19.04.2024

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Preußische Allgemeine Zeitung - Aktuelle Ausgabe

© Preußische Allgemeine Zeitung Folge 03/15 vom 17.01.2015

S. 1 Preußische Allgemeine Zeitung

Jedes Maß verloren
Die Anfeindungen gegen Pegida tragen bereits Züge von wahnhafter Raserei

Mit immer abstoßenderen Beleidigungen dreschen Politiker und Medien auf die Bürger ein. Doch die bleiben unbeeindruckt.

Brutal aufgeschreckt vom islamistischen Blutrausch in Paris hat die politische Führungsklasse der Bundesrepublik jedes Maß verloren. Dies gilt für die Repräsentanten der Regierung und der etablierten Parteien ebenso wie für die führenden Mainstream-Medien.

Was der Bürgerbewegung Pegida von dort mittlerweile entgegengeschleudert wird, trägt bereits Züge von wahnhafter Raserei. Die demonstrierenden Bürger werden als „widerliche“ Menschen beschimpft, die nicht einmal einen „Rest von Anstand“ besäßen, so Justizminister Heiko Maas (SPD). Merkels Innenminister Thomas de Maizière (CDU) nennt die unzufriedenen Bürger „schäbig“ und „infam“. Praktisch sämtliche Mainstream-Medien hauen in dieselbe Kerbe, um sich bizarrerweise gleichzeitig als tapfere Verteidiger der „Meinungsvielfalt“ zu feiern. In Wahrheit schlagen sie wie synchron geschaltete Dampframmen auf die Bürgerbewegung ein: kein Bericht, kein Kommentar, nicht einmal eine simple Anmoderation im Fernsehen ohne Häme oder gar Hetze gegen Pegida.

An Infamie nicht zu überbieten war der wiederkehrende Versuch, ausgerechnet die Pegida-Demonstranten, die Warner vor dem Islamismus also, in eine geistige Nähe zu den Mördern von Paris zu rücken, um ihnen gleichzeitig zu unterstellen, sie wollten das Gemetzel in der Redaktion von „Charlie Hebdo“ für ihre Zwecke „ausschlachten“. Der Vorwand, der dafür benutzt wird, ist entlarvend: Wie die Islamisten bezeichne auch Pegida die Medien als „Lügenpresse“. Mit dieser Vermischung geben die Pegida-Feinde zu erkennen, wie verworren ihre Gedanken mittlerweile sind.

Es ist ein Unterschied, ob man die Medien – wie scharf auch immer – kritisiert und verbal angreift, oder ob man Journalisten bestialisch abschlachtet. Genau hier verläuft die Grenze zwischen abendländischer Tradition von Streit und Kritik auf der einen und der blutrünstigen Ideologie der Islamisten auf der anderen Seite. Dass die führenden Vertreter von Politik und Medien diesen eklatanten Unterschied nicht mehr kennen oder kennen wollen, ist ein alarmierendes Symptom des Verfalls. Da ist es dann kein Wunder mehr, dass demokratisch gewählte Politiker nichts daran finden, sich gegen die Bürger mit gewaltgierigen, ihr Volk und unsere Demokratie verachtenden und bekämpfenden Antifa-Schlägern zusammenzutun.

Ein Wunder dagegen ist es, dass sich Zehntausende Bürger, getragen von der Unterstützung weiterer Millionen von Landsleuten, davon unbeeindruckt zeigen. Quer über die Parteigrenzen finden sie zueinander im Erschrecken über diese in der Geschichte der Bundesrepublik einmalige Attacke auf das eigene Volk und wehren sich öffentlich. Das lässt Hoffnung keimen trotz all der Erbärmlichkeit, die sich den Deutschen dieser Tage enthüllt. Hans Heckel


Zu welchen Mitteln die Pegida-Gegner greifen
Der Kampf gegen die Bürgerbewegung erinnert in manchem an die DDR, die Grenzen zwischen Partei und Staat verschwimmen

Obwohl die islamistische Anschlagsserie in Paris die Warnungen von Pegida vor einem Glaubenskrieg auf den Straßen Europas aufs Eindrucksvollste bestätigt hat, wird weiter gegen die unerwünschte Bürgerbewegung mobil gemacht. Dabei vergessen staatliche Amtsträger in zunehmendem Maße, dass sie zu politischer Neutralität verpflichtet sind. Ein Paradebeispiel hierfür lieferten die Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz und der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (beide CDU): Sie riefen für den Sonnabendnachmittag zu einer Demonstration für „Weltoffenheit, Mitmenschlichkeit und Dialog“ auf, die aber letztendlich nur dem Zweck diente, mehr Menschen auf die Straße zu bringen als Pegida, um so eine „machtvolle Gegenbewegung“ zu simulieren. Dabei sollen im Vorfeld der Anti-Pegida-Aktion auch zahllose altbewährte Mobilisierungstechniken zum Einsatz gekommen sein, die man noch von den staatlich gelenkten Umzügen aus DDR-Zeiten kennt. Außerdem berichteten verschiedene Insider, dass Geld für das Verteilen von Werbezetteln und die Absicherung der Demonstration geflossen sei – Steuergeld wohlgemerkt.

Eine weitere Reminiszenz an die längst vergessen geglaubte Honecker-Zeit war die Rede des früheren Blockpartei-Funktionärs Tillich, weil diese die Zuhörer derart langweilte, dass sie in Scharen abwanderten. Nichtsdestotrotz sprachen die Veranstalter anschließend von einem beeindruckenden Erfolg und 35000 Teilnehmern. Allerdings will die Dresdner Polizei diese Zahl, für die nun quasi ihr oberster Dienstherr persönlich bürgt, partout nicht bestätigen. „Aufgrund der unübersichtlichen Situation“ und des daraus resultierenden „Mangels an korrekten Messmöglichkeiten“ auf dem Platz vor der Frauenkirche sah sich die Pressestelle diesmal außerstande, irgendeine Schätzung vorzulegen.

Dahingegen funktionierte das Zählverfahren am Montagabend plötzlich wieder, als die Pegida ihren Trauermarsch zum Gedenken an die Opfer von Paris startete, der von Politikern wie Justizminister Heiko Maas (SPD) und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) als „widerlich“ beziehungsweise „schä­big“ bezeichnet wurde. Bei seinem nunmehr zwölften Abendspaziergang brachte das bürgerliche Oppositionsbündnis nach Polizeiangaben „mehr als 25000“ Menschen auf die Straße – wobei der endlos lange Zug darauf hindeutet, dass es sehr viel mehr waren. Auf jeden Fall gaben die Massen deutlich zu verstehen, wie stark sie sich durch die Ereignisse in Frankreich in ihrer Ablehnung des gewaltbereiten politischen Islam bestätigt sehen. Ebenso kritisierten die Veranstalter die mediale Gleichsetzung der Pegida-Anhänger mit den Attentätern von Paris. Mit dem Versuch, ihre friedlich demonstrierenden Kritiker kurzerhand zu Komplizen oder Gesinnungsgenossen islamistischer Terroristen zu erklären, hätten die Vertreter der „Lügenpresse“ nunmehr eine neue Stufe der Infamie erreicht. Allerdings, so der Kopf des Bündnisses, Lutz Bachmann, seien die Anwürfe längst kein Grund mehr zur Besorgnis: „Schreibt, was ihr wollt: Es werden immer weniger, die Euch glauben!“ Anschließend formulierte er dann sechs unmissverständliche Forderungen an die Politik: Erlass eines Zuwanderungsgesetzes, Festschreibung der Pflicht zur Integration, Ausweisung von Islamisten und religiösen Fanatikern, Volksentscheide auf Bundesebene, Ende der Kriegstreiberei gegen Russland und im Nahen Osten sowie mehr Geld für die Innere Sicherheit. Dabei steht zu vermuten, dass diese Punkte künftig das neue Kernprogramm von Pegida bilden werden.

Wolfgang Kaufmann


Jan Heitmann:
Kurzschluss

Als Reaktion auf die islamistische Bedrohung will die Bundesregierung schärfere Anti-Terror-Gesetze beschließen. Auch wenn man sich fragen muss, warum das nicht schon lange geschehen ist und es dazu erst der Bluttaten von Paris bedurfte, ist das grundsätzlich zu begrüßen. Zu den vor allem von der Union geforderten Maßnahmen gehören die Wiedereinführung der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung, die anlasslose Überwachung von Fluggastdaten und die lückenlose Überwachung der Ein- und Ausreise an den EU-Außengrenzen. Das klingt vielversprechend, hat aber einen entscheidenden Haken: Alle drei Maßnahmen sind nicht mit EU-Recht vereinbar. Die vom Europäischen Gerichtshof in Anlehnung an die Rechtsprechung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs entwickelten Kriterien für allgemeine Überwachungsprogramme, bei denen anlasslos ohne Anfangsverdacht überwacht wird, sind so eng, dass die geplanten Maßnahmen wirkungslos blieben und somit kaum realisierbar sind.

In Frankreich sind die nationalen Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung ungeachtet der EU-Vorgaben noch immer in Kraft. Genutzt haben sie allerdings nichts. Die Anschläge konnten dadurch weder verhindert noch aufgeklärt werden. Schon allein deshalb ist der Vorschlag der Koalitionspolitiker als politische Kurzschlusshandlung anzusehen. Weniger wohlwollend könnte man sie auch als populistische Symbolpolitik bezeichnen, mit der von den tatsächlichen Erfordernissen zur Verbesserung der Sicherheitslage abgelenkt und der Bürger in trügerischer Sicherheit gewiegt werden soll.


S. 2 Aktuell

Auftakt zur großen Gewaltwelle
Mit den Attentaten von Paris hat der Dschihad Europa erreicht

Das Blutbad in der Redaktion des Satiremagazins „Charlie Hebdo“ ist der Beginn des Dschihad in Europa, durchgeführt von „Do-it-yourself-Islamisten“, die äußerst brutal, antisemitisch, frauenfeindlich und homophob sind.

Paris hat am 7. Januar Szenen erlebt, wie man sie bislang eher aus Syrien oder dem Irak kannte. Gewehrsalven begleitet von „Allahu Akbar“ (Gott ist größer) Geschrei von im tänzelnden Rap-Schritt sich bewegenden Dschihadisten, wie man sie von den IS-Enthauptungsvideos kannte, die eiskalt einen auf der Straße liegenden Polizisten ermorden. Der heimtückische Anschlag auf das Pariser Satiremagazin „Charlie Hebdo“ war aber nur der bislang letzte und blutigste in einer langen Reihe von islamistischen Gewalttaten, wie sie Frankreich seit Jahrzehnten heimsucht und die aus Frankreich mit seinen fünf Millionen Muslimen das erste Land Europas macht, das den Dschihad im eigenen Lande erlebt. Die große Tageszeitung „Figaro“ sprach bereits von einem Krieg der Dschihadisten gegen Frankreich. Mit zehn Prozent der Bevölkerung haben muslimische Immigranten in Frankreich den höchsten Bevölkerungsanteil in einem Land Westeuropas. Gleichzeitig hat Frankreich auch die größte jüdische Bevölkerungsgruppe in Westeuropa, was für weiteres dschihadistisches Explosivpotential sorgt.

Welche Gefahren es birgt, ist seit Jahren bekannt. Vor drei Jahren bereits hatte Mohammed Merah acht französische Militärs und jüdische Kinder in Toulouse ermordet, bevor auch er bei seiner Verhaftung erschossen wurde. Kurz vor dem vergangenen Weihnachtsfest attackierte ein 20-jähriger Banlieue-Bewohner mit gezücktem Messer eine Polizeistation in Tours. Auch er hatte wie die „Charlie“-Attentäter „Allahu Akbar“ geschrien. In den letzten Monaten und Wochen wurden mehrmals Fälle von Überfällen auf jüdische Einwohner im Großraum Paris bekannt.

Die Gewaltwellen der letzten Jahre in den französischen Banlieues waren jedoch nur kleine Vorgeplänkel gegenüber dem jetzt sich zusammenbrauenden dschihadistischen Gewaltpotential. Aus den französischen Vorstädten haben 1000 Dschihadisten den Weg in den syrischen und irakischen „Heiligen Krieg“ gefunden, weit mehr als aus jedem anderen westlich geprägten Land. Jetzt kehren die ersten brutalisiert und gewaltbereit zurück. Ein solcher französischer Heimkehrer hatte mit dem Blutbad im Brüsseler jüdischen Museum im letzten Jahr die Reihe dschihadistischer Rückkehrer-Attentate in Europa eröffnet.

Seit anderthalb Jahrzehnten zieht sich eine Blutspur islamistischen Terrors durch die westliche Welt. Im Namen des Islam werden diese barbarischen Taten begangen. Die grauenhaften sadistischen Massaker des selbst sich so bezeichnenden „Islamischen Staates“ in Syrien und im Irak belegen, dass der Islam als Religion etwas mit den Morden zu tun haben muss, auch wenn das viele Politiker mit Rücksicht auf die Integration der hier zumeist friedlich lebenden Muslime noch nicht einsehen wollen. Nur Wolfgang Bosbach (CDU), der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages, wagte es als einziger, eine Verbindung zwischen Salafismus und Islam herzustellen. Die Brutalität des Terrors soll ja nicht nur die islamkritischen Pressevertreter einschüchtern, sondern vor allem die Mehrheit der Muslime.

Der Anschlag auf „Charlie-Hebdo“ erfolgte am Tag des Erscheinens des islamkritischen Romans „Sousmission“ (Unterwerfung) von Michel Houellebecq in Frankreich. „Charlie Hebdo“ hatte aus diesem Anlass Houellebecq auf sein letztes Titelblatt gehoben. Der Roman beschreibt das noch fiktive Leben in Frankreich unter einem muslimischen Präsidenten. „Charlie Hebdo“ war mehrfach wegen Mohammed-Karikaturen in die Kritik der Muslime geraten. Bereits im November 2011 waren nach der Veröffentlichung einer „Scharia- Hebdo“-Sonderausgabe die Redaktionsräume in Flammen aufgegangen. Mehrere muslimische Verbände, keineswegs solche mit salafistischem Hintergrund, hatten mehrfach vergeblich gegen die Veröffentlichung der Karikaturen geklagt.

Die großen muslimischen Verbände haben mit ihrem demokratie- und pressefeindlichen Klima die Lunte gelegt, die die Salafisten jetzt gezündet haben. Um dies zu vertuschen, reihen sich die Islamverbände Frankreichs jetzt ganz schnell in die Reihe der Schockierten ein, die den Terrorakt verbal verurteilen, nur um so schnell wie möglich zum Tagesgeschäft, der weiteren Islamisierung des öffentlichen Raumes in Frankreich, überzugehen.

Bodo Bost


Kampf um Sylter Autozug
Deutsche Bahn muss Konkurrenten als Trassen-Betreiber zulassen

Für Touristen ist es ein Erlebnis, im Auto sitzend vom Autozug herunter weidende Schafe und das Wattenmeer betrachten zu können. Für Pendler und Inselbewohner ist es die einzige schnelle Verbindung zum Festland.

Seit Ende der 20er Jahre rollen Züge über den Hindenburgdamm. Die Strecke, auf der jährlcih 490000 Fahrzeuge hin und her transportiert werden, ist für den Betreiber eine lukrative Einnahmequelle. Dies ruft Bahnkonkurrenten auf den Plan, die ebenfalls einen Shuttle-Service auf die Insel einrichten wollten. 2003 gab es diesbezügliche Bestrebungen der Nordostseebahn. Doch die Deutsche Bahn (DB) verweigerte dem Konkurrenten den Zugang zu den Verladeterminals. Dabei berief die DB sich auf Großvaterrechte bei der Trassenkonstruktion. Nach Beschwerden beim Eisenbahn-Bundesamt untersagte dieses der DB, Großvaterrechte auszuüben und 2011 entschieden Bundesnetzagentur und verschiedene Oberverwaltungsgerichte, dass die DB Bedinungen schaffen müsse, die es anderen Bahnunternehmen erlaubt, die Autoverladestationen mitnutzen können.

Im November vergangenen Jahres endete das Koordinierungsverfahren, also die Phase der Trassenanmeldungen für die Strecke. Neben der DB hatten sich das Land Schleswig-Holstein und die deutsche Tochter des amerikanischen Unternehmens Railroad Development Corporation (RDC) beworben. In einer zweiten Phase wird nun die DB Netz AG in einem internen Entscheidungsverfahren den künftigen Betreiber der Trasse festlegen.

Wie RCD-Deutschland-Generaldirektor Hans Leister glauben auch viele Beobachter, dass das Ergebnis bereits feststeht: „Aufgrund der aktuellen Gegebenheiten sind wir die Nummer Eins“, so Leister.

Über den Zuschlag werden die künftig zu erwartenden Umsätze beim Shuttle-Service entscheiden, glauben Experten. Und da hat bereits im Vorfeld der amerikanische Investor die Nase vorn, denn das Unternehmen will nicht nur 50 Prozent mehr Fahrten, diese durchgängig im Halbstundenrhythmus, anbieten, sondern auch 20 bis 30 Millionen Euro in die Entwick-lung von Waggons, Lokomotiven und Personal investieren. Ab Ende 2015 will RDC jährlich eine Million Fahrzeuge transportieren. Die DB Netz dürfte sich über fünfeinhalb Millionen Euro freuen, die die RDC jedes Jahr für die Nutzung der Autozugstrecke überweisen müsste. „Das ist deutlich mehr, als die Bahn zahlen kann oder will“, so Leister. Dennoch will die DB den Sylt-Shuttle selbst weiter betreiben.

Kritik an den RDC-Plänen wurde wegen der bestehenden Intercityverbindungen, unter anderem von Köln, Frankfurt oder Stuttgart, auf die Insel laut, weil fraglich sei, ob diese bei der geplanten Erhöhung der Autozug-Verbindungen noch in den Fahrplan integriert werden können. Auch sei fraglich, ob die Bahn bei einem Verlust des Sylt-Shuttles überhaupt noch ein Interesse an direkten Intercityverbindungen nach Sylt haben könnte.

RDC gibt sich zuversichtlich: „Das A und O sind die Erlöse, die an DB Netz überwiesen werden müssen,“ erklärte Carsten Carstensen von RDC. MRK


Sinnlose Investition
EU-Millionen flossen in Geisterflughäfen

Beim Einsatz von EU-Geldern für Flughäfen sind Millionenbeträge vergeudet worden. Zu diesem Schluss kommt der Europäische Rechnungshof in einem Sonderbericht. Die Prüfer hatten 20 Flughäfen in Estland, Griechenland, Spanien, Italien und Polen unter die Lupe genommen, in die insgesamt mehr als 600 Millionen Euro an EU-Mitteln geflossen sind. Laut Rechnungshof waren viele der Investitionen unrentabel und damit sinnlos. So konnte nur bei der Hälfte der Flughäfen überhaupt ein Bedarf an EU-Mitteln nachgewiesen werden. In vielen Fällen sei die entstandene Infrastruktur nicht ausgelastet, ohne weitere öffentliche Gelder drohe den Flughäfen die Schließung. Die Prüfer führen das schlechte Ergebnis auf unzureichende Planung zurück. Einige der Flughäfen lägen zu nah beieinander, andere seien angesichts der geringen Passagierzahlen zu groß geraten.

Besonders Polen steht in dem Bericht wegen der Verschwendung von EU-Fördermitteln am Pranger. Hier wurden drei Flughäfen für insgesamt 245 Millionen Euro ausgebaut, von denen über 100 Millionen von der EU kamen. Doch diese Plätze haben für die Aufrechterhaltung des Betriebs gar nicht genug Passagiere. Zeitdruck und falsche Berechnungen haben nach Erkenntnissen der Rechnungsprüfer zu einem Überangebot an Flughäfen geführt, weswegen nun erneut Geld benötigt werde, um die Fehlplanungen zu korrigieren oder im schlimmsten Fall die Geisterflughäfen abzuwickeln. Kein anderes Land hat so viel EU-Fördermittel für seine Flughäfen bekommen wie Polen, wohin insgesamt mehr als ein Drittel der Gelder für alle EU-Mitgliedstaaten flossen.

Der Rechnungshofbericht wirft ein Schlaglicht auf ein generelles Problem: zu viele Flughäfen bei zu wenigen Flügen. Nach Angaben des internationalen Dachverbandes der Flughafenbetreiber fertigen 80 Plätze in Europa weniger als eine Million Passagiere pro Jahr ab. Rund drei Viertel davon schreiben rote Zahlen. Den Negativrekord hält ein Flughafen in Spanien. Seit seiner Eröffnung vor drei Jahren wurde hier kein einziger Flug abgefertigt. J.H.


MELDUNGEN

China gibt der WTO nach

Peking – China wird auf Druck der USA, der EU und Japans die Exportbeschränkungen für Seltene Erden aufheben. Damit kommt die Volksrepublik einem Schiedsspruch der Welthandelsorganisation (WTO) nach, die die Ausfuhrquoten für unzulässig erklärt hatte, weil sie chinesischen Firmen unfaire Wettbewerbsvorteile verschaffen würden. Für die Rohstoffmärkte hat die Entscheidung weitreichende Folgen, denn mehr als 90 Prozent der gefragten Industriemetalle kommen aus China. Peking hatte die Ausfuhr im Jahre 2010 mit der Begründung beschränkt, Umwelt und Ressourcen besser schützen zu wollen. Daraufhin waren die Weltmarktpreise für Seltene Erden drastisch gestiegen. J.H.

 

Türkei: Kirchbau bloß Finte?

Istanbul – Die zunächst mit Freude aufgenommene Nachricht, dass erstmals seit 1923 wieder ein Kirchbau in der Türkei genehmigt worden sei (die PAZ berichtete in Nummer 2), könnte sich als Folge einer Irreführung durch türkische Medien erweisen. Wie der ORF berichtet, komme die Kirche in Istanbul seit drei Jahren wegen behördlicher Einsprüche nicht aus der Planungsphase heraus, während eine gleichzeitig genehmigte Großmoschee fast fertig sei. Zudem sei das vorgesehene Grundstück nicht wirklich städtischer Grund, sondern ein 1950 beschlagnahmter und geschlossener katholischer Friedhof. H.H.


S. 3 Deutschland

Partei im besten Alter?
Vor 70 Jahren wurde die CDU gegründet. Ein Erfolgsmodell. An der Basis aber kriselt es

70 Jahre wird der Jubilar alt, doch die Feiergesellschaft weiß nicht so recht, wann sie den Geburtstag begehen soll. Ist es der 26. Juni 1945? Oder doch der 14. Dezember desselben Jahres? Fest steht: In den Monaten unmittelbar nach Kriegsende wurde der Grundstein zur Entstehung der CDU gelegt, der bis heute erfolgreichsten politischen Gruppierung der Bundesrepublik.

Die Christlich Demokratische Union Deutschlands stellte fünf von acht Kanzlern und war darüber hinaus über Jahrzehnte an der Regierung beteiligt. Auch heute ist sie von der Wählerzustimmung her die mit Abstand stärkste Partei. Dabei verlief die Gründungsphase der Christdemokraten überaus turbulent. Anders als Sozialdemokraten, Liberale und auch Kommunisten konnten die Konservativen nicht an vor dem Krieg gewachsene Strukturen anknüpfen. Federführend in den Gründungsjahren waren der langjährige Bundeskanzler Konrad Adenauer, der Bevölkerung zuvor als Bonner Oberbürgermeister und Hitler-Gegner bekannt, sowie Jakob Kaiser. Beide gehörten während der Weimarer Republik der Deutschen Zentrumspartei an, die ihren Rückhalt im katholischen Milieu fand. Gemeinsam mit vielen NS-Widerständlern, Anhängern der christlicher Gewerkschaftsbewegung und Vertretern protestantischer Verbände machten sie sich an die Arbeit.

In Deutschland bildeten sich so, wenige Wochen nach Kriegsende, in vielen Städten unabhängig voneinander christlich-demokratische Parteigruppierungen. Die nach dem 17. Juni 1945 erarbeiteten „Kölner Leitsätze“ bildeten die Grundlage für die Programme der neuen Partei im Rheinland und in Westfalen. Fast gleichzeitig trat in Ostberlin am 26. Juni 1945 die CDU mit ihrem Gründungsaufruf an die Öffentlichkeit: „Deutsches Volk! Deutsche Männer und Frauen! Wir rufen euch auf, alles Trennende zurücktreten zu lassen. Folgt unserem Ruf zu einer großen Partei.“ Eines der wichtigsten Daten der Frühgeschichte der Union ist das Godesberger Reichstreffen vom 14. bis 16. Dezember 1945, an dem die bayerische CSU allerdings nicht teilnahm. Bereits damals wurde eine Kooperation vereinbart, bis zur Gründung der offiziellen Bundespartei sollten aber weitere fünf Jahre vergehen. Aus den unterschiedlichen christlichen Gruppen – westdeutsche Vertreter plädierten für den Namen „Christliche Volkspartei“ – wurde schließlich die „Union“. Mit diesem Namen machten die Gründer deutlich, dass sie in bewusster Abkehr vom traditionellen deutschen Parteiensystem und seiner Zersplitterung, die als mitverantwortlich für das Scheitern der Weimarer Republik galt, eine neue Sammlungsbewegung ins Leben rufen wollten, die „nicht in den Programmen der KPD und SPD ihre politische Heimat finden“ und die bereit waren, „alte Bahnen und Denkweisen zu verlassen“.

Lediglich die bayerischen Christsozialen widersetzten sich den Einigungsbemühungen, allerdings schloss man bereits 1949 im ersten frei gewählten Bundestag die bis heute bestehende Fraktionsgemeinschaft aus CDU und CSU. Konrad Adenauer, der von 1949 bis 1963 regierte und zum Gesicht Nachkriegsdeutschlands wurde, war ein Anhänger der Westbindung. Das Bekenntnis zum transatlantischen Bündnis gehört seitdem zum Selbstverständnis der Union. Wenig zimperlich agierten die Schwesterparteien stets, wenn es darum ging, Konkurrenz im eigenen Lager auszuschalten. Dies musste die konservative Deutsche Partei (DP), die ihre Hochburgen im Norden der Republik hatte, ebenso leidvoll erfahren wie die Bayernpartei (BP) im Freistaat. Ebenfalls zum Wesen der Union gehört die Auffassung, dass es rechts von ihr keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe. Für den ehemaligen NS-Widerstandskämpfer und langjährigen Bundestagspräsidenten Eugen Gerstenmeier ist die Partei „alles in allem der spontanste, sichtbarste und der wirksamste politische Ausdruck der Wandlung Deutschlands und der Deutschen im 20. Jahrhundert“.

Adenauer und vor allem sein Nachfolger Ludwig Erhard gelten als Motoren des wirtschaftlichen Aufschwungs im Westen, aus dieser Zeit rührt auch die Tatsache, dass CDU und CSU bis heute stets ein hohes Maß an wirtschaftlicher Kompetenz zugesprochen wird. In den vergangenen 50 Jahren hat aber auch die Union einige bittere Niederlagen erlitten. Hierzu zählt der schwierige Übergang in der Ära nach Adenauer, die zur ersten Koalition von SPD und FDP führte, die bittere Wahlniederlage Helmut Kohls 1998 und auch die wenige Jahre später aufkommende Spendenaffäre. Im Gegenzug sagen Politikwissenschaftler der Partei aber auch die Fähigkeit nach, auf politische Prozesse schnell und kompromisslos zu reagieren. So profitierte die CDU vom Fall der Mauer, weil sich Bundeskanzler Helmut Kohl an die Spitze der Einheitsbefürworter setzte.

Außer Frage steht zudem, dass sich die Union im Laufe der Zeit zu einer Gruppierung der bürgerlichen Mitte mit teilweise sozialdemokratischen Zügen gewandelt hat. Kanzlerin Angela Merkel erklärte schon vor Jahren, die CDU zur „modernen Großstadtpartei“ formen zu wollen. Auf Bundesebene befinden sich Partei und Kanzlerin derzeit auf dem Zenit ihrer Macht. Doch in den Ländern kriselt es. Generalsekretär Peter Tauber ist dabei, die Partei zu verjüngen, möchte mehr Frauen in Führungspositionen einbinden und zudem verstärkt Zuwanderer zur Mitarbeit einladen. Der religiöse Konservatismus, der die Gründerväter vereinte, hat dabei ausgedient.

Peter Entinger


Untergang in der Datenflut
Staatsanwälte können Beweismaterial kaum fristgerecht auswerten

Wegen einer Überlastung ihrer technischen Mitarbeiter schlagen Staatsanwälte in ganz Deutschland Alarm. Wie der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) unter Berufung auf ein internes Papier der Generalstaatsanwälte berichtet, entwickelt sich die Auswertung der Flut von Kommunikationsdaten immer mehr zu einem schwerwiegenden Probleme bei der Ermittlungsarbeit. Weil Beweismaterial nicht mehr fristgerecht ausgewertet werden könne, drohten sogar Prozesse zu platzen, so MDR Info unter Berufung auf das interne Schreiben. In einigen Fällen hätten Gerichte sichergestellte Beweismittel wie Computer und Handys ungeprüft zurückgeben lassen, weil die Untersuchungen zu lange gedauert hätten.

Hintergrund dieser Probleme ist die technische Entwicklung: Zwar sind Mobilfunkdaten und E-Mails oft Fundgruben für Ermittler. Die Prüfung der Dateien braucht allerdings ausreichend Personal und leistungsfähigere Technik. „Inzwischen spielt sich viel Kriminalität über Computer ab“, so Wolfgang Klein, Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Dresden. Bei fast jeder Durchsuchung würden Computer beschlagnahmt. Als Folge seien die Zahl der benötigten Gutachten und der Aufwand für die Auswertung von Computerdateien enorm angestiegen. Sei es früher um Gigabyte gegangen, „reden wir heute bei fast jedem Gerät von Terabyte“.

Mit welcher Datenflut es die Staatsanwaltschaften mittlerweile zu tun bekommen haben, wird am Beispiel des Landes Brandenburg deutlich. Dort hat sich das Volumen der auszuwertenden Computerdaten innerhalb von fünf Jahren auf zuletzt mehr als 450 Terabyte verdoppelt. Das Datenvolumen aus dem Mobilfunkbereich ist sogar auf das Achtfache angestiegen. Brisant wird die Flut von Daten, weil das Zeitfenster für die Auswertung begrenzt ist. Sichergestelltes Beweismaterial wie Computer oder Mobiltelefone müssen innerhalb von neun Monaten ausgewertet sein. Ist die Frist überschritten, haben Verdächtige das Recht, das Beweismaterial zurückzuerhalten – unabhängig davon, ob inzwischen eine Auswertung erfolgt ist oder nicht. Als Folge drohen dann sogar Verfahren zu platzen. „Die Situation ist problematisch, aber nicht dramatisch“, so der Versuch eines Sprechers der brandenburgischen Generalstaatsanwaltschaft, den Bericht über das Problem zu relativieren. Immerhin sollen zumindest in Brandenburg bislang keine Strafverfahren aufgrund von Auswertungsproblemen geplatzt sein.

Betroffen ist mittlerweile die Justiz in ganz Deutschland. Besonders dramatisch soll dabei die Situation in Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Brandenburg, Hessen und Niedersachsen sein. Laut einem dem MDR vorliegenden internen Papier sind dort „die kriminaltechnischen Institute der jeweiligen Landeskriminalämter überlastet“.

Wie vom Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Dresden bestätigt wurde, haben die Generalstaatsanwälte auf ihrem letzten Treffen vor einigen Monaten in Görlitz über das Problem und Lösungsmöglichkeiten diskutiert. So sollen Beweismittel in allen Haftsachen wie Mord und Totschlag vorrangig ausgewertet und auch externe Gutachter hinzugezogen werden. Nicht ausgeschlossen wird allerdings, dass Analysen im Einzelfall bei Prozessbeginn auch einmal nicht vorliegen.

Norman Hanert


Neue Einbrechermasche
Hinweise auf systematische Brandstiftung zur Spurenbeseitigung

Für Berlins Polizei begann das Jahr 2015 mit einem Einbruch, bei dem die Täter außergewöhnlich skrupellos vorgegangen sind. Bislang unbekannte Täter waren in der Silvesternacht durch ein aufgestemmtes Loch im Boden in ein Juweliergeschäft in der Neuköllner Erkstraße eingedrungen. Nachdem gewaltsam zwei Tresore geöffnet und Schmuck aus den Auslagen entwendet waren, kam es in den Geschäftsräumen zu einer Explosion und ein Feuer brach aus. Nach Angaben der Berliner Feuerwehr brannten sich die Flammen bis in die darüber liegende Wohnung durch. Wie ein Sprecher der Feuerwehr weiter mitteilte, wurden 14 Personen aus dem verrauchten Wohnhaus gerettet. Acht Bewohner mussten über eine Drehleiter in Sicherheit gebracht werden. Die Hitze in den Räumen war so stark, dass stellenweise sogar der Putz großflächig von den Wänden abfiel. Das Schmuckgeschäft selbst brannte vollständig aus. Noch während der Löscharbeiten wurde das aufgestemmte Loch im Betonboden des Geschäftes entdeckt, durch das die Täter in den Laden eingestiegen waren.

Bislang ungeklärt ist die Ursache des Brandes. Ob das Feuer durch Schweißarbeiten entstanden ist, ob die Explosion die Ursache war, ob die Täter vorsätzlich einen Brand gelegt haben, um Spuren zu zerstören, die Beantwortung dieser Fragen ist Gegenstand der laufenden Ermittlungen. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Täter Gas aus Propangasflaschen ausströmen ließen, die der Schmuck-

händler, der zugleich Goldschmied ist, in seiner Werkstatt hatte. Für den Verdacht einer gezielten Brandstiftung spricht, dass etwa eine Stunde nach dem Einbruch in einem Neuköllner Parkhaus von einem Anwohner eine Rauchentwicklung entdeckt wurde. Auslöser war der Brand eines Personenkraftwagen auf der unteren Parkebene, der von der anrückenden Feuerwehr von einem weiteren Ausbreiten der Flammen gelöscht werden konnte. Bei dem ausgebrannten Pkw handelt es sich nach Angaben der Polizei mit größter Wahrscheinlichkeit um das Fluchtfahrzeug der Schmuckdiebe. Zu befürchten ist inzwischen, dass es sich bei der mutmaßlichen Vorgehensweise um einen neuen Trend im Zuge der ohnehin grassierenden Einbruchskriminalität handelt.

Nur wenige Tage später kam es ebenfalls in Berlin-Neukölln nochmals zu einem Brand im Zusammenhang mit einem Einbruch. Betroffen war die Tabaluga-Kita im Stadtteil Rudow, in die unbekannte Täter in den Morgenstunden des 3. Januar eingedrungen waren. Sie verwüsteten mehrere Räume, demolierten Schränke, zerstörten Spielzeug und drehten Wasserhähne auf. Trauriger Abschluss der Zerstörungsorgie war ein anscheinend bewusst gelegter Brand. Als Folge ist ein Teil des erst vor Kurzem sanierten Kita-Gebäudes vorerst nicht mehr benutzbar. Wann eine Wiedereröffnung erfolgen kann, ist bislang unklar.

Einem Medienbericht zufolge, soll die Tabaluga-Kita im Dezember letzten Jahres bereits schon einmal von einem Einbruch betroffen gewesen sein. In diesem vorangegangenen Fall soll ein Versuch der Täter, einen Tresor im Büro aufzuflexen, erfolglos abgebrochen worden sein. N.H.


MELDUNGEN

GdP: Zoll ist führungslos

Hilden – Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisiert, dass der Zoll nicht über die notwendigen und an seinen Polizeiaufgaben orientierten Melde- und Befehlswege verfügt. Das sei vergangene Woche beim Mitfahndungsersuchen der französischen Behörden nach den flüchtigen Terroristen deutlich geworden. Das Ersuchen habe zwar den Zoll erreicht, nicht aber dessen Einsatzkräfte an der französischen Grenze. Der Zoll sei im polizeilichen Kampf gegen den internationalen Terrorismus ein wesentliches und vor allem unverzichtbares Instrument der Sicherheitsarchitektur. Dennoch mangele es an Lage- und Führungsdiensten zur Steuerung und Information der Einsatzkräfte im Zoll, die mit Polizeiaufgaben betraut sind. Selbst die Information der Einsatzkräfte aus Gründen der Eigensicherung sei nicht gewährleistet. U.M.

 

Regierung weiß von nichts

Berlin – Der Bundesregierung ist nicht bekannt, ob und gegebenenfalls welche Liegenschaften in Deutschland, die den Streitkräften ausländischer Staaten überlassen wurden, durch Nachrichtendienste verbündeter Länder mitgenutzt werden. Wie sie in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Linkspartei ausführt, überlässt die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben nach dem Nato-Truppenstatut Liegenschaften „ausschließlich der Truppe einer Vertragspartei und deren zivilem Gefolge sowie den der Truppe gleichgestellten Organisationen zur Erfüllung ihres Verteidigungsbedarfs“. Der Bundesnachrichtendienst habe im Rahmen der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit jedoch Kenntnis davon, dass amerikanische und britische Nachrichtendienste Verbindungselemente in diplomatischen Einrichtungen unterhielten. J.H.


S. 4 Hintergrund: Kosaken

Putins Speerspitze
Pro-russische Kosaken in Lugansk geraten mit Separatistenführern in Streit

Die Lage in der Lugansker Region im umkämpften Osten der Ukraine ist chaotisch. Zwei Administrationen, die des ukrainischen Gouverneurs Gennadij Moskal und die des Rebellenführers Igor Plotnitzkij ringen um die Macht, während rivalisierende Kosakenverbände um die Vorherrschaft in ihrem „ureigensten Gebiet“ kämpfen.

Älteren Lesern sind Kosaken aus Romanen von Michail Scholochow wie „Der Stille Don“ oder als Folklore mit dem Donkosaken-Chor in Erinnerung. Kosaken werden wegen ihres Gesangs und ihrer Tänze (Kasatschok) sowie Reitkünste und ihrer Pferdezucht geschätzt. Ihr Hang zu Gewalt und Alkoholismus sowie ihre rüde Sprache mit unendlichen Varianten an russischen Flüchen werden in der Literatur genüsslich beschrieben. Dem Leben in der Steppe ziehen die heutigen Kosaken doch modernen Komfort und dem Ritt zu Pferde sportliche Automobile vor. Heute treten die Kosaken unvermittelt als Akteure im Konflikt zwischen der Ukraine und Russland in der Ostukraine in Erscheinung.

