19.04.2024

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Preußische Allgemeine Zeitung - Aktuelle Ausgabe

© Preußische Allgemeine Zeitung Folge 24/15 vom 13.06.2015

S. 1 Preußische Allgemeine Zeitung

Merkels Geisterfahrt
Neues Nachgeben gegenüber Athen erschüttert die EU in ihren Grundfesten

In der EU geht es zu wie in der Unterwelt: Wer droht und betrügt, der gewinnt, wer sich an die Regeln hält, verliert.

Angela Merkel (CDU) isoliert sich mit ihrem verbissenen Festhalten an Griechenlands Euro-Mitgliedschaft und ihrer Be- reitschaft, erneut Milliarden ins hellenische Fass ohne Boden zu werfen, mittlerweile sogar von ihren engsten Getreuen. Von einem offenen Zerwürfnis mit Wolfgang Schäuble (CDU) ist in Berlin die Rede.

Der Finanzminister sei die Zumutungen aus Athen leid, von wo außer immer neuen Forderungen und Beschimpfungen der Gläubiger nichts zu hören sei, heißt es in Berlin. Unions-Abgeordnete berichten von massenhaften Protesten von Parteimitgliedern gegen abermalige Griechenland-Hilfen und Schuldenerlasse. Im Januar hatte Merkel einen weiteren Schuldenerlass noch ausgeschlossen, nun handelt sie offenbar selbst einen aus. Allerdings ohne Schäuble, den sie ins zweite Glied abgeschoben hat.

Für die Europäische Union sind diese Nachrichten verheerend. Politiker wie Merkel, Griechen-Premier Alexis Tsipras und EU- Kommissions- präsident Jean-Claude Juncker verwandeln die EU in eine Zockerhöhle, in der die Gesetze der Unterwelt herrschen: Gewonnen hat, wer am effektivsten droht und am frechsten fordert oder betrügt. Verloren hat derjenige, der sich an die Regeln hält und Verantwortung für das Ganze zeigt, denn seine Regeltreue und sein Verantwortungsgefühl werden brutal gegen ihn ausgespielt. So erpresst Athen seine „Partner“ dreist mit seinem eigenen Zusammenbruch, nachdem es sie beim Euro-Eintritt bereits betrogen hatte und nachher Regeln und Vereinbarungen reihenweise brach. Für dieses Griechenland müssen sogar Völker, die im Wohlstandsniveau weit hinter den Griechen stehen wie Slowenen oder Slowaken, Milliarden an Steuergeldern aufbringen.

Die Tatsache, dass Griechenland damit durchkommt, gefährdet die Europäische Union, ja den europäischen Einheitsgedanken an sich in den Grundfesten. Denn was hält Europa zusammen? Eine europäische nationale Identität existiert nicht, weil es kein europäisches Volk gibt. Ein solches lässt sich auch weder durch Junckersche Ranküne noch durch Merkelsche Sturheit oder gar griechische Frechheit herbeizwingen.

Europa ruht stattdessen auf gemeinsamen Regeln und einem gemeinsamen Verantwortungsgefühl für das Ganze. Genau auf den Dingen also, welche gerade zertrampelt werden.

Benebelt von ihren Dogmen „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“ und „Griechenland muss um jeden Preis im Euro bleiben“ steuert Angela Merkel das europäische Projekt in Richtung Geisterfahrt. Dort wird es früher oder später an der entgegenkommenden Realität zerschellen. Danach liegt der Traum der Nachkriegsgeneration von einem endlich einträchtigen Kontinent in Trümmern. Hans Heckel


Preußisch korrekt
Berliner Schloss feiert Richtfest – Pünktlich und im Kostenrahmen

Das größte Kulturprojekt des Bundes nimmt Gestalt an. Dort, wo einst das Berliner Stadtschloss stand, erhebt sich der Rohbau des Humboldt-Forums – nur zwei Jahre nach der Grundsteinlegung. Auch der Bau der wuchtigen Kuppel der rekonstruierten Hohenzollern-Residenz schreitet planmäßig voran. Im kommenden Jahr soll mit dem Innenausbau begonnen und 2019 die Gestaltung der Außenfassade abgeschlossen werden. Ab der zweiten Jahreshälfte 2019 sollen die Ausstellungsflächen bezogen werden.

Nach der offiziellen Richtfestfeier kann das Publikum an diesem Wochenende die Großbaustelle besichtigen und dabei den 35 Meter hohen, 184 Meter langen und 117 Meter breiten Monumentalbau mit einer Geschossfläche von 95000 Quadratmetern erkunden. Außerdem kann es beobachten, wie die ersten barocken Fassadenelemente eingesetzt werden.

Der Fortschritt des auf 590 Millionen Euro veranschlagten Prestigebaus zeigt, dass auch Großprojekte termingerecht und innerhalb des gesetzten Kostenrahmens realisiert werden können. Das ist hauptsächlich dem Vorstand und Sprecher der bundeseigenen Stiftung Berliner Schloss – Humboldt-Forum zu verdanken. Denn Bauen für den Bund ist das Metier des gelernten Architekten und Städtebauers Manfred Rettig. Zudem hat er während seiner Tätigkeit beim Bundesrechnungshof das Kalkulieren gelernt. „Westfälisch direkt und preußisch korrekt“ („Focus“) hat er bei dem Schloss-Projekt eine sinnvolle Bauabfolge und Kostenkontrolle durchgesetzt. Und wenn Politiker ihm reinreden wollten, war seine Antwort kurz und bündig: Planungsänderungen und Sonderwünsche bedeuteten Mehrkosten „und dann bekommen wir noch einen BER“. Den wollte dann doch niemand. Jan Heitmann

(siehe auch Seite 5)


Viel zu tun für die Marine
Schon 3500 »Migranten« gerettet – Libanon-Einsatz verlängert

Die beiden Schiffe „Berlin“ und „Hessen“ der Deutschen Marine haben seit Beginn des Rettungseinsatzes im Mittelmeer Ende Mai vor der libyschen Küste über 3500 Personen aus Seenot gerettet. Die an Bord genommenen „Migranten“ werden jedoch nicht in Libyen an Land gesetzt, sondern in italienischen Häfen den dortigen Behörden übergeben.

Auch vor der libanesischen Küste sind die deutschen Seestreitkräfte weiter im Einsatz, nachdem sich Deutschland für ein weiteres Jahr mit 300 Soldaten an der Unifil-Mission der Vereinten Nationen beteiligt. Durch diesen Einsatz an der seeseitigen Grenze des Libanon solle, so die Bundesregierung, in erster Linie verhindert werden, „dass Rüstungsgüter und sonstiges Wehrmaterial ohne Zustimmung der libanesischen Regierung in den Libanon gebracht werden“. Die Kosten für die Verlängerung des Mandates bis Ende Juni 2016 beziffert die Bundesregierung auf rund 30,2 Millionen Euro. Den bisherigen Unifil-Einsatz sieht sie ausschließlich positiv: Er sei ein entscheidender Stabilitätsfaktor und habe „in erheblichem Maße bei innerstaatlichen und zwischenstaatlichen Konflikten deeskalierend und ausgleichend auf die Akteure in der Region eingewirkt“.

Verschwiegen wird bei den Erfolgsmeldungen allerdings, dass die Besatzungen ihre Aufträge unter erschwerten Bedingungen, weil zeitweise ohne ihre Hubschrauber, ausführen müssen. Denn immer wieder werden die Maschinen vom Typ „Sea Lynx“ wegen technischer Mängel teilweise sogar für Monate stillgelegt. Erst am vergangenen Freitag endete die letzte Zwangspause. Nachdem ein Defekt an einer Maschine als „Einzelfall“ eingestuft wurde, darf die „Sea Lynx“-Flotte wieder aufsteigen – allerdings nur im eingeschränkten Flugbetrieb für maximal zwei Stunden. J.H.


Jan Heitmann:
Heiße Luft

Wenn man sieht, wie selbstgefällig die Teilnehmer des G7-Gipfels auftraten, könnte man meinen, man hätte es mit der leibhaftigen Weltregierung zu tun. Dabei werden sie nicht einmal mehr ihrem eigenen Anspruch gerecht, die bedeutendsten Industrienationen der Erde zu repräsentieren. Das war vor 40 Jahren bei der Begründung der regelmäßigen Gipfel noch anders. Doch seitdem haben sich die Dinge geändert. Kanada beispielsweise hätte aufgrund seiner gesunkenen Wirtschaftskraft längst aus dem Kreis der G7 ausscheiden müssen. Dafür sind andere Länder auf der Liste der größten Volkswirtschaften bis in die vorderen Ränge aufgestiegen. In den erlauchten Kreis der selbsternannten Großen werden sie dennoch nicht aufgenommen. Und dass Russland dazugehört, geben mittlerweile sogar diejenigen zu, die ansonsten das Etikett des „Russlandverstehers“ weit von sich weisen würden. So kann das, was die G7 produzieren, letztlich nichts als heiße Luft sein.

Von seiner Zusammensetzung her nicht minder unzeitgemäß ist der UN-Sicherheitsrat. Seit 70 Jahren haben die USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und China darin einen ständigen Sitz. Doch ihre Dominanz in der Welt ist im Laufe der Zeit geschwunden. Was damals noch unvorstellbar war, ist heute Realität: Die Kriegsverlierer Japan und Deutschland stehen wirtschaftlich und politisch auf gleicher Höhe mit einigen der Ständigen Mitglieder. Damit haben sie Anspruch darauf, an der „Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“, so die UN-Charta, beteiligt zu werden. Das kommt natürlich nicht in Frage, aber die größten Beitragszahler unter den 193 UN-Mitgliedstaaten dürfen sie gern sein.


S. 2 Aktuell

Flüchtlinge sind sexy
Asylbewerber können mit einer enormen Helferszene rechnen – Ob ihr Anliegen berechtigt ist, kümmert nicht

Klar, hat man die Möglichkeit auch „als Lesbe, Schwuler, Bisexuelle/r oder Trans aus Russland Asyl in Deutschland“ zu erhalten. „Man kann sich auf die Genfer Flüchtlingskonventionen berufen. Die Behörden treffen hierzu eine Einzelfallentschei-dung, bei der sie die persönliche Vorgeschichte berücksichtigen“, wissen die Leute von Quarteera, einer Berliner Vereinigung russischsprachiger LGBT in Deutschland. LGBT steht für Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender, also für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transsexuelle. Die Leute von Quarteera sind gerade ziemlich beschäftigt, geben sie in einem Interview mit einem Szenemagazin bekannt, denn die Gruppe kümmere sich um russische LGBT, die auf ganz Deutschland verteilt in Asylverfahren stecken.

„Ziemlich beschäftigt“ sind in Deutschland derzeit auch zehntausende anderer Gutwillige. Die Szene hat sich unter anderem im Informationsverbund Asyl und Migration zusammengeschlossen. Man trifft sich zu zahlreichen Tagungen und Fortbildungen („Einführung in die Asylarbeit“). In einer eigenen Zeitschrift, dem „Asylmagazin“, werden Rechts-tipps und News ausgetauscht. Das erklärte Ziel: Jeden fremden Ankömmling – 400000 sollen es in diesem Jahr werden (PAZ Nr. 23, Seite 1) – möglichst dauerhaft willkommen zu heißen.

Wo andere zunächst durch den Türspion spähen, wenn ein Fremder Einlass verlangt, bitten ihn die unentwegt Mitleidigen arglos herein. Keine Frage: Ihre überschwängliche Hilfsbereitschaft kommt oft den Richtigen zugute, aber wer so freigiebig damit umgeht, wird auch Menschen in die eigenen vier Wände lassen, die besser vor der Tür geblieben wären. Vielen scheint aber ausgerechnet diese Überlegung fremd. Wie groß die hiesige „Willkommenskultur“ ist, belegt der Blick ins Internet. Auf die Stichworte „Asyl“ und „Hilfe“ zeigt die Suchmaschine Google 841000 Einträge an. Flüchtlinge sind derzeit offensichtlich „sexy“. Obdachlose weniger. Die Stichworte Obdachlos und Hilfe ergeben nur ein Viertel so viele Google-Einträge.

Auch „IBIS – Interkulturelle Arbeitsstelle für Forschung, Dokumentation, Bildung und Beratung“ mit Sitz in Oldenburg hat es bei Google weit nach vorne geschafft. Kein Wunder: Wer auf der Flucht ist „vor Krieg, Gewalt, Unterdrückung, politischer Verfolgung, ökonomischer Ausbeutung, wer verfolgt wird aufgrund natio-ethno-kultureller Zugehörigkeit, der Religion, Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“, kann bei IBIS mit Hilfe rechnen. „Wir bieten Ihnen jemanden, der_die Ihnen zur Seite steht. In unserer Flüchtlingsberatung beraten wir Sie bezüglich des Asylverfahrens, zur gesundheitlichen Versorgung, der Wohnungssuche und helfen Ihnen bei persönlichen Problemen. Zudem unterstützen wir Sie beim Umgang mit Behörden, Rechtsanwält_innen und bei vielem mehr.“

Die Beratung findet in neun verschiedenen Sprachen statt, heißt es weiter. Aber in welcher Sprache man es auch immer ausdrücken mag, der weitgefasste Rahmen für die – anscheinend legitimen Gründe – nach Deutschland zu kommen, überrascht. Denn das Asylrecht hat hierzulande im Gegensatz zu vielen anderen Ländern zwar Verfassungsrang, ist aber deutlich enger gefasst als Ibis suggeriert. Nach Artikel 16a des Grundgesetzes heißt es: Politisch Verfolgte genießen Asyl. „Politisch ist eine Verfolgung dann, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen“, erklärt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Weiter wird betont: „Allgemeine Notsituationen wie Armut, Bürgerkriege, Naturka­ta­stro­phen oder Perspektivlosigkeit sind damit als Gründe für eine Asylgewährung grundsätzlich ausgeschlossen.“ Eine Ausnahmeregelung gibt es derzeit für Syrien. Hier besteht ein festes Aufnahmekontingent von insgesamt 20000 Bürgerkriegsflüchtlingen.

Genau 385 Beamte vom Bun­desamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) urteilen darüber, wem im Deutschland Asyl gewährt wird und wem nicht. Die persönliche Anhörung durch einen dieser Beamte gilt als zentrale Grundlage von Anerkennung oder Ablehnung. Asylbewerber müssen dabei glaubhaft und ohne Widersprüche schildern, warum sie fliehen mussten.

Für die Helfer-Szene geben die Asylentscheider ein treffliches Feindbild ab. Die Anhörung wird etwa bei Pro Asyl schon mal als Verhör bezeichnet. Ein Mitarbeiter der Organisation rügt empört: „Man könnte den Eindruck haben, dass mancherorts geradezu systematisch versucht wird, Widersprüche zu provozieren.“ Damit es gar nicht erst so weit kommt, wird vorher fleißig geübt. Rollenspiele sollen den Asylbewerbern helfen, Schwachstellen in ihrer Argumentation frühzeitig aufzudecken, damit sie dann in der Anhörung eloquent darüber hinweg reden können. Frank Horns


Presserat verharmlost feigen Mord
»Bild«-Zeitung wegen Veröffentlichung eines Täterfotos öffentlich gerügt

Seit Jahren arbeitet sich der Deutsche Presserat an der „Bild“-Zeitung ab, erteilt ihr Rüge um Rüge. Zumeist wohl zu Recht, aber was sich die selbsternannten Hüter der Presse-Ethik jetzt geleistet haben, geht weit über das Ziel hinaus und ist einfach geschmacklos. Im vergangenen Jahr hatte die Zeitung über den grausamen Mord an der 18-jährigen Berufsschülerin Lisa-Marie aus dem schleswig-holsteinischen Tornesch berichtet und in diesem Zusammenhang ein Foto des zu neun Jahren Jugendhaftstrafe sowie psychiatrischer Unterbringung verurteilten Täters veröffentlicht. Dafür, dass der 16-Jährige, der das mit ihm befreundete Opfer laut Gericht heimtückisch von hinten erwürgt hatte, durch das Foto identifiziert werden konnte, hat der Presserat der „Bild“ eine öffentliche Rüge erteilt.

So weit, so gut. Empörend ist jedoch die Begründung: „Bei der Tat handelt es sich zwar um eine schwere, nicht jedoch um eine außergewöhnlich schwere und in ihrer Art und Dimension besondere Straftat gemäß Richtlinie 8.1 Absatz 2 des Pressekodex.“ Dort heißt es unter anderem: „Die Presse veröffentlicht Namen, Fotos und andere Angaben, durch die Verdächtige oder Täter identifizierbar sind, nur dann, wenn das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit im Einzelfall die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegt.“ Das ist an in der Richtlinie beschriebene Voraussetzungen geknüpft. So heißt es dort unter anderem: „Für ein überwiegendes öffentliches Interesse spricht in der Regel, wenn eine außergewöhnlich schwere oder in ihrer Art und Dimension besondere Straftat vorliegt.“ Dieser Passus erklärt zwar, wie es zu der erschütternden Wortwahl, mit welcher der Presserat die Rüge begründet hat, gekommen ist. Er erklärt jedoch nicht, wie er zu der befremdlichen Entscheidung gekommen ist, ein heimtückischer, mit bloßen Händen verübter Mord an einer jungen Frau erfülle nicht die vorgenannten Voraussetzungen zur Veröffentlichung eines Täterfotos.

„Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann stellte dem Presserat daraufhin die sich unwillkürlich aufdrängende Frage: „Wie außergewöhnlich schwer und besonders muss ein Täter sein Opfer umbringen, dass der Presserat eine entsprechende Berichterstattung für zulässig hält?“ Die nach drei Wochen endlich per Fax in der „Bild“-Re­daktion eingegangene Antwort des Beschwerde-Ausschusses muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Darin heißt es unter anderem: „Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass auch die furchtbare Tat von Lukas M. die Identifikation des Täters für ein großes Publikum nicht rechtfertigt.“ Vor allem die Tatsache, dass der Täter zur Tatzeit erst 16 Jahre alt war, „also deutlich noch ein Jugendlicher“, sprach nach Ansicht des Ausschusses gegen eine identifizierende Berichterstattung. Und schließlich heißt es in an Zynismus nicht zu überbietenden Worten: „Aus Sicht des Ausschusses war die Tat, so scheußlich sie war, nicht derart monströs, dass dahinter alle anderen Erwägungen, insbesondere die des Jugendschutzes, zurückzutreten haben.“ Die letzte Bemerkung bezieht sich auf Richtlinie 8.3 des Pressekodex, in der es heißt: „Insbesondere in der Berichterstattung über Straftaten ... dürfen Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in der Regel nicht identifizierbar sein.“ Ausnahmen sind also durchaus zulässig. Nach Ansicht des Presserates überwiegen in diesem Fall aber in jeder Hinsicht die Interessen des überführten Mörders.

Der Presserat wurde 1956 von Verleger- und Journalistenverbänden gegründet, um durch freiwillige Selbstkontrolle eine Kontrolle der Medien durch staatliche Aufsichtsstellen zu verhindern. Dazu hat er mit dem Pressekodex journalistisch-ethische Verhaltensregeln erlassen. Kritiker bemängeln, dass sich der Presserat von einem Gremium zur Überwachung der journalistischen Ethik längst zu einer Institution der übertriebenen Selbstzensur der Medien entwickelt habe. Das gelte insbesondere im Bereich der Kriminalberichterstattung. Man denke nur an das immer mehr um sich greifende Bemühen, Nationalität und Herkunft von Tätern in der Berichterstattung zu verschweigen.

Nach diesem Vorgang darf man die vom Presserat ausgesprochenen Rügen wohl endgültig guten Gewissens ignorieren. J.H.


Hausverbot für Russen bei EU

Als Reaktion auf das russische Einreiseverbot für 89 europäische Politiker und Spitzenbeamte hat EU-Parlamentspräsident Martin Schulz ein Hausverbot für den russischen EU-Botschafter Wladimir Tschischow ausgesprochen. Zudem wurde die Zusammenarbeit mit Russland im gemeinsamen Parlamentarischen Kooperationsausschuss ausgesetzt. Über den Zugang russischer Politiker zum EU-Parlament wird künftig „von Fall zu Fall“ entschieden.

Auf der russischen „Visasperrliste“, eine Reaktion Moskaus auf Einreiseverbote russischer Politiker und Funktionäre in die EU, stehen sieben Deutsche: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann, Staatssekretärin Katrin Suder aus der Bundesverteidigungsministerium, Uwe Corsepius, Generalsekretär des Rates der EU, der Inspekteur der Luftwaffe, Karl Müllner, Bernd Posselt, Bundesvorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft, der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs und die Grünen-Politikerin Rebecca Harms. Letztere hält die Gegenmaßnahmen der EU zwar für gerechtfertigt, warnte aber zugleich davor, Moskaus scharze Liste als „große neue Eskalation“ überzubewerten. J.H.


MELDUNGEN

Beschweren Sie sich bei »Ver.di«!

Wegen des von der Gewerkschaft „Ver.di“ ausgerufenen unbefristeten Poststreiks kann es zu Verzögerungen bei der Zustellung der Preußischen Allgemeinen Zeitung kommen. Die Verantwortung dafür trägt allein die Gewerkschaft „Ver.di“. Nachdem sie die Postzustellung in diesem Jahr bereits an 28 Tagen lahmgelegt hat, will sie jetzt erneut ihre Forderungen auf dem Rücken der Postkunden durchsetzen. Dazu hat sie sogar Mitarbeiter zum Streik aufgerufen, die gar nicht von den Gewerkschaftsforderungen betroffen sind.

Sagen Sie „Ver.di“, was Sie von dieser Streikschikane halten, und beschweren Sie sich:

ver.di Bundesvorstand

Paula-Thiede-Ufer 10

10179 Berlin

Telefon (030) 6956-0

Fax (030) 6956-3141

E-Mail: info@verdi.de

 

OSZE sucht Beobachter

Berlin – Angesichts der Berichte über die Pannen bei der Beobachtermission der OSZE in der Ukraine stellt sich die Frage, welche Qualifikation deren „Krisenexperten“ haben mögen. Die Antwort darauf gibt die OSZE selbst. Mit Anzeigen in einschlägigen Zeitschriften sucht sie derzeit deutsche Staatsangehörige als „zivile Beobachter für den Einsatz im Osten der Ukraine (Oblaste Lugansk und Donezk)“. Voraussetzung ist neben „physischer und psychischer Stabilität“ eine „mehrjährige Fahrpraxis in Fahrzeugen mit Schaltgetriebe“. Außerdem werden eine „abgeschlossene Berufsausbildung und/oder Studium“, sehr gute Englischkenntnisse, „einschlägige Arbeitserfahrung in einem Krisengebiet“, mindestens sechs Jahre „Arbeitserfahrung im In- oder Ausland“ sowie gute bis sehr gute Kenntnisse der russischen und /oder ukrainischen Sprache erwartet. Eine spezielle Beobachter-Ausbildung bietet die OSZE nicht an, dafür ist ein „Sicherheitstraining“ verpflichtend. Das Grundgehalt von 3570 Euro zahlt das Auswärtige Amt, die OSZE gibt ein Tagegeld in Höhe von 150 Euro dazu. J.H.

 

»Orthodoxer Streit« um Athos

Moskau – Zwischen Russen und Griechen bahnt sich zur 1000-Jahr-Feier der russischen Präsenz auf dem Heiligen Berg Athos im kommenden Jahr ein neuer Streit über ihre Rolle in der Orthodoxie an. Der staatsnahe russische Filmemacher Nikita Michalkow berichtete jüngst in seinen Memoiren, wie sein Vater – der Dichter der sowjetischen und der russischen Nationalhymne – den damaligen Parteichef Leonid Brjeschnjew dazu bewegt hatte, erstmals seit der Revolution russische Mönche auf den Berg Athos zu schicken: Sollte es keinen Nachwuchs geben, würden das russische Kloster und damit seine Reichtümer an die Griechen fallen. Die Athos-Klöster sind kein Teil Griechenlands, sondern unterstehen dem – griechischen – Patriarchat in Konstantinopel. Dessen Vormachtstellung gegenüber seinen orthodoxen Schwesterkirchen sucht das Moskauer Patriarchat, das sich selbst als „Drittes Rom“ betrachtet, seit Langem zu erben. Seine offiziellen Bemühungen beschränken sich momentan allerdings noch auf eine liturgisch-diplomatische Gleichstellung beider Kirchen. T.W.W.


S. 3 Deutschland

Keine Ehre für deutsche Soldaten
Markus Meckel politisiert den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge

„Gedenken ohne zu ehren“, hieß das Thema einer Podiumsdiskussion des Deutschen Historischen Museums (DHM) in Kooperation mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK). Dessen Präsident Markus Meckel (SPD) nutzt sein Amt zunehmend für geschichtspolitische Initiativen und polemische Zuspitzungen. Bei der Podiumsdiskussion erntete er auch Widerspruch.

In der Einladung zur Podiumsdiskussion im Zeughauskino des DHM in Berlin wurde behauptet: „In der deutschen Öffentlichkeit ist eine politische Unsicherheit und ein Unbehagen im Umgang mit den deutschen Kriegsgräberstätten zu erkennen. Es resultiert aus der Angst, dass Gedenken an deutsche Kriegstote die deutschen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg relativieren könnte.“ Weiter hieß es in dem Text: „Wie aber kann eine Erinnerung, wie kann ein Gedenken aussehen, die beides ernst nimmt – dass es sich um unsere Väter und Großväter handelt und dann eben um das Bewusstsein dieser unfassbaren Verbrechen. Wie wollen wir uns der toten Soldaten erinnern?“

Diskussionsleiterin Simone Erpel vom DHM fragte Meckel, wo er denn ein solches „Unbehagen“ in der deutschen Öffentlichkeit über das Gedenken an die Kriegs­toten feststelle? Darauf antwortete er ausweichend: „Wir haben im Verband jüngere Mitglieder – wenn auch nicht so wahnsinnig viele – die sich damit auseinandersetzen und thematisieren: Wie gehen wir damit um, dass diese Verbrechen geschehen sind. Wir können doch deutsche Soldaten nicht ehren.“ Einige jüngere VDK-Mitglieder kann man jedoch nicht mit der „deutschen Öffentlichkeit“ gleichsetzen; der Verdacht drängt sich auf, Meckel wolle vor allem ein eigenes Unbehagen artikulieren. So erklärte er auch, sein Vater sei als Wehrmachtoffizier in Minsk gewesen. „Ich frage mich natürlich“, fügte er hinzu, „was hat er dort gemacht.“ Er hoffe, dass sein Vater „nicht an unmittelbaren Verbrechen“ beteiligt gewesen sei. „Aber ich weiß es nicht“, so Meckel, „und kann dann aber doch nicht ganz unberück­sichtigt lassen, dass in der belarussischen Bevölkerung zwischen einem Drittel und einem Viertel der Bevölkerung umgebracht worden ist und den Krieg nicht überlebt hat.“

Meckel präzisierte während der gesamten Diskussion nicht, wo und auf welche Weise seiner Ansicht nach deutsche Kriegstote gegebenenfalls unangebracht „geehrt“ würden. Er wies nur mehrfach darauf hin, dass auf deutschen Kriegsgräberstätten zum Beispiel auch Angehörige der Waffen-SS oder der berüchtigten Polizeibataillone oder des SS-Sicherheitsdienstes beerdigt seien. Das ist nicht neu. Doch was soll aus der Feststellung folgen? Dazu sagte Meckel nicht viel, außer dass er darüber mit den europäischen Nachbarn ins Gespräch kommen wolle. Er kündigte eine ganze Reihe von VDK-Veranstaltungen „zu unserer Erinnerungs- und Geschichtspolitik“ an. Dafür sei eigens ein neues VDK-Referat in Berlin geschaffen worden.

Der frühere Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) warnte vor Pauschalurteilen und mangelnder Differenzierung. Wenn man die Gefallenen „alle so aussortieren“ würde, „müssten wir auch Günther Grass aussortieren. Man muss aufpassen, was man da tut“, warnte er an die Adresse Meckels.

„Als mein Vater schon im KZ saß“, fügte er hinzu, „hat die SS versucht, mich einzuziehen, weil ich ein großer, starker, blonder 16-Jähriger war. Meine Mutter hat gesagt, sie können den nicht haben, sein Vater ist im KZ – damit war der Punkt erledigt. Wenn das nicht so gewesen wäre, wäre ich der SS vielleicht gar nicht entgangen.“ An Friedhöfen könne man ja eine „Generalinformation aufstellen“ mit Hinweisen, wenn dort auch Tote lägen, die sich in besonderer Weise schuldig gemacht hätten, schlug von Dohnanyi vor.

Die Deutschen hätten durch die NS-Zeit ein gebrochenes Verhältnis zu ihrer Geschichte. Dabei hätten sie nach 1945 auch die Kriegsgräber des Ersten Weltkrieges vernachlässigt. Von Dohnanyi verwies auch darauf, wie in anderen Ländern Gefallene geehrt werden. Napoleons Aggressionskriege hätten fünf Millionen Tote gekostet, geehrt werde Bonaparte im höchsten Ehrenplatz Frankreichs, dem Invalidendom. Auf dem Vietnam-Denkmal in Washington sei jeder einzelne Soldat namentlich verzeichnet, „gleichgültig, zu welchem Truppenteil er gehört hat – und ob er nun Agent Orange gestreut hat oder nicht – alle werden aufgeführt und geehrt“.

Professor Krzysztof Ruchniewicz von der Universität Breslau erklärte, in Polen habe man sich mit deutschen Kriegsgräbern lange Zeit schwer getan. Ähnliches gelte für die sowjetischen Kriegsgräber, da durch die Sowjets nach 1945 eine neue Okkupation erfolgt sei. Doch auch diese Toten hätten ein Anrecht darauf, dass an sie erinnert werde.

„Was bei uns geschieht“, kritisierte von Dohnanyi, „ist eine Verachtung von Geschichte, weil wir uns selber nicht trauen.“ Dabei weise die deutsche Geschichte auch Glanzpunkte auf. „Wir müssen mit unserer Geschichte ehrlicher werden“, forderte er, „dann werden wir auch wieder selbstbewusster. Und wenn wir selbstbewusster werden, dann werden wir auch ein besserer Nachbar in Europa.“ Michael Leh

(siehe Kommentar Seite 8)


Fernbusse boomen
Bahnchef Rüdiger Grube ruft nach Hilfe des Staates

Rüdiger Grube, Vorstandsvorsitzender der Deutsche Bahn, sieht sein Unternehmen gegenüber den Fernbusunternehmen benachteiligt und fordert Hilfe von der Politik. „Wir müssen pro Person und Kilometer im Bahn-Fernverkehr mit Trassenbenutzungsgebühren von sechs Cent rechnen. Die Fernbusse zahlen für die Nutzung der Straßen keinen Cent Maut“, klagte Grube gegenüber den „Ruhr Nachrichten“ („RN“). „Hier ist der Gesetzgeber gefragt“, erklärte Grube weiter, ,,faire Wettbewerbsbedingungen erfordern auch eine Maut für den Fernbus.“

Zum Schutz der Bahn war der Fernbus-Verkehr in Deutschland bis 2012 per Gesetz weitgehend verboten. Seit der Liberalisierung 2013 boomt der Markt jedoch mit immer neuen Anbietern. Die beiden Marktführer, MeinFernbus und Flixbus, schlossen sich kürzlich zusammen und wollen ihr Angebot im laufenden Jahr nahezu verdoppeln, berichtet das „Handelsblatt“. Die Bus-Fahrkarten sind im Vergleich zur Bahn wesentlich billiger, allerdings dauern auch die Fahrten im Allgemeinen länger.

Bahnchef Grube hatte bereits Anfang des Jahres zugeben müssen, dass die Bahn den neuen Konkurrenten unterschätzt habe. Er sprach von 120 Millionen Euro Umsatz, die an die Fernbusse verloren gegangen seien. „Die gesunkenen Spritpreise machen zudem das Auto im Vergleich zur Bahn wieder attraktiver“, erklärte er gegenüber dem „Handelsblatt“.

Zu Beginn des vergangenen Jahres hatte Grube den neuen Mitbewerber noch als zu vernachlässigende Größe bezeichnet. Im ersten Geschäftsjahr waren nur gut acht Millionen Fahrgäste mit den Fernbussen unterwegs, während die Bahn 130 Millionen Reisende zählte. Doch innerhalb von zwölf Monaten konnten die Fernbusse ihre Zahlen auf 19,6 Millionen mehr als verdoppeln. Gut 200 Verbindungen hat MeinFernbus/Flixbus, wenn die Streckennetze der beiden Partner im August fertig verknüpft sind.

Und nun planen die Neueinsteiger auch den Sprung auf den europäischen Markt und scheuen selbst den Preiskampf mit Billig-Fliegern nicht. Alleine 60 bis 70 internationale Verbindungen sollen in diesem Jahr dazu kommen. Nach Amsterdam, Paris und Mailand sollen Ziele wie Kopenhagen, Rom, Venedig und Florenz auf den Fahrplan, auch Lyon und Marseille. Der grenzüberschreitende Umsatz werde vervier- oder verfünffacht, erklärte Geschäftsführer André Schwämmlein. „Der deutsche Markt ist noch lange nicht fertig. Aber wir haben einfach Bock auf Europa“, sagte Schwämmlein gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Das Fernbus-Angebot werde besonders gerne von jungen Leuten angenommen. Es wirke flexibler als herkömmliche Verkehrsmittel wie Bahn oder Flugzeug, sagen Verkehrsexperten. 50 Euro kostet etwa ein Ticket von Berlin nach Paris und zurück mit dem Bus. Selbst die günstigsten Flug- oder Bahntickets sind fast doppelt so teuer. Dabei dauere die Fahrt mit 15 bis 20 Stunden aber entsprechend lange. „Wer mit uns fährt, spart sich eine Übernachtung. Und die Fahrt im Reisebus ist sicher bequemer als mit der Bahn“, sagt Schwämmlein.

Das Berliner Marktforschungsinstitut IGES ist skeptisch, was die Zukunftsaussichten betrifft. „Der Konkurrenzkampf im Bussektor beginnt erst richtig. Nur mit Niedrigpreisen wird man nicht überleben können“, sagte Geschäftsführer Christoph Gipp. Peter Entinger


»Bellingcat« in der Kritik
Das Recherchenetzwerk hatte Moskau Bildfälschung vorgeworfen

Überschriften wie „Forensische Analyse: Kreml manipulierte die MH17-Beweise“ oder „Handfeste Beweise: Moskau fälschte Satellitenbilder“ haben der deutschen Öffentlichkeit suggeriert, unabhängige Fachleute hätten eindeutige Beweise vorgelegt, dass sich russische Satellitenfotos zum MH17-Abschuss als Fälschungen erwiesen hätten. Schaut man sich die Hintergründe der gemachten Vorwürfe genauer an, kommen allerdings schnell Zweifel auf an der Unabhängigkeit und Kompetenz der zitierten „Experten“, aber auch am Willen zur Objektivität derjenigen, die sich hierzulande als Vertreter von Leitmedien verstehen.

Im vorliegenden Fall stützen sich die reißerischen Schlagzeilen auf die Arbeit eines privaten Fotoauswertungsnetzwerks namens „Bellingcat“ um den Briten Eliot Higgins. Dessen Renommee stützt sich vor allem darauf, dass es ihm gelungen war, per Analyse von Fotos und Videos im Internet nachzuweisen, dass im großen Umfang Waffen aus dem ehemaligen Jugoslawien bei den syrischen Rebellen gelandet waren. Seit diesem Erfolg wird Eliot Higgins von vielen Medien wahlweise als „investigativer Journalist“, „Experte für Fotoanalyse“ oder „unabhängiger Blogger“ betitelt. Tatsächlich sind die Schlussfolgerungen, die der Autodidakt seit seinem Anfangscoup gezogen hat, unter Experten sehr umstritten.

Im aktuellen Fall, dem Vorwurf, Russland habe Satellitenbilder manipuliert, äußert unter anderem der Entwickler der verwendeten Analysealgorithmen, Neal Krawetz, grundlegende Zweifel an der Kompetenz von „Bellingcat“. Die vorgelegten Schlussfolgerungen seinen eine „Anleitung dafür, wie man keine Bildanalyse machen sollte“, so der Informatiker.

Derart scharfe Kritik ist nicht neu. Bereits als Eliot Higgins glaubte, die Verantwortung für einen Sarin-Gasangriff eindeutig der syrischen Regierung anlasten zu können, wurde der Vorwurf laut, er würde keineswegs ergebnisoffen ermitteln. So kritisierten Richard Lloyd und Theodore Postol vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) Higgins dafür, dass er jedes Mal das von ihm benutzte Material geändert habe, wenn technische Analysen seine Schlussfolgerung infrage gestellt hätten. Auch die von „Bellingcat“ zum Ukraine-Konflikt vorgelegte Arbeit ist inzwischen durch die ehemalige Staatsanwältin Gabriele Wolff zerpflückt worden.

Die Behauptungen von „Bellingcat“ sind in der Regel sensationell und machen Schlagzeilen. Dass sie aber oftmals keiner seriösen Überprüfung standhalten und inzwischen auch bekannt geworden ist, dass Higgins mit der US-Lobbyorganisation „Atlantic Council“ zusammenarbeitet, bleibt vielen Mediennutzern indes verborgen, wenn sie sich auf die gängigen Massenmedien verlassen und sich nicht selbst im Internet auf die Suche nach Informationen begeben.

Dass selbst die privaten Medienriesen oder der finanziell bestens ausgestattete öffentlich-rechtliche Rundfunk darauf verzichten, umfassende Hintergrundinformationen einzuholen, kann an mangelnden Ressourcen kaum liegen. So liegt der Verdacht nahe, dass auf Quellen wie „Bellingcat“ nur allzu gerne zurückgegriffen wird, um einer ohnehin vorhandenen Intention bei der Berichterstattung den Anstrich von Objektivität zu verleihen. Norman Hanert


MELDUNGEN

Staat größter Kostentreiber

Berlin – Seit Anfang des Monats gilt die gesetzliche Mietpreisbremse, die dafür sorgt, dass Vermieter die Miete nur so weit erhöhen dürfen, dass sie maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichs­miete liegt. Nach Berechnungen des Bundes der Steuerzahler sind jedoch nicht die Eigentümer, sondern ist der Staat selbst der größte Kostentreiber beim Wohnen. So sei allein die Grunderwerbssteuer seit 2006 in 14 Bundesländern 25 Mal erhöht worden. Auch der Hebesatz für die Grundsteuer, die über die Betriebskosten auf die Mieter umgelegt wird, sei seit 2010 in 60 Prozent der Gemeinden mindestens einmal angehoben worden. Hinzu kämen laufend steigende Kosten für Strom, Wasser und Müllabfuhr. J.H.

 

Wahlbetrug auch in Hamburg

Hamburg – Erst Köln, dann Bremen und nun Hamburg. In der Hansestadt ermittelt die Polizei wegen des Verdachts des Wahlbetrugs bei der Bürgerschaftswahl im Februar. Ein aufmerksamer Bürger hatte Wahleinspruch eingelegt, nachdem er festgestellt hatte, dass der Grünen-Abgeordnete Murat Göray und der CDU-Kandidat Vahan Balayan im Vergleich zu den Urnenstimmen überdimensional viele Briefwahlstimmen erhalten hatten. Daraufhin stellte das Wahlamt fest, dass rund 50 Wahlscheine in einigen Briefwahlbezirken von nur einer oder zwei Personen unterschrieben waren. Die „Bild“-Zeitung zitiert dazu einen „Insider“: „Die Masche geht so: Erst werden Wähler, die denselben Migrationshintergrund wie der Kandidat haben, angesprochen und aufgefordert, Briefwahl zu machen. Sind die Unterlagen da, kommt jemand vorbei und hilft beim Ausfüllen.“ Nach Angaben der Polizei richten sich die Ermittlungen nicht gegen die beiden Politiker. J.H.


S. 4 200 Jahre Waterloo

Als das Weltgericht tagte
Vor den Toren Brüssels entschied sich am 18. Juni 1815 das Schicksal Europas

Vor 200 Jahren erlebte Napoleon seine sprichwörtliche Niederlage. Die Schlacht von Waterloo, die bei den Preußen „Schlacht bei Belle-Alliance“ heißt, war eine Wendemarke europäischer Geschichte.

Hoch über der wallonischen Walstatt erhebt sich der „Löwenhügel“. Der Oranier-König Wilhelm I. ließ den 40 Meter hohen künstlichen Berg 1820 an jener Stelle anlegen, wo sein tapferer Sohn in der Schlacht verletzt wurde. Besteigt man den Berg in diesen Tagen, bekommt man einen Eindruck, wie es hier vor 200 Jahren ausgesehen haben könnte: sanft welliges Gelände, blühende Kornfelder und saftige Wiesen, die dann von Pferden, Kanonenkugeln und 190000 Soldaten durchpflügt wurden.

