm von Gottberg, und der LO-Landesvorsitzende von Mecklenburg-Vorpommern, Manfred F. Schukat, können uns aus erster Hand über die Bedeutung des Mauerfalls für die Vertriebenen informieren. Dabei werden persönliche Erfahrungen aus der Zeit der DDR ebenso in den Fokus genommen wie die Herausforderungen diesseits und jenseits von Oder und Neiße nach 1990. Dr. Walter T. Rix teilt seine Erkenntnisse zum Ersten Weltkrieg in Ostpreußen mit uns, während wir zu den Geschehnissen im Frühjahr 1945 noch einmal Zeitzeugen zu Wort kommen lassen möchten. Auskünfte und und Anmeldung bei Jochen Zauner unter Presse@Ostpreussen-NRW.de .

 

BADEN-WÜRTTEMBERG

Vors.: Uta Lüttich, Feuerbacher Weg 108, 70192 Stuttgart, Telefon und Fax (0711) 854093, Geschäftsstelle: Haus der Heimat, Schloßstraße 92, 70176 Stuttgart, Tel. und Fax (0711) 6336980.

Buchen – Sonntag, 21. Dezemberm 14 Uhr, Mehrzweckhalle Buchen-Hainstedt: Weihnachtsfeier mit dem gesangsduo „Andrea & Melanie“ aus Heilbronn. Zur Feier wird ein Bus eingesetzt. Nähere Informationen bei Rosemarie S, Winkler Telefon (06281) 8137

Lahr – Jeden dritten Donnerstag im Monat, 19 Uhr, Begegnungshaus, Friedrichstraße: Treffen des Ostdeutschen Lesekreises.

Wendlingen – Mittwoch, 7. Januar, 14.30 Uhr, Treffpunkt Stadtmitte: regelmäßiges Treffen, danach immer am ersten Mittwoch im Monat

 

BAYERN

Vorsitzender: Friedrich-Wilhelm Böld, Telefon (0821) 517826, Fax (0821) 3451425, Heilig-Grab-Gasse 3, 86150 Augsburg, E-Mail: info@low-bayern.de, Internet: www. low-bayern.de.

Hof – Sonnabend, 10. Januar, 15 Uhr, Altdeutsche Bierstube: Jahreshauptversammlung

Weiden – Sonntag, 1. Februar, 14.30 Uhr, Café Mitte, Am Stockerhutpark 1, 92637 Weiden: Nächstes Treffen.

 

BREMEN

Vorsitzender: Helmut Gutzeit, Telefon (0421) 25 09 29, Fax (0421) 25 01 88, Hodenberger Straße 39 b, 28355 Bremen. Stellvertrende Vorsitzende: Marita Jachens-Paul, Ratiborer Straße 48, 27578 Bremerhaven, Telefon (0471) 86176. Landesgeschäftsführer: Jörg Schulz, Am Anjes Moor 4, 27628 Uthlede, Telefon (04296) 74 77 01.

Bremen – Jeder 3. Donnerstag im Monat, 15 Uhr, Hotel zur Post, Bahnhofsplatz 11, 28195 Bremen: Treffen der Frauengruppe. Am 18. Dezember zusätzliche weihnachtliche Zusammenkunft.

Bremerhaven – Trotz des schö-nen Herbstwetters kamen 21 Personen zum Heimatnachmittags der Gruppe Bremerhaven in der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen und des Heimat-kreises Elbing am Freitag, 21. November, ins Barlachhaus. Um 14.40 Uhr begrüßte die Vorsit-zende Marita Jachens-Paul die Anwesenden. Sie entschuldigte das Ehepaar Till, das sich auf einer Kreuzreise befindet. Außerdem grüßte sie herzlich Ursula Karp, die jetzt in der Christlichen Heimstiftung am Walther-Rathenau-Platz wohnt und wieder regelmäßig an unseren Veranstaltungen teilnehmen will. Marita Jachens-Paul bestellt Grüße vom Landesvorsitzenden Helmut Gutzeit sowie von dem ost-preußischen Literaten Herbert Tennigkeit, der am Sonntag, 16. November eine Lesung im Rat-haus zu Bremen gehalten.

Die Vorsitzende eröffnete dann den Heimatnachmittag mit einem Bericht von der Veranstaltung mit Herbert Tennigkeit im übervollen Ratskeller zu Bremen. Dieser begnadete Rezitator der ostpreußischen Sprache ist in Mundart, Gestik und Mimik großartig! Sein Vortrag „Winterliches Ostpreu-ßen" hat alle begeistert, nicht nur Mitglieder der Landesgruppe der Ostpreußen. Tennigkeit berichtete auch vom Tod seines Freundes, des ostpreußischen Dichters Siegfried Lenz, der so viel für Ostpreußen und seine Geschichte, Kultur und Sprache geleistet hat, und von der Trauerfeier in der Hauptkirche „Michel" in Hamburg. Marita Jachens-Paul will versuchen, Herbert Tennigkeit im Jahre 2015 nach 15 Jahren wieder zu einer Lesung nach Bremerhaven einzuladen.

Am Sonntag, 16. November, fand auch die Zentrale Veranstaltung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge Bremerha-ven in der Kapelle des Friedhofs Geestemünde mit anschließender Kranzniederlegung auf dem Eh-renhain des VDK statt. Den ge-meinsamen Kranz aller vier ost-deutschen Landsmannschaften trugen Peter Haschke (LS) und Wolfgang Paul (Ostpreußen).

Der Veranstaltungsplan für 2015 beginnt am Freitag, 30. Januar mit dem Kohl-und-Pinkel-Essen. Es folgt die Jahreshauptversammlung am Freitag, 27. Februar, sowie der Heimatnachmittag am Freitag, 27. März. Alle drei Veranstaltungen finden im im Barlachhaus statt.

Ebenfalls auf dem Programm des Heimatnachmittages: Das Vortra-gen und Vorlesen von Gedichten und Geschichten, zum Beispiel der denkwürdigen „Reise nach Oletzko" mit dem Kauf eines feh-lenden Kilochen Nägel aus dem Buch „So zärtlich war Suleyken" von Siegfried Lenz - eine Ge-schichte, die so wohl nur in Ost-preußen passieren konnte. Stefa-nie Flotow, die an den heutigen neunten Todestag ihrer Mutter Erika Koslowski erinnert, laß das Gedicht „Heimweh" von Eva-Maria Sirowska und die Geschichte von Siegfried Saßnick: „Der Bulle Anton", in der in einem Zug einem Fremden die Provinz Ostpreußen, die er nicht kannte, so umfangreich und ausführlich geschildert wurde, dass er später sogar den einheimischen Ostpreußen noch etwas Neues beibringen konnte. Ingrid Monsees gab die Anekdote von den „Drei Affen" zum Besten, während Barbara Sandmann „Ich träumte oft als Kind am Pregel" erzählte, dem Hauptfluss Ost-preußens, der sich in Insterburg aus den Flüssen Angerapp und Inster bildet und nach über 100 Kilometern bei Königsberg in das Frische Haff mündet. Die 93jährige Alice Schwiedop sagte „butenkopps“ das Gedicht „Die Frauen von Nidden“ der großen ostpreußischen Dichterin Agnes Miegel auf, während alle im Saal das bebilderte Gedicht und die „Sandmalerei" dazu als Bilder unserer ostpreußischen Malerin Inge Kies an der Wand des Senio-rentreffs Barlachhaus betrachten konnten.

Alice Schwiedop widerlegte da-nach die Meinung „Sie sagen all', Du bist nicht schön, mein liebes Heimatland". Barbara Sandmann stellte sich und den Zuhörern die Frage: „Wenn ich alt bin, woran werde ich mich erinnern?". Ruth Geede vom „Ostpreußenblatt" hatte einst alle Vorzüge und Schönheiten Ostpreußens aufge-zählt, die niemals aus der Erinne-rung der Menschen verschwin-den. Die Vorsitzende las aus dem Buch zum 70. Geburtstag ihrer Mutter Lore Jachens „Die Martinsgans", ein Gespräch zwischen Frau Schneidereit und Frau Mikoleit auf dem Wochenmarkt oder „Wie der Hund mit dem Korb und der Gans abhaut“ und „Vorweih-nachtsgedanken", ein Gang in der kindlichen Erinnerung durch das verschneite Ostpreußen. Zum Abschluss wurden die beiden Heimatlieder „Das Westpreußen-lied" und das „Ostpreußenlied" gesungen. Im Schlusswort der Vorsitzenden bedankt sich Marita Jachens-Paul für die schöne Ver-anstaltung und wünscht allen einen sicheren Nachhauseweg im Nebel. Ende: 16.00 Uhr

 

HAMBURG

Erster Vorsitzender: Hartmut Klingbeutel, Kippingstr. 13, 20144 Hamburg, Tel.: (040) 444993, Mobiltelefon (0170) 3102815. 2. Vorsitzender: Manfred Samel, Fried-rich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg, Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

Insterburg – Die Gruppe trifft sich jeden ersten Mittwoch im Monat (außer im Januar und im Juli) zum gemeinsamen Singen und einem kulturellem Programm um 12 Uhr, Hotel Zum Zeppelin, Frohmestraße 123–125. Kontakt: Manfred Samel, Friedrich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg. Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

BEZIRKSGRUPPE

Harburg – Sonntag, 11. Januar, 11 Uhr, St. Johanneskirche Harburg: Ostpreußischer Heimatgottesdienst. Die Predigt hält Pastorin Sabine Kaiser-Reis. Im Anschluss wird zum Gespräch bei Kaffee, Tee und Gebäck ins Gemeindehaus eingeladen. Verwandte, Freunde und Bekannte sind herzlich eingeladen.

 

HESSEN

Vorsitzender: Eberhard Traum, Wächtersbacherstraße 33, 63636 Brachtal, Telefon (06053) 708612.

Wetzlar – Montag, 12. Januar, 19 Uhr, Wetzlarer Grillstuben, Stoppelberger Hohl 128: Jahreshauptversammlung.

– Bericht –

Beim Novembertreffen sprach Kreisgruppen-Mitglied Margarete Weise über den Aberglauben in Ostpreußen. Die gebürtige Westpreußin stützte sich in ihren Ausführungen auf Berichte über den Aberglauben in den ehemals deutschen Ostgebieten und auf Erzählungen ihres Vaters, der mit seiner Familie einen Bauernhof in ihrer Heimat betrieb „Die Menschen dort waren alle evangelisch, sehr gläubig – und trotzdem war der Aberglaube in der Landbevölkerung sehr verbreitet”, beschrieb sie die dortige religiöse Situation. Die Menschen hätten damals mit Krankheit und Tod weitgehend selbst fertig werden müssen, nannte sie als Ursache. Üblich gewesen sei es, einen Toten „in der guten Stube» aufzubahren, zuvor aber die Spiegel zu verhängen und die Uhr abzustellen, „damit der Geist des Toten den Körper verlassen konnte“. Beim Verlassen des Hofes habe der Leichenwagen über eine Axt fahren müssen. „Nur so konnte der Geist des Toten in Frieden den Hof verlassen“.

Auch bei Hochzeiten habe der Aberglaube das Geschehen mitbestimmt. So habe sich das Brautpaar bei ihrer Kutschfahrt zur Kirche nicht umschauen dürfen, weil ihm sonst Unheil gedroht hätte. Im Falle einer Schwangerschaft habe sich die werdende Mutter keinen Zahn ziehen lassen dürfen, weil sonst das Kind mit einer Gaumenspalte zur Welt gekommen wäre. Die Angst vor bösen Geistern sei in ihrer Heimat weit verbreitet gewesen, berichtete Margarete Weise, die nach ihrer Übersiedlung nach Westdeutschland viele Jahre im Wetzlarer Krankenhaus als Kinderkrankenschwester tätig war. So sei es unschicklich gewesen, Abwaschwasser bei Dunkelheit im Garten auszuschütten, weil sich sonst die bösen Geister nachts im Haus getrocknet hätten. Zwischen Weihnachten und Neujahr seien das Wäschewaschen und das Wäscheaufhängen tabu gewesen. Man habe befürchtet, dass sich sonst jemand in der Familie im Neuen Jahr erhängen würde.