Mehrfach drangen Kosakenverbände aus Russland und der Ostukraine in die Gebiete um Lugansk und Donezk zur Unterstützung der pro-russischen Rebellen ein. Auch ukrainische Kosakenverbände traten auf die Seite der Separatisten. Die Donkosaken unter ihrem Führer „Ataman“ Nikolaj Kosizyn beherrschten Teile der Ostukraine und der russischen Grenzregion am Don mit der Hochburg Tscherkassk. Die Bevölkerung im Lugansker Gebiet klagte über Gewaltexzesse, Willkür und Raub seitens der Kosaken. Diese wiederum beschuldigten die Lugansker Rebellenadministration, sich Hilfsgüter der umstrittenen russischen Konvois anzueignen und, anstatt sie an die Bevölkerung zu verteilen, auf dem freien Markt gewinnbringend zu verkaufen.

Dem Kreml waren die Eigenmächtigkeiten der „Donarmee“ und Bestrebungen Kosizyns, eine eigene Don-Republik zu gründen, suspekt, während die Separatisten die Donkosaken ihrer Administration zu unterstellen versuchten. Kosizyn prahlte sogar, er wolle mit seinen Kosaken bis nach Lemberg (Lwiw) in der Westukraine marschieren. Letztlich geht es beim Streit zwischen Donkosaken und Rebellen im Gebiet Lugansk um die Kontrolle über das lukrative Anthrazitwerk. Im November kam es zu blutigen Kämpfen zwischen Separatisten und Kosaken, woraufhin Ataman Kosizyn in Russland angeblich verhaftet wurde beziehungsweise nach Russland geflohen sein soll. Der Kreml befahl dem Don-Regiment, sich nach Russland zurückzuziehen.

Kosaken sind in den vergangenen Jahren, wie auch die Biografie Kosizyns zeigt, als Kämpfer an vielen Brennpunkten im Umfeld Russlands in Erscheinung getreten: 1992 in Transnistrien, 1993 in Abchasien, 1994 in Tschetschenien sowie 1999 zur Unterstützung des serbischen Präsidenten Slobodan Miloševicć während der Nato-Operation gegen Jugoslawien. Zuletzt waren sie auf der Krim aktiv, „um diese heimzuholen“, und in der Ostukraine. In Moskau und anderen großen Städten dienen Kosaken als imperiale Vorkämpfer Russlands und russisch-orthodoxe Tugendwächter, die sich gegen Drogen und die schädlichen Einflüsse des westlichen Liberalismus wenden.

Hans-Joachim Hoppe


Kampf auf vielen Seiten
Kosakenverbände sind gut verflochten mit anderen Steppenvölkern

Kosaken sind keine eigene Nationalität und werden als solche offiziell nicht anerkannt. Sie sind in einer Vielzahl von ethnisch gemischten Gemeinschaften organisiert. Im 17. Jahrhundert bildeten sie im Raum Don, Dnjepr und Ural unter Bogdan Chmelnytzkyj (1595–1657) einen „Kosakenstaat“. Der 1654 geschlossene Vertrag von Perejaslaw (bei Kiew) wird in Russland als Annexion der Ukraine, in der Ukraine als Vorstufe der Selbstständigkeit gefeiert. Die Verschärfung der Leibeigenschaft führte zu zahlreichen Bauernaufständen und leitete den Kosaken einen neuen Zustrom unzufriedener Bauern zu. Die Ukraine sieht die Kosaken der Steppengebiete als eine ihrer konstituierenden Gemeinschaften. Die Kosaken selbst sind stolz auf ihre Verbindungen zu anderen Steppenvölkern wie Tataren. Von den Tscherkessen haben sie viele ihrer Gebräuche, Kleidung, Säbel und Tänze übernommen.

Die russischen Zaren versuchten, Teile der Kosaken für den Grenzschutz und als Sondereinheiten in ihrer Armee einzusetzen. Im Ersten Weltkrieg spielten sie eine führende Rolle. Während der Revolution von 1917 und im Bürgerkrieg kämpften sie meist auf Seiten der „Weißen“ gegen die Bolschewiki. Deswegen wurden sie in der Sowjetära verfolgt. Während des Zweiten Weltkriegs kämpften sie teils auf deutscher Seite. Als sie am Ende des Krieges in Österreich Zuflucht suchten, wurden sie von den Briten an die Russen übergeben, was Massenmord und Deportation in der Sowjetunion zur Folge hatte. Nach Jahren des Schweigens erfolgte Anfang der 1990er Jahre unter Michail Gorbatschow eine Wiederbelebung und Reorganisation des Kosakentums in Russland, der Ukraine und anderen Teilen der ehemaligen Sowjetunion unter „patriotischen“ Vorzeichen. Der gesamtrussische Kosakenbund wurde wiedergegründet mit den traditionellen „elf Heeren“, die es zur Zarenzeit gab. Präsident Boris Jelzin versuchte 1993, die Kosaken in seine Politik einzubinden, indem er ihnen Funktionen des Grenzschutzes übertrug. Putin eröffnete am 5. Dezember 2005 mit dem Gesetz „Über den Staatsdienst des Russischen Kosakentums“ den Kosaken den Zugang zur Armee, zum Katastrophendienst, zur Zivil- und Territorialverteidigung sowie Grenzschutz. Die Kosakenvereinigungen führen Ordnungsdienste durch bei Demonstrationen der Opposition, bei Razzien gegen illegale Migranten, im Kampf gegen Kriminalität und Drogen sowie bei Massenveranstaltungen.

2009 bildete Russlands Präsident Dmitrij Medwedjew einen „Rat für Angelegenheiten des Kosakentums“ als oberstes Gremium in der Hierarchie der zentralen und regionalen Kosakenverbände. An der Spitze stehen der Präsidentenbevollmächtigte Alexander Beglow als Vorsitzende, der putinfreundliche Dmitrij Rogosin als dessen Stellvertretender, der Hauptataman Russlands, Pavel Sadoroschnij, die Atamane der sieben russischen Kosakengesellschaften sowie Vertreter der Ministerien der Sicherheitsdienste, der Föderationskreise und der Gebiete. H.J. Hoppe


Wo Kosaken in der Welt anzutreffen sind

In Russland verteilen sich Kosaken auf eine Steppenzone von Zentralrussland über den Süden bis nach Sibirien. Schwerpunkte sind die Gegenden um Moskau, Wladimir, Rostow, Astrachan, Swerdlowsk, Orenburg, Omsk und Irkutsk. Der Kosakenrat beim Präsidenten der Russischen Föderation pflegt Kontakte zu Kosakenorganisationen in anderen GUS-Ländern sowie zu Abchasien, Südossetien, Transnistrien und den beiden Republiken „Neurusslands“.

Auf der Krim propagierten einige Kosakenverbände ab 2008 die Loslösung von der Ukraine. Letztlich bestimmt Moskau über die Kosaken, ihre Organisation und ihren Einsatz. Dabei agiert der Kreml über den Kosakenrat und die regionalen Kosakenzentren, die wiederum die lokalen Verbände koordinieren. Den Kosakenverbänden in Russland gehören 740000 Menschen an. Weltweit soll es dreieinhalb bis fünf Millionen Kosaken geben.

Außerhalb Russlands, der Ukraine und der GUS-Länder gibt es Kosakenkolonien in Europa und in Übersee. Viele Kosaken suchten nach dem Bürgerkrieg in Bulgarien und Serbien Zuflucht. Auch in Australien, Belgien, Deutschland, Frankeich, Kanada, den USA und sogar in China leben Nachfahren ausgewanderter Kosaken. Neben den diplomatischen Vertretungen, Geheimdiensten, Kulturverbänden, Forschungsinstituten und Hochschulen, Parteien und Massenorganisationen sowie nicht zu vergessen der Russisch-Orthodoxen Kirche sind die Kosaken ein wichtiges Instrument politischer, kultureller und militärischer Einflussnahme, wie die Vorgänge in der Ostukraine gezeigt haben. Zur Förderung der Kosaken hat der Kreml eine „Entwicklungsstrategie für das Kosakentum bis 2020“ entwickelt. H.J. Hoppe


Zeitzeugen

Dmitrij Rogosin – Der Vizepremier für den militärindustriellen Komplex ist ein enger Freund Wladimir Putins. Der 51-Jährige gilt als Visionär des russischen Neoimperialismus. Putin schickte ihn als Emissär an kritische Brennpunkte. Als stellvertretender Vorsitzender des Kosakenrats förderte er die Mobilisierung der Kosakeneinheiten als Polizeipatrouille, Grenzschutz und Untergrundgruppe in der Donbass-Region in der Ostukraine.

Mykola Iwanowytsch Kosizyn – Der ukrainische Geschäftsmann wurde im Oktober 1993 zum Ataman (Kommandeur) des etwa 3000 Personen zählenden Großen Donheeres gewählt. Er gilt als Drahtzieher der Entführung von zwei

OSZE-Beobachtern, Tonbandaufnahmen zeigen angeblich, dass er am Abschuss der Malaysia-Airlines Flug MH17 beteiligt gewesen sei.

Stenka Rasin (1630–1671) – Der Ataman der Donkosaken entstammte einer wohlhabenden Familie. Erstmals erwähnt wird er 1661 als russischer Gesandter zu den Kalmücken und Tataren. Er führte mit seinem Kosakentrupp Raubzüge an, die sich von Südrussland bis ins Osmanische Reich und nach Persien erstreckten. Seinem Aufstand im Wolgagebiet von 1670/1671 schlossen sich geflohene Leibeigene und Altgläubige an. Im April 1671 wurde er in Moskau nach einer Niederlage hingerichtet.

Bohdan Chmelnyzkyj (1595-1657) – Der Hetman (Hauptmann) der Saporoger Kosaken erzielte im Kampf gegen Polen-Litauen die Gründung des ersten Kosakenstaates in der Zentral-ukraine. Gegen polnische Ansprüche wandte er sich an den russischen Zaren Alexej I. mit der Bitte um Schutz. Im Vertrag von Perejaslaw von 1654 unterstellten sie sich faktisch russischer Herrschaft. Anlässlich des 300. Jahrestags 1954 schenkte Nikita Chruschtschow der Ukrainischen SSR die Krim-Halbinsel.

Michail Scholochow (1905–1984) – Der Nobelpreisträger wuchs in einer Kosakensiedlung in der Oblast Rostow auf. 1928 begann er sein größtes Werk „Der stille Don“, das er 1940 abschloss. Dafür gab es 1965 den Literaturnobelpreis. In den 1970er Jahren wurde seine Autorenschaft an seinem Hauptwerk „Der stille Don“ angezweifelt.


S. 5 Preussen/Berlin

Noch wirkt die Einschüchterung
Das Schreckgespenst der Politik: Greift Pegida auch auf Berlin über?

Die „weltoffene“ Metropole Berlin und ihre Politik schalten den friedlichen Demonstranten von Pegida am Brandenburger Tor das Licht aus. Die jüngste Kundgebung dort wurde zudem von Gegendemonstranten abgeblockt. Eine Vereinigung bürgerlicher Protestströmungen an der Spree rückt als Schreckgespenst ins Visier der Politik.

Ein Gespenst geht um in Berlin, es heißt Pegida. Das in Dresden verfasste Manifest der Bewegung fordert: „Aufnahme von Kriegsflüchtlingen und politisch oder religiös Verfolgten. Das ist Menschenpflicht!“

Dessen völlig ungeachtet bezeichnet Berlins etablierte Politik die Pegida-Bewegung als verachtenswert. Der SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß marschierte vorn bei den Gegendemonstranten mit. Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) wertet Pegida und den Berliner Ableger „Bärgida“ als „Angriff auf das Zusammenleben in unserer Gesellschaft“.

Dass eine angemeldete Demonstration nach dem Muster gewaltfreier Kundgebungen in anderen Städten in Berlin verhindert wird, ist jetzt unter der SPD-CDU-Regierung staatstragend geworden. Die Polizei konnte das Demonstrationsrecht nicht durchsetzen. „Nach drei Stunden mussten die knapp 300 ,Bärgida‘-Anhänger wieder abziehen. Rund 5000 Menschen hatten sich ihnen am Roten Rathaus entgegengestellt und verhindert, dass die Islamfeinde zum Brandenburger Tor marschieren konnten“, ätzte der von den Gebühren aller Bürger finanzierte Sender RBB im Internet. Dass die angeblichen „Islamfeinde“ „Widerstand gegen eine frauenfeindliche, gewaltbetonte politische Ideologie, aber nicht gegen hier lebende, sich integrierende Muslime“ fordern, also differenzieren, wie aus dem Positionspapier der Pegida hervorgeht, will Berlins Politik nicht thematisieren.

Stattdessen sagte Berlins oberster Verfassungsschützer Bernd Palenda dem Sender: „Das, was wir hier in Berlin haben, sind vor allen Dingen durchaus auch rechtsextremistisch gesinnte Personen, die versuchen, ein Thema zu okkupieren und Unzufriedenheit von Bürgern zu nutzen.“

Auf welche Fakten sich diese Sicht stützt, bleibt unerheblich. Dass Parteien, Kirchenführungen (wie in Köln) und Medien die Abschaltung freier Meinungsäußerung als Zeichen zivilgesellschaftlichen Muts fordern, sagt viel über den angespannten Zustand aus: Das alte West-Berlin mit seiner entspannten Wagenburgmentalität ist jedenfalls vergangen.

Berlins etablierte Politik antwortet auf Pegida mit einem Klima der Bereitschaft zur Eskalation. Ein Verfolgungswahn greift um sich: Politiker und Medien, die erst vor Wochen über 500 gewaltbereite Islamisten in Berlin zählten, sehen dagegen keinen Grund für Demonstrationen gegen solche Erscheinungen. In der Nacht nach der Blockade setzen Unbekannte das private Fahrzeug des Linke-Politikers Hans Erxleben in Adlershof in Brand, die Polizei vermutet politische Motive. In der von ihnen mitgetragenen Zuspitzung fürchten Berlins Politiker um einen Zusammenschluss der Proteste gegen Asylbewerberheime mit Pegida, kurzum den großen Proteststrom.

Eine aktuelle parlamentarische Anfrage des SPD-Abgeordneten Tom Schreiber im Berliner Abgeordnetenhaus zum Zusammenhang von Rechtsextremen und Pegida spiegelt entsprechende Ängste wider. Die Innenverwaltung des Senats nutzte die Anfrage als Steilvorlage: „Als organisierte rechtsextremistische Struktur tritt die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) im Zusammenhang mit den Protesten gegen Flüchtlingsunterkünfte auf.“ Die Proteste der Bürgerbewegung Treptow-Köpenick seien „von Anfang an durch Rechtsextreme initiiert“, so die offizielle Darstellung des Senats. Auch bei Bärgida laufen demnach Rechtsextreme mit, so die Behörde.

Die Absicht der Berliner Politik, die extremen Mitläufer mit den Protesten an sich gleichzusetzen, soll offenkundig die vielen Berliner abschrecken, die bisher in Dresden bei Pegida mitdemonstriert haben. Die Strategie bleibt nicht ohne Wirkung. Noch riefen die Bürgerbewegung Hellersdorf gegen Flüchtlingsunterkünfte und die Initiative Köpenick weiter zu getrennten Kundgebungen auf, konstatiert der Senat erleichtert.

Das Potenzial für eine Ausweitung der im Kern gegen die Politik der etablierten Parteien gerichteten Proteste auch in Berlin zeigt sich im Kleinen. Ein „Wunschbaum“ in Mahrzahn, das Projekt eines Bürgers im Zentrum der Proteste gegen Asylunterkünfte, erntete andere Reaktionen als erhofft. Vom Initiator Otto Müller als „neutraler Anlaufpunkt im Sinne der Nächstenliebe“ ausgegeben, trug der Baum Früchte in Form von Wünschen gegen das Asylbewerberheim, nur Stunden nach dessen Aufrichtung. Dann wurde der Baum gestohlen, Nachfolgebäume auch. Schließlich fand ein Sternsingen beider Konfessionen unter einem zerrupften Baum statt – Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) gehörte zu den wenigen Teilnehmern.

Bei den Protesten gegen die Zuwandererunterkünfte, Berlins bisherigem Kristallisationspunkt ähnlich wie Pegida, haben sich selbst Menschen mit Immigrationshintergrund eingereiht, keineswegs nur NPD-Anhänger. Die Haltung von weltlich ausgerichteten Menschen mit nahöstlichen Wurzeln zu Pegida ist ebenfalls eine noch völlig unkalkulierbare Größe – der Aufruf türkischer Organisationen zur Demo gegen Pegida und Bärgida mobilisierte nur langsam und überschaubar. Im vom Senat selbstverordneten Dunkel bleibt ihm das wachsende Unbehagen gegen die Politik in der Stadt verborgen. Sverre Gutschmidt


Bedroht und geschlagen
von Theo Maass

Ein früherer Funktionär der Partei „Die Freiheit“ versuchte am ersten Montag im Januar ein Pendant der Pegida in Berlin zu etablieren. Das Ergebnis war der Unterschied zwischen „gut gemeint“ und „gut gemacht“. Für die Mainstreampresse war die Versammlung einiger Hundert Personen bei Bärgida ein willkommener Anlass, die Bürgerproteste insgesamt kleinzuschreiben. Woran scheiterte nun die Berliner Montagsdemonstration „Bärgida“?

Einmal verkannten die Organisatoren die Tatsache, dass das Demonstrationsrecht in Deutschland de facto erheblich eingeschränkt ist. Gewaltbereite Linksextremisten – teilweise im Rahmen des staatlichen Kampfes „gegen rechts“ alimentiert – bedrohen bürgerliche Demonstranten oder schlagen sie gar krankenhausreif. Handwerker, Beamte, Familienväter oder Hausfrauen überlegen sich da dreimal, ob sie das Risiko einer Demonstrationsbeteiligung eingehen oder nicht.

In Dresden indes ist die kritische Masse der Demonstranten überschritten (anders ausgedrückt, es sind „zu viele“). Gewaltbereite Linksextremisten konzentrieren sich daher darauf, Demonstrationen in anderen Städten zu unterbinden oder Bürgerversammlungen einzuschüchtern. Wer ernsthaft glaubt, irgendwo in Deutschland ungestört für nichtlinke Themen „einfach so“ auf die Straße gehen zu können, ist naiv.

Auffällig an den Berliner Anti-Pegida-Demonstrationen war, dass die Berliner Türken weitgehend fernblieben. Ein Aufzug der „Türkischen Gemeinde“ war mit 10000 Teilnehmern angekündigt worden. Erschienen waren dann aber nur 500. Was haben hart arbeitende Gemüsehändler, Dönerbudenbetreiber, Cafépächter, Arbeiter und Angestellte mit türkischem Immigrationshintergrund von immer mehr Zuwanderern in Berlin? Zudem: Gerade weltlich orientierte Türken sehen angesichts der gesellschaftlich-politischen Entwicklung in ihrem Herkunftsland eine mögliche Islamisierung auch in Deutschland als reale Bedrohung an. Denn sie wissen, wovon sie sprechen.

Die Asylantenlobby einerseits und angestammte Deutsche sowie schon lange hier ansässige, integrierte oder assimilierte (Ex-)Ausländer andererseits sprechen nicht mehr die gleiche Sprache. So versuchte die von der CDU gestellte, langjährige frühere Ausländerbeauftragte des Berliner Senats, Barbara John, dieser Tage der Öffentlichkeit weiszumachen, die in den 60er und 70er Jahren nach Berlin gekommenen Türken hätten damals durch ihre Anwesenheit die Existenz des Westteils der Stadt „gerettet“. Darüber lachen nicht nur die Hühner sondern auch Metin, Erol und Aische oder Melek.


Linke immer brutaler
Verfassungsschutz warnt: Berlins Antifa formiert sich neu

In einem Lagebericht mit dem Titel „Alte Bekannte in neuem Gewand“ hat Berlins Verfassungsschutz vor Militanz durch eine neue Gruppierung in der linksextremen Szene der Hauptstadt gewarnt. Die neu entstandenen und sich selbst als „Radikale Linke Berlin“ bezeichnende Gruppierung ist aus Sicht des Verfassungsschutzes ein Sammelbecken ehemaliger Mitglieder der aufgelösten Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) und der in Auflösung befindlichen Antifaschistischen Revolutionären Aktion Berlin (ARAB).

Beide militanten Gruppen hatten in den vergangenen Jahren erheblichen Einfluss auf die autonome Szene und waren unter anderem als Organisatoren der Mai-Krawalle in Kreuzberg aufgefallen. Dass sich beide Gruppen nun vereinigt haben, stellt aus Sicht des Verfassungsschutzes einen „Bruch traditioneller Gewohnheiten“ dar. Einzelne Aktivisten und Gruppen stellten ihre ideologischen und strategischen Differenzen immer häufiger zurück und seien bereit, Kompromisse einzugehen, um gemeinsam neue Wege zu gehen.

Hintergrund des Zusammenschlusses ist ein Polarisierungseffekt, der nach Einschätzung der Behörde bereits seit Jahren zu beobachten ist: Auf der einen Seite zerfalle die linksextreme Szene in immer kleinere Gruppen, die „auf Militanz als Selbstzweck setzen“. Auf der anderen Seite träten zunehmend überregional agierende Organisationen auf, die sich nach außen gemäßigt gäben.

Aus Sicht des Verfassungsschutzes bedeutet diese Entwicklung keineswegs, dass sich eines der beiden Lager von Gewalt als Mittel zur Erreichung politischer Ziele abwendet.

Hintergrund dieser zunehmenden Polarisierung unter den Linksextremisten ist eine an sich positive Entwicklung: Bei Ereignissen wie dem „Revolutionären 1. Mai“ fällt es immer schwerer, nennenswerte Formen von Massenmilitanz anzuzetteln. Zumindest ein Teil der Szene ist als Folge auf ein neues Vorgehen ausgewichen. Anschläge werden geheim in Kleingruppen geplant und meist im Schutz der Nacht ausgeführt. Ablesbar ist dies an einem starken Anstieg der Straftaten. Allein im ersten Halbjahr 2014 gab es nach Angaben von Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) mit 240 linksextremen Straftaten etwa 60 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Zugleich werden aus Sicht des Innensenators die Anschläge auch immer brutaler. N.H.


Sternsinger-Posse
Ministerium: Christenbrauch unwillkommen?

Brandenburgs Bildungsministerium wollte die zum Jahresanfang für karitative Zwecke Geld sammelnden katholischen Sternsinger nicht mehr empfangen – ein Termin wurde nicht eingeplant. Die Tradition am Dreikönigstag kam dennoch zustande. Es ist eine Posse um fehlenden politischen Instinkt.

Mitten in die Diskussion um große Protestkundgebungen gegen Islamisierung platzte die Entscheidung des „sehr säkular gestimmten Personalrats“, wie der „Tagesspiegel“ es formuliert, die Sternsinger als „Vereinnahmung“ der Öffentlichkeit zu religiösen Zwecken nicht mehr zu dulden. Das Gremium der Ministeriumsmitarbeiter gab mutmaßlich den Ausschlag, dass dieses Jahr kein Termin für die Kinder im Ministerium vorgesehen war. Deren Teilnahme am Neujahrsempfang 2014 der damaligen Ministerin Martina Münch (SPD) regte den Personalrat zur Forderung an, „die Teilnahme an religiösen oder weltanschaulichen Veranstaltungen“ nicht mehr mit dienstlichen Terminen zu verbinden. Beschäftigte sollten unabhängig von Dienstpflichten über eine Teilnahme entscheiden, argumentierte jetzt die Personalratsvorsitzende Gabriele Zoeke.

Nach öffentlichen Protesten lenkte das Ministerium jedoch ein, musste sich nun aktiv um den Besuch der Kinder am 6. Januar bemühen. Minister Günter Baaske (SPD) spendete im Namen der Mitarbeiter seines Hauses und nannte die Berichte „freie Erfindungen einiger Medien“. Die Berichte über den Unwillen zum Empfang seien „die beste Werbung für die Sternsinger und ihre Spendenkampagne“. SV


RBB verliert Zuschauer

Innerhalb von drei Jahren hat der öffentlich-rechtliche Sender Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) mit seiner „Abendschau“ zehn Prozent an Reichweite verloren. Wie der RBB zum Jahresanfang mitteilte, schalteten im vergangenen Jahr im Schnitt nur noch 270000 Zuschauer die erfolgreichste Sendung des Senders, die „Abendschau“ um 19.30 Uhr, ein. Noch im Jahr zuvor hatte die Zahl der durchschnittlichen „Abendschau“-Zuschauer hingegen bei 290000 gelegen. Als mögliche Ursachen für den Abwärtstrend werden große Sportereignisse wie die Fußball-Weltmeisterschaft und die Olympischen Spiele in Sotschi vorgebracht, mit der alle Dritten Programme der ARD zu kämpfen gehabt hätten. Tatsächlich geht der Abwärtstrend allerdings über das vergangene Jahr hinaus. Bereits im Vergleich von 2012 auf 2013 ist die Zuschauerzahl der „Abendschau“ um 10000 von zuvor 300000 gesunken. N.H.


S. 6 Ausland

Griechenland verdirbt die Sitten
Merkel hat der Forderung von Tsipras nach einem Schuldenschnitt kaum etwas entgegenzusetzen

Offenbar gezielt lanciert wurde zum Jahresanfang durch einen Medienbericht bekannt, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Euro-Austritt Griechenlands mittlerweile für „verkraftbar“ hält. Tatsächlich droht mit den für den am 25. Januar in Griechenland angesetzten Neuwahlen der Höhepunkt der Euro-Krise erst noch bevorzustehen.

Überwog zunächst Erstaunen darüber, dass die Bundesregierung nicht mehr am Dogma einer unkündbaren Euro-Mitgliedschaft Griechenlands festhält, so sind inzwischen Erklärungsversuche des kolportierten Sinneswandels der Kanzlerin aufgetaucht. In diversen Wirtschaftsblättern war zu lesen, Berlin wolle gegenüber einer neuen griechischen Regierung eine Drohkulisse für immer wahrscheinlicher werdende Verhandlungen zu einem neuerlichen Schuldenschnitt aufbauen. Möglich ist allerdings auch, dass das Zücken der vermeintlichen Trumpfkarte „Rauswurf aus dem Euro“ ein Zeichen tiefer Ratlosigkeit ist. Nach jetzigem Stand gilt ein Sieg der linkspopulistischen Protestpartei Syriza bei den griechischen Parlamentswahlen am 25. Januar als wahrscheinlich.

Mit gutem Recht kommt die „Wirtschaftswoche“ mit Blick auf die damit drohenden Entwicklung zu der Diagnose: „Der vermutlich neue starke Mann in Athen weiß, dass er die Euro-Partner und auch die EZB nach Belieben erpressen kann.“ Für diese nüchterne Sichtweise spricht einiges. Werden Schlupflöcher, wie die Möglichkeit eigener Euro-Geldschöpfung über Liquiditätsnothilfen (Emergency Liquidity Assistance) geschickt ausgereizt, kann Griechenland den Stopp weiterer Hilfszahlungen durchaus einige Zeit verschmerzen. Obendrein kann Griechenland mit einer Zahlungseinstellung faktisch eine finanzielle „Atombombe“ innerhalb der Euro-Zone zünden. Noch zu Beginn der Krise war Griechenland mit insgesamt 297 Milliarden Euro verschuldet. Nach vier Jahren „Rettungspolitik“ samt „großem Schuldenschnitt“ ist der Schuldenberg nunmehr auf 322 Milliarden Euro angewachsen. Als Folge der „Euro-Rettungspolitik“ ist obendrein ein Großteil der Schulden Griechenlands von privaten Investoren an die Steuerzahler Europas weitergereicht worden.

Kommt es zu einem nochmaligen Schuldenschnitt oder gar zu einem Staatsbankrott, werden hauptsächlich die Haushalte der Euro-Staaten die Geschädigten sein. So drohen nach Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft im Falle eines neuen Schuldenschnitts, der die griechische Verschuldung von 175 Prozent auf 90 Prozent der Wirtschaftsleistung absenkt, für Deutschland Belastungen von 40 Milliarden Euro. Sollte Griechenland insolvent werden und aus dem Euro aussteigen, wachsen die deutschen Verluste nach den Kieler Berechnungen sogar auf 76 Milliarden Euro an. Von einem Zahlungsausfall betroffen wären allerdings nicht nur Deutschland, das über Rettungskredite und die Zentralbankbilanzen Milliarden abschreiben müsste, sondern auch angeschlagene Länder wie Italien, Frankreich und Spanien. Entsprechend gut stehen die Chancen, sollte eine neue Regierung in Athen demnächst ihre Forderungen präsentieren. Deutlich wird im Gegenzug ebenso, was von Gedankenspielen zu halten ist, gegenüber Athen eine Drohkulisse aufbauen zu können.

Aus Sicht Berlins und Brüssels besteht allerdings nicht nur die Gefahr, durch die für Griechenland betriebene „Rettungspolitik“ extrem hohe Verlusten in Kauf nehmen zu müssen. Das Beispiel Griechenland droht vielmehr noch zu einem negativen Vorbild für andere Krisenländer zu werden. Schon jetzt wird die aktuelle Entwick-lung in Griechenland vor allem in Spanien aufmerksam verfolgt. So sind die Forderungen von Alexis Tsipras Partei nach einem umfassenden Schuldenerlass für Griechenland in der spanischen Presse auf ein breites Echo gestoßen. Es war Tsipras selbst, der in einer Rede davon gesprochen hat, dass seine Vorschläge zu einem Schuldenschnitt einen Beispielcharakter haben. „Damit es alle wissen: Es wird Verhandlungen geben, es wird eine Einigung geben, und diese Vereinbarung wird nicht nur in Griechenland, sondern in ganz Europa weitergegeben werden“, so Tsipras.

Es ist die konkrete politische Agenda, die dafür spricht, dass ein Schuldenschnitt für Griechenland nur einen Auftakt darstellen würde. Ende 2015 stehen auch in Spanien Parlamentswahlen an. Den Umfragen zufolge ist die links-populistische Protestpartei Podemos zur stärksten politischen Kraft Spaniens geworden. Abgeschlagen und in den Augen vieler Spanier „abgewirtschaftet“ haben die etablierten Kräfte, die Partido Popular und Spaniens Sozialdemokraten. Gleiches gilt für Italien. Dort stehen mit der Lega Nord und der Fünf-Sterne-Bewegung Beppe Grillos Kräfte bereit, die genau verfolgen werden, was nach dem 25. Januar in Athen vor sich geht. Norman Hanert


Uneins, aber hochgefährlich
Pakistanische Taliban tragen islamistischen Terror in das Land

Selbst in einem Land wie Pakistan, das seit Langem an terroristische Angriffe gewöhnt ist, hat der Angriff der Taliban auf eine Schule des Militärs in Peshawar im Dezember, bei dem 141 Menschen, darunter 132 Kinder, getötet wurden, noch etwas Schockierendes. Es hat immer mehr den Anschein, als ob es unter Islam-Terroristen so etwas wie einen weltweiten Wettkampf in der Skala des Entsetzens gäbe. Pakistan ist nach Indonesien mit 182 Millionen Einwohnern das zweitgrößte Land der muslimischen Welt. Es hat auch nach der Besetzung Afghanistans 2001 enge Verbindungen und Komplizenschaft zu bestimmten Zweigen der Taliban beibehalten, die einst vom pakistanischen Militärgeheimdienst gegen die sowjetischen Besatzer begründet worden waren. Man wollte nicht nur eine gewisse Kontrolle über die Taliban behalten, sondern mit ihnen auch gegenüber den ungeliebten westlichen Streitkräften in Afghanistan ein Druckmittel in der Hand haben.

Die in der Pakistan benachbarten indischen Provinz Uttar Pradesh gelegene islamische Rechtsschule von Deoband gilt neben dem Wahhabismus als die intellektuelle Schmiede islamistischen Terrors. Dazu gibt es in Pakistan zahlreiche islamistische Parteien, die das politische Spektrum beherrschen. Auch die Partei von Ministerpräsident Nawaz Sharif, die Pakistan Muslim League, vertritt eine konservativ religiöse Ideologie. Trotz dieses günstigen Nährbodens für den islamistischen Terror lehnt die große Mehrheit der Pakistani die Taliban ab, die sich nur in den beiden Stammesgebieten der paschtunischen Minderheit rekrutieren und verstärken können. Der Angriff auf die Schule in Peshawar muss vor dem Hintergrund des komplexen Beziehungsgeflechts zwischen Staat, Armee und Taliban, der wachsenden Uneinigkeit innerhalb der Tehrik e-Taliban-Terrorgruppe, die für das Blutbad die Verantwortung übernommen hat, und dem globalen Kontext, in den die Tat in Zeiten des Aufstiegs des „Islamischen Staates“ und des relativen Niedergangs der al-Kaida fällt, gesehen werden.

Nach dem Wahlsieg seiner Partei im Mai 2013 begann Sharif ergebnislose Verhandlungen mit den pakistanischen Taliban, weil er sein Land befrieden wollte. Zum eigentlichen Bruch zwischen den Taliban und der Regierung kam es im Juni 2014, als Islamabad sich für eine Offensive gegen die Taliban in der Region Nord-Waziristan entschied. Eine Operation, deren Erfolg nur möglich war durch eine Abstimmung der Armee mit Afghanistan, da die Taliban sonst Afghanistan als Rückzugsgebiet hätten nutzen können. So ist es zu verstehen, dass der Terrorangriff sich gezielt gegen eine Schule richtete, an der hochrangige Offiziere ihre Kinder unterrichten ließen.

Die pakistanischen Taliban sind keine einheitliche Gruppe, einige haben enge Beziehungen zu Isla-mabad behalten. Ein Großteil hat schon Osama bin-Laden die Treue geschworen. Als im November 2013 der Führer der pakistanischen Taliban, Hakimullah Mehsud, von einer US-Drohne getötet wurde, kam es zu Spaltungen. Der neue Führer, Mullah Fazlullah, konnte nicht mehr alle Fraktionen der pakistanischen Taliban hinter sich vereinen, es ist wahrscheinlich, dass eine Gruppe, die sich von der Muttergruppe losgesagt hat, den Angriff auf die Schule zu verantworten hat. Einige Mitglieder der pakistanischen Taliban hatten in letzter Zeit offen ihre Treue zum „Islamischen Staat“ bekundet, während andere weiter zu al-Kaida halten. Bodo Bost


Berlusconis Chance
Forza Italia kann die Präsidentenwahl in Italien entscheiden

Die Nachricht schockte zu Jahresende viele Italiener. „Re Giorgio“ – König Giorgio – will nicht mehr. Staatspräsident Giorgio Napolitano hat angekündigt, noch vor Ende seiner Legislaturperiode zurückzutreten. Er empfinde „eine gewisse Müdigkeit“, was für einen über 90-Jährigen nicht ungewöhnlich ist. Mit ihm verliert Italien seinen populärsten Politiker und ein gehöriges Maß an Stabilität. Napolitano gilt als besonnen und glaubwürdig, was im politischen Italien eine Seltenheit ist. Er schaffte es 53 Jahre lang, in der Arena zu bleiben, zuerst als Kommunist, dann als Sozialist. In seiner langen Karriere war er auch Europaparlamentarier, Parlamentspräsident, Innenminister und Senator auf Lebenszeit. In den vergangenen neun Jahren erwies sich „der alte Fuchs“ als versierter Krisenmanager, überredete erst Silvio Berlusconi zum Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten und installierte anschließend Mario Monti, Enrico Letta und zuletzt Matteo Renzi zum Regierungschef, obwohl diese nie als Sieger aus Wahlen hervorgegangen waren. Er sei „nur bedingt ein Demokrat“, schrieb unlängst ein Kritiker. Napolitano selbst machte keinen Hehl daraus, „dass der institutionelle Weg wichtiger sei als Wahlen“.

Und genau auf diese Fähigkeit des Strippenziehens kommt es nun an. Ministerpräsident Renzi, Anfang Januar gerade einmal 40 Jahre alt geworden, gilt als großes politisches Talent. Viele Reformvorhaben hat er angestoßen, aber nur wenig umgesetzt. Die Wirtschaftsdaten sind besorgniserregend, die Arbeitslosenquote katastrophal. Nun darf der Chef der Sozialdemokraten auch noch einen neuen Staatspräsidenten suchen. EZB-Chef Mario Draghi, für viele der Wunschkandidat, hat bereits abgewinkt. Die Wahlversammlung, die aus 1008 Abgeordneten, Senatoren und Vertretern der Regionen besteht, gilt als unberechenbar. In den ersten drei Wahlgängen ist eine Zweidrittel-mehrheit notwendig, im vierten reicht eine absolute Mehrheit. Renzis Partito Democratico (PD) kommt zusammen mit seinen Regierungspartnern nur auf eine relative Mehrheit.

Und so mischt plötzlich Silvio Berlusconi wieder mit. Der ehemalige Ministerpräsident und Chef der Forza Italia (Italien voran) ist derzeit mit einer zweijährigen Ämtersperre belegt, nachdem er rechtskräftig wegen Steuerbetrugs verurteilt worden ist. Eine Begnadigung durch den Staatspräsidenten, die Napolitano ablehnte, könnte das Comeback des „Cavaliere“ einleiten. Zu diesem Szenario passt auch, dass die Regierung Renzi eine Reform des Steuerstrafrechts auf den Weg bringen möchte. Angeblich haben der Ministerpräsident und der Multimilliardär eine Absprache getroffen, damit dieser Renzis Reformpläne im Senat passieren lasse.

So ist es kein Wunder, dass Berlusconi auch einen Favoriten für die Napolitano-Nachfolge hat.