Der französische Dichter Victor Hugo verglich dieses nur fünf Quadratkilometer große Schlachtfeld mit dem Buchstaben „A“. Dessen Spitze markierte Wellingtons Stellungen nahe dem südlich von Brüssel gelegenen Ort Waterloo, die beiden Schrägstriche standen für die Straßen, auf denen Napoleons linker und rechter Flügel von Süden kommend gegen die britischen Truppen heranrückten, und der Querstrich einen für Napoleons Truppen schier unüberwindbaren schmalen Hohlweg.

Dass das Weltgericht in dieser bäuerlichen Gegend tagte, lag auch an Napoleons Eile. Er wollte nicht warten, bis sich die Truppen der Allianz zusammenschlossen, um ihn in einer erneuten Völkerschlacht herauszufordern. Denn der aus der Verbannung von Elba triumphal nach Paris einmarschierte Napoleon war für die durch den Wiener Kongress geschaffene Neuordnung Europas eine Bedrohung. Russische und österreichische Truppen waren schon auf dem Weg nach Frankreich, um gemeinsam mit Briten und Preußen gegen ihn zu kämpfen. Doch darauf wollte Napoleon nicht warten. Er wollte wie früher jede Armee in einer Einzelschlacht vernichten. Erst die Preußen, die er am 16. Juni in dem 20 Kilometer südöstlich von Waterloo gelegenen Ligny in die Flucht schlug, dann die Briten, später den ganzen Rest. So der Plan.

Doch Napoleon war nicht mehr der Alte. Er beging Fehler. Einen Großteil seines Heeres hatte er zum Schutz der Grenzen in den Alpen und am Oberrhein abgestellt. Mit Davout ließ er einen seiner fähigsten Marschälle aus früheren Feldzügen zur Absicherung in Paris. Seinem alten Kampfgefährten Michel Ney überließ er bei Waterloo den linken Flügel, obgleich er kein begnadeter Stratege war. Und er gab Marschall Grouchy nur eine halbherzige Order, die sich zurückziehenden Preußen zu verfolgen. Statt des vom zögerlichen Grouchy befehligten rechten Flügels griffen am Ende die reorganisierten Preußen entscheidend in die Schlacht ein.

Napoleon war von Pleiten, Pech und Pannen verfolgt. In der Nacht zum 18. Juni hatte es wie aus Kübeln geregnet. Da sich auf dem aufgeweichten Boden die schweren Geschütze nicht bewegen ließen, wartete Napoleon darauf, bis alles getrocknet war. Erst um 11.30 Uhr fiel der erste Schuss. Dann erwies sich das ummauerte ehemalige Rittergut Hougoumont mitten auf dem Schlachtfeld als unbezwingbare Festung. 3000 Briten und Franzosen wurden allein hier niedergesäbelt. Leichenberge und Pferdekadaver stapelten sich auch in dem Hohlweg. Eine Böschung wurde hier für angreifende Kürassiere zum Verhängnis. Sie stürzten ohne Einwirkung des Feindes unter die eigenen Pferde, die wiederum von nachdrängenden Tieren nie­dergetrampelt wurden. Am späten Nachmittag blies Ney zur Kavallerieattacke auf die in Karrees aufgestellten britischen Einheiten. Es war der Augenblick, als der Ausgang der Schlacht am seidenen Faden hing. Um diese Zeit herum soll Wellington den Ausspruch getan haben: „Ich wollte, es wäre Nacht oder die Preußen kämen.“

Wegen des langen Sommertags wäre es erst in ein paar Stunden dunkel geworden. Doch Blücher und seine Preußen kamen. So verpuffte auch eine letzte Attacke der kaiserlichen Garde. Ihr General Cambronne schuf noch das geflügelte Wort „Die Garde stirbt, aber sie ergibt sich nicht“. Da war der Kampf um die Zukunft Europas bereits entschieden. Harald Tews


Die Preußen kommen
Blücher ist da! − »Marschall Vorwärts« eilt den Briten zu Hilfe

Es war gegen 17 Uhr, als die Preußen kamen. Von Nordosten kommend ritt General Blücher mit seiner preußischen Rheinarmee gerade noch rechtzeitig auf das Schlachtfeld zu, um Wellington aus seiner brenzligen Lage zu helfen. Hätte Napoleon die Schlacht früher am Morgen begonnen, wäre zu diesem Zeitpunkt wohl schon alles zu seinen Gunsten entschieden gewesen. So aber kippte das Kriegsglück auf die Seite der Alliierten wegen ein paar Minuten.

Dass Blücher überhaupt noch an der Schlacht teilnehmen konnte, war ein organisatorisches Meisterstück. Nach der Niederlage von Ligny zwei Tage zuvor, sorgte er dafür, dass seine Truppen nicht auseinanderbrachen und sich in alle Winde verstreuten. Napoleon glaubte, die Preußen geschlagen zu haben, und gönnte seinen Männern eine Verschnaufpause. Als er ein Aufklärungskorps in Marsch setzte und dieses einige versprengte preußische Soldaten in Richtung Osten nach Namur ausmachte, fühlte er sich bestätigt.

Doch die Preußen waren nur geschlagen, nicht vernichtet. Entgegen Napoleons Erwartung zog Blücher nach Nordosten, versammelte seine Truppen bei Wavre und behandelte mit Knoblauch seine Prellungen, die er sich zuzog hatte, als er bei Ligny unter sein tödlich getroffenes Pferd gefallen war. Viel zu spät begann der französische Marschall Grouchy die Verfolgung Blüchers.

Während sich der auf die Unterstützung des rechten Flügels hoffende Napoleon fragte: „Wo bleibt Grouchy?“, wünschte sich Wellington Blücher herbei. Und der „Marschall Vorwärts“ ließ ihn nicht im Stich. Es war vielleicht weniger die Verbundenheit mit dem Briten, die ihn dazu bewog, seine Leute erneut in die Schlacht zu werfen, als vielmehr die Gelegenheit, die Niederlage gegen Napoleon von 1806 bei Jena und Auerstedt auszuwetzen.

Diese war auch ein Grund dafür, dass der 72-Jährige von König Friedrich Wilhelm III. das Kommando über eine Armee akzeptierte, deren Mannschaft nicht aus dem preußischen Stammland kam, sondern aus den als politisch unzuverlässig geltenden preußischen Rheinprovinzen, die bis 1814 noch zu Frankreich gehört hatten.

Als Blücher auf dem Schlachtfeld eintraf, hatten Engländer und Franzosen nahezu alle Munition verschossen und hieben mit ihren Bajonetten und Säbeln aufeinander ein. Die Kugeln aus den preußischen Gewehren und Kanonen jagten Napoleons Armee schließlich in die Flucht. Bei Belle-Alliance, einem am östlich Rand des Schlachtfelds gelegenen Gasthaus, trafen Blücher und Wellington gegen 21.40 Uhr zusammen.

Es wurde draußen dunkel. Nur noch vereinzelt wurde auf flüchtende Franzosen geschossen. Sie waren die letzten Toten an diesem Tag. Auf den Feldern aber lagen tote Pferde und Soldaten zum Teil übereinandergeschichtet. Innerhalb von nur etwa zehn Stunden fielen vermutlich 50000 Soldaten. Das macht 5000 pro Stunde oder 83 pro Minute oder ein Mensch pro Sekunde. So ist eben Krieg, sagen die einen. Welch ein Irrsinn, die anderen. Harald Tews


Aus der schönen Allianz wurde Waterloo

Als Blücher für den König seine Berichte über die Schlacht aufschrieb, hatte er von Waterloo womöglich nie gehört. Er sprach daher von der „Schlacht von Belle-Alliance“. Nur unter dieser Bezeichnung, die doppeldeutig an die schöne militärische Allianz denken ließ, war der letzte Krieg gegen Napoleon in weiten Teilen Deutschlands lange Zeit bekannt. Das Gasthaus, von wo aus Napoleon die Schlacht führte und wo Blücher und Wellington zusammentrafen, erlangte vor allem in Berlin Berühmtheit. Dort gab es einen Belle-Alliance-Platz und eine -Straße, die später in Mehringplatz beziehungsweise -damm umbenannt wurden. In Hamburg gibt es noch heute eine Bellealliancestraße.

In Hannover wiederum erinnert seit den 1830er Jahren der Waterlooplatz mit der 46 Meter hohen Waterloosäule an die Schlacht. Und das nicht von ungefähr, wurden doch die meisten Soldaten aus Wellingtons Armee in deutschen Landen rekrutiert. Nur ein Drittel waren Briten. Neben Belgiern und Holländern setzte sich der größte Teil aus Hannoveranern, Braunschweigern und Nassauern zusammen. Da Englands König George III. in Personalunion auch Kurfürst von Hannover war, sprach man bei der Schlacht zur Hälfte Deutsch.

Erst im Lauf des vorigen Jahrhunderts setzte sich weltweit der Name von Wellingtons Hauptquartier in dem etwa fünf Kilometer vom Kampfgeschehen entfernten Ort Waterloo als Synonym für Napoleons Niederlage durch. Seitdem die schwedische Popgruppe Abba den Ort in einem Lied verewigte, wird das wallonische Waterloo auch noch englisch „Uoterlu“ ausgesprochen. Hätte sie doch bloß „Belle-Alliance“ gesungen! H. Tews


Zeitzeugen

Napoleon Bonaparte – Die Nie­derlage bei Waterloo war gleichbedeutend mit dem Ende von Napoleons Herrschaft der 100 Tage, die mit dessen Rückkehr aus der Verbannung begonnen hat. Verfolgt von Blücher, eilte er nach Paris, wo er auf politischen Druck hin zugunsten seines Sohnes als Kaiser abtrat. In der Hoffnung, in die USA zu entkommen, floh er nach der von einer Seeblockade betroffenen Hafenstadt Rochefort, wo er sich den Briten ergab. Diese verbannten ihn auf die Atlantikinsel St. Helena, wo er am 5. Mai 1821 starb.

Victor Hugo – Der Autor vom „Glöckner von Notre Dame“ war ein glühender Anhänger Napoleons und besuchte 1861 Waterloo. Ähnlich wie schon Stendhal in „Die Kartause von Parma“ arbeitete er die Schlacht in seinem Roman „Die Elenden“ literarisch auf.

Arthur Wellesley – Große Meriten erlangte der Herzog von Wellington 1807 als Verteidiger Portugals gegen die Franzosen. Als die Franzosen zwei Jahre später erneut vergeblich Portugal erobern wollten, besiegte er erstmals Marschall Nicolas Jean-de-Dieu Soult, dem er in Waterloo erneut gegenüberstehen sollte. Anders als Blücher, dem „Marschall Vorwärts, galt Wellington als Verteidigungsstratege. Das machte sich in Waterloo bezahlt, als er gegen anstürmende Franzosen stundenlang seine nördliche Stellung bei Mont-St.-Jean hielt, bis mit Blücher rettende Unterstützung kam.

Sergei Bondartschuk – Der für seine Massenszenen bekannte russische Filmregisseur, der auch Tolstois „Krieg und Frieden“ realisierte“, schuf 1970 den bis heute authentischsten Film über Waterloo. Im Gedächtnis bleibt der verzweifelte Ausruf des blonden deutschen Soldaten: „Warum schießen wir aufeinander?“ Am Ende liegt auch er tot am Boden.

Gebhard Leberecht von Blücher – Nach der Völkerschlacht 1813 adelten die Russen den wegen seiner offensiven Taktik populären preußischen General mit dem Spitznamen „Marschall Vorwärts“. Bei Waterloo stand dem 72-Jährigen als Stabschef der General Gneisenau zur Seite, zu dem er aber ein angespanntes Verhältnis hatte. 1819 starb Blücher im schlesischen Krieblowitz.


S. 5 Preussen/Berlin

Henkel läuft sich warm
Wowereits Nachfolger bleibt blass und glücklos – da sieht die CDU plötzlich wieder Chancen

Michael Müller (SPD), der neue Regierende Bürgermeister von Berlin, kommt einfach nicht in Gang. Innensenator und CDU-Chef Henkel will das für sich nutzen: Bis zur Wahl 2016 möchte er der Union ein scharfes, volkstümliches Profil verpassen.

Farblos und dröge, dafür aber ein fleißiger „Aktenordner“ – so lautete die weitverbreitete Einschätzung, als Michael Müller (SPD) vor einem halben Jahr zum neuen Regierenden Bürgermeister Berlins gewählt wurde. Solange sich der Koalitionspartner CDU handzahm gab, war die zurückhaltende Art des Wowereit-Nachfolgers kein Problem. Nun versucht Berlins CDU-Chef Frank Henkel aber mit einer konsequenten Innenpolitik bei den Berlinern Punkte zu sammeln. Das könnte dem blassen Sozialdemokraten Müller gefährlich werden.

So will die CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus mit einer Nulltoleranzpolitik dafür sorgen, dass der Verwahrlosung des öffentlichen Raums in Berlin endlich Einhalt geboten wird. Graffiti-Schmierereien, illegale Plakate und zerbrochene Scheiben an öffentlichen Gebäuden sollen innerhalb von 24 Stunden beseitigt werden, so die Forderung der Union.

Angehen will die CDU auch ein Problem, dass in der Öffentlichkeit bisher kaum bekannt war: den Betrug bei Kindergeld, Sozialhilfe, Jugendhilfe und Wohngeld durch gefälschte Ausweise und Meldedokumente. Bei Überprüfungen wurden allein im Bezirk Neukölln vergangenes Jahr 50 Betrugsfälle und im Januar und Februar dieses Jahres nochmals 20 gefälschte Ausweise entdeckt. Ausgegangen wird davon, dass eine gelungene Registrierung mit falschen Papieren pro Betrugsfall einen Schaden von bis zu 40000 Euro verursacht.

Möglich ist der Betrug auch, weil es Berlins Verwaltung mittlerweile mit Personaldokumenten aus 180 Staaten der Welt zu tun hat, wenn es um die Beantragung von Leistungen geht. Ob die vorgelegten Papiere echt sind, lässt sich mittlerweile zwar automatisch durch ein Gerät überprüfen, das von der Bundesdruckerei entwickelt wurde. Doch trotz der ausdrück­lichen Befürwortung durch die Polizei und des Erfolgs eines Pilotprojekts in Neukölln lehnen mehrere Bezirksämter die Geräte ab. Die Prüfgeräte hätten angeblich einen „geringen Praxisnutzen“, so die Begründung.

Ob der Vorstoß der Berliner Union zur Eindämmung des Betrugs vor diesem Hintergrund erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten. Klar erkennbar ist allerdings schon so viel: CDU-Chef Frank Henkel versucht immer stärker, sich als bessere Alternative zu Müller in Stellung zu bringen. Bislang gaben sich die Christdemokraten als Juniorpartner in der Koalition meist eher uninspiriert. Man war froh, wieder auf der Regierungsbank zu sitzen, und zeigte sich pflegeleicht, so der Eindruck. Überraschungen von der CDU hatten angesichts dieser Herangehensweise weder Wowereit noch sein Nachfolger Müller zu befürchten.

Sollte es den Berliner Christdemokraten unter Frank Henkel aber nun tatsächlich gelingen, sich gegenüber dem größeren Koalitionspartner SPD zu profilieren, könnte das für die Genossen durchaus ein Problem werden. Zieht man die politischen Sommerpausen ab, dann bleibt dem Wowereit-Nachfolger Müller nämlich nur noch ein gutes Jahr, um bis zu den Landtagswahlen im Herbst 2016 sein sprödes Image aufzupolieren.

Indes: Nach den Erfahrungen mit dem „Party-Bürgermeister“ Wowereit kam der nüchterne Stil von Müller bei den Berlinern bisher recht gut an. In Umfragen zur Beliebtheit ist Müller unangefochten die Nr. 1 unter Berlins Politikern. Dennoch dürfte sich mit Näherrücken der Wahlen zum Abgeordnetenhaus für die Berliner SPD bald eine entscheidende Frage stellen: Kann der wenig charismatische Müller auch den volkstümlichen Wahlkämpfer geben?

Da scheint ihm der CDU-Herausforderer bislang klar überlegen. Der neue Regierender Bürgermeister wirkt bei öffentlichen Auftritten im Vergleich zu CDU-Chef Henkel wie ein hölzerner Apparatschik – der entscheidende Funke will kaum überspringen. Hinzu kommt, dass dem Wowereit-Nachfolger in entscheidenden Momenten mehrmals das berühmte Quäntchen Glück fehlte. So scheiterte Müller ausgerechnet bei seiner Herzensangelegenheit, der Bebauung des Tempelhofer Feldes. Per Volksentscheid wurde Müller im Mai 2014 – damals noch Stadtentwick­lungssenator – ausgebremst. Als gerade erst frisch gebackener Regierender Bürgermeister musste er die Klatsche entgegennehmen, die Berlin bei seiner Olympia-Bewerbung erhielt. Den Zuschlag erhielt Hamburg und nicht Berlin, obwohl sich die Hauptstadt ziemlich sicher war, zum Zuge zu kommen. Zwar wurde die verkorkste Olympiakampagne noch unter Wowereit gestartet, in der Öffentlichkeit war es aber der Name Müllers, dem die Blamage zugerechnet wurde.

Einen ersten Kratzer hat inzwischen sogar der Ruf des fleißigen „Aktenfressers“ erhalten. So war Müller anscheinend nicht darüber im Bilde, dass das Bundesverkehrsministerium bei der EU für den neuen Großflughafen BER einen neuen staatlichen Zuschuss von 2,5 Milliarden Euro beantragt hat. Dabei hätte er, wie eine Regionalzeitung berichtet, schon im März aus den entsprechenden Unterlagen wissen müssen, dass damit 300 Millionen Euro zusätzlich bei der EU beantragt wurden. Als Folge musste sich ausgerechnet Müller, der am 3. Juli den Vorsitz der Flughafengesellschaft übernehmen soll, von der Boulevard-Presse die Frage anhören, ob er die Akten zum BER nicht kenne. Norman Hanert


Richtfest am Schloss
von Vera Lengsfeld

Am 12. Juni ist es so weit: Der Schlossbau schreitet planmäßig voran, am 12. Juni wird Richtfest gefeiert. Die Besucher können im Schlüterhof wie an den Außenfassaden schon deutlich die historischen Mauern erkennen. Beeindruckend ist, welche Faszination schon jetzt von diesem Bau ausgeht. Die maßvollen Proportionen mreduzieren die riesigen Ausmaße auf ein menschliches Maß. Vor allem ist sichtbar geworden, welch schmerzliche städtebauliche Lücke das entstehende Gebäude schließt.

Es ist nicht mehr nachvollziehbar, dass ein so großes Loch mitten in der Stadt so lange offen gehalten werden konnte. Nun feiert Berlin das Richtfest mit einem Fest der Bundesregierung und des Bundestages.

Danach feiern die Förderer, zum Schluss ist das Publikum zugelassen. Unter den Vertretern des Bundestages zeigen sich selbstverständlich auch Abgeordnete der SED-Linken, der Partei, die den Kampf gegen das Schloss angeführt und verloren hat.

Ehe daran gedacht werden konnte, das Schloss wiederzuerrichten, musste der Palast der Republik verschwinden, der ab Mitte der 70er Jahre auf einem Teil des Schlossareals stand. Der Palast war von Anfang an beim Volk verhasst. Für ihn wurden Bauarbeiter aus dem ganzen Land abgezogen. Selbst Krankenhausbauten gerieten ins Stocken, weil nicht mehr genug Arbeiter da waren.

Vor allem erbitterte die Berliner, welcher Prunk betrieben wurde. Carrara-Marmor für die Fassade, Sanitäreinrichtungen inklusive Wasserhähne und WC-Spüler aus dem Westen. Etwa ein Drittel des Materials verschwand von der Baustelle, weil es „privatisiert“ wurde.

Als der Palazzo Prozzo, wie das SED-Pre­stigeobjekt unter anderem von den Berlinern genannt wurde, fertig war, stand er keineswegs allen offen. Für die Bowlingbahn musste man sich zwei Jahre vorher anmelden, um hier eine Kugel schieben zu können. Die Preise in den Restaurants waren überdurchschnittlich hoch, für die Eisbar an der Spree musste man sich stundenlang anstellen, ehe man einen Platz bekam. Wenn es staatliche Festivitäten gab, blieb der Palast ganz geschlossen.

Trotzdem konnte die ehemalige SED Tausende Genossen mobilisieren, die in Petitionen und Leserbriefen behaupteten, ihre schönsten Lebensstunden im Palast verbracht zu haben, der deshalb nicht verschwinden dürfte.

In der CDU machte sich der ehemalige Ministerpräsident Lothar de Maizière für das angebliche „Identifikationsobjekt der Ostdeutschen“ stark. Am Ende gelang es, Bundesregierung und Bundestag zu überzeugen, dass „Honeckers Lampenladen“ dem Schloss weichen muss. Ich bin stolz, daran Anteil gehabt zu haben.


Leichtes Spiel für die Täter
Einbrecherbanden aus Berlin zunehmend bundesweit aktiv

In einem Musik-Rap feiern sich Berliner Serieneinbrecher: „Mit Sturmmaske und Brecheisen in den Benz steigen. Auf die Autobahn, mit geklauten Kennzeichen … Lass das Geschäft steigen, was ins Geschäft schleichen / Mit der Flexscheibe durch die Decke ins Geschäft steigen / Zerfetz Scheiben mit dem Fünf-Kilo-Hammer … Mit 180 durch die Stadt, Tacho platzt, kein Bulle schnappt mich … Ruckzuck – rein, raus.“ Ausnahmsweise hat die etablierte Presse diesmal die türkisch-kurdische Nationalität der singenden Täter publiziert.

Die stattliche Sendeanstalt RBB hatte dieser Tage einen Beitrag unter dem Titel „Berlin, Hauptstadt der Diebe“ gebracht. Tatsächlich wird in keiner deutschen Stadt mehr gestohlen und mehr eingebrochen als in Berlin.

Die Zahl der gesamten Einbrüche in Berlin hat sich in den vergangenen zehn Jahren auf nunmehr 12159 mehr als verdoppelt. Gleichzeitig hat sich die Aufklärungsquote halbiert. Sie liegt nun nur noch bei 6,6 Prozent. Vor einem Jahr wurde eine achtköpfige Einbrecherbande gestellt, nachdem sie einen Media-Markt in Dresden überfallen hatte. Es waren die Berliner Serientäter. „Danach hatten wir erst einmal Ruhe in der Stadt“, berichtete Michael Adamski vom Landeskriminalamt (LKA). Lange scheinen die Täter aber nicht in Haft gewesen zu sein. Adamski: „Es zieht jetzt wieder an. Es sind neue Täter am Werk. Oder die alten, die nach ihrer Verurteilung nicht in Haft gegangen sind.“ Der türkisch-kurdische Gangsterrapper mit dem Künstlernamen „AK“ (Außer Kontrolle) berichtet, wie er der Polizei immer wieder entweichen konnte: „Wenn die Cops hinter einem her sind, und man mit 300 Sachen (560-PS-Audis) über die Autobahn brettert, da trauen sie sich nicht mehr hinterher.“

Staatsanwalt Sebastian Sendt konnte die Verbrecher erst vor Gericht bringen, nachdem die für die Einbrüche benutzten Mietwagen mit Peilsendern versehen worden waren. „AK“ berichtet, wie es nach einer Verhaftung weitergeht: „Die Kohle ist dann natürlich ganz woanders gebunkert. Und man hat Familie, Freunde, Brüder, die sich darum kümmern, die Kohle holen und die Anwälte dann bezahlen. Und der Anwalt kriegt die meisten Leute raus. Wegen geringer Beweislast werden viele freigesprochen.“ Die Banden aus Berlin-Wedding sind inzwischen deutschlandweit aktiv. In Magdeburg, Dresden, Kassel und Bielefeld gab es Einbrüche, welche auf die „Handschrift“ der Berliner Gangsterrapper hinweisen. T.M.


Richter gehen auf die Straße
Aufruhr gegen rot-rote Kürzungen: »Wir arbeiten schon am Limit«

Bisher einmalig in der Geschichte des Bundeslandes Brandenburg, haben Ende Mai rund 150 Richter und Staatsanwälte gegen einen geplanten Stellenabbau in der Justiz demonstriert. Die Juristen trafen sich vor der Staatskanzlei und zogen dann mit Transparenten und Trillerpfeifen durch die Stadt zum etwa 1000 Meter entfernten Landtag.

Anlass für den Protest sind Pläne für einen erheblichen Personalabbau durch die in Potsdam regierende Koalition von SPD und Linkspartei. Vorgesehen ist, rund 100 Planstellen für Richter und Staatsanwälte im Doppelhaushalt 2015/2016 zu streichen. Argumentiert wird dabei von Seiten des Justizministers Helmuth Markov (Linke) mit sinkenden Fallzahlen und Bearbeitungszeiten, die sich in letzter Zeit verkürzt hätten. Brandenburgs Richter und Staatsanwälte sehen sich allerdings bereits ohne die geplanten Kürzungen an der Belastungsgrenze arbeiten. „Man versucht, nur noch gegen die Aktenberge anzukommen“, so eine Staatsanwältin gegenüber dem Sender RBB. Ähnlich die Einschätzung von Matthias Deller, Brandenburgs Landesvorsitzender des Deutschen Richterbundes: „Die Richter und Staatsanwälte im Land arbeiten am Limit.“ Der Bund der Richter und Staatsanwälte warnt: Bereits in einigen Monaten könnten Brandenburger Land- und Amtsgerichte vor dem Kollaps stehen.

Unterstützt wird die Kritik an den Kürzungsplänen durch die CDU-Fraktion im Potsdamer Landtag. Danny Eichelbaum, rechtspolitischer Sprecher der Fraktion, sieht durch den geplanten Stellenabbau den Rechts- und Wirtschaftsstandort Brandenburg gefährdet. „Vorteile bringt der Stellenabbau höchstens für diejenigen, die in Brandenburg gegen Recht und Ordnung verstoßen. Sie dürfen sich künftig auf weniger Verurteilungen und geringere Strafen freuen, denn wo kein Kläger, da kein Richter; wo kein Richter, da kein Urteil und wo kein Justizbeamter, da kein Vollzug.“

Rückenwind erhalten die protestierenden Richter und Staatsanwälte ebenso von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Aus Sicht der GdP müssen Polizei (die ebenfalls unter Stellenstreichungen leidet) und Justiz in der Lage sein, Straftaten schnell aufzuklären beziehungsweise zu ahnden. „Werden Straftaten nicht aufgeklärt beziehungsweise folgen Sanktionen erst nach mehreren Monaten, bleibt Brandenburg weiterhin ein El Dorado für Straftäter“, befürchtet die Gewerkschaft. N.H.


S. 6 Ausland

Geeint wider die US-Dominanz
Mit seinem Streben nach einer »neuen Weltordnung« schweißt Amerika Russland und China zusammen

Unter dem scheinbar harmlosen Begriff der „neuen Weltordnung“ treiben die USA ihre hegemoniale Politik voran. Sie folgen dabei theoretischen Vorgaben wie dem Buch „Die einzige Weltmacht“ des früheren Präsidenten-Beraters Zbigniew Brzezinski. Naturgemäß muss daher jede Macht ihr Gegner sein, die sich ihnen nicht unterordnen will, so wie Russland und China, die das Konzept einer multipolaren Weltordnung verfolgen. Daher ist die neue, enge Partnerschaft zwischen Moskau und Peking für Wa­shington ein außenpolitisches Waterloo.

Der „Fortbestand der globalen Vormachtstellung Amerikas“, so schrieb Brzezinski, „hängt unmittelbar davon ab, wie lange und wie effektiv es sich in Eu­­- rasien behaupten kann“. Dieser umfassende Anspruch wird allerdings nur zu einem kleinen Teil erfüllt, nämlich insoweit, als sich EU und Nato den US-amerikanischen Strategien anschließen. Doch gerade die unvernünftige Russlandpolitik dieser beiden hat dafür gesorgt, dass sich das größte Flächenland der Erde und das Land mit den meisten Einwohnern fest zusammengeschlossen haben. Im Rahmen des Bündnisses BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) gehört auch noch Indien zu diesem Bündnis.

China ist dabei, die USA am Lebensnerv zu treffen, bei den Finanzen. Dabei hat Peking seinen größten Trumpf noch gar nicht gezogen, nämlich die Tatsache, dass es der größte Gläubiger der USA ist. Washington schuldet Peking rund zwei Billionen US-Dollar. Davon abgesehen ist China dabei, ein „paralleles Währungs- und Finanzsystem“ aufzubauen, das die bisherige US-dominierte Welt-Finanzordnung in Frage stellt. Mit dabei ist Russland. Zwei Projekte stehen dabei im Vordergrund: die neue Seidenstraße, ein hochmoderner Wirtschafts­raum durch ganz Eurasien, den China plant, und die Eurasische Wirtschaftsunion, die Russland anführt.

Der russische Wirtschaftswissenschaftler Sergej Karaganow stellt fest: „Zuerst haben die meisten Beobachter vermutet, dass diese beiden Projekte miteinander konkurrieren würden. Nun geschieht genau das Gegenteil. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich im Zentrum Eurasiens ein neues Territorium der wirtschaftlichen Entwicklung herausbildet, das Nutzen für alle bringen wird … Dies könnte zu einem Mega-Projekt für die Gründung eines neuen Wirtschaftszentrums der Welt werden.“

Karaganow weist gleichzeitig auf den Unterschied hin, der zwischen der derzeitigen US-Dominanz und der zu erwartenden chinesischen herrschen wird: „China wird vielleicht die führende asiatische Großmacht sein, aber kein Hegemon. Chinas Positionen werden nie dieselben sein, die jetzt von den USA im Euro-atlantischen System eingenommen werden.“

Nicht nur mit der atlantischen Achse arbeiten die USA in der Wirkung gegen ihre eigenen Interessen. So wie sie durch die Russlandpolitik Moskau zum Bündnis mit Peking getrieben haben, so drängen sie China durch ihre Politik im Westpazifik in die Arme Russlands. „Dies geht darauf zurück“, so Karaganow, „dass die USA im Osten den Chinesen immer härter zusetzen. Was die kürzlich veröffentlichte (neue) chinesische Militärdoktrin betrifft, so enthält sie keine Elemente, die Russland bedrohen würden. In den Grenzgebieten zu Russland soll eine sehr niedrige, ich würde sogar sagen, betont niedrige Konzentration chinesischer Streitkräfte fortbestehen.“

Ganz anders die neue Strategie Chinas in Richtung Osten auf den Pazifik. Hatte sich Peking bislang darauf beschränkt, seine Küsten vor möglichen Angriffen zu schützen, so verlegt es nun die Verteidigungslinie hinaus auf den Pazifik. Das bedeutet, man duldet nicht weiterhin wie selbstverständlich, dass die USA den Pazifischen Ozean als ihr Binnenmeer betrachten. Auch das kürzlich abgehaltene gemeinsam Seemanöver russischer und chinesischer Marineeinheiten im Mittelmeer zeigt, dass beide Mächte ihre Präsenz auf den Weltmeeren betonen, eine Fähigkeit, die bis zu diesem Zeitpunkt allein die USA für sich in Anspruch genommen haben.

Um seine neue Rolle in der Militärpolitik ausfüllen zu können, ist China auf Waffenlieferungen aus Russland angewiesen. Auch das trägt zur engeren Zusammenarbeit der beiden Mächte bei. Das Verhältnis erweist sich als so vertrauensvoll, dass Moskau an Peking Waffen liefert, die sonst noch nicht exportiert worden sind, so die Raketenabwehrsysteme S 400.

Wenn sich auch nicht der US-Präsident und seine Administration dazu bequemen, die Änderungen auf dem Globus zur Kenntnis zu nehmen, so gibt es doch auch in den USA vereinzelt Medien, die das tun. Die Wochenzeitschrift „The Nation“ schreibt: „Es ist notwendig, die offensichtliche Realität zu akzeptieren, dass wir den Planeten mit anderen Großmächten teilen.“ Washington müsse sich dessen bewusst werden, dass die Macht der USA beschränkt und ihre globale Herrschaft ein „unmögliche Phantasie“ sei.

Doch tatsächlich erweckt die US-Regierung genau den gegenteiligen Eindruck. Für ihre Bemühungen um Macht und Einfluss scheint vielmehr der ganze Erdball zu klein zu werden. So arbeitet man in Washington an einem Gesetz, das den USA alle Rechte an Rohstoffen auf dem Mond sichern soll. War schon die Idee von der „einzigen Weltmacht“ von einem gewissen Realitätsverlust getragen, so führt die Absicht, ein Gesetz zu erlassen, dessen Durchsetzung unmöglich ist, endgültig ins Abseits.

Allerdings haben auch Mos­kau und Peking kosmische Ambitionen, wenn auch anderer Art. Die beiden Mächte wollen auch bei der Weltraumforschung zusammenarbeiten. Mitte der 2020er Jahre, so die Absicht, könnten chinesische und russische Forscher auf dem Mond landen. An der Erstellung von einheitlichen technischen Standards wird bereits gearbeitet.

Florian Stumfall


IS-Terror bei den Saudis
Blutige Anschläge auf schiitische Moscheen in Qatif und Dammam

Die wahhabitische Religions- und Staatslehre Saudi-Arabiens gilt als die Grundlage des sunnitischen Salafismus. Jahrzehntelang hatte saudisches Geld den Salafismus weltweit finanziert und hofiert und damit zu der weltweiten Gefahr gemacht, die er jetzt darstellt. Auch brutale und unmenschliche Praktiken, wie zum Beispiel das Abhacken von Köpfen, gehen auf den saudischen Wahhabismus zurück. Der Islamische Staat (IS) hat sich sogar dieselbe Fahne zugelegt wie Saudi-Arabien, abgesehen von dem mehr oder weniger kleinen Unterschied, dass die IS-Fahne schwarz ist, während die saudische in der Farbe des Islam gehalten ist und neben dessen Glaubensbekenntnis „Es gibt keine Gottheit außer Gott und Mohammed ist sein Gesandter“ auch noch ein Schwert als Symbol für Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit zeigt.

Zur Ideologie des Salafismus gehört nicht nur der Hass auf alle Nicht-Muslime, sondern auch die Verachtung aller Nicht-Sunniten als Ungläubige. Dazu gehören vor allem die Schiiten, die 15 bis 20 Prozent aller Muslime weltweit stellen und selbst im wahhabitischen Königreich Saudi-Arabien mit ihren dort lebenden 2,7 Millionen Angehörigen immerhin zwölf Prozent der Bevölkerung, ausmachen.

Auch diese saudischen Schiiten sind nun vom IS-Terror bedroht, wie jüngst zwei Terroranschläge gegen schiitische Moscheen im vornehmlich von Schiiten bewohnten Osten Saudi-Arabiens vor Augen führten. Zunächst zerfetzte ein Selbstmord­attentäter in einer schiitischen Moschee in Qatif 21 Betende und verletzte mehr als 120. Es handelte sich um das bislang schwerste Attentat auf Schiiten in der Geschichte des Königreiches.

Eine Woche später verfehlte der Anschlag eines als vollverschleierte Frau verkleideten Selbstmordattentäters vor der schiitischen Imam-Hussein-Moschee von Dammam nur knapp sein Ziel. Ein Student war misstrauisch geworden und als er den Verdächtigen zur Rede stellen wollte, zündete dieser vorzeitig seine Ladung.

Wenige Stunden später übernahm der IS auch für dieses zweite Attentat im Osten Saudi-Arabiens die Verantwortung. „Es ist unsere Pflicht, Schiiten zu töten und die Arabische Halbinsel von diesem Dreck zu reinigen“, hieß es in der Audiobotschaft, die weitere Attentate in der Entstehungsregion des Islam ankündigte. Tausende Menschen kamen zur Beerdigung des jungen Studenten, die zu einer schweigenden Protestdemonstration der schiitischen Volksgruppe gegen das saudische Königshaus wurde.

Es ist kein Wunder, dass die mörderische IS-Ideologie in Saudi- Arabien auf fruchtbaren Boden fällt. Die Hetze gegen die schiitischen Huthis im Jemen dürfte dazu führen, dass künftig weitere junge Saudis das Islamische Kalifat dem islamischen Königreich vorziehen und sich vom IS zu Terrortaten gegen die eigenen schiitischen Landsleute anstacheln lassen. Deshalb empfingen empörte Schiiten nach den Attentaten den saudischen Kronprinzen und Innenminister Mohamed bin Nayef bei dessen Besuch am Attentatsort mit ungewöhnlich harter Kritik. „Wenn das Königreich und die Herrscherfamilie nicht ihren Teil zur Beendigung der Hetze beitragen, werden sie zu schweigenden Komplizen dieser Verbrechen“, erklärten Demonstranten und forderten, alle Medien, die Hass auf Schiiten schürten, zu verbieten.

Bodo Bost


Hauptsache prowestlich
Georgiens Ex-Präsidenten Saakschwili nun Gouverneur Odessas

Der georgische Ex-Präsident Micheil Saakaschwili, der 2003 mit seiner Rosenrevolution sein Land auf Westkurs brachte, 2013 aus seinem Amt gewählt wurde und mittlerweile in seiner Heimat per Haftbefehl gesucht wird, soll nun die Region Odessa für die Ukraine sichern. Seit Februar war der Georgier bereits Berater des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko. Jetzt hat ihn dieser zum Gouverneur des Oblast Odessa ernannt. Vor der Ernennung war dem ehemaligen Staatsoberhaupt Georgiens die ukrainische Staatsbürgerschaft verliehen worden. Saakaschwili genießt als Reformpolitiker in der Ukraine große Popularität, er hatte in der Sowjetzeit in Kiew studiert und in den 1980er Jahren in der Ukraine seinem Wehrdienst geleistet, Ukrainisch spricht er nicht, was er mit diversen Ministern von Poroschenkos Amtsvorgänger Viktor Janukowytsch gemein hat.

Saakaschwili folgt in seiner neuen Funktion im Oblast Odessa dem Geschäftsmann Ihor Palyzja, einem Vertrauten des Oligarchen Ihor Kolomojskyj. Kolomojskyj, der eine eigene Privatarmee finanziert, die nicht nur im Dienste der Ukraine, sondern auch seiner eigenen dubiosen Wirtschaftsinteressen steht, war Ende März nach einem beispiellosen Machtkampf mit Poroschenko als Gouverneur der Oblast Dnipropetrowskaus entlassen worden. Nach dieser Entlassung schien die Ablösung Palyzjas in Odessa nur eine Frage der Zeit zu sein.

Gegen Odessas neuen Gouverneur hat die Staatsanwaltschaft im georgischen Tiflis bereits im Sommer vergangenen Jahres Anklage wegen Amtsmissbrauchs während seiner Amtszeit als Präsident erhoben. Es geht um Behördeneinsätze gegen Demonstranten und einen Privatfernsehsender. Saakaschwili, der zunächst in die USA geflüchtet war, hatte die Vorwürfe als „politisch motivierte Farce“ zurückgewiesen. Ein georgisches Auslieferungsbegehren wurde im Februar von der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft abgelehnt.

Mit der Ernennung Saakaschwilis besetzt Ukraines Präsident Poroschenko eine weitere Schlüsselposition mit einem Vertrauten. Das dieser Ausländer ist beziehungsweise war, ist keine Premiere. Poroschenko hat bereits mehrere Schlüsselposten des Landes mit Politikern besetzt, die nicht in der Ukraine geboren wurden. Auch Saakaschwili hatte seine Reformen in Georgien oft mit „Ehrengeorgiern“ durchgeführt. So war zum Beispiel eine Tochter Otto von Habsburgs, Gabriele von Habsburg, unter Saakaschwili georgische Botschafterin in Deutschland.

Die Ernennung von Wladimir Putins Gegenspieler im Kaukasuskrieg von 2008 ausgerechnet zum Gouverneur des hauptsächlich russischsprachigen Odessa, das vor 220 Jahren als der Hauptort von Nowaja Rossija (Neues Russland) von den Zaren gegründet worden war und von Deutschen, Franzosen, Griechen und Juden im 19. Jahrhundert aufgebaut wurde, wirkt wie eine Provokation. Auch nach der Erlangung der Unabhängigkeit der Ukraine im Jahre 1991 hat sich Odessa seinen vorwiegend russischen Charakter bewahrt. Auch dort kam es in der Folge des Regimenwechsels in Kiew vergangenes Jahr zu Zusammenstößen. Am 2. Mai 2014 starben 42 Menschen, als proukrainische Gruppen das von prorussischen Demonstranten besetzte Gewerkschaftshaus angriffen und anzündeten. Zuletzt kam es in Odessa regelmäßig zu Bombenanschlägen. Die Wirtschaft liegt infolge des Krieges im Donbass und infolge der Korruption am Boden. B.B.