 

MECKLENBURG-VORPOMMERN

Vorsitzender: Manfred F. Schukat, Hirtenstraße 7 a, 17389 Anklam, Telefon (03971) 245688.

Landesgruppe – Anfang der Woche fuhren Manfred Schukat und Friedhelm Schülke zum Weihnachtsempfang der Litauischen Botschaft nach Berlin. Damit folgten beide als Vertreter der Landsmannschaft Ostpreußen und des Bundes der Vertriebenen einer persönlichen Einladung des Botschafters der Republik Litauen in Deutschland, S.E. Deividas Matulionis. Es ist der dritte litauische Botschafter in Folge, mit dem die gute Zusammenarbeit fortgesetzt wird – ob es Ansprachen bei den Heimattreffen in Mecklenburg-Vorpommern sind oder Seminare in Berlin zum Thema „Wolfskinder“ oder zur deutsch-litauischen Nachbarschaft im früheren Ostpreußen und heute.

Es gab einen festlichen Empfang in der Landesvertretung Sachsen-Anhalt, dem deutschen Partner-Bundesland zu Litauen, mit einem folkloristischen Kulturprogramm und vielen Gesprächen zwischen den rund 200 geladenen Gästen.

Manfred Schukat nutzte die Gelegenheit, den litauischen Botschafter zum Ostpreußentreffen am 26. September 2015 einzuladen. Deividas Matulionis bedankte sich besonders für die diesjährige Weihnachtspäckchenaktion ins Memelland, die jetzt in der Adventszeit das fünfte Jahr von Anklam aus nach Litauen startet.

 

NIEDERSACHSEN

Vorsitzende: Dr. Barbara Loeffke, Alter Hessenweg 13, 21335 Lüneburg, Telefon (04131) 42684. Schriftführer und Schatzmeister: Gerhard Schulz, Bahnhofstraße 30b, 31275 Lehrte, Telefon (05132) 4920. Bezirksgruppe Lüneburg: Manfred Kirrinnis, Wittinger Straße 122, 29223 Celle, Telefon (05141) 931770. Bezirksgruppe Braunschweig: Fritz Folger, Sommerlust 26, 38118 Braunschweig, Telefon (0531) 2 509377. Bezirksgruppe Weser-Ems: Otto v. Below, Neuen Kamp 22, 49584 Fürstenau, Telefon (05901) 2968.

Helmstedt – Jeder zweite Donnerstag im Monat, 15 Uhr, Begegnungsstädte Schützenwall 4: Gemeinsames Treffen der Landmannschaft der Ost- und Westpreußen.

Osnabrück – Dienstag, 13. Januar, 16.30 Uhr, Hotel Ibis, Blumenthaller Weg 152: Kegeln

Rinteln – Donnerstag, 8. Januar, 15 Uhr, Hotel Stadt Kassel, Klosterstraße 42, 31737 Rinteln: Monatstreffen mit Jahreshauptversammlung und Vorstandswahlen. Alle Mitglieder der Gruppe sind herzlich eingeladen; wer außerdem Interesse an einer Mitgliedschaft hat, kann ebenfalls gern teilnehmen. Auskünfte und Informationen zur landsmannschaftlichen Arbeit in Rinteln gibt es beim Vorsitzenden Joachim Rebuschat unter Telefon (05751) 5386 oder über: rebuschat@web.de

 

NORDRHEIN-WESTFALEN

Vorsitzender: Jürgen Zauner, Geschäftsstelle: Buchenring 21, 59929 Brilon, Tel. (02964) 1037, Fax (02964) 945459, E-Mail: Geschaeft@Ostpreussen-NRW.de, Internet: www.Ostpreussen-NRW.de

Dortmund – Jeden dritten Montag im Monat (aktuell: 15. Dezember), 14 bis 17 Uhr, Landgrafenschule, Eingang Märkische Straße: Treffen der Frauengruppe. Gäste sind willkommen.

Düsseldorf – Jeden Mittwoch, 18.30 bis 20 Uhr, GHH/Eichendorff-Saal, 1. Etage: Chorprobe der Düsseldorfer Chorgemeinschaft.

 

SACHSEN-ANHALT

Vors.: Michael Gründling, Große Bauhausstraße 1, 06108 Halle, Telefon privat (0345) 2080680.

Magdeburg – Sonntag, 11. Januar, 14 Uhr, Sportgaststätte Post, Spielhagenstraße: „Winter in der ostpreußischen Heimat” – Dienstag, 13. Januar, 13.30 Uhr, Immermannstraße: Stickerchen-Treffen. – Freitag, 2. Januar, 15 Uhr, TuS, Zielitzer Straße: Singekreis-Treffen.

 

SCHLESWIG-HOLSTEIN

Vors.: Edmund Ferner. Geschäftsstelle: Telefon (0431) 554758, Wilhelminenstr. 47/49, 24103 Kiel.

Pinneberg – Sonntag, 11. Januar, 15 Uhr: Filmvortrag „Ostpreußischer Winter“ von Dr. Hinkelmann. Voranmeldung unter Telefon (04101) 62667 oder (04101) 73473.


S. 18-20 Heimatarbeit

Aus den Heimatkreisen

ELCH-NIEDERUNG

Kreisvertreter: Manfred Romeike, Anselm-Feuerbach-Str. 6, 52146 Würselen, Telefon/Fax (02405) 73810. Geschäftsstelle: Barbara Dawideit, Telefon (034203) 33567, Am Ring 9, 04442 Zwenkau.

Nicht nur im Mai (PAZ 50, S. 17), auch vom 29. Juli bis zum 7. August veranstaltet die Kreisgemeinschaft eine Busreise nach Ostpreußen. Unter der Leitung von Peter Westphal führt sie unter anderen nach Danzig, die Kurische Nehrung und zum Stadtfest in Heinrichswalde. Hier das Programm:

1. Tag: Fahrt ab Hannover mit Zustiegsmöglichkeiten entlang der Fahrtroute bis nach Polen, Zwischenübernachtung in Thorn. Da Ihr Hotel ganz in der Nähe der Altstadt liegt, besteht nach dem Abendessen noch die Möglichkeit, die hübsche Thorner Altstadt selbständig zu erkunden.

2. Tag: Nach dem Frühstück Weiterreise entlang der Weichsel nach Norden. An der Nogat, einem Nebenfluss der Weichsel, erreichen Sie die Marienburg, eine der mächtigsten Backsteinburgen der Welt. Bei einer Führung erleben Sie die imposante Burganlage, die durch ihre Größe und Architektur noch heute die Besucher beeindruckt. Anschließend Weiterreise zum polnisch-russischen Grenzübergang, wo Sie Ihr russischer Reiseleiter, der Sie während Ihres gesamten Aufenthaltes im nördlichen Ostpreußen begleiten wird, erwartet. Danach Weiterreise vorbei an Königsberg, Wehlau und Tapiau weiter bis nach Tilsit, wo Sie Ihre Zimmer im Hotel „Rossija“ beziehen.

3. Tag: Nach dem Frühstück Rundfahrt durch die Elchniederung, insbesondere in die Gebiete nördlich der Gilge mit Besuch von Sköpen, Kuckerneese, Herdenau, Karkeln, Inse, zum Jagdschloss Pait, weiter über Milchhof, Alt-Dümpelkrug, Rautersdorf, Bretterhof, Rautenburg und zurück nach Tilsit. Natürlich besteht an diesem Reisetag auch die Möglichkeit zu eigenen Unternehmungen, sofern Sie nicht am geführten Ausflugsprogramm teilnehmen möchten. Unser bewährter Taxiservice steht Ihnen dazu zur Verfügung. An Nachmittag Rückfahrt nach Tilsit zu einem zeitigen Abendessen im Hotel, bevor Sie noch einmal nach Heinrichswalde fahren. Hier wird am Abend das diesjährige Heinrichswalder Stadtfest mit einem Konzert feierlich eröffnet. Anschließend Rückfahrt nach Tilsit, Übernachtung in Tilsit.

4. Tag: Nach dem Frühstück geführter Rundgang durch Tilsit. Beim Besuch der heute teilweise wieder restaurierten Hohen Straße können Sie die einstige Schönheit der Stadt an der Memel erahnen. Anschließend Fahrt nach Heinrichswalde zur Teilnahme am Stadtfest mit allerlei Darbietungen und Sehenswürdigkeiten. Besonders zu empfehlen ist dabei ein Besuch des neuen deutsch-russischen Heimatmuseums zur Heimatgeschichte von Heinrichswalde und dem Kreis Elchniederung. Vor der Heinrichswalder Kirche wurde im vergangenen Jahr ein Gedenkstein für die ehemaligen Bewohner des Kreises Elchniederung aufgestellt, dessen Besuch Sie nicht versäumen sollten. Natürlich besteht auch an diesem Reisetag die Möglichkeit zu eigenen Unternehmungen, sofern Sie nicht am geführten Ausflugsprogramm teilnehmen möchten. Übernachtung in Tilsit.

5. Tag: Am Vormittag Möglichkeit zur Teilnahme am Gottesdienst gemeinsam mit der evangelischen Kirchengemeinde in Heinrichswalde. Anschließend Weiterfahrt über Neukirch nach Rauterskirch. Dort Empfang durch die örtliche Bevölkerung und Besichtigung der historischen Kirche. In der auch mit deutschen Mitteln unterstützten Sanitätsstation ist der Tisch zu einem kleinen Imbiss gedeckt. Rückfahrt über Seckenburg, Groß Friedrichsdorf und Kreuzingen nach Tilsit. Abendessen und Übernachtung in Tilsit.

6. Tag: Heute verlassen Sie Ihr Hotel in Tilsit und passieren auf der Luisenbrücke die Grenze nach Litauen. Weiterfahrt in das Memelland mit Besichtigung der Kirche in Heydekrug. Anschließend Fahrt in das Memeldelta, wo in Kintai schon der Tisch zu einem leckeren Picknick für Sie gedeckt ist. Danach erwartet Sie am Anleger Ihr Kapitän zu einer Schiffsfahrt über die Minge, durch das Memeldelta und weiter über das Kurische Haff. Am Nachmittag erreichen Sie Nidden von der Wasserseite aus und erleben das beeindruckende Panorama der Wanderdünen auf der Kurischen Nehrung. Abendessen und Übernachtung in Nidden.

7. Tag: Nach dem Frühstück steht eine Ortsbesichtigung in Nidden zu Fuß auf dem Programm. Das ehemalige Fischerdorf am Kurischen Haff ist heute der wohl bekannteste Ferienort Litauens und die Perle der Kurischen Nehrung. Die einzigartige Natur zog in der Vergangenheit viele Künstler an. Einer der prominentesten Besucher war Thomas Mann, der sich hier ein Ferienhaus errichten ließ. Am Nachmittag bleibt Zeit zur freien Verfügung. Abendessen und Übernachtung in Nidden.

8. Tag: Sie passieren die litauisch-russische Grenze auf der Kurischen Nehrung und erreichen am späten Vormittag Königsberg. Bei einer Stadtführung sehen Sie die historischen Sehenswürdigkeiten wie den wiedererrichteten Dom mit dem Kantgrab, das Königstor und andere. Gleichzeitig erleben Sie eine Stadt, die in einem rasanten Wandel steht. Der Bauboom der letzten Jahre hat das Gesicht der Stadt in kurzer Zeit nachhaltig verändert. Ein ganz besonderer Höhepunkt erwartet Sie im Königsberger Dom: Sie erleben ein Anspiel auf der Orgel. Das in Deutschland gefertigte Instrument gehört zu den größten im ganzen Ostseeraum und entfaltet im Schiff des Königsberger Doms seine einzigartige Akustik. Am Nachmittag Weiterreise nach Polen bis nach Danzig. Abendessen und Übernachtung in Danzig.