Giuliano Amato heißt der Mann, ist 75 Jahre alt und praktischerweise Präsident des Verfassungsgerichtshofs. Zuvor war der Sozialist bereits Innenminister und zwei Mal Ministerpräsident. Regierungschef Renzi findet den Vorschlag schon mal „sehr interessant”. Peter Entinger


MELDUNGEN

Kapitalflucht aus Italien

Rom – Im Dezember sind über das europäische Target-System 13 Milliarden Euro Netto-Überweisungen von Italien ins Ausland getätigt worden. Dabei handelt es sich nach den neuesten Zahlen der italienischen Notenbank um deren Überziehungskredite bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Damit hat sich die italienische Target-Schuld gegenüber dem EZB-System von Juli bis Dezember 2014 um 79 Milliarden Euro auf 209 Milliarden Euro erhöht. Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, sieht darin Anzeichen für eine neue Kapitalflucht aus Italien: „Der neue Anstieg ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Eurokrise nur geschlummert hat und keinesfalls als gelöst gelten kann.“ U.M.

 

Verdruss über Europa wächst

Zürich – Immer mehr Menschen distanzieren sich einer in 13 EU-Ländern durchgeführten Umfrage des Marktforschungsnetzwerkes WIN/Gallup zufolge von Europa. 26 Prozent aller Europäer fühlen sich demnach „weniger europäisch“ als vor einem Jahr. „Europa näher“ fühlten sich hingegen nur 14 Prozent. Bei den übrigen Interviewten wurde keine Veränderung verzeichnet. Insgesamt wollen 64 Prozent der Befragten – und 73 Prozent der Deutschen – demnach in der Europäischen Union bleiben. Eine Mehrheit für einen möglichst schnellen Austritt gibt es mit 51 Prozent lediglich in Großbritannien. Die Hauptschuld für die Wirtschaftskrise liegt nach Ansicht von 29 Prozent der Befragten bei den Banken. Rund 20 Prozent der Interviewten sehen die Schwächen einzelner Länder wie Griechenland oder Portugal als Grund für die Krise. Nur elf Prozent gaben dem Euro die Hauptverantwortung. J.H.


S. 7 Wirtschaft

Widerstand gegen Sanktionen wächst
Führende EU-Politiker fordern Lockerung – Bundesregierung bleibt trotz Schaden für eigene Wirtschaft hart

Die in Kasachstan geplanten Gespräche über eine Beilegung des Ukrainekonflikts wurden abgesagt, ein Ende der gegen Russland verhängten Sanktionen rückt in weite Ferne. Doch inzwischen mehren sich die Stimmen gegen die Russlandpolitik der EU. Kritik wird auch in den USA laut.

„Statt mit Sanktionen gegen Russland vorzugehen, sollte die Europäische Union besser der Ukraine finanziell unter die Arme greifen“, fordert der US-amerikanische Finanzmogul George Soros. Um einen Fortschritt in der ukrainischen Wirtschaft erreichen zu können, seien 42,4 Milliarden Euro vonnöten. Nur so könne die Ukraine die geforderten Reformen umsetzen. Putin würde die Möglichkeit genommen, die Probleme Russlands auf die Sanktionen der westlichen Mächte zu schieben.

Bedenken gegen die Russlandsanktionen melden auch der amerikanische linke Wissenschaftler und Kritiker Noam Chomsky oder der Regisseur Oliver Stone an. Während erster vor einer Annäherung Russlands an China und einem „Gegenkurs“ warnt, der sich durch den gesamten eurasischen Raum bis in westeuropäische Länder fortsetzen könnte, glaubt letzterer in den Majdan-Ereignissen von Kiew die Handschrift der CIA erkennen zu können.

Die Erkenntnis, dass die EU einem von den USA initiierten Kurs folgt, der den eigenen Mitgliedern erheblich schadet, scheint sich bei einigen EU-Politikern durchzusetzen.

Romano Prodi, ehemaliger Präsident der EU-Kommission, hat sich kürzlich über die negativen Folgen der Sanktionen für Italien geäußert. „Das russische Bruttoinlandsprodukt wird in diesem Jahr um etwa fünf Prozent sinken, was in Italien zu einem Einbruch der italienischen Exporte nach Russland um 50 Prozent führen wird.“ Prodi hofft, dass die Europäische Zentralbank (EZB) helfen wird. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hatte zuvor darauf hingewiesen, dass die Amerikaner von den Sanktionen weniger betroffen seien als die Staaten der Eurozone. In dieselbe Bresche schlägt Italiens Ex-Präsident Silvio Berlusconi, indem er die Sanktionen als nutzlos bezeichnet: „Mehr noch: Sie sind schädlich für die Außenpolitik und tödlich für unsere Wirtschaft. Ich hoffe, dass die italienische Regierung zum Initiator einer Veränderung der europäischen Linie wird.“

Auch Frankreich gibt erstmals öffentlich den durch den Sanktionskrieg mit Russland verursachten Schaden für die EU-Wirtschaft zu. Große Verluste erleiden laut dem französischen Wirtschaftsminister Emmanuel Macron unter anderem Ölgesellschaften und Lebensmittelhersteller, die mit Russland zusammenarbeiten. François Hollande sprach sich dafür aus, dass die westlichen Sanktionen abgeschafft werden müssten, wenn Fortschritte in der Ukrainekrise sichtbar würden. Gegen die Russlandsanktionen stellen sich immer mehr Länderchefs. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann ist genauso wie sein tschechischer Amtskollege Milos Zeman gegen die weitere Verschärfung der EU-Sanktionen.

Doch ausgerechnet Deutschland, das als größter Nettozahler der EU auch einen Großteil der Sanktionsfolgen schultern wird, mauert. Bundeskanzlerin Angela Merkel macht die Lockerung von Bedingungen abhängig, die Russland erst erfüllen müsse und überhört dabei die Warnungen der deutschen Wirtschaftsvertreter. Die Bundesregierung sagte dem ukrainischen Premierminister Arsenij Jazenjuk während dessen Besuch in Berlin eine Kreditbürgschaft in Höhe von 500 Millionen Euro zu, die EU-Kommission will weitere 1,8 Milliarden Euro zuschießen. Dabei ist absehbar, dass diese Gelder nicht reichen werden. Die Ukraine leidet selbst unter den Sanktionen gegen Russland, zum einen wegen der engen wirtschaftlichen Verflechtung des ehemaligen Sowjetstaats mit Russland, zum anderen, weil Moskau den Westkurs der Ukraine mit Gegensanktionen wie einem Embargo gegen Milch und Fleisch bestraft.

Weder die Vorschläge einiger EU-Kollegen noch die des Koalitionspartners SPD für eine schrittweise Lockerung der Sanktionen können die Kanzlerin erweichen. Dabei sind die Folgen dieser Politik im eigenen Land bereits unübersehbar. In Sachsen leidet vor allem die Metall- und Elektroindustrie, der größte Wirtschaftszweig dort. Auch die Agrarbranche ist stark betroffen, weil zahlreiche landwirtschaftliche Produkte, die für den russischen Markt bestimmt waren, seit August letzten Jahres nicht mehr dorthin geliefert werden dürfen. Hans-Werner Sinn, Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo), warnt vor einer Pleite Russlands, dessen Devisenreserven maximal für zwei Jahre reichen. Danach ist Russland zu einem drastischen Sparkurs gezwungen, eine dramatische Verringerung der Importe wäre die Folge. Davon seien stärker engagierte Banken Frankreichs und Österreichs betroffen, aber auch die deutsche Industrie würde empfindlich leiden.

Manuela Rosenthal-Kappi


»Der Kapitalismus ist tot«
Wissenschaftler diagnostizieren tiefgreifenden Epochenwechsel

Nullzins-Politik, gigantische Geldspritzen der Notenbanken, schuldenfinanzierte „Konjunkturpolitik“ der Regierungen oder milliardenschwere Rettungsschirme: Keines der gewaltigen Maßnahmenpakete zur Wiederbelebung der lahmenden Wirtschaft scheint zu wirken. In der Wissenschaft greift daher Nervosität um sich. Die Frage drängt in den Raum, ob die Welt möglicherweise vor einem Umbruch steht, der weit tiefer greift, als es bislang vorstellbar schien.

Ja, prophezeit der Soziologe Wolfgang Streeck im Gespräch mit der „Wirtschaftswoche“. Er kündigt das nahe Ende des Kapitalismus an. Streeck verweist darauf, dass der Kapitalismus erst rund 200 Jahre alt sei. „Was einen Anfang hat, hat auch ein Ende“, schlussfolgert er.

Der Niedergang habe nicht erst 2008 mit dem offenen Ausbruch der Finanzkrise begonnen, sondern schon vor Jahrzehnten. Seit den 70er Jahren macht Streeck mehrere Phasen des Abstiegs aus. Als der Nachkriegsaufschwung abgeklungen sei, habe man mit Inflation, Verschuldung und Aufblähen des Finanzsektors reagiert. Die jüngste Phase sei vom Aufblähen der Bilanzsummen der Zentralbanken gekennzeichnet. „Alle diese Lösungen sind hochgefährlich“, warnt der Wissenschaftler. Die Experten reagierten auf die Wirkungslosigkeit ihrer Modelle und Maßnahmen „ratlos“.

Was nach dem Kapitalismus komme, wisse er auch nicht, bekennt Streeck. Er rechnet vor allem mit Unordnung und Umbrüchen in der klassischen politischen Lager-Geografie von links und rechts: „Es entsteht keine neue Ordnung, sondern nur neue Unordnung“ ähnlich der Schlussphase des antiken Römischen Reichs.

Die Ökonomen und bekannten Buchautoren Marc Friedrich und Matthias Weik („Der Crash ist die Lösung“) haben für den Tod des zeitgenössischen Finanzsystems sogar schon ein Datum gefunden: den Oktober 2008. Damals bereits habe das System sein natürliches Lebensende gefunden und werde seitdem nur noch künstlich beatmet.

Dem schließt sich grundsätzlich auch der US-Trendforscher und Unternehmensberater Gerald Celente an. Im Gespräch mit dem Internet-Magazin „Daily Bells“ erklärte auch er, dass der Kapitalismus bereits tot sei. Celente gibt indes auch einen Ausblick auf das, was zumindest für die unmittelbare Gegenwart folgen dürfte. Der Kapitalismus sei ersetzt worden durch den „Bankismus“.

„Die Banken sind an der Macht“, was man daran sehen könne, dass sie trotz Pleite von den Staaten gerettet wurden. Dass ein Unternehmen nicht pleitegehen dürfe, weil es angeblich zu groß sei („too big to fail“), widerspreche dem Kapitalismus völlig. Die Pleite eines Unternehmens, das am Markt gescheitert ist, sei vielmehr grundlegendes Element des Kapitalismus. Nun aber hätten die Banken die Macht, dieses Regelwerk für sich außer Kraft zu setzen: „Wenn man eine Bank ist, gibt es ... keinen Einbruch.“

Die Machtübernahme der multinationalen Finanzoligarchie, in der die Banken regieren, zeige sich im TTIP-Vertrag zwischen den USA und der EU. Man verkaufe es als Freihandelsabkommen, was es aber nicht sei, sondern „eine Übernahme durch die Multinationalen“. Die Regierungen der Länder würden von deren Diktaten beherrscht. Hans Heckel


Dämpfer für Separatisten
Fallender Ölpreis mindert Schottlands Unabhängigkeit von London

Der anhaltend niedrige Ölpreis bringt die nordöstliche Region Schottlands zunehmend in wirtschaftliche Bedrängnis. Da der Rohölpreis innerhalb eines halben Jahres um zirka 45 Prozent abgerutscht ist, überprüfen immer mehr Unternehmen ihre langfristigen Pläne für Förderprojekte in den Gewässern vor Schottland. In einer Region, in der es in den letzten Jahren faktisch keine Arbeitslosigkeit gab, ist allein im laufenden Jahr mit dem Verlust von 5000 bis 10000 Arbeitsplätzen zu rechnen, so die Warnung von Ökonomen. Der Branchenverband British Independent Oil Exploration Companies (Brindex) sieht gar 30000 Jobs in Gefahr. Angesichts von 50000 Menschen die bisher in der schottischen Ölbranche ein gutes Auskommen hatten, ist das ein wahres Horror-Szenario.

Bislang brachten es qualifizierte Arbeiter auf den Ölplattformen vor der schottischen Küste durchschnittlich auf umgerechnet 115000 Euro im Jahr. Der Einbruch des Ölpreises trifft eine Region, die durch das Nordseeöl in den letzten Jahren einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt hat und dabei sogar reich geworden ist. Die schottische Stadt Aberdeen hat nur 230000 Einwohner, beheimatet aber 30 der 100 größten Unternehmen Großbritanniens. Erwirtschaftet werden beachtliche 20 Prozent der schottischen Wirtschaftsleistung. Ablesbar ist der Wohlstand im „Dallas Europas“ ebenso an der ungewöhnlich hohen Konzentration von Millionären in Aberdeen wie an der Dichte von Luxusautos. Hält die Phase eines niedrigen Ölpreises länger an, droht der Region ein Dejà-vue-Erlebnis. Schon im Jahr 1986 war der Ölpreis innerhalb weniger Monate von 28 Dollar unter die Marke von zehn Dollar gefallen. Als in der Folge allein 5000 US-Amerikaner aus der Ölbranche binnen drei Monaten Aberdeen verließen, machte sich schnell eine Niedergangstimmung breit.

Hält die aktuelle Phase tiefer Ölpreise an, drohen der Region allerdings nicht nur wirtschaftliche Einbußen. Auch könnte es die regierende Scottish National Party (SNP) mit einem Glaubwürdigkeitsproblem zu tun bekommen. Hohe Einnahmen aus dem Nordseeöl waren ein wichtiges Argument der SNP im Vorfeld des Unabhängigkeitsreferendums im vergangenen September. Da 85 Prozent der britischen Ölvorkommen in Schottland liegen, könne die Region ohne Problem auf eigenen Füßen stehen, so die von den schottischen Separatisten vertretene Sichtweise vor der Abstimmung. Prognostiziert hatten die Unabhängigkeitsbefürworter unter anderem, dass Schottland allein im ersten Jahr seiner Selbstständigkeit mit Öleinnahmen in Höhe von 6,9 Milliarden Pfund (8,8 Milliarden Euro) rechnen könne. Inzwischen scheinen nun jene Skeptiker bestätigt, die bezweifelt hatten, dass sich ein selbstständiges Schottland wirtschaftlich behaupten kann. Nach Berechnungen des in London ansässigen Office for Budget Responsibility (OBR) hätte Schottlands Fiskus allerdings lediglich 1,25 Milliarden Pfund eingenommen.

Allerdings steht nicht nur die Glaubwürdigkeit der SNP auf dem Spiel. Aberdeen zählt in Großbritannien zu den Städten, die bisher am meisten Steuern nach London überwiesen haben.

Norman Hanert


MELDUNGEN

Zuwachs dank Globalisierung

Köln – Wegen ihrer engen internationalen Verflechtung zählt die deutsche Industrie zu den Gewinnern der Globalisierung. Das geht aus einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln für den Bundesverband der Deutschen Industrie hervor. Demnach stieg die industrielle Wertschöpfung in Deutschland von 1995 bis 2012 um 37 Prozent. Frankreich und Großbritannien hinken mit einer Steigerung von drei beziehungsweise neun Prozent deutlich hinterher, wohingegen Japan sogar ein Minus von sieben Prozent verbuchen muss. Allerdings sank der Anteil Deutschlands an der weltweiten industriellen Wertschöpfung im gleichen Zeitraum von 9,2 Prozent auf 6,3 Prozent. J.H.

 

Kaum Folgen durch Ebola

Hamburg – Mehr als die Hälfte der in Afrika tätigen deutschen Unternehmen sieht nach einer Umfrage des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft keine negativen Folgen der Ebola-Epidemie für ihre Aktivitäten. Etwa ein Drittel rechnet mit geringen Auswirkungen, während sich zwölf Prozent stark beeinträchtigt sehen. Allerdings lassen sich Unternehmen, die noch nicht in Afrika aktiv sind, von einem Engagement dort abschrecken. U.M.


S. 8 Forum

Sanktionen
von Manuela Rosenthal-Kappi

Typisch. Die Deutschen dürfen die Suppe auslöffeln, die ihnen andere eingebrockt haben. Obwohl die Schäden, welche die Sanktionen gegen Russland der europäischen und damit auch der deutschen Wirtschaft bescheren, inzwischen augenscheinlich werden, beharrt die Bundesregierung auf ihrer Haltung, die Lockerung des Embargos von Bedingungen abhängig zu machen, die Russland derzeitig gar nicht erfüllen kann. Während Gespräche über eine Entschärfung der Situation in der Ostukraine immer wieder verschoben werden, baut der ukrainische Präsident Petro Poroschenko seine Armee weiter aus, was Russlands Ängste vor einem Vorrücken der Nato an seine Grenzen weiter Nahrung geben dürfte. Mit welchem Geld rüstet Poroschenko eigentlich auf? Na egal, er kann ja sicher sein, dass vom Westen weitere Millionen kommen, die eigentlich für das Volk bestimmt waren.

Bezeichnend für die Schwäche der EU ist, dass während sie sich an die gemeinsam mit den USA beschlossenen Sanktionen gegen Russland hält, Washington seine Geschäfte mit dem Feind ausbaut (siehe PAZ 2, Seite 1) und auch noch offen zugibt, dass man eine Allianz zwischen Deutschland und Russland verhindern wolle.


Richtung Abgrund
von Hans Heckel

Es war bezeichnend, welch breiten Raum die Kommentare zum FDP-Dreikönigstreffen der neuen Parteifarbe „Magen-ta“ widmeten. Eine Modefarbe, ja, aber eine aus den 90er Jahren, wie gelästert wird. Tenor: Nicht einmal das kriegen diese armen Tröpfe noch hin.

Ernster ist da schon die Frage, ob Deutschland den Liberalismus überhaupt noch benötigt. Angesichts des ausufernden Steuer- und Regulierungsstaates oder der staatlich organisierten Auszehrung der privaten Vermögen durch realen Negativzins ist das schon allein wirtschaftspolitisch eindeutig mit Ja zu beantworten.

Doch was wäre hier von einer wiederauferstehenden FDP zu erhoffen? Als Bollwerk gegen den Steuerstaat sind die Liberalen in ihrer Regierungszeit von 2005 bis 2009 komplett gescheitert. Nicht einmal mit dem besten Wahlergebnis ihrer Geschichte im Rücken vermochten sie hier irgendetwas Erwähnenswertes durchzusetzen.

Und die schleichende Enteignung per Negativzins? Die ist eine (politisch gewollte) Folge des Euro. Die Zinsen müssen unten bleiben, damit die schwachen Länder nicht unter der Last ihrer Schulden ersticken. In dieser Frage hat die FDP geradezu mutwillig versagt. Stur verteidigte sie den Euro, auch gegen massiven Widerstand aus der eigenen Mitgliederschaft, und boxte sogar die rechtswidrigen „Rettungsschirme“ mit durch.

Das hat die Masse der damaligen FDP-Wähler maßlos enttäuscht. Christian Lindner hat ihnen in Stuttgart keinen Grund gegeben, zurückzukehren. Denn selbst beim Euro will er Kurs halten – Richtung Abgrund.


Verschwundene Islamisierung
von Michael Leh

Seit es Pegida gibt, die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“, ist die Islamisierung in Deutschland verschwunden. „Von einer Islamisierung kann keine Rede sein“, sagt etwa der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Volker Kauder. Auch sein Amtskollege von der SPD, Thomas Oppermann, erklärt uns: „In Deutschland besteht weder die Gefahr einer Überfremdung noch der Islamisierung.“ Bundesinnenminister Thomas de Maiziere äußert sich etwas gewitzter: „Es droht keine Islamisierung der ganzen deutschen Gesellschaft.“ Wohlgemerkt, nicht „der ganzen“. AfD-Sprecher Bernd Lucke erkennt gar keine Bedrohung durch eine Islamisierung. Er sehe den Begriff außerdem kritisch, erklärte er laut der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“). Der Professor wohnt in Winsen an der Luhe. Die Kreisstadt hat 33000 Einwohner und ist nicht als „sozialer Brennpunkt“ bekannt.

Wie den meisten Politikern dürften Lucke Stadtbezirke wie Berlin-Neukölln oder Berlin-Gesundbrunnen aus eigener Anschauung und Erleben unbekannt sein. Dasselbe gilt für Medienleute wie Günther Jauch, der in einer Villa in Potsdam residiert. Dass die Intensivtäter Berlins zu 43 Prozent arabischer und 31 Prozent türkischer Herkunft sind, haben die Herrschaften vielleicht schon einmal gehört, aber sicher nicht verinnerlicht.

Seit Pediga auftauchte, schreiben die Medien beflissen nur noch von einer „angeblichen“ Islamisierung. Vor Pediga wurde der Begriff noch unschuldig gebraucht. „Europa droht eine Islamisierung“, hieß die Schlagzeile über einem Beitrag des Islamologen Bassam Tibi in der Tageszeitung „Die Welt“. Der letztes Jahr nach seinem Ableben überschwänglich gerühmte „FAZ“-Herausgeber Frank Schirrmacher schrieb 2006 von einer „bedrohlichen demographischen Dynamik der Islamisierung“. Diese treffe unsere Gesellschaft „im nächsten Jahrzehnt, ganz gleich, wie friedfertig sich die hier lebenden Muslime zeigen“. Es gehe um eine „demographische Revolution von unten“.

Angesichts der Pegida-Debatte muss man sich bei einem Titel des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ aus dem Jahre 2007 die Augen reiben. Auf dem Titelblatt der Ausgabe 13/2007 prangte oben ein goldener Halbmond mit Stern, unten das erleuchtete Brandenburger Tor, und der große Schriftzug in der Mitte lautete: „Mekka Deutschland – Die stille Islamisierung“. Undenkbar, dass heute ein solcher Titel erschiene. Der Beitrag im Blatt war übrigens mit „Haben wir schon die Scharia?“ überschrieben. Es ging unter anderem um „muslimische Subkulturen“, „Ehrenmorde“, gewalttätige Muslim-Machos, unterdrückte Frauen, aus religiösen Gründen vom Sportunterricht befreite Mädchen, groteske Justizurteile, Parallelgesellschaften und eine „schleichende Islamisierung“.


Frei gedacht
Von der Verantwortung für die Völker
von Eva Herman

Charlie Hebdo hat die Welt verändert. Der Anschlag auf die französische Satirezeitung bestimmt die Gangart des globalen Taktes neu. Ein Fernsehjournalist bezeichnete die Bluttat als ein Ereignis, welches dem 9/11- Terror-Attentat von 2001 gleichkäme. Ja, es stimmt, kein Stein steht derzeit in Europa, auf der ganzen Welt, mehr auf dem anderen: Betroffenheit, Verständnislosigkeit, Wut und zunehmende Furcht prägen das Bild. Fundamentalistische Vertreter der Weltreligionen spalten die Menschheit. Bei vielen liegen die Nerven blank. Was geschieht hier augenblicklich auf der Welt? Woher kommen plötzlich all die bösen Terroristen? Wo waren sie in den letzten hunderten, tausenden Jahren? Was macht sie heutzutage so wütend auf den Westen? Wer steuert sie überhaupt?

Wer aufmerksam durch die Welt geht, beobachtet schon lange, wie sich die Schlinge für die Bürger zuzieht, anfangs noch unmerklich, nun immer deutlicher. Auf unterschiedlichen Ebenen finden die heimlichen Kriege der Kulturen statt: Der Halbmond gegen das Kreuz, helle Haut gegen dunkle, noch geburtenstarke Nationen gegen bereits aussterbende. Es ist nur wenige Tage her, als das Bundeskanzleramt die Neujahrsansprache von Angela Merkel veröffentlichte. In denkwürdigen siebeneinhalb Minuten wurde Deutschlands „Mitbürgerinnen und Mitbürgern“ der künftige Kurs klargemacht. Wir wissen heute nicht, wieviel Beweismaterial einst noch übrig sein wird, wenn es darum geht, den Niedergang eines Volkes im Nachhinein zu dokumentieren. Die Neujahrsansprache 2015 wird sicher dazugehören. Damit kein Irrtum aufkommt: Merkel richtete ihre Rede nicht an Deutschland. Sie redete von Europa. Lediglich zweimal erwähnte sie unsere Nation, einmal zitierte sie einen englischen Fußballfan, der sich über die WM 2014 geäußert hatte. Und sie führte einen Kurden an, von dem ihr einmal berichtet worden sei, und „der heute Deutscher ist“. Er habe gesagt, das Wichtigste sei für ihn in Deutschland, dass seine Kinder hier ohne Furcht aufwachsen könnten. Merkel freut sich: „Das ist vielleicht das größte Kompliment, das man unserem Land machen kann: dass die Kinder Verfolgter hier ohne Furcht groß werden können.“

Mir fällt in diesem Zusammenhang die wachsende Anzahl deutscher Kinder und Jugendlicher ein, die regelmäßig von ihren ausländischen Mitbürgern verprügelt werden, einfach so. Meist wechseln ihre Mobiltelefone dabei blitzschnell den Besitzer, wer sich wehrt, blutet. Mehrere von ihnen habe ich im Laufe der letzten Jahre persönlich getröstet, habe Tränen der traumatisierten Mädchen mit getrocknet, habe die wachsende Wut verletzter und gedemütigter Jungs schweigend ertragen. Für diese jungen Menschen, die Derartiges inzwischen in nahezu allen deutschen Städten erleben müssen, gab es von der Kanzlerin übrigens kein Wort der Aufrichtung. Im Gegenteil: Sie freut sich für uns alle über „das große Glück, dass wir seit bald 25 Jahren in einem in Frieden und Freiheit geeinten Land leben können“.

Unsere Medien überschlagen sich: Zu Charlie Hebdo, zum Thema Pegida, zum Ausländerhass. Dabei beschimpfen sie Deutschlands Bürger, die eine Überfremdung ihres Landes fürchten und auf die Straße gehen, als rechtsextremistisch, als irrational fremdenfeindlich, als Ausgrenzer. Charlie Hebdo hat nicht gerade zur Beruhigung beigetragen. Aber wer ist hier eigentlich irrational? Wer fragt schon danach, ob diese Menschen neben anderen Bedrängnissen nicht auch ähnliche Erfahrungen mit ihren verfolgten Kindern gemacht haben? Wer hört ihnen wirklich zu, nimmt ihre Sorgen ernst? Die Untertanen suchen vergeblich nach dem Verständnis ihrer Kanzlerin. Diese dreht vielmehr den Spieß einfach um. Ihre Unterstellung für die Demonstranten lautet in der Neujahrsansprache wörtlich, es seien „Vorurteile“, „Kälte, ja, sogar Hass in deren Herzen“.

Wir alle wissen, dass man verfolgten Menschen helfen muss. Wir wissen aber auch, dass man bei einem jeden Problem nicht die Symptome, sondern die Ursachen untersuchen muss, um dieses endlich zu lösen. Millionen Menschen fliehen seit Jahren aus dem Irak, aus Syrien, aus Libyen, aus weiteren afrikanischen Ländern. Sie überqueren in waghalsigen, lebensgefährlichen Manövern immer neue Grenzen aller Art, viele finden den Tod dabei. Doch warum müssen sie ihr Land verlassen? Wieso sehen sie keine Perspektive in ihrer Heimat? Welche Ursachen sind für die Flüchtlingsströme verantwortlich? Die Antwort ist gar nicht schwer, man muss nur genau hinschauen. Wenn man dies denn überhaupt tun will. Diese Länder werden systematisch zerstört, angegriffen, zerbombt; sie werden unbrauchbar gemacht auch durch Rohstoffkriege, Wirtschaftskriminalität, ausufernden Lobbyismus, durch menschenverachtende Korruption und Brutalität, durch das zinsgesteuerte globale Finanzsystem, welches, einer gefräßigen Krake gleich, sämtliche Schutzmechanismen für die Völker der Welt Schritt für Schritt aushebelt. Die hier in Europa immer deutlicher spürbaren Folgen werden dabei in Kauf genommen, wachsende Unruhen, drohende Bürgerkriege auch hierzulande werden offenbar wissentlich in sämtliche Zukunftsplanungen mit einbezogen.

Es geht nicht um Frieden oder Freiheit, sondern ausschließlich um Macht und Geld. Sogenannte Regierungschefs sind lediglich Erfüllungsgehilfen. Menschenschicksale ganzer Nationen, auf welcher Seite auch immer sie sich derzeit vollziehen, bleiben für die wahren Entscheider dabei offenbar uninteressant. Was nicht von außen zerstört wird, vollzieht sich schließlich von ganz alleine im Inneren: Nationen stehen sich in wachsendem Angriff gegenüber, Bürgerunruhen ziehen auf, Destabilisierung und Zerstörung mit sich führend. Das alles funktioniert völlig ohne Kriegsbomben und Panzer von außen. Das altbekannte Teile-und-Herrsche-Spiel läuft auf Hochtouren. Das Motto heißt: Teile die Gesellschaft in sich gegenseitig bekämpfende Gruppen, atomisiere die Menschheit, mach sie uneinig, dann erst kannst du sie beherrschen, da die Menschen so niemals erstarken können. Mögen die wahren Ursachen sich nun endlich zeigen, möge die Erkenntnis wachsen, dass wir in Wahrheit einem perfiden Spiele beiwohnen, dass wir wie Figuren hin- und hergeschoben werden auf einem todbringenden Schachbrett.

Entfliehen können wir alle nur, wenn wir uns diesen Tatsachen stellen, und dann handeln. Durch Einigkeit und Geschlossenheit nur kann diesem Spuk ein Ende gesetzt werden, durchaus auch, indem wir allesamt miteinander auf die Straße gehen. Nicht gegeneinander sollen wir gestellt sein, sondern miteinander, alle zusammen gegen das herrschende, zersetzende System. Ob Charlie Hebdo, 9/11, Pegida oder Anti-Pegida: Wir müssen endlich durchblicken lernen, wissend werden, wer uns in Wahrheit steuert. Solange Menschen anderer Kontinente ihrer Heimat weiter durch Flucht den Rücken kehren müssen, solange ihnen dabei auch noch weisgemacht wird, dass sie jetzt in Europa allein ihr Heil finden werden, solange wird sich die Situation weiter zuspitzen. Und wenn wir uns auch noch Russland als „Feind“ aufschwatzen lassen, drehen wir bald völlig im roten Bereich! Wacht endlich auf! Und handelt richtig. Lernt Feind von Freund zu unterscheiden. Zeit wird es!


S. 9 Kultur

Ein Leben lang Bote
Der erste Feuilletonist Deutschlands – Matthias Claudius, der als »Wandsbecker Bote« launig über die Goethe-Zeit schrieb

Er schuf unsterbliche Gedichte wie das „Abendlied“ („Der Mond ist aufgegangen“) und er machte mit Wandsbek einen kleinen norddeutschen Marktflecken landesweit berühmt. Im Claudius-Jahr 2015 gedenkt man gleich doppelt des 275. Geburtstags und 200. Todestags. Eine Spurensuche.

Ulm im November 1775: Matthias Claudius ist tot! Das meldete der Dichter der „Forelle“ und Journalist Friedrich Daniel Schubart in seiner Postille „Deutsche Chronik“, als er vom Ende des „Wandsbecker Boten“ hörte. Tatsächlich gab es den „Boten“ nicht mehr. Es handelte sich um eine kleine, viermal wöchentlich er­scheinende Publikation mit einer Auflage von höchstens 400 Exemplaren, in der von Klopstock über Herder bis zu Lessing die Geistes­elite der Klassik vertreten war. Goethe ließ dort sogar sein Gedicht „Rezensent“ erstveröffentlichen („Schlagt ihn tot, den Hund! Es ist ein Rezensent“).

Nun war zwar die Zeitschrift tot, doch der Mann, den man mit dem „Wandsbecker Boten“ gleichsetzte, erfreute sich bester Ge­sundheit. Claudius be­wies es dadurch, dass er noch im selben Jahr seine Buch- und Theaterrezensionen, Essays und Gedichte unter dem Titel „Sämtliche Werke des Wandsbecker Boten“ in Buchform zusammenstellte und in zwei Teilen herausgab. Bis 1812 schrieb er weitere Beiträge, die er in sechs weiteren Teilen veröffentlichte und die so manche dichterische Perle enthalten.

 

Ich sehe oft um Mitternacht,

Wenn ich mein Werk getan

Und niemand mehr im Hause wacht,

Die Stern am Himmel an.

Sie gehen da, hin und her zerstreut

Als Lämmer auf der Flur;

In Rudeln auch, und aufgereiht

Wie Perlen an der Schnur …

Reinfeld, 15. August 1740: Claudius wird als Sohn eines Pfarrers in dem zwischen Bad Oldesloe und Lübeck liegenden Flecken Reinfeld geboren. Schon im Knabenalter wird er mit dem Tod konfrontiert. Als Elfjähriger erlebt er mit, wie drei seiner Geschwister an einer Seuche sterben. In Plön, dem Sitz des auch Reinfeld regierenden Herzogs von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Plön, besucht er die Lateinschule. Auf Wunsch des Vaters studiert er mit seinem Lieblingsbruder Josias Theologie in Jena. Da ihn angeblich ein Lungenleiden daran hindert, mit kräftiger Stimme von der Kanzel aus zu predigen, wechselt er zum Jurastudium, erwirbt aber wahrscheinlich keinen Abschluss. Doch dann stirbt sein Bruder Josias in Jena an den Blattern.

 

Ach, es ist so dunkel in des Todes Kammer,

Tönt so traurig, wenn er sich bewegt

Und nun aufhebt seinen schweren Hammer

Und die Stunde schlägt.

Kopenhagen, 1764: Nachdem Claudius nach der Rückkehr aus Jena wieder dem Vater in Reinfeld auf der Tasche saß und sich zu keinem ordentlichen Beruf entschließen kann, empfiehlt ihm der Dichter Wilhelm von Gerstenberg, den er in Jena kennengelernt hatte und der dänischer Offizier ist, sein Glück in Kopenhagen zu machen. Damals bildete fast das ganze heutige Schleswig-Holstein eine Personalunion mit der dänischen Krone. Tatsächlich bekommt er eine Sekretärsstelle beim Grafen von Holstein vermittelt, die ein Jahr lang hält. In Kopenhagen begegnet er den von ihm bewunderten Oden-Dichter Klopstock („Der Messias“). Kunstvolle Oden in der Tradition von Aufklärung und Klassik sind aber nicht Claudius’ Sache. Er sucht die idyllische, fast schon romantische Stimmung.

 

So schlafe nun du Kleine!

Was weinest du?

Sanft ist im Mondenscheine,

Und süß die Ruh.

Auch kommt der Schlaf geschwinder,

Und sonder Müh:

Der Mond freut sich der

Kinder,

Und liebet sie …

Wandsbeck, kurz vor Weihnachten 1770: Bei einem Zimmermann will Claudius den Schlüssel für seine neue Wohnung abholen. In dem eine Postkutschen-Stunde östlich von Hamburg gelegenen Bauerndorf mit Schloss, Dorfkirche und 136 Feuerstellen soll er vom neuen Jahr an eine Redakteursstelle antreten. Der Schlossherr, der sich als kleiner Zeitungszar sieht, will eine neue Zeitschrift gründen. Da der Lebenskünstler Claudius nach seiner Rückkehr aus Kopenhagen und einer Zeit des erneuten Müßiggangs für zwei Jahre als schlecht bezahlter Journalist bei dem Hamburger Wirtschaftsblatt „Adreß-Comptoir-Nachrichten“ gearbeitet hat, ist man auf ihn als billige Arbeitskraft aufmerksam geworden. Doch zunächst braucht er den Schlüssel für seine neue Wohnung. Da der Zimmermann nicht da ist, empfängt ihn dessen Tochter Rebekka. Der Schlüssel befindet sich in einer abgeschlossenen Schublade, die sie nicht öffnen kann. Kurz entschlossen holt sie eine Axt und bricht damit die Lade auf. In dem Moment verliebt sich Claudius in das Mädchen, heiratet sie und bekommt mit ihr zwölf Kinder, von denen einige früh starben.

 

Das Mädchen:

Vorüber! Ach vorüber!

Geh wilder Knochenmann!

Ich bin noch jung, geh Lieber!

Und rühre mich nicht an.

Der Tod:

Gib deine Hand, du schön und zart Gebild!

Bin Freund, und komme nicht, zu strafen.

Sei guten Muts! ich bin nicht wild,

Sollst sanft in meinen Armen schlafen!

Darmstadt, 16. April 1776: Durch Vermittlung Herders wird Claudius Oberlandkommissar. Da der „Wandsbecker Bote“ nur vier Jahre erschien, brauchte er eine neue Stelle, um die Familie zu er­nähren. Glücklich wird er in Hessen nicht. Nach nur einem Jahr kehrt Claudius nach Wandsbeck zurück. Er hat später das Glück, dass ihm der dänische Kronprinz ein Jahressalär bewilligt und ihn 1788 zum Revisor der königlichen Speciesbank in Altona macht. Der Ort westlich von Hamburg war damals zweitgrößte dänische Stadt. Viel zu tun hatte er nicht, nur einmal im Vierteljahr musste er dort im Kontor erscheinen. So konnte er sich in der Zeit ganz auf die Herausgabe seines – schmalen – Werkes konzentrieren.

 

’s ist Krieg! ’s ist Krieg!

O Gottes Engel wehre,

Und rede Du darein!

’s ist leider Krieg –

und ich begehre

Nicht schuld daran zu sein! …

Hamburg, 21. Januar 1815: Claudius stirbt in dem am Jungfernstieg gelegenen Haus seines Schwiegersohns, des Verlegers und Widerstandskämpfers gegen die napoleonische Besetzung, Friedrich Christoph Perthes. Zeit seines Lebens ertrug er wegen seiner Vorliebe für bäuerliche und einfache Themen jenseits von Politik oder Philosophie den Spott seiner Zeitgenossen mit stoischer Ruhe. Wilhelm von Humboldt nannte ihn eine „völlige Null“, und Goethe sagte, Claudius sei „ein Narr, der voller Einfaltsprätensionen steckt“. Sein Königsberger Freund, der Philosoph J. G. Hamann, beschrieb ihn dafür be­wundernd als „armen Dorfteufel“. Komponisten ehren ihn bis heute. Allein von seinem „Abendlied“ gibt es von Schubert bis Herbert Grönemeyer über 70 Vertonungen.