MELDUNGEN

»Rechter Block« holt auf

Stockholm – Dem statistischen Amt zufolge liegt der sogenannte linke Block in Schweden nur noch knapp vor dem rechten Block. Die nationalkonservativen Schwedendemokraten konnten ihre Position als drittstärkste Partei des Landes stärken und können sie wohl weiter ausbauen. Der steigende Erfolg der Partei ist vor allem auf den Unmut vieler Schweden über die Zuwanderungspolitik und die zunehmende Ausländerkriminalität zurück­zuführen. Aktuell will die Regierung alle Gemeinden verpflichten, alle ihnen zugewiesenen Zuwanderer unabhängig von den jeweiligen infrastrukturellen Gegebenheiten und den Möglichkeiten zur Integration aufzunehmen. M.H.

 

Cameron gegen Konvention

London – Großbritanniens Premierminister David Cameron denkt über eine Aufkündigung der Europäischen Menschenrechtskonvention nach. Ihn stört, dass ausländische Kriminelle sich darauf berufen könnten, um beispielsweise ihre Abschiebung zu verhindern. Vor dem Parlament erklärte er, sein Land wisse sehr genau, was es wolle: „Das sind britische Richter, die ihre Urteile in britischen Gerichten fällen.“ Es gäbe zwar noch keine konkrete Absicht zur Aufgabe der Konvention, aber „wenn wir nicht bekommen, was wir brauchen, schließe ich nichts als Mittel dafür aus“, so Cameron weiter. An der Stelle der Europäischen Menschenrechtskonvention kann er sich eine nationale Menschenrechtscharta vorstellen. Die Europäische Menschenrechtskonvention und der auf ihrer Grundlage errichtete Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sind keine Institutionen der EU und bleiben somit von Camerons Absicht, Kompetenzen von der EU zurück auf die nationale Ebene zu holen, unberührt. J.H.


S. 7 Wirtschaft

Es trifft vor allem den Mittelstand
83 Prozent der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer beklagen weniger Aufträge aus Russland

Die Öffentlichkeit hat sich an die Eiszeit mit Russland fast schon gewöhnt. Aber die deutsche Wirtschaft leidet. Nun trifft es auch die Maschinenbauer, denen ein Milliardengeschäft verloren geht.

Es sind nicht die ganz großen Schlagzeilen, welche die deutsche Öffentlichkeit aufschrecken würden. Es sind eher regionale Berichte, die man fast als Einzelschicksale abtun könnte, wenn ihre Häufung nicht so auffällig wäre. So berichtete kürzlich der Branchendienst „Creditreform“, der vom „Handelsblatt“ herausgegeben wird, von den Problemen des mitteldeutschen Mittelständlers Gerhard Krossing aus Magdeburg. Vor eineinhalb Jahren sah der sein Unternehmen gut aufgestellt für die Zukunft. Die Zahlen seiner Vakoma-Gruppe mit Kompressoren, Pumpen und Getrieben waren schwarz, er war ein verlässlicher Partner seiner russischen Abnehmer, fast zwei Drittel seines Umsatzes liefen über Russland. Doch dann änderte sich die Weltlage. Der Ukraine-Konflikt eskalierte nach der Krim-Annexion, die EU verhängte Sanktionen gegen Russland. Warnungen, Leidtragende könnten die deutsche Wirtschaft und vor allem der Mittelstand sein, verhallten ungehört. Krossing versuchte, neue Marktlücken zu finden, aber die Zeit lief ihm davon. Ende März stand er vor den Trümmern seines Berufslebens. Ihm blieb nichts anderes übrig, als seinen Leuten die Pleite mitzuteilen. „Meinen Mitarbeitern diese bittere Nachricht mitteilen zu müssen, zerreißt einen in­nerlich”, zitiert das Magazin den Unternehmer. Er macht die Sanktionen für die Folgen verantwortlich, die sein Unternehmen mit voller Härte trafen. „Uns wurde quasi der Boden unter den Füßen weggezogen.”

Ursprünglich sollten die Sanktionen nur Geschäfte mit staatlichen russischen Unternehmen betreffen, aber die EU hatte die Wirkung ihrer Maßnahmen unterschätzt. Auch private Investoren scheuen Geschäfte mit dem We­sten. „Unsere langjährigen Kunden kaufen unsere Produkte nicht mehr und haben mir geschrieben, dass es nur an der politischen Krise zwischen EU und Russland liegt. An der Qualität unserer Produkte liegt es nicht”, sagt Krossing.

Die Zahlen, die das Statistische Bundesamt kürzlich veröffentlichte, bestätigen diese Annahme. Die Ausfuhren deutscher Waren seien im vergangenen Jahr um mehr als 18 Prozent auf rund 29 Milliarden Euro geschrumpft – ein Minus von rund 6,5 Milliarden. Im ersten Quartal 2015 steigerte sich der Einbruch auf 34 Prozent. Ganz im Trend liegt der Maschinenbau. Dessen Ausfuhren sanken im ersten Quartal um fast ein Drittel. Dieser Industriezweig ist extrem wichtig für das Russlandgeschäft, er macht fast ein Fünftel aller deutschen Ausfuhren aus. Die Aussichten, dass sich schnell etwas bessert, sind düster.

Eine Umfrage des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) unter fast 260 Mitgliedsunternehmen zeigt, dass die Russland-Krise vielfältige Folgen für die hiesige Industrie hat. 94 Prozent der Befragten gaben an, von der Krise betroffen zu sein. 83 Prozent der Unternehmen bekamen weniger Aufträge, 70 Prozent weniger Anfragen. „Deshalb ist zu erwarten, dass die Exporte nach Russland in den kommenden Monaten stark zurückgehen werden“, sagt VDMA-Präsident Reinhold Festge.

Hoffnung auf Besserung besteht kaum. Bereits im März wurde deutlich, dass die Staats- und Regierungschefs der EU bis Ende Juli auslaufenden Sanktionen voraussichtlich verlängern werden. Festge bezweifelt, dass dieser Weg das angemessene Druckmittel gegen Moskau ist: „Die Sanktionen nutzen keinem“, sagte er der Deutschen Nachrichtenagentur dpa.

Auch in anderen Industriezweigen wächst der Unmut. Die Tageszeitung „Die Welt“ ließ vor einiger Zeit einen Vertreter der MWL Apparate Bau GmbH aus dem sächsischen Grimma zu Wort kommen. Das Unternehmen stellt Druckbehälter für die chemische und petrochemische Industrie her. „Wir haben zwei Aufträge aus Russland nicht bekommen, wo wir der Meinung sind: aus politischen Gründen“, erklärte ein Unternehmenssprecher und sprach von der Angst vor weiteren Sanktionen: „Man platziert eine Bestellung und plötzlich kann man aus politischen Gründen nicht mehr liefern. Das ist das Horror-Szenario.“

Tobias Baumann, für Russland zuständiger Referatsleiter beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag erklärt, warum der Mittelstand so große Probleme mit den Sanktionen hat: Anders als Dax-Großkonzerne könnten diese Firmen, die in Deutschland etwa 52 Prozent zur Wirtschaftsleistung beitragen, nicht ohne Weiteres in andere Weltgegenden ausweichen. „Die größte Gefahr besteht darin, dass man hochspezialisierte Unternehmen mit einem hohen Exportanteil in Osteuropa sehenden Auges in den Ruin laufen lässt und damit auch technische Kompetenzen verloren gehen“, erklärte er gegenüber der „Welt“.

Die Konkurrenz schläft unterdessen nicht. Während Deutschlands Mittelstand über Ausfuhrbeschränkungen und bürokratische Hürden beim Russland-Geschäft stöhnt, reiben sich asiatische Unternehmen die Hände. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis China zum wichtigsten russischen Maschinenlieferanten wird“, so VDMA-Russland-Expertin Monika Hollacher gegenüber dpa. Peter Entinger


Mit Merkel im selben Boot
Auch Lagarde setzt auf eine Insolvenzverschleppung Griechenlands

Stand der International Währungsfonds (IWF) lange im Ruf, gerade gegenüber Entwicklungsländern kompromisslose Härte zu zeigen, so wird Griechenland bei näherem Hinsehen recht großzügig behandelt. Beispielsweise hat die Regierung in Athen vergangenen Monat eine Rate an den IWF mit Geld bezahlt, das eigentlich vom IWF selbst stammte. Fällig waren 750 Millionen Euro, einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters zufolge flossen dabei 600 Million mit ein, die von einem Mitgliedskonto Griechenlands beim IWF stammte. Ein Zugriff auf dieses Geld ist eigentlich nur mit Zustimmung des Währungsfonds möglich. Offenbar wurde sie gegeben.

Kreativ ist auch die Lösung, mit der diesen Monat die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands verhindert werden soll. In vier Raten muss Athen bis Monatsende insgesamt 1,6 Milliarden Euro an den IWF zurückzahlen. Da das Geld für die erste Rate nicht vorhanden war, darf Griechenland seine Raten gebündelt in der zweiten Monatshälfte leisten. Dahinter steht die Hoffnung, dass Athen in der Zwischenzeit eine Einigung mit der Eurogruppe erzielt und wieder frisches Geld überwiesen bekommt.

Ungewöhnlich ist das Entgegenkommen gegenüber Griechenland, aber nicht verwunderlich. Käme es nämlich zu einem Zahlungsausfall Griechenlands, dann würde sich die IWF-Chefin Christine Lagarde auf scharfe Kritik gefasst machen müssen. Um das Land mit Milliarden finanzieren zu können, hat der Währungsfonds nämlich seine Regeln bis zum Äußersten gedehnt. Dabei ist der IWF ein hohes finanzielles Risiko eingegangen.

Schon unter dem Lagarde-Vorgänger Dominique Strauss-Kahn hatte sich der Währungsfonds im Mai 2010 an einem ersten Hilfspaket für Griechenland beteiligt. Die vom IWF damals zugesagten 30 Milliarden Euro stellen in seiner 70-jährigen Geschichte einen Rekordwert dar. Nie zuvor war ein derartig hoher Kredit an ein einzelnes Land ausgereicht worden. Ebenfalls schon unter Strauss-Kahn begann der IWF zugunsten Griechenlands seine eigenen Regeln zu brechen. So darf sich der IWF an größeren Hilfsaktionen eigentlich nur beteiligen, wenn die öffentliche Verschuldung eines Staates „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ tragfähig ist. Im Fall von Griechenland wurde dieser Grundsatz dadurch umgangen, dass ein Passus geschaffen wurde, dem zufolge IWF-Gelder auch dann fließen dürfen, wenn die Gefahr einer Krisenausbreitung besteht.

Hingegen zum großen Teil erst in die Amtszeit Lagardes wurde eine andere Grundregel zugunsten der Griechen ausgehöhlt. Eigentlich muss der Währungsfonds bei jeder Kredittranche eine sogenannte „debt sustainability analyses“ anfertigen. Ökonomen beim Währungsfonds berechnen dabei, ob die Schulden für den betreffenden Staat überhaupt noch tragfähig sind. Dass Griechenland von Mai 2010 bis Juni 2014 vierteljährlich vom IWF bescheinigt wurde, seine Schuldenlast bewältigen zu können, ist ohne ein „Augen zudrücken“ kaum denkbar. Herangezogen hat der Währungsfonds nach Meinung von Beobachtern dabei unrealistische Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung Griechenlands sowie überzogene Erwartungen zu Steuereinnahmen und Privatisierungserlösen.

Norman Hanert


Forderungen aus Madrid
Rajoy will Weichwährung, Fiskalunion und Eurogruppenvorsitz

Massive Kritik an der Europäischen Zentralbank (EZB) hat Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy geäußert. In einem achtseitigen Brandbrief, aus dem die spanische Zeitung „El País“ zitiert, beklagt sich Rajoy, dass die gemeinsame Währungspolitik für gewisse Euro-Partner in den vergangenen Jahren „nicht angemessen“ gewesen sei und in einigen Ländern die Schuldenexzesse noch gefördert habe. Faktisch schiebt Rajoy mit dieser Kritik der EZB eine Mitschuld an den wirtschaftlichen Problemen Spaniens zu.

Konsequent folgt die Forderung nach einer Änderung der Statuten der Europäischen Zentralbank. Zumindest auf dem Papier bislang nach dem Vorbild der Bundesbank der Geldwertstabilität verpflichtet, soll die Europäische Zentralbank nach dem Willen Rajoys künftig auch offiziell für eine niedrige Arbeitslosigkeit sorgen. Konkret fordert Rajoy, dass die EZB über ihre Geldpolitik die wirtschaftliche Kohärenz der Mitgliedsstaaten fördert. Im Klartext läuft die Forderung auf eine aktive Umverteilung zwischen leistungsstarken und schwächeren Staaten in der Euro-Zone hinaus.

Die gleiche Zielrichtung hat ein weiterer Vorschlag aus Madrid: die Schaffung einer EU-Fiskalunion. „Es kann nicht sein, dass wir eine Steuerflucht von einem EU-Staat in den nächsten haben. Und wir brauchen einen gemeinsamen Haushalt der Eurozone, der Geld einnimmt und ausgibt“, so Alvaro Nadal, der Chef des Wirtschaftsbüros von Spaniens Ministerpräsident Rajoy. Konkret vorgeschlagen wird von Rajoys Wirtschaftsberater die Gründung eines eigenen EU-Finanzministeriums, das unter anderem für öffentliche Investitionen zuständig sein soll. Ähnlich wie bei der Forderung an die EZB, läuft auch dieser Vorschlag letztendlich auf eine vergemeinschaftete Schuldenhaftung hinaus.

Insbesondere aus deutscher Sicht sollten derartige Vorstöße aus Madrid durchaus ernst genommen werden. Es war unter anderen auch Rajoy gewesen, der in der Vergangenheit gefordert hatte, die Europäische Zentralbank solle Staatsanleihen aufkaufen. Was vor wenigen Jahren noch undenkbar schien, ist inzwischen gängige Praxis. „2010 hätte auch niemand geglaubt, dass wir einmal so weit sein würden wie heute, mit einer EZB, die Staatsanleihen aufkauft“, so die zutreffende Einschätzung eines spanischen Ökonomen.

Es dürfte kaum ein Zufall sein, dass gerade jetzt neue Vorschläge aus Madrid präsentiert werden, die auf mehr Umverteilung innerhalb der EU hinauslaufen. Diesen Monat muss der Vorsitzende der Eurogruppe, des Arbeitsgremiums der Finanzminister der Euro-Zone, neu gewählt werden. Spaniens Regierungschef möchte auf diesem Posten gerne seinen derzeitigen Wirtschaftsminister Luis de Guindos sehen. Nachdem der bisherige Amtsinhaber Jeroen Dijsselbloem erklärt hat, er stehe für eine weitere Amtsperiode bereit, läuft alles auf eine Kampfkandidatur zwischen dem Niederländer und dem Spanier hinaus. Dijsselbloem genießt vor allem in den kleineren EU-Staaten viel Unterstützung. Die Aussicht, dass Spanien sich für mehr Finanztransfers in der EU stark macht, könnte vor allem die krisengeplagten südeuropäischen Länder veranlassen, für den spanischen Kandidaten zu stimmen.

N.H.


MELDUNGEN

Seehandel in der Ostsee floriert

Memel – In den großen Hafenstädten der Ostsee hat der Seehandel seit Beginn des Jahres trotz der Russland-Sanktionen deutlich zugenommen, während die kleineren Häfen spürbare Verluste erlitten und Frachtmengen meist an die größeren Nachbarhäfen im eigenen Land abtreten mußten. Der Memel-Polanger Hafen Budendingshof setzte etwa 14 Millionen Tonnen Fracht um, was eine Steigerung von 22 Prozent gegenüber den Vorjahreszahlen bedeutet. Dies entspricht dem Umschlag des Hafens von Riga und ist etwa halbsoviel wie der des größten russischen Ostseehafens, Ust-Luga. T.W.W.

 

EU plant neue Form der GmbH

Brüssel – Die EU plant eine europaweit zugelassene Einpersonengesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie soll ein Mindeststammkapital von nur einem Euro ohne Ansparpflicht und nur einen Gesellschafter haben. Die „Online-Blitzgründung“ soll relativ formlos mit einem Standardformular innerhalb von drei Arbeitstagen ohne Einschaltung eines Notars erfolgen. Kritiker befürchten, dass durch die niedrigen Standards die Gründung von Briefkastenfirmen und weniger die von vertrauenswürdigen Unternehmen gefördert würde. J.H.


S. 8 Forum

Getroffene Hunde
von Manuel Ruoff

Getroffene Hunde bellen, lautet ein weises deutsches Sprichwort. So ist auch die Heftigkeit zu erklären, mit der im linken Lager auf die Worte der saarländischen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer zur Ehe reagiert wird: „Wenn wir diese Definition öffnen in eine auf Dauer angelegte Verantwortungspartnerschaft zweier erwachsener Menschen, sind andere Forderungen nicht auszuschließen: etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen.“

In der Tat wäre es nicht erstaunlich, ja vielmehr geradezu konsequent, wenn diejenigen, die heute die Gleichstellung der Homo-Ehe mit der Ehe fordern und das Kopftuchverbot für Lehrerinnen im Unterricht kritisieren, schon in ein paar Jahrzehnten mit demselben Unverständnis auf das heutige Verbot von Inzucht und Vielweiberei zurückschauen, mit dem sie heute auf das noch vor wenigen Jahrzehnten geltende Verbot der Homosexualität zurückblicken.

In den durch monotheistische Religionen geprägten Kulturkreisen galt als Sinn und Zweck von Sexualverkehr und Partnerschaft die Zeugung und Aufzucht gesunden, lebensfähigen Nachwuchses und damit die Arterhaltung. Vor diesem Hintergrund waren sexuelle Beziehungen zwischen Partnern gleichen Geschlechts und engen Verwandten verboten, galten sie doch als nicht zielführend.

Inzwischen läuft ein Paradigmenwechsel. Die Französische Revolution brachte den Individualismus und die 68er Revolution die Selbstverwirklichung. Zusehends wird seit dem Ende des Feudalismus die Partnerschaft durch die Liebe und seit der 68er Revolution der Sex durch die Lust legitimiert. Erlaubt ist, was Spaß macht, sofern denn alle Beteiligten mündig und einverstanden sind.

Die Homosexualität ist bereits erlaubt, der Inzest könnte folgen. Teilweise wird dieses ja bereits von Grünen und dem Deutschen Ethikrat gefordert unter Hinweis auf das Primat der sexuellen Selbstbestimmung, sprich der Selbstverwirklichung, gegenüber deren Folgen. Zudem verliert die Behinderung an Abschreckungskraft. Aus „Sorgenkindern“, bei denen man sich früher Sorgen machen musste, wie sie überleben sollen, werden im gut ausgebauten Sozialstaat „Menschen mit besonderer Befähigung“, für deren Überleben notfalls die öffentliche Hand sorgt.

Ähnliches gilt für die Vielweiberei. Wer sagt denn, dass die Liebe und das für einander Einstehen auf Beziehungen mit nur zwei Partnern beschränkt sein müssen? Und sollte nicht auch die im Islam übliche Vielweiberei in einer multikulturellen Republik wie das Kopftuch und das Schächten durch die Religionsfreiheit sanktioniert sein? Der Einwand, dass die Vielweiberei frauenfeindlich sei, klingt unglaubwürdig aus dem Munde einer Linken, die sich gegen das Kopftuchverbot für Lehrerinnen im Unterricht ausspricht. Zudem könnte man die Vielweiberei um eine „Vielmännerei“ zu einer „Vielmenschenei“ erweitern, die es ebenso wie Männern auch Frauen erlauben würde, mehrere Partner zu haben. Damit wäre zumindest in dieser Frage die Kompatibilität zwischen Islam und Frauenemanzipation hergestellt. Was kann sich die bundesrepublikanische Linke Schöneres vorstellen?


Terrible Simplificateur
von Michael Leh

Als SPD-Bundestagsabgeordneter hatte Markus Meckel versucht, das Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin zu torpedieren. Allenfalls in Breslau oder Tschechien solle eine solche Institution entstehen, forderte Meckel vor Jahren in einem abwegigen Aufruf. Historiker wie Arnulf Baring hatten Meckel daraufhin vorgeworfen, „mutwillig Unfrieden“ zu stiften. Daran fühlt man sich heute erinnert, wenn Meckel, nunmehr Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK), in Berlin eine Podiumsdiskussion über deutsche Kriegsgräber mit dem Titel „Gedenken ohne zu ehren“ abhält.

Wir brauchen nicht Markus Meckel, der anno 2015 mit dem Gestus des Aufklärers auftritt, um zu wissen, dass der Krieg insgesamt ein Verbrechen war. Deshalb ist aber nicht jeder einzelne Soldat als Verbrecher zu qualifizieren, dem keine Ehre mehr zukommt. Nicht von ungefähr fühlte sich Klaus von Dohnanyi auf der betreffenden Podiumsdiskussion aufgerufen, darauf hinzuweisen, dass zahllose deutsche Männer in die Wehrmacht gezogen wurden – ob sie wollten oder nicht – und im totalitären NS-Regime gezwungen waren, mit der Waffe zu kämpfen; andernfalls drohte die Todesstrafe.

Mit dem schillernden Begriff Ehre ist zwar in der Geschichte auch viel Schindluder getrieben worden. Doch gibt es die „Straftaten gegen die Ehre“ immer noch auch im deutschen Strafrecht. Eine Beleidigung ist der Angriff auf die Ehre einer anderen Person durch Kundgabe ihrer Missachtung oder Nichtachtung. Der Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof, Thomas Fischer, schreibt in seiner „Zeit“-Kolumne: „Jawohl, es gibt eine Gemeinsamkeit der Ehre, der Anerkennung, des Respekts“. Die Ehre hat etwas mit der Menschenwürde zu tun. Es stiftet Unfrieden und kann verletzend wirken, wenn ein VDK-Präsident als „Terrible Simplificateur“, als schrecklicher Vereinfacher, offenbar pauschal Soldaten ein ehrendes Gedenken verweigern will. Meckel nutzt den VDK zunehmend als Bühne für seine politischen Anschauungen.

Manche VDK-Veranstaltungen haben dabei nichts mehr mit dessen Satzungsauftrag zu tun. So lädt etwa der Landesverband Hessen zu einer Tagung zum Asylrecht ein. In der Einladung heißt es: „Der Seminartag ,Refugees Welcome?!‘ soll mehr Bewusstsein dafür schaffen, dass in Deutschland, einem der wohlhabendsten Länder der Erde, die Asylpolitik restriktiv ist, Geflüchtete unwürdig behandelt werden und die Ressentiments ihnen gegenüber zum Teil so groß sind, dass man nicht von einer herzlichen Willkommenskultur sprechen kann.“

Der Jahresetat des VDK von 40 Millionen Euro wird laut Meckel zu zwei Dritteln aus Spenden finanziert. Dass die Spender auch linke Veranstaltungen zum Asylrecht fördern wollten, ist sehr zu bezweifeln.


Gastbeitrag
Angelsächsisches Anliegen
von Florian Stumfall

Der Termin des G7-Treffens auf Schloss Elmau im oberbayerischen Werdenfelser Land war natürlich nicht willkürlich gewählt, sondern orientierte sich an einem Geburtstag. Allerdings war es nicht der Geburtstag eines der Teilnehmer, sondern derjenige des US-Multimilliardärs David Rockefeller, der am 12. Juni 100 Jahre alt wurde. Deshalb wurde für einige Tage nach Elmau im benachbarten Telfs in Tirol das diesjährige Bilderberger-Treffen anberaumt, wo man den Geburtstag in trauter Runde feiern konnte. Einige Besucher des G7 dürften gleich unmittelbar von dort nach Tirol weitergefahren sein, denn zwischen den beiden Veranstaltungen gibt es enge innere Zusammenhänge. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mit Sicherheit recht, wenn sie sagt, vom G7 dürfe man keine großen Entscheidungen erwarten, doch sie hat recht in einem anderen Sinne, als es äußerlich zu sein scheint. Denn die großen Entscheidungen fallen weniger bei offiziellen Gipfel-Treffen als vielmehr bei vertraulichen Gesprächsrunden wie denen der Bilderberger. Es lohnt sich deshalb, einen Blick auf diese Vereinigung zu werfen.

Die Bilderberg-Konferenz wurde im Jahre 1954 unter der Federführung des niederländischen Prinzgemahls Bernhard gegründet und vereinigte dank der Prominenz des Prinzen sofort die hohe Prominenz, darunter fanden sich beispielsweise der italienische und der französische Premierminister. Das erste Treffen fand in dem niederländischen Hotel de Bilderberg statt, daher der Name der Gesellschaft. Seither liest sich die Teilnehmerliste der jährlichen Treffen wie ein Auszug aus dem internationalen Who is who. Die Teilnehmerlisten sind zwar geheim, doch den Bilderbergern geht es wie der NSA. Irgendwo gibt es ein Leck, so dass man sich an glanzvollen Namen delektieren kann: Das sind Spitzen der Politik wie die US-Präsidenten Gerald Ford und Bill Clinton, EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso, Ministerpräsident Carl Bildt aus Schweden, oder aus England die eiserne Lady Margret Thatcher. Natürlich auch Angela Merkel, Helmut Schmidt und Helmut Kohl, Treueste Gäste waren die Weltbank-Präsidenten Wolfensohn, Wolfowitz und Zoellick, dabei auch der FED-Chef Volcker, dazu die Bosse der größten Investitions- und Geschäftsbanken. So durfte früher Josef Ackermann von der Deutschen Bank nicht fehlen. Vertreter der Hochfinanz sind sonder Zahl, sie bilden sozusagen das Biotop des ganzen, während zwei Namen über allen stehen: David Rockefeller und Henry Kissinger. Rockefeller erlaubt sich, für die Kleinigkeit aufzukommen, die so ein Treffen kostet, schließlich handelt es sich ja ausdrücklich um eine private Veranstaltung. Und Kissinger ist wahrscheinlich immer noch der spiritus rector, der die große Linie vorgibt. Allerdings gibt es neben Kissinger noch einen zweiten Vordenker, der als erster mit großer, kompromittierender Offenheit den amerikanischen Traum von der Weltherrschaft ausgesprochen hat. Es ist der frühere US-Präsidentenberater Zbigniew Brzezinski mit seinem Buch „Die einzige Weltmacht“, das 1997 erschienen ist.

Was die Teilnehmer der Bilderberger-Konferenzen angeht, so gibt es unter ihnen zwei Güteklassen. Die einen gehören der allgemeinen Runde an, die personell oft wechselt und eine Prominenz der zweiten Ordnung vereint. Die anderen, und das sind nicht mehr als 30 oder 40, bilden den inneren Kern, der meist konstant bleibt und unter anderem auch auswählt, wer von Mal zu Mal dazu geladen werden darf. Es ist wie auf Elmau: Im Inneren gibt es einen Kreis, der noch mehr abgeschottet ist als durch den Zaun um die äußere Grenzlinie.

Soweit die wichtigsten Formalien der Bilderberger. Sie sind aber nicht zu verstehen ohne ihre Verbindungen zu Einrichtungen ähnlicher Art. Die wichtigste unter ihnen ist in den USA, New York, der Council on Foreign Relations. Er ist der bedeutendste der sogenannten Think Tanks und wird durchgehend als „einflussreich“ beschrieben. Das trifft die Wahrheit nicht vollständig, was klar wird, wenn man weiß, dass seit dem Jahr 1921 nur ein einziger US-Präsident nicht bereits vor seinen Amtsantritt Mitglied des Council gewesen ist. Dieser begleitet vielversprechende Nachwuchspolitiker beider großer Parteien vom Studium an, verpflichtet sie sich und führt sie lebenslang an der Leine. In den USA braucht, wer Präsident werden will, dazu eine Milliarde Dollar. Ohne die Hochfinanz im Rücken ist das nicht zu machen, und der Council stellt sie dar. Er gibt mehr Geld für soziale Zwecke aus als die UNO, was ihn über Kritik erhebt.

Im Council ist die gesamte Wall Street vertreten, die Banken, denen die FED gehört, die Mineralöl-Giganten, die Lebensmittelindustrie wie Monsanto oder Coca Cola, die chemische und die Autoindustrie, die Fluggesellschaften und Warenhausketten, die gesamte IT-Branche und die sechs Medienkonzerne, die in den USA ihr Informations-Oligopol ausüben. Die Präsenz von Spitzenwissenschaftlern und Militärs rundet das Bild ab. In New York fällt keine Taube vom Wolkenkratzer ohne den Council. Die Bilderberger aber, um darauf zurück­zukommen, kann man den europäischen Arm des Council nennen, deshalb gibt es auch zahlreiche Doppel-Mitgliedschaften. Sie ergänzen in der Alten Welt maßgeblich das Geflecht von Stiftungen, wissenschaftlichen Instituten und Beratungs-Gesellschaften, die in den USA den Council flankieren. Zum einen dienen diese dazu, dem Steuerzahlen aus dem Weg zu gehen, zum anderen stellen sie das ideale Scharnier zwischen der Hochfinanz und der Politik dar. Um das System zu begreifen, muss man sich den ordnungspolitischen Streit vor Augen führen, der im vergangenen Jahrhundert geführt worden ist. Da war auf der einen Seite der Sozialismus, der dadurch gekennzeichnet ist, dass unter seiner Ägide der Staat die Wirtschaft lenkt. Er ist gescheitert. Der Gegenpol ist der Kapitalismus, bei dem die Hochfinanz die Politik lenkt. Das ist, was in den USA geschieht. Der Dritte Weg, das deutsche Modell der Sozialen Marktwirtschaft, bei welcher der Staat einen rechtlichen Rahmen setzt und die Wirtschaft darin ihre Belange selbst regelt, ist dabei, vom Kapitalismus aufgerieben zu werden.

Die Idee, dass sich Geld in Macht konvertieren lässt, ist nicht neu. In konsequenter Weise hat sie Cecil Rhodes verwirklicht, der seine auf dunkle Weise in Südafrika erworbenen Diamanten-Milliarden dazu benutzte, das britische Kolonialreich bis zu Mitte Afrikas vorzuschieben. „Vom Kap bis Kairo“ war einer seiner Lebensträume, den anderen hielt er in seinem Testament fest: „die Ausdehnung der britischen Macht über die ganze Welt“. Rhodes vererbte nicht nur sein immenses Vermögen, sondern auch seine Lebensidee einer Familie, die sich beiden Rücksichten, dem Mehren des Reichtums als auch der Macht, gewachsen zeigte, nämlich den Rothschilds. Heute geht es zwar nicht mehr darum, die britische Weltmacht zu erreichen, sondern die der USA, angelsächsisch bleibt das Anliegen auf alle Fälle.

Um der Verwirklichung seiner Weltmachtträume näherzukommen, gründete Rhodes in London eine Geheimgesellschaft mit Namen „Round Table“. Maßgeblich mit dabei war der Schwiegersohn von Rothschild, Lord Rosebury, der auch als Testamentsvollstrecker von Rhodes fungierte. Rhodes prägte für seinen Round Table auch ein eingängiges Motto: „die neue Weltordnung“. Und schon ist man in der Gegenwart angelangt und bei Präsident Barack Obama. Es ist sonderbar, wie der Zufall oft spielt. Allerdings führt der unbekümmerte Gebrauch des Wortes von der neuen Weltordnung, nicht dazu, dass einer breiten Öffentlichkeit der Weltmachtanspruch der USA bewusst wäre, im Gegenteil. Oft wird dieser Gedanke ins Fabelreich verwiesen und Hinweise darauf als „Verschwörungstheorien“ abgetan. Dies ist ein Totschlagsargument, gegen das man nicht argumentieren kann. Dass die Bilderberger mit ihrer Geheimhaltung auch wilde Gerüchte provozieren, kommt ihnen gerade recht, denn umso leichter kann man auch ernsthafte Kritik ins Lächerliche ziehen. Erstaunlicherweise sind bei den Treffen regelmäßig auch Vertreter der Presse zugegen, aber trotzdem dringt aus dem inneren Zirkel nichts nach draußen. Journalistisches Berufsethos ist das jedenfalls nicht.

So wirken also die Bilderberger als treuer Paladin des Council an dem großen Ziel, von dem einst der überaus kundige Winston Churchill gesagt hat: „Derjenige muss in der Tat blind sein, der nicht sehen kann, dass in dieser Welt ein großes Vorhaben, ein großer Plan ausgeführt wird, an dessen Verwirklichung wir als treue Knechte mitwirken dürfen.“


S. 9 Kultur

Belcanto an magischen Orten
Von Sizilien bis Finnland − Für ihre Lieblingsoper ist Freunden von Freiluftfestivals kein Weg zu lang

Statt in den Opernsaal zieht es Musikliebhaber im Sommer ins Freie, um sich Mozart, Weber oder Verdi anzuhören. Einige Festivals genießen bereits Kultstatus.

Ob antikes Theater, Schlosskulisse, Seebühne oder Marmor­bruch − Opern unter frei­em Himmel haben magische Anziehungskraft. Jüngstes Mitglied im Bunde ist das Pompejifestival, das nach dem Erfolg von 2014 jetzt seine zweite Auflage feiert.

Im antiken Theater von Pompeji bei Neapel gaben „Die letzten Tage von Pompeji“ im Mai bereits einen Vorgeschmack auf das eigentliche Opern-Ballett-Festival, das vom 4. August bis 20. September läuft. Mit „Tosca“, „La Traviata“, „Der Barbier von Sevilla“ und „Nabucco“ setzt man auf Erfolgsgaranten von Italiens drei berühmtesten Komponisten: Puccini, Verdi und Rossini.

Damit ist Pompeji nicht allein. Denn allen voran Italien widmet seinen Starkomponisten jeden Sommer großartige Opernfeste im Freien. Die berühmteste in der Arena von Verona, ein halbes Jahrhundert vor dem Kolosseum in Rom erbaut, bietet 22000 Opernfreunden Platz. In ihrer 93. Auflage vom 19. Juni bis 6. September wird neben „Nabucco“, „Aida“, „Tosca“ und „Der Barbier von Sevilla“ auch Mozarts „Don Giovanni“ sowie Gounods „Romeo und Julia“ aufgeführt.

Seit dem Auftritt der drei Tenöre Placido Domingo, Luciano Pavarotti und José Carreras sind Roms Caracalla-Thermen weltweit ein Begriff. Inzwischen auf 4000 Plätze ausgebaut, widmet sich die Freiluft-Bühne des Teatro dell’Opera di Roma vom 6. Juli bis 8. August mit „Madame Butterfly“, „Turandot“ und „La Bo­hème“ ganz Puccini.

Puccini „pur“ findet man seit 1930 in Torre del Lago bei Viareggio in der Toskana, wo der Maestro 30 Jahre seines Lebens verbrachte. Die 61. Auflage des Festivals vom 24. Juli bis 30. August zeigt „Tosca“, „Turandot“, „La Ron­dine“ und „Ma­dame Butterfly“. Die Bühne mit 3400 Plätzen im Park seiner Villa liegt direkt am Ufer des Massaciuccoli-Sees.

Klein, aber fein ist das Opernfestival Lirica in Piazza von Massa Marittima im Süden der Toskana. In seiner 30. Auflage vom 3. bis 5. August verzaubern „La Traviata“, „Turandot“ und „Der Bajazzo“ die malerische Piazza zu Füßen der Domtreppe.

Das Sferisterio mit 4500 Plätzen, ursprünglich Ballspiel-Stadion von Macerata in den Marken, dient schon lange den Freunden des Belcanto. Bei der 51. Auflage vom 17. Juli bis 9. August stehen „Rigoletto“, „Cavalleria Rusticana“/“Der Bajazzo“ und „La Bohème“ auf dem Programm.

Auf Sizilien sorgt Enrico Castiglione im fünften Jahr in Folge für große Oper. Das Römische Theater von Taormina bildet am 15. Juli und vom 1. bis 14. August den Rahmen für „Carmen“, „Don Giovanni“ und „Der Barbier von Sevilla“. Das Griechische Theater von Syrakus ist im Juli der Schauplatz für Bellinis „Norma“.

Nicht nur in Italien sind antike Theater die Perlen unter den Spielstätten. Auch im Römischen Theater von Orange in der Provence finden sich bis zu 8300 Opernfreunde ein. Auf dem Spielplan stehen „Carmen“ am 8., 11., und 14. Juli sowie „Der Troubadour“ am 1. und 4. August.

In Bulgarien zieht es Opernfreunde seit 30 Jahren in das unter Kaiser Trajan zu Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr. erbaute Marmortheater von Plovdiv mit 2500 Plätzen. Am 26. Juni stehen „Carmen“, am 3. Juli „Der Troubadour“, am 10. Juli „The Best of Italian Opera“, am 17. Juli „Salomé“ und am 22. Juli „Aida“ auf dem Programm.

Die Opernfestspiele von Savonlinna in Finnland reichen bis 1912 zurück. Zum 58. Mal bildet der Burghof der Olafsburg mit 2200 Plätzen die Kulisse: vom 3. Juli bis 2. August mit „Die lustige Witwe“, „Figaros Hochzeit“, „Tosca“ und „La Traviata“.

Zurück in Deutschland. Auch in Heidenheim an der Brenz haben die Opernfestspiele Tradition. Bei gutem Wetter bietet der Rittersaal der Schlossruine Hellenstein dafür 860 Zuschauern Platz. Die 51. Auflage ab 3. Juli ist „Macbeth“ von Verdi gewidmet.

Etwas größer ist die Kapazität der Opernfestspiele in der Stiftsruine von Bad Hersfeld in Hessen mit 1000 Plätzen. Ihre 36. Auflage vom 3. bis 19. August präsentiert Beethovens „Fidelio“ und „Der Bettelstudent“ von Karl Millöcker.

Thüringens Sommer-Glanzpunkt sind die Domstufen-Festspiele von Erfurt. Seit 1994 bringt das Theater Erfurt vor der grandiosen Kulisse von St. Severi und dem Mariendom jedes Jahr ein neues Stück auf die 70 Stufen am Domberg, diesmal vom 9. bis 26. Juli den „Freischütz“ von Weber.

In dessen Geburtsstadt Eutin in Schleswig-Holstein haben Festspiele vor herrlicher Schloss-See-Kulisse eine lange Tradition. Die 65. Auflage präsentiert vor bis zu 1885 Zuschauern vom 10. Juli bis 13. August Verdis „Aida“.

Besonders märchenhaft sind die Schweriner Schlossfestspiele in Mecklenburg-Vorpommern vor dem glanzvollen Residenzschloss im Schweriner See. Bei annähernd gleicher Platzzahl steht in der 23. Auflage vom 3. Juli bis 9. August Verdis „La Traviata“ auf dem Programm.

Besuchermagnet für 3000 Zuschauer sind auch die Schlossfestspiele im Innenhof des Thurn- und-Taxis-Schlosses von Regensburg. Der Opernteil der 12. Auflage präsentiert am 17. und 18. Juli „La Bohème“ und am 22. Juli einen exklusiven Gala-Abend mit Placido Domingo.

Von besonderem Reiz ist die vom ostpreußischen Komponisten Siegfried Matthus gegründete Kammeroper Schloss Rheinsberg, deren Spielstätten sich auf Schloss, Schlosshof und Park verteilen. Auf dem Programm der 25. Auflage vom 26. Juni bis 22. August stehen unter anderem die Opern „Amadigi“ von Händel und „La Traviata“. Dazu wird mit Spannung die Uraufführung der Oper „Adriana“ erwartet.

Schroffer Kontrast zum lieblichen Preußensitz ist der Steinbruch in St. Margarethen 70 Kilometer südöstlich von Wien. Inmitten geschützter Natur besitzt die originelle Freiluftbühne mit 4700 Plätzen dafür andere Möglichkeiten: Die Felswände sind ideale Projektionsflächen unterschiedlichster Effekte. Die 20. Auflage der Opernfestspiele präsentiert vom 8. Juli bis 15. August „Tosca“.