9. Tag: Nach dem Frühstück unternehmen Sie einen geführten Rundgang durch die sehr schön restaurierte Danziger Altstadt. Beim Bummel über den langen Markt sehen Sie den Artushof, den einstigen Treffpunkt der hanseatischen Kaufleute, und den Neptunbrunnen, spazieren am Ufer der Mottlau zum imposanten Krantor und erreichen durch die Frauengasse mit den für Danzig typischen „Beischlägen“ vor den Häusern die Marienkirche, eine der größten Backsteinkirchen der Welt. Nach dem geführten Altstadtrundgang bleibt noch etwas Freizeit in Danzig, bevor Sie am Nachmittag die Weiterreise nach Westen durch Kaschubien zu Ihrer letzten Zwischenübernachtung im Pommerschen Schlosshotel „Podewils“ antreten. Abendessen und Übernachtung in Krangen / Krag bei Köslin.

10. Tag: Rückreise nach Deutschland. Unterwegs Mittagspause auf einem polnischen Markt an der Grenze.

Anmeldung bei Peter Westphal, Obere Wiesenbergstr. 26, 38690 Goslar, Telefon, Fax (05324) 798228 oder bei Partner-Reisen Lehrte, Telefon (05132) 588940, info@partner-reisen.com

Die Kreisgemeinschaft Elchniederung trauert um Anneliese Schalk, geborene Kuchenbecker – geboren am 2. Juni 1921 in Groß Kryszahnen / Seckenburg – gestorben am 25. November 2014 in Eschweiler. Sie verstarb nach einem erfüllten Leben fernab der geliebten Heimat Ostpreußen.

Die Grundschule besuchte sie in Seckenburg, später die höhere Schule in Tilsit. Es folgte die Tätigkeit in der Molkerei der Eltern. Durch diese Arbeit kam sie mit vielen Menschen des Ortes und der Umgebung zusammen; genau die richtige Voraussetzung für den Einsatz als Kirchspiel-Vertreterin für ihren Heimatort Seckenburg in Ostpreußen. Diese Arbeit hatte sie im November 1996 übernommen und zusätzlich für circa zwei Jahre auch die Delegierten-Versammlung geleitet. Sie war Trägerin des Silbernen Ehrenzeichens der Landsmannschaft Ostpreußen. Für ihre langjährige und verdienstvolle Mitarbeit ist die Kreisgemeinschaft Elchniederung ihr sehr dankbar und wird sie stets in guter Erinnerung behalten.

Im Namen des Vorstandes und der Delegierten: Manfred Romeike, Kreisvertreter

 

GERDAUEN

Kreisvertreter: Walter Mogk, Am Eichengrund 1f, , 39629 Bismark (Altmark), Telefon (0151) 12 30 53 77, Fax (03 90 00) 5 13 17. Gst.: Doris Biewald, Blümnerstraße 32, 04229 Leipzig, Telefon (0341) 9600987, E-Mail: geschaeftsstelle@kreis-gerdauen.de.

Zur außerordentlichen Mitgliederversammlung lädt die Heimatkreisgemeinschaft am Mittwoch, 4. Februar, in den Raum des Heimatvereins Wunstorf im Alten Rathaus, Südstraße 1, in 31515 Wunstorf ein. Tagungsbeginn ist um 16.30 Uhr. Das Sitzungsende ist gegen 19 Uhr vorgesehen. Wir möchten darauf hinweisen, dass gemäß unserer geltenden Reisekostenrichtlinie keinerlei Reisekosten der Teilnehmer im Zusammenhang mit der Mitgliederversammlung durch die Heimatkreisgemeinschaft übernommen werden. Die Tagesordnung:

1) Eröffnung der Sitzung

2) Feststellung der ordnungsgemäßen Einberufung

3) Feststellung der Zahl der stimmberechtigten Mitglieder

4) Genehmigung der Tagesordnung

5) Beschlüsse

5.1. Beschluss über das Stiftungsgeschäft der Stiftung Kreis Gerdauen

5.2. Beschluss über die Satzung der Stiftung Kreis Gerdauen

6) Anfragen und Anregungen

7) Schließung der Sitzung

Die Entwürfe von Stiftungsgeschäft und Stiftungssatzung, wie sie der Mitgliederversammlung zur Beschlussfassung vorgelegt werden, werden im Heimatbrief Kreis Gerdauen Nr. 54 (Dezember 2014) abgedruckt. Teilnahme- und stimmberechtigt sind alle Mitglieder der Heimatkreisgemeinschaft Gerdauen e.V. gemäß § 2 der Satzung der Heimatkreisgemeinschaft in der Fassung vom 29. September 2012.

 

PREUSSISCH EYLAU

Kreisvertreterin: Evelyn v. Borries, Tucherweg 80, 40724 Hilden, Telefon (02103) 64759, Fax (02103) 23068, Email: evborries@gmx.net. Kartei, Buchversand und Preußisch Eylauer-Heimatmuseum im Kreishaus Verden/Aller Lindhooper Str.67, 27283 Verden/Aller, Telefon (04231) 15589, Email: preussisch-eylau@landkreis-verden.de, www.preussisch-eylau.de.

Die Wahlperiode der im Jahr 2011 gewählten Bezirksvertrauensleute und Beisitzer ohne Bezirk als Mitglieder der Delegiertenversammlung (oberstes Organ der Kreisgemeinschaft) läuft nach einer Amtszeit von vier Jahren im September 2015 ab. Somit muss im Jahr 2015 neu gewählt werden. Der geschäftsführende Vorstand hat mich gemäß Paragraph 8 der Satzung der Kreisgemeinschaft Preußisch Eylau für die Wahl der Bezirksvertrauensleute und Beisitzer ohne Bezirk zur Wahlleiterin bestimmt.

Hiermit rufe ich zur Einreichung von schriftlichen Wahlvorschlägen auf. Vorschlagsberechtigt und wählbar sind alle erwachsenen Mitglieder der Kreisgemeinschaft. Mitglieder sind nach Paragraph 3 der Satzung die aus dem Heimatkreis stammenden Landsleute und deren Nachkommen, sowie jeder andere, der sich für die Ziele der Kreisgemeinschaft einsetzt. Die Wahlvorschläge müssen enthalten:

Erstens: Vor- und Zunamen der vorgeschlagenen Person, gegebenenfalls auch den Geburtsnamen.

Zweitens: Geburtsdatum und Geburtsort.

Drittens: Beruf.

Viertens: Heimatanschrift bis 1945, gegebenenfalls. die Anschrift der Eltern, Großeltern oder weiteren Verwandten. Die Heimatanschrift muss nicht zwingend in der betreffenden Stadt/dem betreffenden Amtsbezirk liegen.

Fünftens: jetzige Wohnanschrift mit Telefonnummer gegebenenfalls E-Mail-Adresse.

Sechstens: Angaben, für welche der drei Städte oder welche(n) Amtsbezirk(e) der Wahlvorschlag erfolgt oder ob der Vorschlag für einen Beisitzer ohne Bezirk gemacht wird (eine Übersicht hierzu finden Sie auf dem Einlegeblatt „Wahlvorschlag“).

Siebtens: Die schriftliche Zustimmung des Vorgeschlagenen zu dessen Kandidatur. (Diese Zustimmung ist unbedingt notwendig, da sonst der gesamte Wahlvorschlag ungültig wird.)

Vorschläge zur Wiederwahl sind zulässig, desgleichen Vorschläge für die eigene Person (Selbstvorschläge). Die Wahlvorschläge müssen bis zum 31. Januar 2015 bei Frau Tryta (Wahlleiterin) eingegangen sein. Anschrift: Regina Tryta, Landkreis Verden, Lindhooper Straße 67, 27283 Verden.

 

WEHLAU

Kreisvertreter: Gerd Gohlke, Syker Straße 26, 27211 Bassum. Telefon (04241) 5586. 2. Vors. und Schriftleiter: Werner Schimkat, Dresdener Ring 18, 65191 Wiesbaden, Telefon (0611) 505009840. Internetseite: www.kreis-wehlau.de

Am Sonnabend, 22. November führte die Kreisvertretung ihre jährliche Sitzung durch. Nach Abhandlung der üblichen Tagesordnungspunkte (Berichte zum Geschäftsjahr 2014, Wirtschaftsplan 2015) standen die Vorbereitung des Hauptkreistreffens 2015 und des Patenschaftsjubiläums sowie eine Satzungsänderung im Mittelunkt der Beratung. Die Kreisvertretung beschloss, die Satzung der Kreisgemeinschaft zu ändern. Ziel der Änderung ist ein Strukturwandel der Kreisgemeinschaft. Die Kreisvertretung, bestehend aus 12 bis 15 Mitgliedern, wird bei der nächsten Wahl in der Kreisgemeinschaft abgeschafft. Das Führungsorgan soll künftig ein nur noch fünfköpfiger Vorstand sein (Vorsitzender, Stellvertreter, Schatzmeister, 2 Beisitzer). An die Stelle der Kreisvertretung tritt die Mitgliederversammlung der Kreisgemeinschaft als oberstes Beschluss- und Aufsichtsorgan. Die Änderung wurde notwendig durch den altersbedingten Mitgliederschwund und die dadurch stark zurückgehenden finanziellen Mittel sowie die geringer werdenden Teilnehmerzahlen an den Veranstaltungen der Kreisgemeinschaft. Die Mitgliederversammlung wird mindestens einmal jährlich einberufen. Die Einladung erfolgt über den Heimatbrief und durch eine Mitteilung in der Preußischen Allgemeinen Zeitung (Ostpreußenblatt).

Alle Aufgaben der Kreisvertretung von besonderer Bedeutung zum Beispiel Satzungsänderungen, Jahreshaushalt, Entlastung des Vorstandes nach Rechenschaftslegung, Entscheidungen über Einsprüche an den Vorstand, Entscheidung über die Weiterexistenz der Kreisgemeinschaft werden damit ab der nächsten Wahl von der Mitgliederversammlung wahrgenommen. Die Kreisvertretung bereitet das nächste Hauptkreistreffen einschließlich Feier zum Patenschaftsjubiläum und die erste Mitgliederversammlung zur Wahl des neuen Vorstandes für die Zeit vom vierten bis sechsten September 2015 in Syke als eine zusammenhängende Veranstaltung vor. Wir bitten alle Mitglieder um Vormerkung dieses wichtigen Termins. Nähere Informationen zum Hauptkreistreffen erhalten Sie im Heimatbrief Sommer 2015.


»Und dann kam der heilige Abend ...«
1944 sind die kleine Hannelore und ihre Familie auf der Flucht vor dem Krieg. Eine traurige Weihnacht steht bevor. Oder?

Anfang Oktober 1944 muss die damals siebenjährige Hannelore Patzelt-Hennig mit einem Treck vom großelterlichen Hof im Kreis Tilsit-Ragnit flüchten. Zusammen mit den Großeltern, der Großtante und ihrer Mutter kommt sie auf einem Hof bei Braunsberg unter. Ein schwere und bittere Zeit. Warum das Weihnachtsfest sie dennoch selig machte, beschreibt sie hier.

Das Zimmer, in dem die Großeltern, Mutter und ich lebten, als das Weihnachtsfest 1944 nahte, war kahl und schmucklos. An den Wänden hing nichts außer einer kleinen Landkarte von Europa, die Großvater an einem vorhandenen Nagel befestigt hatte.

Es gab außer dem Kachelofen nur zwei Bettgestelle, einen Tisch und Stühle. Neben diesem Zimmer stand uns noch ein winziges, speisekammerähnliches Gelass zur Verfügung, in dem wir einen Teil unseres Fluchtgepäcks untergebracht hatten. Dinge für den täglichen Bedarf und Sachen, die wir nicht auf dem Fluchtwagen lassen wollten, der schon ungefähr zwei Monate auf dem Hof unserer Wirtsleute, hier, in der Nähe von Braunsberg, stand.