 

Der Mond ist aufgegangen

Die goldnen Sternlein prangen

Am Himmel hell und klar;

Der Wald steht schwarz und schweiget,

Und aus den Wiesen steiget

Der weiße Nebel wunderbar ...

Wandsbek im Januar 2015: Würde Claudius in diesen Tagen durch Wandsbek – seit 1877 schreibt es sich ohne „c“ – gehen, so würde er es nicht wiedererkennen. Das ehemalige Dorf ist als Hamburger Stadtteil mit 33300 Einwohnern vollständig urbanisiert. Die früheren Ortsgrenzen sind kaum noch auszumachen. Eine mehrspurige Ausfallstraße führt dort entlang, wo einst Claudius’ Wohnhaus stand. Am einst ruhigen Marktplatz steht jetzt ein riesiges Einkaufszentrum inklusive Kinokomplex. Doch die Wandsbeker haben ihren Claudius nicht vergessen. Eine Schule trägt seinen Namen, sein Grab ist erhalten, es gibt einen Gedenkstein sowie bei einem belebten Busbahnhof die Claudius-Skulptur „Ehrensprung“, die das frühere Freuden-Ritual eines Vaters nach der Geburt eines Kindes darstellt, mit denen Claudius reich gesegnet war. Harald Tews


Van Gogh allerorten
Ausstellungs-Welle anlässlich des 125. Todestags des holländischen Expressionisten − Mons macht den Anfang

Bis heute dient Vincent van Gogh vielen Künstlern als Quelle der Inspiration. Seit 2012 setzt sich die Stiftung Van Gogh Europe in diversen Städten in den Niederlanden, Belgien, Frankreich und England aktiv für den Erhalt seines Erbes ein. Im Gedenken an seinen 125. To­destag am 29. Juli ehrt sie ihn das ganze Jahr hindurch unter dem Motto „125 Jahre Inspiration“ zusätzlich mit zahlreichen kulturellen Aktivitäten.

Zu Lebzeiten (1853 bis 1890) verkaufte er nur ein einziges Bild. Heute gehören van Goghs Werke zu den größten Schätzen von Sammlungen und Museen rund um den Globus von Athen bis São Paulo, von Berlin bis San Francis­co, Washington/D.C. und New York. Neben seinen Gemälden und Zeichnungen erfreuen sich aber auch die Orte, an denen er gelebt und gearbeitet hat, immer größeren Interesses. Insgesamt hielt sich van Gogh in seinem nur 37 Jahre langen turbulenten Leben an 38 verschiedenen Orten in den Niederlanden, Belgien, England und Frankreich auf. Ein Großteil von ihnen hat sich der Stiftungs-Initiative mit Ausstellungen, Führungen, Vorträgen und Lesungen angeschlossen.

Den Auftakt macht die Aus­stellung „Van Gogh im Borinage − die Geburt eines Künstlers“ vom 24. Januar bis 17. Mai im Museum der Schönen Künste im belgischen Mons, der Europäischen Kulturhauptstadt 2015. Als Sohn eines protestantischen Pfarrers in Zundert bei Breda in den Niederlanden geboren, war van Gogh die Theologie in die Wiege gelegt. Mit 25 Jahren ging er als Prediger ins Borinage, das Bergbaugebiet um Mons, um von Dezember 1878 bis Oktober 1880 unter Bergarbeitern zu leben, sie zu trösten und ihnen zu helfen. In dieser Aufgabe ging er so auf, dass er sich selbst vernachlässigte und die kirchliche Leitung ihn als unwürdigen Vertreter entließ.

In dieser Situation griff van Gogh zum Zeichenstift und entschied sich für die Künstler-Laufbahn. Seine Vorliebe für Motive vom Leben der einfachen Menschen, der Bauern und Arbeiter, die sich durch sein gesamtes Schaffen zieht, entwickelte er im Borinage. Die aus rund 70 Bildern, Zeichnungen und Originalbriefen von van Gogh bestehende Ausstellung gibt einen guten Überblick über seine verschiedenen Inspirationsquellen. Er­gänzt wird sie durch über 20 Kunstwerke, die van Gogh kopierte oder die seine Arbeit stark beeinflussten.

Veranschaulicht werden dabei auch die erbärmlichen Lebensbedingungen jener Zeit. Mit ähnlich dokumentarischer Absicht entschloss sich schon 1955 der Hollywood-Regisseur Vincente Mi­nelli an den Originalschauplätzen im Borinage zu drehen, als er die Filmbiografie „Ein Leben in Leidenschaft“ mit Kirk Douglas als van Gogh drehte. Der für jene Zeit ungewöhnliche Schritt ist auf der parallelen Ausstellung „Hollywood am Fuß der Minen“ in den ehemaligen Schlachthöfen von Mons nachzuerleben.

Am 24. Januar eröffnet auch das Nordbrabant Museum in s’Hertogenbosch in den Niederlanden die Ausstellung „Design aus dem Land der Kartoffelesser − Designer treffen auf van Gogh“, die bis 26. April läuft. Vom 21. Februar bis 17. Mai schließt sich eine Ausstellung über David Hockney und seine Orientierung an van Gogh an. Die Ausstellung „Van Gogh & Co“ im Kröller-Müller Museum von Otterlo in den Niederlanden konfrontiert vom 25. April bis 27. September Werke von Zeitgenossen sowie früheren und späteren Künstlern mit über 50 Van-Gogh-Gemälden und -Zeichnungen. Schließlich präsentiert das Van-Gogh-Museum in Amsterdam mit der weltweit größten ständigen Sammlung des Künstlers vom 25. September bis 17. Januar 2016 „Munch : Van Gogh“. Obwohl sich beide Künstler nie begegnet sind, waren sie in mancherlei Hinsicht doch seelenverwandt.

Auch Frankreich würdigt van Gogh mit Ausstellungen und Initiativen sowohl in Paris, zum Beispiel mit einer Führung auf den Spuren des Malers durch Montmartre, als auch in Auvers-sur-Oise, wo der Künstler begraben liegt, ebenso in Arles und Saint-Remy-de-Pro­vence, wo viele seiner Bilder entstanden sind. Dazu be­sitzt das Musée d’Orsay in Paris die größte Van-Gogh-Sammlung außerhalb der Niederlande und be­müht sich die Fondation Vincent van Gogh in Arles um neue Blicke auf den Künstler. Helga Schnehagen


Kino-Tipp
Ein Held mit gewissen Makeln

Kaum lief vor wenigen Wochen der Film „The Imitation Game − Ein streng geheimes Leben“ in den britischen und US-Kinos an, hagelte es einen Proteststurm. Der Film über das Leben des englischen Mathematikers und Enigma-Knackers Alan Turing sei voll von historischen Fehlern. Weil er einen angeblichen russischen Spion in Bletchley Park, wo die Briten im Zweiten Weltkrieg die Nachrichten der deutschen Wehrmacht entschlüsselten, decke, mache er sich selbst zum Landesverräter. Alles frei erfunden, heißt es. Dem Kinopublikum war es egal. Es war fasziniert von der Darstellung dieses skurrilen Helden, den die Briten nach dem Krieg wegen seiner Homosexualität fallen ließen. Ab dem 22. Januar kann man sich in deutschen Kinos ein eigenes Bild vom Film machen und einen Vergleich ziehen zu dem Film „Enigma“ von 2001 mit Kate Winslet, der auf ähnliche Weise davon überzeugt ist, dass die Briten nur wegen ihrer Dechiffrierkunst den Weltkrieg gewonnen haben. H. Tews


S. 10 Geschichte

Die größte maritime Rettungsaktion aller Zeiten
Beim »Unternehmen Hannibal« evakuierten vor 70 Jahren über 1000 Schiffe zweieinhalb Millionen Ostdeutsche

Während der 106 Tage zwischen dem 25. Januar und dem 9. Mai 1945 evakuierte die deutsche Kriegsmarine im Rahmen des „Unternehmens Hannibal“ bis zu zweieinhalb Millionen Menschen aus Ost- und Westpreußen sowie Pommern. Dabei kamen 672 Handels- und Passagierdampfer sowie 409 Kriegsschiffe zum Einsatz. Deshalb kann man bei der Rettung über die Ostsee wohl mit Fug und Recht von der größten maritimen Rettungsaktion aller Zeiten sprechen.

Kurz nach dem Beginn der sowjetischen Winteroffensive in Ostpreußen erreichten die Panzerspitzen der 2. Weißrussischen Front das Frische Haff. Damit waren keine Flüchtlingstransporte nach Westen auf dem Landweg mehr möglich – ausgenommen über die schmale Frische Nehrung. In dieser überaus dramatischen Situation gab der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, Großadmiral Karl Dönitz (1891–1980), am 21. Januar 1945 vermittels des Kennworts „Hannibal“ den Befehl, die beiden Unterseeboots-Lehrdivisionen in Pillau und Gotenhafen zu evakuieren. Dabei sollten die hierfür bereitgestellten Schiffe auch verwundete Wehrmachtsoldaten und Zivilisten mit an Bord nehmen, soweit dies die Lage vor Ort zuließ. Mit der Leitung des Unternehmens wurde Konteradmiral Conrad Engelhardt (1898–1973) betraut. Außerdem sorgte Dönitz für eine militärische Eskorte durch die 9. Sicherungs-Division unter Fregattenkapitän Adalbert von Blanc (1907–1976).

Für den Abtransport der Menschen aus Gotenhafen und Pillau sowie nach dem weiteren Vordringen der Russen dann auch noch aus Häfen wie Danzig, Hela und Kolberg wurden zunächst die großen Passagierdampfer verwendet, die bis dahin als Wohnschiffe für U-Boot-Fahrer gedient hatten. Dazu kamen 22 größere und 650 kleinere Frachter.

Der erste Konvoi mit der „Robert Ley“, den beiden Afrika-Linern „Pretoria“ und „Ubena“ sowie der „Duala“ verließ Pillau am 25. Januar 1945 – mit an Bord auch 7100 Flüchtlinge. Drei Tage später hatte die Kriegsmarine bereits 68000 Menschen aus Ostpreußen in Sicherheit gebracht, darunter viele Königsberger, denen es noch gelungen war, sich vor der Einkreisung der Stadt nach Pillau durchzuschlagen.

Allerdings kam es am 28. Januar auch zu einem ersten Verlust, weil noch kein ausreichender Schutz gegen die sowjetischen U-Boote bestand, die den Geleitzügen auflauern sollten: K-51 unter dem Kommando von Kapitän 2. Ranges Władimir Drozdow schickte bei Bornholm den Dampfer „Viborg“ auf Grund. Kurz darauf ereignete sich dann 23 Seemeilen vor der pommerschen Küste die größte Schiffskatastrophe aller Zeiten: Am späten Abend des 30. Januar 1945 versenkte das U-Boot S-13 das Passagierschiff „Wilhelm Gustloff“, das 9300 Menschen mit in die Tiefe riss. Dem folgte am 10. Februar ein erneuter Angriff von S-13: Im Glauben, den Leichten Kreuzer „Emden“ vor sich zu haben, ließ der Kapitän 3. Ranges Alexander Marinesko (1913–1963) zwei Torpedos auf die „Steuben“ abschießen. Diese sank daraufhin innerhalb von nur 15 Minuten südlich der Stolpe-Bank, wobei weitere 3600 Personen ertranken.

Aufgrund dieser beiden Verluste gelangten dann endlich die U-Jäger der 11. und 12. Flottille zum Einsatz, womit die Angriffsbereitschaft der sowjetischen U-Boote auch deutlich zurückging. Trotzdem aber kam es am 16. April 1945 noch zu einer dritten, höchst opferreichen Versenkung: Nach mehreren Torpedotreffern durch das Garde-U-Boot L-3, das unter dem Kommando von Kapitän 3. Ranges Wladimir Konowalow stand, verschwand der Frachter „Goya“ derart schnell in den eisigen Fluten vor Rixhöft, dass nur 176 der 7000 Menschen an Bord gerettet werden konnten.

Eine weitere große Gefahr für die Evakuierungstransporte bildete die britische Luftminenoffensive von Anfang 1945. In deren Verlauf warf die Royal Air Force 3220 Minen in die westliche Ostsee, die 57 Schiffe zum Sinken brachten.

Das gravierendste Hindernis beim Abtransport der Flüchtlinge aus den eingekesselten Häfen war freilich der Mangel an geeigneten Wasserfahrzeugen. Zudem bestand Dönitz bis Ende April darauf, dass der knappe Schiffsraum zu vier Fünfteln für militärische Zwecke genutzt wurde. Deshalb starteten seine Untergebenen teilweise eigentlich verbotene Aktionen. So nahmen mindestens 40 deutsche U-Boote, die nach We­sten liefen, trotz des knappen Raumes Zivilisten mit an Bord. Dabei schaffte es der Kommandant von U 3023, sagenhafte 120 „Passagiere“ in sein ohnehin überaus enges Boot zu zwängen – sogar Mütter mit Kleinkindern wurden auf diese Weise per Tauchfahrt in Sicherheit gebracht.

Das „Unternehmen Hannibal“ lief bis zur buchstäblich letzten Minute. So endeten die Transporte aus Pillau erst mit der Eroberung des Hafens durch die 39. Armee der 3. Weißrussischen Front am 25. April 1945. Und aus Hela liefen sogar noch in der Nacht vom 7. zum 8. Mai 1945 drei Schiffe aus, nämlich die Frachter „Wesenberg“ und „Paloma“ sowie der Seebäderdampfer „Rugard“. Sie brachten noch einmal 7230 Flüchtlinge in Sicherheit, wobei die „Rugard“ einen Aufbringungsversuch von mehreren sowjetischen Torpedokuttern abwehren musste.

Insgesamt evakuierte die Kriegsmarine wohl 2,5 Millionen Menschen auf dem Seeweg, darunter 1,42 Millionen Zivilisten und hunderttausende von Verwundeten, wobei die meisten davon über den Hafen von Pillau nach Westen gelangten. Allerdings wurde eine nicht näher zu beziffernde Anzahl von Flüchtlingen nach Kurzstreckenfahrten innerhalb der Danziger Bucht dann später in Westpreußen oder Pommern von der Roten Armee überrollt und getötet. Außerdem gingen 245 der eingesetzten 1081 Schiffe verloren, wobei aber immerhin in 190 Fällen keine Opfer zu beklagen waren. Die anderen Untergänge kosteten hingegen 35000 Menschenleben. Damit starben also rund 1,5 Prozent derer, die über See fliehen wollten, was trotz aller Tragik eine bemerkenswerte Bilanz ist, wenn man die seinerzeitige militärische Lage und die Wettersituation bedenkt. Andererseits führte der zu späte Beginn des „Unternehmens Hannibal“ aber auch dazu, dass drei bis vier Millionen Deutsche aus den Ostgebieten unter die Herrschaft der Russen gerieten – mit fatalen Folgen für die Betroffenen.

Wolfgang Kaufmann


»Schade um den niedlichen Goggo«
Erfahrungen einer PAZ-Redakteurin mit dem unverwüstlichen Kleinwagen, dessen Serienfertigung vor 60 Jahren begann

Komm, wir fahren mit dem Goggomobil von Hamburg nach Kiel, das kostet nicht viel.“ Nein, nach Hamburg ging es nicht und auch nicht nach Kiel, wenn mein Vater dieses Lied am Steuer seines Goggomobils trällerte. Es ging lediglich von meinem Heimatort, einem Dorf in Südwestfalen, zum Baden an einen im Westerwald gelegenen Natursee.

Der Goggo war bis oben hin vollgepackt mit allem, was man für einen Badetag so braucht, einschließlich Schwimmflügel, Badetücher, Decke und Proviant. Als ich noch kleiner war, durfte ich vorne bei meiner Mama auf dem Schoß sitzen. Auf der schmalen Rückbank saßen dann dicht gedrängt meine Tante Christa und ihr Verlobter.

Später – es war das Jahr 1968 – hatte ich den Platz auf der Rück-bank für mich allein. Aus dieser Zeit ist mir eine mir damals äußerst peinliche Begebenheit besonders in Erinnerung geblieben. Denn, um an „unseren“ See zu gelangen, musste man auf dem Weg zum Westerwald die „Kalteiche“, eine berüchtigte Steigung, passieren. Damals kam es mir so vor, als müssten wir mit dem Auto eine steile Wand hochfahren.

Der Goggo, inzwischen in die Jahre gekommen, ächzte und schnaubte unter der Belastung. Knatternd und stinkende weiße Wolken hinter sich herziehend, mühte sich unser fahrbarer Untersatz die Steigung mit knapp 20 Kilometern pro Stunde empor. Der ohrenbetäubende Lärm des Motors machte mir Angst. Ich hatte das Gefühl, dass unser Goggo jeden Moment den Geist aufgeben würde und wir, statt vor uns den Berg zu überwinden, rückwärts rollen würden, allerdings in rasendem Tempo. Als mein Vater mich dann noch bat, auf der Hutablage den Hebel des Reservetanks umzulegen und falls das nichts nütze, ich halt aussteigen und schieben müsse, war ich mit meinen Nerven völlig am Ende. Ich zitterte am ganzen Leib.

Ich versuchte, mich auf der ohnehin schon beengten Rückbank so klein wie möglich zu machen. Niemand sollte mich sehen. Zu peinlich war es mir, dass alle anderen Autos uns überholten, deren Insassen uns müde belächelten. Einige Autofahrer hupten uns sogar an, weil es an der Steigung ohnehin schwierig war zu überholen und ständig Gegenverkehr kam. Dabei fuhren wir ja schon fast auf dem Grünstreifen am Fahrbahnrand. Wie erleichtert war ich, als die Fahrt vorüber war, wir unser Ziel wider Erwarten heil erreicht hatten und wir endlich ins kühle Nass springen konnten.

Obwohl ich mir gewünscht hätte, wie meine Freundinnen, deren Väter schon größere Autos wie einen VW Käfer ihr eigen nannten, dass meine Eltern den Goggo gegen ein „richtiges“ Auto eintauschen würden, sollte es noch viele Jahre dauern, bis es soweit war. Damals war ein Auto noch Luxus, den man nicht unbedingt brauchte, denn man ging überwiegend zu Fuß in unserem Dorf.

Mein Vater hielt seinem Goggomobil, seiner großen Jugendliebe, die Treue bis zuletzt. Erst, als alles Spachteln nicht mehr gegen die immer größer werdenden Durchrostungen half und, da keine Goggos mehr gebaut wurden, auch kaum noch Ersatzteile zu bekommen waren und der TÜV die beiden sowieso scheiden würde, ließ mein Papa sich davon überzeugen, dass es nun an der Zeit wäre, ein größeres Auto zu kaufen. Rück­blickend sage ich: „Schade um den niedlichen Goggo.“

Manuela Rosenthal-Kappi


S. 11 Preussen

Erfolg und Scheitern an der Spree
Heinrich Albertz’ politische Karriere erreichte in Berlin mit dem Amt des Regierenden Bürgermeisters ihren Höhepunkt

Pfarrer in der Politik sind kennzeichnend für die Friedliche Revolution, doch gab es sie schon vorher. Heinrich Albertz ist ein Beispiel dafür. In Ostdeutschland geboren, wurde er erst in Westdeutschland Landesminister und dann in Mitteldeutschland Re­gie­rungs­chef.

Der am 22. Januar 1915 in Breslau zur Welt gekommene Heinrich Albertz gehörte einer protestantischen Pastorenfamilie an. Sein Vater Hugo war Hofprediger und Oberkonsistorialrat und sein einziger Sohn Rainer ist Professor für Altes Testament an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Auch Heinrich studierte Theologie. Und auch er studierte evangelische Theologie.

Während der NS-Zeit kompromittierte er sich nicht. Er suchte während des 1933 aufgenommenen Studiums den Kontakt zu sozialdemokratisch orientierten ausländischen Studenten, engagierte sich in der Bekennenden Kirche und geriet ins Fadenkreuz des NS-Staates. Nach einer Verhaftung im Jahre 1941 suchte er Schutz in den Reihen der Wehrmacht, wo er den Rest der NS-Zeit halbwegs unbeschadet überstand.

Nach dem Kriegsende verschlug es den Schlesier nach Celle. Dort betätigte sich der politisch unbelastete Theologe als Flüchtlingspfarrer und übernahm die Leitung des städtischen Flüchtlingsamtes. 1946 trat er in die SPD ein, 1947 rückte er als erster Flüchtlingsabgeordneter in den niedersächsischen Landtag ein, und 1948 holte ihn der „rote Welfe“ Hinrich Wilhelm Kopf in sein drittes Kabinett. Dort war Albertz – wie sollte es anders sein – anfänglich für Flüchtlingsfragen zuständig. Doch noch in der Legislaturperiode wurde 1950 sein Ressort um Sozial- und Gesundheitsangelegenheiten erweitert. Nach der Landtagswahl von 1951 wurde er in Kopfs viertem und letztem Kabinett Sozialminister. 1955 endete mit dem Rücktritt von Kopfs Kabinett Albertz Zugehörigkeit zur niedersächsischen Landesregierung.

Doch Albertz fiel politisch nicht ins Bodenlose. Mittlerweile war er über die Grenzen Niedersachsens hinaus in der SPD vernetzt. Nachdem er zuvor bereits in den Flüchtlingsrat der Britischen Zone berufen und in den Flüchtlingsbeirat beim SPD-Vorstand gewählt worden war, war er ab 1949 Bundesvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und ab 1950 Angehöriger des SPD-Parteivorstandes.

Noch im Jahr seines Rücktritts als niedersächsischer Minister holte ihn Willy Brandt, dessen Stern noch im Aufgehen war, nach Berlin. Albertz fing als Senatsdirektor beim Senator für Volksbildung an. Nachdem Brandt zum Regierenden Bürgermeister gewählt worden war, ernannte ihn dieser zum Chef seiner Senatskanzlei. Nach dem Krebstod von Joachim Lipschitzer wurde Albertz dessen Nachfolger als Innensenator. Die Abgeordnetenhauswahlen von 1963 brachten Albertz ein Parlamentsmandat und seiner Partei einen großen Sieg. Der bisherige Koalitionspartner CDU wechselte in die Opposition und vom Christdemokraten Franz Amrehn übernahm Albertz das Amt des Bürgermeisters, also des stellvertretenden Regierungschefs. Nach dem Eintritt der SPD in die Bundesregierung 1966 wurde der SPD-Bundesvorsitzende Brandt Vizekanzler wie Außenminister und Albertz als dessen Nachfolger in Berlin Regierender Bürgermeister.

Der Ostdeutsche, der aus Westdeutschland nach Berlin gekommen war, hatte im Gegensatz zu seinem Vorgänger und Förderer, der ihn nun aus dem fernen Bonn kaum noch fördern konnte, keine Hausmacht in der Berliner SPD. Keiner der Parteiflügel sah in ihm seinen Mann und so wurde er zwischen diesen Flügeln zermahlen. Er selber beklagte eine Verfilzung der Politik und einen zu stark aufgeblähten Verwaltungs- und Beamtenapparat auf Bezirksebene.

Anlass für seinen Rücktritt 1967 wurden die Studentenunruhen beim Besuch des Schahs in Berlin und die Erschießung Benno Ohnesorgs durch einen Polizisten. Albertz stellte sich demonstrativ hinter die Polizei und die Verantwortlichen. Innensenator Wolfgang Büsch sah sich jedoch zum Rück­tritt und Albertz zu einer Kabinettsumbildung gezwungen. Allerdings fand er für sein Wunschkabinett keine Mehrheit und trat deshalb eine Woche nach seinem Innensenator selber zurück. Er kehrte zu seinem erlernten Beruf als Pfarrer zurück.

Politisch vollzog Albertz nun einen bemerkenswerten Linksschwenk. Nachdem er als Regierungschef eher als Hardliner gegolten hatte, der konsequent hinter der Polizei steht, suchte er nach dem Ausscheiden aus der Regierung das Gespräch mit der Studentenbewegung und engagierte sich schließlich auch in der Friedensbewegung.

Ebenso ging Albertz auf Distanz zur Berliner SPD. 1970 schließlich legte er sein Abgeordnetenmandat nieder und schied aus der Berliner SPD aus. 16 Jahre nachdem er von den Sozialdemokraten der Hauptstadt zum SPD-Bezirk Rheinland-Hessen Nassau gewechselt hatte, kehrte er auch Berlin selber den Rücken. Er zog mit seiner Ehefrau in ein Altenheim in Bremen, wo eine seiner beiden Töchter wohnte und wo er die „in jeder Beziehung frischere Luft“ genoss.

Nach seiner Regierungstätigkeit machte Albertz 1975 noch einmal überregional auf sich aufmerksam. Er fand sich bereit, entsprechend einer Forderung der Entführer des Berliner CDU-Spitzenpolitikers Peter Lorenz im Rahmen eines Gefangenenaustausches Verena Becker, Gabriele Kröcher-Tiedemann, Ingrid Siepmann, Rolf Pohle und Rolf Heißler als Gewährsmann beziehungsweise Geisel bei deren Flug nach der Volksdemokratischen Republik Jemen zu begleiten. Heinrich Albertz starb am 18. Mai 1993 in seinem Bremer Altenheim. Manuel Ruoff


Ministerin Grütters kann den Alten Fritz verstehen
Berliner Politprominenz zeigte sich begeistert von der Pracht des wiedereröffneten Neuen Flügels des Charlottenburger Schlosses

Wer davor steht, ist immer wieder hingerissen. Das Schloss Charlottenburg macht jedem Märchenschloss Konkurrenz. Die ausladenden Flügel nach Versailler Vorbild, der kecke Turm, der jeden Besucher einzuladen scheint. Vielleicht kann man sich dieses Mal heimlich und unerlaubt von der Gruppe lösen, um die Treppe zum Turm zu finden? Und oben den Blick über den weiten Park schweifen lassen, die Aussicht genießend? Das ockerfarbene Gebäude mit seinem grünen Dach inspiriert die Phantasie bei jedem Besuch aufs Neue. Entstanden aus dem kleinen Gut Lützow, das Kurfürst Friedrich III., der spätere König Friedrich I., seiner Gattin Sophie Charlotte 1695 als Lustschlösschen schenkte und bis 1699 nach Entwürfen des Architekten Johann Arnold Nering (1659–1695) ausbauen ließ, zieht es gerade heutzutage sehr viele Gäste an.

„Das Schloss Charlottenburg hat den höchsten Anteil ausländischer Besucher“, verriet Hartmut Dorgerloh, Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) kurz vor Weih­nachten bei einer Pressekonferenz. Nicht einmal das Pergamonmuseum auf der Museumsinsel wirke so magnetisch auf die Gäste wie dieses Herrschaftsgebäude. Etwa eine halbe Million Besucher kämen jährlich, davon zwei Drittel aus dem Ausland. Dieses sei, so Dorgerloh, sicher auch auf den Verlust der Hohenzollernschlösser zurückzuführen. Nachdem das Stadtschloss und Schloss Monbijou der Zerstörung durch Krieg und Sprengung zum Opfer gefallen seien, sei nur noch das Palais im Westen der Stadt geblieben, um in die Geschichte der Hohenzollern einzutauchen. Viele seien auf der Suche nach dem Preußentum vergangener Jahrhunderte und würden hier fündig.

Anlass der Pressekonferenz der SPSG war die Wiedereröffnung des Neuen Flügels nach zweijähriger Renovierungszeit. Friedrich der Große hatte kurz nach der Thronbesteigung 1740 bis 1742 den Neuen Flügel nach Plänen seines Lieblingsarchitekten Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff (1699–1753) erbauen lassen. Und dieser schuf mit dem sogenannten Knobelsdorff-Flügel des Schlosses Charlottenburg eines seiner Meisterwerke. Neben prächtigen Festsälen wie der Goldenen Galerie und dem einst als Speisesaal genutzten Weißen Saal entstanden auch zwei Wohnungen für den König. Wie für Friedrich II. üblich, lagen dabei Bibliothek, Arbeitszimmer und Schlafzimmer nahe beieinander.

Heute findet man hier eine der größten Sammlungen französischer Malerei des 18. Jahrhunderts außerhalb Frankreichs mit Meisterwerken von Antoine Watteau (1684–1721), Jean-Baptiste Pater (1695–1736) und Nicolas Lancret (1690–1743). Nach den schweren Zerstörungen im Krieg und dem Wiederaufbau in den Nachkriegsjahren nagte der Zahn der Zeit, so dass eine umfangreiche Sanierung nötig wurde. Die insgesamt zehn Bauabschnitte umfassende Gesamterneuerung der Gebäudehülle des Schlosses soll bis 2017 abgeschlossen sein. Betroffen sind das Alte Schloss, der Küchen- und Kavaliersflügel, die Große Orangerie, der Theaterbau sowie schließlich der Neue Flügel, der nun wieder für Besucher zugänglich ist.

Vor allem die Fassade und das Dach des Flügelanbaus sowie die großen Säle wurden saniert und mit moderner Klimatechnik ausgestattet. Neben Generaldirektor Dorgerloh zeigten sich die anwesende Kulturstaatsministerin Monika Grütters und der Regierende Bürgermeister Berlins Michael Müller begeistert vom neuen Glanz der originalgetreu restaurierten Repräsentativräume.

„Drängen Sie Knobelsdorff Charlottenburg fertigzustellen, denn ich gedenke dort einen großen Teil meiner Zeit zu verbringen“, zitierte Grütters Friedrich den Großen nach einer Bemerkung, die der König im Schlesischen Krieg gemacht haben soll. Wer das wunderbare Ensemble mit Neuem Flügel besuche, könne den Herrscher verstehen, so die Ministerin. Das Vestibül beherbergte bisher den Museumsshop. Der Brandschutz verlangte eine Verlegung, so dass auch hier in diesem Bereich eine Annäherung an historische Gegebenheiten erlangt werden konnte. Denn schon um 1900 nutzte man die Treppenhalle als Ausstellungsort für Skulpturen.

Von klassischer Schönheit wird man empfangen, wenn man das Foyer betritt. Verschiedene Marmorstatuen, alles Auftragsarbeiten der preußischen Herrscher von Friedrich Wilhelm II. (1744–1797) bis Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861), begrüßen stumm die Besucher. Entführen in die Welt der römischen Antike, machen neugierig und lassen einen verharren. Besonders die lebensgroße, schlafende Skulptur der Königin Luise wirkt wie ein Magnet. Niemand, der hier nicht verweilt, sie betrachtet und bestaunt. Die Figur stammt aus dem Antikentempel im Park von Sanssouci und wurde von Christian Daniel Rauch (1777–1857) als zweite Liegefigur der Königin geschaffen. Die erste befindet sich im Mausoleum des Charlottenburger Schlossparks. Auch das Schlafzimmer von Preußens wohl beliebtester Königin, ist in der ersten Etage wieder zu besichtigen. Ihr waren Schloss und Park in Charlottenburg der liebste Aufenthaltsort in Berlin.

Silvia Friedrich


S. 12 Leserforum

Leserforum

Dritte Vertreibung

Zu: Kampagne gegen das Gesamtprojekt (Nr. 1)

Enttäuschend ist nicht nur, wie mit Manfred Kittel, einem der wenigen deutschen Historiker, der die Einzigartigkeit der Vertreibungen der Deutschen zu benennen wagte, von Seiten der Stiftung umgegangen wird. Enttäuschend ist auch und vor allem, dass der BdV und die Vertriebenenverbände hieraus nicht die erforderlichen Konsequenzen ziehen.

Nach dem Verzicht von Erika Steinbach auf einen Sitz im Stiftungsrat aufgrund polnischer Bedenken gegen die CDU-Politikern im Jahr 2010, der „Historisierung“ der Vertreibung der Deutschen in dem Sinne, dass sie in der Darstellung der Stiftung als ein Fall von Vertreibungen unter vielen erscheint, der Versagung eines eigenständigen Gedenktages für die Opfer der größten Vertreibung in Europa und der jetzigen unwürdigen Entlassung von Manfred Kittel (nichts anderes war es, auch wenn er selbst seinen Rücktritt erklärt hat), müssen die Vertriebenen nun endlich eine wort- und wirkmächtige Antwort geben. Diese kann nur sein, sich aus den Stiftungsgremien zurückzuziehen, da nun endgültig klargeworden ist, dass die deutschen Vertriebenen wieder einmal die Verlierer sein werden.

Zur „zweiten Vertreibung“, von der Manfred Kittel schon vor Jahren sprach und womit er die gesellschaftliche Stigmatisierung der Vertriebenen meinte, kommt nun eine dritte Vertreibung hinzu, nämlich die Leugnung des in Europa einzigartigen Schicksals der deutschen Vertriebenen. Hierzu aber darf sich kein Vertriebenenvertreter hergeben.

Wilhelm Kreuer, Unkel

 

 

Relativ junge Postkarte

Zu: Königsbergs älteste Postkarte (Nr. 1)

Als langjähriger Briefmarkensammler habe ich mich über Ihren philatelistischen Artikel im Heimatteil der PAZ sehr gefreut. Angefangen von der Überschrift bis hin zu einigen Textpassagen bedarf er aber folgender Korrektur: Das Deutsche Reich wurde bekanntlich im Jahr 1870 gegründet. Kurz danach regte der Generalpostmeister Heinrich v. Stephan die Einführung von Postkarten an, wie es sie im Kaiserreich Österreich-Ungarn schon seit 1869 gab.

Da Königsberg i. Pr. von Anfang an zum Reich gehörte, dürften spätestens ab 1872 jährlich mehrere tausend Postkarten aus unserer ostpreußischen Hauptstadt abgeschickt worden sein. Das normale Porto dafür betrug fünf Pfennig. Eine Postkarte aus dem Jahre 1890 kann daher keinesfalls als eine der ältesten Königsberger Postkarten bezeichnet werden.

In meiner noch ziemlich kleinen Spezialsammlung „Ehemalige deutsche Ostgebiete“ habe ich sogar eine Postkarte aus dem Jahr 1887. In jedem Briefmarkenkatalog für Deutschland sind Postkarten übrigens seit 1872 erwähnt. Also nichts für ungut – und immer schön recherchieren!

Martin Coch, Frechen

 

 

Wer sagt die Wahrheit?

Zum Leserbrief: Putin sollte sich der historischen Wahrheit stellen (Nr. 51/52)

Der historischen Wahrheit stellen sich allenfalls Historiker und müssen dann auch noch mit Verleumdungen rechnen. Denn unsere Kanzlerin hatte sich ja 2013 beim nun viel gescholtenen Putin noch für ihre „Befreiung“ bedankt, und der Bundestagspräsident verteidigte in unserem Schriftverkehr noch 2014 die deutsche Schuld an Stalins Hungertoten in der Festung Leningrad. Andere, wie auch der US-Historiker Timothy Snyder, nutzen die historische Wahrheit nur dann, wenn sie ihnen ins Feindbild passt. Er wirft Putin die Rück­kehr zu Stalins Angriffskriegen und Völkerrechtsbruch vor, was die Kanzlerin nun wohl auch so sehen muss, denn Obamas erhobener Zeigefinger auf dem Titelbild der PAZ Nr. 47 macht das deutlich.

Nun muss man beide allerdings fragen: „Was ist mit Königsberg und Ostpreußen, denn das war, anders als die Krim, niemals russisch?“ Ach richtig, Herr Obama: Ihr Land war ja damals Stalins Partner und Völkerrechtsbrecher. Auch Kanzlerin Merkel heuchelt bei ihrer Neujahrsansprache vom europäischen Recht, was es für uns nicht gibt.

Martin Schröder, Detmold

 

 

Unbequeme Frau

Zu: Kein Ende der Geduld (Nr. 48)

Wer sich wirklich intensiv mit Kirsten Heisig und ihrem Buch „Das Ende der Geduld“ auseinandergesetzt hat, der weiß, ohne es beweisen zu können, dass sich die Berliner Amtsrichterin wohl nicht selbst umgebracht hat. Sie hat ein leidenschaftliches Buch über den Umgang mit jugendlichen Gewalttätern geschrieben, um die Zustände ins Positive zu verändern, nicht um zu resignieren. Es gab aber mächtige Leute, denen das nicht gefallen hat. Wie heißt es so schön: Und bist du nicht willig, dann brauch ich Gewalt.

Horst Steininger, Mühltal

 

 

Staatshaushalt wird scheinsaniert

Zu: Realität contra Statistik (Nr. 50)

Bei aller Zustimmung im Grundsatz beweist der Autor des Artikels ein völliges Missverständnis, wenn er die vorgeschlagene Gratis-Krankenkassenversicherung für Flüchtlinge und Asylbewerber als zusätzliche Steuer-Ausgabe darstellt.

Selbstverständlich hat jeder Mensch während des Aufenthaltes in Deutschland Anspruch auf eine medizinische Notfallversorgung. Die Kosten tragen die aufnehmenden Kommunen. Mangels anderslautender vertraglicher Pflichten stellen Ärzte dafür grundsätzlich den vollen Privatpatientensatz in Rechnung. Natürlich haben sie dabei den Anstand, für das Geld auch alle Vorzüge der Privatbehandlung zu liefern, und natürlich gibt es dann auch keinerlei Zuzahlungen oder Selbstbehalte. Diese Besserstellung und die mit ihr verbundenen Zusatzkosten gilt es dringend abzuschaffen. Richtig ist zwar, dass die Kassenmitgliedschaft Ansprüche enthält, die über die reine Notbehandlung hinausgehen. Es handelt sich dabei aber fast ausschließlich um Behandlungen zur Vorsorge, die mittelfristig die Gesamtkosten nicht erhöhen, sondern absenken.

Die Sache hätte aber eine andere, noch gar nicht diskutierte Folge: Flüchtlinge und Asylanten sind im Allgemeinen kränker und teurer als der Durchschnittspatient. Der Staat würde aber nur den Standardsatz bezahlen und selbst den vermutlich für ein unterdurchschnittliches fiktives Einkommen bei überdurchschnittlicher Familiengröße. Es wäre also ein weiterer Fall, wo der Staat seinen Haushalt schein­saniert, indem er die Kosten staatlicher Leistung den Versicherungs- und Gebührenkassen aufbürdet.