Österreichs berühmteste Freiluftoper ist Bregenz, wo 6890 Zu­schauer vom Ufer des Bodensees aus das Geschehen auf der Seebühne verfolgen können. Bei der 70. Auflage vom 22. Juli bis 23. August setzt man auch hier mit „Turandot“ auf den Erfolgsgaranten Puccini. Helga Schnehagen


Bayern − Bach − Barock
Gewohnte und ungewohnte Töne beim »Fränkischen Sommer«

Fast zwei Monate lang, vom 12. Juni bis zum 8. August, steht beim Festival „Fränkischer Sommer“ die Barockmusik im Zentrum. Die Konzerte und Veranstaltungen finden an rund 20 Orten von Ansbach über Nürnberg und Erlangen bis Weißenburg in Kirchen, Schlössern, Rathäuser oder Festsälen in ganz Mittelfranken statt.

Der damalige Regierungspräsident von Mittelfranken Heinrich von Mosch war im Jahr 1978 der Initiator. Er hatte die Idee, die kommunalen Gebietskörperschaften zusammenzuführen und kulturelle Veranstaltungen (zunächst in Westmittelfranken) zu bündeln. Daraus erwuchs das Konzept für ein Musikfestival an kunsthistorisch bedeutsamen Orten, wobei auch der Bezug zur fränkischen Musikgeschichte hergestellt werden sollte. Seit dem Jahr 2000 ist der Bezirk Mittelfranken Träger und Organisator des „Fränkischen Sommers“, seit 2012 Julian Christoph Tölle Intendant, der jährlich wechselnde Schwerpunkte präsentiert.

Das Hauptaugenmerk liegt dieses Jahr, wie es der Intendant im Grußwort ausdrückt, auf der „aufregenden und farbigen Epoche des Barock“. Diese Periode der Musikgeschichte, die auf das 17. und 18. Jahrhundert datiert und oft mit dem Tod Johann Sebastian Bachs im Jahr 1750 für beendet erklärt wurde, wird in allen möglichen Nuancen beleuchtet. „In­ternational renommierte Künstler und Ensembles sind in klanglich reizvollen und architektonisch zauberhaften Spielorten zu Gast“, sagt Tölle, „die Idee dabei ist insbesondere, dass wir gleichermaßen historisch informierte En­sembles und Künstler, die auf modernem In­strumentarium Musik des Barock interpretieren, zusammenbringen.“

Den Auftakt – mit Aufführun­gen am 12. in Ansbach und am 13. Juni in Nürnberg − bildet Georg Friedrich Händels Oratorium „Samson“, das unter Tölles Leitung unter anderem die neu gegründete Fränkische Philharmonie in einer Kammerbesetzung gemeinsam mit dem Kammerchor der Universität Erlangen-Nürnberg in einer dezidiert „schlanken“ Musizierweise zur Aufführung bringt. Bei den vielen weiteren Konzertveranstaltungen gibt es neben Werken von Johann Sebastian Bach, Georg Philipp Telemann sowie Heinrich Ignaz Franz Biber auch Kompositionen von Meistern aus Nürnberg zu hören. Oder – beim Konzert der „Singphoniker“ in Spalt am 27. Ju­ni − neben Bach-Chorälen zum Motto „Komm, süßer Tod“ auch Liedvertonungen von Franz Schubert, Chansons von Georg Kreisler oder das „Berliner Requiem“ von Kurt Weill und Bertolt Brecht.

Ein Höhepunkt ist die Marktplatzoper „La serva padrona“ des italienischen Barockkomponisten Giovanni Battista Pergolesi am 4. Juli im Innenhof des Nürnberger Rathauses. In weiteren Konzerten kommt Barockmusik aus Italien, Frankreich sowie Spanien zur Aufführung. Nicht alltäglich dürfte am 25. Juli die ganztägige Orgelwanderung rund um Gunzenhausen sein, bei der in mehreren Orten die Kirchenorgeln vorgestellt und gespielt werden. Ebenso interessant ist die Gegenüberstellung von alt und neu: Der barocke Johann Sebastian Bach (1685−1750) „trifft“ am 1. August in Hersbruck den modernen Francis Poulenc (1899−1963).

Mit Musik von regional bekannten und international renommierten Künstlern aus dem 20. Jahrhundert, dem „Jazz in Dinkelsbühl“, klingt am 7. und 8. August dann der „Fränkische Sommer 2015“ aus. Markus Bauer

www.fraenkischer-sommer.de


Spaß mit Schauspiel
Bundesinitiative »Tusch« will Schülern Lust auf Theater vermitteln

Die Jugend glänzt in Vortrags- und Konzertsälen schon seit Langem durch Abwesenheit. Initiativen gegen den Trend „Handy sticht Hochkultur“ bleiben bisher jedoch meistens den Schulen selbst überlassen. Eine Ausnahme bildet seit 17 Jahren das erfolgreiche Modell „Tusch − Theater und Schule“, das 1998 vom Berliner Bildungssenat ins Leben gerufen wurde, um kulturelle Bildung in den Schulprogrammen zu verankern. Das Konzept wurde von der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung in Kooperation mit dem Berliner „JugendKulturService“ realisiert und hat sich seitdem bewährt.

„Tusch“ vermittelt zwei- oder dreijährige Partnerschaften zwischen einer Bühne und einer Schule und unterstützt währenddessen alle Beteiligten organisatorisch, finanziell und inhaltlich. Längst hat das Berliner Beispiel auch auf andere Großstädte und Bundesländer ausgestrahlt. Generell haben die Theater ein großes Interesse an der Kulturarbeit in und mit Schulen, stehen sie doch hinsichtlich der Aufmerksamkeit junger Menschen im Wettbewerb mit anderen Freizeitanbietern.

Durch „Tusch“ gewinnen Kinder und Jugendliche ab der fünften Klassenstufe Einblick in die unterschiedlichen Bereiche und Gewerke der Theaterarbeit, auch über die künstlerischen Tätigkeitsfelder hinaus. In Frankfurt sind 2008 auch die Grundschulen mit dazu gekommen. Über den direkten Kontakt und Austausch zwischen Theater und Schule lernen Schüler an beiden Orten alle Facetten der Theaterwelt kennen, von den Bühnenproben über die Öffentlichkeitsarbeit bis zur Theatertischlerei, und sie entwickeln ein Gespür für die Entstehungsgeschichte eines Stückes. Während der Begegnungen zwischen den Theatermachern und den Schülern werden Theaterproduktionen unterschiedlichster Art entwickelt, von der Umsetzung der Klassiker, Collagen, selbst geschriebenen Szenen bis zu Alltagsthemen aus der Schule. Die einstudierten Produktionen werden in der Schule, im Partnertheater oder, wie in Berlin, im Rahmen des jährlichen „Tusch“-Festivals im März präsentiert.

Bisher profitieren vor allem Schüler in einigen großen Städten von dem vielfältigen „Tusch“-Angebot. Anders in Hessen, wo mit dem Angebot „Flux“ ge­zielt der ländliche Raum versorgt wird. Der Name geht auf das lateinische Wort fluxum (flüssig) zu­rück, das Partizip von fluere (fließen), und steht für kontinuierlichen Wandel und Veränderung. Kinder- und Jugendtheater, Tanztheater, Landes-, Stadt- und Staatstheater gastieren in Regionen, die vom städtischen Kulturangebot weit entfernt liegen. Die Schauspieler stellen den Schülern moderne Inszenierungen vor, die zum Schauen, Erproben, Nachdenken und Kommunizieren anregen.

Über den Dachverband „Bun­desarbeitsgemeinschaft Spiel und Theater e.V.“ ist „Tusch bundesweit“ als Arbeitsgruppe organisiert. Innerhalb des Netzwerks tauschen die Verantwortlichen Informationen und Erfahrungen aus, um die kontinuierliche Entwicklung der Kooperationen zu sichern. D. Jestrzemski

Das diesjährige bundesweite „Tusch“-Treffen findet am 15./16. Juni in Stuttgart statt. „Tusch“- Rostock: „Tusch“-Festival am 30. Juni und 1. Juli 2015, Bühne 602 im Stadthafen. SPIEL.RAUM. Theater: „Tusch“-München Ab­schluss­präsentation am 8. Juli im Marstall und anderen Spielstätten des Residenztheaters. „Tusch“-Hamburg: „AufgeTUSCHt“ am 6. Juli im Ernst-Deutsch-Theater.


Lese-Tipp

Die Handlung von Victor Hugos großem Roman „Die Elenden“ kennen viele als das Musical „Les Misérables“. Waterloo spielt im Musikstück keine Rolle, wohl aber im Roman. Zu Beginn des zweiten Teils des Romans unterbricht der Erzähler die Handlung, um in mehreren Kapiteln die Schlacht nachzuerzählen, die in diesen Tagen vor 200 Jahren stattfand (siehe S. 4). Warum er das tut, wird am Ende der Schlachtbeschreibung klar: Ein auf dem Schlachtfeld liegender schwer verletzter französischer Offizier kommt in dem Moment zu Bewusstsein, als der kriminelle Marketender Thénadier ihn ausplündern will. Der Offizier glaubt irrtümlich, seinen Lebensretter vor sich zu haben, was für den weiteren Verlauf der Handlung von großer Bedeutung ist. Da die Waterloo-Episode von manchen Verlagen als verzichtbar angesehen wird, ist sie in vielen Ausgaben der Schere zum Opfer gefallen. Wer auf die Schlacht nicht verzichten will, sollte auf ungekürzte Ausgaben des über 1500 Seiten langen Romans greifen. Zu empfehlen sind jene vom Winkler Verlag oder von dtv. tws


Hör-Tipp

Victor Hugo schrieb 1838 sein Versdrama „Ruy Blas“, das seine Verehrung für die Herzogin von Orléans, der geborenen Helene von Mecklenburg-Schwerin, widerspiegelt. Schon ein Jahr später vertonte Felix Mendelssohn Bartholdy das Stück. Seine Ouvertüre hat John Eliot Gardiner jetzt mit dem London Symphony Orchestra eingespielt (LSO0775). Auf der Aufnahme, der eine Blue- Ray-Version beigefügt ist, findet sich auch Mendelssohns Ouvertüre „Meeresstille und glück­liche Fahrt“ sowie seine „Reformations-Sinfonie“ Nr. 5 mit dem Luther-Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“. Der spritzige Live-Konzertmitschnitt macht Lust auf die anstehende Freiluft-Saison. tws


S. 10 Geschichte

Die »gepanzerte Faust des Atlantikwalls«
Von 1940 bis 1945 waren die britischen Kanalinseln von der deutschen Wehrmacht besetzt

Vor 75 Jahren besetzten deutsche Truppen die britischen Kanalinseln, fünf Jahre später war wieder alles vorbei. Vielen Menschen ist dieses Kapitel des Zweiten Weltkrieges unbekannt, doch für das damalige Deutsche Reich, insbesondere aber für Adolf Hitler, war es von immens symbolischer Bedeutung, hier einen Teil britischen Territoriums in Besitz genommen zu haben, was dann auch propagandistisch entsprechend ausgeschlachtet wurde. Dabei bilden die Kanalinseln genau genommen nicht einmal einen Teil des Vereinigten Königreichs, sondern sind allein durch die Krone mit diesem verbunden.

Am 15. Juni 1940 – der deutsche Sieg über Frankreich zeichnete sich bereits ab – beschloss die Regierung in London, die Inseln, für die man bald eine deutsche Anlandung erwartete, nicht zu verteidigen, da ihnen keine große strategische Bedeutung beigemessen wurde. Stattdessen erfolgte eine Entmilitarisierung. Am 21. Juni 1940 zogen sich die letzten britischen Soldaten zurück, außerdem begann die Evakuierung eines Teils der Zivilbevölkerung. Weil die Deutschen von der geplanten kampflosen Übergabe jedoch nichts wuss­ten, bombardierten sie noch am 28. Juni die Hafenanlagen auf den beiden Hauptinseln. Zwei Tage später ergab sich Guernsey, am 1. Juli Jersey, am Tag darauf Alderney und am 4. Juli 1940 schließlich die kleine Insel Sark. Sofort nach dem Einholen der Dienstflagge des britischen Befehlshabers wurde diese mit einem Kurier nach Berlin geflogen, wo man sie als „Trophäe“ ausstellte – als Beweis für die beginnende Eroberung britischen Bodens.

Mit dem Eintreffen der 218. Infanteriedivision am 1. Juli 1940 bauten die Deutschen eine Militärverwaltung auf, an deren Spitze zunächst Major Albrecht Lanz stand. Am 9. August wurde mit der Feldkommandantur 515 unter Major Friedrich Schumacher auch eine Zivilverwaltung eingerichtet, die ihren Sitz auf Jersey hatte (mit einer Nebenstelle auf Guernsey und einer Außenstelle auf Alderney), und am 24. September 1940 schuf man in der Person von Oberst Rudolf Graf von Schmettow schließlich die Stelle des „Befehlshabers Kanalinseln“ als höchste Autorität der deutschen Besatzungsmacht. Sein Hauptquartier befand sich in den ersten Jahren auf Jersey, ab 1943 auf Guernsey. Für die drei größten Inseln gab es zudem je einen Inselkommandanten. Nach der alliierten Invasion an der französischen Normandieküste entstand aufgrund der veränderten Lage am 1. Oktober 1944 die Stelle des „Wehrmachtbefehlshabers Kanalinseln“, der seit Februar 1945 mit Vizeadmiral Fried­rich Hüffmeier in Personalunion auch „Seekommandant Kanalinseln“ war.

Weil Hitler mit einer Rückero­be­rung durch die Briten rechnete, ließ er die Inseln alsbald stark befestigen und zur „gepanzerten Faust des Atlantikwalls“ ausbauen. Besonders auf Alderney, das der französischen Küste am nächsten vorgelagert ist, entstanden zahlreiche Bunker und Tunnelsysteme, und sogar zwei unterirdische Krankenhäuser wurden angelegt. Planung und Ausführung lagen bei der „Organisation Todt“ (OT), die dafür in den Jahren 1942 bis 1944 rund 6000 meist osteuropäische Zwangsarbeiter auf die Insel holte.

Im Übrigen regierte die deutsche Besatzungsmacht weitgehend mit sanfter Hand. So behielten etwa die britischen Polizisten (Bobbies) ihre Uniformen und gingen gemeinsam mit deutschen Soldaten auf Streife. Mit schriftlicher Genehmigung der deutschen Behörden wurde weiterhin „God Save the King“ gesungen, und auch in den Kirchen betete man für das Wohl der britischen Königsfamilie und des Empire. Schon bald gab es eine deutsche „Inselzeitung“, ebenso eigenes Geld (Pfund) und eigene Briefmarken der Besatzungsmacht. Die bisherige westeuropäische Zeit wurde durch die mitteleuropäische ersetzt, auf den Straßen galt jetzt Rechts- statt Linksverkehr.

Die fast schon friedliche Atmosphäre änderte sich jedoch, nachdem die Alliierten am 6. Juni 1944 in der Normandie gelandet waren. Ab August des Jahres waren die Inseln gänzlich vom Festland abgeschnitten, und damit verschlechterte sich auch die Versorgungslage. Doch Winston Churchill zeigte keinerlei Interesse, die nur maximal 50 Kilometer von der französischen Atlantikküste entfernt gelegenen Kanalinseln zurückzuerobern. Sie erschienen ihm zu sehr befestigt und daher nur unter großen Verlusten einnehmbar, außerdem galt dem raschen Vorstoß gen Osten Priorität. Seinen Ausspruch „Let ’em rot“ zielte zwar auf die deutschen Besatzer, traf aber gleichermaßen die Zivilbevölkerung. Als die Lebensmittelknappheit im Winter 1944/45 eine Hungersnot auslöste, gestatteten die deutschen Behörden mehrmals einem Schiff des Internationalen Roten Kreuzes, Hilfsgüter anzuliefern. In der Nacht vom 8. auf den 9. März 1945 gelang es dann einem deutschen Kommandounternehmen, ausgerüstet mit leichten Kriegsschiffen, von den Kanalinseln her in den französischen Hafen Granville (in der Bucht von Saint-Malo) einzudringen, wo man etliche Einrichtungen zerstörte, einige gegnerische Schiffe versenkte, 55 deutsche Kriegsgefangene befreite und dafür ein paar alliierte Soldaten gefangen nahm, vor allem aber wichtige Versorgungsgüter, insbesondere Brennstoffvorräte (Kohle), erbeutete. Zwei Monate später kam schon das Ende. Am 9. Mai 1945 liefen britische Kriegsschiffe in die Häfen von Guernsey und Jersey ein, die deutschen Truppen ergaben sich ebenso kampflos, wie sie fünf Jahre zuvor die Inseln eingenommen hatten. Sark wurde am 10. Mai an die Briten übergeben, Alderney am 16. Mai.

Den Inselbewohnern ist später eine allzu offensichtliche Kollaboration mit dem deutschen Besatzungsregime vorgeworfen worden, doch der britische Historiker und Schauspieler John Nettles, der 2010 den dreiteiligen Film „Channel Islands at War“ über diese Zeit produzierte, bezeichnete es eher als eine „erzwungene Kooperation“, wobei die Mehrheit der Bevölkerung sich wohl einen persönlichen Gewinn versprach, wenn sie sich mit den Besatzern so gut es ging arrangierte. Die lokalen (britischen) Behörden arbeiteten harmonisch mit den Deutschen zusammen, und der Sekretär des Bailiffs (Landvogt) von Jersey, Ralph Mollet, äußerte später gar: „Benehmen und Disziplin der deutschen Truppen waren vorbildlich“, der Umgang zwischen den Insulanern und der Besatzungsmacht sei durchaus „kultiviert“ gewesen. Tatsächlich gab es nach 1945 keine Verurteilungen wegen Kollaboration. Ebenso wie in anderen besetzten Ländern Europas kam es aber auch auf den Kanalinseln zu Verbindungen zwischen deutschen Soldaten und einheimischen Frauen, aus denen rund 900 Kinder hervorgingen, worüber der Insel-Arzt von Guernsey, Ralph Durand, hinterher urteilte: „Es gab viel Inzucht hier. Der Einfluss fremden Blutes wird sich gut auf kommende Geschlechter auswirken.“

Eine Widerstandsbewegung hat es während der fünfjährigen deutschen Herrschaft nicht gegeben, was unter anderem mit der allgegenwärtigen Präsenz der Besatzer begründet wird. Vor 1940 hatten 96000 Menschen auf den Inseln gelebt, von denen ungefähr ein Viertel evakuiert wurde. Nach der Besetzung kamen auf einen deutschen Soldaten zwei Inselbewohner, und zeitweilig betrug die Zahl der deutschen Militärangehörigen sogar etwas über 30000. Gleichwohl kamen hin und wieder kleinere Akte von Sabotage vor, die aber von Einzelpersonen und nicht von organisierten Gruppen ausgingen. Heute wird auf den Inseln in zahlreichen Museen, Gedenkstätten und Ausstellungen an jene Episode erinnert – ohne jegliche Ressentiments gegenüber den einstigen Besatzern.

Wolfgang Reith


»Eroberung der Hochschulen durch die Arbeiterklasse«
Die Kommunisten in der SBZ setzten bei ihrer Bildungsreform auf »Neulehrer« sowie »Arbeiter-und-Bauern-Fakultäten«

Walter Ulbricht soll sehr verblüfft gewesen sein, als ihn Marschall Georgi Schukow, Oberkommandierender der sowjetischen Truppen in Deutschland, schon am 8. Mai 1945, fragte, was „eigentlich mit der Schulreform“ sei. Nichts war, Ulbricht hielt andere Aufgaben für vorrangig, etwa Enteignungen in Industrie und Landwirtschaft sowie die „antifaschistisch-demo­kra­ti­sche Umwandlung“ von Politik und Geistesleben. Das gefiel der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) nicht, am wenigsten ihrer Abteilung 15 (Volksbildung), die Generalleutnant Pjotr Solotuchin leitete, ein erfahrener Pädagoge und Verehrer deutscher Bildungstradition. Für ihn waren Ulbrichts Revoluzzer Kulturbanausen, ihre Reformpläne utopisch, er befürchtete von ihnen Störungen im Umgang mit den Westalliierten. Der Kalte Krieg war noch fern, Solotuchis Abteilung ging die akute Notlage pragmatisch an.

Vom Krieg war nur ein Fünftel aller Schulgebäude verschont geblieben. Von den 41500 Lehrern, die laut der SMAD am 1. Juli 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) arbeiteten, wurden 30000 als „ehemalige Nazis“ entlassen. Die alte Gliederung von Grund-, Mittel- und Oberschule sowie der getrenntgeschlechtliche Unterricht wurden beendet. Lehrpläne und Lehrbücher wurden geändert. Für den Besuch der Klassen 9 bis 12 wurde ein Schulgeld von 150 bis 200 Mark im Jahr eingeführt. Diese und andere Reformen waren gravierend, wurden aber doch relativ glatt umgesetzt.

Dieses lag insbesondere an zwei Institutionen, deren Nachruhm unterschiedlich ausfällt. Da waren zum einen die rund 40000 „Neulehrer“, die noch immer als Prätorianergarde des mitteldeutschen Stalinismus gelten, dabei engagierte Akteure eines schulischen Neubeginns waren. Und da waren die „Arbeiter-und-Bauern-Fakultäten“ (ABF), die durch Herman Kants Erfolgsroman „Die Aula“ ein glänzendes Image bekamen, obwohl sie nur das rot lackierte Pendant zu Adolf Hitlers „Nationalpolitischen Erziehungsanstalten“ (Napola) waren.

Schulen waren defekt, Schulklassen unbeheizt, Bibliotheken und Lehrmaterialien zerstört, vor allem aber fehlten Lehrer. Wer als politisch unbelastet galt, konnte „Neulehrer“ werden, wobei es je nach Vorbildung und künftiger Verwendung zwei-, drei- oder viermonatige Kurse gab, die von insgesamt 7754 Menschen besucht wurden. Hinzu kamen achtmonatige Kurse für Abiturienten und Akademiker, die bis zum 1. Oktober 1946 25120 „Neulehrer“ entließen. An jenem 1. Ok­tober 1946 wurden an den Universitäten „Pädagogische Fakultäten“ eröffnet, die Sekundarstufenlehrer ausbildeten, ab 15. Oktober auch die kurzfristigen Kurse für Unterstufenlehrer ausrichteten. Dieser vielgliedrigen Lehrerbildung war ein ansehnlicher Erfolg beschieden. 1947 waren 66 Prozent aller Pädagogen Neulehrer, 1949 80 Prozent und 1952 galt der Lehrermangel als beseitigt.

Bereits während ihrer Ausbildung bekamen künftige Oberstufenlehrer Stipendien in Höhe zwischen 100 und 150 Mark. Im Schuldienst genossen Neulehrer manche Privilegien wie Festanstellung, „Lehrerwohnung“ (auf dem Lande mit Gartengrundstück) oder „Schwerarbeiter-Lebensmittelkarte“, weswegen die meisten bei der pädagogischen Stange blieben, zumal sie versäumtes Studium später nachholen konnten. Ihre Grundausbildung galt zunächst der Pädagogik, didaktisch reichte es zumeist aus, den Schülern drei, vier Lektionen voraus zu sein, um den Unterricht zu meistern. Sie wollten ihre Existenz sichern und in ihrem Beruf wachsen, politische Auflagen boykottierten sie als Verstoß der amtlichen Weisung, „Parteipolitik ist aus der Schule fernzuhalten“, oder mit offener Kritik an der „Bodenreform“ oder der „Oder-Neiße-Friedensgrenze“. Ihre größte Leistung bestand darin, dass sie als zumeist junge Erwachsene bei den Kindern deren Väter oder ältere Brüder ersetzten, die gefallen oder in Kriegsgefangenschaft waren.

Ganz anders blieben die „Arbeiter-und-Bauern-Fakultäten“ in Erinnerung, die von 1949 bis 1963 an fast allen Universitäten und Hochschulen als zweiter Bildungsweg bestanden und über die 35000 Personen die Hochschulreife erlangten. Offiziell dienten die ABF dem „Niederreißen von Bildungsschranken und der Eroberung der Hochschulen durch die Arbeiterklasse“. Das waren alles hohle Phrasen. Neue „Bildungsschranken“ ließ die SED selber niedergehen, als sie gesuchten Fachleuten „Einzelverträge“ gab, die deren Kindern „jede gewünschte Ausbildung“ garantierte. „Arbeiterklasse“ waren auch die Ingenieure, die als Offiziere in der deutschen Wehrmacht ein Fachstudium absolviert hatten, das ihnen nach 1945 einen beruflichen Neustart erlaubte. Damit konnten ABF-„Studenten“ kaum konkurrieren, die vielfach intellektuell ungeeignet waren, weswegen später 30 bis 50 Prozent von ihnen kaum über das dritte Hochschul-Semester hinweg kamen.

Vor den ABF entstanden 1945/46 „Vorstudienanstalten“ (VA), die der SMAD-Befehl Nr. 50 vom 4. September 1945 initiierte und die als „verschlankte“ Oberschule binnen weniger Monate, ab 1947 zwei Jahren zur Hochschulreife führten. Offiziell starteten die ABF am 1. Oktober 1949, sechs Tage vor der Gründung der DDR. Anfangs waren es neun „Fakultäten“, 1961 schon 15. Ab 1962/63 schloss die durch „Republikflucht“ und geburtenschwache 1940er Jahrgänge ausgedünnte DDR immer mehr „Kaderschmieden“, bis 1966 nur noch zwei ABF verblieben. Bis dahin hatte jede ABF im ersten Studienjahr (Stufe A) und im zweiten (Stufe B) je sechs Klassen zu knapp 30 Studenten. Ab Stufe B begann eine Differenzierung in die „Zweige“ BM (Medizin-Biologie), BN (Naturwissenschaft-Mathematik) und BG (Geisteswissenschaft). Schul- und Internatsalltag waren streng kaserniert, in politischen Krisen wie dem Volksaufstand 1953 oder dem Ungarnaufstand 1956 muss­ten die ABFler als ideologischer Stoßtrupp ausrücken, desgleichen zu „Ernteeinsätzen“ oder Winterhilfe im „Kombinat Schwarze Pumpe“, was das ohnehin niedrige ABF-Niveau weiter drückte. Atypisch war allein die niveauvolle ABF an der Bergbauakademie Freiberg, die seit 1990 bis heute als „Freiberg-Kolleg: Abitur für Erwachsene“ aktiv ist. Wolf Oschlies


S. 11 Preussen

»Ick bin Klinke. Ick öffne dit Tor!«
Mit einer Selbstaufopferung soll der preußische Pionier die Erstürmung der Düppeler Schanzen erst ermöglicht haben

Vor 275 Jahren wurde Carl Klinke geboren, der sich der Legende nach selbst in die Luft gesprengt haben soll, um den preußischen Truppen die Erstürmung der Düppeler Schanzen und damit den Sieg im Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 zu ermöglichen. In Wirklichkeit verliefen die Ereignisse etwas anders.

In Deutschland ist der Deutsch-Dänische Krieg mittlerweile in den Schatten der beiden nachfolgenden Einigungskriege und vor allem der beiden nachfolgenden Weltkriege getreten. Im friedensverwöhnten Dänemark hingegen ist er nach wie vor präsent. So hat denn auch die mit 173 Millionen Kronen (rund 23 Millionen Euro) bislang teuerste dänische Fernsehproduktion „1864“ diesen Krieg zum Thema. Den größten Teil der Finanzierung stellte das dänische Kulturministerium mit 100 Millionen Kronen zur Verfügung, was die geschichtspolitische Bedeutung dieses Themas im Königreich zusätzlich aufzeigt. In Dänemark wurde die Fernsehserie bereits anlässlich des 150. Jubiläums des Krieges vom öffentlich-rechtlichen Sender DR1 ausgestrahlt. Nun kriegen sie auch die Deutschen auf Arte zu sehen. Die Sendetermine der insgesamt acht je rund einstündigen Folgen sind Donnerstag, der 11. Juni und 18. Juni jeweils von 20.15 Uhr bis 23.20 Uhr sowie Donnerstag, der 25. Juni von 20.15 Uhr bis 22.15 Uhr.

„Slagtebænk Dybbøl“ (Schlachtbank Düppel) lautet bezeichnenderweise der Titel der von dem dänischen Historiker, Journalisten und Schriftsteller Tom Buk-Swienty verfassten Vorlage, die in Berlin 2011 unter dem Titel „Schlachtbank Düppel, 18. April 1864. Die Geschichte einer Schlacht“ erschien. Um die Erstürmung beziehungsweise Verteidigung der Düppeler Schanzen ging es nämlich in der berühmtesten Schlacht des Deutsch-Dänischen Krieges. Dort hatten die in die Defensive geratenen Dänen ein Festungswerk aus zehn Schanzen errichtet, die 11000 Soldaten Schutz boten, deren Aufgabe darin bestand, diesen letzten Brückenkopf auf schleswigschem Boden zu halten. Doch genau das misslang. Die Hauptstreitmacht von König Christian IX. musste sich deswegen auf die Insel Alsen zurück­ziehen, von wo aus sie nicht mehr in die Kämpfe um Jütland eingreifen konnte. Und den Preußen stand der Weg zum Übersetzen über den Alsensund offen, Damit war der Krieg für die Dänen praktisch verloren.

Bei der für den Kriegsausgang so vorentscheidenden Erstürmung der Düppeler Schanzen kam auch das Brandenburgische Pionierbataillon Nr. 3 aus Torgau zum Einsatz. Dessen Aufgabe hatte zunächst darin bestanden, Laufgräben anzulegen, die bis nahe an die dänischen Stellungen heranreichten. Darüber hinaus begleiteten die Pioniere dann die vorrückenden Infanteristen, um Breschen in die Palisadenwände der gegnerischen Befestigungen zu sprengen. In diesem Zusammenhang erhielt ein Trupp der 4. Kompanie von Hauptmann Daun den Befehl, einen Weg in die besonders hart umkämpfte Schanze II zu ebnen. Anschließend soll sich gemäß der Schilderungen von Theodor Fontane, der damals als Kriegsberichterstatter fungierte, folgendes ereignet haben:

Während die Preußen ununterbrochen gefeuert hätten, um die dänischen Verteidiger niederzuhalten, sei der Seconde-Lieutenant Diener zusammen mit dem Unteroffizier Lademann, dem Gefreiten Siedschlag und den Pionieren Kitto und Klinke bis an den Fuß des Befestigungswerkes vorgedrungen. Dort angekommen, habe der Letztgenannte, der einen 30 Pfund schweren Pulversack getragen habe, gerufen: „Ick bin Klinke. Ick öffne dit Tor!“ – und dann die Ladung in seinen Armen gezündet, was ihn das Leben gekostet, aber ein gewaltiges Loch in die Palisade geschlagen habe, durch das die Schanze habe gestürmt werden können.

Aufgrund dieser Darstellung, die auch Eingang in Fontanes Gedicht „Der Tag von Düppel“ fand, avancierte Klinke zum „deutschen Winkelried“, also zum Pendant jenes sagenhaften Schweizer Ritters, der angeblich 1386 die Schlacht von Sempach dadurch entschieden hatte, dass er sich in die Speere der Habsburger warf, um seinen Kampfgefährten eine Lücke für den Angriff zu verschaffen. Dabei handelte es sich bei dem neuen preußischen Kriegshelden um einen ganz gewöhnlichen Mann aus dem Volke.

Carl Klinke, der am 15. Juni 1840 in der Gemeinde Bohsdorf bei Spremberg geboren worden war, entstammte einfachsten, ja ärmlichen Verhältnissen. Vier Hektar Land mussten für das Auskommen der elterlichen Familie reichen. Nach dem Besuch der Volksschule arbeitete er ab 1853 als Bergzimmermann in der Braunkohlengrube „Felix“. Aufgrund seiner dabei erworbenen beruflichen Erfahrungen wurde Klinke 1861 zu den Pionieren einberufen. Sein Wehrdienst endete am 4. Oktober 1863 – allerdings erhielt der junge Familienvater, dessen Ehefrau gerade das zweite Kind austrug, schon im Dezember desselben Jahres einen neuen Gestellungsbefehl, weil Preußen wegen der alarmierenden Entwicklung im Verhältnis zu Dänemark mobil machte.

Mit dem Brandenburgischen Pionierbataillon, das zu dem vom General der Kavallerie Prinz Friedrich Karl von Preußen kommandierten 1. Armeekorps gehörte, erlebte Klinke die Kämpfe um das Danewerk, eine ausgedehnte Befestigungsanlage im Bereich der Schleswiger Landenge zwischen der Eckernförder Bucht und Hollingstedt, die schließlich auf Befehl des dänischen Oberbefehlshabers Christian Julius de Meza aufgegeben wurde. Ebenso war Klinke am Brückenschlag über die Schlei beteiligt, durch den die preußischen Truppen im Februar 1864 in den Rücken der dänischen Hauptarmee gelangen konnten, was dann später zur Schlacht von Düppel führte.

Diese wurde jedoch keinesfalls durch den angeblichen Opfertod des Pioniers Carl Klinke entschieden, wie Fontane glauben machen wollte. Das geht aus dem offiziellen Bericht des Großen Generalstabs in Berlin von 1887 über den Deutsch-Dänischen Krieg hervor, der im deutlichen Kontrast zur Heldensaga des Schriftstellers vermeldet: „Unterofficier Lademann von den Pionieren entzündete den Granatzünder des 30 Pfund schweren Pulversackes. Pionier Kitto warf den letzteren … gegen den Fuß der Palisaden. Durch die sofort erfolgte Sprengung wurden zwei Palisaden umgeworfen. Pionier Klinke, der sich schon an der Palisadenwand befand, wurde hierbei stark verbrannt und dann beim Herausklettern aus dem Graben von einer Kugel tödlich getroffen.“ Klinke hatte also den besagten Pulversack weder platziert noch gezündet und tödlich verletzt wurde er durch dessen Detonation auch nicht. Der in dem Bericht erwähnte Pionier Wilhelm Kitto hat später gegenüber dem Spremberger Pfarrer Mörbe bestätigt: „Da die Lunte nichts taugte, so wurde der Pulversack … von dem Unteroffizier Lademann mit seiner brennenden Zigarre angebrannt, schnell griff ich den Sack, stürmte damit auf die Palisaden der Schanze II und warf den Sack hinein, welcher sogleich explodierte.“

Ein weiterer Beleg für die Unrichtigkeit der Legende über den Tod von Klinke ist die Tatsache, dass der Pionier in einem Gemeinschaftsgrab auf dem Friedhof von Broacker bestattet wurde, also sieben Kilometer von den Düppeler Schanzen entfernt. Wäre tatsächlich der besagte 30 Pfund schwerer Pulversack in seinen Armen detoniert, wäre er sofort tot gewesen und am Ort der Schlacht begraben worden – so wie all die anderen preußischen Soldaten, die während des Sturmangriffes fielen. Vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass er auf dem Transport ins Lazarett seiner Schusswunde erlag.

König Wilhelm I. reagierte auf das Lautwerden der ersten Zweifel an der heroischen Opfertat Klinkes mit den Worten: „Dem Volk darf man seine Helden nicht rauben.“

Wolfgang Kaufmann/PAZ


Auch bei der Spionage ein Realpolitiker
Otto von Bismarck kannte im Gegensatz zu seinem Nachfolger Leo von Caprivi bei der Informationsbeschaffung wenig Hemmungen

Heiligabend des Jahres 1874 ließ Reichskanzler Otto von Bismarck den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Bernhard Ernst von Bülow, einen heftigen Brief an den Berliner Polizeipräsidenten Guido von Madai wegen der Unzuverlässigkeit von dessen Polizeipersonal schreiben. Diesem Tadel war ein Bittgesuch des zu geheimen Observationen verwandten Polizeiagenten Casimir Eichler an Kaiser Wilhelm I. vorausgegangen, in dem Eichler um finanzielle Zuwendungen bat, um seine bei den vielen Observationsaufgaben ruinierte Gesundheit wiederherzustellen. Dabei erwähnte Eichler, dass zu seinen früheren Observationsobjekten nicht nur der französische Militärattaché Baron Eugene von Stoffel und der dänische Gesandte, sondern auch der bayerische Gesandte in Berlin, Freiherr Maximilian Pergler von Perglass, gehörte. Letztere Erwähnung geschah in erpresserischer Absicht und Eichler wurden auf sein Gesuch hin jahrelang vom Berliner Polizeipräsidium erhebliche Schweigegelder gezahlt. Doch Wilhelm I. interessierte natürlich, warum man seitens der preußischen Geheimpolizei ausgerechnet den Gesandten des nach Preußen größten deutschen Bundesstaates polizeilich überwachen ließ. Die Erklärung dieses Umstandes dürfte Bismarck gegenüber dem rechtschaffenen deutschen Kaiser einige Mühen verursacht haben. Noch erstaunter wäre Wilhelm I. jedoch gewesen, wenn er gewusst hätte, dass Bismarck seit 1862 sowohl deutsche Fürsten wie auch höhere preußische Militärs geheimpolizeilich überwachen ließ, wenn ihm deren politische Haltung suspekt vorkam beziehungsweise, wenn sie seine politischen Kreise zu stören schienen.

Zu den Fürsten, die Bismarck bereits ab seinem Amtsantritt als preußischer Ministerpräsident im Herbst 1862 heimlich überwachen ließ, gehörte Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg-Gotha, der damals in anderen deutschen Fürstenhäusern viel Stimmung gegen Bismarck zu machen suchte. Im Jahre 1865 unterlagen dann mehrere höhere preußische Militärs in Berlin, wie neu aufgetauchte Observationsberichte belegen, einer geheimpolizeilichen Überwachung. Der Berliner Schutzmann Mannig mit der Dienstnummer 756 überwachte dabei vom 25. Februar bis zum 2. März 1865 einen namentlich nicht genannten preußischen Militär, sehr wahrscheinlich einen Oberstleutnant oder Oberst, der sich gerade zwecks seiner Ernennung zum Regimentskommandeur in Berlin aufhielt. In dieser Zeit folgte ihm ständig der Geheimpolizist Mannig und notierte aufmerksam und minutiös alle Aufenthaltsorte des betreffenden Offiziers. Alle Personen, mit denen er in Kontakt kam, wurden gleichfalls notiert und, falls Mannig diese unbekannt waren, mit einer Personenbeschreibung versehen. Als sich der observierte Offizier anscheinend konspirativ mit anderen hohen Offizieren in einem Besprechungsraum des Potsdamer Bahnhofs traf, versuchte Mannig trotz der wachsamen Bahnhofskellner an der Tür zu lauschen, um Gesprächsinhalte aufzuschnappen. Anschließend folgte er dem höchsten der anwesenden Offiziere, einem Generalmajor, bis zu dessen Haus. Es handelte sich, wie Mannig sodann feststellte, um den Stabschef des preußischen Gardekorps, Generalmajor von Rosenberg-Grusczynski. Wäre diese Überwachung dem preußischen König Wilhelm I. bekannt geworden, hätte er sich sicher über seinen Ministerpräsidenten von Bismarck sehr gewundert, zumal sich unter den von Mannig überwachten Offizieren einer seiner eigenen Flügeladjutanten, der Oberstleutnant Julius von Strubberg, befand. Bismarck ließ alle diese Offiziere vermutlich nur deshalb überwachen, weil ihm schien, sie seien Anhänger des Generalleutnants und späteren Feldmarschalls Edwin von Manteuffel. Manteuffel, damals einflussreicher Chef der Personalverwaltung des preußischen Heeres, war in Fragen der Innenpolitik mit Bismarck keiner gemeinsamen Meinung und ließ das deutlich durchblicken.

Solche und ähnliche geheimpolizeilichen Spähaktionen organisierte für Bismarck ab 1862 der allzeit diskrete Regierungsrat Karl Ludwig Zitelmann, später der anrüchige Wilhelm Stieber und zuletzt der umtriebige Polizeirat Hermann Krüger. Bismarck war in geheimpolizeilichen Fragen wagemutig und schreckte selbst dann nicht vor der Genehmigung von Aktionen zurück, wenn diese im Falle des Auffliegens ein erhebliches Skandalpotenzial besaßen. So genehmigte Bismarck 1882 dem Polizeirat Krüger die gewaltsame „Rückführung“ eines gewissen Kutscheit aus London, der einst für die Franzosen Torpedoversuche der deutschen Marine in Kiel ausgespäht hatte. Kutscheit sollte durch einen beauftragten V-Mann in London betrunken gemacht und anschließend durch „kräftige Matrosen“ auf ein deutsches Handelsschiff gebracht werden. Die Aktion misslang nur, weil jener V-Mann mit krimineller Vergangenheit das zur Verfügung gestellte Geld lieber selbst vertrank, anstatt gemeinsam mit Kutscheit.