Meine jetzige Freiheit sah ich auf die beiden uns zur Verfügung gestellten Räume beschränkt. Eine Abgrenzung, an die ich mich mit meinen sieben Jahren erst gewöhnen musste. Auf dem Bauernhof der Großeltern überall mit dabei gewesen in Haus, Stall, Scheune, Garten und Feld, fiel mir das schwer. Am meisten vermisste ich die Nähe der Tiere, die zu Hause so sehr zu meinem Leben gehört hatten. In den fremden Stall nahm Großvater mich nicht einmal mit, wenn er seine dort untergebrachten eigenen Pferde füttern ging.

„Wir wollen uns hier so unaufdringlich wie möglich verhalten!» hörte ich von den Großeltern immer wieder. Deshalb durfte ich auch fast nie mit in die Küche, wenn Mutter oder Großmutter kochten. Sie hielten sich selbst nur so kurz wie möglich am Herd der Bäuerin auf, den diese jetzt mit uns teilen musste.

Die Wände der Stube, in der wir lebten, bedrängten mich hingegen nicht. Der Raum war groß. In seiner Mitte, auf dem rotbraun lackierten teppichfreien Fußboden hatte ich genügend Platz zum Spielen.

Auch wenn meine Spielgefährtin und ich uns hier mit dem Spielzeug, dass wir auf die Flucht hatten mitnehmen dürfen, gemeinsam breit machten. Sie war ein Mädchen, dass mit demselben Flüchtlingstreck wie ich hier hergelangt war und mit ihren Eltern und ihrem Bruder in einer Stube über uns untergebracht lebte. Wir sprachen oft von den Spielsachen, die wir zu Hause hatten zurücklassen müssen. Unsere Hoffnung, dass bei der Bescherung etwas zum Spielen unter dem Tannenbaum liegen möge, war groß.

Wir lernten ein Weihnachtsgedicht nach dem anderen, sangen Weihnachtslieder, auch Choräle, die Großvater uns beibrachte. Und dann kam der Heilige Abend. Ein gar nicht so kleiner Tannenbaum stand plötzlich in der Stube! In vorweihnachtlicher Erregung früh erwacht, war ich mittags erkennbar müde. Deshalb überredete man mich zu einem kleinen Mittagsschlaf. Nachdem ich ihn beendet hatte, stand die Tanne als Weihnachtsbaum da. Geschmückt mit Kugeln, Kerzen und Lametta. Jetzt war Weihnachten!

Bald aber fiel mir auf, dass ich von dem Weihnachtsschmuck nicht ein einziges Teil kannte. Ich vermisste vor allem meine Lieblingskugeln, die Mokkabraunen mit Goldfäden überspannten.

Gar keinen Gefallen fand ich an der Tannenbaumspitze. Besonders deshalb nicht, weil es an ihrem unteren Rand nicht die Glöckchen gab, die unsere Spitze zu Hause so schön machten. Als ich danach fragte, hieß es: „Unseren Baumschmuck haben wir nicht mit! Du weißt doch wie voll der Wagen vom Nötigsten schon war!” Ich wusste es! Ich war ja mit ihm hergekommen! Und die eben erhaltene Antwort hörte ich nicht zum ersten mal. Immer wieder kam sie mir zu Ohren, wenn ich nach etwas fragte, das ich vermisste. Ich setzte mich in meine Spielecke zwischen dem Teddybär und meiner großen Puppe – der einzigen, die ich mitbekommen hatte – und betrachtete weiter den Weihnachtsbaum. Bald darauf wurde Kaffee getrunken. Dabei wirkte Mutter sehr betrübt. Bis zuletzt hatte sie auf ein Lebenszeichen von Vater zu Weihnachten gehofft, der an der Westfront kämpfte, aber es war keins eingetroffen. Und Großvater sprach wieder einmal von der Front im Osten. Daraufhin blickte ich, wie so oft, wenn er seine Meinung darüber kund tat zu der Landkarte, die an der Wand hing. Mich beängstigte das riesige, grüngezeichnete Russland, dem gegenüber mir das in Rosa wiedergegebene Deutschland so klein vor­kam.

Und den Kanonendonner der russischen Front, von der Großvater eben wieder sprach, hatte ich aus den Tagen vor unserer Flucht aus unserem Dorf an der Memel noch sehr gut in Erinnerung. Bald aber lenkte ich meinen Blick zurück zum Weihnachtsbaum. Es dauerte nicht mehr lange, und es war Heilig Abend! Die Freude darauf verdrängte alles andere in meinem Herzen.

Und dann war es soweit. Die Kerzen brannten. Wir sangen die alten Lieder. Ich sagte drei Gedichte auf und ließ ihnen alle Strophen von „Ihr Kinderlein kommet.” folgen. Anschließend sangen wir noch gemeinsam „Stille Nacht” und dann durfte ich die Päckchen auspacken, die unter dem Weihnachtsbaum lagen. Sie enthielten selbstgestrickte Kleidungsstücke für mich und ein Mäntelchen für meine Puppe, das ich mir so sehr gewünscht hatte.

Weit unter die Äste des Weihnachtsbaumes geschoben entdeck-te ich dann noch einen flachen Kasten. Sein Inhalt ließ mich jubeln. Es waren Bauernhoftiere in handlicher Größe. Pferde, Kühe, Schafe, Hühner und auch ein Hund waren dabei. Schwarz wie unser Mohrchen war er. Wir hatten ihn zu Hause zurücklassen müssen mit all den anderen Tieren außer den beiden Pferden, die den Fluchtwagen zogen. Über dieses Geschenk freute ich mich am meisten. Ja, ich barst vor Seligkeit! Weihnachten hatte sich damit für mich erfüllt. Trotz allem, was wir entbehrten.

Hannelore Patzelt-Hennig

Die Autorin ist heute 77 Jahre alt und lebt in Achim bei Bremen. Nach Westdeutschland kam sie zusammen mit der Mutter, dem Vater und dem Großvater 1949 nach abenteuerlicher Odyssee. 1959 heiratete sie und ist Mutter zweier Töchter. Seit 1961 schreibt Hannelore Patzelt-Hennig für die PAZ. Als Schriftstellerin hat sie zudem zahlreiche Bücher verfasst.


Eigentümlich schön
Fotograf Wolfang Bajohr über seine Erlebnisse mit Elchen in Ostpreußen und anderswo

Selten weckt ein Tier so viel Heimatgefühle wie der Elch in Ostpreußen. Dabei sind sie im Land zwischen Memel und Weichsel sogar recht selten. Auskunft gibt zum Beispiel das Jahrbuch der Jägerschaft von 1938/1939. In diesem Jahr wurden dort 70 männliche und 60 weibliche Elche geschossen. Ein Jahr davor waren es 99 männliche und 147 weibliche. Für alle miteinander wird der Marktpreis mit 1999 Reichsmark genannt. Das ist recht spärlich. Allein in Schweden werden Jahr für Jahr rund 100000 Elche erlegt.

Es handelt sich übrigens in jedem Fall um Alces alces alces, den europäischen Elch. Diese Unterart kommt in Skandinavien ebenso vor wie in Polen, den baltischen Staaten, Nordrussland und eben Ostpreußen. Ich selbst habe Elche außer in Ostpreußen in Litauen, Finnland, Schweden und Alaska bejagt, allerdings nur mit der Kamera, was nicht ganz einfach ist, denn Elche sind in der Wildnis dauernd und unstet unterwegs. Es kann zum Glücksfall werden einen zu sehen. Dabei sind sie gar nicht scheu. Das wurde wieder einmal deutlich als in Nidden, dem Litauischen Teil der Kurischen Nehrung 2014 ein Elch auf der Strandpromenade entlang marschierte und vor den Spaziergängern eher unwirsch ins Flachwasser auswich. Mittlerweile sind Elche in Tschechien eingewandert, und von dort aus sind einzelne bis nach Niederbayern gekommen. Unsere Waldbesitzer denken noch darüber nach was mit einem Tier zu tun ist, das so aktiv Bäume frisst. Nun muss ja jeder selber wissen, was er mit seinem Wald vorhat. Ehe er aber nachdenkt, zeigt sich, dass Elche sehr unstete Tiere sind und schon weiterwandern ehe man recht nachgedacht hat. Früher gab es auch Elche in den Alpen. Daran erinnern noch Gedenkstätten in Tirol.

Allen Elchen gemeinsam ist bei ihrer enormen Größe – mit bis zu 800 Kilo wiegt ein Elchbulle etwa so viel wie ein Kleinwagen – ihr vergleichsweise friedliches Wesen. Es gibt allerdings Ausnahmen: Wenn eine Elchmutter der Meinung ist, dass sie ihre Kinder beschützen muss, dann wird sie für uns Menschen weitaus gefährlicher als Wisent, Bär und Wolf zusammengenommen. Denn an den Füßen hat sie Schalen, die Pferdehufen ähnlich sind, und mit denen schlägt sie zu.

Ein befreundeter Tierfotograf wurde von einer solchen zornigen Elchmutter einige Male rund um einen Baum gejagt. Er ist erst mit einem Satz ins Geäst des Baumes nach oben entkommen.

Ohne Kinder kann aber auch ein weiblicher Elch recht gemütlich sein, besonders wenn er gerade nicht gestört werden will. An ein solches Tier war ich herangekrochen. Aber so ein schlummernder Elch ist ja nicht fotogen. Auf kaum fünf Meter Entfernung wollte ich das Tier verleiten aufzustehen. Weil sie aber nicht daran dachte, habe ich sie mit Kiefernzapfen bombardiert. Auf die reagierte sie nur, als wenn wir eine Fliege verscheuchen wollen. Schließlich aber erhob sie sich doch. Wer erstmals einem Elch begegnet, der hält ihn vielleicht für ein hässliches und komisches Tier mit seinem Halsanhang und der krummen Nase. Solche Ansichten gibt man aber bald auf, wenn man ihnen Auge in Auge gegenübersteht. Kaum ein anderes Tier erfüllt so sehr unsere Sehnsucht nach Wildnis wie der Elch.

Was er im Bewusstsein manches Ostpreußen seit je verkörpert, hat der Autor Benno Dilba, 1995 in seiner Schrift „Der Elch und die Elchschaufel – Symbole Ostpreußens“ treffend ausgedrückt: „Kein Tier verkörpert in gleicher Weise die eigentümliche Schönheit der ostpreußischen Landschaft wie der Elch. Seine urwüchsige Erscheinung und seine ruhigen und doch kraftvollen Bewegungen korrespondieren mit der urweltartigen ostpreußischen Natur im Elchwald. Sie war geprägt von Flüssen und von tiefliegenden Wiesen, von Birken und Erlenwäldern, von verlandeten Seen, sturmgeknickten Bäumen und vermodertem Wurzelzeug. Die friedfertige und zugleich altertümlich anmutende Gestalt des Elches erinnert an den Urbeginn des Lebens, an die menschliche Vergänglichkeit und an die Unendlichkeit der Zeit.“


S. 21 Lebensstil

Rätselhafte Krippenfiguren
Weder heilig noch königlich, noch waren es drei − Ausstellung in Köln untermauert Legendenbildung um die Heiligen Drei Könige

Sie gehören zu Weihnachten wie das Jesuskind und die Krippe. Und sie gehören zu Köln wie der Rhein und der Dom − die Heiligen Drei Könige.

Im zu Ende gehenden „Dreikönigsjahr“ präsentiert das Kölner Schnütgen-Museum noch bis zum 25. Januar 2015 in einer prachtvollen Ausstellung den Glanz und die Strahlkraft der Drei Weisen Caspar, Melchior und Balthasar. 130 exquisite und äußerst wertvolle Exponate konnten weltweit aus 70 Museen ausgeliehen werden und sind, teilweise zum ersten Mal überhaupt auswärts in Köln zu sehen. Die Stücke datieren aus der Zeit des dritten bis 16. Jahrhunderts.