F. Axel Berger, Odenthal

 

 

Das Gespenst einer Volksopposition geht um

Zu: Die Nervosität wächst (Nr. 51/52)

Eine neue „Wir-sind-das-Volk“- Bewegung ist im Kommen. Man ist „oben“ nicht nervös, sondern verliert die Fassung, rastet aus mit „Nazi“-Vergleichen. Dabei ist die Pegida-Bewegung nicht nur gewaltfrei, sondern gegen einen militanten Islamismus und totschlägerische „Problemjugendliche“. Woher die Aufregung, die Brandmarkung friedlichen Protestes? CDU/CSU spüren die Folgen ihres Linksrucks sowie der konfusen Europa- und Euro-Politik. Mehr noch war 2014 ein Einbruch für Propagandisten des Multikulti, also für alle, die sich um die mentale und praktische Abschaffung der Nationen, besonders Deutschlands, bemühen.

Gleich zu Jahresbeginn war es Essig mit der angeblich erwiesenen Alleinschuld der Deutschen am Ersten Weltkrieg. Dann die Verluste der Etablierten bei den Europawahlen und der Durchbruch der AfD bei den Landtagswahlen. Zuletzt die Pegida, die nicht auf Dresden beschränkt blieb, sondern Ableger bis ins Rheinland und nach Bayern entwickelt hat. Ich habe mich kundig vor Ort gemacht: Pegida und Ableger stehen zu 90 Prozent für ein selbstbewusstes Europa, für Schwarz-Rot-Gold, für die Befreiungskämpfe 1813, für die Paulskirche von 1848, für die Republik ab 1919, für den 17. Juni 1953, für Freiheit und Selbstbestimmung. Also für alles Eigene und Positive, was den Etablierten egal ist oder wogegen sie sogar kämpfen.

Was geht eigentlich vor? Menschen, die ohne Massenmedien, linkslibertäre Intellektuelle und profillose Parteien denken können, haben schlicht die Schnauze voll vom Appeasement gegenüber wilder Einwanderung und Islamisten, vom Täuschen in Sachen Asyl, EU und Euro, vom immer gierigeren staatlichen Abgreifen, von der Entwertung des Ersparten, vom antideutschen Gekläff, dass der Rechtsextremismus salonfähig sei, und vom Nichtstun bei der extrem negativen deutschen Bevölkerungsentwicklung.

Vorreiter des Destruktiven sind die Grünen. Jürgen Trittin zum Jahresbeginn 2005: „Deutschland verschwindet jeden Tag ein biss­chen mehr, und das finde ich einfach großartig.“ Oder dessen Vorstand im November 2011: „Es geht nicht um Recht oder Unrecht in der Einwanderungsdebatte, uns geht es zuerst um die Zurück­drängung des deutschen Bevölkerungsanteils.“ Aber die christliche Union, wie auch das europäische, einst solide bürgerliche Lager juckt nicht die irrwitzige Selbstaufgabe. Stattdessen peilt man, nun ohne eigene Substanz, auch noch schwarz-grün an.

Überhaupt: 40 Prozent Wähler für CDU/CSU täuschen eine Stabilität vor, die es nicht gibt. Denn nur 20 Prozent aller Wahlberechtigten haben „Mutti“ Merkel gewählt, zirka 14 Prozent SPD; davon viele mit Bauchschmerzen. Deswegen ist die Pegida, deren Auftreten frappant an die „Wir-sind-das-Volk“-Bewegung erin­nert, auch eine Herausforderung.

Das Gespenst echter Volksopposition erhebt sich nun im ganzen Land. Kritik an und Protest gegen Fehlentwicklungen wie die wachsende Kriegsgefahr in Ost­europa sind rational und somit berechtigt. Statt eine hysterische Wagenburgmentalität aufzubauen, statt die gemäßigten Kräfte wie die AfD in Thüringen und jetzt Pegida auszugrenzen, ist es höchste Zeit, den Dialog zu suchen und Koalitionen der patriotischen Vernunft zu bilden. Betreffs SPD und nach links gerückten CDU-Politikern ist zu sagen: Der hilflos polemische „Aufstand der Anständigen gegen rechts“ gehört in die Mottenkiste. Macht man aber weiter wie bisher, schlägt also auf die Barometer des politischen Klimawandels ein und bekräftigt alte Aus- und Abgrenzungen bei gleichzeitiger Einbeziehung selbst illegaler Einwanderer, dann stehen uns böse Zeiten bevor.

Ausblick 2015 für Patrioten: Die Zeit des Klagens ist vorbei. Wartet nicht, bis die letzten kleinen Inseln zerschlagen sind. Habt jetzt Mut zum Bekenntnis und zur Tat. Das ist bestes preußisch-deutsches Wesen.

Roland Kracht, Lahnstein

 

 

Zeitgeist pur

Zu: Eine Form innerer Emigration (Nr. 1)

Wieder eine PAZ-Ausgabe, die sich durch Realitätsfähigkeit, freie Äußerung und präzise Formulierung auszeichnet – eine aufrichtende, Mut vermittelnde Eröffnung des neuen Jahres.

Zu dem Artikel möchte ich mit Verve eine Feststellung hinzufügen. Hauptgrund für eine Konversion vom Christentum zum Islam ist der: Beide christlichen Konfessionen, die evangelische wie auch die katholische, verfügen schon lange über keine herausragenden Prediger mehr, und die Verlautbarungen ihrer Repräsentanten zu den christlichen Festen erschöpfen sich in Diesseitigkeit, sind Zeitgeist pur sowie Sozialismus und darin obendrein ohne jeden neuen Aspekt.

Gudrun Schlüter, Münster

 

 

Angriff von innen heraus

Zu: Bürgern platzt der Kragen (Nr. 48)

Als Abonnent möchte an dieser Stelle behaupten: Die PAZ ist in der Qualität und Objektivität derzeit unerreicht! Ich lese die PAZ natürlich auch im Internet. Ich möchte dabei die Aufmerksamkeit kurz nach Bad Tölz lenken, da es der dortige Alpenverein fertigbrachte, das diesjährige Weih­nachtsfest aus Rücksicht auf die Einwanderer in „Jahresabschlussfeier“ umzubenennen.

Ja, Thilo Sarrazin hatte Recht: „Deutschland schafft sich ab“. Ich kann das alles nicht glauben. Da stellt sich ein Bayer hin und sagt sinngemäß zu den Migranten: „Entschuldigt bitte, dass es uns Deutsche noch hier gibt!“ Der frisch gewählte thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow stoppt gleich als erste Amtshandlung die Abschiebung von 1900 Asylanten, als die Tinte seiner Unterschrift noch gar nicht trocken war.

Unsere Gesellschaft wird angegriffen von innen heraus. Und die Bürger, die sich dagegen formieren, werden als „Rechts“ diffamiert. Dabei sollte sich die Politik fragen, woran es liegen könnte, dass plötzlich brave Bürger, Mütter mit Kindern und Personen des rechten Spektrums gemeinsam auf die Straße gehen. Sie hören dem Volk nicht mehr zu, stempeln einfach alle, die für unser Land und den Erhalt unserer Kultur eintreten, als „rechts“ ab. Sie bringen die Saat für stürmische Zeiten aus und wässern eifrig. Und die Saat keimt.

Das kommt dabei heraus, wenn man den rot-rot-grünen Bock zum Gärtner macht!

Ingo Kerber, Schwarzenberg

 

 

Ohne Friedensvertrag geht manchmal auch alles gut

Zum Leserbrief: „Nur noch Multikultur“ (Nr. 1)

Es ist vieles zutreffend dargestellt, aber welchen Vorteil ein von manchen Lesern erträumter Friedensvertrag Deutschland gebracht hätte, wäre in Erinnerung an das Versailler Diktat doch wohl nur sehr nebulös zu erklären. Er hätte doch auch nur die „Festschreibung“ dessen bedeutet, was wir auf vielen Gebieten auch so ertragen mussten, nämlich Gebietsabtretungen, Enteignungen, Kontenbeschlagnahmungen, Plünderung der Industrie durch Reparationen oder Patentklau.

Mit einem Friedensvertrag hätten wir das alles auch noch selbst mit unserer eigenen Unterschrift als richtig bestätigen und zur Endgültigkeit erklären müssen. Nun können wir uns immerhin entsprechend betrauern, beklagen und beschweren. Das ist doch eigentlich besser so – oder?

Nach dem katastrophalen Un­tergang damals war die internationale Ausrichtung Deutschlands durch die von Konrad Adenauer betriebene Westbindung die einzige Möglichkeit der Wiedererschaffung und Sicherung einer nationalen staatlichen Integrität. Eine von der Sowjetunion angebotene mitteleuropäische Neutralität wäre nur eine „Scheinneutralität“ geworden, und auf einen Friedensvertrag unter Beteiligung Stalins haben wir gerne verzichten können. Ohne unsere spätere Mitgliedschaft in der Nato hätten uns damals schon im Gezänk der Sieger Verhältnisse wie nun in der Ukraine gedroht. Denken wir doch nur an die Verkehrsblockade Westberlins und den Mauerbau unter dem Motto: „Bist du nicht willig, brauch ich Gewalt.“

Mit der Form der von ihm angebotenen europäischen Nachkriegsgestaltung wollte Stalin verspätet seine Fehlentscheidung von Potsdam bereinigen, als er nach dem Koreakrieg erkannte, dass Deutschland auch nach der Niederlage von 1945 doch wieder eine nicht unwichtige Rolle in der Politik spielen würde. Denn sein Fehler war die eigene „Kleinmachung“ seines besatzungsmäßigen Anteils an Deutschland durch dessen Verstümmlung im Osten. Und durch die Gründung der Bundesrepublik mit 60 Millionen Menschen war sein ursprüngliches Ziel, durch einen späteren „Sieg des Proletariats auf dem Wege der kommunistischen Weltrevolution“ auch ganz Deutschland und möglichst noch Europa als Ge­gengewicht zu den USA zu beherrschen, augenscheinlich auch für ihn unmöglich geworden.

Mit den drei großen Provinzen Ostpreußen, Schlesien und Pommern sowie dem östlichen Teil von Brandenburg wäre der Osten Deutschlands bevölkerungsmäßig zwar auch kleiner als der Westen gewesen, aber dennoch hätte das in seinem Machtgebiet erheblich größer gebliebene deutsche Staatsgebiet im Osten ein viel gewichtigeres politisches Pfand sein können als die kleine DDR mit zuletzt nur noch knapp 16 Millionen Einwohnern und mit dem Pfahl Westberlin im eigenen Fleische.

Helmut von Binzer, Hamburg


S. 13 Das Ostpreußenblatt

Baufirma gewinnt gegen Regierung
Streit um Kosten für die Erneuerung von Promenade und Seebrücke in Cranz endete mit Gerichtsbeschluss

Seit Jahren beherrschen Bauarbeiten das Ostseebad Cranz. Über Verzögerungen und Mehrkosten bei der Fertigstellung der Promenade und der Seebrücke stritten zuletzt Baufirma und Gebietsregierung. Das Königsberger Schiedsgericht hat nun zugunsten der Baufirma entschieden.

Die Rekonstruktion der Promenade von etwas über einem Kilometer Länge und der Seebrücke mit einer Länge von 150 Metern hatte 2009 im Rahmen des föderalen Zielprogramms für die Entwicklung der Region begonnen. Für die Bauarbeiten, die laut Plan im Dezember 2011 hätten abgeschlossen sein müssen, waren zirka 3,8 Millionen Euro bewilligt worden. Im Juli 2013 war die Promenade für Fußgänger frei gegeben worden, aber aufgrund der zahlreichen Mängel hatten die Behörden die Nutzung untersagt. An den Abstiegen der Promenade fehlten Geländer, auf den Metallkonstruktionen hatte sich Rost gebildet, die dekorative Umzäunung fehlte teilweise oder war uneinheitlich, die Beleuchtung war schlecht angebracht, der Zement unter den Wegplatten begann wegzubrechen.

Nach der Beseitigung der Baumängel durch die Firma „Mostostroj Nr. 6“ gab die Cranzer Stadtverwaltung grünes Licht für die Inbetriebnahme. Zuvor hatte die Gebietsregierung eine Klage gegen die Baufirma eingereicht mit einer Forderung in Höhe von 1,4 Millionen Euro wegen der Verzögerung der Bauzeit. Die Baufirma forderte dagegen 261000 Euro für zusätzlich geleistete Arbeiten, die mit Zustimmung der Gebietsregierung ausgeführt worden seien, jedoch nach Fertigstellung der Arbeiten dann nicht gezahlt wurden.

Das Königsberger Schiedsgericht hat die gegenseitigen Ansprüche der Gebietsregierung und der Firma „Mostostroj Nr. 6“ geprüft und zugunsten des Auftragnehmers entschieden. Das Gericht stützte sich in seiner Begründung darauf, dass vor dem Bauvorhaben wie dem der Cranzer Seebrücke ein ökologisches Gutachten hätte erstellt werden müssen. Jedoch konnte das dafür zuständige Unternehmen „Baltberegosaschtschita“ (Ostsee-Küstenschutz) ein solches bis zum September 2011 nicht vorlegen. Das heißt, die Bauarbeiter erhielten die notwendigen Dokumente von der Gebietsregierung erst über zwei Jahre nach Abschluss des Vertrags und zwei Monate vor der geplanten Fertigstellung der Bauarbeiten. Als die Dokumentation dann endlich fertig war, behinderten ungünstige Wetterbedingungen die Arbeiten, so dass mit dem Bau erst im Frühjahr 2012 begonnen werden konnte. Insofern sei der Auftragnehmer nicht für die Umstände verantwortlich zu machen, welche die Verzögerung verursacht haben. Darüber hinaus stellte das Gericht fest, dass von 2010 bis Ende 2012 zusätzliche Arbeiten an der Strandpromenade notwendig wurden, die anfangs nicht vorherzusehen waren.

In diesem Zusammenhang bat „Mostostroj Nr. 6“ die Gebietsregierung, 19,9 Millionen Rubel (rund 267300 Euro) für die zusätzlichen Arbeiten zu bewilligen. Doch dieser Antrag blieb unbeantwortet. Daraufhin leitete die Baufirma die Erstellung eines bautechnischen Gutachtens ein. Die Experten kamen zu dem Ergebnis, dass die realen Kosten für die zusätzlichen Arbeiten umgerechnet 264000 Euro betragen. Die Vertreter der Gebietsregierung haben diese Expertise nicht angefochten. Das Gericht entschied, dass die Zurückhaltung dieses Geldes durch die Gebietsregierung eine unzulässige Bereicherung darstelle, da die Promenade und die Seebrücke schon über ein Jahr real genutzt würden und alle zusätzlichen Arbeiten mit Vertretern der Gebietsregierung abgesprochen worden seien. Darüber hinaus muss die Gebietsregierung nun die Kosten des Auftragnehmers für die Expertise in Höhe von, umgerechnet, knapp 7000 Euro übernehmen.

Jurij Tschernyschew


Königsberg erhält Ortsamt nach deutschem Vorbild
Im Rathaus können Bürger ab sofort alle bürokratischen Formalitäten erledigen – Kritik an Zugangsbeschränkung zum Gebäude

Im Königsberger Rathaus ist ein Bürgerzentrum ähnlich einem deutschen Ortsamt eingerichtet worden, in dem Bürger in einer zentralen Behörde alle bürokratischen Formalitäten erledigen können. Über die mögliche Eröffnung eines solchen Zentrums wurde schon 2013 gesprochen, jedoch geschah, nachdem der Supermarkt „Wester“ im Rathaus eingezogen war, zunächst nichts. Anfang Mai 2014 hatte Präsident Wladimir Putin das Fehlen eines solchen Zentrums in der Stadt kritisiert. Er sagte, dass nur 1,5 Prozent der Bewohner des Königsberger Gebiets ähnliche Zentren nutzen könnten, während es in Russland im Durchschnitt 20 Prozent seien. Daraufhin erklärte die Gebietsverwaltung, dass sie verstärkt an der Eröffnung von Bürgerzentren im gesamten Gebiet in den Jahren 2014 und 2015 arbeiten werde.

Das Bürgerzentrum für kommunale und öffentliche Dienste ist eines der größten der Region und auch aufgrund seiner Lage direkt am Hansaplatz zentral gelegen. In diesem Zentrum werden Grundbucheinträge, Steuern, innere Angelegenheiten, Renten, Sozialversicherungen bis hin zu Einwanderungsangelegenheiten verwaltet. Man kann sich auf die Warteliste für einen Kindergartenplatz setzen lassen, ein Kind für eine Schule anmelden, Grundbuchsachen regeln, Baugenehmigungen erhalten, Meldezettel ausfüllen oder sich als Besucher registrieren lassen. Seit Anfang 2015 haben 40 Schalter geöffnet, davon nehmen 35 Dokumente und Anfragen von Bürgern entgegen und fünf teilen fertiggestellte Unterlagen aus.

Insgesamt wurden für die Einrichtung des Zentrums umgerechnet 1,2 Millionen Euro ausgegeben. Das Zentrum beschäftigt 150 Mitarbeiter. Nach den Richtlinien soll die Wartezeit nicht länger als 15 Minuten betragen und die Aushändigung der benötigten Dokumente im Schnitt 25 Minuten dauern.

Das Gebäude sowie das zugehörige Grundstück sind videoüberwacht und alle Gespräche zwischen Kunden und Mitarbeitern werden erfasst und für mehrere Monate gespeichert.

An der Eröffnungsfeier haben viele Politiker der Gebietsregierung teilgenommen, darunter auch Gouverneur Nikolaj Zukanow und Bürgermeister Alexander Jaroschuk.

„Das ist ein sehr wichtiges Zentrum. Vor Kurzem war ich in Hamburg. Dort läuft alles wie am Schnürchen und die Leute sind sehr zufrieden. In Russland gibt es bisher nur wenige solcher Zentren. Aber wir werden alles versuchen, damit die Königsberger vollständig zufrieden sind,“ sagte der Vorsitzende des Stadtrats Andrej Kropotkin. Zukanow hat zudem verfügt, dass Mitarbeiter des Zentrums leistungsabhängig bezahlt werden: „Wir schaffen keine Arbeitsplätze, damit die Mitarbeiter sich dort komfortabel einrichten. Unsere Aufgabe besteht darin, dass die Bürger die notwendigen Dienstleistungen erhalten. Es gibt tausende Fragen! Die Menschen laufen durch die ganze Stadt, sammeln Formulare, man schickt sie irgendwohin. Man muss es so machen, dass das Gehalt von der Qualität der Dienstleistung und ihrer Quantität abhängt.“

Dennoch gibt es Befürchtungen der Bevölkerung, dass das Erreichen der Einrichtung eine Hürde sein könnte. Denn die Königsberger Verwaltung hat angekündigt, den Zutritt zum Gebäude nur einem begrenzten Personenkreis zu gestatten, der einen „Propusk“ (Passierschein) erhalten soll.

An dieser Praxis mehrt sich zunehmend die Kritik. Führt sie doch dazu, dass die Bevölkerung von ihren Volksvertretern getrennt würde. Zumal in dem Gebäude der Stadtverwaltung auch der Stadtrat mit den Abgeordneten untergebracht ist und ein freier Zugang zu den Volksvertretern ein wichtiger Teil der Demokratie sei. Infolgedessen berät man in der Stadtverwaltung darüber, die Begrenzung des Zugangs nicht für das gesamte Gebäude einzuführen. J.T.


MELDUNGEN

Kokain in Memel entdeckt

Memel – Der litauische Zoll hat im Memeler Hafen eine Lieferung von 116 Kilogramm Kokain sichergestellt. Das Rauschgift hat einen Schwarzmarktwert von etwa sieben Millionen Euro und wurde über ein nicht genanntes afrikanisches Land importiert. Es handelte sich um den größten Kokainfund in Litauen seit 2010, als eine halbe Tonne der Droge konfisziert wurde. Die Gesamtmenge des vom litauischen Zoll beschlagnahmten Rauschgifts liegt für das Jahr 2014 bei 800 Kilogramm, was gegenüber 2013 einen leichten Rückgang bedeutet. T.W.W.

 

Stadion zu klein für Endspiele

Königsberg – Wie der russische Sportminister Witalij Mutko mitteilte, werden im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft 2018 in Königsberg nur Gruppenspiele ausgetragen. Mit einer Kapazität von 35000 Zuschauern sei das dortige Stadium definitiv zu klein für eine Austragung der Finalspiele. Die Endrundenspiele finden erwartungsgemäß in Sankt Petersburg und Moskau statt. T.W.W.

 

Störungen des Verkehrs

Allenstein – Straße Nummer 16: Sensburg [Mragowo], Olsztynska Straße, Baustelle. Straße Nummer 58: Kurken [Kurki], Brückenbau, einspurig. PAZ


S. 14 Ostpreussische Familie

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

Manche Suchwünsche entwickeln sich zu einem Puzzlespiel, erst nach und nach finden sich die fehlenden Teile ein. So geschehen im Fall des alten Poesiealbums aus dem Kreis Tilsit-Ragnit, das Frau Ute Eichler von einem Besucher des von ihr gestalteten Lötzener Heimatmuseums in Neumünster erhielt. Dem Schlesier war es anvertraut worden und er wollte nun, dass es in die richtigen Hände käme. Der Weg über die in Suchwünschen erfahrene Geschäftsführerin der Kreisgemeinschaft Lötzen erschien ihm da der richtige, und er war es dann auch, wie es sich letztendlich ergab. Frau Eichler, die bereits gute Erfahrungen mit den Suchaktionen der Ostpreußischen Familie gemacht hatte, wandte sich an uns und wir nahmen uns gerne der Sache an. Die Nachforschung nach der ehemaligen Albumbesitzerin wurde durch das Fehlen des Familiennamens erschwert – so viel stand aber fest, dass das Mädchen Helga hieß und das Album von einer „Tante Trude“ zum Weihnachtsfest 1939 erhalten hatte. Der ebenfalls nicht genannte Wohnort ergab sich aus Eintragungen von Helgas Brüdern Helmut und Werner: Schalau! Da auch noch andere Eintragungen auf den Ort hinwiesen, konzentrierte sich die Sucharbeit auf Schalau, das frühere Paskallwen – und weitere Ortschaften aus dem Kreis Tilsit-Ragnit. Wir berichteten darüber ausführlich in Folge 48/2013. Es ergaben sich einige viel versprechende Hinweise auf damalige Freundinnen von Helga, deren volle Namen in dem Album verzeichnet sind, aber sie führten leider nicht weiter.

Nun traten zwei Kirchspielvertreter aus dem Kreis auf den Plan, Herr Manfred Okunek (Ragnit) und Frau Gunhild Krink (Altenkirch), die gemeinsam mit großer Akribie auf die Suche gingen. So schrieb Frau Krink alle Mitglieder der Kreisgemeinschaft an, die aus Schalau stammten, und sie schrieb nicht ins Leere. Es meldeten sich frühere Bewohner und sie gaben erfreuliche Auskünfte, und einer führte dann auch zur Lösung der Suchfrage, die leider auch ein tragisches Flüchtlingsschicksal beinhaltet. Ich lasse Frau Gunhild Krink berichten:

„Einen entscheidenden Hinweis gab schließlich Herr Kurt Tomuschat aus Schalau. Er teilte mir mit: Es gab eine Helga in Schalau, die einen Bruder Helmut hatte. Sie war ein hübsches Mädchen mit wundervollen dicken langen Haaren, die sie zu einem einzigen Zopf gebunden trug. Die Familie hieß Landt, der Vater Paul Landt war Bauer. Der Treck aus Schalau war im März 1945 bis Mecklenburg gekommen. Er wurde von Tieffliegern beschossen, dabei erlitt Helga Landt einen Schuss in das Knie. Sie kam ins Krankenhaus und starb dort an ihrer Verwundung. Die Familie zog weiter nach Westen, der Vater war Treckführer. Herr Tomuschat traf Herrn Landt später bei einem Ostpreußentreffen. Dieser erzählte ihm vom Schicksal seiner Familie.“

Dies ist also eine authentische Auskunft über das Schicksal der nun nicht mehr namenlosen Helga, die noch durch ein Telefongespräch zwischen Frau Krink und einer der ehemaligen Freundinnen, die sich auch in das Poesiealbum eingetragen hatte, bestätigt wurde. Wie Frau Erna Behrendt-Voigt mitteilen konnte, hatte Helga ihr Poesiealbum auf die Flucht mitgenommen. Die Familie hielt es weiter in Ehren zum Gedenken an die früh Verstorbene bis zu einer Haushaltsauflösung zwei Generationen später. Nun ist es wieder nach Ostpreußen gekommen, und das ist gut so. Frau Krink wird ausführlich über diese Findungsgeschichte im nächsten Heft „Land an der Memel – Tilsiter Rundbrief“ berichten und hofft, dass sich jetzt noch weitere Personen melden, die sich in das Album eingetragen haben oder über diese Auskunft geben können.

Vielleicht hätten wir schon früher eine befriedigende Auskunft erhalten, wenn einer der vermutlich wichtigsten Zeitzeugen die PAZ-Ausgaben, in denen wir über das Poesiealbum berichteten, gelesen hätte. Frau Eichler hatte nämlich von einer Leserin den Hinweis erhalten, sich an einen Landsmann aus Neuhof-Ragnit zu wenden, denn dieser könne mit Sicherheit weiter helfen. Als Frau Krink sich mit dem angegebenen Herrn in Verbindung setzen wollte, wurde ihr von dessen Neffen mitgeteilt, dass sein Onkel im August 2014 verstorben sei. Er war ein naher Verwandter der Geschwister Landt und hätte wohl viel über die Familie aussagen können – nun war es zu spät. Warum ich das alles so ausführlich erzähle? Weil auch aus dieser kleinen Geschichte erkennbar wird, wie wichtig jeder Vertriebene als Zeitzeuge ist, selbst wenn es sich um keine große Suchaktionen handelt. Das Schicksal der kleinen Helga Landt berührt uns besonders, wenn man die Albumverse liest, die ihr Bruder Helmut im Januar 1940 eingetragen hatte: „Wenn Du einst nach langen Jahren dieses Büchlein wirst durchlesen …“ Es gab für Helga Landt aus Schalau kein „einst“!

Wenn ich aus meiner Heimatstadt Königsberg Grüße bekomme, freue ich mich natürlich sehr. Und über einen Glückwunsch zu Weihnachten und zum Jahreswechsel ganz besonders, denn er kam per E-Mail aus dem Dohnaturm, und jeder Königsberger weiß, dass sich dort das Bern­steinmuseum befindet. Wie immer in sehr gewähltem Deutsch übermittelte mir Frau Tajana Suworowa die Grüße des Kollektivs Direktor des Bernsteinmuseums, die ich an unsere Ostpreußische Familie weiterleiten möchte, denn sie gelten ja unserer gemeinsamen Arbeit: „Empfangen Sie aufrichtige und herzliche Glückwünsche zu den bunten Lieblingsfesttagen – Neuem Jahr und Weihnachten. Möge das kommende Jahr 2015 voll von neuen Entdeckungen, nützlichen und angenehmen Bekanntschaften sein und Ihnen Sicherheit in eigenen Kräften, Geisteskraft, Zielstrebigkeit in Erreichung der gestellten Ziele. Von ganzem Herzen wünschen wir Ihnen Erfolg im Schaffen, Inspiration, Aufblühen, mit tapferen Ideen und unveränderlichem Gelingen in ihrer Realisierung. Gute Gesundheit, Glück, Wohlergehen für lange Jahre Ihnen und Ihren Nächsten …“ Das ist schon ein reich bestücktes Füllhorn, das da vor uns ausgeschüttet wird, aus dem ich vor allem das „unveränderliche Gelingen“ herausgreifen möchte, denn das können wir gut gebrauchen. Auch für das Bernsteinmuseum, denn schon einige Wochen zuvor hatte sich Frau Victoria Restchiokowa an uns gewandt mit der Bitte um ein Foto von dem letzten Direktor der Staatlichen Bernsteinmanufaktur, Gerhard Rasch, das in einer von dem Museum herausgegebenen Publikation erscheinen soll. Nun habe ich über dieses einstmals weltberühmte Unternehmen und seinen Leiter schon in Königsberg und später in Hamburg geschrieben, wo sich die Geschäftsstelle der Manufaktur bis zu ihrer Auflösung befand, und ihn als einen weltoffenen Menschen kennen gelernt, der sein Wissen in lockerer, humorvoller Weise vermitteln konnte. So suchte ich nun nach einem Porträt, das diese Wesensart zum Ausdruck brachte, aber ich fand bisher kein geeignetes Foto und möchte deshalb unsere Leserinnen und Leser bitten, mir zu helfen, die Bitte von Frau Restschiokowa zu erfüllen: „Das wäre sehr nett, wenn Sie das Foto für uns finden könnten!“

Um ein Foto, das bereits gefunden wurde, geht es bei unserer nächsten Frage, die wieder nach Königsberg führt. Es erreichte uns auf Umwegen, denn dem Finder war anscheinend unsere Rubrik nicht vertraut und auch der Freund an den er sich wandte, scheint kein ständiger Leser unserer PAZ zu sein, denn er fragte: „Gibt es die von Frau Geede betreute Rubrik Ostpreußische Familie noch? Wenn jemand, so könnte vielleicht Ruth Geede weiter helfen.“ Die Ostpreußische Familie gibt es noch, und sie wird auch weiter helfen, denn es geht um ein Königsberger Lokal, das noch einigen Lesern vertraut sein wird, um das „Wrangelstübchen“ in der Wrangelstraße auf dem Tragheim. Das Foto, das der erste Fragesteller in den Unterlagen seines Vaters gefunden hat, zeigt ein Porträt des Gastwirtes Kapphammel. Als die Aufnahme gemacht wurde, könnte der kräftig gebaute Wirt etwa um die 40 Jahre alt gewesen sein. Das Foto dürfte während einer Feier gemacht worden sein, wie das festliche Habit vermuten lässt. Ob zu der Zeit, als diese Aufnahme entstand, Herr Kapphammer Besitzer oder Pächter war, geht nicht aus der Beschriftung hervor. Im Jahr 1951 wird jedenfalls im Ostpreußenblatt die am 11. März 1890 geborene Maria Dambrowski verwitwete Ehlers als frühere Inhaberin des Wrangelstübchens genannt und 1935 ist sie im „Einwohnerbuch von Königsberg und den Vororten“ mit dem Beruf Geschäftsinhaberin und der Adresse Wrangelstraße 23 verzeichnet. Der Finder meint, dass sich in dem Lokal auch Studenten getroffen hätten, denn sein Vater war in der „Freistudentenschaft“ an der Königsberger Albertina aktiv. Das Wrangelstübchen könnte das Vereinslokal dieser Gemeinschaft gewesen sein. Vielleicht meldet sich auch jemand von der Familie Kapphammel, der an dem Foto des Gastwirtes interessiert ist. Meldungen bitte bei Herrn Georg Landmann (E-Mail: g.landmann@gmx.de) oder bei uns.

Eure Ruth Geede


Es geschah in diesen Tagen vor 70 Jahren
Zeitzeugenberichte aus der neuen Flucht-Dokumentation von Heinz Timmreck

Immer wieder kommt um diese Zeit die Erinnerung, sie lässt sich nie auslöschen. Die Erinnerung an den Januar 1945, als wir auf die große Flucht gingen, den Weg in das Ungewisse antraten, dessen Länge und Schwere wir noch gar nicht erahnen konnten. 70 Jahre ist es jetzt her, aber es gibt kein Vergessen, im Gegenteil: An solch einem Markstein des Lebensweges holt uns die Vergangenheit ein und zwingt uns zur Rück­schau. Noch können wir als Zeitzeugen das für heutige Generationen kaum Erfassbare dokumentieren, und viele von uns haben es getan, denn nur so kann das wirkliche Geschehen als untrügliches Zeugnis bewahrt bleiben. In diesem Sinne ist das soeben erschienene Buch von Heinz Timmreck „Flucht mit der Bahn 1944/45“ ein einziger großer Erlebnisbericht. Er hat zwar viele Autoren, die ihre Fluchtgeschichte dokumentieren, aber diese verbindet trotz aller Unterschiede das gemeinsame Schicksal der Vertreibung aus der Heimat. Wir haben das Buch bereits in Wort und Bild angekündigt, nun liegt es uns vor und überrascht uns mit einer Fülle von Beiträgen, von denen viele aus unserem Leserkreis stammen. Ein ganzes Kapitel ist sogar unserer Ostpreußischen Familie gewidmet, und dafür möchte ich mich bei dem Herausgeber bedanken. Zwar hat Heinz Timmreck dieses neue Buch als Ergänzungsband zu seinem ersten Buch „Letzte Flüchtlingszüge aus Ostpreußen“ konzipiert, es ist aber doch als ein weitgehend eigenständiges Werk anzusehen, das rund 50 Zeitzeugenberichte enthält, darüber hinaus aber auch in Einzelbeiträgen über die damalige Lage in den Kampfgebieten informiert, die sich laut dem Untertitel „Erlebnisberichte aus Ostpreußen, Westpreußen und Pommern“ auch auf die Fluchtwege jenseits der Weichsel erstrecken. Die Brücken des Stroms bei Marienburg und Dirschau boten in diesen Januartagen vor 70 Jahren für die sich an den Ufern zusammenballenden Trecks den einzigen noch freien Weg in den Westen. Die Weichselbrücken wurden zum Nadelöhr, auf den Straßenbrücken herrschten chaotische Zustände, auf den Bahnhöfen von Marienburg und Dirschau stauten sich die Züge. Da ein Mitautor des neuen Bandes, der Westpreuße Otto Koepke, als junger Mann seine Erlebnisse an diesem neuralgischen Punkt des Fluchtgeschehens fast tagebuchartig dokumentiert hat, bringen wir als Leseprobe einige Stellen aus seinen Aufzeichnungen.

„Die Familie macht sich am 18. Januar 1945 auf ihrem Bauernhof in Freudenthal im Kreis Rosenberg auf die Flucht. Otto Koepke notiert: 19. Januar. Morgens um 9 Uhr versammeln sich alle Wagen. 25 Wagen fuhren in Richtung Saalfeld und wir mit fünf Wagen in Richtung Deutsch Eylau. 20. Januar: „Wir erreichen Riesenburg, wo gerade das Lazarett aufgelöst wird. Ein langer Zug von Verwundeten zieht über die Straße. Von Rote-Kreuz-Schwestern gestützt und auf Handschlitten werden die Soldaten zum Bahnhof gebracht, ein Bild der Verzweiflung und Hilflosigkeit. Dazwischen die Pferdewagen mit den vielen Menschen. Es ist ein Chaos, nicht laut, eher leise. Keiner spricht ein Wort, nur das Rollen der Räder und das Getrabe der Pferde erklingt im Rhythmus: weiter, nur weiter. In meinen Gedanken die Weichselbrücke hinter Stuhm oder Marienburg. Ich habe noch nie eine große Brücke gesehen und bilde mir ein, hinter dem großen Strom sind wir in Sicherheit. 21. Januar: Heute kommen wir kaum weiter, die Straßen sind überfüllt. Vor Stuhm geht nichts mehr. Eine Kreuzung wird zum Nadelöhr. Wagen aus südlicher und nördlicher Richtung wollen auf die Straße, die nach Stuhm führt. Natürlich wollen die Trecks zusammen bleiben. Es gibt keine Polizei, die für Ordnung sorgt. Das Faustrecht greift in die Zügel der Pferde. Bei den Erwachsenen liegen die Nerven blank. Die Angst vor den Russen setzt alle Regeln der Vernunft außer Kraft. Mir ist hundeelend bei diesem Anblick. 22. Januar: Über Stuhm kommen wir nach Weißenburg; der Weichseldamm gefährlich hoch und schmal, führt in Richtung Groß Montau. Stundenlang steht der Treck auf der Stelle, keiner kann ausweichen. Wir übernachten im Freien. 23. Januar: Am Morgen geht es langsam weiter. Nur nicht aus der Spur kommen – abgestürzte Fahrzeuge warnen vor leichtsinniger Fahrweise. Die lang ersehnte Weichselbrücke taucht groß und mächtig vor uns auf, bewacht von der Feldgendarmerie. Hier kommt keiner vorbei. Der geringste Verdacht auf Fahnenflucht wird überprüft. Nach dem Passieren kommt Freude auf: Wir sind in Sicherheit!“

Soweit die Erlebnisse des damals 16-Jährigen, die unvergessen blieben und die uns heute einen unverfälschten Einblick in das Geschehen an der Weichsel auf den Tag genau vor 70 Jahren ermöglichen. Wir werden noch öfters in diesem Gedenkjahr auf Beiträge aus dem neuen Timmreck-Band zurückgreifen, weil durch die Vielzahl der Berichte das Thema „Flucht“ sehr unterschiedlich behandelt werden kann. Auch auf die Beiträge aus dem Kreis unserer Ostpreußischen Familie werden wir noch näher eingehen. „Wenn nicht aufgeschrieben wird, wie es wirklich war, besteht die Gefahr der Verzerrung oder sogar der Verfälschung“, schreibt Heinz Timmreck. Dieser Gefahr hat er in seinen beiden Büchern vorgebeugt, die zusammen als eine umfassende, authentische Dokumentation des damaligen Geschehens anzusehen sind. (Heinz Timmreck: „Flucht mit der Bahn“, Verlag BoD, Books on Demand, Norderstedt 2014, Festeinband, 290 Seiten 34,99 Euro.) R.G.