Heftig konnte Bismarck werden, wenn Operationen des Nachrichtendienstes des preußischen Generalstabes seine eigenen politischen Kreise störten. Das war 1885 der Fall, als sich ein in Russland wegen Spionage verhafteter deutscher Gutsbesitzer „Bruno Krause“ als deutscher Offizier in Geheimmission entpuppte und gleich darauf ein Leutnant Bröllnhoff das deutsche Konsulat in Tiflis in seine eigenen Erkundungen der Befestigungen von Batumi und Sewastopol einspannen wollte. Energisch unterband Bismarck mittels Protestschreiben vom 5. August 1885 an Wilhelm I. alle weiteren politisch schädlichen Spionageversuche in Russland, und nötigte den von Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke damit beauftragten Oberst Alfred von Schlieffen zu einem Entschuldigungsschreiben. Wenngleich Bismarcks Amtsnachfolger General Leo von Caprivi auch für die Notwendigkeit militärischer Spionage ein gewisses Verständnis aufbrachte, den exzessiven Einsatz der Geheimpolizei zur Ausspitzelung politischer Gegner unterband er sogleich aus ethisch-moralischen Gründen.

Jürgen W. Schmidt


S. 12 Leserforum

Leserforum

Bitte schön, USA!

Zum Leserbrief: Dank an die USA (Nr. 21)

Historisch schulden die US-Amerikaner uns doch Dank, weil wir ihnen im Kalten Krieg geholfen haben, ihren Einfluss in Europa zu sichern. General Friedrich Wilhelm Steuben im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und später Millionen deutschstämmige Einwanderer nahmen im US-Bürgerkrieg Partei für Washington und sicherten so Existenz und Einheit der Verei­nigten Staaten.

Wegen der Privathilfe der „Care“-Pakete – übrigens erst nach hunderttausenden Hungertoten von der US-Militärregierung gestattet – und zuletzt wegen der frühen Zustimmung der USA zur Vereinigung der beiden deutschen Teilstaaten sollen aber wir dankbar sein, das heißt weiter Gefolgschaft leisten. Dabei haben die USA als Hauptsieger der Weltkriege dafür gesorgt, dass nur ein Torso von Deutschland übrig geblieben ist; mental eine Bewusstseinskolonie. Denn aus US-Sicht bedeutet die „Wiedervereinigung“ von 1990 vor allem Machtzuwachs und eine Stärkung ihres Protektorates „Germany“.

Das aktuelle Problem ist mitnichten Antiamerikanismus, sondern dass uns ein Anti-Russlandkurs aufgenötigt wurde einschließlich Hass­propaganda und Säbelrasseln gegen den „neuen Hitler“ Putin. Nach einem Menschenalter könnten wir eigentlich einen Friedensvertrag erwarten mit Korrekturen des verordneten antideutschen Geschichtsbildes und des Vertreibungsverbrechens. Doch dies bleibt Utopie.

Wie sagte US-Präsident Barack Obama bei seinem Besuch im US-Stützpunkt Ramstein 2009? „Deutschland ist ein besetztes Land und wird es bleiben.“ Unsere politmediale Klasse ignoriert das. Der Besiegte preist den Sieger aus Opportunismus, weil er es nicht besser weiß oder weil er ihn wirklich für vorbildlich hält. Doch Dank gebührt ausschließlich jenen, die nüchtern die Realitäten benennen und Deutschland nicht verloren geben.

Rudolf Kraffzick, Hainau

 

 

Die „Befreiung“ fand erst im November 1989 statt

Zu: 70 Jahre Kriegsende (Nr. 19)

Auch 70 Jahre nach der verheerenden Niederlage der deutschen Armeen zum Ende des Zweiten Weltkrieges im Jahre 1945 hat der Begriff „Befreiung“ einen mehr als bitteren Beigeschmack für einen Großteil der deutschen Bevölkerung behalten. Das gilt vor allem für die Ost-und Mitteldeutschen, die diese „Befreiung“ miterleben mussten.

Auch von einem Großteil der 14 Millionen ostdeutschen Flüchtlinge und Vertriebenen, die − um es ironisch zu sagen − von ihrem Eigentum befreit wurden, wird der 8. Mai nicht als Tag der Befreiung, sondern eher als ein Tag des Gedenkens an die Opfer begangen. Auch den Bürgern im Westteil unseres Vaterlandes blieben während der Besetzung durch US-Amerikaner, Briten und Franzosen gewisse Härten nicht erspart, allein gegenüber den Brutalitäten und Verbrechen der Roten Armee waren diese dann eher Samariterdienste, mit vereinzelten Übergriffen, was auch nicht verschwiegen werden soll.

Die angeblichen Befreier der Roten Armee, also die Menschheitsbeglücker Stalins, stahlen, raubten, plünderten, drangsalierten, folterten, vergewaltigten und mordeten oftmals nach eigenem Gutdünken und oftmals auf Gutheißen ihrer Vorgesetzten.

Befreier jedoch vertreiben nicht die von ihnen Befreiten aus ihrer Heimat. Sie eignen sich nicht Land, Hab und Gut der rechtmäßigen Eigentümer an. Sie demontieren nicht Fabriken und bemächtigen sich nicht der Schiffe, Bahnen und Fahrzeuge. Sie zerstören nicht mutwillig Städte, Dörfer, Wälder und die Natur des Besiegten. Außerdem entehren Befreier nicht die Denkmäler der Befreiten, sie verschleppen beziehungsweise zerstören ihre Kunstwerke nicht.

Derzeit wird Altbundespräsident Richard von Weizsäcker nach seinem Ableben in den Himmel der „Unsterblichkeit“ gehoben. Seine Wortwahl beim Gedenken von 1985 zum Kriegsende von den angeblichen Befreiern soll der neue Katechismus aller Deutschen werden. Leider hat er nicht berücksichtigt, dass, wenn denn ein brauner Verbrecher durch einen roten Verbrecher in der Machtausübung abgelöst wird, das deutsche Volk in Mitteldeutschland weiter in ideologischen Ketten und eingemauert leben musste.

Infolge des sowjetischen Einmarsches haben sich tausende Zivilisten in Deutschland das Leben genommen. Eine Befreiung war es selbst nach 40 Jahren DDR-Diktatur niemals gewesen. Die Schandmauer in Berlin, die eiternde Wunde Deutschlands, wie es viele nennen, hat dazu wesentlich beigetragen.

Wenn denn dieses Wort Befreiung überhaupt in den Mund genommen werden soll, dann sollte es für die friedliche Revolution im November 1989 in der DDR stehen. „Wir sind das Volk“ und „Wir sind ein Volk“, dieses sind die Rufe der Freiheit, welche die Welt einstmals zu Recht in ihren Bann zogen.

Niemand wird die Opfer der beiden Weltkriege in Frage stellen wollen. Dennoch ist es mehr als verfehlt, sowjetische Diktatoren, welche mit Adolf Hitler gemeinsame Sache gemacht haben, als Befreier zu glorifizieren.

„Mütterchen Russland“ hat im Zweiten Weltkrieg sehr gelitten, auch daran gibt es keinen Zweifel, was allerdings „Väterchen Stalin“ betrieben hatte, war glatter Expansionismus. Deshalb wurde denn wohl auch in Europa der „Eiserne Vorhang“ errichtet, wie Winston Churchill die Trennlinie zwischen Ost und West einstmals bezeichnete. Wie es scheint, wird es wohl auch zukünftig nicht sehr viel anders laufen, auch wenn die Eiszeit vorübergehend beseitigt schien.

Freiheit ist ein großes Wort, viele haben es in den Mund genommen. Befreien kann sich letztendlich nur ein Volk selbst. Unsere Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 sind in der Mehrzahl hingerichtet worden, nur sehr wenige haben überlebt. Vergessen sind sie allerdings nicht. Claus Graf Schenk von Stauffenberg und seine Mitverschwörer starben für unsere Heimat. Ein Beistand seitens der Alliierten gab es für diese Männer in keiner Weise.

Mit der Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit haben die Deutschen ein Zeichen in Europa gesetzt. Das war eine echte Befreiung der Mitteldeutschen, die sie aus eigener Kraft verwirklicht haben.

Hans-Joachim Nehring, Neubrandenburg

 

 

Nichts zu feiern

Zu: 70 Jahre Kriegsende (Nr. 19)

Alle, die unter dem NS-Terror gelitten haben, besonders die Insassen der Konzentrationslager, empfinden mit Recht den Einmarsch der Sieger als Befreiung. Leider sind es aber auch Millionen Deutsche, die während und nach dem Einmarsch der Sieger vom Leben befreit wurden. Sie überlebten den Krieg, aber nicht die „Befreiung“. Hauptsächlich geschah es in Ost- und Mitteldeutschland.

Mit acht Jahren erlebte ich im Januar 1945 diese „Befreiung“ in Ostpreußen durch die Russen. Es war die schrecklichste Zeit meines Lebens. Massenhafte bestialische Vergewaltigungen, die nicht selten durch Verstümmelungen mit qualvollem Tod endeten (auch meine Cousine). Die ohrenbetäubenden Schreie gequälter junger Mädchen höre ich bis heute. Nach Eroberung wurden ganze Dörfer und Städte abgefackelt. Plünderungen, Übergriffe, Mord und Verschleppungen unschuldiger Menschen geschahen damals in vielen Ortschaften. Befreier benehmen sich anders. Tausende nahmen sich das Leben, aus pa­nischer Furcht vor den Russen, oder aus Scham und Verzweiflung nach Schändung (Mohrungen, Neustrelitz, Güstrow).

Mein Vater wurde in die Ukraine verschleppt und im Juli 1945 ermordet. Meine Mutter ist in Folge polnischer Misshandlungen gestorben, weil sie nicht für Polen optieren wollte. Als Weise folgten zwangsweise Jahre in der Heimat, die fremd geworden ist. Millio­nenfach wurden Deutsche, wegen Ethnischer Säuberung, vertrieben. Altpräsident Johannes Rau sagte: „Verbrecherische Politik entlastet niemanden, der furchtbares Unrecht mit furchtbarem Unrecht beantwortet.“ Schuld kann nicht kollektiv, sondern nur individuell sein. Verloren habe ich die Eltern, Haus, Hof und die Heimat. In Anbetracht dieser Tatsachen wäre es grotesk, Hohn und Verrat an meinen Eltern, wenn ich diese Zeit als Befreiung feiern würde.

Kurt Spriewald, Kassel


S. 13 Das Ostpreußenblatt

Vielfältiges Erinnern an das Ende
Wie die Deutsche Minderheit im südlichen Ostpreußen der Kriegsereignisse von 1945 gedachte

Der 8. Mai und damit auch die Phase der 70. Jahrestage im Zusammenhang mit der Eroberung Deutschlands durch die Alliierten ist vorüber – Zeit zu resümieren. Die deutsche Volksgruppe im südlichen Ostpreußen war und ist in besonderer Weise von den Ereignissen vor sieben Jahrzehnten betroffen. Mit diversen Veranstaltungen gedachte sie dieser.

Am 19. Februar fand in der Pfarrkirche in Groß Bertung bei Allenstein ein deutsch- und polnischsprachiger Gedenkgottesdienst statt. Auf den Gedenktafeln für die Verstorbenen des Zweiten Weltkriegs in der Vorhalle des Gotteshauses sind unter 160 Toten viele mit einem Sterbedatum nach dem 22. Januar, dem Tag des Einmarsches der Roten Armee in das Dorf. Die Wahl des Ortes hatte zwei Gründe. Zum einen stammt die Familie von Henryk Hoch, dem Vorsitzenden des Verbandes der deutschen Gesellschaften in Ermland und Masuren, von dort und seine Großmutter zählte zu den Opfern. Zum anderen wurde beim Einmarsch der damalige Gemeinde­pfarrer Otto Langkau erschossen. Der heutige Probst Leszek Kuriata, der mit Domherr Andre Schmeier die Messe zelebrierte, sieht ihn als doppeltes Vorbild: „Er fühlte sich 32 Jahre lang als Kaplan aller Groß Bertunger und predigte in beiden Sprachen, und er ging als Hirte seiner Gemeinde den Weg gemeinsam bis zum Ende.“ Er starb für die Menschen, die sich in den Keller des Pfarrhauses geflüchtet hatten. Dafür wurde er in die „Liste der ermländischen Märtyrer“ aufgenommen.

Nicht nur im Ermland, sondern auch im Oberland erinnerten die Einwohner an die damaligen Geschehnisse. Die Gesellschaft der Deutschen Minderheit „Tannen“ in Osterode organisierte gemeinsam mit dem dortigen Kulturzentrum im März eine Veranstaltung zum Einmarsch der Roten Armee am 21. Januar 1945. Thema eines Vortrags von Hoch war die Geschichtsfälschung in der Nachkriegszeit, die durch Worte wie „Befreiung“ und „Rückkehr zum Vaterland“ markiert wird. Im Zentrum des Interesses standen aber die Berichte einiger Frauen aus dem Verein über ihre eigenen Erlebnisse beziehungsweise die ihrer Nächsten damals, über misslungene Fluchten, Verschleppung nach Sibirien und den Tod. Diese Aussagen wurden im Rahmen des Projekts auch aufgezeichnet.

Am 28. März hatte die Deutsche Minderheit in Gdingen mit ihrem Vorsitzenden Bernard Reschke zur Gedenkfeier für die vor 70 Jahren versenkten Flüchtlingsschiffe „Goya“, „Steuben“ und „Wilhelm Gustloff“ eingeladen. Zu Gast waren unter anderem der Vorsitzende der Deutschen Minderheit in der Republik Polen, Bernard Gaida, und Vertreter des deutschen Generalkonsulats in Danzig. Hoch legte im Namen des Verbandes der deutschen Gesellschaften in Ermland und Masuren und der darin vertretenen Organisationen einen Kranz nieder.

Uwe Hahnkamp/PAZ


Großes Buslinien-Streichen
In Königsberg wird das Netz des öffentlichen Personennahverkehrs ausgedünnt

In Königsbergs öffentlichem Personennahverkehr sollen elf Buslinien gestrichen werden. In erster Linie sind Routen betroffen, die von Minibussen, den sogenannten „Stadttaxis“, bedient werden. Seit Ende März fahren 22 Busse weniger und 83 Minibusse verschwanden aufgrund dieser Entscheidung.

Von der Streichung ist auch die unter den Bürgern beliebte Linie Nr. 63 des zentralen Bezirks betroffen. Daneben wurden die Linien 69, 72, 83 und 77 eingestellt. In dem neuen Stadtteil Selma wurden gleich zwei Linien eingespart: die 79 und die 81.

Die Stadtverwaltung begründete ihre Entscheidung damit, dass die Minibusse die gleichen Routen wie die großen Busse hätten. Bürgermeister Alexander Jaroschuk sagte; „Die Stadttaxis sind ein Grund für die Entstehung von Staus. In anderen europäischen Städten gibt es keine Stadttaxis, und wir brauchen auch nicht so viele.“

Laut der Stadtverwaltung wird die Änderung neun Monate dauern bis zu dem Moment, in dem ein neues Routenschema endgültig genehmigt wird. Minibusse sollen dann nur noch in den Stadtteilen Königsbergs verkehren, in die keine großen Busse hin gelangen.

Studenten der Immanuel-Kant-Universität haben eine Unterschriftensammlung gegen den Wegfall der Route Nr. 63 durchgeführt. Diese Route führt direkt zum Universitätsgebäude. Die Unterschriftensammlung haben auch Dozenten unterstützt, die diese Buslinie ebenfalls nutzen. Der Wegfall dieser Linie wird für alle Unbequemlichkeiten zur Folge haben. An der Aktion haben sich auch ausländische Studenten beteiligt, sogar aus Ungarn und den baltischen Staaten. Die gesammelten Unterschriften sollen der Stadtverwaltung übergeben werden.

Doch nicht nur die Kunden, auch die Busfahrer haben Grund zur Klage. Sie arbeiten heute schon pausenlos bis zu zwölf Stunden, weil die Busunternehmer Personalkosten sparen wollen. Darüber hinaus hält der neue Tarif von 22 Rubel den Verkehrsfluss auf, da die Passagiere erst ihr Kleingeld zusammensuchen müssen. Das Suchen nach Wechselgeld lenkt die Fahrer ab und sorgt für höhere Unfallgefahr. Busfahrer klären ihre Beziehung untereinander oft durch Handgreiflichkeiten. Das ist die Folge einer „Jagd auf Passagiere“, wenn die Busfahrer versuchen, möglichst schnell an der nächsten Haltestelle zu sein, um neue Passagiere vor ihren Konkurrenten aufzunehmen. Oder die Busse fahren im Schritttempo, wenn an der Bushaltestelle nicht genügend Fahrgäste warten.

Das führt oft zu komischen oder gar tragischen Vorfällen. Es kann vorkommen, dass über die Route abgestimmt wird, wenn es darum geht, eine Baustelle zu umfahren. Wer mit einem Umweg nicht einverstanden ist, wird kurzerhand an die frische Luft gesetzt. Man kann den Eindruck gewinnen, nicht in Europa zu sein, sondern in irgendeinem afrikanischen Land.

Die Straßen der Stadt bleiben überlastet. Eine Verringerung der Buslinien wird dieses Problem kaum lösen. Darüber hinaus fahren nach 21 Uhr keine öffentlichen Busse mehr. Dann sind die Minibusse die einzige Möglichkeit für die Städter, nach Hause zu gelangen. Jurij Tschernyschew


MELDUNGEN

Umgekehrter Trend

Königsberg – Fast die Hälfte aller Königsberger Schulabgänger hat sich im vorigen Jahr mit einem Mittleren Schulabschluss zufrie-den gegeben und nach nur neun Jahren die Schule verlassen. An-ders als in der Bundesrepublik, wo der Anteil der „höheren Bildungsabschlüsse“ seit Langem ansteigt und das Niveau der Ausbildung zugleich deutlich absinkt, hat sich das russische Schulsystem in den letzten Jahren tendenziell verbessert und geht der Trend zu handfesteren Berufen. T.W.W.

 

Flüssig- statt Russen-Gas

Memel – Litauen will 2016 seinen Gasbezug aus Russland komplett einstellen. Das zuvor von russischen Gaslieferungen vollständig abhängige Land hat zu Beginn dieses Jahres einen Flüssiggashafen vor Memel in Betrieb genommen, über den nach dem Willen der Regierung nun der gesamte Gasimport des Landes laufen soll.

T.W.W.

 

Hotelbau beim Hauptbahnhof

Königsberg – Nahe dem Königsberger Hauptbahnhof baut ein nicht-russischer Investor ein Hotel mit 200 Zimmern und einer Fläche von 16500 Quadratmetern. Fertiggestellt werden soll die Anlage rechtzeitig zum Beginn der Fußballweltmeisterschaft 2018.

T.W.W.

 

Störungen des Verkehrs

Allenstein – Straße Nr. S7: Liebemühl [Miłomłyn], Baustelle. Straße Nr. 7: Liebemühl [Miłomłyn] – Osterode [Ostóda], Baustelle; Berghof [Tatary] – Candien [Kanigowo], Baustelle; Palicken [Pawliki] – Poweirsen [Powierz], Baustelle; Poweirsen [Powierz] – Napierken [Napierki], Baustelle. Straße Nr. 16: Groß Herzogswalde [Laseczno], Fußgängerzonenbau; Sensburg [Mragowo] – Nikolaiken [Mikolajki], Randstreifenarbeiten; Wensewen [Wezewo] – Eckensberg [Okartowo], Randstreifenarbeiten; Wyssocken [Wysokie] – Rutki, Baustelle. Straße Nr. 51: Bartenstein [Bartoszyce], Baustelle; Heilsberg [Lidzbark Warminski], Olsztynskastraße, Baustelle; Allenstein [Olsztyn] – Pagelshof [Ameryka], Baustelle. Straße Nr. 58: Altkelbunken [Stare Kiełbonki], Baustelle. Straße Nr. 58b: Johannisburg [Pisz], Straßenerneuerung. Straße Nr. 59: Skoppen [Skop] – Trossen [Tros], Randstreifenarbeiten. Straße Nr. 63: Angerburg [Wegorzewo], Zamkowastraße, Baustelle. Straße Nr. 65: Herzogskirchen [Gaski] – Przytullen [Przytuły], Baustelle; Lyck [Ełk] – Neuendorf [Nowa Wies Ełcka] – Fußgängerzonenbau. PAZ


S. 14 Ostpreussische Familie

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

es gibt wieder Erfreuliches zu berichten. Wenn es auch für Außenstehende kleine Wünsche waren, die an uns gestellt wurden – für die Betreffenden kann ihre Erfüllung aber sehr viel bedeuten. Und sie wurden erfüllt, manche fast umgehend. Wie für Herrn Knut Walter Perkuhn, der in Folge 19 nach dem in den 70er Jahren herausgegebenen Buch über „Schlösser und Gutshäuser in Ostpreußen“ suchte. Obwohl die Angaben nicht ganz stimmten, fand sich das gesuchte Buch „Schlösser und Herrenhäuser in Ost- und Westpreußen“ von Helmut Sieber, 1962 erschienen im Verlag Wolfgang Weidlich. Frau Rosemarie Kulikowski hatte dem Suchenden schon telefonisch Bescheid gegeben, dass sie das Buch im Fundus ihrer Ostpreußen-Gruppe in Hannover habe. Sie sammelt Bücher aus Haushaltsauflösungen, die sie dann für eine Spende an interessierte Mitglieder weitergibt. Aber die Meisten haben bereits viele Bücher, und so gibt es einen beachtlichen Bestand an wertvoller Literatur, in dem sich auch das von Herrn Perkuhn gesuchte Exemplar befand. Und noch ein zweites gab es als Zugabe – wir sagten „margrietsch“ –, das Herrn Perkuhns Heimatbibliothek bereichern wird: „Die vergessenen Schlösser“ von Archenholz, erschienen 1967 bei Ulstein. Frau Kulikowski wird übrigens mit ihrem Bücherschatz am 24. Juni auf der „Ostpreußen-Woche“ in Krelingen bei Walsrode vertreten sein, um die wertvollen Bücher Interessenten anzubieten. Ich freue mich mit Herrn Perkuhn, dass die Ostpreußische Familie ihn auch diesmal nicht im Stich gelassen hat. Und um die Sache richtig rund zu machen: Es gibt noch ein weiteres Buch zu diesem Thema „Ostpreußische Gutshäuser in Polen“ von Adelheid Gräfin Eulenburg und Hans Engels, erschienen 1995 bei Beck, München. Das teilte uns Frau Hana Hoefer aus Wanderup mit, die das Buch besitzt.

Um Bücher ging es auch bei dem Angebot von Frau Dorothea Blankenagel aus Duisburg, und es wurde angenommen. Drei Werke der Heimatliteratur konnte sie inzwischen verschicken, und „oh Wunder, auch das ostpreußische Trachtenkleid“, wie sie schreibt. „Es ging an Frau Brigitte B., die Mutter des Fünflingsquartetts, die vor Jahrzehnten den Werdegang ihrer Kinder im Ostpreußenblatt beschrieb. Als sie sich bei mir telefonisch meldete, erkannte ich ihren Namen sofort, und sie rief aus: Das wissen Sie noch!“ Ein Foto mit dem schönen und wertvollen Trachtenkleid, von dem sich Frau Blankenagel leider trennen musste, hat die neue Besitzerin ihr schon geschickt – es passt!

Es passt auch in unserer Familie. So konnte Frau Ute Eichler aus Hamburg uns mitteilen, dass das Angebot von Herrn Bernd Baran aus Dänemark, das sie uns vermittelt hatte, in die richtigen Hände gekommen ist. Das war allerdings ein 125 Kilo schweres Paket, denn es enthielt die vollständige Sammlung der Schriften des Vereins für Familienforschung seit 1980 – und es musste aus Dänemark abgeholt werden. Den Zuschlag erhielt ein Unternehmen, das sich mit Erbenermittlung befasst – da musste leider eine Interessentin aus unserem Familienkreis zurückstehen. Aber es ist erfreulich, dass sich trotz der vorgegebenen Schwierigkeiten diese Angelegenheit zur Zufriedenheit des Anbieters erledigt hat.

Dänemark! Das ist das Stichwort, noch einmal auf die vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge gestaltete Gedenkfeier für die ehemaligen deutschen Internierten, die am 8. August auf dem Friedhof von Esbjerg stattfindet, aufmerksam zu machen. Wir haben schon zweimal auf die Veranstaltung hingewiesen und unsere Leserschaft gebeten, sich als Zeitzeugen beim VDK zu melden. Das Interesse an dieser Feier ist groß, es haben sich bereits viele gemeldet, wie mir unser Ansprechpartner, Herr Hauke Homeier, mitteilen konnte. Und so ganz untätig sind wir auch nicht gewesen, denn wir haben Anregungen für die kulturelle Gestaltung gegeben, die auch angenommen wurden. So steht schon fest, dass der Schauspieler Herbert Tennigkeit als hervorragender Interpret ostdeutscher Literatur das Gedicht von Agnes Miegel „O Erde Dänemarks“ sprechen wird. Als weiterer lyrischer Beitrag ist ein Gedicht des Königsberger Schriftstellers Walter Scheffler vorgesehen. Er war wie Agnes Miegel, die ihm mit zur Flucht verholfen hatte, im Lager Oxböl interniert. Sie war auch seine Trauzeugin, als der 66-Jährige seine treue Lebensgefährtin, die dem tauben Poeten jahrzehntelang zur Seite gestanden hatte, im Lager heiratete. Das Glück hinter Stacheldraht war nur kurz: Die zarte Frau starb von Heimweh geplagt schon nach einem Jahr. Walter Scheffler schrieb sich in vielen Gedichten das Leid von der Seele. In den letzten Monaten seiner dreijährigen Gefangenschaft fügte er sie zu einem Band zusammen, der den Titel „Gesänge hinter Stacheldraht“ trug. Das notdürftig gebundene Buch verschenkte er an seine ostpreußischen Lagergefährten. Nun unsere Frage: Besitzt noch jemand eines dieser wenigen Exemplare und überlässt es uns für kurze Zeit zur Durchsicht? Ein Gedicht aus diesem Buch würde die Feier noch eindringlicher gestalten.

Wir haben es im Augenblick mit unserem nördlichen Nachbarland. „Lieben Gruss aus Danmark“ sendet uns Björn Schneider und setzt davor noch ein „Danke“. Das sind Vorschusslorbeeren, denn wir konnten noch gar nichts für ihn tun, und ich weiß nicht, ob uns die einzige brauchbare Angabe in seiner Mail überhaupt weiterbringt. Björn Schneider betreibt als Hobby Ahnenforschung, um die Wurzeln seiner Vorfahren zu finden. Und die stecken zum Teil in ostpreußischem Boden – da ist er bei uns schon richtig. „Ich habe schon einiges versucht zu finden, allerdings ist das sehr schwierig, denn es ist das einzige, was ich weiß, dass meine Oma Gertrud Schneider geborene Kurbjuhn aus Waldfliess, Kreis Lötzen, am 9. Dezember 1924 in Wehlau geboren wurde.“ Wenn sie auch mager sind, so sind es wenigstens konkrete Angaben, zu denen aus unserem Leserkreis vielleicht einige Auskünfte kommen könnten. Leider hat uns Herr Schneider weder Anschrift noch Telefonnummer mitgeteilt, so dass die Zuschriften an seine E-Mail-Adresse BjoernSchneider@gmx.de zu richten sind.

Da wir nun beim Suchen sind, schließen wir die Bitte einer 93-jährigen Ostpreußin an, die noch immer nach dem Verbleib ihrer verschleppten Mutter forscht und nun sehnsüchtig auf Informationen aus unserem Leserkreis wartet. Bei der Gesuchten handelt es sich um Luise Itzek, *5. Juli 1898 in Soffen, Kreis Lyck, verheiratet mit Wilhelm Itzek. Sie war Mutter von zwei Kindern, dem Sohn Walter und der am 7. April 1922 in Soffen geborenen Tochter Marta, der Antragstellerin dieser Suchfrage. Die Familie wohnte im Ok­tober 1944 in Steinberg, als sie wegen des drohenden Russeneinfalls evakuiert wurden. Die Eltern und Tochter Marta kamen nach Wieps bei Allenstein, wo sie bei der Familie Piontek untergebracht wurden. Als die Russen am 17. Januar 1945 nach Allenstein und einige Tage später nach Wiebs kamen, wurden Mutter und Tochter verschleppt und kamen zuerst in das Gefängnis Allenstein. Dort wurden die gefangenen Frauen aufgeteilt nach Jung und Alt – und so kam es, dass Marta von ihrer Mutter getrennt wurde. Für immer, denn es ergab sich bei der späteren Suche nie ein Hinweis auf den Verbleib von Luise Itzek. Ob sie das gleiche Los erlitt wie ihre Tochter, die zuerst in das Sammellager Zichenau kam und von dort mit der Bahn nach Russland transportiert wurde? Da sie bei einer möglichen Verschleppung nach Russland als Mittvierzigerin zu den älteren Frauen gehört hätte, dürfte es nach so langer Zeit kaum möglich sein, Zeitzeugen der Verschleppung zu finden, die sich an Luise Itzek erinnern. Und vielleicht ist sie auch schon während oder nach der Gefangenschaft verstorben wie so viele Frauen, die unsäglichen Strapazen ausgesetzt waren oder die an Epidemien verstarben. Frau Marta – heute Kleimann – würde sich über jeden noch so kleinen Hinweis freuen, denn das ungeklärte Schicksal ihrer Mutter belastet sie noch nach 70 Jahren. Dass sie sich erst heute an uns wendet, liegt daran, dass sie erst jetzt in der PAZ las, dass wir im Rahmen unserer Ostpreußischen Familie versuchen, bisher ungelöste Fragen zu behandeln, die Flucht und Vertreibung betreffen. Zu große Erwartungen dürfen wir da nicht hegen, denn die Zeit schreitet unerbittlich weiter. Wunder, wie noch vor einigen Jahrzehnten, können wir da kaum erwarten. Aber hoffen, das können wir. (Marta Kleimann, Burgherrenweg 99 in 51427 Bergisch Gladbach, Telefon 02204/65423.)

Auch für Herrn Herbert Haack aus Duderstadt, der sich sehr über die Veröffentlichung des Klassenbildes in Folge 22 gefreut hat und dadurch zu einer erneuten Frage angeregt wurde. Der leidenschaftliche Ansichtskartensammler hat sich einen Schwerpunkt gesetzt: Memelland. Und da sind ihm einige häufiger vorkommende Empfängernamen aufgefallen, denen er nachgehen will. Vier junge Damen frönten anscheinend schon damals um die Jahrhundertwende der Sammelleidenschaft, jedenfalls legten sie Postkartenalben an, von denen noch heute Herr Haack profitiert. Nun, damals jettete man noch nicht um die Welt, sondern reiste mit dem Finger auf der Landkarte, und jede Ansichtskarte war willkommen, vor allem hier im äußersten Zipfel des Kaiserreiches. Herr Haack möchte nun ihren Spuren nachgehen, weil die Grüße und Mitteilungen auf den Karten ein Bild von den Empfängerinnen vermitteln. Zu denen gehörten Fräulein Emma Schneider, Grudszeiken bei Buddelkehmen/Carlsberg, Kreis Memel, Fräulein Else Beckmann, Seebad Försterei, Pension Lardong, Nimmersatt, Henriette Hohn, Leitwarren bei Plaschken, Kreis Tilsit, Gertrud Diesel, Michel-Sakuthen, Kreis Heydekrug. Noch weiter in die Vergangenheit zurück geht ein Posten Karten, die an den Großhandel Carl Hirschberg in Memel gerichtet waren, der in den 1880er Jahren den ländlichen Kolonialwarenhandel über den Kreis Memel hinaus belieferte. Auch hier hätte Herr Haack gerne die Verbindung zu Memelländern, die etwas über die genannten Personen beziehungsweise ihre Familien aussagen könnten. (Norbert Haack, Hoher Berg 9 in 37115 Duderstadt, Telefon 05527/6668.)

Eure Ruth Geede


Zu Hause, aber was würde die Zukunft bringen?
Bericht von einer gescheiterten Flucht und einer Heimkehr auf Zeit

Unsere Zeitreise geht weiter, und sie führt zurück in den Frühsommer 1945. Die meisten der zur Flucht aufgebrochenen Ostpreußen hatten es dank der einmaligen „Rettung über See“ geschafft, über zwei Millionen Flüchtlinge und Soldaten waren von den fast 800 eingesetzten Schiffen in den Westen gebracht worden. Aber was geschah mit den Menschen, denen die Flucht nicht gelang, die in der nun von den Russen okkupierten Heimat zurückblieben? Die Schick­salswege dieser Menschen driften weit auseinander, sie reichen von der Ermordung beim Einfall der russischen Eroberer über Inhaftierung, Internierung, Verschleppung, Kolchosenfron und Seuchentod bis zu einer zeitweiligen Rückkehr in den Heimatort. Aber was fanden die Zurückgebliebenen dort vor? War das Dorf ein Trümmerhaufen, zeigte es erhebliche Zerstörungen oder war es bewohnbar geblieben? Zu den letzteren Orten gehörte das kleine Dorf Gallgarben im östlichen Samland, dessen Nachkriegsschicksal ein ehemaliger Bewohner, Herbert Paulusch, vor 30 Jahren in einem ausführlichen Bericht festhielt. Diesen hat Albert Günther in seine in Gallgarben beginnende Fluchtdokumentation „Der Weg nach Westen – Bericht über die Flucht aus Ostpreußen 1945“ eingefügt, die wir Mitte März zugesandt bekamen. Leider hatten wir da schon in unserer „Zeitreise“ mehrere Berichte über die großen Fluchtströme in den letzten Kriegsmonaten gebracht oder eingeplant. Aber ich wollte dem Anliegen von Herrn Joachim Wiegand aus Bückeburg entgegenkommen, der sich auf Wunsch von Frau Anita Lindemeyer geborene Günther, Schwester des Verfassers, an uns wandte. Seine Bitte, den Bericht als Mosaikstein in unsere Fluchtdokumentation einzufügen, wollen wir nun wenigstens teilweise erfüllen, indem wir einige Ausführungen aus dem Heimkehrbericht von Herbert Paulusch bringen, die sich in unsere „Heute vor 70 Jahren“-Rückschau zeitgemäß einfügen. Seine Aufzeichnungen beginnen am 16. Mai 1945.

„Der Krieg war gerade seit einer Woche beendet. Nach einer fast viermonatigen Irrfahrt durch das Samland kehrten wir wieder nach Gallgarben zurück. Die Flucht war uns nicht gelungen. In einer ängstlichen Anspannung erreichten wir das Dorf. Obwohl die Kriegsereignisse überall Spuren hinterlassen hatten, stellten wir fest, dass Gallgarben noch glimpflich davongekommen war. Vermutlich in den letzten Januartagen war unser Dorf von den russischen Truppen erobert worden. Größere Kampfhandlungen hatten wahrscheinlich in dem Gebiet nicht stattgefunden, obwohl wir an verschiedenen Stellen einige russische Soldatengräber vorfanden. Zu den vier Häusern, die abgebrannt waren, gehörte auch das Gasthaus von Tribukeit. In dem Saal hatte sich die Garderobe des Königsberger Schauspielhauses befunden, wohin sie nach den beiden großen Bombenangriffen im August 1944 ausgelagert worden war. In den Aschenresten fanden wir noch einige Schnallen von den prächtigen Kostümen. Alle anderen Gebäude wiesen mehr oder weniger starke Schäden an Fenstern, Türen und Dächern auf. Unsere Dorfstraße, die durch Panzer und andere schwere Fahrzeuge stark mitgenommen war, wurde mit Holzbohlen notdürftig für den Verkehr hergerichtet.

Wir waren nun wieder zu Hause. Was die Zukunft bringen würde, wusste keiner von uns.

Im Laufe der nächsten Wochen trafen wir einige andere deutsche Familien aus Gallgarben, denen die Flucht auch nicht geglückt war. Die wehrfähigen Männer und Söhne fehlten, sie waren in Gefangenschaft geraten, wurden vermisst oder waren gefallen. Außer diesen Deutschen war der Ort noch teilweise mit russischen Soldaten besetzt. Am Dorfrand befand sich ein russischer Feldflughafen mit ,Rattermühlen‘. In unserem Haus wohnten ein russischer Arzt und ein Major. Unsere größte Sorge galt zunächst der Lebensmittelbeschaffung. Scheunen, Ställe, Keller und Speicher waren leer. Nur Kartoffeln fanden wir in den ersten Wochen noch in ausreichender Menge vor. Das war schon eine ganz große Hilfe. Elektrischen Strom gab es nicht. Wir hatten noch ein paar Talglichte. Aber es wurde ja nun Sommer, und die Tage waren lang.

Im Juni mussten alle deutschen Bewohner Gallgarben verlassen, weil die Zahl der russischen Soldaten zunahm. Die meisten Familien zogen zum Abbau, andere ließen sich in Permissau nieder. Als ein russisches Arbeitskommando auf dem Gut Adl. Gallgarben zum Ernteeinsatz kam, wurden alle arbeitsfähigen Deutschen zu den Arbeiten herangezogen. Wir erhielten dafür dreimal am Tag Essen. Nach der Heuernte begann die Getreideernte. Es handelte sich um Wintergetreide, das noch von den deutschen Bauern im Herbst eingesät worden war. Im September rückten die russischen Truppen aus Gallgarben ab, wir konnten nun wieder in unsere Häuser zurück. Inzwischen waren auch einige Familien aus Königsberg in Gallgarben hängen geblieben. Herr Bangert wurde von den Russen als Bürgermeister eingesetzt. Zur Nahrungsvorsorge sammelten wir noch den letzten Raps auf den Feldern, mahlten ihn in der Kaffeemühle oder drehten ihn durch den Fleischwolf und ließen ihn bei einem Mann aus Permissau zu Öl pressen. Zehn Pfund Raps ergaben etwa ein Liter Öl. Es war das einzige Fett, das wir für uns mühsam beschaffen konnten, denn Raps war nur an wenigen Stellen zu finden. Im Oktober kam dann ein neues russisches Kommando zum Dreschen. Hierzu wurden wieder alle arbeitsfähigen Dorfbewohner eingesetzt. Ich habe mehrere Wochen lang Holz gesägt und ge- hackt, bekam dafür etwas Roggen und tägliches Essen. Ab Mitte Januar gab es in Gallgarben keine Arbeit mehr. Zu der Zeit lebten im Dorf etwa 50 Personen. Die ersten Typhusopfer waren zu beklagen. Die Nahrungsmittel wurden beängstigend knapp, auch das Salz. Man suchte in den Ställen nach Viehsalz und kochte es ab. Das Wasser wurde dann zum Würzen der Speisen verwendet.“

Aber damit sind wir schon der Zeit voraus. Belassen wir es also bei diesem ersten Bericht von Herbert Paulusch, dem in Albert Günthers Dokumentation noch weitere folgen. R.G.