Die Geschichte der Männer aus dem Morgenland beginnt recht unspektakulär als eine Randerscheinung der Weihnachtsgeschichte im Neuen Testament. Nur im Matthäus-Evangelium (Mt. 2,1−12) ist überhaupt die Rede von ihnen: „Als aber Jesus zu Bethlehem in Judäa geboren war, in den Tagen des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise vom Morgenland nach Jerusalem, die sprachen: Wo ist der König der Juden, der geboren worden ist? Denn wir haben seinen Stern im Morgenland gesehen und sind gekommen, ihm zu huldigen.“

Das älteste Stück der Ausstellung, eine gravierte Marmorgrabplatte aus den römischen Katakomben des dritten bis vierten Jahrhunderts, zeigt drei orientalisch gekleidete Männer, die mit Gaben in den Händen zu Maria mit dem Jesuskind eilen. Ein Stern weist ihnen den Weg. Bemerkenswert an dieser schlichten frühchristlichen Darstellung ist, dass drei Männer dargestellt werden. Die Stelle im Matthäus-Evangelium nennt kei­ne Zahl. Manuela Beer, die stellvertretende Museumsdirektorin, sieht in der Zahl Drei symbolisch die drei Lebens­abschnitte − Kind, Er­wachsener, Greis − oder auch die drei damals bekannten Kontinente Europa, Afrika und Asien dargestellt. Der Mohr, der schwarze König als Repräsentant Afrikas, wird ab dem 15. Jahrhundert zum festen Bestandteil der Dreikönigs-Darstellungen.

Die Zahl Drei zieht sich konstant durch die künstlerischen Darstellungen der Weihnachtsszene bis heute durch. Dagegen verändert sich die Bedeutung der drei Gestalten, die einem Stern folgen, gewaltig. Sprach Matthäus noch von Magiern („Magi“), was im Deutschen als „Weise“ oder „Sternkundige“ übersetzt wurde, so taucht ab dem neunten Jahrhundert auf Altarbildern, Wandteppichen und Stundenbüchern die Darstellung von Königen auf. „Der Wandel von der spätantiken Barbarentracht der Magier zu ge­krönten Königen“ vollzog sich, so Beer, in der Ottonenzeit, etwa ab der Regierungszeit Kaiser Ottos I. des Großen (936−973) und seines Sohnes Ottos II. (973−983).

Ab dieser Zeit wandeln sich die (heidnischen) Magier aus dem Morgenland zu (christlichen) Königen. Auf einigen Gemälden und Altarbildern lassen sich die Auftraggeber, meist Fürsten und Herrscher, selbst in der Gestalt eines der Drei Könige darstellen.

Beer sieht darin ein Machtkalkül: „Besonders die ottonischen Kaiser hatten nach eigenem Verständnis ihre Kronen und ihre Macht unmittelbar von Christus, dem König aller Könige, empfangen und agierten als dessen Stellvertreter.“ Und auch im andauernden Streit mit den Päpsten um die Vorherrschaft in der Welt war die Darstellung der ersten Gottessohn-Besucher als Könige mehr als ein „Wink mit dem Zaunpfahl“: So sah alle Welt − und natürlich das meist nur die Bildsprache verstehende einfache Volk −, dass „Könige“ die Ersten waren, die dem Sohn Gottes huldigten. So konnte das Primat der Könige vor allem gegenüber den Päpsten gerechtfertigt werden.

Protestanten lehnen, wie schon Martin Luther, die Bezeichnung „Könige“ für die Männer aus dem Morgenland ab und sprechen meist von den „Drei Weisen aus dem Morgenland“.

Wissenschaftlich betrachtet entpuppt sich die Geschichte von den „Heiligen Drei Königen“ als reine Erfindung. Weder „Heilig“ noch „Drei“ noch „Könige“ ist belegt. Die Zahl Drei: frei erfunden. Die Werteinstufung „König“: bewusst manipuliert. Und die „Heiligkeit“: nicht bestätigt. Denn die katholische Kirche hat die als Caspar, Melchior und Balthasar benannten Männer offiziell nicht für heilig erklärt.

Noch abenteuerlicher aber ist die Legendenbildung um die Reliquien der Heiligen Drei Könige. Reliquienverehrung − für die meisten protestantischen Preußen ein Buch mit sieben Siegeln.

Die sterblichen Überreste − salopp gesagt: die Knochen − der Drei Weisen befinden sich seit nunmehr 850 Jahren in Köln. Die Reliquien brachte der Kanzler des Kaisers Friedrich „Barbarossa“, der Kölner Erzbischof Rainald von Dassel, im Juli 1164 von Mailand an den Rhein.

Für Köln brachte dieser Coup des Erzbischofs einen ungeahnten ökonomischen Aufschwung. Wahrscheinlich wäre Köln ohne die Reliquien der Heiligen Drei Könige nicht das, was es heute ist. Die kostbaren Knochen boten zum Beispiel den Anlass für den Bau des Kölner Domes, der 1248 begonnen wurde. Der Reliquienschrein sollte eine würdige und angemessene Behausung finden. Die Reliquien lösten zudem einen weitreichenden und für die Stadt Köln äußerst profitablen Wallfahrtstourismus aus. Köln wurde zu einer „Heiligen Stadt“ („hillijes Kölle“). Die Heiligen Drei Könige wurden zu Patronen der Stadt erklärt, ihre Kronen symbolisch ins Stadtwappen aufgenommen.

Das 850. Jahr der Ankunft der Heiligen Drei Könige in Köln wird als Dreikönigsjahr gefeiert. Deshalb ist zum Beispiel nur in diesem Jahr der vergoldete Schrein, der die (angeblichen) Gebeine der drei Weisen beinhaltet, im Dom frei zugänglich. Und deshalb hat das Schnütgen-Museum diese großartige und sehr aufwendige Ausstellung arrangiert.

Die Geschichte der Weisen aus dem Morgenland mag eine Le-gende oder vielleicht auch nur eine Frage des Glaubens sein. Wahrnehmbare Realität aber sind und bleiben all die Kunstwerke, die im Glauben an die Existenz der Heiligen Drei Könige geschaffen wurden. Sie offenbaren uns die wunderbare Welt der Phantasie und des Seelischen.

In komprimierter Form kann diese Wunderwelt am Ausgang der Ausstellung genossen werden. Das letzte Ausstellungsstück, eine neapolitanische Krippenlandschaft aus dem 18. Jahrhundert, stammt aus dem Diözesanmuseum in Freising. Es verzaubert den Besucher mit einer detaillierten und facettenreichen Darstellung der Weihnachtsgeschichte. 135 Figuren, 73 Tiere und 350 feinst gearbeitete Zubehörteile nehmen rund 30 Quadratmeter Fläche in Anspruch. Allein der Aufbau dauerte mehrere Tage. Das Werk: eine Augenweide für die Besucher. Siegfried Schmidtke

Bis 25. Januar 2015 Museum Schnütgen, Cäcilienstraße 29, 50667 Köln, geöffnet Montag bis Sonntag 10 bis 19 Uhr, Donnerstag bis 20 Uhr, montags geschlossen. Eintritt: 10 Euro. Telefon (0221) 22131355. Internet: www.museum-schnuetgen.de


Ein Stern ist aufgegangen
Herrnhuter Sterne zieren jeden Weihnachtsbaum

Herrnhuter Weihnachtssterne sind die Klassiker am Weihnachtsbaum. Wer sie selbst baut, kann sie mit interessanten Effekten versehen und seiner Kreativität freien Lauf lassen. Wer diesen Aufwand scheut, für den gibt es Bausätze.

Der Stern als Symbol nimmt als Weihnachtsschmuck eine besondere Stellung ein. Ein leuchtender Stern im Fenster wirkt immer besonders heimelig. Herrnhuter-Sterne schmücken in der Advents- und Weihnachtszeit viele Wohnungen, Kirchen, soziale Einrichtungen, aber auch Straßen, Plätze und Schaufenster.

Der Ort Herrnhut ist eine Gründung mährischer Siedler. Das Missionswerk der Evangelischen Brüderunität nahm Kinder im Internat auf. Um ihnen besonders in der Adventszeit die Trennung vom Elternhaus zu erleichtern, bastelte ein mathematisch begabter Erzieher einen Stern aus Pappe und Papier. Im Jahre 1821 schmückte man zum 50. Gründungsjahrestag der Unitäts-Knabenanstalt in Niesky deren Hof mit einem beleuchteten Stern mit 110 Zacken. Daraus entwickelte sich der Brauch, in den Internaten der Herrnhuter Unität zur Adventszeit gemeinsam Papiersterne zu basteln.

Einer Legende zufolge fand ein Buchbinder Gefallen an den Sternen und bestellte zunächst acht Stück, die sehr schnell weggingen. Bis heute werden die Sterne mit der Hand gefertigt – in einer Zeit, in der uns von allen Seiten Industrieware entgegendrängt, ist der Pappstern noch ein Stück von „echter“ Weihnacht.

Bereits um 1900 hatte man eine Fabrikversion mit Blech konstruiert, inzwischen ist man jedoch wieder zu der reinen Form aus Pappe und Papier zurückgekehrt. Beleuchtet wurden die Sterne zuerst mit kleinen Öl­lampen, heute mit einer kleinen Glühbirne.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann die professionelle Herstellung der Original Herrnhuter Sterne und führte zur großen Verbreitung dieses Weih­nachtsbrauches. Dazu eignete sich insbesondere eine Version, die mit nur zwei Grundformen auskommt, nämlich Pyramiden mit dreieckiger beziehungsweise quadratischer Grundfläche. Diese Version ist der Stern mit 25 Spitzen, der bis heute hergestellt wird. Ab den 20er Jahren wurde sie von der Sterngesellschaft mbH in Herrnhut hergestellt und vertrieben. In der DDR oblag die Produktion zunächst dem VEB Stern und ab 1968 einer Firma, deren Hauptgeschäft auf der Herstellung von Elektroanlagenzubehör lag. Der jetzige Hersteller ist die Herrnhuter Sterne GmbH mit 45 Arbeitskräften und einer assoziierten Behindertenwerkstatt mit 20 Personen. Die Firma bietet 60 verschiedene Modelle nebst Zubehör für die Beleuchtung an.

Viele protestantische Kirchen sind zur Adventszeit mit Herrnhuter Sternen ge­schmückt, die teilweise noch aus der Frühzeit der Produktion stammen. Vie­le Gemeinden hatten die Sterne ge­kauft, um die Herrnhuter Brüdergemeinde zu unterstützen und ihre Missionsarbeit zu fördern. Oft lag der Grund aber darin, dass dieser Adventsschmuck nicht überladen wirkt, sondern von schlichter Schönheit ist.

Ob man nun einen solchen Stern als Bausatz kauft oder komplett selbst baut: Immer bringt man damit einen exquisiten Zauber ins Haus. Und mit dem Bas­teln der Sterne beginnt Weihnachten erst richtig. Alexander Glück


Süßes Festmahl
Kein Gabenteller ohne Baumkuchen − Spezialität mit Geschichte

Früher sah er wild aus. Zackige Spitzen in alle Richtungen. Heute bevorzugt man ein gleichmäßiges Äußeres. Die Rede ist vom Baumkuchen, einem Meisterwerk der Back­kunst. Über seine Entstehungsgeschichte rätseln die Fachleute. Fest steht, dass man Nahrung schon zu den Anfängen der menschlichen Kultur auf Spieße wickelte, um sie über offenem Feuer zu garen. Im antiken Griechenland be­festigte man Weizenteig auf Holzstangen. So entstand über dem Feuer eine Art Brot.

Erst Ende des Mittelalters entwickelte sich eine Art Spießkuchen in den Klosterküchen. Man verwendete aber noch feste Teige. Dann im 15. Jahrhundert begannen die Bäcker in Nürnberg und Frankfurt, Baumkuchen herzustellen. Ganz be­sonders in Mitteldeutschland bildeten sich re­gionale Zentren heraus, was sich bis in die heutige Zeit erhalten hat. In Dresden, Stettin, Cottbus und Salzwedel, aber auch in der Harzer Gegend, finden wir noch heute Bäckereien, die nach uralten Rezepten ihre süßen Leckereien herstellen.