S. 15 Glückwünsche

Wir gratulieren

ZUM 102. GEBURTSTAG

Korinth, Hildegard, geb. Hagen, aus Borschimmen, Kreis Lyck, am 23. Januar

ZUM 99. GEBURTSTAG

Damm, Ottilie, aus Mulden, Kreis Lyck, am 22. Januar

Erbskorn, Hildegard, geb. Arlart, aus Birkenmühle, Kreis Ebenrode, am 21. Januar

Pißowotzki, Martha, geb. Roslan, aus Schuttschenofen, Kreis Neidenburg, am 22. Januar

ZUM 98. GEBURTSTAG

Klimaschewski, Hildegard, geb. Woydak, aus Langheide, Kreis Lyck, am 17. Januar

ZUM 97. GEBURTSTAG

Brosch, Bruno, aus Rhein, Kreis Lötzen, am 21. Januar

ZUM 96. GEBURTSTAG

Zywietz, Ella, geb. Roschkowski, aus Soldau, Kreis Neidenburg, am 19. Januar

ZUM 95. GEBURTSTAG

Jopp, Lothar, aus Lyck, Soldauer Weg 5, am 19. Januar

Schmidt, Magdalena, geb. Stern, aus Neidenburg, am 23. Januar

Ting, Paul, aus Fuchshügel, Kreis Wehlau, am 17. Januar

ZUM 94. GEBURTSTAG

Dunst, Fritz, aus Groß Hoppenbruch, Kreis Heiligenbeil, am 22. Januar

Hellwig, Otto, aus Kreis Preußisch Holland, am 21. Januar

Kositzki, Charlotte, geb. Patz, aus Friedrichsthal, Kreis Ortelsburg, am 23. Januar

Mannke, Hildegard, geb. Sablotny, aus Neidenburg, am 23. Januar

Rossek, Hildegard, aus Reimannswalde, Kreis Treuburg, am 21. Januar

Seewald, Ilse, aus Lyck, am 17. Januar

Willuhn, Frieda, geb. Holz, aus Uggehnen, Kreis Samland, am 21. Januar

ZUM 93. GEBURTSTAG

Böttger, Else, geb. Müller, aus Wehlau, am 23. Januar

Burmeister, Anita, geb. Alexy, aus Rodental, Kreis Lötzen, am 21. Januar

Reimann, Gerhard, aus Bledau, Kreis Samland, am 22. Januar

Roethig, Rudi, aus Fohrenhorst, Kreis Ebenrode, am 18. Januar

Ruschinzik, Eva, geb. Meinke, aus Reinkental, Kreis Treuburg, am 19. Januar

Sonnenstuhl, Alfred, aus Balga, Kreis Heiligenbeil, am 9. Januar

Steindel, Oswald, aus Wilkendorf, Kreis Wehlau, am 23. Januar

Stritzel, Elisabeth, geb. Fischer, aus Alknicken, Kreis Samland, am 22. Januar

ZUM 92. GEBURTSTAG

Bisges, Gertrud, geb. Lasarzewski, aus Prostken, Kreis Lyck, am 20. Januar

Braun, Alice, geb. Reisgies, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 21. Januar

Gerewitz, Emma, geb. Schuran, aus Saiden, Kreis Treuburg, am 18. Januar

Kallweit, Elisabeth, geb. Wallis, aus Ittau, Kreis Neidenburg, am 18. Januar

Koch, Giesbeth, geb. Geschwandtner, aus Pohlau, Kreis Ebenrode, am 23. Januar

Kudritzki, Bernhard, aus Gutten, Kreis Treuburg, am 19. Januar

Lange, Margarete, geb. Czaplinski, aus Treuburg, am 20. Januar

Leiss, Irmgard, geb. Liss, aus Bartendorf, Kreis Lyck, am 20. Januar

Ludwig, Erna, geb. Hankel, aus Seerappen, Kreis Samland, am 17. Januar

Myska, Karl, aus Zeysen, Kreis Lyck, am 22. Januar

Nindel, Waltraud, geb. Senkbeil, aus Ebenrode, am 22. Januar

Nowak, Helene, geb. Striewski, Malga, Kreis Neidenburg, am 23. Januar

Rohde, Hans, aus Kobulten, Kreis Ortelsburg, am 20. Januar

Weiss, Gertrud, geb. Jablonski, aus Lyck, v. Ludendorffstraße 7, am 22. Januar

ZUM 91. GEBURTSTAG

Bartuleit, Ernst, aus Perkuhnen, Kreis Elchniederung, am 17. Januar

Bethlehem, Gertrud, geb. Brosda, aus Groß Schöndamerau, Kreis Ortelsburg, am 22. Januar

Bullerdiek, Elisabeth, geb. Orzessek, aus Kreuzborn, Kreis Lyck, am 22. Januar

Dickschas, Kurt, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 22. Januar

Dinse, Luise, aus Lyck, am 23. Januar

Guth, Elisabeth, geb. Fröhlian, aus Klein Lasken, Kreis Lyck, am 20. Januar

Jurkschat, Rudolf, aus Neukirch, Kreis Elchniederung, am 19. Januar

Kalinowski, Hedwig, geb. Steckel, aus Logdau, Kreis Neidenburg, am 23. Januar

Nobis, Erna, geb. Bergmann, aus Neukirch, Kreis Elchniederung, am 20. Januar

Schlobinski, Horst, aus Follendorf, Kreis Heiligenbeil, am 22. Januar

Truskowski, Gertrud, geb. Czerwonka, aus Neuendorf, Kreis Lyck, am 17. Januar

Will, Elly, aus Groß Rödersdorf, Kreis Heiligenbeil, am 20. Januar

ZUM 90. GEBURTSTAG

Barthel, Gertrud, geb. Scheikenreuter, aus Kattenau, Kreis Ebenrode, am 21. Januar

Bögge, Irmgard, geb. Balzer, aus Schwentainen, Kreis Treuburg, am 18. Januar

Brzoska, Hildegard, geb. Sadlowski, aus Friedrichshof, Kreis Ortelsburg, am 23. Januar

Daumann, Grete, geb. Daumann, aus Kuglack, Kreis Wehlau, am 20. Januar

Faerber, Anna-Elise, geb. Possekel, aus Ebenrode, am 18. Januar

Gukat, Kunigunde, geb. Dickert, aus Kinderhausen, Kreis Ebenrode, am 15. Januar

Hertrampf, Gertrud, geb. Passargus, aus Neufelde, Kreis Elchniederung, am 18. Januar

Kleine, Elfriede, geb. Kramberger, aus Lyck, am 20. Januar

Klietz, Margarete, aus Goldenau, Kreis Lyck, am 19. Januar

Korinth, Oskar, aus Groß Hoppenbruch, Kreis Heiligenbeil, am 23. Januar

Raupach, Elisabeth, aus Gorlau, Kreis Lyck, am 17. Januar

Scheiba, Ursula, geb. Jankowski, aus Rautersdorf, Kreis Elchniederung, am 17. Januar

Wamprecht, Hedwig, aus Lenzendorf, Kreis Lyck, am 17. Januar

Wargalla, Karl-Heinz, aus Struben, Kreis Neidenburg, am 20. Januar

Wedell, Erna, geb. Rudat, aus Birkenmühle, Kreis Ebenrode, am 22. Januar

Witt, Tekla, aus Fließdorf, Kreis Lyck, am 17. Januar

Wutzeler, Irmgard, aus Vierbrücken, Kreis Lyck, am 19. Januar

ZUM 85. GEBURTSTAG

Acksel, Irmgard, aus Nußberg, Kreis Lyck, am 20. Januar

Albeke, Hildegard, geb. Reimer, aus Kirpehnen, Kreis Samland, am 19. Januar

Albers, Eleonore, geb. Riemer, aus Brandlacken, Kreis Wehlau, am 17. Januar

Baatz, Anneliese, geb. Schenk, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 22. Januar

Bialowons, Rudolf, aus Höhenwerder, Kreis Ortelsburg, am 19. Januar

Blöhm, Günter, aus Ostseebad Cranz, Kreis Samland, am 19. Januar

Dennig, Willi, aus Dippelsee, Kreis Lyck, am 18. Januar

Fröhlich, Marta, geb. Varas, am 19. Januar

Gayk, Maria, geb. Gayk, aus Großseedorf, Kreis Neidenburg, am 18. Januar

Gehlings, Margot, aus Schiemanen, Kreis Neidenburg, am 19. Januar

Graf, Irene, geb. Klimach, aus Paterswalde, Kreis Wehlau, am 22. Januar

Heldt, Manfred, aus Groß Dirschkeim, Kreis Samland, am 17. Januar

Hillgruber, Hans-Georg, aus Kreuzingen, Kreis Elchniederung, am 21. Januar

Kannenberg, Heinz, aus Rauschken, Kreis Ortelsburg, am 17. Januar

Klein, Irmtraud, geb. Klein, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 18. Januar

Kleinschmitt, Manfred, aus Berlin und Augam, Kreis Preußisch Eylau, am 20. Januar

Möller, Helga, geb. Hill, aus Follendorf, Kreis Heiligenbeil, am 21. Januar

Ott, Eleonore, geb. Erdmann, aus Trankwitz, Kreis Samland, am 17. Januar

Packeiser, Elli, geb. Topel, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 21. Januar

Poerschke, Paul-Gerhard, aus Willenheim, Kreis Lyck, am 23. Januar

Rathje, Hildegard, geb. Janzik, aus Waiblingen, Kreis Lyck, am 20. Januar

Sagitzki, Erna, geb. Sagitzki, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 20. Januar

Scheele, Helene, geb. Schönfeld, aus Partheinen, Kreis Heiligenbeil, am 17. Januar

Schellhase, Angelika, geb. Hübner, aus Prostken, Haupstr. 13, Kreis Lyck, am 17. Januar

Schütte, Irma, geb. Schulz, aus Wartenfeld, Kreis Elchniederung, am 17. Januar

Schwittek, Christel, geb. Haugg, aus Malschöwen, Kreis Ortelsburg, am 21. Januar

Simshauser, Waltraud, geb. Springwald, aus Lyck, Blücherstraße 16, am 17. Januar

Stallmach, Fritz, aus Kielen, Kreis Lyck, am 21. Januar

Strasdeit, Heinz, aus Tawe, Kreis Elchniederung, am 17. Januar

Treppner, Ilse, geb. Armstroff, aus Nickelsdorf, Kreis Wehlau, am 18. Januar

Warda, Edith, geb. Diederich, aus Lyck, Kaiser-Wilhelm-Str. 21/22, am 19. Januar

Wieczorrek, Hans, aus Reinkental, Kreis Treuburg, am 21. Januar

ZUM 80. GEBURTSTAG

Achenbach, Ehrenhard, aus Ebenrode, am 18. Januar

Ananias, Helmut, aus Wickenau, Kreis Neidenburg, am 20. Januar

Böhm, Horst, aus Lyck, am 21. Januar

Borg, Irene, geb. Kraft, aus Uderhöhe, Kreis Wehlau, am 22. Januar

Brüggmann, Irmgard, geb. Neumann, aus Groß Keylau, Kreis Wehlau, am 22. Januar

Büchner, Helga, geb. Faber, aus Babenten, Kreis Sensburg, am 23. Januar

Czub, Reinhold, aus Heldenfelde, Kreis Lyck, am 18. Januar

Giesemann, Christel, geb. Packheuser, aus Canditten, Kreis Preußisch Eylau, am 23. Januar

Hopfner, Hans, aus Hasenberg, Kreis Wehlau, am 23. Januar

Jondral, Werner, aus Eschenwalde, Kreis Ortelsburg, am 20. Januar

Kirsch, Helga, geb. Rosinski, aus Rostken, Kreis Lyck, am 17. Januar

Krause, Horst, aus Klein Jerutten, Kreis Ortelsburg, am 23. Januar

Lubert, Gerda, geb. Jortzik, aus Langsee, Kreis Lyck, am 18. Januar

Mekelburg, Anita, geb. Drewsky, aus Schönwiese, Kreis Insterburg, am 13. Januar

Meschkauskiene, Charlotte, geb. Stanschus, aus Schakendorf, Kreis Elchniederung, am 20. Januar

Oltersdorf, Walter, aus Bergenau, Kreis Treuburg, am 22. Januar

Pirdßen, Rudolf, aus Hopfenbruch, Kreis Ebenrode, am 15. Januar

Prange, Ulrich, aus Allenburg, Kreis Wehlau, am 20. Januar

Pullwitt, Inge, geb. Noga, aus Wittenwalde, Kreis Lyck, am 20. Januar

Schlesier, Gerda, geb. Meschkat, aus Eschenberg, Kreis Elchniederung, am 19. Januar

Schubert, Gerda, geb. Warias, aus Grünau, Kreis Elchniederung, am 21. Januar

Schult, Lieselotte, geb. Pucknus, aus Seckenburg, Kreis Elchniederung, am 19. Januar

Thieme, Helga, geb. Bogumil, aus Fließdorf, Kreis Lyck, am 20. Januar

ZUM 75. GEBURTSTAG

Becker, Willi, aus Grammen, Kreis Ortelsburg, am 18. Januar

Bethke, Dieter, aus Schakendorf, Kreis Elchniederung, am 20. Januar

Beutler, Werner, aus Bürgerhuben, Kreis Elchniederung, am 20. Januar

Döhmen, Regina, geb. Winter, aus Schurfelde, Kreis Tilsit-Ragnit, am 18. Januar

Fischer, Margret, geb. Rohmann, aus Puppen, Kreis Ortelsburg, am 23. Januar

Jaquet, Dieter, aus Neidenburg, am 22. Januar

Klein, Erika, geb. Glatkowski, Kreis Neidenburg, am 19. Januar

Kudies, Horst, aus Reuß, Kreis Treuburg, am 17. Januar

Kunellis, Hannelore, geb. Kobuß, aus Puppen, Kreis Ortelsburg, am 20. Januar

Ospel, Waltraut, geb. Arndt, aus Grünwalde, Kreis Heiligenbeil, am 21. Januar

Pultke, Arno, Partheinen, Kreis Heiligenbeil, am 18. Januar

Raehse, Horst, aus Fischhausen, Kreis Samland, am 20. Januar

Riech, Udo, geb. Meißner, aus Schwalg, Kreis Treuburg, am 22. Januar

Ruppenstein, Christel, geb. Barteit, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 19. Januar

Ryk, Ulrich, aus Groß Retzken, Kreis Treuburg, am 23. Januar

Seiler, Helga, geb. Reuter, aus Schanzenort, Kreis Ebenrode, am 18. Januar

Tolksdorf, Arnold, aus Gutten, Kreis Treuburg, am 22. Januar

Wiechmann, Manfred, aus Reinlacken, Kreis Wehlau, am 20. Januar

Zander, Rudolf, aus Wehlau, am 22. Januar

Zimare, Rosemarie, geb. Lemke, aus Tawe, Kreis Elchniederung, am 17. Januar


S. 16 Heimatarbeit

Landsmannschaftliche Arbeit

BUND JUNGES OSTPREUSSEN

Vorsitzender: Stefan Hein, Gst.: Buchtstr. 4, 22087 Hamburg, Tel.: (040) 4140080, E-Post: kontakt@junge-ostpreussen.de, www.junge-ostpreu­ssen.de.

Bad Pyrmont – Freitag, 20. bis Sonntag, 22. Februar, Ostheim: BJO-Frühjahrsseminar mit den Themen „2015 – Jahr der Jahrestage: Deutschland und (die) Ostpreußen im 20. Jahrhundert“. Die bekannte DDR-Bürgerrechtlerin und ehemalige Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld zieht eine Bilanz zur Aufarbeitung des SED-Unrechts im Jahr 2015, während Dr. Heike Amos vom Institut für Zeitgeschichte auf die Aktivitäten der Staatssicherheit der DDR in Bezug auf die Vertriebenen eingeht. Der Altsprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, Wilhelm von Gottberg, und der LO-Landesvorsitzende von Mecklenburg-Vorpommern, Manfred F. Schukat, können uns aus erster Hand über die Bedeutung des Mauerfalls für die Vertriebenen informieren. Dabei werden persönliche Erfahrungen aus der Zeit der DDR ebenso in den Fokus genommen wie die Herausforderungen diesseits und jenseits von Oder und Neiße nach 1990. Dr. Walter T. Rix teilt seine Erkenntnisse zum Ersten Weltkrieg in Ostpreußen mit uns, während wir zu den Geschehnissen im Frühjahr 1945 noch einmal Zeitzeugen zu Wort kommen lassen möchten. Auskünfte und und Anmeldung bei Jochen Zauner unter Presse@Ostpreussen-NRW.de.

 

BADEN-WÜRTTEMBERG

Vors.: Uta Lüttich, Feuerbacher Weg 108, 70192 Stuttgart, Telefon und Fax (0711) 854093, Geschäftsstelle: Haus der Heimat, Schloßstraße 92, 70176 Stuttgart, Tel. und Fax (0711) 6336980.

Stuttgart – Mittwoch, 21. Januar, 14,30 Uhr, Großer Saal, Haus der Heimat, Schloßstraße 92: Wintertreffen der Kreisgruppe und Frauengruppe mit Gedichten, Geschichten und gemeinsamem Gesang bekannter Winterlieder sowie freie Erzählungen der Mitglieder von erlebten Wintererinnerungen in Ostpreußen. Gäste und Freunde sind herzlich eingeladen.

Ulm – Donnerstag, 5, Februar, 13 Uhr, Ulmer Stuben: Traditionelles Fischessen der Frauengruppen. Anmeldungen bitte bei Frau Mater.

 

BAYERN

Vorsitzender: Friedrich-Wilhelm Böld, Telefon (0821) 517826, Fax (0821) 3451425, Heilig-Grab-Gasse 3, 86150 Augsburg, E-Mail: info@low-bayern.de, Internet: www. low-bayern.de.

Bamberg – Mittwoch, 21. Januar, 15 Uhr: Jahreshauptversammlung – Mittwoch, 18, Februar, 15 Uhr, Hotel Wilde Rose, Bamberg: Der Kreis Schlossberg 1944/1945

Kitzingen – Freitag, 6 Februar, 15 Uhr, Hotel Würzburger Hof: Fröhlicher Faschingsnachmittag mit Beiträgen der einzelnen Mitglieder und musikalischer Umrahmung durch den Landsmann Günter Schmidt.

München – Sonnabend, 24. Januar, 14.30 Uhr, Haus des deutschen Ostens, Am Lilienberg 5, 81669 München: „Danzig meine Heimatstadt“ – Vortrag mit Bildpräsentation von Rafael Brutzki, dem stellvertretenden BJO-Bundesvorsitzenden. Zu Beginn gemeinsame Kaffetafel.

Weiden – Sonntag, 1. Februar, 14.30 Uhr, Café Mitte, Am Stockerhutpark 1, 92637 Weiden: Nächstes Treffen.

Nürnberg – Dienstag, 27. Januar, 14.30 Uhr, Haus der Heimat, Imbuschstraße 1, (gegenüber der Endstation der U1): Mitgliederversammlung mit Akkordeonmusik. Der Vorstand wünscht allen Mitgliedern und Freunden unserer Heimat Ostpreußen ein gesundes und glückliches neues Jahr. – Veranstaltungshinweis: Noch bis Sonntag, 22. Februar, wird im Kulturzentrum Ostpreußen im Deutschordensschloss Ellingen (Bahnstation) bei Weißenburg in Mittelfranken die Sonderausstellung „August 14 – Der Erste Weltkrieg in Ostpreußen“ – gezeigt. Dazu gibt es ein Sonderheft mit 366 Seiten, das zum Preis von sechs Euro zuzüglich Porto im Kulturzentrum bestellt werden kann.

 

BREMEN

Vorsitzender: Helmut Gutzeit, Telefon (0421) 25 09 29, Fax (0421) 25 01 88, Hodenberger Straße 39 b, 28355 Bremen. Stellvertrende Vorsitzende: Marita Jachens-Paul, Ratiborer Straße 48, 27578 Bremerhaven, Telefon (0471) 86176. Landesgeschäftsführer: Jörg Schulz, Am Anjes Moor 4, 27628 Uthlede, Telefon (04296) 74 77 01.

Bremen – Sonnabend, 14. Februar, 15 Uhr (Einlass ab 14.15 Uhr), Hotel Airport Bremen, Flughafenallee 26, Bremen: Bremer West- und Ostpreußentag mit Fleck und Klopsen. Zur Unterhaltung wird ein Chorprogramm mit Volksliedern und volkstümlichen Melodien geboten. Das Essen beginnt etwa um 17.30 Uhr mit dem traditionellen Pillkaller. Anschließend gibt es je nach Wahl Königsberger Fleck oder Königsberger Klopse (oder Gemüseteller). Die Veranstaltung soll wieder durch Einnahmen aus dem antiquarischen Bücherverkauf gesponsert werden. Daher gelten folgende ermäßigte Preise: Eintritt und Essen (Königsberger Fleck): Zehn Euro, Eintritt und Essen (Königsberger Klops oder Gemüseteller): 15 Euro. Eintritt ohne Essen. Fünf Euro. Anmeldungen sind erforderlich. Bitte unter Benennung des Speisewunsches in unserer Geschäftsstelle, Telefon (0421) 3469718 (auch auf den Anrufbeantworter). Mitglieder aus Borgfeld und Lilienthal können sich auch bei Frau Reiter, Kiebitzbrink 89, Telefon (0421) 271012 anmelden.

Frauengruppe – Jeder 3. Donnerstag im Monat, 15 Uhr, Hotel zur Post, Bahnhofsplatz 11, 28195 Bremen: Gemeinsames Treffen.

Bremerhaven (Heimatkreis Elbing) – Freitag, 30. Januar, 13 Uhr, Barlachhaus: Gemeinsames Kohl- und Pinkel-Essen. Die Wanderer treffen sich um 12 Uhr am Eingang zum Bürgerpark (Bismarck-straße) zu einem kleinen Fußmarsch zum Holzhafen. Alle anderen treffen sich um 12.45 Uhr im Barlachhaus. Anmeldung bitte bis zum 22. Januar bei Familie Jachens-Paul, Telefon (0471) 86176. Kosten: 10 Euro pro Person.

 

HAMBURG

Erster Vorsitzender: Hartmut Klingbeutel, Kippingstr. 13, 20144 Hamburg, Tel.: (040) 444993, Mobiltelefon (0170) 3102815. 2. Vorsitzender: Manfred Samel, Fried-rich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg, Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

BEZIRKSGRUPPE

Bergedorf – Freitag, 23. Januar, 15 Uhr, Haus des Begleiters, Harders Kamp 1: Neujahrsempfang der Frauengruppe.

KREISGRUPPEN

Insterburg – Die Gruppe trifft sich jeden ersten Mittwoch im Monat (außer im Januar und im Juli) zum gemeinsamen Singen und einem kulturellem Programm um 12 Uhr, Hotel Zum Zeppelin, Frohmestraße 123–125. Kontakt: Manfred Samel, Friedrich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg. Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

Elchniederung – Mittwoch, 18. Februar, 14 Uhr, Haus Lackemann, Litzowstieg 8, Wandsbek: Treffen der Gruppe zum gemütlichen Beisammensein mit Kaffetrinken und Erinnerungen an die Winterzeit in Ostpreußen. Gäste sind herzlich willkommen.

 

HESSEN

Vorsitzender: Eberhard Traum, Wächtersbacherstraße 33, 63636 Brachtal, Telefon (06053) 708612.

Darmstadt/Dieburg – Sonnabend, 17. Januar, Luise-Büchner-Haus, Grundweg 10, Darmstadt-Kranichstein: Erstes Treffen im neuen Jahr mit einem Beitrag über Agnes Miegel ,,die „Mutter Ostpreußens“. Alle Mitglieder der Landsmannschaft sowie interessierte Gäste sind herzlich eingeladen.

­– Bericht –

Für 40-jähriges aktives Wirken in der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen, Kreisgruppe Darmstadt-Dieburg, wurde am 6. Dezember der Vorsitzende Gerhard Schröder (79) mit dem Ehrenbrief des Landes Hessen ausgezeichnet. Die Urkunde überreichte beim Dezembertreffen der Landsmannschaft die Kreisbeigeordnete Christel Fleischmann im Beisein der Bürgermeisterin seines Wohnortes, Astrid Mannes. „Die Ehrung kam für mich völlig überraschend. Ich habe mich sehr gefreut“.

Gerhard Schröder hat als einziger seiner noch in Ostpreußen verbliebenen Familie das Inferno der Nachkriegszeit in Königsberg überlebt. Mutter und Großeltern starben bereits 1945 und der vier Jahre jüngere Bruder Anfang 1946. Den Einmarsch der Roten Armee erlebte er als neunjähriger bei den Großeltern in Probethen. Dort wurden gleich alle verbliebenen Einwohner wie das Vieh in einem langen Treck aus dem Dorf getriebenen. „Nach dem Fall von Königsberg konnten wir wieder in unsere geplünderte Wohnung (Königsberg Kohlhof) zu Fuß zurück“.

Kurz vor ihrem Tod brachte seine Mutter ihn und seinen Bruder im Juli 1945 in ein provisorisches Waisenhaus, das der katholische Pfarrer Danowski mit katholischen Schwestern in einer verlassenen Villa in Maraunenhof notdürftig eingerichtet hatte.

Anfang 1947 wurde Schröder in ein Waisenhaus nach Heinrichswalde verlegt. Von dort kam er mit einem Transport am 26. Oktober 1947 im verplombten Güterzug nach Pasewalk (sowjetische Besatzungszone). „Die Fahrt dauerte sieben Tage. Das Schlimmste war dabei der Durst.“

Nach der Quarantäne landete er im Waisenhaus „Schloß Könitz“ bei Saalfeld in Thüringen. Ende 1947 holte ihn eine Tante aus Berlin dort ab, Sie hatte seine Suchmeldung vom Roten Kreuz im Radio gehört. Mit einem Rosinen-Bomber der Berliner Luftbrücke flog er 1948 zu Verwandten nach Schleswig-Holstein. 1949 konnte er zu seinem Vater übersiedeln, der aus französischer Kriegsgefangenschaft entlassenen war und sich in Darmstadt niedergelassen hatte.

Nachdem er von drei verlorenen Schuljahren zwei aufgeholt hatte, konnte er 1951 als Beamtenanwärter bei der Deutschen Bundespost die berufliche Ausbildung beginnen. Seinen früheren Kollegen ist er bis heute verbunden. Seit 2006 ist er Sprecher des Postseniorenbeirats, organisiert mit Kollegen Treffen und Ausflüge, besucht Kranke und gratuliert zu runden Geburtstagen sowie Jubiläen. 1973 trat Schröder der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen bei, übernahm 1975 das Amt des stellvertretenden Schriftführers. 1977 wurde er Schriftführer und neun Jahre später zusätzlich stellvertretender Vorsitzender. Seit 1991 steht er an der Spitze, organisiert die monatlichen Zusammenkünfte mit kulturellen und heimatkundlichen Themen, und besucht seine Landsleute zu besonderen Anlässen. Auch zu den Deutschlandtreffen der Ostpreußen organisiert er mehrtätige Busfahrten. Beisitzender im Landesvorstand ist Schröder seit 2003.

Schon in jungen Jahren hat er sich sehr für seine ostpreußische Heimat interessiert und las mit großem Eifer die wöchentliche Heimatzeitung seines Vaters Das Ostpreußenblatt.

Bereits 1978 und 1979 fuhr er mit seiner vor zwei Jahren verstorbenen Frau und beiden Töchtern unter abenteuerlichen Bedingungen mit einem VW Käfer nach Ostpreußen. „Wir haben in Masuren gezeltet. Es war primitiv aber sehr schön“.

1995, vier Jahre nach der Öffnung des Königsberger Gebietes, reiste Schröder mit anderen ehemaligen Waisenkindern nach Königsberg. 48 Jahre nach seiner Vertreibung sah er die Heimatstadt wieder. Seitdem folgten viele weitere Besuche. 2010 wurde auf Initiative einer kleinen Gruppe ehemaliger Königsberger Waisenkinder im Garten der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Königsberg ein Gedenkstein für die in der Nachkriegszeit in der Stadt verstorbenen Kinder aufgestellt. Schröder enthüllte zusammen mit dem damaligen Propst Jochen Löber den Gedenkstein. Den Text der Inschrift hat Schröder formuliert. „Wir gedenken der Kinder, die von 1945 bis 1948 ihr junges Leben verloren – die Überlebenden – Juni 2010”.

Zur Zeit arbeitet Schröder zusammen mit anderen ehemaligen Waisenkindern an der Erstellung einer Dokumentation über das Leben, Leiden und Sterben der Kinder im Nachkriegs-Königsberg und Umgebung. Weitere Erlebnisberichte aus dieser Zeit werden dringend benötigt, sind willkommen. Bitte an Gerhard Schröder, Telefon (06151) 148788 wenden.

Frankfurt am Main – Zum Dezember-Treffen der LOW hatte der Vorstand eine besondere Überraschung parat. Der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft Westpreußen und stellvertretende Landesvorsitzende der LOW Hessen, Ulrich Bonk, ließ es sich als Mitglied trotz engem Terminkalender nicht nehmen, die Frankfurter Kreisvorsitzende, Gerlinde Groß, mit dem goldenen Ehrenzeichen der Landesgruppe Hessen für ihre besonderen Verdienste um die landsmannschaftliche Arbeit in Hessen zu würdigen.

In seiner Laudatio richtete er sein Augenmerk auf ihren unermüdlichen Einsatz für die Belange der Landsmannschaft. 1943 geboren, ist Gerlinde Groß über ihre Eltern früh mit der landsmannschaftlichen Arbeit in Nordrhein-Westfalen verbunden gewesen. Schon 1952 stand sie mit dem von den Eltern übernommenen ostpreußischen Dialekt auf der Bühne. Diese Vorträge zählen unter anderen auch heute noch zum Standardprogramm bei den Zusammenkünften. Das Wachhalten der Erinnerung an die ostpreußische Heimat durfte ihrer Meinung nach nicht mit dem Ostpreußenwappen auf dem Grabstein ihrer Eltern enden. Bei einer 1987 möglichen Reise erfolgte der erste Besuch in ihrem Geburtsort im Kreis Heiligenbeil. Es folgten bald weitere Besuche im Zusammenhang mit Hilfslieferungen. Gegenbesuche ergänzten die Kontakte. Die dabei gewonnenen Erfahrungen brachte Gerlinde Groß in die hessischen Landsmannschaften ein. Im Raum Usingen übernahm sie die Aussiedlerbetreuung, was dazu führte, dass sie die erste Landsmannschaft der Deutschen aus Russland im Hochtaunus gründete. Eine weitere Aufgabe war über vier Jahre die Führung des BdV-Ortsverbandes Usingen sowie der Vorsitz des dortigen Fördervereins für Vertriebenenfragen. Im Jahr 2000 erhielt sie die Aufgabe zur Führung der LOW-Kreisgruppe Frankfurt am Main. Unzählige Kontakte zu den Vertriebenenverbänden, zeitgemäße Informationen zum ostpreußischen Kulturgut, Unterstützung bei erforderlicher Familienzusammenführung bis hin zu interessanten Vorträgen, auch im geliebten ostpreußischen Dialekt, waren für sie ein ausfüllendes Betätigungsfeld. Für ihre ehrenamtlichen Leistungen beim BdV wurde sie 2003 mit dem Ehrenbrief des Landes Hessen ausgezeichnet. 2004 erhielt sie für ihre Aktivitäten das silberne Ehrenzeichen des LOW-Landesverbandes.

Mit den Worten: „Gerlinde Groß hat es in den vergangenen Jahren auf vielfältige, teils auch dramatische Weise verstanden, die LOW-Kreisgruppe Frankfurt am Main zusammenzuhalten. Ihr Wille, die Geschichte Ostpreußens mit all ihren Facetten zu bewahren und weiterzugeben ist ungebrochen. Für dieses Engagement überreicht der Landesverband der Kreisgruppen-Vorsitzenden das Ehrenzeichen in Gold“, beendete Ulrich Bonk seine Laudatio.

Kassel – Donnerstag, 2. Februar, 14.30 Uhr, AWO-Altenzentrum, Niederzwehren: Jahreshauptversammlung. Anschließend führt Dorothea Deyß durch den Nachmittag mit dem Wahlspruch: „Heimatlieder – immer wieder schön».

– Bericht –

Dorothea Deyß gestaltete ebenfalls die Vorweihnachtsfeier am dritten Advent mit ihrem Sing- und Spielkreis wie schon so oft in den Jahren zuvor. Die Überschrift lautete: „Mit den Hirten will ich gehen...”

Und so folgten 43 Teilnehmer den Hirten und nahmen das Geschehen der Christgeburt in Liedern und kurzen Texten freudig auf. Die Frohe Botschaft vermittelte auf andere Weise auch Pfarrer im Ruhestand Alfred Scherlies in seiner Ansprache. Auf den tannengeschmückten Tischen nahm die festlich gestimmte Schar kleine Gaben entgegen, nämlich Königsberger Marzipan und jeweils eine Grußkarte. Da klang für viele bestimmt etwas an, was an frühere Zeiten erinnerte: die christliche deutsche Weihnacht.

Wiesbaden – Sonnabend, 17, Januar, 15 Uhr, Haus der Heimat, Großer Saal, Friedrichstraße 35, Wiesbaden: Das erste Monatstreffen in 2015 ist der Heimat gewidmet. Es gibt Nachdenkliches und Lustiges von früher und heute zu hören. Zudem ist etwas über das derzeitige Geschehen in Ost- und Westpreußen zu erfahren. Wer selbst etwas zum Nachmittag beitragen möchte, seien es Erzählungen, Gedichte oder Informationen und Bilder, meldet sich bei Dieter Schetat, Telefon (06122) 15358. – Donnerstag, 22, Januar, 12 Uhr, Gaststätte „Haus Waldlust“, Ostpreußenstraße 46, Wiesbaden-Rambach: Stammtisch. – Sonnabend, 7. Februar, 15.11 Uhr, Großer Saal, Haus der Heimat, Fried-richstraße 35, Wiesbaden: Närrischer Nachmittag mit Kreppel –Kaffee.

Unter dem Motto „Spaß an der Freud“ sollen alle Anwesenden eine fröhliche Zeit verbringen mit lustigen Beiträgen und viel Gesang. Mit von der Partie ist wieder das Stimmungs-Duo Mathias Budau und Markus Hübenthal. Wer zu dem Programm mit lustigen Beiträgen möchte, melde sich bitte gleich bei Dieter Schetat oder einem anderen Vorstandsmitglied.

Osnabrück – Donnerstag, 29. Januar, 14 Uhr, Gaststätte Bürgerbräu, Blumenthaller Weg 43: Literaturkreis.

 

NORDRHEIN-WESTFALEN

Vorsitzender: Jürgen Zauner, Geschäftsstelle: Buchenring 21, 59929 Brilon, Tel. (02964) 1037, Fax (02964) 945459, E-Mail: Geschaeft@Ostpreussen-NRW.de, Internet: www.Ostpreussen-NRW.de

Dortmund – Montag, 19. Januar, 14 bis 17 Uhr, Landgrafenschule, Eingang Märkische Straße, 44139 Dortmund: Heimatliches Beisammensein der Kreisgruppe

Düsseldorf – Montag, 19. Januar, 19 Uhr, Ausstellungsraum, Gerhart-Hauptmann-Haus (GHH), Bismarckstraße 90: Ausstellungseröffnung „Erinnertes leben – gelebte Erinnerung“ von Arno Surminski. – Mittwoch,

21. Januar, 15 Uhr, Eichendorff-Saal, Gerhart-Hauptmann-Haus (GHH), Bismarckstraße 90: Film Dr. Schiwago (USA 1965) – Mittwoch, 28. Januar, 15 Uhr, Eichendorff-Saal, Gerhart-Hauptmann-Haus (GHH), Bismarckstraße 90: Film „Der Streit um den Sergeanten Grischa (DDR 1967) – Sonnabend, 31. Januar, 14 Uhr, Eichendorff-Saal, Gerhart-Hauptmann-Haus (GHH), Bismarckstraße 90: Ostdeutscher Karnevalsnachmittag für alle Landsmannschaften (Eintritt sieben Euro) – Mittwoch, 4. Februar, 15 Uhr, Raum 311, Gerhart-Hauptmann-Haus (GHH), Bismarckstraße 90: Ostdeutsche Stickerei mit Helga Lehmann und Christel Knackstädt – Mittwoch, 4. Februar, 15 Uhr, Eichendorff-Saal, Gerhart-Hauptmann-Haus (GHH), Bismarckstraße 90: Film „Im Herzen von Ostpreußen.

Köln – Dienstag, 20. Januar, 14.30 Uhr, Bürgerzentrum Köln-Deutz, Tempelstraße 41-43 (Die Zufahrt mit dem Pkw ist wegen fehlender Parkmöglichkeiten nicht empfehlenswert. Günstiger sind die Linien der KVB Nummer 1, 7, und 9): Treffen der Ostpreußenrunde zur monatlichen Versammlung.

Remscheid – Jeder zweite Donnerstag im Monat, 14.30 Uhr, Gemeindehaus der evangelischen Johannes-Kirchengemeinde in der Eschenstraße: Treffen der Frauengruppe. Jeder dritte Donnerstag im Monat, 14.30 Uhr, ,,Zunftstuben», Palmstraße 10: Treffen der Ostpreußenrunde.

Neuss – Freitag, 23. Januar,

17 Uhr, Quirinus-Basilika, Freithof 7, 41460 Neuss: Ökumenischer Gottesdienst. – Donnerstag, 5. Februar, 15 Uhr, Ostdeutsche Heimatstube Neuss, Oberstraße 17: „Tag der offenen Tür“ mit Kaffee und Kuchen.

Witten – Montag, 19. Januar, 14,30 Uhr, Versammlungsraum der Evangelisch-Lutherischen Kreuzgemeinde Witten, Lutherstraße 6-10: Vorstellung des Jahresprogramms. Danach der Vortrag: „Der große Angriff durch die Rote Armee in Ostpreußen“.

 

RHEINLAND-PFALZ

Vors.: Dr. Wolfgang Thüne, Wormser Straße 22, 55276 Oppenheim.

Neuwied – Brigitte Schüller-Kreuer aus Königsberg und ihr Ehemann Wilhelm Kreuer laden alle Heimatvertriebenen der Erlebens-, aber auch der nachfolgenden Generationen zur Neugründung einer Gruppe ein. Heimatvertriebene, die im Kreis Neuwied wohnen, sind eingeladen, bei uns und mit uns in einen Gedankenaustausch über die ehemalige ostdeutsche Heimat zu treten. Mit anderen möchten wir über das im Land zwischen Weichsel und Memel in über sieben Jahrhunderten gewachsene ostpreußische Kulturerbe sprechen und erhoffen uns neben anregenden Gesprächen auch Geselligkeit. Selbstverständlich sind Vertriebene aus anderen Gebieten als Ostpreußen – Westpreußen, Pommern, Ost-Brandenburg, Schlesien, das Baltikum oder aus südost- und osteuropäischen Gebieten – herzlich willkommen.