S. 15 Glückwünsche

Wir gratulieren

ZUM 99. GEBURTSTAG

Fischer, Ursula, geb. Kundrus, aus Weidlacken, Kreis Wehlau, am 13. Juni

ZUM 98. GEBURTSTAG

Lüdtke, Ida, geb. Stralla, aus Neuendorf, Kreis Lyck, am 19. Juni

ZUM 97. GEBURTSTAG

Hinden, Harry A., aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 18. Juni

Matthias, Ruth, aus Ortelsburg, am 13. Juni

Schlick, Herta, geb. Urban, aus Lyck, Dallnitz/Wasserwerk, am 19. Juni

ZUM 96. GEBURTSTAG

Meyel, Benno, aus Osterode Ostpreußen, am 15. Juni

Roggenbuck, Hans, aus Rauschendorf, Kreis Ebenrode, am 17. Juni

Wieczorrek, Hedwig, geb. Tertel, aus Plöwken, Kreis Treuburg, am 13. Juni

ZUM 95. GEBURTSTAG

Müller, Traute, geb. Breitmoser, aus Kreuzingen, Kreis Elchniederung, am 14. Juni

Pinsch, Else, geb. Höpfner, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 15. Juni

Räthe, Elli, aus Alt Katzkeim, Kreis Samland, am 15. Juni

Szameitat, Charlotte, geb. Skubinn, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 14. Juni

ZUM 94. GEBURTSTAG

Andre, Frieda, geb. Konrad, aus Lenzendorf, Kreis Lyck, am 14. Juni

Bachor, Elfriede, geb. Heina, aus Altkirchen, Kreis Ortelsburg, am 14. Juni

Didszun, Hildegard, geb. Herzog, aus Nassawen, Kreis Ebenrode, am 30. Mai

Freier, Anna, geb. Kraft, aus Keipern, Kreis Lyck, am 15. Juni

Kaminski, Hildegard, geb. Dudda, aus Lyck, am 18. Juni

Konetzka, Erich, aus Kutzburg, Kreis Ortelsburg, am 14. Juni

Nolting, Margarete, geb. Althoff, aus Keipern, Kreis Lyck, am 15. Juni

Pluschke, Walter, aus Schlakalken, Kreis Samland, am 13. Juni

Podszus, Georg, aus Königsberg-Ponarth, Speichersdorfer Straße 100, und aus Wittingen, Kreis Lyck, am 12. Juni

Stähle, Edeltraut, geb. Rogalla, aus Wittenwalde, Kreis Lyck, am 13. Juni

ZUM 93. GEBURTSTAG

Czymoch, Edeltraut, geb. Broziewski-Schliesky, aus Lissau, Kreis Lyck, am 15. Juni

Durnio, Willi, aus Bartzdorf, Kreis Neidenburg, am 18. Juni

Ehrlicher, Dr. Christel, aus Regeln, Kreis Lyck, am 16. Juni

Fischer, Erna, geb. Panteleit, aus Ebenrode, am 14. Juni

Galka, Wally, aus Eibenau, Kreis Treuburg, am 19. Juni

Hain, Helene, geb. Heske, aus Augam, Kreis Preußisch Eylau, am 13. Juni

Kluth, Herbert, aus Monken, Kreis Lyck, am 19. Juni

Lausterer-Roth, Dr. Eva, aus Rhein, Kreis Lötzen, am 13. Juni

Meixler, Edith, geb. Döhring, aus Frischenau, Kreis Wehlau, am 15. Juni

Peters, Elsbeth, geb. Pietrzenuk, aus Rogonnen, Kreis Treuburg, am 18. Juni

Samoray, Ilse, geb. Lemke, aus Canditten, Kreis Preußisch Eylau, am 18. Juni

Schmidtke, Herbert, aus Lyck, Blücherstraße 6, am 15. Juni

Seidenberg, Magdalene, geb. Ohse, aus Schirrau, Kreis Wehlau, am 17. Juni

ZUM 92. GEBURTSTAG

Bessel, Else, geb. Stadie, aus Zohpen, Kreis Wehlau, am 17. Juni

Borchert, Kurt, aus Heinrichswalde, Kreis Elchniederung, am 14. Juni

Herold, Marta, geb. Bialloch, aus Markshöfen, Kreis Ortelsburg, am 13. Juni

Hollstein, Käte, aus Klein Blumenau, Kreis Samland, am 14. Juni

Izydorezyk, Frieda, geb. Borkowski, aus Steinberg, Kreis Lyck, am 16. Juni

Jelinski, Kurt, aus Kelchendorf, Kreis Lyck, am 15. Juni

Krause, Bruno, aus Lyck, Litzmann-Straße 8, am 15. Juni

Küster, Ursula, geb. Kühn, aus Königsberg-Tannenwalde, am 19. Juni

Kuhnert, Margarete, geb. Schirwat, aus Ebenrode, am 13. Juni

Laleike, Johanna-Frieda, geb. Loyall, aus Reinkental, Kreis Treuburg, am 13. Juni

Malessa, Meta, geb. Kallnich, aus Samplatten, Kreis Ortelsburg, am 17. Juni

Steffens, Reinhold, aus Groß Lasken, Kreis Lyck, am 15. Juni

Stiebel, Paul, aus Auersberg, Kreis Lyck, am 14. Juni

Umlandt, Anni, geb. Wohlgemuth, aus Allenburg, Kreis Wehlau, am 19. Juni

ZUM 91. GEBURTSTAG

Aukskell, Franz, aus Klein Fried-richsgraben, Kreis Elchniederung, am 19. Juni

Czerwonka, Ernst, aus Lengau, Kreis Treuburg, am 14. Juni

Gatte, Emmi, geb. Skrotzki, aus Draheim, Kreis Treuburg, am 19. Juni

Geiger, Rotraut, geb. Kessler, aus Mülsen, Kreis Samland, am 17. Juni

Grothholtmann, Elfriede, geb. Vongehr, aus Brittanien, Kreis Elchniederung, am 17. Juni

Kalinowski, Charlotte, geb. Eichler, aus Ortelsburg, am 18. Juni

Kemmesies, Hilde, geb. Kryak, aus Teichwalde, Kreis Treuburg, am 16. Juni

Klein, Bernhard, aus Richau, Kreis Wehlau, am 14. Juni

Kloss, Edeltraut, geb. Malinski, aus Inse, Kreis Elchniederung, am 18. Juni

Kujawa, Käthe, geb. Marzischewski, aus Lyck, Yorkplatz 6, am 14. Juni

Marquart, Käthe, geb. Wagner, aus Reinkental, Kreis Treuburg, am 14. Juni

Paeger, Herta, geb. Tenninger, aus Lauken, Kreis Ebenrode, am 18. Juni

Perkuhn, Lisbeth, geb. Balschus, aus Grenzberg, Kreis Elchniederung, am 16. Juni

Piotrowski, Elfriede, geb. Boll, aus Dietrichsdorf, Kreis Neidenburg, am 19. Juni

Schenk, Siegfried, aus Karkeln, Kreis Elchniederung, am 15. Juni

Schütz, Alfred, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 16. Juni

Vongehr, Günther, aus Brittanien, Kreis Elchniederung, am 17. Juni

ZUM 90. GEBURTSTAG

Aschmann, Günter, aus Wittenberg, Kreis Preußisch-Eylau, am 18. Juni

Berkau, Hans, aus Altkirchen, Kreis Ortelsburg, am 15. Juni

Birth, Georg, aus Hohenfürst, Kreis Heiligenbeil, am 14. Juni

Boczek, Walter, aus Hartigswalde, Kreis Neidenburg, am 16. Juni

Eltzschig, Edith, geb. Schramm, aus Freiort, Kreis Lötzen, am 18. Juni

Enders, Christel, geb. Gampert, aus Lötzen, am 16. Juni

Jordan, Johannes, aus Neidenburg, am 19. Juni

Kibgies, Walter, aus Treuburg, am 18. Juni

Koppel, Ewald, aus Michelsdorf, Kreis Ortelsburg, am 14. Juni

Krüger, Sigrid, aus Königsberg, am 14. Juni

Royla, Erika, geb. Hoppe, aus Lyck, Jorckstraße 19, am 13. Juni

Seifert, Erich, aus Schiewenau, Kreis Wehlau, am 13. Juni

Sobottka, Hans, aus Farienen, Kreis Ortelsburg, am14. Juni

Thiel, Rudolf, aus Lakendorf, Kreis Elchniederung, am 17. Juni

Vogt, Dorothea, geb. Zöllner, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 17. Juni

Wischnewski, Walter, aus Hanffen, Kreis Lötzen, am 18. Juni

ZUM 85. GEBURTSTAG

Ausfelder, Erika, geb. Krohn, aus Dorntal, Kreis Lyck, am 16. Juni

Bleibohm, Erna, geb. Kiauka, aus Trammen, Kreis Elchniederung, am 18. Juni

Bierwag, Eva, geb. Reil, aus Ebenrode, am 17. Juni

Bühler, Hildegard, geb. Brandtner, aus Hochmühlen, Kreis Ebenrode, am 13. Juni

Busch, Erika, geb. Waschulewski, aus Schönhofen, Kreis Treuburg, am 13. Juni

Dehnert, Edith, geb. Wirsching, aus Ströhlen, Kreis Ebenrode, am 16. Juni

Edling, Hildegard, geb. Sanio, aus Berndhöfen, Kreis Lyck, am 15. Juni

Fette, Gretel Erna, geb. Gudlautzki, aus Friedeberg, Kreis Elchniederung, am 19. Juni

Grumann, Anneliese, geb. Reinke, aus Lerchenborn, Kreis Ebenrode, am 14. Juni

Henkel, Margot, geb. Klotzbücher, aus Kinderhausen, Kreis Ebenrode, am 14. Juni

Janz, Helmut, aus Lakendorf, Kreis Elchniederung, am 15. Juni

Jaworin, Lieselotte, geb. Schilm, aus Kulmen, Kreis Hohensalzburg, am 16. Juni

Kunkel, Anneliese, geb. Potreck, aus Bladiau, Kreis Heiligenbeil, am 19. Juni

Laudan, Irmgard, geb. Kohlert, aus Angertal, Kreis Angerburg, am 20. Juni

Lunau, Klaus, aus Ostseebad Cranz, Kreis Samland, am 15. Juni

Mattner, Irmgard, aus Lyck, am 17. Juni

Nowinski, Käthe, geb. Meyer, aus Magdalenz, Kreis Neidenburg, am 13. Juni

Ohloff, Liesbeth, geb. Zander, aus Santopp, Kreis Neidenburg, am 19. Juni

Pietruk, Ulrich, aus Stosnau, Kreis Treuburg, am 18. Juni

Rossmann, Hildegard, geb. Fuchs, aus Stobingen, Kreis Wehlau, am 15. Juni

Scharlowsky, Giesela, aus Altenkirch, Kreis Tilsit-Ragnit, am 18. Juni

Trzaska, Siegfried, aus Groß Schöndamerau, Kreis Ortelsburg, am 15. Juni

Uzkoreit, Traute, geb. Nauwartat, aus Kreuzingen, Kreis Elchniederung, am 18. Juni

Wetterling, Lotte, geb. Chlebusch, aus Wiesengrund, Kreis Lyck, am 13. Juni

Ziedorn, Heinz, aus Gundau, Kreis Wehlau, am 16. Juni

Zins, Rosemarie, aus Nassawen, Kreis Ebenrode, am 15. Juni

ZUM 80. GEBURTSTAG

Demankowski, Ruth, aus Bergenau, Kreis Treuburg, am 16. Juni

Eder, Kurt, aus Göritten, Kreis Ebenrode, am 19. Juni

Friedrich, Margot, geb. Höchst, aus Ebenrode, am 16. Juni

Gelies, Marianne, aus Argendorf, Kreis Elchniederung, am 16. Juni

Grimme, Edeltraud, geb. Szepanek, aus Reuschwerder, Kreis Neidenburg, am 16. Juni

Gruber, Friedel-Karl, aus Bieberswalde, Kreis Wehlau, am 16. Juni

Grünewald, Erika, geb. Czwalina, aus Schönhorst, Kreis Lyck, am 14. Juni

Jablonski, Siegfried, aus Mensguth, Kreis Ortelsburg, am 18. Juni

Jabs, Brunhilde, geb. Kamann, aus Gerhardsweide, Kreis Elchniederung, am 13. Juni

Klemens, Ulrich, aus Ansorge, Kreis Elchniederung, am 15. Juni

Knobloch, Elisabeth, geb. Pedina, aus Kniprode, Kreis Neidenburg, am 19. Juni

Kohl, Waltraut, geb. Mantei, aus Partheinen/Mükühnen, Kreis Heiligenbeil, am 15. Juni

Krell, Ingeburg, geb. Sobotka, aus Kreis Mohrungen, am 15. Juni

Kübeck, Traute, geb. Gentz, aus Kobilinnen, Kreis Lyck, am 14. Juni

Kurfess, Annemarie, geb. Buttgereit, aus Woinassen, Kreis Treuburg, am 19. Juni

Lankat, Günter, aus Wallenrode, Kreis Treuburg, am 16. Juni

Laue, Ingrid, geb. Funk, aus Liebenfelde, Kreis Wehlau, am 19. Juni

Liebich, Annemarie, geb. Rogalsky, aus Merunen, Kreis Treuburg, am 16. Juni

Nikoleit, Dieter-Kurt, aus Herzogskirchen, Kreis Treuburg, am 19. Juni

Nogga, Helmut, aus Starkenberg, Kreis Wehlau, am 17. Juni

Pest, Werner, aus Wirbeln, Kreis Ebenrode, am 14. Juni

Preuß, Heidrun, geb. Nadler, aus Allenburg, Kreis Wehlau, am 14. Juni

Puschwadt, Heinz, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 13. Juni

Raffalsky, Udo, aus Heinrichswalde, Kreis Elchniederung, am 15. Juni

Reul, Gisela, geb. Christoff, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 17. Juni

Sawicka, Ursula, geb. Schulz, aus Halldorf, Kreis Treuburg, am 18. Juni

Schillinger, Ruth, geb. Samorski, aus Groß Schiemanen, Kreis Ortelsburg, am 17. Juni

Schober, Siegfried, aus Kuglacken, Kreis Wehlau, am 19. Juni

Schulz, Dieter, aus Wehlau, am 16. Juni

Sobke, Dietrich, aus Hohenwalde, Kreis Heiligenbeil, am 19. Juni

Traulsen, Irmgard, geb. Hein, aus Ahlgarten, Kreis Elchniederung, am 16. Juni

Wackermann, Ulrich, aus Lyck, am 16. Juni

Witt, Christel, geb. Albat, aus Neuendorf, Kreis Wehlau, am18. Juni

ZUM 75. GEBURTSTAG

Baumgarten, Hans-Jürgen, aus Caspershöfen, Kreis Samland, am 14. Juni

Bielichen, Anni, geb. Schiller, aus Grossdorf, Kreis Neidenburg, am16. Juni

Bittner, Erika, aus Wehlau, am 13. Juni

Eckel, Dorothea, geb. Fuhge, aus Rittergut Gerlachsdorf, Kreis Heiligenbeil, am 17. Juni

Eifler, Herbert, aus Aschpalten, Kreis Elchniederung, am 14. Juni

Fuhge, Bruno, aus Rittergut Gerlachsdorf, Kreis Heiligenbeil, am 17. Juni

Hahnke, Günter, aus Bärwalde, Kreis Samland, am 13. Juni

Hüttner, Else, geb. Saunus, aus Rokitten, Kreis Elchniederung, am 13. Juni

Jaeschke, Winfried, aus Pillkoppen, Kreis Samland, am 15. Juni

Lorenz, Siegfried, aus Roddau Perkuiken, Kreis Wehlau, am 17. Juni

Müller, Dora, geb. Schröder, aus Germau, Kreis Samland, am 18. Juni

Perrey, Erhard Ulrich, aus Scheppendorf, Kreis Ebenrode, am 13. Juni

Stasch, Werner, aus Groß Schiemanen, Kreis Ortelsburg, am 14. Juni

Diamantene Hochzeit

Juhl, Nikolaus, und Sieglinde, geb. Grube, aus Alt Streitswalde, Kreis Heiligenbeil, am 18. Juni


S. 16 Heimatarbeit

Landsmannschaftliche Arbeit

BUND JUNGES OSTPREUSSEN

Vorsitzender: Stefan Hein, Gst.: Buchtstr. 4, 22087 Hamburg, Tel.: (040) 4140080, E-Post: kontakt@junge-ostpreussen.de, www.junge-ostpreu­ssen.de.

Schloss Burg – Sonntag, 5. Juli: Der BJO beteiligt sich am Kleinen Ostpreußen- und Schlesiertreffen auf Schloss Burg an der Wupper. Beginn der Veranstaltung: 10 Uhr, Kundgebung: 14 Uhr. Weitere Informationen: www.ostpreussen-nrw.de. Dort links auf den Button „Ostpreußentreffen“ klicken.

Breslau – 26. September: In der niederschlesischen Stadt Breslau findet dieses Jahr das Kulturfestival der deutschen Minderheit in der Jahrhunderthalle statt. Dieses gibt es nur alle drei Jahre und ist durchaus etwas Besonderes.

Die Stadtfahrt dient dazu, sich gemeinsam einen Eindruck von der Veranstaltung zu verschaffen, und bietet Gelegenheit, die schöne Stadt zu erkunden, und das natürlich nicht nur am Tage. Die Teilnehmer treffen sich in Breslau am Abend des 24. Septembers und reisen am 27. September wieder ab. Der Altersschwerpunkt der Stadtfahrt liegt zwischen 16 und 35 Jahren. Die Einladung mit weiteren Einzelheiten findet sich auf www.junge-ostpreussen.de.

 

BADEN-WÜRTTEMBERG

Vors.: Uta Lüttich, Feuerbacher Weg 108, 70192 Stuttgart, Telefon und Fax (0711) 854093, Geschäftsstelle: Haus der Heimat, Schloßstraße 92, 70176 Stuttgart, Tel. und Fax (0711) 6336980.

Buchen – Sonntag, 21. Juni, 9 Uhr, Haupteingang der Basilika in Walldürn: Teilnahme an der Vertriebenen-Wallfahrt. Weitere Informationen: R. S. Winkler, Telefon (06821) 8137.

Göppingen – Jeweils am ersten Mittwoch im Monat trifft sich um 14 Uhr im Lokal Glashaus, Vordere Karlstraße 41, 73033 Göppingen die Kreisfrauengruppe zu ihren Kulturnachmittagen. Ansprechpartner ist Vera Pallas, Telefon (07162) 5870.

 

BAYERN

Vorsitzender: Friedrich-Wilhelm Böld, Telefon (0821) 517826, Fax (0821) 3451425, Heilig-Grab-Gasse 3, 86150 Augsburg, E-Mail: info@low-bayern.de, Internet: www. low-bayern.de.

Altmühlfranken – Freitag, 19. Juni, Gasthof Krone, Gunzenhausen: Heimatliches Essen: „Pommersche Kartoffelsup“. Anschließend Lesung aus Ernst-Moritz Arndts Reisebericht aus Franken.

Ansbach – Sonnabend, 20. Juni, 14.30 Uhr: Lesung „Prußische Geschichten“ von Heinz Georg Podehl. Erinnerung an unsere Vorfahren und die Namensgeber Preußens.

Bamberg – Mittwoch, 17. Juni, 15 Uhr, Hotel Wilde Rose: „Masuren in den Jahren 1945–1962“ – ein Erlebnisbericht von H. Sakowski.

Landshut – Dienstag, 16. Juni, 14 Uhr, Insel: Zusammenkunft.

Ulm/Neu Ulm – Sonnabend, 13. Juni, 14.30 Uhr, Ulmer Stuben: Monatliches Treffen.

 

BERLIN

Vorsitzender: Rüdiger Jakesch, Geschäftsstelle: Forckenbeck-straße 1, 14199, Berlin, Telefon (030) 2547345, E-Mail: info@bdv-bln.de, Internet: www.ostpreussen-berlin.de. Geschäftszeit: Donnerstag von 14 Uhr bis 16 Uhr Außerhalb der Geschäftszeit: Marianne Becker, Telefon (030) 7712354.

Rastenburg – Sonntag, 14. Juni, 15 Uhr, Restaurant Stammhaus Rohrdamm 24 B, 13629 Berlin: Treffen. Anfragen: Martina Sontag, Telefon (033232) 188826.

Gumbinnen, Johannisburg, Lötzen, Sensburg – Terminänderung: Das gemeinsam Treffen findet nicht am Dienstag, 16. Juni sondern am Dienstag, 23. Juni, um 13 Uhr statt. Ort: Restaurant Dalmata, Albrechtstraße 52, 12167 Berlin. Anfragen Gumbinnen: Joseph Lirche, Telefon (030) 4032681. Johannisburg und Sensburg: Andreas Maziul, Telefon (030) 5429917, Lötzen: Gabriele Reiß, (030) 75635633.

 

HAMBURG

Erster Vorsitzender: Hartmut Klingbeutel, Haus der Heimat, Teilfeld 8, 20459 Hamburg, Tel.: (040) 444993, Mobiltelefon (0170) 3102815. 2. Vorsitzender: Manfred Samel, Friedrich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg, Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

KREISGRUPPEN

Insterburg, Sensburg – Die Heimatkreisgruppe trifft sich jeden ersten Mittwoch im Monat (außer im Januar und im Juli) zum Singen und einem kulturellem Programm um 12 Uhr, Hotel Zum Zeppelin, Frohmestraße 123–125. Kontakt: Manfred Samel, Fried-rich-Ebert-Straße 69b, 22459 Hamburg. Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

Heiligenbeil – Sonnabend, 13. Juni. 14 Uhr, AWO-Seniorentreff, Bauerbergweg 7: Gemeinsames Treffen. Es gibt Kaffee, Kuchen und dem Filmvortrag „65 Jahre Landsmannschaft Ostpreußen – Landesgruppe Hamburg“. Der Kostenbeitrag liegt bei 5 Euro. Sie erreichen den Seniorentreff mit der Buslinie 116 (Haltestelle Bauerberg) von den U-Bahnstationen Hammer Kirche, Billstedt oder Wandsbek-Markt aus. Von der Haltestelle Bauerberg sind es noch zwei Gehminuten bis zum Seniorentreff. Weitere Informationen: Konrad Wien, Telefon (040) 32049041.

Osterode – Sonnabend, 20. Juni, 14 Uhr. Magnolienzimmer, Restaurant Ribling (früher Krohn), Fuhlsbüttler Str. 755, Hamburg-Ohlsdorf: Sommerfest. Das Restaurant liegt unmittelbar am U/S-Bahn-Ausgang Fuhlsbüttler Straße. Der Nachmittag beginnt mit einer gemeinsamen Kaffeetafel. Den herannahenden Sommer begrüßen wir mit Liedern und Geschichten.

 

HESSEN

Vorsitzender: Eberhard Traum, Wächtersbacherstraße 33, 63636 Brachtal, Telefon (06053) 708612.

Wiesbaden – Sonnabend, 27. Juni, 15 Uhr, Großer Saal, Haus der Heimat, Friedrichstraße 35, Wiesbaden: Monatstreffen. Zu sehen ist ein Film über Königin Luise, einer Frau, die Spuren in der Geschichte hinterließ und oftmals als die populärste Frau der preußischen Geschichte und als herausragende Persönlichkeit der Hohenzollerndynastie bezeichnet wird.

– Bericht –

Aus mehr als 60 Preußenkehlen erklang das Lied „Der Winter ist vergangen, ich seh des Maien Schein“, um so den wohl schönsten Monat des Jahres zu begrüßen. Und mit viel Gesang ging es beim Monatstreffen unter der Überschrift „Wie lieblich ist der Maien“ auch weiter. Lieder, die sich um den Frühling und die Maienzeit rankten, wurden angestimmt; hinzu gesellte sich der Frauenchor mit „Nun will der Lenz uns grüßen“ und „Der Frühling hat sich eingestellt“ sowie zwei weiteren Volksweisen.

Zwischen den Gesängen erfreuten Helga Kukwa und Lieselotte Paul die Besucher mit Geschichten und Gedichten und zeichneten so ein Bild von der lieblichen Jahreszeit. Es ging um Veilchen-träume, Birkenbäumchen, den Kuckuck, die Störche und den Gesang der Amseln und auch um Omas Maienbaum und das erheiternde „Liebesgeflüster in Insterburg“. Zum Schmunzeln das Gedicht von Joachim Ringelnatz „Arm Kräutchen Sauerampfer“, das auf dem Damm zwischen den Bahngeleisen stand, „sah Eisenbahn um Eisenbahn, sah niemals einen Dampfer“. Ebenso humorvoll Lieselotte Pauls Beitrag „Der Friehling is da“ mit der Behauptung: „keiner kommt herum, sich beim Friehlingsbutschen zu enthalten.“ Zuvor hatte sie von den beiden Stiefmütterchen Anne und Liese erzählt, die der Klatschmohn beim angeregten Tratschen beobachtete, ... „aber dann kam die Kuh und fraß sie auf!“

Zu den ersten Frühlingskindern in der Heimat gehörte das Leberblümchen, dem Frost und Wind nichts anhaben konnten. Die ostpreußische Schriftstellerin Ruth Geede bezeichnet die blauen Blumenteppiche in der Frühlingssonne als „eine nordische Symphonie in Blau, die für alle unvergessen bleibt, wer sie einmal erlebt hat.“ Als typisch für heimatliche Gegenden nannte Helga Kukwa das Marienblatt, oder „Marjeblattche“, wie die Ostpreußen zu sagen pflegten. In jedem Bauerngarten war es damals zu finden und galt wegen seiner heilenden Wirkung als kleine Hausapotheke. Man weiß, dass schon die englische Königin Elisabeth I. das Marienblatt als aromatisierendes und desinfizierendes Mittel in Kleider- und Wäscheschränke legen ließ – und sogar den Fußboden damit bestreute.

Nach all den erfreuenden Beiträgen fiel es den Besuchern nicht schwer, beherzt in das Schlusslied einzustimmen „Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus“.

 

NIEDERSACHSEN

Vorsitzende: Dr. Barbara Loeffke, Alter Hessenweg 13, 21335 Lüneburg, Telefon (04131) 42684. Schriftführer und Schatzmeister: Gerhard Schulz, Bahnhofstraße 30b, 31275 Lehrte, Telefon (05132) 4920. Bezirksgruppe Lüneburg: Manfred Kirrinnis, Wittinger Straße 122, 29223 Celle, Telefon (05141) 931770. Bezirksgruppe Braunschweig: Fritz Folger, Sommerlust 26, 38118 Braunschweig, Telefon (0531) 2 509377. Bezirksgruppe Weser-Ems: Otto v. Below, Neuen Kamp 22, 49584 Fürstenau, Telefon (05901) 2968.

Osnabrück – Donnerstag, 25. Juni, 15 Uhr, Gaststätte Bürgerbräu, Blumenhaller Weg 43: Literaturkreis – Dienstag, 30. Juni, 16.30 Uhr, Hotel „Ibis“, Blumenhaller Weg 152: Kegeln.

 

NORDRHEIN-WESTFALEN

Vorsitzender: Jürgen Zauner, Geschäftsstelle: Buchenring 21, 59929 Brilon, Tel. (02964) 1037, Fax (02964) 945459, E-Mail: Geschaeft@Ostpreussen-NRW.de, Internet: www.Ostpreussen-NRW.de

Landesgruppe – In diesem Jahr findet an der Gedenkstätte des Deutschen Ostens auf Schloß Burg eine Kulturveranstaltung der Landsmannschaften Ostpreußen und Schlesien, Landesgruppen Nordrhein-Westfalen, statt. Wir wünschen uns, dass wir am 5. Juli ab 11 Uhr (Zeit zum Plachandern) recht viele Landsleute und Gäste auf unserem „Kleinen Ostpreußen-/Schlesiertreffen“ begrüßen können. Wie schon in den vergangenen Jahren besteht die Veranstaltung aus einem offiziellen (Beginn: 14 Uhr) und einem unterhaltsamen Teil. Zu Beginn läuten die Glocken aus Königsberg und Breslau. Wir gedenken unserer Toten und hören das Trompetensolo „Ich hatt’ einen Kameraden“ (Trompeter F. Braun). Dr. T. N. Körfer von der Agmo e.V. wird die Ansprache halten. Dr. B. Beutner führt Sie durch die Veranstaltung. Für das leibliche Wohl sorgen die Damen verschiedener Gruppen mit Spezialitäten. Zahlreiches Erscheinen ist der Lohn für die Veranstalter mit ihren ehrenamtlich Mitwirkenden.

Bonn – Dienstag, 23. Juni, 14 Uhr, Nachbarschaftszentrum Brüser Berg, Fahrenheitstraße 49: Treffen des Frauenkreises.

Düsseldorf – Jeden Mittwoch, 18.30 Uhr, Eichendorff-Saal, Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus (GHH), Bismarckstraße 90: Chorprobe der Düsseldorfer Chorgemeinschaft „Ostpreußen-Westpreußen-Sudetenland“ unter Leitung von Radostina Hristova. – Montag, 15. Juni, 19 Uhr, Raum 412, GHH: „Stalin und der große Vaterländische Krieg“ – Vortrag von Professor Stefan Creuzberger. – Donnerstag, 25. Juni, 19.30 Uhr, Raum 412, GHH: Offenes Singen mit Barbara Schoch.

Ennepetal – Donnerstag, 18. Juni, 16 Uhr, Heimatstube, Kirchstraße 52: Monatsversammlung.

Köln – Dienstag, 16. Juni, 14.30 Uhr, Bürgerzentrum Köln-Deutz, Tempelstraße 41–43: Monatliche Versammlung der Ostpreußenrunde. Ein zusätzlicher Hinweis: In unserem Versammlungsraum gab es einen größeren Wasserschaden. Momentan ist noch nicht abzuschätzen, ob dieser bis zum 16. Juni behoben sein wird. In dem Fall treffen wir uns eine Etage höher im großen Saal.

Neuss – Donnerstag, 2. Juli, 15 Uhr, Ostdeutsche Heimatstube, Oberstraße 17: Tag der offenen Tür mit Kaffee und Kuchen.

Siegen – Die Frauengruppe der Ost- und Westpreußen trifft sich an jedem dritten Dienstag im Monat um 14 Uhr im barrierefreien Café Patmos in Siegen-Geisweid in der Sohlbacher Straße.

Witten – Montag, 15. Juni, 15 Uhr, Versammlungsraum, evangelisch-lutherische Kreuzgemeinde, Lutherstraße 6–10: Ostpreußische Kaffeetafel. Thema: Der Aufstand in der DDR 1953.

 

RHEINLAND-PFALZ

Vors.: Dr. Wolfgang Thüne, Wormser Straße 22, 55276 Oppenheim.

Mainz – Jeden Freitag, 13 Uhr, Café Oase, Schönbornstraße 16: Kartenspielen. – Jeder vierte Dienstag im Monat, 15 Uhr, Mundus Residenz, Große Bleiche 44: Heimatliche Gesprächsrunde. – Donnerstag, 21. Juni, 13.30 Uhr, Haupteingang des Hauptbahnhofes: Fahrt mit dem Zug nach Bad Münster am Stein/Ebernburg. Besuch des Weingutes Rapp.

 

SACHSEN-ANHALT

Vors.: Michael Gründling, Große Bauhausstraße 1, 06108 Halle, Telefon privat (0345) 2080680.

Gardelegen – Freitag, 26. Juni, 14 Uhr: Begegnungsstätte der VS Gardelegen: Gemeinsames Treffen.

Magdeburg – Dienstag, 30. Juni, 13 Uhr, Immermannstraße: Treffen der Stickerchen.

 

SCHLESWIG-HOLSTEIN

Vors.: Edmund Ferner. Geschäftsstelle: Telefon (0431) 554758, Wilhelminenstr. 47/49, 24103 Kiel.

Landesgruppe – Sonntag, 21. Juni, 10 Uhr, Haus der Heimat, Kiel: Vertreterversammlung der Landesgruppe Schleswig-Holstein. Die Tagesordnung:

1. Begrüßung und Eröffnung durch den Landesvorsitzenden Edmund Ferner, 2. Totenehrung durch Herrn Gawehns, 3. Grußworte, 4. Ehrung, 5. Feststellung der Ordnungsmäßigkeit der Einladung, 6. Genehmigung des Protokolls der Vertreterversammlung vom 15. Juni 2014, 7. Bericht des Landesvorsitzenden, zugleich in der Funktion des Kulturreferenten, Herr Ferner, 8. Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2014 (Frau Beyer), 9. Entgegennahme des Kassenprüfungsberichtes, 10. Entlastung des Vorstands und der Kassenführung, 11. Genehmigung des Haushaltsplans für 2015 (Frau Beyer), 12. Vortrag von Edmund Ferner zum Thema „66 Jahre Bundesrepublik Deutschland (Was ist unser Vaterland?)“. 13. Mittagspause (circa 13 Uhr), 14. Vortrag: „Agnes Miegels Leben und Schaffen“ von Frau von Vogel, der zweiten Vorsitzenden der Agnes-Miegel-Gesellschaft), 15. Aussprache, 16. Kaffeepause, 17. Anträge, 18. Verschiedenes, 19. Die Vertreterversammlung schließt mit dem Ostpreußenlied.

Mölln – Mittwoch, 24, Juni, 17 Uhr, Quellenhof: Traditionelles Matjesessen. Davor wird der Landesvorsitzende Herr Ferner einen Dia- Video Vortrag über seine Reise nach Frankreich halten. Eingehen wird er auf die vielen französische Worte in der deutschen Sprache, den Lebensstil und natürlich das Essen. Anmeldung zum Essen unter Telefon (04542) 5044 bei Herrn Schumacher. Auch die Landsleute aus Pommern, Danzig, Schlesien, Mölln, Freunde und Bekannte sind recht herzlich eingeladen.

Neumünster – Sonnabend, 13. Juni, 15 Uhr, Restaurant am Kantplatz: Mitarbeiterversammlung. – Mittwoch, 8. Juli, 15 Uhr, Restaurant am Kantplatz: Mitgliederversammlung, Das Thema: „Ostpreußische Sprachkultur – so schabberten wir to Hus!“ Ein typisch ostpreußischer Nachmittag. Gäste sind willkommen!

– Bericht –

Die Zusammensetzung des Vorstandes wurde bei der Jahreshauptversammlung neu beschlossen: Erste Vorsitzende, Kulturwartin und Schriftführerin ist Brigitte Profè. Das Amt der Kassenwartin übernimmt Elfie Borowski. Ihre Stellvertreterin ist Hildegard Henning. Erste Beisitzerin ist Elfriede Schink. Zum zweiten Beisitzer wurde Horst Lessing gewählt.

Pinneberg – Sonnabend, 28. Juni, 15 Uhr: Sommerfreuden, Lieder und Gereimtes. Anmeldungen bis spätestens vier Tage vorher, Telefon (04101) 62667


S. 17-18 Heimatarbeit

Aus den Heimatkreisen

ALLENSTEIN STADT

Kreisvertreter: Gottfried Hufenbach, Danziger Str. 12, 53340 Meckenheim. Geschäftsstelle: Stadtgemeinschaft Allenstein, Vattmannstraße 11, 45879 Gelsenkirchen, Telefon (0209) 29131 und Fax (0209) 4084891, E-Mail: Stadt-Allenstein@t-online.de

Die Satzung der Stadtgemeinschaft Allenstein e.V. begrenzt die Amtszeit der Stadtvertreter auf vier Jahre. Da die letzte Wahl im Jahre 2011 erfolgte, sind im Jahre 2015 Neuwahlen erforderlich.

Entsprechend der Wahlordnung rufen wir alle Mitglieder der Stadtgemeinschaft zur Wahl der Stadtvertreter auf. Als Mitglieder der Stadtgemeinschaft gelten gebürtige Allensteiner und frühere Bewohner der Stadt Allenstein, ihre Ehegatten und Nachkommen sowie diejenigen, die sich unserer Heimatstadt und der Stadtgemeinschaft besonders verbunden fühlen. Die Mitgliedschaft entsteht durch Aufnahme in die Allensteiner Heimatkartei und kann durch Anmeldung oder eine dieser gleich zu setzenden Erklärung, wie die Beteiligung an der Wahl der Stadtversammlung, erfolgen. Jedes Mitglied der Stadtgemeinschaft ist wahlberechtigt und auch wählbar.

Die Wahl muss schriftlich erfolgen. Die Wahl ist gültig, wenn nicht mehr als zehn Stadtvertreter gewählt werden. Der Wahlbrief muss bis zum 30. Juni bei der Stadtgemeinschaft Allenstein e.V., Wahlausschuss, Vattmannstraße 11, 45879 Gelsenkirchen, eingegangen sein. Auf dem Umschlag sind Name und Anschrift des Wählers anzugeben.

Folgende Mitglieder unserer Stadtgemeinschaft haben sich bereit erklärt, für die Wahl zum Stadtvertreter zu kandidieren: Christel Becker, Hanna Bleck, Stefan Hein, Dr. Peter Herrmann, Gottfried Hufenbach, Artur Korczak, Reinhold Krause, Bruno Mischke, Thomas Nowack, Kristine Plocharski, Felix Poschmann. Der Allensteiner Heimatbrief Nr. 259 enthält einen Wahlschein mit den angegebenen Namen. Jedem Wähler ist es jedoch freigestellt, weitere Kandidaten zu benennen, sofern er nicht mehr als zehn Kandidaten wählt.

Der Wahlausschuss der Stadtgemeinschaft Allenstein e.V.

Hanna Bleck, Wahlleiterin, Eve Hufenbach, Beisitzerin, Bruno Mischke, Beisitzer

 

GERDAUEN

Kreisvertreter: Walter Mogk, Am Eichengrund 1f, , 39629 Bismark (Altmark), Telefon (0151) 12 30 53 77, Fax (03 90 00) 5 13 17. Gst.: Doris Biewald, Blümnerstraße 32, 04229 Leipzig, Telefon (0341) 9600987, E-Mail: geschaeftsstelle@ kreis-gerdauen.de.

Nach einem langen und erfüllten Leben verstarb am 23. April in Reutlingen unser Heimatfreund Heinz Possekel. Er wurde am 21. Mai 1929 in Reuschenfeld, Kreis Gerdauen, geboren. Seine Eltern Otto Possekel und Gertrud, geborene Groneberg, hatten in Reuschenfeld eine Gastwirtschaft mit Lebensmittelladen.

Er besuchte von 1935 bis 1939 die Volksschule in Reuschenfeld und wechselte mit dem fünften Schuljahr auf die Mittelschule in Nordenburg. Diese besuchte er bis zur Flucht im Januar 1945. Sein Weg in den Westen führte über Pillau nach Holstein.

Nach der Flucht wohnte Heinz Possekel in Wietze, Hamburg und Blunk. 1952 gründete er seine Familie und zog nach Reutlingen, wo er bis zuletzt lebte.

Bis er 1956 sein berufliches Standbein als Außendienstler (Handelsvertreter) fand, hatte er die verschiedensten Tätigkeiten ausgeübt. So war er unter anderem als Bohrarbeiter, Gatterfahrer, Knecht, Kraftfahrer, Steinbrucharbeiter, Bauhilfsarbeiter, Weber beschäftigt.

Bereits 1947, also zwei Jahre nach Kriegsende, fand das erste Reuschenfelder Treffen in Hamburg statt. Hier traf er „seine“ Reuschenfelder und hielt danach Kontakt mit ihnen. 1995, nach einer langen Pause, war Heinz Possekel der Initiator und Organisator für das Reuschenfelder Ortstreffen in Lügde. Seit dieser Zeit trafen sich die ehemaligen Reuschenfelder und deren Nachkommen jährlich bei einem mehrtägigen Treffen, an dem auch die Landsleute aus Mitteldeutschland rege teilnahmen. Die ersten Treffen waren in Lügde, und ab 1999 trafen sie sich in Kleingera (Vogtland).

Heinz Possekel war seit den Anfängen der Heimatkreisgemeinschaft Gerdauen Mitglied und nahm regelmäßig an den Heimatkreistreffen teil. Mit seinem Wissen um die ostpreußische Heimat bereicherte er jedes Heimatkreis- und auch Reuschenfelder Treffen. Die Liebe zu seiner ostpreußischen Heimat war die Triebfeder für seine Forschungen, er sammelte alles, was mit dem Kreis Gerdauen zusammenhing und betrieb über die Gemeinden Reuschenfeld, Raudischken, Klein Trakehnen und Nordenburg je eine Webseite. Wenn man als Nachfahre etwas über den Kreis Gerdauen wissen wollte, dann konnte man sich jederzeit an ihn wenden und bekam prompt eine umfangreiche detaillierte Auskunft.

Er war Kirchspielvertreter für Nordenburg. In der Zeit vom 2. September 1995 bis zum 14. April 2002 betreute er die Gemeinden Reuschenfeld und Raudischken.

Für diese heimatpolitische Arbeit erhielt Heinz Possekel am 2. September 1995 die Treueurkunde, die Verdiensturkunde am 20. September 1997 und am 31. August 2001 das Ehrenzeichen in Silber der Landsmannschaft Ostpreußen. Am 16. August 2012 wurde ihm die Ehrennadel in Silber der Heimatkreisgemeinschaft Gerdauen überreicht. Ostpreußen besuchte er bereits 1975 zum ersten Mal und seitdem war er mehrmals in Ostpreußen. Viele Bilder und Videofilme geben darüber Auskunft. Für den Heimatbrief „Kreis Gerdauen“ schrieb er auch viele Beiträge. Dies alles hat dazu beigetragen, das Wissen um die Heimat und die Bindung an die Heimat zu vertiefen. Denn: „Man kann die Menschen aus ihrer Heimat vertreiben, aber nicht die Heimat aus den Menschen.“

Nun müssen wir von Heinz Possekel Abschied nehmen. Wir trauern mit seiner Familie um einen treuen und zuverlässigen ostpreußischen Landsmann. Die Reuschenfelder werden ihn besonders vermissen.

Kreisausschuss der Heimatkreisgemeinschaft Gerdauen e.V., Brigitte Havertz

22. bis 25. Juni: Ortstreffen Skandau, Sillginnen, Solknick (auch Landsleute aus dem übrigen Kirchspiel Laggarben willkommen) im Ostheim.