Besonders ist dieses Back­werk aufgrund seiner beeindruckenden Herstellungsweise. Der Teig wird sorgsam auf eine etwa ein Meter breite Holz- oder Metallwalze aufgetragen. Die rotierende Rolle wurde vorher mit Papier umwickelt. Erst, wenn diese von einer geschlossenen Masse umgeben ist, wird der Teig in offener Gasflamme gebacken. Aber, zu trocken darf die sehr dünne Schicht nicht werden. Bis zu 15 Schichten entstehen auf diese Weise und sind optisch den Jahresringen der Bäume sehr ähnlich. Daher der Name des Gebäcks. Ab der vorletzten Schicht kommt es zum Einsatz des „Kammes“, der die Ringe herausarbeitet. Nach dem Backen und Abkühlen löst man den Kuchen von der Walze. Nun schneidet der Konditor sie in 200 Gramm schwere Ringe. Je nach Region werden sie mit heller, dunkler Kuvertüre oder Fondant überzogen. Schnell beliebt in herrschaftlichen Haushalten, nahm die historische Entwick­lung ihren Lauf. Schon der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm I. schätzte den Kuchen. Die alte Potsdamer Hofkonditorei von Ernst Rabien stellte die Köstlichkeit schon 1680 für die kurfürstliche Gesellschaft her. Heute ist die Bäckerei in Berlin angesiedelt und liefert ihr Backwerk in die ganze Welt. Sogar zum Markenzeichen der Konditoren hat es der „König der Kuchen“ geschafft. Das, was einem als Zunftzeichen des Handwerks das Wasser im Munde zu­sammenlaufen lässt, ist keine Torte, sondern ein Baumkuchen.

Wer sich einmal die Herstellung ansehen möchte, kann dieses im Harz, in Wernigeröders Baumkuchenhaus Nr. 1, geführt von Christian Feuerstack, beim Schaubacken erleben. 1992 verwirklichte sich hier der Begründer, Rolf-Dieter Friedrich, einen Lebenstraum. Ein Café mit Schaubackraum. So können die Gäste die Leckereien auch gleich probieren.

Obwohl der Baumkuchen eine typisch deutsche Schleckerei ist, gibt es ähnliche Erzeugnisse auch in anderen Ländern. In Schweden heißt er Spettekaka, in Dänemark Kransekage, Sekacz in Polen und in Griechenland Obelisa. Aber, egal, wie man ihn nennt, köstlich ist er immer. Silvia Friedrich


S. 22 Neue Bücher

Derhom und Dohaus
Eine Donauschwäbin erzählt

Als nach dem Zweiten Weltkrieg Millionen von Flüchtlinge und Vertriebene nach Westdeutschland kamen, war die Aufnahme der mittellosen und hungernden Menschen selten herzlich. Die einheimische Bevölkerung kämpfte selbst ums Überleben. So kam es, das viele Flüchtlinge und Vertriebene noch jahrelang unter sich blieben, meist sogar aus eigenem Antrieb, da die aus der Heimat vertrauten Menschen selbst ein Stück Heimat bedeuteten.

Die inzwischen weit über 70 Jahre alte Rosemarie Bovier stammt aus einer donauschwäbischen Familie. Diese „Schwaben“ waren seinerzeit von den Habsburgern in Land gerufen und in der Woiwodina, heute die nördlichste Provinz Serbiens, angesiedelt worden. In ihren jetzt erschienenen Erinnerungen „Heimat, ist das, wovon die anderen reden”, schreibt Rosemarie Bovier, dass sie sich „erfolgreich allen Bemühungen ihrer Staatsnationen um eine Integration widersetzten”. Seit der Einwanderung pflegten sie ungebrochen ihre eigene Kultur. Sie waren als Deutsche ins Land gekommen, und Deutsche wollten sie auch bleiben.“

Anders als die Deutschen in Ostpreußen, Schlesien und im Sudetenland flüchteten die Donau-schwaben schon im Oktober 1944 vor der heranrückenden Roten Armee. Etwa 40 Familien des Dorfes Brestowatz nordwestlich von Novi Sad landeten nach manchen Irrwegen im nordhessischen Obersuhl nahe der thüringischen Grenze, zuerst in Wohnungen, wo es fast an allem mangelte, dann in einem Barackenlager am Dorfrand, das sich die fleißigen Flüchtlinge nach und nach zu einer halbwegs komfortablen Bleibe ausbauten.

Von den zwölf Jahren in diesem einfachen, dennoch bald liebgewonnenen Zuhause erzählt die Autorin in ihrem schnörkellosen, gleichwohl anrührenden Bericht. Den vermutlich ziemlich harten Alltag hat das umsorgte, von der alten Dorfgemeinschaft behütete Kind wohl nicht allzu sehr gespürt. Bezeichnend ist, dass die Heimat ständig präsent war, was auch die kleine Rosemarie in den Bann zog, obwohl sie erst 1947 geboren wurde. Mentalitätsmäßig waren die Menschen einfach (noch) nicht im Westen angekommen. Typisch, dass sie von der alten Heimat als von derhom und vom neuen Zuhause nur als von dohaus sprachen. Derhom war man unten in der Batschka, dem nördlichen Teil der Woiwodina, auch wenn man dort in Wirklichkeit schon lange nicht mehr lebte.

Bovier bringt viele Beispiele, wie diese Mentalität in Mahlzeiten, in alltäglichen Gewohnheiten, in der Kleidung – ältere Frauen trugen fast nur die alte bäuerliche schwarze Tracht – und in religiösen Riten weiterlebte. Darin fanden die Menschen ihre Identität, und um diese nicht zu verlieren, hielten die Vertriebenen – auch mit einem dichten Informationsnetz über die ganze Bundesrepublik – zusammen, etwa durch Heiraten fast nur untereinander. Erst in den 60er Jahren lockerten sich die Bindungen; der Vater des Mädchens bekam 1959 eine Dienstwohnung der Bahn in Bebra; die Baracken wurden 1976 abgerissen.

Das Interesse an der Heimat ist der Autorin, die später Gymnasiallehrerin in Niedersachsen wurde, geblieben. Als Erwachsene hat sie mehrfach das frühere Dorf besucht. Sie vertiefte sich in Orts- und Familienchroniken, studierte das lange Zeit problemlose Zusammenleben von Deutschen, Ungarn und Serben an Theiß und Donau und stellte einigermaßen schockiert fest, dass Vater und Onkel beim Wachpersonal in NS-Konzentrationslagern eingesetzt waren – in der Familie ein absolutes Tabuthema.

Das mit Karte und Bildern ausgestattete Buch spiegelt ein Stück Nachkriegsgeschichte, wie es nach 1945 wohl hunderttausendfach erlebt wurde. Es ist eine noch zu wenig gewürdigte Leistung, dass sich diese Millionen Menschen heute in ihrer neuen Heimat zu Hause fühlen. Dirk Klose

Rosemarie Bovier: „Heimat ist das, wovon die anderen reden. Kindheitserinnerungen einer Vertriebenen der zweiten Generation”, Wallstein-Verlag, Göttingen 2014; 160 Seiten, 14,90 Euro


Weinen oder schmunzeln
Eine abenteuerliche Flucht aus dem russischen Bürgerkrieg

Die Jahrzehnte vor dem Ersten Weltkrieg gelten in Russland heute als ein Silbernes Zeitalter. Nach der mit Puschkin beginnenden „goldenen“ Ära brachte diese zweite kulturelle Blütezeit eine Fülle von Dichtern hervor wie zum Beispiel Iwan Bunin oder den junge Maxim Gorki. Hinzu kamen berühmte Regisseure und Maler. In ihrer Gesamtheit standen diese Künstler der Kultur Westeuropas nicht nach, und in unseren Tagen werden sie mit Staunen wiederentdeckt wie jetzt Nadeshda Lochwizkaja alias Teffy.

Auch ihr Leben ist Beispiel für die russische Künstler-Szene dieser Zeit: Viele ihrer Mitglieder gerieten nach 1917 schon bald mit der jungen Sowjetmacht in Konflikt. Vielfach emigrierten sie, um nach dem Verlust aller Habe wenigstens das nackte Leben zu retten. Berlin und mehr noch Paris wurden über Jahrzehnte die Zentren der russischen Emigration, die erneut große kulturelle Leistungen hervorbrachte, wobei viele Emigranten am Rande des Existenzminimums lebten.

Zu den heute fast vergessenen Namen gehört dabei auch die Schriftstellerin Nadeshda Lochwizkaja, die unter dem Künstlernamen „Teffy“ als Verfasserin sowohl seriöser als auch satirischer Erzählungen und Feuilletons in Russland ein Begriff war. Im Jahr 1872 in Petersburg geboren und 1952 in der Pariser Emigration gestorben, galt sie als „femme fatale“ in der russischen Hauptstadt. Nach einer kurzen Ehe lebte sie ab 1900 als freie Schriftstellerin.

Durch ihr Äußeres, das, wie es hieß, durch extravagante Kostüme auffiel, „die wenig Stoff, dafür aber viel entblößtes Fleisch zeigten“, erregte sie zusätzliches Aufsehen. Nach 1914 erwies sie sich durch berührende Kriegsberichte als höchst sensible Autorin.

Auch für sie bedeutete die Oktoberrevolution 1917 eine Zäsur; im Frühjahr 1918 wurde ihre Zeitung eingestellt, Arbeit für ihresgleichen gab es in Moskau nicht, sie stand vor dem Ruin. So ließ sie sich dazu überreden, nach Kiew zu fliehen, damals Hauptstadt der für kurze Zeit unabhängigen Ukraine. Es wurde eine abenteuerliche Flucht, die von Moskau über Kiew, Odessa und Noworossisk schließlich ins Exil führte. Russland hat sie nie wiedergesehen.

Über ihre Flucht hatte sie bereits 1928 in Paris berichtet. Jetzt sind diese Erinnerungen mit einem einfühlsamen Nachwort von Christa Ebert erstmals in deutscher Sprache erschienen. Es ist ein Buch, bei dem man nicht weiß, ob man weinen oder lachen, entsetzt sein oder schmunzeln soll. Es war eine Flucht, die stündlich auf der Kippe und mehrfach vor einer tödlichen Bedrohung stand. Sie führte mitten durch das von einem erbittert geführten Bürgerkrieg zwischen Roten und Weißen geschundene Land. Mit wem man heute zusammen war, der war wenige Tage später inhaftiert oder erschossen; eine warme Tasse Tee war wie ein Himmelsgeschenk; brutale Kontrolleure wurden auf einmal vor der berühmten Frau weich wie Butter; es gab lebensbedrohende Hunger- und Typhusepidemien, dann wieder selbstlose Helfer und rührende Beweise von Fürsorge und Freundschaft. All das wechselt fast von Seite zu Seite.

Es scheint, als habe die Autorin alle Strapazen mit stoischer Gelassenheit ausgehalten; alles wird mit einem trockenen Humor berichtet, der die Ereignisse zu einem beinahe surrealistischen Geschehen macht. Nur am Ende, als Teffy auf dem Schiff ahnt, dass sie Russland vermutlich für immer verlässt, übermannt sie die Schwermut: „Die Augen weit aufgerissen, bis sie ganz kalt sind, schaue ich. Ich bin erstarrt wie Lots Weib, erstarrt für immer, und werde immer vor mir sehen, wie sich mein Land ganz langsam von mir entfernt.“

Die vielen Porträts bekannter Vertreter dieses Silbernen Zeitalters, denen Teffy auf der Flucht begegnet, machen das Buch zusätzlich zu einem Zeitdokument. Überhaupt ist es eine echte Ausgrabung, für die man dem Verlag auch mit Blick auf die geschmack-volle Aufmachung danken muss. Am Beispiel dieser abenteuerlichen Flucht wird der Leser Zeuge, wie eine glanzvolle Ära für immer untergeht. Dirk Klose

Teffy (Nadeshda Lochwizkaja): „Champagner aus Teetassen. Meine letzten Tage in Russland“, Aufbau Verlag, Berlin 2014, gebunden, 288 Seiten, 19,95 Euro


»Modellier’ das Klima mir«
750 Seiten unzensiertes Wissen zu Energiewende und Klimawandel

Wer sich in „Elektrischer Strom. Gestehung, Übertragung, Verteilung, Speicherung und Nutzung elektrischer Energie im Kontext der Energiewende“ vertieft, beginnt eine anstrengende und längere Reise, die sich lohnt. Es als Sachbuch zu bezeichnen, ist höflich untertrieben, denn die Lektüre verlangt nicht nur ein hohes Maß an Ausdauer und Konzentration, sondern auch ein fundiertes technisch-physikalisches Wissen. Wer diese Zeit investiert, wird mit viel neuem und vom Zeitgeist nicht zensiertem Wissen belohnt.