 

SACHSEN-ANHALT

Vors.: Michael Gründling, Große Bauhausstraße 1, 06108 Halle, Telefon privat (0345) 2080680.

Magdeburg – Sonntag, 8. Februar, 14 Uhr, Sportgaststätte Post, Spielhagenstraße: Faschingsmonat, worüber Ostpreußen lachen können – Dienstag, 3. Februar, 13 Uhr, Immermannstraße: Treffen der Stickerchen – Freitag, 23. Januar, 15 Uhr, Sportgaststätte TuS Fortschritt, Zielitzer Straße: Treffen des Singekreises.

 

SCHLESWIG-HOLSTEIN

Vors.: Edmund Ferner. Geschäftsstelle: Telefon (0431) 554758, Wilhelminenstr. 47/49, 24103 Kiel.

Flensburg – Freitag 30. Januar, 12 Uhr, AWO Stadtteilcafe, Mathildenstraße 22: Jahreshauptversammlung

Kiel – Sonntag, 18. Januar, 10 Uhr, Haus der Heimat: Preußentag. Auf dem Programm stehen folgende Vorträge: Gisela Harder, „Rund um das Trakehner Pferd“, Peter Gerigk, „Bericht von der Ostpreußischen Landesvertretung in Bad Pyrmont“, Professor Detlev Kraak, „Die Preußen kommen – Deutsch-Dänischer Krieg in Schleswig-Holstein (1864)“.


S. 17-18 Heimatarbeit

Aus den Heimatkreisen

ANGERBURG

Kreisvertreter: Kurt-Werner Sadowski. Kreisgemeinschaft Angerburg e.V., Landkreis Rotenburg (Wümme), Postfach 1440, 27344 Rotenburg (Wümme), Landkreis: Telefon (04261) 9833100, Fax (04261) 9833101.

Es ist zur Tradition geworden, dass wir das neue Jahr mit einer heimatpolitischen Tagung einleiten. Die Tagung findet vom Sonnabend, 21., bis zum Sonntag, 22. Februar. in 27356 Rotenburg (Wümme), Gerberstraße 16, Theodor-Heuss-Schule, statt. Die Theodor-Heuss-Schule befindet sich neben dem Ratsgymnasium. Zu der Auftaktveranstaltung laden der Landkreis Rotenburg (Wümme) als Patenschaftsträger der Angerburger und die Kreisgemeinschaft Angerburg geschichtlich und kulturell interessierte Ost- und Westpreußen und deren Nachkommen sowie die Freunde der Angerburger aus nah und fern sehr herzlich ein.

Für die Tagung konnten wir wieder kompetente Referenten gewinnen. Am 21. Februar 2015 ist die Mensa der Theodor-Heuss-Schule ab 14 Uhr geöffnet und es wird Kaffee/Tee und Kuchen angeboten. Nach der Begrüßung der Teilnehmer in der Aula der Theodor-Heuss-Schule wird Dr. Dr. Wolfgang Dörfler mit seinem Referat „Das junge Land Niedersachsen und die Heimatbewegung“ die Tagung einleiten. Nach einer kurzen Pause hören wir einen Vortrag von Hartmut Vollmer „Die Ablösung der Grundherrschaft in der Börde Sittensen“. Nach den Vorträgen ist eine kurze Aussprache vorgesehen. Mit einem gemeinsamen Abendessen (Elchbraten) gegen 19 Uhr und guten Gesprächen in angenehmer Atmosphäre mit interessanten Gesprächspartnern lassen wir bei einem Glas Wein den Tag ausklingen. Am folgenden Tag, Sonntag, 22. Februar, wird die Tagung um 9.30 Uhr mit einem Vortrag von Archäologieoberrat Dr. Stefan Hesse „Moorleichen – Germanen – Burgen. Aktuelle archäologische Projekte im Landkreis Rotenburg“ fortgesetzt.

Mit dem Gesang des Ostpreußenliedes „Land der dunklen Wälder” wird die Tagung gegen 12 Uhr beendet sein. Aus organisatorischen Gründen bitten wir um Anmeldungen, für das Elchbratenessen zum Preis von 25 Euro pro Person und für eventuelle Übernachtungswünsche, bis spätestens 15. Februar (Posteingang) an Brigitte Junker, Sachsenweg 15, 22455 Hamburg.

 

ELCH-NIEDERUNG

Kreisvertreter: Manfred Romeike, Anselm-Feuerbach-Str. 6, 52146 Würselen, Telefon/Fax (02405) 73810. Geschäftsstelle: Barbara Dawideit, Telefon (034203) 33567, Am Ring 9, 04442 Zwenkau.

Eine neuntägige Flugreise nach Ostpreußen – Elchniederung und Samland – plant der Heimatkreis Elchniederung vom 1. bis 9. Juni. Die Reiseleitung hat Dieter Wenskat. Dies ist der Programmablauf:

1. Tag: Gegen Mittag Linienflug mit Air Berlin von Berlin nach Königsberg. (Andere Abflughäfen mit Umstieg in Berlin auf Anfrage und gegen Aufpreis möglich). Am Flughafen in Königsberg werden wir von unserer russischen  Reiseleitung, empfangen. Anschließend Busfahrt nach Tilsit in das Hotel „Rossija“.

2. Tag: Rundfahrt über Insterburg mit Besichtigungsstopps. Eintritt und Führung durch das Gestüt Georgenburg, Gumbinnen und Ragnit. Danach zurück nach Tilsit. Übernachtung in Tilsit.

3. Tag: Heute erleben wir das Naturparadies Ostpreußen pur. Wir unternehmen einen Ausflug in das Große Moosbruch am Rande des Elchwaldes und besuchen bei Lauknen das Moosbruchhaus, einen mit deutschen Mitteln unterstützen Naturschutz- und Begegnungszentrum. Die Rück-fahrt am Nachmittag führt durch die südliche Elchniederung mit Besuch von Heinrichswalde, Groß Friedrichsdorf und Gerhardsweide. Übernachtung in Tilsit.

4. Tag: Besichtigungsfahrt durch die Elchniederung nördlich der Gilge mit Besuch von Sköpen, Kuckerneese, Herdenau, Karkeln, Inse, Jagdschloss Pait, weiter über Milchhof, Alt-Dümpelkrug, Rautersdorf, Bretterhof, Rautenburg und zurück nach Tilsit. Übernachtung in Tilsit.

5. Tag: Rundfahrt mit individuellen Besichtigungsstopps in Kreuzingen und Labiau mit Fahrt über die Adlerbrücke. Hier mündet die Deime in das Kurische Haff. Anschließend vorbei an Königsberg und auf der neuen Autobahn an die ostpreußische Ostseeküste bis nach Cranz. Übernachtung in Cranz.

6. Tag: Der heutiger Tagesausflug führt durch das Samland. Zunächst besuchen wir Palmnicken, wo im Tagebau aus der blauen Erde der Bernstein, für den Ostpreußen berühmt ist, gewonnen wird. Beim Blick von der Aussichtsterrasse oberhalb des Tagebaus können wir uns einen guten Eindruck verschaffen. Anschließend erreichen wir Pillau. Die Hafenstadt hatte eine besondere Bedeutung für viele Ostpreußen im Winter 1945, als tausende Menschen von hier aus ihre Heimat für immer verlassen mussten. Heute gibt es in Pillau neben den historischen Bauten, Befestigungsanlagen und dem bekannten Leuchtturm eine große Kriegsgräbergedenkstätte als Ort der Besinnung. Übernachtung in Cranz.

7. Tag: Ausflug nach Königsberg. Bei der Stadtrundfahrt durch die frühere Provinzhauptstadt besuchen wir natürlich die erhaltenen Sehenswürdigkeiten wie den wiedererrichteten Königsberger Dom, die Luisenkirche oder den früheren Hansa-Platz mit dem ehemaligen Nordbahnhof und die erhaltenen Stadttore und Befestigungsanlagen wie das restaurierte Königstor und den Litauer Wall. Darüber hinaus erleben wir eine aufstrebende russische Großstadt im Umbruch und voller Kontraste, sowohl sozial als auch städtebaulich. Am neuen Fischdorf unternehmen wir eine kleine Bootsfahrt auf dem Pregel und erleben den Dom und die Kneiphofinsel aus der Perspektive vom Wasser aus. Ein weiterer Höhepunkt der Reise ist der Besuch des Königsberger Doms mit einem Anspiel der Orgel zu einem kleinen Konzert. Übernachtung in Cranz.

8. Tag: Ganztägiger Ausflug auf die Kurische Nehrung. Die ca. 100 km lange Landzunge trennt das Kurische Haff von der Ostsee und ist durch eine einzigartige Naturlandschaft mit den höchsten Wanderdünen Europas geprägt. Bei Rossitten besuchen wir die Feldstadion Fringilla der Vogelwarte, einst die erste ornithologische Beobachtungsstation der Welt, und unternehmen je nach Wettersituation einen Spaziergang auf die Epha-Düne, eine der größten noch frei wandernden Sandflächen der Nehrung. Von hier bietet sich ein einzigartiger Ausblick über das Haff, die Nehrung  und die Ostsee. Übernachtung in Cranz.

9. Tag: Der Vormittag bleibt zur freien Verfügung. Gegen Mittag Bustransfer von Cranz zum Flughafen Königsberg, Linienflug mit Air Berlin ab Königsberg, Ankunft in Berlin am Nachmittag.

Programmänderungen bleiben vorbehalten. Weitere Informationen und Anmeldung bei Dieter Wenskat, Horstheider Weg 17, 25365 Sparrieshoop, Telefon (04121) 85501 oder bei Partner-Reisen-Grund-Touristik in Lehrte, Telefon (05132) 588940

 

GERDAUEN

Kreisvertreter: Walter Mogk, Am Eichengrund 1f, , 39629 Bismark (Altmark), Telefon (0151) 12 30 53 77, Fax (03 90 00) 5 13 17. Gst.: Doris Biewald, Blümnerstraße 32, 04229 Leipzig, Telefon (0341) 9600987, E-Mail: geschaeftsstelle@ kreis-gerdauen.de.

Zur außerordentlichen Mitgliederversammlung lädt die Heimatkreisgemeinschaft am Mittwoch, 4. Februar, in den Raum des Heimatvereins Wunstorf im Alten Rathaus, Südstraße 1, in 31515 Wunstorf ein. Tagungsbeginn ist um 16.30 Uhr. Das Sitzungsende ist gegen 19 Uhr vorgesehen. Wir möchten darauf hinweisen, dass gemäß unserer geltenden Reisekostenrichtlinie keinerlei Reisekosten der Teilnehmer im Zusammenhang mit der Mitgliederversammlung durch die Heimatkreisgemeinschaft übernommen werden. Die Tagesordnung:

1) Eröffnung der Sitzung

2) Feststellung der ordnungsgemäßen Einberufung

3) Feststellung der Zahl der

stimmberechtigten Mitglieder

4) Genehmigung der Tagesordnung

5) Beschlüsse

5.1. Beschluss über das Stiftungsgeschäft der Stiftung Kreis Gerdauen

5.2. Beschluss über die Satzung der Stiftung Kreis Gerdauen

6) Anfragen und Anregungen

7) Schließung der Sitzung

Die Entwürfe von Stiftungsgeschäft und Stiftungssatzung, wie sie der Mitgliederversammlung zur Beschlussfassung vorgelegt werden, werden im Heimatbrief Kreis Gerdauen Nr. 54 (Dezember 2014) abgedruckt. Teilnahme- und stimmberechtigt sind alle Mitglieder der Heimatkreisgemeinschaft Gerdauen e.V. gemäß Paragraph 2 der Satzung der Heimatkreisgemeinschaft in der Fassung vom 29. September 2012

 

KÖNIGSBERG LAND

Kreisvertreterin: Gisela Broschei, Bleichgrabenstraße 91, 41063 Mönchengladbach, Telefon (02161) 895677, Fax (02161) 87724. Geschäftsstelle: Im Preußen-Museum, Simeonsplatz 12, 32427 Minden, Telefon (0571) 46297, Mi. Sa. u. So. 18-20 Uhr.

Hinweis auf eine eine zehntägige Busreise nach Königsberg vom Freitag, 5. Juni, bis Sonntag, 14. Juni: Abfahrt ist in Duisburg um 6 Uhr mit Zwischenübernachtung in Schneidemühl im Hotel Rodlo. Weiterfahrt nach Marienburg, Braunsberg zur Grenze Richtung Königsberg, Hotel Kaliningrad, sieben Übernachtungen. Tagesfahrt am 7. Juni: Richtung Tilsit über Labiau. 8. Juni: Waldau, Heiligenwalde. 9. Juni: Richtung Kurische-Nehrung über Cranz. 10. Juni: Zur freien Verfügung. 11. Juni: Palmnicken-Rauschen. 12. Juni: Letzter Tag in Königsberg noch mal zur freien Verfügung. 13. Juni: Richtung Stettin, Hotel Panorama. 14. Juni: Richtung Deutschland. Änderungen vorbehalten. Weitere Informationen und das komplette Programm sowie Anmeldungen erhalten Sie bei, Willi Skulimma Aakerfährstraße 59, 47058 Duisburg, Telefon (0203) 335746. Oder: Greif Reisen, Rübezahlstraße 7, 58455 Witten-Heven, Telefon (02302) 24044.

 

LABIAU

Kreisvertreterin: Brigitte Stramm, Hoper Straße 16, 25693 St. Michaelisdonn/Holstein, Telefon (04853) 562. info­@stramm­verlag. de, Internet: www.labiau.de.

Auch im Jahr 2015 fahren wir in die Heimat. Wenn wir in Ostpreußen ankommen, erstrahlt die Natur gerade in frischem Grün. Bei der elftätige Bus- und Schiffsreise „Maiglöckchenfahrt“ vom 24. Mai bis 3. Juni werden wir Königsberg, das Samland, die Kurische Nehrung und natürlich unseren Heimatkreis besuchen. Übernachtet wird in schönen Hotels, damit man sich abends nach erlebnisreichen Tagen gut erholen kann. Zu den Übernachtungsorten gehören auf der Hinfahrt Kolberg und Danzig, damit wir diese schönen Städte während der Reise auch genießen können.

Im Samland wohnen wir wie im letzten Jahr in dem ehemaligen, liebevoll restaurierten Gutshof, jetzt Hotel, Usadba in Nesselbeck, jetzt Orlowka. In Nidden auf der Kurischen Nehrung im Hotel Nidos Banga. das ist das frühere bekannte Künstler-Hotel Hermann Blode, direkt am Kurischen Haff. Dieses Mal wieder als entspannenden Abschluß geplant ist die Rückfahrt mit einer Fähre der DFDS-Seaways von Memel aus nach Kiel. Für die Teilnehmer endet die Fahrt dann in Hamburg beziehungsweise am Betriebshof Sarzbüttel. 

Wir fahren, wie gewohnt, mit einem bequemen Reisebus der Firma Schwarz aus Sarzbüttel (www.erich-schwarz.de) und mit unserem bewährten Fahrer Detlef Tritschler. Übernachtet wird im Fünf-Sterne-Hotel Aquarius in Kolberg (www.AquariusSPA.pl), im Fünf-Sterne-Hotel Qubus in Danzig (www.qubushotel.com / hotel-gdansk), im Drei-Sterne-Hotel Usadba in Nesselbeck (www.hotelusadba.ru) und im Drei-Sterne-Hotel Nidos Banga in Nidden (www.hotelbanga.lt ). Zur Rückfahrt zählt eine Übernachtung auf dem Fährschiff.

Änderungen bleiben vorbehalten. Die Reise kann nur bei ausreichender Beteiligung stattfinden. Erforderlich ist ein Reisepass. Sollte Ihr Partner ausfallen, erfolgt Einzelzimmerberechnung. Empfehlenswert auf jeden Fall eine Reiserücktrittversicherung. Bitte checken Sie, ob Sie eine Auslandskrankenversicherung haben, da diese in Russland vorgeschrieben ist. Gegebenenfalls gleich mit buchen.

Über eine rege Teilnahme würden wir uns freuen, Das detailliertes Programm können Sie bei Brigitte Stramm, Telefon (04853) 562, E-Mail: brigitte.stramm@t-online.de, anfordern. Außerdem ist die Reise ausführlich im Internet beschrieben: www.labiau.de

 

LÖTZEN

Kreisvertreter: Dieter Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg. Geschäftsstelle: Ute Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg, Telefon (040) 6083003, Fax: (040) 60890478, E-Mail: KGL.Archiv@gmx.de

Der Lötzener Heimatbrief Nr. 116/Nov. 2014 wurde vom 18. November 2014 an ausgeliefert. Doch haben – wie sich in den Wochen danach herausstellte – nicht alle Heimatbriefe ihre Empfänger erreicht. Ungeachtet richtig und vollständig angegebener Adresse haben sich Heimatbriefe „in Luft aufgelöst“, und dieses Phänomen betrifft vor allem Orte in Mittel- und Westdeutschland. Wer seinen Heimatbrief vermisst, melde das bitte in der Geschäftsstelle. Noch können Ersatzexemplare zugeschickt werden. Es ist niemand aus der Liste der Bezieher herausgenommen worden – es sei denn, auf eigenen Wunsch oder durch Todesfall. Sehr willkommen sind Adressen von neuen Beziehern des Lötzener Heimatbriefs. Auch ein Bezug „auf Probe“ (drei Exemplare) ist möglich.

 

LYCK

Kreisvertreterin: Bärbel Wiesensee, Diesberg 6a, 41372 Niederkrüchten, Telefon (02163) 898313. Stellvertr. Kreisvertreter: Dieter Czudnochowski, Lärchenweg 23, 37079 Göttingen, Telefon (0551) 61665. Karteiwart: Siegmar Czerwinski, Telefon (02225) 5180, Quittenstraße 2, 53340 Meckenheim.

Unser Frühjahrstreffen findet vom 28. bis 29. März im Ostheim in Bad Pyrmont statt. Das Ostheim schließt Ende 2015, dies wird also unser letztes Treffen hier sein. Die Fahrkosten werden von der Kreisgemeinschaft bezahlt. Übernachtung und Verpflegung muss jeder selbst bezahlen. Der Preis beinhaltet Vollpension. Er beträgt 47 Euro pro Person im Doppelzimmer und 53 Euro im Einzelzimmer. Außerdem sind alle Gäste kurtaxenpflichtig. Die Kurtaxe beträgt pro Person und Tag 3 Euro, mitreisende Ehepartner zahlen 2,30 Euro. Bei nachgewiesener Behinderung ab 50 Prozent (Schwerbehindertenausweis ) beträgt die Kurtaxe 2,80 Euro. Bitte meldet Euch bis zum 31. Januar 2015 bei Heidi Mader, Richard-Taylor-Straße 6, E-Mail: heidi-mader@gmx.de, Telefon (0421) 67329026. Ich freue mich auf eine schöne Zeit mit Euch in Bad Pyrmont. An dieser Veranstaltung kann jeder Interessierte teilnehmen! Bärbel Wiesensee


Invasion der Zarentruppen
Vortrag über die Verteidigung Ostpreußens im Ersten Weltkrieg

Kriegshandlungen fanden im Ersten Weltkrieg nur in Ostpreußen auf deutschem Boden statt. Nur schwach verteidigt eroberte die zaristische Armee zeitweilig bis zu 60 Prozent der Provinz. Die Auswirkungen auf Städte und Bevölkerungen waren erheblich. Der sogenannte Sieg von Tannenberg im August 1914 begründete dann den Mythos um Paul von Hindenburg

„Die Verteidigung Ostpreußens im Ersten Weltkrieg – Darstellung und Bewertung aus militärischer Sicht“ heißt der Vortrag von Brigadegeneral a. D. Wolfgang Brüschke am Dienstag, den 3. Februar im Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg.

Brüschke wird zunächst die Kriegsvorbereitungen auf deutscher und russischer Seite bis zur Mobilmachung unter Berücksichtigung geostrategischer Faktoren erläutert. Danach werden die maßgeblichen Kampfhandlungen von August 1914 bis zur Winterschlacht in Masuren Anfang 1915 auch in ihrer Wechselwirkung zu den anderen Kriegsschauplätzen in Galizien und in Nordfrankreich dargestellt. Der Kampf um Ostpreußen umfasst deutlich mehr als die Schlacht bei Tannenberg, wenn auch dieser spektakuläre deutsche Sieg bis heute zu den berühmtesten Schlachten der Weltgeschichte zählt. Den Ursachen für Erfolg und Niederlage wird ebenso auf den Grund gegangen wie dem erfolgreichen Zusammenwirken moderner Technik mit Eisenbahn, Flugzeug, Funkaufklärung und schwerer Artillerie auf der deutschen Seite. Schließlich wird auch die Situation der geschundenen Bevölkerung nicht ausgespart.

Der Referent Wolfgang Brüschke wurde 1951 in Lüneburg geboren und beendete Ende 2013 seine aktive Dienstzeit nach über 42 Jahren. Er war Kommandeur eines Panzerbataillons und einer Panzerbrigade. Zuletzt fungierte er als Amtierender Befehlshaber des Wehrbereichskommandos I in Kiel. Als Generalsstabsoffizier war er mehrfach mit Fragen der Truppen- und Operationsführung betraut.

Beginn des Vortrages ist 14 Uhr, Dienstag, 3. Februar. Der Eintritt kostet fünf Euro inklusive Kaffee, Tee und Gebäck. Weitere Informationen: Ostpreußisches Landesmuseum, Ritterstraße 10, 21335 Lüneburg, Telefon (04131) 759950, Internet: www.ostpreussisches-landesmuseum.de


S. 19 Heimatarbeit

Janker, Justemang & Jibbel

2300 Wörter und Redensarten, damit nicht ganz vergessen wird, wie man in Ostpreußen schabbern konnte“, heißt das Büchlein, dass der pensionierte Pfarrer Felix Arndt – heute Oldenburg, früher Gumbinnen – in fleißiger Kleinarbeit zusammengestellt hat. Die PAZ bringt in loser Folge Auszüge. An dieser Stelle geht es weiter mit Teil 27:

I

I wo, i nei doch, i,i,i =

Verneinung

ietzen = stehlen

hauen = Gras mähen

Ilske = Iltis

Insthaus = Wohnhaus einer Gutsarbeiterfamilie

Instmann = verheirateter Gutsarbeiter

inzwei = entzwei

is all = Ist schon fertig, ist schon in Ordnung

J

Jampel = schlechter

Mantel, schlechte Jacke

Janker = Appetit

jankrig sein, jankern = Appetit haben

Järtneerer = Gärtner

Jibbel = Pferd

jibbern, jiepern = begehrlich sein

jielen = verlangend hinsehen

Jille = eine Mark

Jonas = ein schwerer Gegenstand

jrimmelieren = sich im Stillen ärgern

Jrittchenzähler = Pedant

Jungensmarjell ­= Mädchen, das sich mit Jungen herumtreibt

justemang, justement = gerade eben

Ostpreußische Augenblicke: Über den masurischen Spirdingsee zischen die Eissegeler (oben). Sie tragen die polnische Meisterschaft aus. Rechts ist zu sehen, wie der Sport früher betrieben wurde. Das Foto entstand bei Tawe im Kreis Elchniederung und wird vom Bildarchiv Ostpreußen in die Zeit zwischen 1930 und 1945 datiert.

Erfunden wurde das Eissegeln wohl im Holland des 17. Jahrhunderts. In Ostpreußen ließen sich zuerst die Eisfischer am kurischen Haff und auf den masurischen Seen per Windkraft über die zugefrorenen Wasserflächen befördern. Bald schon begeisterte sich auch die Dorfjugend für die rasante Fortbewegungsart. In kleinen wendigen Kufen-Rennern, den sogenannten Piraten, segelten sie um die Wette. Eissegeln wurde in Ostpreußen zum Nationalsport. Kein Wunder: Die Fahrzeuge beschleunigen wie Sportwagen und erreichen Höchstgeschwindigkeiten von mehr als 200 Stundenkilometern. Wie rasant es schon früher beim Eissegeln zuging, zeigt der Film „Tanzende Kufen“ von 1938. Er entstand anlässlich der zwölften Deutschen Eissegelwoche. Gesegelt wurde auf dem Schwenzaitsee bei Angerburg. Zu sehen ist er auf www.segelreporter.com (Dort einfach oben rechts in der Suchfunktion „Tanzende Kufen” eingeben). FH


S. 20 Heimatarbeit

Von der Traditionsecke zum Museum
Aus der Heimatstube Goldap wurde schon 1987 das Patenschaftsmuseum «Goldap in Osptpreußen»

„In der Fremde erfährt man erst, was die Heimat Wert ist“, hat der ostpreußische Schriftsteller Ernst Wiechert gesagt. Wer die liebevoll hergerichteten Heimatstuben der Ostpreußen besichtigt, weiß wie kostbar sie in der Tat ist. In loser Folge stellt die PAZ die Stuben vor. Diesmal geht es in das schlewig-holsteinische Stade. Dort ist das „Patenschaftmuseum Goldap in Ostpreußen zu besichtigen.

Mit der Stiftung der „Ostpreußenhilfe“ übernahmen nach dem Ersten Weltkrieg Städte und Landkreise im Westen Deutschlands Patenschaften für viele der Kreise und Städte Ostpreußens. Aus Spenden wurde Aufbauhilfe geleistet für die stark zerstörten Städte und Dörfer im Osten.

Diese Idee wurde nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgegriffen. Der Landkreis Stade übernahm im Jahre 1952 die Patenschaft für den Landkreis Goldap. Im Rahmen dieser Patenschaft wurde zunächst im Kreishaus des Landkreises Stade eine Goldaper Traditionsecke geschaffen. In den folgenden Jahren richtete man in einem landkreiseigenen Gebäude einen Raum ein, in dem erste Erinnerungsstücke zusammengetragen wurden. 1970 übergab der Landkreis Stade aus Anlass der 400-Jahrfeier der Gründung der Stadt Goldap die neu eingerichtete „Goldaper Heimatstube“ an die ehemaligen Bewohner des Landkreises Goldap und die Bürger Stades. Im Gebäude „Am Wasser West” konnte die umfangreiche Sammlung erstmals in ständiger Ausstellung besichtigt werden. Mitte der achtziger Jahre wurde das Haus saniert. Die „Goldaper Heimatstube“ musste umziehen. Die inzwischen gewachsene Sammlung wurde von Historikern gesichtet, die Exponate wurden nach musealen Gesichtspunkten zu einer Dauerausstellung geordnet. Das „Patenschaftsmuseum Goldap in Ostpreußen“ wurde im Sommer 1987 eröffnet und diente 23 Jahre auch als Treff- und Anlaufpunkt für deutsche und polnische Goldaper zu den jährlichen Hauptjahrestreffen in Stade.

2010 stellte der Landkreis Stade dem Museum größere und modernere Räume zur Verfügung. Die Neukonzeption der erweiterten und modernisierten Dauerausstellung nahm ein Jahr in Anspruch. Zum Heimattreffen im September 2011 wurde das Museum in den neuen Räumen in der Harsefelder Straße 44a in Stade wieder eröffnet und der Öffentlichkeit übergeben.

Die Ausstellungsstücke beziehen sich mit wenigen Ausnahmen auf das Gebiet des ehemaligen Landkreises Goldap und die Stadt Goldap in Ostpreußen. Es sind im wesentlichen Dokumente, Fotos und Gegenstände des täglichen Bedarfs zum Beispiel handgewebte Haushaltswäsche in zum Teil sehr aufwendigen Mustern. Nur sehr vereinzelte zählen auch Archivalien dazu, die im Fluchtgepäck der Vertriebenen 1944/45 nach West-deutschland gelangten.

Eine Freihandbücherei mit zirka 2000 Bänden zum Thema Goldap und Ostpreußen steht den Besuchern zur Verfügung. Hier finden Besucher eine umfangreiche Sammlung der Veröffentlichungen des Vereins für Familienforschung in Ost- und Westpreußen, die Kirchspielchroniken des Kreises Goldap, Veröffentlichungen der Kreisgemeinschaft Goldap, ein umfangreiches, digitalisiertes Fotoarchiv und einen guten Bestand an sehenswerten Filmen sowie Tonbandaufnahmen im ostpreussischen Platt.

Die Sammlung des Museums ist mit den Jahren gewachsen. Die Präsentation der Geschichte des Kreises Goldap und seiner Bewohner wird mit einem zusätzlichen Ausstellungsraum vervollständigt. Das Thema Goldap nach 1945, Verschleppung und Vertreibung sowie Zuflucht und neue Heimat in Stade sollen anhand von verschiedenen Lebenslinien von Goldapern dargestellt werden. Der weite Weg Polens bis zur Einbindung in die EU sowie der Weg der deutschen Goldaper zurück nach Ostpreußen in eine „Heimat auf Zeit“ sollen dem Betrachter anhand von Foto- und Texttafeln sowie moderner Technik nahe gebracht werden.

Museumsbesuchern wird ein unterschiedliches Programm geboten. Es gibt Sonderführungen, Foto- und Filmpräsentationen sowie Museumssonntage mit verschiedenen Themenschwerpunkten. Heimatkreis Goldap


S. 21 Lebensstil

Blutiger Schnee
Die Streif gilt als halsbrecherischste Abfahrt der Welt − Im Januar ist ihre 75. Austragung

Was für Tennisspieler Wimbledon und für Formel-1-Rennfahrer Monaco ist, das ist für Ski-Abfahrtsläufer das Hahnenkammrennen im Tiroler Wintersportort Kitzbühel. Dieses Jahr feiert die Veranstaltung ihr 75. Jubiläum. Passend dazu ist jetzt in den Kinos mit „Streif – One Hell of a Ride“ eine Dokumentation zu sehen, welche die ganze Faszination an dem Spektakel zeigt.

Kitzbühel im Sommer: Ein paar Bergwanderer stiefeln durch den Ort, um das Kitzbüheler Horn zu besteigen, den mit 1996 Metern höchsten Berg in den Nähe. Hin und wieder sieht man Fußball-„Kaiser“ Franz Beckenbauer durch die Straßen schlendern. Er hat ein Haus im benachbarten Oberndorf. Ein paar Straßen weiter wird die TV-Se­rie „Soko Kitzbühel“ ge­dreht. Und es sind Gleitschirmflieger unterwegs, die sich mit ihren großen Rucksäcken in den Lift am Kitzbüheler Hausberg, dem Hahnenkamm, setzen. Oben an der Bergstation nutzen sie in 1665 Metern Höhe die Aufwinde an einer steilen Schneise durch den Bergwald für ihren Flugstart übers Tal.

Im Sommer unterscheidet sich dieser Hang kaum von den vielen anderen schräg abfallenden Almwiesen in den Alpen. Doch wenn darauf Schnee liegt, stellt diese Tiroler Piste, die jeder nur als die Streif kennt, eine Herausforderung für die weltbesten Skiläufer dar. Bei einem Gefälle von 85 Prozent stürzen sich die Rennfahrer gleich nach dem Start in den berüchtigten Streckenteil Mausefalle hinein. Ein passender Name, ist doch schon so mancher auf tragische Weise darin hineingetappt, der seine skiläuferischen Fähigkeiten überschätzt hat.

Kein Wunder, dass wegen solcher nervenaufreibenden Szenen dieser relativ kleine Hausberg, der im Sommer nichts Spektakuläres erwarten lässt, im Januar eines jeden Jahres zum Pilgerort für Ski-Enthusiasten wird. An die 100000 Gäste fallen dann wie ein Tornado in den 8000-Seelen-Ort ein, um nach wenigen Tagen wieder von der Bildfläche zu verschwinden. Sie hinterlassen einen Eurosegen in zweistelliger Millionenhöhe, von dem die Region das ganze Jahr über zehrt.

Die Streif hat Kitzbühel zu einem der bekanntesten Schickeria-Orte der Alpen gemacht. Schon früh hat sie die Prominenz angelockt. Regisseurin Leni Riefenstahl hat hier einen Großteil ihres Lebens verbracht. Maximilian Schell kollabierte vor Jahresfrist in einem Hotel an einer Lungenentzündung, an dessen Folgen er kurze Zeit später in einem Innsbrucker Krankenhaus starb. Trotz Rubelverfalls sind nach wie vor viele vermögende Russen im Ort. Die Gehwege des Ortes sind die Laufstege für die neueste Pelzmode der Millionärsgattinnen.

Beim Hahnenkammrennen re­gelmäßig zu Gast ist auch Österreichs Hollywoodstar und Ex-Gouverneur von Kalifornien, Ar­nold Schwarzenegger. „Die Streif ist wie ein guter Actionfilm – bis zum Schluss spannend“, meint er. Wer selbst Actionheld in Filmen ist, muss es schließlich wissen. Im Schnitt rasen die Skiläufer mit über 100 Stundenkilometern die 3312 Meter lange Piste herunter. Damit sie härter und schneller werden, sind manche Pisten oft chemisch präpariert. So vereisen sie bei unter null Grad. Auf der Streif erreichen die Skirennfahrer im Zielschuss dann sogar annähernd 142 Stundenkilometer, vorausgesetzt sie überstehen den bis zu 80 Meter weiten Sprung in der Mausefalle. Wer hier am Stück herunterkommt, kann aufatmen, dass es ihn nicht zerlegt hat.

Nur die Besten schaffen das. Normalsterbliche würden sich da kaum heruntertrauen. Für sie gibt es auf der Streif Familienabfahrten, welche die gefährlichsten Stellen umgehen. Die Kompressionen und Fliehkräfte, die an den Kurven auftreten, kann nur bewältigen, wer ausreichend trainiert ist. In der Dokumentation „Streif – One Hell of a Ride“, die am 15. Januar gestartet ist, wird gezeigt, wie sich die Abfahrer schon im Sommer darauf vorbereiten. Schweißgebadet ziehen sie dann einen mit schweren Ge­wichten gefüllten Kinderwagen den Berg hoch. Um die enormen Fliehkräfte zu simulieren, rennen sie mit einem elastischen Fitnessband angeleint wie ein Hund neben einem Trainer her und versuchen gleichzeitig das Gleichgewicht zu halten. Nur dank solcher modernen Trainingsmethoden wurde der Schweizer Rennläufer Didier Cuche fünfmaliger Rekordsieger auf der Streif.

Doch das beste Training hilft nichts, wenn man einen Augenblick unaufmerksam ist. Tatsächlich fährt besonders auf der Streif das Risiko immer mit. Andere Abfahrtsläufe sind zum Teil noch schneller wie das Lauberhornrennen im Schweizer Wengen oder steiler wie die Kandahar-Abfahrt in Garmisch, aber keine bietet mit ihren Kurvenkompressionen für den Rennfahrer so viel Nervenkitzel wie die Streif. Die Zuschauermenge im Ziel bekommt davon erst etwas mit, wenn einer der Läufer die Kurve nicht kriegt und in die Fangzäune fliegt. Der Vo­yeurismus macht einen Großteil der Faszination für diesen Sport aus. Die Läufer sind wie moderne Gladiatoren. Jeder wünscht ihnen, dass sie heil ins Ziel kommen, aber Blut auf der Strecke nach einem schlimmen Sturz ist für viele auch die klammheimliche Würze an diesem Spektakel.

Auf der Streif sind schon viele Karrieren beendet worden. Die Film-Dokumentation „Streif“, die sich trotz atemberaubender Aufnahmen wie ein monumentaler Werbestreifen des Kitzbüheler Tourismusbüros ausnimmt, zeigt auch die Schattenseiten. 2011 stürzte der Österreicher Hans Grugger bei Tempo 100 in der Mausefalle mit dem Kopf voran auf die eisharte Piste. Der Sturzhelm konnte den Tod, nicht aber schlimmste Kopfverletzungen und eine jahrelange therapeutische Rehabilitation verhindern.

Um tödliche Unfälle nach Möglichkeit zu vermeiden, betreibt der veranstaltende Kitzbüheler Skiclub jedes Jahr einen enormen Aufwand. So werden entlang der Strecke insgesamt 6500 Meter Auffangnetze verlegt. An den gefährlichsten Stellen gibt es zusätzlich 1700 Meter Hochsicherheitsnetze. Wenn ein Rennfahrer mit den Beinen voran auf ein Netz zufliegt, zerschneiden seine Skier das Netz wie ein scharfes Messer, durch das er dann ungebremst durchfliegt. Eine zweite Netzzone soll den Sturz dann aufhalten.

Mit einem ganz anderen Problem haben die Kitzbüheler seit einigen Wintern zu kämpfen. Ihr Hausberg ist zu niedrig, jedenfalls für die immer wärmer werdenden klimatischen Bedingungen in den Alpen. Die schneebedeckten Gebirgsriesen der Kitzbüheler Alpen sind vom namensgebenden Ort fast eine Autostunde entfernt. Weil der Hahnenkamm im Winter nicht mehr schneesicher ist, stand vor einem Jahr der Abfahrtslauf auf der Kippe. Damit der Region nicht die Einnahmen wegbrechen, scheute man weder Kosten noch Mühen, um die Show stattfinden zu lassen. Von Alpengletschern karrte man mit Lkw den Schnee an, den man vor Ort mit Hubschraubern auf der zehn Grad warmen Streif verteilte. Umgeben von ansonsten grüner Landschaft raste der Österreicher Hannes Reichelt als Sieger durchs Ziel. Für die diesjährige Hahnenkamm-Woche vom 20. bis 25. Januar geben die Veranstalter Entwarnung. Seit Weihnachten sind bereits Talabfahrten möglich. Für die Renn-Asse kann es dann nur heißen: Ski heil! Harald Tews


Eine ausdrucksstarke Handschrift
Vom Schilfrohr zur Stahlfeder − Wie Schreibwerkzeuge zu luxuriösen Sammlerobjekten wurden

Das schönste Schreibgerät ist nach wie vor der Kolbenfüllhalter mit Goldfeder, und zwar keineswegs nur für Unterschriften, sondern für den ganz profanen Alltag. Denn der Füllhalter ist dasjenige Schreibgerät, das einen geschriebenen Zettel schön und bedeutsam macht. Man merkt dem Geschriebenen an, dass es Ausdruck von Gedanken ist. Wer einen guten Füllhalter benutzt, dem geht es nicht allein um kalligrafisch saubere Schrift, sondern auch nur um ein gutes Schreibgefühl.