 

GOLDAP

Kreisvertreter: Stephan Grigat, Telefon (05231) 37146, Fax (05231) 24820, Heidentalstraße 83, 32760 Detmold. Geschäftsstelle: Annelies Trucewitz, Hohenfelde 37, 21720 Mittelnkirchen, Telefon (04142) 3552, Telefax (04142) 812065, E-Mail: museum@goldap.de. Internet: www.goldap.de.

Nach mehreren Verzögerungen ist es jetzt in einer Gemeinschaftsarbeit der Autoren Annelies und Gerhard Trucewitz, Brigitte Karow und Mark Oberüber gelungen, eine Dokumentation der gesamten südlichen Stadt Goldap und den zur Neuen Kirche gehörenden Dörfer zu erstellen. Der „Ortsatlas des Kirchspiels Neue Kirche Goldap Kreis Goldap, Ostpreußen“ (ISBN: 978-3-9815253-4-2), herausgegeben von der Kreisgemeinschaft Goldap enthält: Eine Chronik der Stadt Goldap von der Gründung bis heute in Form einer Zeittafel. (Dr. C.B. Fiedler/Truc.), eine Kirchenchronik, eine Kirchspielchronik, Angaben zu Infrastrukturen, Zeitzeugenberichte, Erinnerungen und ausführliche Fotodokumentationen für jedes Dorf und die südliche Stadt Goldap. Dazu einen alphabetischen Namensindex.

Der Erste und Zweite Weltkrieg und seine Auswirkungen im Bereich des Kirchspiels Neue Kirche und der Stadt ist unter anderem mit Gemeindeschicksalsberichten und Luftbildaufnahmen der Luftwaffe von 1944/45 dokumentiert. Farbfotoseiten aus heutiger Zeit, Quellen- und Literaturnachweis mit Erklärung von Begriffen vervollständigen die Dokumentation.

Die dokumentierten Gemeinden dieses Buches sind: Goldap südliche Stadt mit den Siedlungen und Stadtgütern Rosteck (Schöneberg), Abrahamsruh, Kleeberg, und Wilhelmsberg, sowie die Dörfer Amberg, Czerwonnen/Rotenau, Friedrichowen /Friedrichau, Gr. Wronken/Winterberg, Jeblonsken/Urbansdorf, Johannisberg, Kosmeden, Morathen /Bergesruh, Pietraschen /Rauental, Skötschen/Grönfleet und Sutzken/Hitlershöhe.

Weiter Informationen: Patenschaftsmuseum Goldap in Ostpreußen, Harsefelder Straße 44 a, 21680 Stade, Telefon (04142) 3552 oder (04141) 7977537. Öffnungszeiten: Jeden Mittwoch von 13 bis 16.30 Uhr.

 

GUMBINNEN

Kreisvertreterin: Karin Banse, Wiesengrund 9, 29559 Wrestedt, OT Wieren, Telefon (05825) 642, E-Mail: karin.banse@t-online.de, Internet: www.kreis-gumbinnen.de.

Zu beiden gesamtdeutschen Heimattreffen des ehemaligen Regierungsbezirkes Gumbinnen im Spornitzer Landhotel erschienen erfreulicherweise sehr viele Landsleute. Während es am 15. November 2014 66 Teilnehmer waren, übertraf das letzte Treffen am 14. März diese Zahl mit 94 Angereisten, was besonders erfreulich ist, ist es doch ein Ausdruck ungebrochenen Willens, die Heimat nie zu vergessen, und zum anderen auch in Anbetracht der zunehmenden Alterung der Teilnehmer hoch einzuschätzen.

Das Durchschnittsalter der Teilnehmer beider Treffen ließ sich mit 76 Jahren errechnen, wobei der älteste 92 der jüngste 63 Jahre alt war. Unter ihnen waren beim letzten Treffen eine gebürtige Gumbinnerin aus der Brunnenstraße 3, die es durch die Flucht nach Graal-Müritz verschlug. Aus dem Kreis Gumbinnen wurden 22 und aus dem Regierungsbezirk Gumbinnen 23 Teilnehmer ermittelt. Der Rest war aus dem übrigen Ostpreußen. Zu erwähnen sind auch Vertriebene aus Schlesien und Böhmen.

Auf dem am 14. März stattgefundenen Treffen stimmte der Bläserchor der Parchimer Georg Kirche unter der Leitung von Kantor Abs zu Beginn der Veranstaltung mit einem selbstgewählten Musikstück auf den Tag ein. Dr. Hahn begrüßte die Anwesenden, unter ihnen als Ehrengäste die neu gewählte Vorsitzende des Vorstandes der Kreisgemeinschaft Gumbinnen, Karin Banse, und Propst Labesius sowie Vertreter anderer ostpreußischer Kreisgemeinschaften.

Herr Buchholz, vielen Teilnehmern durch sein Buch „Iwan, das Panjepferd ...“ bekannt, musste von seiner zunächst geplanten Teilnahme am Treffen bedauerlicherweise aus gesundheitlichen Gründen Abstand nehmen.

Es wurden Grüße Verhinderter ausgerichtet und durch eine Schweigeminute stehend der Verstorbenen des letzten Jahres gedacht. Dann sangen alle Anwesenden auch das Deutschlandlied und die fünf Strophen des Ostpreußenliedes, wozu die Bläser musikalisch begleiteten. Die Veranstaltung bekam hierdurch einen würdigen Rahmen.

Mit einem Grußwort unserer Vorsitzenden des Vorstandes der Kreisgemeinschaft Gumbinnen, Karin Banse, an die Anwesenden wurde das Programm eröffnet.

Propst Labesius hielt freundlicherweise eine Kurzandacht mit verbindenden Worten zu diesem Treffen. Die Teilnehmer gestalteten das Vormittagsprogramm wie üblich selbst. Die Beiträge waren zumeist humorvoller Art. Ihnen lagen zumeist Erlebnisse, also Zugetragenes in der Heimat, zugrunde. Hieran beteiligten sich nicht nur Landsleute der Gumbinner Kreisgemeinschaft. Es waren auch Insterburger, Danziger und Memelländer unter ihnen.

Frau Hartig, Vertreterin der Insterburger, wirkte sehr aktiv mit und lud zu einer Ostpreußenreise (Insterburg, Gumbinnen, Königsberg) vom 10. bis 16. August ein. Landsmann Block, als Vertreter der Memelländer, übergab Dr. Hahn einen Bericht über das Memelgebiet nach dem Ersten Weltkrieg, der einem einen guten Einblick in die damaligen Verhältnisse verschafft.

Die Beiträge wechselten sich mit von den Bläsern gespielten Heimatliedern ab. Auch wurde der Marsch „Preußens Gloria“ gespielt. Unser Landsmann Paul Wohlgemuth hielt die Veranstaltung, wie immer, im Bild fest. Er fotografierte viel.

Die Veranstaltung verlief sehr gut. Sie endete gegen 12 Uhr. Ein schmackhaftes Essen wartete schon, und es gab zugleich Gelegenheit, sich über dieses und jenes noch zu unterhalten.

Nach dem Mittagessen, gegen 13 Uhr zeigte Dr. Hahn noch den Film „Ostpreußen – Deutsche Landschaften bis 1945“.

Hieran zeigten die Danziger noch einen Film über das einmalig schöne Danzig.

Man verabschiedete sich. Das nächste Treffen wurde für den 14. November im gleichen Hotel vereinbart. Friedel Hahn

 

HEILSBERG

Kreisvertreter: Erwin Popien, Eichendorffstraße 30, 41564 Kaarst, Telefon (02131) 62403, E-Mail:

erwiniptus@aol.com.

26. bis 27. Juni, Werlte: Heimattreffen und Feier zur 60-jährigen Patenschaft mit dem Landkreis Emsland.

 

INSTERBURG − Stadt und Land

Vorsitzender Stadt & Land: Reiner Buslaps, Am Berg 4, 35510 Butzbach-Kirch-Göns, Tel.: (06033) 66228, Fax (03222) 3721953, E-Mail: R.Buslaps@t-online.de. Kreisgemeinschaft Insterburg Stadt & Land e. V., Geschäftsstelle, Am Marktplatz 10, 47829 Krefeld, Postfach 111 208, 47813 Krefeld, Tel.: (02151) 48991, Fax (02151) 491141, E-Mail: info@insterburger.de, Internet: www.insterburger.de, Bürozeiten: Montag – Freitag von 8 bis 12 Uhr.

Am Mittwoch, 13. Mai, reisten die Teilnehmer mit Bahn und Pkw an. Wie immer war die Wiedersehensfreude auch bei diesem 5. Schwägerauer Treffen im thüringischen Schmalkalden groß. Nachdem uns Siegfried Schulz herzlich begrüßt hatte, gedachten wir unserer lieben Schwägerauerin Irmgard Lott, die bei unserem letzten Treffen noch unter uns weilte. Sie verstarb plötzlich und unerwartet. Wir werden Sie als starke Persönlichkeit in Erinnerung behalten. Vorbildlich für uns war ihr fester Glaube und ihre Treue zur Heimat. Den ersten Tag schlossen wir mit einem gemeinsamen Abendessen und Gesang ab.

Nach dem Frühstück am Donnerstag las Heinz Fischer passagenweise aus dem Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland (Zwei-Plus-Vier-Vertrag) vom 12. September 1990 vor. Der Vertrag bietet viel Zündstoff für heiße Dis-kussionen. Seine Auslegungsmöglichkeiten sind unterschiedlich besonders im Hinblick auf unsere Heimat und auch die Heimat vieler, vieler anderer Vertriebener. Einen tut uns alle unser gemeinsames Schicksal, der Verlust der Heimat. Die Diskussion erstreckte sich über die UN-Feindstaatenklausel (Artikel 53, 107 und 77) bis hin zu den Fragen in Bezug auf erforderliche Friedensverträge nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Sicher ist, dass der Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland die Wiedervereinigung beider deutscher Staaten ermöglichte. Ob er aber letztlich auch friedensvertraglich erforderliche Regelungen voll miteinschließt, ist unter anwendungs- und ausführungspraktischen Gesichtspunkten bis jetzt noch nicht abschließend von den damit verantwortlichen Beschäftigten zu beantworten.

Am Nachmittag erlebten wir eine Ton-Bild-Schau (vorgeführt von Siegfried) über Insterburg, die die Situation dieser damals sehr schönen Stadt, vor 1945 und jetzt aufzeigt. Unfassbar war der Vergleich. Tiefe Ergriffenheit löste der Film unter den Anwesenden aus. Wie stets klang der Tag in einem gemütlichen Miteinander und mit Gesang aus.

Der Freitag war dann dem Besuch der Thüringer Landesgartenschau in Schmalkalden vorbehalten. Es wurde ein sonniger erlebnisreicher Tag mit vielen schönen Eindrücken. Trotz gewisser Erschöpfungserscheinungen beendeten wir nach dem Abendessen den Tag noch mit Spaziergang, Plausch und Gedankenaustausch.

Am Sonnabend zeigte uns Siegfried in einer Bilderschau unseren Heimatort Schwägerau in der Zeit vor 1945 sowie Aufnahmen seiner Reisen von 1994 und 2009. Wie immer wurden erwartungsgemäß viele Erinnerungen geweckt. In der anschließenden Debatte über Flucht und Vertreibung, über Opfer von Gewalt und Verbrechen, diskutierten wir vorrangig die Frage: Wo eigentlich die Denkmäler seien für die unbekannten Zivilisten in aller Welt, die in Kriegen hingerichtet, gemeuchelt, umgekommen sind. Erinnerungsstätten für Frauen, Kinder und unschuldige Menschen. Ihrer wird nicht gedacht. Auch nicht der Opfer aus Flucht und Vertreibung.

In diesem Zusammenhang wurde daran erinnert, dass wir, die wir in Ostpreußen geboren wurden, mit denen, die nach Flucht und Vertreibung zur Welt kamen eines eint: „Der Begriff Heimat“. Heimat ist untrennbar, ist im Herzen, ist Verantwortung und Verpflichtung zugleich. Mit letzterem sollten Politiker und Historiker sich vermehrt auseinandersetzen. Es sollte endlich gehandelt werden in Bezug auf den Kampf für das Recht auf Heimat.

Der bayerische Vertriebenen- Gedenktag steht unter dem Motto „Nie wieder“. Heinz Fischer hat uns den Artikel zu diesem Thema aus dem „Bayern Kurier“ vom 20. September 2014 vorgelesen. Ein Auszug daraus: „Der Mut dieser drei Bundesländer – Bayern, Sachsen, Hessen – dieses Zeichen zu setzen, habe nun dazu geführt, dass auch die Bundesregierung endlich dem Drängen nach einem bundesweiten Vertriebenen-Gedenkens nachgab. Vom nächsten Jahr an soll es stets am 20. Juli, dem Weltflüchtlingstag der UNO, durchgeführt werden.“

Wir möchten nicht unerwähnt lassen, dass uns der Aufenthalt im Hotel „Jägerklause“ in Schmalkalden sehr gefallen hat. Für die Gastfreundschaft und den Service möchten wir uns beim gesamten Personal herzlich bedanken und unseren nächsten Besuch im Jahre 2016 schon heute ankündigen. Zur Verabschiedung am folgenden Morgen waren wir uns alle einig: Eines eint uns in unseren Gefühlen: Die Liebe zu unserer verlorenen Heimat, die tiefe Verbundenheit zu ihr.

Heinz Fischer und Siegfried Schulz

22. Juni, Bad Pyrmont: Treffen der Seniorenfreizeit der Heimatgruppe Darmstadt und der Kirchspielgemeinde Puschdorf. Weitere Informationen: Werner Kleist, Telefon (05351) 41770.

 

LABIAU

Kreisvertreterin: Brigitte Stramm, Hoper Straße 16, 25693 St. Michaelisdonn/Holstein, Telefon (04853) 562. info­@stramm­verlag. de, Internet: www.labiau.de.

20. Juni, Leipzig: 3. Regionaltreffen der Kreisgemeinschaften Labiau, Königsberg-Land, Fischhausen und Wehlau in der Gaststätte „Seilbahn“, Max-Liebermann-Straße 91. Beginn: 10 Uhr. Weitere Informationen: Eberhard Grashoff, Telefon (0341) 9010730.

 

LÖTZEN

Kreisvertreter: Dieter Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg. Geschäftsstelle: Ute Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg, Telefon (040) 6083003, Fax: (040) 60890478, E-Mail: KGL.Archiv@gmx.de

Sonnabend, 20. Juni 2015: Das Lötzener Museum in der Patenstadt Neumünster, Sudetenlandstr. 18 H (Böcklersiedlung) hat zwischen 10 und 15.30 Uhr geöffnet. Besucher sind herzlich eingeladen, die Sonderausstellung „Die Kurische Nehrung mit Maleraugen gesehen“ zu besuchen. Ausgestellt sind Bilder von Künstlern, die vor 1944 auf der Nehrung gemalt haben und Werke von Hobby-Malern, die im vergangenen Sommer in Nidden entstanden. Sie ergeben zusammen ein Bild von der Nehrung wie sie war und wie sie ist. – Um 15.30 Uhr Beginn des Vortrags „Die Kurische Nehrung im Spiegel von Reiseführern und literarischen Texten“. Ute Eichler stellt diese besondere Landschaft vor. Der Eintritt ist frei.

In der Woche vor Pfingsten wurde termingerecht der Lötzener Heimatbrief Ausgabe Nr. 117/Mai 2015 ausgeliefert. Wieder ist es inhaltlich eine Ausgabe mit Familiennachrichten, mit Informationen zur Arbeit der Kreisgemeinschaft und Berichten über den Kreis Lötzen (Gizycko) heute. Enthalten sind Texte zu Themen wie Flucht, Vertreibung und Deportation, Erinnerungen an die Kindheit, an geschichtliche Ereignisse (zum Beispiel Hindenburg in Lötzen 1915). Aber auch Eindrücke von Reisen in die Heimat heute werden beschrieben, ebenso werden neu erschienene Bücher von Autoren aus dem Kreis Lötzen vorgestellt.

In begrenzter Zahl ist es möglich, bei der Geschäftsstelle kostenlose Probeexemplare anzufordern, um neue Leser des Lötzener Heimatbriefes zu gewinnen.

 

LYCK

Kreisvertreterin: Bärbel Wiesensee, Diesberg 6a, 41372 Niederkrüchten, Telefon (02163) 898313. Stellvertr. Kreisvertreter: Dieter Czudnochowski, Lärchenweg 23, 37079 Göttingen, Telefon (0551) 61665. Karteiwart: Siegmar Czerwinski, Telefon (02225) 5180, Quittenstraße 2, 53340 Meckenheim.

Bernhard Dziondziak, Konrektor im Ruhestand, verstarb am 31. Mai in Ahlhorn in Niedersachsen. Er wurde am 3. Mai 1923 in Reiffenrode geboren. Von 1967 bis 2008 war er 41 Jahre lang Ortsvertreter seines Heimatdorfes. Unvergessen bleibt seine Mitwirkung an der 500-Jahr-Feier, die in Reiffenrode stattfand. Anlässlich dieser Feier erhielt Bernhard Dziondziak am 31. Juli 2005 aus der Hand des damaligen Kreisvertreters Gerd Bandilla das Silberne Verdienstabzeichen der Landsmannschaft Ostpreußen. Über die 500-Jahr-Feier wurde im Hagen-Lycker Brief des Jahres 2006 ausführlich berichtet.

 

TILSIT–STADT

Stadtvertreter: Hans Dzieran, Stadtgemeinschaft Tilsit, Postfach 241, 09002 Chemnitz. Geschäftsführer: Manfred Urbschat, E-Mail: info@tilsit-stadt.de.

Pünktlich zum Pfingstfest wurde die Ausgabe 96 von „Land an der Memel – Tilsiter Rundbrief“ ausgeliefert. Dem neuen Schriftleiter Heiner J. Coenen ist es gelungen, einen in Optik und Inhalt hochwertigen Heimatbrief zusammenzustellen, der bereits sehr positive Reaktionen ausgelöst hat. Alle Tilsiter, die den Heimatbrief nicht bekommen haben, sei es durch nichtgemeldeten Wohnungswechsel oder durch langjährige Spendenabstinenz, haben die Möglichkeit, ein Exemplar anzufordern bei Siegfried Dannath-Grabs, Angelikastraße 13, 01099 Dresden.


Eine große Familie
Im Ostheim: Sommerfreizeit für Senioren

Vom 29. Juni bis 13. Juli bietet das Ostheim letztmalig eine Sommerfreizeit für Senioren an, da das Haus zum 31. Dezember diesen Jahres geschlossen wird. Freizeiten im Ostheim, das sind abwechslungsreiche und erholsame Urlaubstage in Bad Pyrmont. Die Angebote reichen vom morgendlichen Singen, der Seniorengymnastik, Dia- und Vi-deoabenden, Lesungen aus Werken ostpreußischer Dichter und Schriftsteller, Spaziergängen, Museumsbesuchen bis zur heimatlichen Speisekarte am Mittag und Abend.

Der 2005 als „Schönster Kurpark Deutschlands“ ausgezeichnete Park lädt zu Kurkonzerten, einem Bummel durch den größten Palmengarten nördlich der Alpen oder zum Ausprobieren des Wassertretbeckens und des Barfuß-Pfades ein. In der Hufeland-Therme können Besucher die Meersalzgrotte genießen, in unterschiedlichen Saunen schwitzen oder das Wasser in verschiedenen Formen auf den Körper wirken lassen, auch ambulantes Kuren ist möglich. Bad Pyrmont selbst lädt mit seinen Sehenswürdigkeiten, Einkaufsmöglichkeiten, Cafés und Kulturangeboten zum Bummeln und genießen ein. Die Stadt und das Staatsbad bieten in dieser Zeit folgende Kulturangebote an: Vom 3. bis 5. Juli den „Historischer Fürstentreff“. Am 10. Juli heißt es „Happy Birthday Musikschule – 25 Jahre Musikschule – eine Festveranstaltung im Konzerthaus mit Musik, Tanz und Wort“. Am 11. Juli findet der World Cup in den Latein-Amerikanischen Tänzen im Großen Schloßhof statt. Am letzten Abend feiern wir gemeinsam Abschied. Jeder kann nach seinen Möglichkeiten besinnliche und lustige Beiträge beisteuern. Wir sind eine Gemeinschaft mit ostpreußischen und ostdeutschen Landsleuten, eine große Familie.

Die 14-tägige Freizeit kostet im Einzelzimmer 670 Euro und im Doppelzimmer pro Person 580 Euro. Die Inklusivpreise beinhalten Vollpension und Gästebetreuung. Die Kurtaxe wird vom Staatsbad Bad Pyrmont separat erhoben. Anfragen und Anmeldungen – bitte nur schriftlich – richten Sie an: Ostheim – Jugendbildungs- und Tagungsstätte, Parkstraße 14, 31812 Bad Pyrmont, Telefon (05281) 93610, Fax: (05281) 936111, E-Mail: info@ostheim-pyrmont.de


S. 19 Heimatarbeit

Brotsuppe in der Gartenstadt
Amüsant und detailreich: Die Erinnerungen eines Königsbergers an eine Kindheit in einfachsten Verhältnissen

Es ist mir ein Anliegen, die Erinnerung an die wunderbare Heimat wach zu halten und unsere Nachkommen auf sie neugierig zu machen“, schreibt Rudolf Thiel aus Schönberg bei Kiel in seinen Memoiren mit dem Titel „Veilchenweg 79. Erinnerungen an Königsberg und Ostpreußen“.

Am 4. Februar 1932 wurde Thiel als drittes von vier Geschwistern in Königsberg geboren, wo er aufgewachsen ist. Anfang Februar 1945 flüchtete er mit seiner Mutter und zwei Geschwistern von Pillau mit einem Fischerboot über das Haff und weiter über die Ostsee bis nach Kiel. Seinen Vater sah er am Tag vor der Flucht zum letzten Mal.

In seinem Buch hat Thiel den Rückblick auf seine behütete Kindheit mit Reminiszenzen an Königsberg umrahmt sowie an die „alte Zeit“ und „die Zeit danach“, als es nach Kriegsende für alle Deutschen galt, sich den Gegebenheiten zu stellen und neu zu orientieren. Das Buch ist mit Fotos sowie mit Plänen und eigenen Illustrationen ausgestattet, die der Autor als ausgebildeter Grafiker zu den verschiedensten Themen eigens angefertigt hat. Von seiner Kindheit weiß er viel und amüsant zu erzählen, und doch hatte er gegenüber seiner Frau, den Kindern und Enkeln vor Beginn der Aufzeichnungen nur selten darüber gesprochen. Im Alter aber wurde ihm bewusst, dass er zu den Letzten gehört, denen, wie er schreibt, die Heimat Ostpreußen all ihre Geborgenheit schenkte und die ein Vermächtnis zu verwalten haben.

Rudolf Thiels Vater war bei der Königsberger Hafengesellschaft als Taucher und Handwerker fest angestellt. So blieben sie zwar von wirtschaftlicher Not verschont, was in den Jahren um 1930 ein Privileg war, doch das Geld war äußerst knapp. Anfang der 1930er Jahre wohnte die Familie Thiel noch in einer kleinen, hofseitigen Wohnung im Stadtteil Viehmarkt. Unterdessen baute sein Vater mit einigen Helfern ein Häuschen im Schrebergartengelände Gartenstadt Schönfließ am Stadtrand. Die meisten Behausungen dort waren Sommerlauben, die nur vom Frühjahr bis zum Herbst genutzt wurden, aber es gab auch 30 bis 40 fester gebaute, ganzjährig genutzte Häuser.

1935 erfolgte der Umzug der Familie in das eingeschossige Häuschen am Veilchenweg 79. Der abgebildete, nach der Erinnerung gezeichnete Grundriss lässt Vorstellungen von drangvoller Enge aufkommen. So waren Wohn- und Schlafzimmer nur durch einen Vorhang getrennt. Seinerzeit waren äußerst beengte Wohnverhältnisse aber nichts Seltenes. Zumal die Kinder sich reichlich Ausgleich durch Sport und Spiele außerhalb des Hauses verschafften. Die freie Natur begann gleich hinter dem großen Eingangstor der eingezäunten Schrebergartenanlage.

Im Vordergarten des etwa 500 Quadratmeter großen Grundstücks wurde Gemüse angepflanzt, und es wuchsen einige Obstbäume. Zusätzlich hatten die Eltern auf dem „Ackerbürgerland“ für die Städter gleich hinter den Schrebergärten eine Parzelle gepachtet, um Kartoffeln für den Eigenbedarf anzubauen. Die einzigen Wärmequellen im Haus waren der große Kohleherd in der Küche und – auf der anderen Wandseite – ein großer Kachelofen, der die Wärme teils ins Wohnzimmer, teils in den Schlaf-raum abgab.

„Licht spendeten in der Küche und im Wohnzimmer Petroleumlampen und Kerzen. Anfang des Krieges kam der Fortschritt in Form von Propangas in Flaschen. Diese sorgten sodann für Licht in Küche und Wohnzimmer. In der Küche kam ein zweiflammiger Kocher hinzu. Am Schönsten fand Rudolf Thiel das sonntägliche gemeinsame Frühstück mit Eltern und Geschwistern in der Bohnenlaube, bestehend aus hohen Pfosten, zwischen denen sich entlang der Latten auf Querhölzern Bohnenkraut rankte. „Vom Sommer bis zum Herbst spielte sich das Leben in der Küche und in der Bohnenlaube und überhaupt draußen ab.“ Zum Mittag gab es häufig Spinat, Kartoffelklöße, Brotsuppe mit Rosinen, Rote Beete-Suppe und viele andere Gemüsesuppen.

Mit welch langwierigen und mühseligen Arbeitsgängen der Waschtag ausgefüllt war, ist aus heutiger Sicht kaum vorstellbar. Für die Kinder hieß es dann, immer wieder Wasser zum Spülen von der Pumpe zu holen. Gemangelt wurde die Wäsche anschließend in einem besonderen Gebäude, gebügelt wurde zu Hause mit dem Bügeleisen mit Stahlkern, der auf dem heißen Herd erhitzt wurde. Sonntags ging die Familie zur Kapelle in den Gottesdienst und die Kinder anschließend zum Kindergottesdienst.

Zuletzt, nach vielen unterhaltsamen Alltagsgeschichten über die Schule, über Feste und Feiern im Vereinshaus, kommt der Autor auf seine „Karriere“ bei den Pimpfen und Hitlerjungen zu sprechen. Als – damals noch begeisterter – Hitlerjunge nahm er an Lehrgängen, Ernteeinsätzen und Zeltlagern teil. Die Flucht brachte Rudolf Thiel, seine Mutter, die Schwester und den jüngeren Bruder nach Schönberg in Ostholstein, wo er heute noch lebt. Wenig später stieß auch sein älterer Bruder zu ihnen.

Über den Krieg finden sich in diesem Buch nur verhältnismäßig spärliche Aufzeichnungen. Für Rudolf Thiel gilt, was er in seinem Vorwort hervorhebt: „Ich hatte trotz Krieg, im Vergleich zur heutigen Zeit, eine wunderbare Kindheit. Wir waren alle in die Familie eingebunden, mit Aufgaben und Pflichten betraut und hatten trotzdem unseren Freiraum. Meine Heimat ist zwar durch den Krieg verloren gegangen, aber trotzdem unauslöschlich mit der deutschen Geschichte verbunden. Es macht mich traurig und auch zornig, dass unsere Politiker dieses Thema ausklammern. Wir sollten zu unserer Geschichte stehen.“

Dagmar Jestrzemski

Rudolf Thiel: Veilchenweg 79. Erinnerungen an Königsberg und Ostpreußen, edition fischer, Frankfurt am Main 2013, broschiert, 186 Seiten, 9,80 Euro


S. 20 Heimatarbeit

Häuslich eingerichtet
Leider: Echt ostpreußische Möbelstücke sind nur wenige erhalten geblieben. Der Journalist Dieter Göllner ist ihnen nachgespürt.

Sie waren zu schwer, zu sperrig und – letztendlich – im Augenblick der größten Not zu unwichtig. Stühle, Schränke, Tische und all die anderen Möbelstücke blieben bei Flucht und Vertreibung fast immer zurück.

Ein Verlust, denn es handelte sich oft genug um mehr als nur schlichte Gebrauchsgegenstände. Einer Wohnung, einem Haus verleihen erst die Möbel den heimatlichen Charakter. Kostbare Stücke werden über Generationen hinweg vererbt. Sie stehen für hochwertige Handwerkskunst. Andere verbreiten schlicht und einfach heimelige Behaglichkeit in den eigenen vier Wänden. Heimat ist ein kleines bisschen auch da, wo man sich häuslich einrichtet, wo einen das liebgewonnene Sofa nach langem Tagwerk erwartet oder wo der Esstisch steht, an dem man schon so viele gemütliche gemeinsame Abende verbracht hat.

Grund genug also, sich einmal auf die Suche nach typisch ostpreußischen Mobiliar zu begeben. Dr. Jörn Barfod, Kustos am Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg, bremst allerdings den „Forscherdrang“. An Möbelsammlungen seien – so der Kunsthistoriker – keine bedeutenden Bestände aus Ostpreußen nach 1945 erhalten geblieben. Ausnahmen bilden Sammlungen in Museen im heute polnischen und litauischen Teil der einstigen Provinz. Dennoch: Auch in Barfods Ostpreußischem Landesmuseum lassen sich einige bemerkenswerte Möbelstücke entdecken. Ein echter Blickfang ist zum Beispiel der barocke Dielenschrank aus dem 18. Jahrhundert.

An seinem Beispiel lässt sich die Verbindung zum niederdeutschen Bereich und dem Ostseeraum erkennen. Der Schrank wurde um 1730 gefertigt und stammt aus dem Kreis Mohrungen. Man weiß allerdings nicht gesichert – so Barfod –, wo genau er entstanden ist. Ein mächtiger Gebälkaufsatz mit einem erhöhten Mittelfeld krönt das Möbelstück. In diesem Aufsatz befindet sich eine geschnitzte Platte mit Akanthus und Muschelornament. Als figürliches Motiv ist ein schnäbelndes Taubenpaar zu entdecken. Möglicherweise weisen sie auf die Entstehungsgeschichte des wuchtigen Mobiliars hin. Eine Hochzeit könnte der Anlass gewesen sein, den Schrank anzufertigen.

Aus der Zeit des Barock stammen auch die behäbigen Holzstuhlformen, die sich vor allem in den westlichen Landesteilen Ostpreußens überliefert haben. Das Besondere daran ist, dass die mit Binsen bespannte Sitzfläche nach vorn breiter werdend trapezförmig ist und die Rückenlehne sich ebenso nach oben verbreitert. „Diese Stuhlform erstreckt sich durch das ganze niederdeutsche Gebiet und ist sowohl an der schleswig-holsteinischen Westküste wie auch in den Vierlanden bekannt“, verrät Barfod. Er verweist auf ein interessantes Exemplar, das im Lüneburger Museum aufbewahrt wird. Der Stuhl ist vom ostpreußischen Künstler Karl Kunz (1904–1969) nach Vorbildern seines Heimatortes Herzogswalde im Kreis Mohrungen gestaltet worden. Der Künstler setzte seine Tätigkeit nach der Flucht im Jahre 1945 in Berlin fort.

Barfod erwähnt auch die Möbel der „Ostpreußenhilfe“. Nachdem die Russen schon im Ersten Weltkriegs weite Teile des Landes besetzt hatten, wurden die Möbelstücke eigens für die Wiederaufbauhilfe der zwischen 1914 und 1915 zerstörten ostpreußischen Orte hergestellt und gestiftet.

„Sie können – durch die historischen Umstände bedingt – als eine echte ostpreußische Besonderheit gelten“, sinniert der Kustos und fügt hinzu: „Erhaltene Stücke sind mir nur in einem Beispiel bekannt. Es ist ein Wohnzimmerensemble. Das Ostpreußische Landesmuseum bekam es vor einigen Jahren gestiftet.“ Die Möbel wurden dem Goldaper Gymnasiallehrer und Maler Friedrich Eicke zur Wiedereinrichtung seiner Wohnung überreicht. Die nach dem Stil des Deutschen Werkbundes in München 1915/16 hergestellten Stücle sind teilweise mit dem Brandzeichen der Münchner Ostpreußenhilfe gekennzeichnet.

Demnächst werden sogar noch weitere ungewöhnliche und vor allem kostbare Möbel-Antiquitäten im Landesmuseum zu besichtigen sein. Das Duisburger Museum Stadt Königsberg bereitet in diesem Jahr seinen Umzug nach Lüneburg vor. Es wird das Landesmuseum unter anderem mit wertvollen Bernsteinmöbeln bereichern. Die jetzt noch in Duisburg ausgestellten Exponate sind Stücke aus der Staatlichen Königsberger Bernstein-Manufaktur. Sie stammen aus eigenen Beständen oder sind Leihgaben. Es handelt sich um einen Vertiko, einen Tisch und zwei Hocker im Jugendstil. Die Möbel sind, wie der langjährige Betreuer des Museums, Lorenz Grimoni, verrät, in Königsberg speziell für die Weltausstellung 1900 in Paris gefertigt worden. Der Stil der Möbelstücke entspricht dem Zeitgeschmack der Jahrhundertwende. Angefertigt wurden sie aus Kirschbaumholz, das mit reich verzierten Bernsteinintarsien verschönert wurde. Im Falle des Büfetts, wie das Vertiko ehemals genannt wurde, schmückt auch ein Spiegel das kunstvolle Mobiliar.

Die in der damaligen Epoche als modern bezeichnete Kunstrichtung ist typischerweise durch florale Elemente sowie durch dekorative fließende Linie gekennzeichnet.

Exponate aus der Königsberger Bernstein-Manufaktur warten übrigens auch im Kulturzentrum Ostpreußen auf neugierige Besucher. Im Westflügel des barocken Deutschordensschlosses in Ellingen/Bayern wird dem Besucher ein „museales Schaufenster“ zur Landeskunde und Kulturgeschichte Ostpreußens geboten. Höhepunkte sind unter anderem das Bernsteinkabinett und das Königsberger Bürgerzimmer mit Möbeln aus dem 19. Jahrhundert.


S. 21 Lebensstil

Herrscher über Salò
Soldaten, Schauspieler und ein Zuschauer − Als ein Ort am Gardasee politischer und cineastischer Mittelpunkt Italiens war

Salò ist ein malerischer Ort am Gardasee, der jährlich auch von deutschen Touristen überflutet wird. Doch er hat auch seine Schattenseiten. Erst „regierte“ hier Benito Mussolini 600 Tage lang seine „Republik von Salò“, dann verwandelte der Regisseur Pasolini den Ort in ein Sodom.

Deutsche Touristen fluten jeden Sommer die Städte beiderseits des Gardasees. Hier finden sie mediterrane Landschaft und italienische Kultur in harmonischer Verbindung, nur wenige Fahrstunden südlich von München. Hier können sie aber auch die Zeugnisse italienischer und deutscher Geschichte entdecken.

Wer von Riva kommend die Uferstraße nach Süden fährt, passiert beeindruckende Villen aus dem 19. Jahrhundert und gelangt schließlich nach Salò, mit gut 10000 Einwohnern die größte Stadt am westlichen Seeufer.

Salò liegt geschützt in einer Bucht; die Stadt markiert den Übergang von dem scharf in die Berge geschnittenen nördlichen See hin zu einer breiten von sanften Hügeln umgebenden Wasserfläche weiter im Süden. Man kann in Salò lange am Ufer flanieren, die Häuser betrachten und in Restaurants und Geschäfte einkehren – ohne wie so oft am Gardasee vom Autoverkehr gestört zu werden. Die Stimmung unter den Einheimischen und den Touristen ist entspannt – in Saló gibt es scheinbar keinen Grund für Hektik oder gar Aufregung.

Doch ausgerechnet die kleine Stadt mit ihren gepflegten Häusern und der ganz neu gebauten Promenade war der Ort, den der italienische Regisseur Pier Paolo Pasolini 1975 als Schauplatz für seine Marquis-de-Sade-Verfilmung „Salò oder die 120 Tage von Sodom“ wählte. Pasolini zeigte in dem Film schlimmste Szenen der Gewalt, der Demütigung und der Folter – ein Film, der für die Kinozuschauer eine Zumutung war und ist und der starker Zensur ausgesetzt war. Noch heute bekommt man im deutschen Handel nur eine erheblich gekürzte Version als DVD.

Pasolinis Film galt damals als eine überspitzte Kritik an einer amoralischen Gesellschaft. Nicht zufällig wählte Pasolini den verträumten Ort Salò als Schauplatz des Filmes – er berief sich auf dessen Geschichte. Ausgerechnet das heute so friedliche Salò war von 1943 bis 1945 Sitz der „Repubblica Sociale Italiana“, war damit Italiens zweite Hauptstadt und Rückzugsgebiet der italienischen Faschisten.

Benito Mussolini, der „Duce“, hatte im Juli 1943 in Rom seine Macht verloren und war von der neuen Regierung, die mit den Alliierten paktierte, in einem Berghotel festgesetzt worden. Er sollte einem neuen Italien, das sich der deutschen Hegemonie widersetzte, nicht im Wege stehen.

Deutsche Fallschirmjäger be­freiten ihn jedoch schon am 12. September aus seiner Haft und brachten ihn zu einer Unterredung mit Hitler in das ostpreußische Rastenburg. Einen Monat später wurde Mussolini zurück nach Italien an den Gardasee geschickt – um hier als Präsident der neu gegründeten „sozialen“ Republik vorzustehen, die das von den Deutschen kontrollierte Norditalien umfasste – mit Mailand als wichtigster Stadt.

Doch tatsächlich fungierte Mussolini nur als eine traurige, fast alberne Marionette – in allen seinen Handlungen gesteuert von Hitler. Der Sitz der neuen Republik lag nicht etwa in Mailand oder einer anderen norditalienische Großstadt, sondern nur wenige Kilometer südlich der weit in den Süden geschobenen deutschen Reichsgrenze.

Salò und die Nachbarorte waren dank ihrer Lage an steil aufragenden Bergen gut gegen alliierte Luftangriffe zu verteidigen. Zudem gab es hier genügend Hotelbauten und Villen, die die Ministerien aufnehmen konnten. Nicht zuletzt funktionierten die Orte auch wie eine Falle: Nur die Uferstraße, die zwischen Limone und Salò immer wieder durch Tunnel läuft, ermöglichte die Verbindung zu Außenwelt. Ein Einsickern von Aufständischen war hier nicht zu befürchten. Ein Ausbrechen von Mussolini und seiner Getreuen ebenso wenig.

Mussolini war etwas abseits der Regierungsstellen in der Villa Feltrinelli in Salòs Nachbarort Gargnano untergebracht – beschützt und bewacht von 30 SS-Leuten. Deutsches Militär war auch in den Straßen ständig präsent, durchfahrende Fahrzeuge wurden kontrolliert, und jedes Telefongespräch, das Mussolini führte, wurde abgehört und umgehend nach Berlin übermittelt. Ein deutscher Arzt kümmerte sich um das Wohlergehen des „Duce“. Auf dem Dach der Villa, in der sich heute ein Luxushotel befindet, stand ein deutsches Flugabwehr-Geschütz.

Mussolini wusste damals nur zu gut, dass er am Gardasee nur noch eine dekorative Funktion inne hatte. Vermutlich blieb ihm keine andere Wahl, als dieses unwürdige Treiben mitzuspielen – die Alternativen hießen Gefangenschaft in Rom oder ein grausames Ende irgendwo auf der Straße. In seinem letzten Interview, das er der Journalistin Magdalena Mollier gab, sagte er: „Ich bin am Ende, mein Stern ist untergegangen. Ich nehme Arbeit und Mühsal auf mich, auch wenn ich weiß, dass alles nur eine Farce ist. Ich erwarte das Ende der Tragödie, und merkwürdigerweise losgelöst von allem, fühle ich mich nicht mehr als Schauspieler, sondern als letzter Zuschauer.“

Im April 1945, als das Deutsche Reich zu kollabieren begann, reiste Mussolini in das bereits abfallende Mailand, um hier seine Macht durch Zugeständnisse zu retten – ein damals schon aussichtsloses Unterfangen. Nachdem die Gespräche wie erwartet ergebnislos verlaufen waren, versuchten er und seine Geliebte Claretta Petacci über den Comer See in die Schweiz zu flüchten. Doch am 27. April wurde sein Fahrzeug von Partisanen gestoppt. Diese erkannten das berühmte Paar: Mussolini und Petacci wurden festgesetzt und am nächste Tag erschossen. Ihre Leichen hängte man mit den Köpfen nach unten auf der Piazzale Loreto in Mailand auf – der italienische Faschismus war Geschichte.