Das Buch dreht sich um den Begriff Energie, genauer um die diversen Möglichkeiten der Erzeugung elektrischen Stroms. Nach dem Hinweis, dass Energie die Fähigkeit, Arbeit zu leisten. bedeutet, wird der Begriff „Energiewende“ beleuchtet. Er stecke „tief im Schlamm von Streit, Gezänk, Lügen und politischer Unfähigkeit, so dass man krampfhaft nach dem Schopf sucht, der sie heraufzieht und rettet“. Oder: „Aus Ingenieurssicht ist die staatlich ausgerufene Energiewende eine XXL-Konservendose, zwar mit verheißungsvollem Inhalt, aber ohne Inhalts- und Mengenangabe.”

Weitere Thesen des Autors: Wir sind in weiten Bereichen eine „Einheitsgesellschaft mit Einheitsmeinung“ geworden. Fast alle „halbgebildeten Nachplapperer“ schreiben das Gleiche, seien politisch korrekt, weil sie „in grüner Aura erstrahlen“ wollen. Dies betreffe die Themen Klimawandel, Kernenergie und Energiewende.

Es sei dieses geistige und keine Kritik duldende intolerante Einheitsklima, das uns an ein Globalklima und dessen Machbarkeit durch den Menschen glauben lässt. Dabei drohe uns der Größenwahn ins Verderben zu treiben, wenn man den Kampf gegen das absolut lebensnotwendige und völlig wetterunabhängige Kohlenstoffdioxid anschaut. Kürzer kann man es nicht fassen: „In einem kriminalisierten Diskurs mutierte das natürliche Kohlenstoffdioxid vom ,künstlichen Gas‘ zum ,Schadgas‘, vom ,Treibhausgas‘ zum ,Giftgas‘ und schließlich zum ,Klimakiller‘. Die neuesten Erfindungen der Medien sind ,Klimatöter‘ und ,Klimaverräter‘.“

Wer bei geistiger Arbeit Energie einspart, spart beim eigenständigen Denken, wird kritikunfähig und muss schließlich all das glauben, was ihm vorgesetzt wird. Und das sind optisch aufgesetzte, leicht verdauliche, aber geistig träge machende Schnellgerichte. Haben Sie schon mal nachgedacht, was „klimaneutral“ bedeutet? Neutral ist dann etwas, wenn Eingang und Ausgang zu jedem Zeitpunkt gleich sind und damit kein Energiefluss stattfindet. Was besagt das? „Wenn in unserer Atmosphäre kein Energiefluss erfolgt, dann gibt es kein Wettergeschehen und somit auch kein Klima – es hat sich neutralisiert, und aus ist’s. Basta!“ Klima ist nämlich nur die Statistik des Wetters, ein Abstraktum, ein „Ding an sich“ nach Immanuel Kant, das keine Existenz hat.

Auch wird mit dem illusionären politischen Versprechen aufgeräumt, dass jemals die Erzeugung von Strom durch Wind und Sonne „grundlastfähig“ sei. Selbst über der Nordsee herrscht an etwa 100 Tagen im Jahr Windflaute. Der Selbstbetrug fängt damit an, Wind und Sonne als „Erneuerbare Energie“ zu bezeichnen. Die Energie- und Klimaexperten leben nach dem Motto: „Am Computer sitz‘ ich hier und modellier‘ das Klima mir“! Wolfgang Thüne

Herbert Niederhausen, Andreas Burkert: „Elektrischer Strom. Gestehung, Übertragung, Verteilung, Speicherung und Nutzung elektrischer Energie im Kontext der Energiewende“, Springer Verlag, Wiesbaden 2014, gebunden, 750 Seiten, 99,95 Euro


Snobbistische Streitschrift
Wenig überzeugend sind die Ansichten des Bankiers Felix Marins zur »wahren Geschichte« des Geldes

Wirtschaftshistoriker vertreten gemeinhin die Ansicht, dass das Geld in der Antike eingeführt worden sei, um den Tauschhandel zu optimieren. Und tatsächlich sind die Schwierigkeiten, die sich durch einen reinen Austausch von Gütern wie Lebensmitteln oder Kleidungsstücken ergeben, immens: Was ist, wenn die Dinge, die das Gegenüber zu bieten hat, für den Handelspartner uninteressant sind? Um Abhilfe zu schaffen, so die Wissenschaftler, habe ein universell einsetzbares und allgemein anerkanntes Äquivalent für alle Waren und Dienstleistungen hergemusst – eben das Geld.

Dieser weitgehend anerkannten Theorie stellt Felix Martin nun seine alternative beziehungsweise „wahre Geschichte” des Geldes gegenüber. Für den britischen Anlageberater und Mitarbeiter des New Yorker Institute for New Economic Thinking, der auch schon für die Weltbank tätig war, ist Geld nämlich gerade keine Schöpfung, die den Tauschhandel revolutionierte, sondern „das greifbare Symbol für ein Schuldverhältnis“ beliebiger Art.

Um dies zu belegen, holt Martin gewaltig aus – bis zu den Anfängen der Menschheit. Dabei versucht er zunächst zu beweisen, dass es niemals in der Geschichte und nirgendwo auf der Welt Gesellschaften gegeben habe, die ausschließlich Tauschwirtschaft betrieben. Damit verknüpft ist die Darstellung der diversen Systeme ökonomischer und sozialer Verbindlichkeiten, zu deren Optimierung das Geld nach Martins Auffassung eingeführt wurde. Das liest sich leider nicht unbedingt spannend. Zudem zeigt Martin eine Vorliebe für alternatives Geld, die etwas schizophren anmutet, wenn man berücksichtigt, dass das Institut, an dem der Wirtschaftsfachmann jetzt seine Brötchen verdient, von ganz konventionellen Dollarmillionären und -milliardären vom Schlage eines George Soros finanziert wird.

Gleichzeitig lässt sich Martin durch seine Abneigung gegenüber staatlich emittiertem Geld aber auch nicht davon abhalten, folgende abschließende Ratschläge zur Lösung der gegenwärtigen Finanzkrise zu formulieren: Zum ersten sollte der Gesetzgeber „Scheck-banken“ schaffen, die ausschließlich dazu da seien, das offiziell umlaufende Geld anzunehmen und bei Bedarf wieder auszuzahlen. Und zum zweiten müssten die Banken, die anderweitigen Kapitalmarktaktivitäten nachgehen, komplett auf eigene Verantwortung wirtschaften. Nur so nämlich könne der Spagat zwischen Stabilität und Regulierung auf der einen Seite und Privatinitiative und Innovation auf der anderen Seite ohne die gesellschaftlichen Verwerfungen gemeistert werden, die entstünden, wenn der Staat die Risiken mittrage, zu denen die Verwandlung von Geld in eine Handelsware nun einmal zwangsläufig führe. Schließlich sei Geld ja in erster Linie dazu da, „die Gesellschaft so zu organisieren, dass sie ein möglichst hohes Maß an Gerechtigkeit und Wohlstand verwirklicht.“

Wie dies funktionieren soll, wenn der Staat zugleich der Inflation komplett freien Lauf lässt, wie Martin vorschlägt, verrät das Buch nicht. Somit vermittelt das Werk letztendlich den Eindruck einer reichlich snobistischen Streitschrift, die ihrem erklärten Anspruch, neue Erkenntnisse über die Probleme der modernen Finanzwelt und des Kapitalismus zu liefern, nur sehr eingeschränkt gerecht wird. Wolfgang Kaufmann

Felix Martin: „Geld, die wahre Geschichte. Über den blinden Fleck des Kapitalismus”, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2014, gebunden, 427 Seiten, 22,99 Euro


S. 23 Rautenberg Buchhandlung

Rautenberg Buchhandlung


S. 24 Panorama

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Durch die kalte Küche / Wie Wolfgang Schäuble seine Beute verteidigt, warum Mario Draghi meint, was er sagt, und wie sich Madrid gegen das eigene Volk rüstet

Überrascht uns das? Kaum hatte der CDU-Parteitag Besserung bei der „Kalten Progression“ in Aussicht gestellt, schickte Wolfgang Schäuble seine „Experten“ los, um die (ohnehin vage) Entscheidung seiner Parteifreunde zu zerpflücken. So macht er das immer, wenn ihm etwas nicht passt: Kaputtreden. Die „Experten“ lieferten ihm erwartungsgemäß das gewünschte Ergebnis, das kritische Qualitätsjournalisten prompt begeistert aufgriffen.

Der Nachrichtensender N-TV meldete per Teletext, dass die kalte Progression laut Experten möglicherweise gar nicht existiere. Na, das wäre doch toll! Was wir da auf unseren Steuerabrechnungen mürrisch beobachten, ist also nichts anderes als Einbildung. Politisch korrekte Worthülsenfabrikanten würden die Einbildung mit Beiwörtern wie „diffus“ oder „unbegründet“ versehen.

Da sind die braven Redakteure ein wenig übers Ziel hinausgeschossen. Dass es die Kalte Progression gar nicht gibt, wagten nicht einmal Schäubles Zahlenkünstler zu behaupten. Nur in diesem Jahr würde sie dank günstiger Umstände nicht zu Buche schlagen und 2015 und 2016 nur mit 1,8 und 1,95 Milliarden Euro. Auf den einzelnen Steuerzahler umgelegt könne man sich dafür „höchstens ein paar Tassen Kaffee kaufen“, stichelt der Finanzminister sichtlich zufrieden mit einem heiteren Vergleich.

Ist also praktisch gar nichts. „Diffuse“ Populisten könnten angesichts dieser lächerlichen Summen allerdings fragen: Wenn das gar nichts bedeutet, wieso sperrt sich der Finanzminister dann so verbissen gegen die Abschaffung der Steuererhöhungen durch die Hintertür, statt einfach darauf zu verzichten?

Vielleicht deshalb: Schäubles Leute legen uns gerissenerweise immer nur die Beträge von einem Jahr zum nächsten vor. Doch verhält es sich eben wie bei Zins und Zinseszins. Das ganze Ausmaß wird erst über mehrere Jahre sichtbar. Laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln bringt die Kalte Progression dem Fiskus selbst bei einer Inflationsrate von nur 1,5 Prozent von 2015 bis 2018 stolze 23,8 Milliarden Euro ein. Das kostet jeden Steuerzahler im Schnitt Tausende. So eine Menge Kaffee ist nur etwas für wirklich starke Herzen.

Schäuble Kunstgriff dürfte irgendwann auffliegen, aber das macht nichts: Für alle Fälle hat sich der Finanzminister ja noch ein zweites Hintertürchen bauen lassen, durch welches er mit unserem Geld entwischen kann. Erst müsse, so tuschelt er verschmitzt, auch „Spielraum“ da sein, um die ständige, automatische Lohnsteueranhebung aussetzen zu können.

Dabei ist die Sache die: Nie hat der deutsche Fiskus seinen Bürgern mehr Steuern abgeknöpft als heute. Dass er im nächsten Jahr einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen könnte („schwarze Null“) hängt allein damit zusammen, dass er so gut wie keine Zinsen mehr zahlen muss. Bei normalem Zinssatz wären 2015 zwischen 30 und 50 Milliarden Euro neuer Schulden angefallen.

Und wem zahlt er keine Zinsen mehr? Na uns, den deutschen Sparern, Lebens- und privat Rentenversicherten. Uns wird das Ersparte per realem Negativzins langsam weggedampft, direkt in die Kasse der Finanzministers.