Der Füllhalter geht auf die antiken Rohrfedern zurück, mit denen im klassischen Altertum ganze Bücher vollgeschrieben wurden. Ihnen verdanken wir die Werke großer Denker wie Sokrates, Plutarch, Seneca oder Plinius. Mit der Gänsefeder hat man im Barock und in der Weimarer Klassik so ziemlich alles aufgeschrieben, von den „Leiden des jungen Werthers“ bis zu Rechtshändeln, Briefen und Inventaren. Betrachtet man heute die Zeugnisse dieses Schreibens, so fällt vor allem die Klarheit und Gleichmäßigkeit der Schrift auf.

In Europa hatten Vogelfedern bereits im 4. Jahrhundert das Schilfrohr abgelöst. In anderen Kulturräumen wie im Orient, blieb es noch geraume Zeit bei der Rohrfeder. Die erste stählerne Schreibfeder wurde 1748 in Aachen erfunden, aber erst 100 Jahre später setzte sich das neue Schreibgerät durch. 1822 begann in England die Massenherstellung, in den 1830er Jahren kamen die Stahlfedern in Hamburg auf, 1842 begann auch in Deutschland ihre fabrikmäßige Herstellung.

Die Firma Waterman in Nordamerika gilt als der erste Hersteller von Schreibfederhaltern mit eingebautem Tintentank. Man kann solche sogenannten „Eyedropper“-Füllhalter auch heute noch kaufen, in Indien sind sie völlig alltäglich. Man schraubt sie auf, füllt ihren Schaft mit Tinte und schraubt sie wieder zu. Keine komplizierte Technik kann ausfallen, außerdem reicht der Tintenvorrat sehr lange. Endlich konnte man Ideen aufschreiben, wenn sie einem einfielen.

Doch bald wurden auch diese Schreibgeräte weiterentwickelt. Zunächst legte man einen Gummisack in den Schaft ein, der durch einen Knopf oder einen Hebel zusammengedrückt werden konnte. Später wurde das Kolbensystem entwickelt, bis heute die Königsklasse der Füllhalter. Die danach entwickelte Tintenpatrone verteuerte das Schreiben mit Füllhaltern extrem, was vor allem Schulkindern gegenüber hinterhältig ist. Dass Patronen sauberer oder praktischer wären als das gute alte Tintenglas, gehört ins Reich der Werbemärchen.

Doch auch die Schreibfedern haben sich entwickelt. Parallel zur Verwendung der Stahlfeder gab es die Glasfeder, und es wurden auch Füllhalter damit bestückt. Ihr Vorteil ist, dass man mit ihr durchschreiben kann, wenn man über Kohlepapier schreibt. Sehr hoch angesehen sind Goldfedern. Man schreibt aber nicht mit dem Gold selbst, denn dieses ist so weich, dass es sich alsbald ab­nutzen würde. Vorne an den Goldfedern befindet sich ein kleines Stück Iridium. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es sehr nachgiebige, weiche Federn. Das führte zu einem sehr lebendigen, ausdrucksstarken Schriftbild. Später tauchten Füllhalter mit verdeckter Feder auf, und heutige Federn sind zwar hübsch gestaltet, weisen jedoch nicht mehr so gute Schreibeigenschaften wie ihre Vorgänger auf. Auch Stahlfedern sind sehr empfehlenswert.

Als Material für die Füllhalter wurde oft Ebonit verwendet, ein frühes Hartgummi mit sehr guten Eigenschaften. Später kamen Schreibgeräte aus Zelluloid auf, dann solche aus Kunststoff. Es gab immer auch Füllhalter mit Metallummantelung, auch solche aus Silber oder Gold. Besonders hochwertig sind Füllhalter mit einer ganz dünn ausgearbeiteten Oberfläche aus Hartholz. Wesentlicher scheint ein anderes Segment zu sein, nämlich das der guten Alltags-Füllhalter, die einerseits sehr gut gemacht sind und vor allem sehr gut schreiben, andererseits aber nicht so teuer sind.

Ein Beispiel: Der KaWeCo „Liliput”, heute der kleinste Füllhalter der Welt und vor allem für Notizbücher und Brieftasche sehr gut geeignet, wurde schon 1910 hergestellt – aus Hartgummi. Jetzt gibt es diesen Füllhalter wieder, allerdings aus Aluminium. Zu­sammengesteckt passt er in jede Tasche. Wenn man jedoch lieber einen sehr alten Füllhalter benutzen möchten, ist einer der bereits erwähnten Eyedropper empfehlenswert. Einerseits haben diese Schreibgeräte sehr angenehme Federn, es gibt sie in verschiedenen Feinheiten. Außerdem fassen sie eine vergleichsweise große Menge an Tinte.

Solche Schreibgeräte sind sehr günstig, wenn man bedenkt, dass man für einen herkömmlichen neuen Füllhalter ungefähr ebenso viel bezahlen muss. Die alten Schreibgeräte sind voller Ge­schichten, die niemand mehr ergründen kann, die aber bis heute in ihnen stecken. Manche reisten um die halbe Welt, mit anderen wurde Geschichte ge­macht oder wurden Schicksale besiegelt. Mit manchen von ihnnen wurden die großen Werke der Literatur verfasst, mit manchen bitterböse Briefe, mit anderen wiederum Bittgesuche oder Liebesschwüre. Alexander Glück


S. 22 Neue Bücher

Meisterlich jonglierend
Gedichtband über Goethe

Vielleicht ist das so, wenn man in der Nähe Weimars geboren wurde. Vielleicht befasst man sich dann ganz zwangsläufig mit den größten Dichtern Deutschlands, weil sie vor gar nicht allzu langer Zeit in dieser Gegend lebten. Weil sie damals, wie wir heute, durch die Wälder streiften und aus Naturerleben einzigartige deutsche Kunst kreierten. Vielleicht spürt man den Geist Goethes rund um Weimar noch heute?

Die Autorin Franziska Trauth stammt von einem Bauernhof in der Nähe Weimars. Natürlich studierte sie Germanistik und Romanistik. Bis zur Pensionierung vermittelte sie ihr Wissen als Studiendirektorin an einem Berliner Gymnasium und brachte den Schülern das nahe, was sie ihr Leben lang schon beschäftigte: ihre Leidenschaft für die Literatur.

Jetzt lässt sie uns als Leser teilhaben an einer neuen Sicht auf ihren Goethe. Franziska Trauth nähert sich dem großen Vorbild in Gedichten. Diese erzählen weit mehr als auf dem Papier steht, heißt es im Einband des im brandenburger Verlag Märkische Lebensart erschienenen Buches „Goethes Weimar - du fragst nach Liebe und Schuld”.

Schon der sattrote Buchdeckel macht neugierig auf mehr. Goethes Gartenhaus, eingebettet in eine naiven Landschaft, ist darauf zu sehen. Die Künstlerin Teresa Trauth, die Tochter der Autorin, hat das Werk illustriert und führt uns auch im Buch mit ihren kräftigen Farbengemälden von Gedicht zu Gedicht. Es geht unter anderem um Liebesgeheimnisse des großen Dichters, der neben dem Genie doch auch nur ein Mensch war. Ein Mensch in Weimar, der liebte und litt. Beim Lesen der Lyrik macht man sich selber auf den staubigen Weg der thüringischen Landschaft, verfolgt den Dichter, wie er der verbotenen Liebe zur Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar frönt. Spürt der Frage nach, ob diese Liebe unter Wahlverwandten sich erfüllt hat oder sie ihnen wegen höfischer Konventionen versagt blieb.

Was Franziska Trauth bei ihrer Lyrik besonders wichtig war? „Natürlich neben dem Inhalt vor allem auch formale Elemente, zum Beispiel die zahlreich verwendeten Stilfiguren und nicht zuletzt das Versmaß bis hin zum Distichon, was für mich Reime überflüssig gemacht hat”.

Die Gedichte hängen eng mitFranziska Trauths Roman „ausgerechnet wahlverwandt” (Monsenstein und Vannerdat Verlag) zusammen. Die Ich-Erzählerin vermischt darin ihr eigenes Leben gedanklich mit dem Leben am herzoglichen Weimarer Hof zur Zeit Goethes.

„Ohne den Roman hätte es auch die Gedichte nicht gegeben", erzählt die Autorin. Das wäre schade gewesen, denn der Gedichtband ist berührend und inspirierend. Meisterlich jonglierend mit seiner, mit unserer deutschen Sprache, kommen die Verse daher. Ganz im Sinne des größten deutschen Denkers.

Silvia Friedrich

Franziska Trauth: „Goethes Weimar – Du fragst nach Liebe und Schuld. Gedichte“, Märkische Lebensart, Storkow 2014, 60 Seiten, gebunden, 15 Euro


Kratzen an der Idylle
Kritischer Blick auf Österreich-Ungarn im Ersten Weltkrieg

Die vier noch relativ jungen Autoren dieses Werkes sind, wie das umfangreiche Literaturverzeichnis aufzeigt, im Umfeld des Themas bereits wissenschaftlich tätig geworden. Hier bieten sie eine sorgfältig dokumentierte Schau der Kriegsverbrechen, derer sich die k.u.k. Armee im Ersten Weltkrieg schuldig gemacht hat. Das ist ein neuer, man muss zugeben, materiell und moralisch bereichernder Aspekt in der allgemeinen Debatte zum Gedenkjahr 1914. Allerdings dürften die Autoren zustimmen, wenn der Rezensent zu bedenken gibt, dass die Kriegsverbrechen der Gegenseite dabei notwendigerweise nur kurz gestreift werden. Die Konzentration auf das Titelthema hat nun einmal diesen Effekt.

Dass die Kriegführung der k.u.k. Armee von exzeptioneller Grausamkeit geprägt gewesen sei, wird deswegen nicht behauptet. Auch hat Österreich-Ungarn bei allem willkürlichen Morden seiner Soldaten und Militärbehörden niemals die Absicht zu einem veritablen Völkermord gehabt. Die osmanische Führung jedoch hat ab 1915 einen solchen an den Armeniern begangen. Der deutsche und der österreichisch-ungarische Bundesgenosse schauten gezielt weg, wobei Wien sich dem Berliner Kurs anpasste. Dabei hatte das Armee-Oberkommando schon Ende September 1915 erfahren, dass „Konstantinopel“ es auf „die Vernichtung der Armeinier abgesehen zu haben scheint.“

Solche und viele andere Detail-Informationen machen das Buch wertvoll. Zumal es an der Zeit ist, am idyllisch-nostalgisch-kitschigen Bild der „guten alten Zeit“, personifiziert in Kaiser Franz Joseph, dem „guten alten Mann in Schönbrunn“, zu kratzen. Man muss überhaupt an jeder Idylle kratzen, die nicht von Anfang an poetisch und fiktiv bestimmt ist, sondern sich einen bestimmten historischen Zustand zur Umformung herausgesucht hat.

Die Autoren tun das bereits im ersten Kapitel, „Kriegsschuld“ betitelt, ausführlich. Sie legen dar, dass maßgebliche Entscheidungsträger schon wenige Tage nach Ermordung des Thronfolgers in Sarajewo, und noch bevor Graf Hoyos seine Reise nach Berlin (mit dem bekannten Ergebnis des deutschen „Blankoschecks“ für ein Vorgehen gegen Serbien) angetreten hatte, zum Krieg gegen Serbien entschlossen waren

Der nächste Schritt der Eskalation zum Kriege war die russische Parteinahme für Serbien. Der russische Außenminister Sasonow vertraute dem k.u.k. Botschafter in St. Petersburg an, er „habe gar kein Gefühl für die Balkanslawen. Diese sein für Russland sogar eine schwere Last.“ Das ist ein interessanter Hinweis darauf, dass es damals für die russische Prestigepolitik auf dem Balkan Alternativen gab. Warum es dann trotzdem zur russischen Generalmobilmachung vom

30. Juli 1914 kam, muss man allerdings anderswo nachlesen. Hier muss man den auf Österreich-Ungarn eingeschränkten Blickwinkel des Werkes berücksichtigen. Die Diskussion zur russischen Haltung wird aber immerhin in eine umfangreiche Fußnote ausgelagert. Sie wirkt gleichzeitig dem beim ersten Lesen des Haupttextes auftauchenden Eindruck entgegen, die Donaumonarchie hätte bei gutem Willen den Krieg mit dem Zarenreich vermeiden können.

Der Haupt-Autor Hannes Leidinger tritt mit der Bestätigung der von ihm zitierten Auffassung, Österreich-Ungarn habe sich „aus Angst vor dem Tod …. das Leben genommen“, einer „gesamteuropäischen Proporzlösung der geteilten Schuld“ im „Dienst eines noblen Versöhnungswerkes“ entgegen. Das kann er aber logischerweise nicht überzeugend, da ihn seine Darstellung nicht zur hinreichenden Erörterung des Verhaltens der anderen Mächte in der Julikrise 1914 kommen lässt. Das leidige Thema ist also auch nicht mit diesem verdienstvollen Werk erledigt, und sollte es wohl auch nicht.

Bernd Rill

Hannes Leidinger, Verena Moritz, Karin Moser, Wolfram Dornik: „Habsburgs schmutziger Krieg – Ermittlungen zur österreichisch-ungarischen Kriegsführung 1914-1918,” Residenz Verlag, St. Pölten 2014, gebunden, 328 Seiten, 24,90 Euro


Alles ein bisschen arabisch
Eine Kriminellen-Karriere in Neukölln: Der Libanese Yehya E.

Das Asylgesuch abgelehnt? In Deutschland bedeutet das noch lange nicht die Ausreise. Von den Abgelehnten genießen 95000 „Duldung“. Gemeint ist die „vorübergehende Aussetzung der Abschiebung von ausreisepflichtigen Ausländern”. Ist die Duldung abgelaufen? Kein Problem, dann wird sie verlängert. Das nennt sich Kettenduldung. Auch „Yehya E.“ und seine Familie sind schon seit vielen Jahren geduldet. Ein Buch „In den Gangs von Neukönn“ schildert sein kriminelles Leben.

Autor ist der Journalist und Filmemacher Christian Stahl. Er kennt und schildert das Scheitern der „Willkommenskultur“, speziell bei islamischen Zuwanderern. Ihr archaisches Wertesystem, basierend auf „Respekt“ und „Ehre“, wirkt oft als Einbahnstraße zu kriminellen Karrieren. Sie hassen die „Kartoffeln“ (Deutsche), pfeifen auf den Rechtsstaat, und wissen, dass ihnen wenig passieren kann: Deutschland weist sie kaum aus, ihre Heimatländer nehmen sie nicht zurück, sondern sind froh, sie los zu sein. Also wuchert es in unserer Nachbarschaft: „… in Neukölln sind alle ein bisschen arabisch und ein bisschen kriminell, und du musst schon der Kriminellste werden, um aufzufallen“, heißt es in Stahls Buch.

Der „Kriminellste“ ist Yehya El-Ahmad, der Held von Stahls Buch. Stahl nennt ihn, wohl aus Jugendschutzgründen, nur „Yehya E.“. Dabei ist er in Berlin steck-

brieflich bei Polizei und Haftanstalten bekannt: 1990 im Libanon geboren, im selben Jahr mit seiner Familie (und gefälschten Pässen) nach Deutschland gereist. Mit 13 Jahren, also vor seiner Strafmündigkeit, hatte er bereits 54 Verbrechen auf dem Kerbholz. Später verbüßte er immer neue Haftstrafen („räuberische Erpressung, Körperverletzung“), was er als „Auszeichnung“ ansah: „Wer mit vierzehn noch keine Straftat begangen hat, wird auf der Straße ausgelacht. Mörder, genannt zu werden, ist ein Kompliment.“

Im Buch wird darüber in einer Art berichtet, dass sich der Leser wenig ernst genommen fühlt. Yehya führt eine Bande von 100 Jungen an. Er ist auf „einen eigenen Staatsanwalt“ stolz. Er ist „kaltblütig, gewissenlos, gemeingefährlich“, sagt Stahl, um dann in bekannte Hohlphrasen zu verfallen: Der „kriegstraumatisierte Flüchtling“ Yehya sei ein Opfer „verfehlter Einwanderungspolitik“, „die Ursachen für seine Kriminalität liegen mitten in Deutschland. Ich glaube an seine Unschuld“, erklärte Stahl noch Ende 2013, als Yehya El-Ahmad erneut als „mutmaßlicher Kopf“ einer Räuberbande verhaftet ist. Dennoch: Wer über Stahls Alles-Verstehen-Alles-Verzeihen-Phrasen hinwegliest, erhält einen intimen und erschreckenden Bericht über das kriminelle Leben in der parallelen Welt von Neukölln. Wolf Oschlies

Christian Stahl: „In den Gangs von Neukölln – Das Leben des Yehya E.”, Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2014, 245 S., 17,99 Euro


Mystischer Bote
Unzeitgemäße Biografie zum Matthias-Claudius-Jahr

Dass Matthias Claudius auch 200 Jahre nach seinem Tod noch die Ge­müter bewegt, zeigt das halbe Dutzend Neuerscheinungen anlässlich seines Doppeljubiläums in diesem Jahr (siehe Seite 9). Schon vor einem Jahr legte Reiner Strunk mit „Matthias Claudius: Der Wandsbecker Bote“ eine biografische Übersicht vor (Calwer, 200 Seiten, 16,95 Euro). Während Reinhard Görisch in „Matthias Claudius oder Leben als Hauptberuf“ (Francke, 2014, 112 Seiten, 12,95 Euro) Leben und Werk kurz zusammenfasst, befassen sich andere Neuerscheinungen mit Teil- oder heimatlichen Aspekten des Autors.

Martin Gecks „Biographie eines Unzeitgemäßen“ verdient dabei aber besondere Beachtung. Er versucht sich der Person von Claudius aus ganz persönlichen Motiven zu nähern und komponiert dabei ein fast schon melodisch klingendes Bild des Dichters. Geck selbst ist Musikwissenschaftlicher und hat bereits Biografien über alle großen Komponisten von Bach bis Wagner geschrieben. Claudius ist seine erste Biografie über einen Nicht-Musiker. Aber stimmt das überhaupt? Bevor er zum „Wandsbecker Boten“ wurde, bewarb sich Claudius in Lübeck als Organist, fand sich aber selbst nicht gut genug, als er einen Mitbewerber spielen hörte und sagte gleich wieder dankend ab.

Da viele Lieder von Claudius vertont wurden – man denke nur an Schuberts „Der Tod und das Mädchen“ oder das „Abendlied“, das Eingang in das evangelische Gesangbuch gefunden hat –, stieß Claudius naturgemäß auf Gecks Interesse. Nicht zufällig habe er mit Claudius einen Nicht-Musiker gewählt, sagt der Autor: „Seine Lyrik erinnert mich an die Sehnsucht nach Jenseitigem, die auch die Musik in mir wachruft.“

Geck erzählt nichts grundlegend Neues, jedenfalls nichts, was in der Claudius-Forschung ohnehin schon bekannt wäre, setzt aber den Fokus auf das Mystische in Claudius Wesen an. Er versucht dem Mann, der oft nur als einfältiger Lebenskünstler verkannt wurde, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. So hält sich Geck verhältnismäßig kurz mit Claudius Zeit beim „Wandsbecker Boten“ auf, um zu zeigen, wie der Freimaurer in seiner Spätzeit zum Gottessucher wurde, was sich auch in seinem Werk widerspiegelt.

Dass dieses Werk musikalisch beeinflusst war, zeigt sich auch an einer lebhaften Begegnung Claudius mit Carl Phi­lipp Emanuel Bach. Claudius verfolgte den „Hamburger Bach“ bis nach Hause und trifft ihn „im negligé, darin er sprach, aber nicht spielte“. Harald Tews

Martin Geck: „Matthias Claudius. Biographie eines Unzeitgemäßen”, Siedler 2014, gebunden, 320 Seiten, 24,99 Euro


»Brutal im Sieg«
Wie britische Soldaten uns sehen sollten

So also sind die Deutschen: Groß, fleischig und hellhaarig kommen sie daher. Einen angenehmen Charakter haben sie nicht. „Alles in allem sind sie brutal, solange sie siegreich sind. In der Niederlage aber werden sie selbstmitleidig und betteln um Mitleid. Sie sind ein merkwürdiges Volk, in einem merkwürdigen feindlichen Land.“

Nachzulesen sind diese wenig schmeichelhaften Einschätzungen in einem schmalen roten Bändchen, dem „Leitfaden für Britische Soldaten in Deutschland 1944“. Als schriftliche Anleitung hat er die Streitkräfte des Vereinigten Königreiches instruiert, wie im Feindesland mit den besiegten Gegnern umzugehen war. Informationen zur Landeskunde, zur Geschichte, zu Kultur und Sprache enthielt er obendrein.

Der Kiepenheuer-und-Witsch-Verlag hat das Buch jüngst in einer deutschen Übersetzung herausgegeben, nachdem der Verleger Helge Malchow das Original angeblich zufällig entdeckte, als er den Schriftsteller Christian Kracht in Italien besuchte.

Malchow landete einen phänomenal Verkaufserfolg. Das Buch kletterte sogar in die „Spiegel“-Bestseller-Liste. Wer hineinliest, versteht warum. In einer klaren und einfachen Sprache eröffnet es eine ungewohnte Außensicht auf uns Deutsche. Die besondere Situation – Sieger und Besiegte – bringt zusätzliche Dramatik. Was auffällt: Man gibt sich zivilisiert und generös. „Das britische Commonwealth hegt nicht die Absicht Vergeltung zu üben.” An anderer Stelle wird klargestellt: „Ein britische Besatzung wird nicht von Brutalität, aber auch nicht von Nachgiebigkeit oder Sentimentalität geprägt sein.”

Ebenfalls bemerkenswert: Man mag die „fleischigen” Besiegten nicht und begegnet ihnen mit Mißtrauen, dennoch werden die zwölf Jahre Hitler-Herrschaft durchaus als ein singuläres Ereignis in der deutschen Historie gesehen. Früher oder später, so der Tenor, wird eine normale Nachbarschaft wieder möglich sein. Man wünscht sich fast, dass im heutigen Deutschland mit ähnlichem Augenmaß auf die mittlerweile 70 Jahre zurückliegenden Ereignisse geblickt würde.

Frank Horns

„Leitfaden für Britische Soldaten in Deutschland 1944“, Kiepenheuer und Witsch. Köln 2014, gebunden 60 Seiten, 8 Euro


S. 23 Rautenberg Buchhandlung

Rautenberg Buchhandlung


S. 24 Panorama

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Lügenpresse / Was Sprachwissenschaftler besser wissen, wie man ein vollwertiger Idiot wird, und ab wann es mit einem Regime zu Ende geht

Das Unwort des Jahres lautet also „Lügenpresse“. Gleich „Pegida“ zu küren hat sich die Jury der Sprachwissenschaftler wohl nicht getraut. In der Begründung lässt sie aber keinen Zweifel aufkommen, gegen wen sich die Wahl richtet.

„Lügenpresse“ sei schon im Ersten Weltkrieg als Kampfbegriff gebraucht worden und später von den Nationalsozialisten, die ihn zur pauschalen Diffamierung der unabhängigen Medien benutzt hätten. Und bei Pegida? Gerade die Tatsache, dass der Masse der Demonstranten die „sprachgeschichtliche Aufladung“ des Begriffs gar nicht bewusst sei, mache ihn zu einem besonders perfiden Mittel jener, die ihn gezielt einsetzten.

Aha, da haben wir sie wieder, die bereits in Stein gemeißelte Soziologie der Pegida: Im Tross die Masse ahnungsloser Deppen, an der Spitze der kleine Kader abgefeimter „Nazis in Nadelstreifen“. Warum diese Aufteilung so emsig propagiert wird? Ganz einfach: Damit erübrigt sich jede ernsthafte Debatte mit Pegida.

Den Deppen muss man nur klar machen, dass sie in der Tiefe ihres Herzens doch ganz brauchbare Leute seien, nur eben doof. Mit denen redet man wie mit Neunjährigen, die an die falschen Freunde geraten sind, bevor man sie mit einem „Das mir das ja nicht wieder passiert“ aufs Zimmer schickt.

Die Abgefeimten dagegen muss man von den Deppen isolieren, einsammeln und mit einem großen Kainsmal versehen, damit von denen nie wieder jemand ein Stück Brot nimmt. Ja, so funktioniert das in einer „auf Vielfalt, Toleranz und Meinungsfreiheit“ ausgerichteten Gesellschaft.

Mit dem Unwort glaubt die moralische Obrigkeit im Land ein mächtiges Werkzeug zur Verteidigung ihrer moralischen Macht in den Händen zu haben. Wer will schon mit einem Kampfbegriff erwischt werden? Im Ersten Weltkrieg belegten deutsche Stellen jene britischen Blätter, die behaupteten, deutsche Soldaten hätten belgischen Kindern die Hände abgehackt, mit dem Unwort.

Nach dem Krieg gaben die Briten zu, dass das mit den Kinderhänden eine Lüge ihrer Presse gewesen sei. Wer indes eine Presse, die lügt, als Lügenpresse bezeichnet, der bleibt trotz dieses historischen Geständnisses ein übler Hetzer, um nicht zu sagen: ein Lügner! Behauptet zumindest die Unwort-Jury.

Verstehen Sie nicht? Ich ebenfalls nicht. Aber dafür sind das ja auch Sprachwissenschaftler und wir bloß Deppen. Wie? Sie verbitten sich das? Sie sind kein Depp?

Obacht! Mit dieser Haltung stehen Sie schon mit einem Fuß in der brodelnden Pegida-Jauche. Denn das ist es ja, was die Unverfrorenheit dieser Unwort-Rufer ausmacht. Sie bilden sich ein, keine Deppen zu sein. Sie meinen, die Wirklichkeit mit ihren eigenen Augen erkennen und sich eine eigene Meinung dazu bilden zu können, statt auf die Experten zu vertrauen, die stets nachweisen, dass alles ganz, ganz anders ist.

Erst, wer eingesehen hat, dass er ein Depp ist, der nur glauben darf, „was Studien belegen“, statt seinem eigenen Eindruck zu trauen, der ist fit für die weltoffene und tolerante Gesellschaft, der ist wirklich „bunt“ genug für unsere „bunte Republik“. Früher waren nur die Clowns bunt, heute sollen wir das alle sein. Die Rolle des „Bunten“ hat sich dabei nicht geändert. Es ist die des Idioten.

Viele glauben ja, dass so ein Idiot ein wunderbares Leben führt. Entlastet von der Not des Selbstdenkens, braucht er nur auf Anweisungen zu warten und ansonsten gemächlich durch den Tag zu schlendern. Weit gefehlt: Bisweilen verlangt einem das Idiotendasein heftige Sprünge ab, die auf elegante Weise nur vollführen kann, wer hinlänglich dressiert ist.

Ein hypothetisches Beispiel zeigt uns, wie herausfordernd so etwas werden kann: Nach der Pariser Bluttat mussten wir von der einen Sekunde zur nächsten auswendig lernen, „dass das nichts mit dem Islam zu tun hat“, sondern bloß krank und verbrecherisch sei, obwohl wir wussten, dass daran irgendetwas nicht stimmen kann. Aber das können wir wacker herunterschlucken, wir sind schließlich Profis. Auch (aber das versteht sich ja sogar für den Nicht-Idioten) dürfe niemand aus der Tat weniger auf den Islam an sich oder gar alle Muslime schließen. Hatte eigentlich auch keiner vor, aber man weiß ja nie, den Idioten sagt der weise Dompteur lieber alles dreimal.

So weit, so gut. Jetzt stellen wir uns aber mal vor, mitten in den Ermittlungen hätte sich herausgestellt, dass die Mörder in Wahrheit französische Rechtsextremisten gewesen seien! Wäre dann auch die strenge Weisung ergangen, nun aber ja nicht zu verallgemeinern? „Das hat nichts mit nationalen Einstellungen zu tun, sondern ist einfach nur krank und verbrecherisch.“ Außerdem dürfe niemand von der Tat auf alle radikal rechts Stehenden schließen. Von der Mehrheit der gemäßigten, demokratisch gesinnten Rechten ganz zu schweigen.

Na? Wäre das so verlaufen? Sie wissen es, ich weiß es auch: ganz bestimmt nicht. Statt „nicht verallgemeinern“ wäre die Losung ergangen: Verallgemeinern, soweit es nur irgend geht. Alle, die rechts der Mitte stehen, seien „geistige Brandstifter“ und „ideologische Wegbereiter“ für den feigen Massenmord von Paris. Der stets sprungbereite Idiot hätte das binnen Sekunden begreifen müssen, um auf Kommando die richtigen Figuren zu drehen und Sprüche aufzusagen.

Statt „nicht verallgemeinern“ hätte er raunen müssen, dass der „rechte Terror“ aus der „Mitte unserer Gesellschaft“ gekommen sei, also sozusagen von uns allen. Bis in die sprachlichen Feinheiten hinein müsste der Idiot sein Repertoire auf den Kopf stellen. Während es beispielsweise ein Todsünde ist, „islamisch“ und „islamistisch“ durcheinander zu werfen, ist die Verwischung der Grenze zwischen „rechts“ und „rechtsextrem“ geradezu Pflicht. Das hat Methode: Auf diese Weise ist es gelungen, das gesamte Spektrum rechts der Mitte moralisch zu kriminalisieren. Vor 30 Jahren war ein „Rechter“ ein CDU-Wähler oder ein Nationalliberaler vom rechten Flügel der FDP. Heute ist er sowas wie ein Gedankenverbrecher, ein moralisches Untier. Selbst Pegida-Demonstranten, denen man kaum Feigheit nachsagen dürfte, quieken bisweilen aufgeregt: „Ich bin aber nicht rechts! Nicht dass Sie das denken, nein, nein.“

Wir sehen, die Verwischung hat herrlich funktioniert. Jeder (mutmaßlich) rechtsextreme Anschlag formt sich daher zur Wunderwaffe, mit der die Linken die Linien ihrer Gegner auf ganzer Breite in Brand setzen können. Die Gegner rennen dann wie die Hasen. Selbst der anlasslose „Vorwurf“, rechts zu sein, löst hastiges Hecheln und beflissenes Winseln aus.

Das heißt, man muss wohl sagen: löste früher einmal. Irgendwie hat sich das in den vergangenen Wochen ziemlich abgenutzt. Selbst die Wahl des einst gefürchteten „Unwortes“ wird von (unabhängigen) Kommentaren im Internet nur noch als Albernheit einer in sich gekehrten Kaste verlacht, die ihre Tapetenwände für das Panoramafenster zur Wirklichkeit hält.

Was macht die Kaste aus Politikern, Mainstream-Journalisten, bestellten Experten für gewünschte Studien und so weiter da bloß? Das, was sie immer gemacht hat, nur dass wir das nicht so genau gesehen haben wie heute: Sie bastelt sich ihre eigene Wirklichkeit selbst, wenn die wirkliche Wirklichkeit ihr nicht mehr passt.

So werden dann Mitarbeiter von staatlichen und staatlich subventionierten Körperschaften, „erlebnisorientierte“ Milchgesichter, Antifa-Schläger und andere Bevölkerungsdarsteller zusammengekarrt, um „ein eindrucksvolles Signal der Zivilgesellschaft gegen Pegida auszusenden“.

Übrigens: Das Ende des Honecker-Regimes begann damit, dass der greise Staatslenker tatsächlich begann, auf seine eigenen Inszenierungen hereinzufallen, welche ihm die Einheit von Volk und Partei vorgaukelten.


MELDUNGEN / ZUR PERSON

Miegel-Denkmal wird entfernt

Bad Nenndorf – Das Denkmal für die ostpreußische Schriftstellerin Agnes Miegel (1879–1964) in Bad Nenndorf wird entfernt. Nachdem der Rat der Stadt dies bereits vor einem Jahr beschlossen hatte, hatten Bürger ein Bürgerbegehren dagegen gestartet. Dieses ist am Sonntag jedoch an mangelnder Beteiligung gescheitert. Statt der geforderten 25 Prozent der Stimmberechtigten nahmen nur 21 Prozent teil. Diese indes sprachen sich zu 77 Prozent für den Erhalt des Denkmals aus. H.H.

 

Stasi-Behörde soll schließen

Bonn – Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger (SPD), hat sich für die Auflösung der Stasiunterlagen-Behörde ausgesprochen. Eine Generation nach Ende der DDR sei die Behörde überholt. Sachsens Beauftragter für Stasiunterlagen, Lutz Rathenow, widersprach. Der Ansturm sei ungebrochen. In den letzen Jahren hätten jeweils mehr als 60000 Opfer Einsicht in ihre Stasi-Akten beantragt. H.H.

 

Atlantikerin an der Macht

Allmählich erfüllen die EU-Länder die Frauenquote an der Staatsspitze. Mit Kolinda Grabar-Kitarovic hat nun auch Kroatien eine Staatspräsidentin. Als Außenseiterin ins Rennen gegangen, hat die konservative Politikerin von der Kroatischen Demokratischen Union (HDZ) den bisherigen sozialdemokratischen Amtsinhaber Ivo Josipovic in der Stichwahl um die Präsidentschaft knapp geschlagen.

Grabar-Kitarovic profitierte von der Unzufriedenheit im Land. Der 28. und jüngste EU-Mitgliedsstaat – Kroatien ist erst 2013 der Europäischen Union beigetreten – steckt seit 2008 in einer Dauerrezession, die Arbeitslosigkeit liegt bei 20 Prozent. Auch wenn das Präsidentenamt in Kroatien nur repräsentative Aufgaben erfüllt, haben die Wähler Josipovic für die Wirtschaftspolitik des regierenden Premierministers und Parteifreunds Zoran Milanovic abgestraft.

Auf der anderen Seite überstand Grabar-Kitarovic den Korruptionsfall in der HDZ, der ihrem früheren Mentor und Ex-Premier Ivo Sa­nader zehn Jahre Haft einbrachte. Da die 46-jährige Fleischerstochter die erste Präsidentin ist, die keine kommunistische Partei-Vergangenheit im früheren Jugoslawien hat, gilt sie als Hoffnungsträgerin. Aber eine mit einem ausgeprägt transatlantischen Blick. An US-Unis ausgebildet und mit einem Fulbright-Stipendium in Washington tätig gewesen, hat sie beste Kontakte zu Barack Obama und Hillary Clinton.

Nachdem Sanader sie 2003 zur Ministerin für europäische Integration und 2005 zur Außenministerin gemacht hatte, ging sie 2008 als Botschafterin in die USA. Von 2011 bis 2014 war sie stellvertretende Generalsekretärin der Nato. Sollte Grabar-Kitarovic als Präsidentin glänzen, könnten die Konservativen auch bei den kommenden Parlamentswahlen im Dezember die Macht übernehmen. H. Tews


MEINUNGEN

Ayaan Hirsi Ali, Bestsellerautorin und frühere niederländische Politikerin somalischer Herkunft, zu den Reaktionen auf den Massenmord von Paris in der „Welt“ (9. Januar):

„Wenn wir die Haltung einnehmen, dass wir es hier mit einer Handvoll mörderischer Gangster zu tun haben, ohne Verbindung zu dem, was sie lautstark von sich behaupten, dann ist das keine Antwort. Wir müssen erkennen, dass die heutigen Islamisten von einer politischen Ideologie angetrieben werden, einer Ideologie, die in den grundlegenden Texten des Islam eingebettet ist. Wir können nicht länger so tun, als sei es möglich, die Taten zu trennen von den Idealen, die sie inspiriert haben.“

 

 

Die Islamisierung des Abendlandes sei kein Hirngespinst, sondern längst Wirklichkeit, sagt Gideon Böss im Netzportal „Achse des Guten“ (9. Januar):

„Wer aus der Riege der heroischen Islamverteidiger in Presse und Politik würde es wagen, eine Mohammed-Karikatur zu veröffentlichen oder den Propheten öffentlich zu beleidigen? Keiner. Aus Angst um das eigene Leben ... Übrigens hat die Angst, wegen der sich das niemand traut, einen Namen: Islamisierung.“

 

 

Im „IPG-Journal“ der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (8. Januar) hält Ernst Hillebrand der politischen Linken angesichts der Morde von Paris schwere Versäumnisse im Umgang mit radikalem Islam und Pegida vor:

„Warum die Sorge vor Attentaten und der Wunsch nach der Bewahrung einer freiheitlichen und säkularen Gesellschaft eine ,Schande für Deutschland‘ sein soll, bleibt das Geheimnis des Justizministers und des deutschen Feuilletons. Wer die Faschisten sind, sollte spätestens seit dem 7. Januar klar sein. Man hätte es aber auch schon früher wissen können.“

 

 

Der Kabarettist Dieter Nuhr kritisiert in der „FAZ“ (12. Januar) die Verteufelung jedweder Islamkritik:

„Wer heute im Fernsehen einen Witz über Mohammed macht, muss damit rechnen, getötet zu werden. Da ist die Freiheit schon lange den Bach runter ... Und was Islamophobie angeht: Phobien sind krankhafte Ängste. Und die pauschale Bezeichnung aller Islamkritiker als ,islamophob‘ zeigt, was diese Leute von Andersdenkenden halten: Wer anders denkt, ist krank.“

 

 

Der ehemalige Sowjet-Chef Michail Gorbatschow erhebt im Interview mit dem „Spiegel“ (10. Januar) schwere Vorwürfe gegen die USA, denen er die Hauptschuld für die neuen Spannungen zwischen Ost und West gibt:

„Im November 1990, bei der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in Paris, war vom Aufbau einer neuen friedlichen Weltordnung die Rede ... Aber daraus wurde nichts, eine Demilitarisierung der Politik fand nicht statt. Stattdessen hat sich in Amerika eine gefährliche Siegermentalität breitgemacht ... Die Amerikaner begannen damit, Russland mit angeblichen Verteidigungsringen zu umgeben, der Nato-Osterweiterung.“