Da dessen Geldbedarf offenbar unersättlich anschwillt, greift er uns von beiden Seiten in die Tasche: Einmal in die Lohntüte mit seiner Kalten Progression und dann per realem Negativzins ins Ersparte. Es gibt kein Entrinnen.

Was sagte Mario Draghi 2012? Er werde das Euro-System verteidigen, was immer es kostet, im englischen Original: „Whatever it takes“, sprich: „I will take everything“ – „ich werde mir alles nehmen“.

Laut Ifo-Chef Hans-Werner Sinn haben die Deutschen seit 2007 wegen der Euro-bedingten Niedrigzinspolitik schon 300 Milliarden Euro verloren. Das Geld sei nach Südeuropa gepumpt worden, um es dort zu verbrennen.

Nun ja, verbrennen ist vielleicht ein zu hartes Wort. Hedgefonds, Banken und andere Riesen-„Investoren“ haben Ländern wie Griechenland Geld geliehen, weil sie wussten, dass wir für alle Verluste geradestehen würden. Mit anderen Worten: Sie sind mit unserem Geld in Risiken gegangen, für die wir haften. Wenn es gut geht, dürfen sie die Gewinne behalten. Wenn es schief geht, sind wir dran. Wie gesagt: „Whatever it takes!“

Gut, dafür tut sich in Südeuropa auch einiges, es wendet sich zum Besseren, in Spanien zum Beispiel und sogar in Griechenland. Die Hellenen planen für 2015 endlich einen ausgeglichenen Haushalt! Alles heulte auf vor Freude und Zufriedenheit. Geht doch, ihr blöden Euro-kritischen Unken!

Dann legte sich der Jubel ein wenig, denn es kam die Nachfolgemeldung, dass der Haushalt – wie soll man sagen – so „in etwa“ ausgeglichen sein könnte. Ach ja?

Am Ende schloss der Reigen mit der Meldung, dass Athen ein neues Hilfspaket in Höhe von zehn Milliarden Euro benötige.

Was fragen Sie? Ob die uns für dumm verkaufen wollen? Und ob die das wollen. Warum auch nicht? Funktioniert doch seit Jahren blendend. Selbstverständlich besteht die Kanzlerin, wie es ebenfalls schon Tradition ist, auf „strengen Sparauflagen“ für das neue Rettungspaket. Geld gebe es „nur gegen Reformen“, etwa einen Abbau des hoffnungslos überbesetzten öffentlichen Sektors.

Fakt ist, dass in Griechenland bis heute nicht einmal eine Auflistung aller Staatsbediensteten existiert. Man fertigt auch keine an aus Furcht, es könnten Überbelegungen auffliegen mit der Folge, dass jemand entlassen wird.

Dennoch müssten die Griechen mittlerweile steinreich geworden sein bei dem vielen Hilfsgeld, trotz allen Schlendrians – eigentlich. Sind sie aber nicht, im Gegenteil. Da sie schon vorher verschuldet waren, geht all unser Geld eben an Athens Gläubiger. Was glauben Sie wohl, warum „Star-Investor“ George Soros die Deutschen immerzu auffordert, mehr „europäische Solidarität“ zu üben?

So geht denn das alte Jahr ganz ähnlich zu Ende wie die vorangegangenen: Man bestiehlt uns in einem Maße, das sich kein Krimi-Autor ausmalen könnte. Politik und große Medien stehen dabei Schmiere.

Na und? Na ja: Andere Völker scheinen die globale Räuberei langsam satt zu haben. In Frankreich klopft Marine Le Pen an die Pforten des Elysée-Palastes, in Italien fordert die linke Fünf-Sterne-Partei einträchtig mit der rechts-bürgerlichen Lega Nord (zusammen gut ein Drittel der Stimmen) lauthals ein Referendum über einen Euro-Austritt und in Spanien scheint es richtig bitter zu werden, wie die „Deutschen Wirtschaftsnachrichten“ berichten.

Wer dort künftig demonstrieren geht, muss sich vorsehen. Das Fotografieren prügelnder Polizisten kostet nach einem neuen Gesetz bis zu 30000 Euro Geldbuße, ebenso viel sollen Demonstranten zahlen, wenn es bei der Kundgebung zu Ausschreitungen kommt. Die Demo vor einem Regierungsgebäude am Vorabend einer Wahl wird gar mit einem existenzvernichtenden Bußgeld von bis zu 600000 Euro geahndet. Da man im Zentrum von Madrid an jeder Ecke so ein Gebäude findet, dürfte die Metropole ab sofort als befriedet gelten.

Wer erlässt solche Gesetze, die uns eher an die Türkei oder China erinnern? Ist doch klar: Eine Regierung, die richtig Angst hat vor dem eigenen Volk. Und sogar vor der eigenen Justiz. Da sich spanische Richter bislang schützend vor die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit gestellt hatten, werden die „Straftaten“ nur als „Ordnungswidrigkeit“ verbucht. Da kann die Polizei ganz ohne hinderliche Richter zugreifen.

Interessant ist, dass das spanische Gesetz für keinerlei europaweite Aufregung gesorgt hat. Man stelle sich vor, die ungarische Regierung hätte sich so etwas geleistet. Denen hätten wir’s gezeigt!

Wie es scheint, könnte 2015 nach zwei Jahren relativer Ruhe mal wieder ein richtig beschwingtes Euro-Krisenjahr werden.


MELDUNGEN / ZUR PERSON

Antifa bedroht Ladenbesitzerin

Dresden – Die Antifa bedroht die Inhaberin eines Geschäfts in der Dresdener Neustadt wegen ihrer Teilnahme an Pegida-Demonstrationen. Ladenbesitzerin Dina Stiebing ist weder Organisatorin noch Rednerin bei Pegida, sie habe nur ihre Meinung durch die Demo-Teilnahme ausdrücken wollen, betont sie. „Antifaschisten“ fordern nun dazu auf, ihren Laden „fem2glam“ in der Rothenburger Straße zu „besuchen“ und die Fassade zu beschmieren. H.H.

 

Wegen Meinung den Job verloren

Hamburg – Offenbar wegen ihrer Meinung zur Kölner Demonstration der „Hooligans gegen Salafisten“ (Hogesa) im Oktober wurde die Angestellte eines zur Hälfte in öffentlichem Eigentum befindlichen Verkehrsunternehmens entlassen. Die Hamburgerin Tatjana Festerling hatte in einem übers Internet verbreiteten Augenzeugenbericht der Darstellung widersprochen, bei der Kundgebung habe es sich um einen „Gewaltexzess“ gehandelt. H.H.

 

Latex-Politik für die Sylter

Sylt ohne Prominente, das ist wie Inselstrand ohne Sand. So ist es nur konsequent, dass der nächste Bürgermeister der Nordseeinsel einen bekannten Namen trägt. Bei Gabriele Pauli ist das zweifellos der Fall. Die als „CSU-Rebellin“, „Königsmörderin“, „Domina der Republik“ und „schöne Landrätin“ bun­desweit bekannt gewordene Politikerin besitzt noch ausreichend Glamour, um die erste Runde der Bürgermeisterwahlen auf Sylt für sich zu entscheiden.

Mit über 30 Prozent holte die 57-Jährige als parteilose Kandidatin die meisten Stimmen der sechs Bewerber. Am 11. Januar kommt es dann zur Stichwahl gegen den Zweitplatzierten Nikolas Häckel. Pauli könnte Petra Reiber beerben, die fast 25 Jahre lang Bürgermeisterin auf der Insel war.

Für den Sylt-Grünschnabel Pauli wäre es ein Neuanfang. Weil sie im Süden des Landes politisch ausgebootet wurde, war sie auf Jobsuche. Auf ihrer Internetseite begründete sie ihre Bewerbung: „Weil ich mich gerne für Menschen einsetze, mich für die Insel begeistere und weil ich das Handwerk der Kommunalpolitik beherrsche.“

Die in der Nähe von Trier aufgewachsene Pauli wurde 1990 für die CSU im Landkreis Fürth jüngste Landrätin der Republik. Bundesweit für Aufsehen sorgte sie 2006, als sie in Bayern einen Politikwechsel forderte und sich Ministerpräsident Edmund Stoiber daraufhin von allen politischen Ämtern verabschiedete. Mit Fotos in Latex, Lack und Leder kandidierte die wegen ihrer Haare als „rote Rebellin“ bezeichnete Pauli um den CSU-Vorsitz, unterlag, schied aus der CSU aus, scheiterte mit der Parteineugründung der Freien Union und versucht nun – mit Unterstützung der Piratenpartei – Promi-Politik auf Sylt zu machen. Dazu ist sie nun auf die Insel gezogen. Jeder andere Flecken des Landes wäre wohl unter ihrer Würde. H. Tews


MEINUNGEN

Der neue thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei) behauptet, in seiner Partei gebe es keinen Linksextremismus. Dem widerspricht der Schriftsteller Reiner Kunze in einem Beitrag für das Netzportal des Deutschen Arbeitgeberverbandes (10. Dezember) energisch und nimmt als Beispiel Sahra Wagenknecht:

„Frau Wagenknecht nennt die Friedliche Revolution von 1989 eine ,direkte Konterrevolution‘. Wir haben es bei Frau Wagenknecht also mit einer Gegnerin des Prager Frühlings, mit einer Gegnerin der Entspannungspolitik der Brandt-Scheel-Regierung, mit einer Gegnerin der Friedlichen Revolution von 1989 und mit einer Vertreterin eines nach ihren eigenen Worten ,konsequenten, kompromisslosen Kampfes‘ zu tun, dessen ,letztliches Ziel ... die Überwindung dieser Gesellschaftsordnung‘ ist (gemeint ist die Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland). Kann man noch extremer links sein?“

 

 

Thomas Böhm kritisiert im Netzportal „Journalistenwatch“ (11. Dezember) die verbissenen Attacken des poltischen Estab­lishments gegen die neuen Bürgerbewegungen wie Pegida:

„Die Reaktionen sind erbärmlich, denn man muss sich doch fragen: Warum hört niemand zu? Warum redet keiner mit den besorgten Bürgern? Warum werden sie alle in einen Sack gesteckt und blindwütig verprügelt? Die heftigen, hässlichen Reaktionen aber weisen auch den Weg in die richtige Richtung: Weiter machen, mehr werden, laut bleiben!“

 

 

Uli Dönch sorgt sich im „Focus“ (11. Dezember) wegen der wachsenden Propaganda gegen den Gebrauch von Bargeld und fürchtet einen finsteren Plan:

„Zwang, Enteignung, Bevormundung – nur noch in diesen Kategorien scheinen Politiker denken zu können. Ganz anders der frühere Bundesbank-Volkswirt Otmar Issing. Er nannte Bargeld ,geprägte Freiheit‘. Und hat damit völlig Recht: Nur dank Bargeld können wir unsere Geschäfte frei abwickeln – ohne aufdringliche Finanzkonzerne. Und vor allem ohne den Staat, der nur zu gern unser Geld für uns verwalten würde.“

 

 

Katharina Szabo durchleuchtet in der „Achse des Guten“ (13. Dezember) den Vorwurf von NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD), die Pegida-Wortführer seien „Nazis in Nadelstreifen“:

„Mit Menschen in einen Topf geworfen zu werden, die gegen den Islamismus demonstrieren, hätte Hitler wohl vor Empörung schäumen lassen. Sympathischer wäre ihm vielleicht Cem Özdemir gewesen, der die islamkritischen Demonstranten verächtlich als ‚Mischpoke‘ beschimpft hatte ... Vorstellbar wäre hingegen Hitlers Teilnahme an den Aufmärschen muslimischer Migranten diesen Sommer gewesen, die ,Juden ins Gas!‘ gerufen hatten.“

 

 

In der „Bild“-Zeitung (11. Dezember) beschreibt Ladenbesitzerin Dina Stiebing ihre Gefühle, als sie die Drohungen der Antifa wahrgenommen hatte (siehe Meldung auf dieser Seite):

„Als es mir auf Facebook auffiel, war mir ganz schlecht, ich habe kalte Hände gekriegt und gezittert.“