Heute erinnert in Salò fast nichts mehr an die zwei Jahre, als der beschauliche Ort am Gardasee Hauptstadt einer Marionettenrepublik war. Nur das letzte Werk von Pier Paolo Pasolini, bis heute legendär, benutzte ausgerechnet das hübsche und friedliche Salò als Metapher für den Niedergang der Zivilisation.

Pasolini selbst wurde kurz nach der Uraufführung des Films in Ostia unweit von Rom ermordet. Der für die Tat verurteilte Täter widerrief später sein Geständnis und verwies darauf, das einflussreiche Dritte hinter dem Mord stünden. Womöglich wurde Pasolini für seinen Film „Salò und die 120 Tage von Sodom“ geradezu hingerichtet; die Fiktion des Ki­no­filmes wäre in grausame Reali­tät umgeschlagen. Nils Aschenbeck


Klassenkampf mit Ball
Der Sozialismus liebte den Fußball − umgekehrt aber nicht immer

Lenin? Tja, der könnte in zehn Jahren fast so populär wie Gundi sein! So sprach einst Gundi alias Georgi Asparuchow, eine Legende des bulgarischen Fußballs und Held des Sofioter Kultvereins „Lewski“. Es kam ganz anders: Im Jahr 2014 benannte der Verein sein Stadium anlässlich des 110. Geburtstags seines Fußballgotts nach Asparuchow um. Lenin war vergessen.

Ähnlich gottgleich wurden andere Fußballer von ihren Fans angesehen – der russische Supertorwart Lew Jaschin, die tschechische Torkanone Josef („Pepi“) Masopust, der DDR-Mittelstürmer Jürgen Sparwasser, der bei der WM in Deutschland am 22. Juni 1974 mit seinem Tor das bundesdeutsche Team besiegen half und 1988 in das Land dieses Gegners flüchtete.

Der Osten war sportlich dem Westen überlegen, meist dank Doping, aber das interessierte im Sozialismus weiter nicht: „Die Arbeiterklasse liebt nur Fußball, und da seid ihr besser“, sagte 1975 ein hoher SED-Funktionär aus Halle. Eben darum mühten sich östliche Klubs um Siege und sowjetische Vereine gar in „schweinischer Unfairness“, wie Wladimir Dedijer 1969 in seinem Buch „Stalins verlorene Schlacht“ berichtete.

Interessanter war fußballerischer Alltag, wie er zwischen Klubs und ihren Fans ablief – alle hassten die von Mielkes Stasi geförderten „Dynamo-Clubs“, was man laut verkündete: „Bullen-Klub, wir hassen dich“, „Zyklon-B für BFC“ und ähnlich geschmack­los klang es von den Rängen. Populär waren hingegen Ost-Berlins „Union“ („Eisern Union“), Hansa Rostock („Hansa Ole“) und weitere. Leidtragender von Fanrivalitäten war die DDR-Reichsbahn, die stets gewaltige Schäden nach Spielen aufwies.

Ähnlich war es in Prag mit „Slawia“ und „Sparta“, die selbst im elfköpfigen Politbüro ihre gleichstarken Fangruppen hatten, worauf die Stimme des Parteichefs den Ausschlag gab, der für den Armeeklub „Dukla“ war. Ähnlich war es in Belgrad mit „Partizan“ und „Roter Stern“, was richtig aufkochte, als der deutsche Rekordnationalspieler Lothar Matthäus 2002 Trainer bei „Partizan“ wurde.

Wegen seiner wenig parteitreuen, wilden Fans wurde der Sofioter „Lewski“ 1985 verboten, was ein einziger Schuss in den Ofen war: Bulgarien hat acht Millionen Einwohner, sagte man, Lewski hat neun Millionen Fans, und die grüßen nur noch mit „samo Lewski“ (Lewski allein). Ähnlich war es mit „Dinamo Za­greb“, den der Präsident Franjo Tudjman in „Croatia“ umtaufen wollte. Das brachte die Bad Blue Boys (BBB) auf, die rabiaten Dinamo-Fans, die Tudjman so ausdauernd auspfiffen, dass er am Ende von seinen Plänen abließ.

Friedlicher sind die „Komiti“ (Freischärler), die Fans von „Vardar Skopje“. Ihr Klub war Geheimtipp in Ex-Jugoslawien, wurde 1986 sogar Landesmeister. Davon profitierte der Komponist Jontsche Hristovski, da die Komiti seither jedes Vardar-Tor mit Hristovskis Lied „O Vardar, du schmückst Makedonien“ besingen. Der Vardar ist der Fluss, der durch Makedonien bis zur Ägäis fließt, in Griechenland aber Axios heißt. Im Unterschied zum Staat gab es deswegen noch keinen „Namensstreit“. Wolf Oschlies


Völlig abgehoben
Jesus ist noch über Wasser gewandelt, heute wird gedüst

Einer, der alles hat, und von Leuten umgeben ist, die ebenso viel haben, dem fällt es schwer, noch Eindruck zu schinden. Aber ein Auftritt à la James Bond zieht überall die Blicke auf sich. Der Agent ihrer Majestät entkam 1965 in dem Film „Feuerball“ seinen Verfolgern, indem er mit einer Rucksack-Rakete senkrecht abhob. Das kann jetzt nahezu jeder haben, vorausgesetzt, man hat ein gut gefülltes Bankkonto.

80000 Euro Einstandspreis kostet die 220 PS starke Grundversion, die ein Unternehmer aus Itzehoe unter der Bezeichnung „Jetlev“ anbietet. Es gibt auch aufwendigere und PS-stärkere Modelle. Dabei steht „Jet“ für Düse und „lev“ für „levitation“, also Schweben.

Das Gerät besteht aus zwei Komponenten: Einem düsenbestückten Rucksack und einer Art Jetski, wie sie gewissermaßen als Motorrad für das Wasser seit Langem ein vertrauter Anblick sind. Der Jetski saugt Wasser an, über einen Schlauch wird es in den Rucksack gepumpt und kommt als Wasserstrahl aus zwei Düsen wieder heraus. Das katapultiert den Träger in die Luft, den Motorteil zieht er hinter sich her.

Bis zu acht Meter hoch schwebt man über das Wasser und erreicht eine Geschwindigkeit von 50 Ki­lometern pro Stunde, also 27 Knoten, so wie ein flottes Motorboot. Was sich nach einer technischen Spielerei mit dem Hauch von Illegalität anhört, hat aber mittlerweile eine offizielle Zulassung. Der Germanische Lloyd als Klassifikationsgesellschaft hat der Konstruktion seinen offiziellen Segen als Sportboot erteilt. Unter anderen Sportbootfahrern, insbesondere Seglern, die Ruhe und Gemächlichkeit auf dem Wasser schätzen, sind die Jetlevs nicht beliebt. Aber das sind in diesen Kreisen die motorisierten Bootfahrer auch nie gewesen.

Beliebt aber sind sie bei denjenigen, die notorisch auf der Suche nach Spektakulärem sind. Kaum hatte Unternehmer Lars Ramcke erste Bilder seiner Entwicklung im Internet veröffentlicht, da gab es schon Interessenten. Seiter reist er durch die Welt, um seine düsengetriebenen Produkte vorzuführen oder Käufern mehrtägige Einweisungen zu geben. Häufig ist das bei den Eignern von Superjachten der Fall. Das sind diskrete Menschen, wenn es um ihre Einkäufe geht, und sie schätzen verschwiegene Geschäftspartner. Deshalb verrät Ramcke auch nicht, wie viele Wasserflieger er schon verkauft hat. Nur so viel: Die Zahl sei dreistellig und die Gewinnschwelle schon er­reicht. Der Unternehmer will die Produktion auf 50 Geräte pro Jahr steigern und damit auch 20 neue Arbeitsplätze schaffen, vom Bootsbauer bis zum Mechaniker.

Wer keine Luxusacht be­sitzt, aber trotzdem Freude an technischen Spielereien und den dazu nötigen Mut hat, der kann für 250 Euro auch einen einstündigen Flug in heimischen Gewässern mit dem Jetlev bu­chen, und zwar auf der Stör, einem Nebenfluss der Elbe unweit von Itzehoe. Es ist aber nicht ganz einfach. „Viele Leute tun sich schwer, gleichzeitig zu lenken und Gas zu geben“, stellte Ramcke bei solchen Flügen fest. Deshalb hat er für seine Kunden eine Fernbedienung entwickelt, mit der er am Ufer stehen und die Geschwindigkeit dosieren kann. Eigel Wiese


S. 22 Neue Bücher

Leiden und Liebe
Bücher zum Mythos Waterloo

Die Schlacht von Waterloo fasziniert die Menschen bis heute. Die späteren Gemetzel von Sedan, Tannenberg oder Stalingrad haben daran nichts ändern können. Waterloo – das ist ein Mythos. Es wird allein daran deutlich, dass über diese Schlacht mehr Bücher geschrieben wurden als über die Völkerschlacht bei Leipzig. Dabei wurden dort mehr Menschen getötet als bei der finalen Auseinandersetzung des sechsten Koalitionskriegs am 18. Juni 1815.

Zum 200. Jahrestag der Schlacht von Waterloo beziehungsweise Belle-Alliance (siehe Seite 4) ist wieder eine Flut von Büchern erschienen. Den Mythos dieser Schlacht können auch sie nicht erklären. Sie reihen sich aber nahtlos in die Masse der Publikationen ein, die den geschichtlichen Ruf von Waterloo noch weiter steigern. Dass grundlegend neue Erkenntnisse über die Kämpfe gewonnen würden, lässt sich von keiner der Neuerscheinungen behaupten. Doch bieten sie für geschichtlich Interessierte eine gute Einstiegshilfe.

Das gilt für den Publizisten Johannes Willms, der nach auf seiner vor einem Jahr erschienenen Geschichte der französischen Revolution „Tugend und Terror“ jetzt mit „Waterloo. Napoleons letzte Schlacht“ das Ende der Revolutionszeit erzählt (Beck, 288 Seiten, 21,95 Euro). Der britische Romanautor Bernard Cornwell entwirft dagegen in seinem Sachbuch „Waterloo. Eine Schlacht verändert Europa“ ein opulentes Schlachtengemälde, das Leser förmlich in die Kämpfe mit hineinreißt (Wunderlich, 480 Seiten, 25,95 Euro). Anders als der emotional erzählende Cornwell setzt der irische Historiker Brendan Simms in „Der längste Nachmittag. 400 Deutsche, Napoleon und die Entscheidung von Waterloo“ auf Fakten (Beck, 191 Seiten, 18,95 Euro). Lesenswert ist es ebenso wie Marian Füssels übersichtliche Abhandlung „Waterloo 1815“ (Beck, 128 Seiten, 9,95 Euro). Eher am Rande ist Waterloo Thema in den Neuerscheinungen der Historiker Munro Price („Napoleon. Der Untergang“, Siedler, 464 Seiten, 24,99 Euro) und Volker Hunecke („Napoleons Rückkehr. Die letzten hundert Tage – Elba, Waterloo, St. Helena“, Klett-Cotta, 260 Seiten, 21,95 Euro).

Ganz anders geht Klaus-Jürgen Bremm in „Die Schlacht. Waterloo 1815“ vor. Vorgeschichte, Ablauf und Ergebnis der Kämpfe finden sich bei ihm in sachlicher Schilderung. Dass es bei ihm nie langweilig wird, liegt auch daran, dass er als Militärhistoriker Details aus dem Soldatenleben von vor 200 Jahren zu erzählen weiß, über das man sonst selten etwas erfährt, die aber das Geschehen auf dem Kampfplatz verstehen helfen und die auch erklären, warum Sieg oder Niederlage oft dicht beieinanderliegen.

Wo sonst Strategie und Taktik der Generäle ausgebreitet werden, lernt man bei Bremm auch viel über die militärische Ausrüstung der Soldaten. Neben Proviant und Wasser hatte ein französischer Infanterist noch eine 4,6 Kilogramm schwere Mus­kete zu schleppen, die ohne Bajonett 1,53 Meter lang war. Wegen des komplizierten Ladevorgangs konnte er maximal drei Kugeln pro Minute abfeuern. Bei Feuchtigkeit versagte der Zünder. Wer ein Ziel auf 100 Metern Entfernung traf, hatte pures Glück. Was das Buch auch wertvoll macht, sind eingestreute Augenzeugenberichte und Soldatenmemoiren.

Wer eine Pause von solchen nicht-fiktionalen Schilderungen benötigt, für den gibt es Waterloo auch in Romanform. Die Autorin Sabine Ebert erzählt in „1815. Blutfrieden“ auf über 1000 Seiten die Leidens- und Liebesgeschichte einer jungen Frau am Ausgang der napoleonischen Kriege (Knaur, 24,99 Euro). Harald Tews

Klaus-Jürgen Bremm: „Die Schlacht. Waterloo 1815“, Theiss Verlag, Darmstadt 2015, gebunden, 24,95 Euro


Verkrampfte Versuche
Heinz Joas und die Menschenrechte – Philosoph mit Tunnelblick

Ob die Menschenrechte westlich seien, fragt sich der Sozialphilosoph Hans Joas (68) schon im Titel seines neuesten Büchleins und verneint dies auf den folgenden 96 Seiten. Denn es gelte, stellt er im Einleitungskapitel fest, einem westlichen Triumphalismus entgegenzutreten: „Die unbezweifelbaren Errungenschaften der kulturellen Durchsetzung und rechtlichen Positivierung der Menschenrechte“ würden selbst für kulturelle Überlegenheitsansprüche herangezogen. Den nicht-westlichen Ländern werden nicht nur Verstöße gegen die Menschenrechte vorgeworfen, sondern „oft und rasch eine prinzipielle, kulturell bedingte Verständnislosigkeit gegenüber dem, was wir (im Westen) mit den Menschenrechten meinen“.

Nur fragt man sich, angesichts dieser Behauptung, von welchem Triumphalismus Joas eigentlich spricht, angesichts eines Westens, der so verunsichert ist, dass er nicht einmal mehr weiß, ob er Männlein oder Weiblein sein will. Der gerade dabei ist, all seine humanistischen Errungenschaften und ihre rechtliche Festschreibung in einem beispiellosen Werterelativismus preiszugeben.

Von Triumphalismus ist dann auch gar nicht mehr die Rede auf den nächsten Seiten. Joas referiert die Debatte, ob die Menschenrechtsgeschichte, die „Sakralisierung der Person“, wie er sie nach dem französischen Soziologen Émile Durkheim nennt, jüdisch-christliche Wurzeln hat. Stationen dieser Geschichte sind unter anderem die Menschenrechtserklärungen des 18. Jahrhunderts, die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948“ oder die Helsinki-Konferenz von 1975.

Die Abschaffung der Folter und der Sklaverei sind für Joas die Hauptmerkmale dieser Menschenrechtsgeschichte. Einen dritten, unverzichtbaren Faktor lässt er völlig unbeachtet, die Emanzipation der Frau. Alle drei Prozesse haben aber eindeutig in der westlichen Welt begonnen und sind hier auch in die Gesetzgebung eingegangen. Joas kann das nicht leugnen. Es hat dann auch etwas Verkrampftes, wenn er versucht, Beweise zu finden, dass der Westen nur scheinbar etwas mit diesen Erfolgen zu tun hat. Er holt gewaltig aus und geht bis in die Zeit vor 2000 Jahren zurück. Nicht nur in der Bibel hätten sich Proklamationen der Sakralität von Personen gefunden, sondern auch bei Buddha in Indien und bei Konfuzius in China. Im Islam gibt es offenbar keinerlei entsprechende Hinweise, was Joas mit Schweigen übergeht.

Gleichzeitig beklagt er, dass nach der Abschaffung von Folter und Sklaverei in den Kernländern des Westens beides von staatlichen Institutionen in den Kolonien weiter betrieben beziehungsweise geduldet wurde.

Aber es sind eben niemals Staaten oder politische Institutionen, die Emanzipation und Befreiung aus der Knechtschaft vorangetrieben haben. Es sind von Einzelnen inspirierte soziale Bewegungen. Es waren in der Geschichte der Menschheit immer Einzelne und kleine Gruppen, die sich für die Menschenrechte einsetzen, häufig um den Preis ihres Lebens. Erst als die Menschenrechtsbewegung auch größere Massen erfasste, gelang es, die Idee der Sakralität des Menschen zum Gesetz werden zu lassen.

Staaten, das kann man aktuell an den Fehlentwicklungen in der EU beobachten, sind per se keine Hüter von Freiheit und emanzipatorischen Errungenschaften, sondern immer wieder bereit, beides auf dem Altar der Machterhaltung zu opfern. Unser freiheitsliebender Dichter Friedrich Schiller hat das auf den Punkt gebracht: „Die ganze Weltgeschichte ist ein ewig wiederholter Kampf der Herrschaft und der Freiheit.“

Im Westen fiel dieser Kampf aber eben oft genug zugunsten der Freiheit aus. Joas Tunnelblick, der leider typisch für allzu viele westliche Intellektuelle ist, aber blendet das aus. Immer wieder habe auch der Westen gegen die Menschenrechte verstoßen. Unter anderem führt Joas Lager und Zwangsarbeit an.

Gleichzeitig bringt er es fertig, über das größte System von Zwangsarbeitslagern, den Gulags in der Sowjetunion und China, kein Wort zu verlieren, obwohl beide Staaten die Menschenrechtserklärung von 1948 anerkannt haben. Europa, das heißt seine Meisterdenker, spalten sich eben nicht nur von seiner Kolonialgeschichte, sondern auch von der Geschichte des Kommunismus ab. So kommt es, dass Joas in seiner finalen Argumentation auf das allseits strapazierte Beispiel Abu Ghraib und Guan-tánamo als Beispiele für Menschenrechtsverletzungen verweist und dabei das Schicksal der inhaftierten Terroristen mit dem der Sklaven vergleicht, ohne nur ein Wort über die Schrecken der kubanischen Gefängnisse zu verlieren, in denen Menschenrechtsaktivisten verfaulen und verrecken. Vera Lengsfeld

Hans Joas: „Sind die Menschenrechte westlich?“, Kösel Verlag, München 2015, gebunden, 96 Seiten, 10 Euro


»Ich habe fertig«
Kann Karasek lustig? Sein Buch über den Witz macht jedenfalls nur traurig

Leider: Wer Hellmuth Karasek noch als kongenialen Biografen (Billy Wilder), fesselnden Romancier („Das Magazin“), geistvollen Kritiker („Das Literarische Quartett“) ansieht, sollte dieses Buch weiträumig umfahren. Enthält es doch zumeist witzloses Chaos, was der 81-Jährige sogar zugibt: „So liegen die Witze auch in meinem Kopf herum, teilweise unter Gerümpel verschüttet … Sie fallen mir dann wieder ein, wenn ich auf eine Assoziation in … der Geschichte stoße.“

Was dann so aussieht: Ein Neugeborener wird „Hamlet“ getauft. Warum? Ungeklärte Vaterschaft, „sein oder nicht sein, das ist hier die Frage“. Der schwache Scherz ist dann für den Autor, Anlass den Hamlet-Monolog in voller Länge zu zitieren – irgendwie muss man die Seiten eines „Witz“-Buchs ja füllen.

Den Verdacht, dass hier jemand wenig zu sagen, aber viele Seiten zu füllen hat, beschleicht den Leser auch an anderen Stellen, wenn der Autor zum Beispiel die legendäre Strafpredigt von Bayern-Trainer Trapattoni („Ich habe fertig“) in Gänze zitiert, obwohl sich deren Komik nur durch Hören erschließt; oder wenn er sein gesamtes Kapitel 16 mit albernen Parodien von Claudius’ „Der Mond ist aufgegangen“ vollpackt. Wenn schon Parodien, dann aus Gumppenbergs „Teutschem Dichterross“, aber das findet sich in Karaseks „Gerümpel“ wohl nicht.

Er habe „an vielen Abenden vor Publikum Witze gelesen, besser noch: erzählt“, prahlt Karasek zu Buchanfang. Wirklich? Humor hat er nicht, wie die Auswahl seiner „Witze“ verrät – zu viele über Greise, Schwule, „Neger“, „Zoten“ (20 Seiten), „Ferkeliges“ und „Fäkalisches“. Dabei sind es meist die Exemplare ihrer Gattung, die den längsten Bart tragen.

„Witz ist Unzucht wider die Kausalität“, urteilte Alfred Polgar, was Arthur Schopenhauer bereits zuvor in seiner „Theorie des Lächerlichen“ konstatierte. Davon hat Karasek wohl keine Ahnung. Genres wie der jüdische Witz, von Salcia Landmann in meisterhafter Fülle präsentiert, fehlen bei ihm. Osteuropäische Witzkultur, etwa die legendären „Radio-Jerewan“-Witze, kennt er nicht, schon gar nicht die DDR-Philosophie „Witz ist überlisteter Schmerz“.

So bleibt nur, den wohl ironisch gemeinten Buchtitel sehr ernst zu nehmen. Oder, anders gesagt: Dieses Buch über Witze ist selbst ein Witz. Wolf Oschlies

Hellmuth Karasek: „Das find ich aber gar nicht komisch! Geschichte in Witzen und Geschichten über Witze“, Quadriga-Verlag, Köln 2015, gebunden, 287 Seiten, 16,99 Euro


Wovor Ludwig Erhard warnte ...
In seiner Abrechnung mit der Großen Koalition spart Autor Hugo Müller-Vogg die wirklich heiklen Punkte aus

Der Journalist und Publizist Hugo Müller-Vogg ist ein typischer Vertreter der selbsternannten „Qualitätsmedien“ Deutschlands. So war er beispielsweise von 1977 bis 2001 für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ tätig und moderierte nebenher noch eine Talkshow im Hessischen Rundfunk. Deshalb beherrscht er auch die Kunst des politisch korrekten Kritisierens der Obrigkeit hierzulande: Man nimmt scheinbar kein Blatt vor den Mund, umgeht aber alle wirklich heiklen Punkte. Dies stellt Müller-Vogg nun wieder einmal unter Beweis, indem er sein neuestes Buch „Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient! Warum die Große Koalition keine wirklich großen Ziele verfolgt“ vorlegt.

Darin zeigt er zunächst anhand diverser „Leistungen“ der CDU/CSU-SPD-Regierung unter Angela Merkel, dass die Bundesrepublik mittlerweile zu genau dem Staat mutiert ist, vor dem Ludwig Erhard 1957 in „Wohlstand für alle“ gewarnt hatte: „Die wachsende Sozialisierung der Einkommensverwendung, die um sich greifende Kollektivierung der Lebensplanung, die weitgehende Entmündigung des Einzelnen“ führen zu einem allmächtigen Versorgungsstaat, der soziale Untertanen produziere, die faktisch in Unfreiheit leben.

Dann versucht Müller-Vogg, die „GroKo“ als einen Club von Versagern zu charakterisieren, der nichts auf die Reihe bekomme. So weit, so gut! Allerdings konzentriert er sich dabei vorrangig auf die verpfuschte Energiewende, das immer noch extrem ungerechte Steuersystem, die eklatanten Mängel im Bildungswesen und der Familienförderung sowie die „Mogelpackungen“ Mindestlohn, Rente mit 63, Mietpreisbremse und Frauenquote.

Das heißt, der Verfasser ist durchaus gewillt und in der Lage, den Koalitionsvertrag als hohles „Manifest der Gemeinplätze“ zu entlarven und seine Umsetzung in der Praxis mit spöttischen Worten zu geißeln. Zugleich aber – und das ist der Knackpunkt! – spart er alle wirklich brisanten Themen aus. Was nützt der Hohn über die Unsinnigkeiten der EEG-Umlage oder der Pkw-Maut, wenn die Dinge, die uns am ehesten finanziell und gesellschaftlich ruinieren werden, unerwähnt bleiben?! Warum schreibt er nichts über die explodierende illegale Einwanderung, welche die öffentlichen Kassen und Sozialsysteme an den Rand des Kollapses bringt, die Euro- beziehungsweise Schuldenkrise, in der die Bundesregierung ein ums andere Mal nationale Interessen auf dem Altar einer verschwommenen Europaidee opfert, die hochriskante und zugleich wenig souveräne Außenpolitik der Bundesrepublik, die sträfliche Vernachlässigung der inneren Sicherheit, die Duldung westalliierter Spionage zum Schaden der deutschen Wirtschaft und so weiter? Hier hätte Müller-Vogg ansetzen müssen, denn hier verspielt die „GroKo“ unsere Zukunft sehr viel nachhaltiger und dramatischer als durch leichtsinnig-unüberlegte, aber letztlich doch eher zu verschmerzende Geldgeschenke an Geringverdiener, „Edelrentner“ und Mieter in Ballungsgebieten.

Aber so etwas ziemt sich wohl nicht für einen Vertreter des journalistischen und publizistischen Mainstreams – statt dessen bekommt der Wähler, der inferiore Politiker vom Schlage Merkels, Gabriels, Steinmeiers, Nahles und Schwesigs ins Amt gehievt hat, sein Fett weg. Dabei ist dieser uninformierte, konsenssüchtige und bequeme Wähler doch das Produkt der Gehirnwäsche durch genau die Institutionen, denen Müller-Vogg allzeit treu zu dienen pflegte. Wolfgang Kaufmann

Hugo Müller-Vogg: „Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient! Warum die Große Koalition keine großen Ziele verfolgt“, Murmann Verlag, Hamburg 2014, gebunden, 170 Seiten, 17,99 Euro.


S. 23 Rautenberg Buchhandlung

Rautenberg Buchhandlung


S. 24 Panorama

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Hetze will getarnt sein / Warum Dresden keine Kulturstadt mehr ist, wie wir dem Volk die Zügel anlegen, und was ein Stadt-Angestellter zu erzählen hat

Nun haben wir aber endgültig die Nase voll. Jeder zehnte Dresdner hat bei der Bürgermeisterwahl vergangenen Sonntag für die Pegida-Kandidatin Tatjana Festerling gestimmt, obwohl sämtliche Staats- und Konzernmedien monatelang alles, ja wirklich alles gegeben haben, um das Pack auf Linie zu prügeln.

Johannes Lichdi, der bis 2014 zehn Jahre lang für die Grünen im sächsischen Landtag gesessen hat, ist verbittert. Die Wahl habe gezeigt, dass Dresden die „Heimstatt eines stabilen rassistischen und homophoben Milieus“ sei, denn „in der stolzen und selbstverliebten ,Kulturstadt‘ wählen 21306 Menschen eine ortsfremde Hetzerin“, wie Lichdi in Anspielung auf Festerlings Hamburger Herkunft schimpft. „Kulturstadt“ setzt er in Anführungsstriche, um die Nichtswürdigkeit dieser barbarischen Ortschaft und ihrer verwerflichen Bewohner zu unterstreichen.

Eine Hetzerin also. Was ist eigentlich „Hetze“? Im Duden steht: „Gesamtheit unsachlicher, gehässiger, verleumderischer, verunglimpfender Äußerungen und Handlungen, die Hassgefühle, feindselige Stimmungen und Emotionen gegen jemanden, etwas erzeugen.“

Es ist sicherlich verleumderisch, wenn man einem Deutschen Rassismus unterstellt, der begeistert jubelnd der Rede eines schwarzafrikanischen Studenten lauscht (wie die Pegida-Anhänger). Und es ist gehässig, wenn man jemanden mit dem Hinweis auf seine auswärtige Herkunft herabsetzen will („ortsfremd“). Verunglimpfend ist es, wenn man den Wählern der Gegenpartei an den Kopf wirft, dass allein ihr Wahlverhalten ein Zeichen dafür sei, dass sie nicht einmal die notwendigen zivilisatorischen Grundstandards einhalten könnten. Dass es Lichdi darum geht, „Hassgefühle, feindselige Stimmungen und Emotionen“ gegen Pegida zu erzeugen, ergibt sich aus alldem.

Der Seitenhieb auf Festerlings „Ortsfremdheit“ ist dabei ein besonderer Leckerbissen. Nicht bloß deshalb, weil Lichdi selbst aus Württemberg kommt. Sind die Grünen nicht dauernd verbissen damit beschäftigt, in jeder Ecke des Landes den bösen Keim der „Fremdenfeindlichkeit“ aufzuspüren? Reicht ihnen nicht schon die simple Frage, ob jemand eigentlich von hier sei, um dem Frager eine „fremdenfeindliche Grundstimmung“ unterzujubeln?

Mag sein, aber das zählt hier nicht. Festerling ist nämlich eine deutsche „Fremde“, da darf man ihr das Fremdsein ruhig um die Ohren hauen. Wäre sie aus Ouagadougou nach Dresden gekommen, hätte sich der Herr Lichdi den Hinweis bestimmt verkniffen. Dafür hätte er, wenn statt Festerling ein „Hamburger Jung“ für Pegida angetreten wäre, ganz gewiss noch die Verdikte „sexistisch“ und „frauenfeindlich“ in die Reihe seiner Verfluchungen aufgenommen. Das ging im vorliegenden Hetzfall leider nicht, weil der Kandidat eine Frau ist.

Was Lichdi da betreibt, ist die beliebte Taktik des „Spiegelns“: Wenn du gegen jemanden ordentlich hetzen willst, dann werfe ihm einfach selbst „Hetze“ vor, schon kannst du auf ihn losgehen wie’s deiner fauligen Seele beliebt. Das Spielchen ist ausgesprochen schmutzig, zugegeben – aber es funktioniert.

Und das sogar in Dresden! Glauben Sie nicht? Nach diesem Wahlergebnis? Mal schön der Reihe nach: Klar, dass sich nach dem massiven Propaganda-Krieg gegen Pegida trotzdem noch zehn Prozent der Dresdner getraut haben, Festerling zu wählen, ist erstaunlich. Zumal Lichdi noch die fünf Prozent der Dresdner zu „diesem Milieu“ zählt, welche den parallel angetretenen AfD-Kandidaten angekreuzt haben.

Das war aber auch deshalb so ein Schock, weil vor der Wahl in Umfragen lediglich zwei Prozent zugegeben haben, dass sie für Festerling stimmen wollten, und nur ein Prozent, dass ihre Stimme dem AfD-Mann gehöre. Vier von fünf Falschwählern haben sich demnach nicht getraut, ihre Absichten kundzutun.

Das lässt hoffen. Im Ringen um eine „Atmosphäre der Offenheit und Toleranz“, wie sie Politiker und Journalisten vom Schlage eines Johannes Lichdi unentwegt propagieren, sind wir eben doch ein gutes Stück vorangekommen. Immerhin haben die Leute schon wieder richtig Angst davor, ihre Meinung zu sagen. Jetzt müssen wir nur noch dafür sorgen, dass sie möglichst bald aufhören, überhaupt eine eigene Meinung zu haben.

Dann hätten wir’s geschafft, die „notwendigen zivilisatorischen Grundstandards“ wären gesichert, sprich: Das Volk wäre wieder fest am Zügel, Dresden von seiner 25-jährigen Verirrung namens „Freiheit“ endgültig erlöst. Und so etwas Unzivilisiertes wie 1989 könnte sich nie mehr wiederholen. „Wir sind das Volk!“ – uns schaudert’s heute noch, wenn wir an das „Milieu“ dieser grässlichen Massen denken, die damals alle „Grundstandards“ der Diktatur der Proletariatsfunktionäre, Mauerwächter und verordneten Einheitsmeinung skrupellos beiseiteschoben.

Manches ist schon wieder fast so schön wie in der DDR. Wir berichteten ja bereits zufrieden davon, dass städtische Bedienstete einer gewissen sächsischen Metropole dazu verdonnert wurden, als Demonstranten-Darsteller zu staatlichen Anti-Pegida-Kundgebungen anzutreten wie einst zu SED-„Kampfdemonstrationen“.

Verdonnert? Halt, bitte an die Sprachregelung halten: Sie waren natürlich freiwillig dort.

Allerdings, so berichtet der Mitarbeiter einer großen sächsischen Metropole (welcher, wird nicht verraten, aber es hört sich irgendwie nach Dresden an) einem Autoren des Internet-Portals „Journalistenwatch“, hätten diejenigen Stadt-Angestellten, die nicht mitdemonstriert haben, hinterher „Besuch“ bekommen. Ebenfalls wie in der DDR bei den verordneten Jubelparaden zum 1. Mai, dem Geburtstag der Republik oder dem von Erich Honecker.

Dass wir wieder in der DDR leben, findet auch besagter Angestellter. Schön und gut, es bleibt nur die Frage, in welche Phase der DDR-Geschichte wir uns bugsiert haben.

Der auskunftsfreudige Stadt-Angestellte berichtet nämlich auch, dass etwa die Hälfte der Mitarbeiter „die Nase gestrichen voll“ hätte, sie legten „nach und nach den Maulkorb ab“. Die andere Hälfte halte einfach den Mund; er sei nicht sicher, ob das Zustimmung zur offiziellen Politik signalisiere oder ob die bloß schwiegen, um ihre Karriere nicht zu gefährden.

Quell des Verdrusses sei vor allem der Umgang mit „Zuzüglern“, die massiv gegenüber Einheimischen bevorzugt würden. Es darf vorausgeschickt werden, dass hier nicht die Rede ist von Zuzüglern aus Erfurt oder gar Hamburg, die müssen sich um ihren Dreck schon selber kümmern. Es sind die anderen, die mit dem Anspruch auf Willkommenskultur.

Immer mehr Einheimische stürmten in die Ämter und beschwerten sich, dass sie monatelang auf einen Facharzt-Termin warten und dann stundenlang im Wartezimmer sitzen müssten, während die Zuzügler sofort drankämen. Sie wollen wissen, warum sich Einheimische an bestimmte Gesetze halten müssten, während dies Zuzügler aus Afrika und Osteuropa nicht müssten, und so weiter und so fort.

Alles das lüden die Menschen bei den städtischen Angestellten ab. Als er gegenüber einem Vorgesetzten dafür plädiert habe, sich zuerst um die eigene Bevölkerung zu kümmern, die alles mit ihren Steuern und Sozialabgaben bezahle, statt um Zuzügler, habe der ihn als Rassisten und Nazi beschimpft. Er und seine Kollegen aber würden darauf inzwischen mit einem lässigen „Okay, dann bin ich eben Nazi“ reagieren.

Das erinnert tatsächlich an den guten alten SED-Staat. Allerdings an die Phase kurz vor seinem Zusammenbruch: Da hatten die Leute ebenso die Angst vor der Obrigkeit verloren, woraufhin bald alles zusammenbrach. Damals wollte die Staatsführung Internierungslager für Unbotmäßige einrichten. Mal sehen, was ihr diesmal einfällt. Die Zeit drängt, denn die „Grundstandards“ wackeln!


MELDUNGEN / ZUR PERSON

Sozialkosten explodieren

Berlin – Die deutschen Kommunen erleben einen dramatischen Anstieg der Sozialkosten, der zunehmend ihre finanzielle Handlungsfähigkeit gefährdet. Spitzenreiter ist Flensburg, wo bereits 58 Prozent des Budgets für Soziales verwendet werden müssen. Insbesondere die Kosten für Asylbewerber scheinen zu explodieren. Die Forderung wird immer lauter, dass sich der Bund weit mehr als bisher an den Kosten für Asylbewerber-Betreuung beteilige. H.H.

 

Auch Pflanzen haben Angst

Columbia/USA – Nach Untersuchungen von US-Forschern können Pflanzen Todesangst empfinden, wenn sie gefressen zu werden drohen. So änderte eine untersuchte Pflanze ihren Stoffwechsel, als sie die Vibration der Kaugeräusche einer in der Nähe fressenden Raupe wahrgenommen hat. Für Vegetarier eine problematische Neuigkeit: Viele von ihnen begründen den Verzicht auf Fleisch auch damit, dass sie keine leidende Kreatur essen wollten. H.H.

 

Er will mit Russland reden

Als grüner Politiker hatte es Joschka Fischer einst bis zum Außenminister geschafft. Was die Bedeutung des Postens angeht, ist er jetzt überboten worden. In Lettland ist der Vorsitzende der dortigen Grünen vom Landesparlament zum Staatspräsidenten gewählt worden. Fünf Wahlgänge waren nötig, ehe die Volksvertreter dem vom Bündnis der Grünen und Bauern nominierten Verteidigungsminister Raimonds Vejonis ihr Vertrauen aussprachen. Am 8. Juli wird er als Nachfolger des 70-jährigen Andris Berzins, der sich nicht mehr wiederwählen lassen wollte, sein Amt antreten.

Als „Joschka Fischer Lettlands“ kann man Vejonis beileibe nicht bezeichnen. Er ist kein polternder und polarisierender Hallodri. Wer ihn nicht mag, nennt ihn uncharismatisch, wer ihn mag, hält ihn wenigstens für pragmatisch und pflegeleicht. Auch in den eigenen Reihen gilt der 48-jährige Biologe, der schon früh in die 1990 kurz vor der Unabhängigkeit Lettlands gegründete Partei der Grünen eingetreten ist, als ein zur politischen Mitte hin ausgerichteter Realpolitiker. Das brachte dem Vater zweier Söhne von 2002 bis 2011 das Amt des Umweltministers und vor einem Jahr das des Verteidigungsminister ein.

Sein Anliegen als Präsident werde es sein, die Beziehungen zu Russland zu verbessern, sagte Vejonis: „Aber solange Raketen und schwere Waffen in der Ukraine bleiben, ist das nicht möglich.“ Als Staatspräsident hat Vejonis im Vergleich zum deutschen Bundespräsidenten recht viel Macht. So ist er Oberbefehlshaber der Streitkräfte und kann im Parlament Gesetze vorlegen oder zurückweisen. Doch das Sagen hat der Ministerpräsident. In Lettland ist es eine Frau: Laimdota Straujuma. Aber mit der liberalkonservativen Politikerin soll sich Vejonis gut vertragen, heißt es. Harald Tews


MEINUNGEN

Der Münchener Volkswirtschafts-Professor Gerald Mann warnt im Gespräch mit den „Deutschen Wirtschaftsnachrichten“ (3. Juni) vor einem bevorstehenden Bargeldverbot:

„Die schrittweise Abschaffung des Bargeldes als relevantes Zahlungsmittel ist sehr wahrscheinlich. Es gibt eine entsprechende Interessenballung bei Politik, Finanzinstitutionen und Notenbanken: Alle drei wollen Bankruns verhindern und Sparer mit Negativzinsen schröpfen ... Außerdem entstünde der ,Gläserne Zahler‘ – die bisherigen Möglichkeiten von NSA & Co. würden noch einmal deutlich gesteigert. Noch mehr von unserem Leben wäre ganz leicht kontrollierbar – George Orwell würde sich verwundert die Augen reiben.“

 

 

Der Politikwissenschaftler Thomas Meyer erklärt im Netzportal „Telepolis“ (2. Juni), wie in Deutschland ein journalistischer Einheitsbrei entstehen konnte, gegen den sich nur noch sehr wenige Medien stemmen:

„Journalisten ... sind hochgradig verunsichert und suchen mehr als je zuvor den Schutz der Herde unter den wachsamen Augen der Alphajournalisten und einiger Vorturner. Von dem auf diese Weise erzeugten Mainstream abzuweichen, wagen nur noch wenige. Diese hoch problematische Homogenisierung (Vereinheitlichung) des journalistischen Feldes scheint dann wiederum den Beleg dafür zu liefern, dass die journalistische Konstruktion der Wirklichkeit ,wahr‘ ist, da sie ja offenbar von allen gleich gesehen und berichtet wird. Ein grotesker Zirkelschluss.“

 

 

Bestseller-Autor Akif Pirinçci berichtet im Portal „Journalistenwatch“ (2. Juni) Bemerkenswertes von seiner jüngsten Griechenland-Reise:

„Griechenland: Ich war da, macht euch keine Sorgen, denen geht’s allen prima. Auf der Luxusinsel Mykonos ließen es sich Menschen aus aller Herren Länder gut gehen, Inder, Asiaten, Spanier, Italiener, Franzosen und natürlich Griechen – nur Deutsche ließen sich nicht blicken, weil die sich solche Urlaube nicht mehr leisten können.“

 

 

Thomas Schmid erklärt in der „Welt“ (9. Juni) Gregor Gysis Verhältnis zur DDR:

„Er hat in diesem Staat in einer Art Nomenklatura-Bohème so gut gelebt, dass er sich am Elend dieser Diktatur kaum stieß. Mehr noch, er war der Überzeugung, dass dieser Staat der bessere war: Gysi gehörte – wie Stephan Hermlin prunkend und Christa Wolf zweifelnd – zu denen, die den Feldversuch DDR für ein unerhörtes, mit allen geschichtsphilosophischen Weihen ausgestattetes Menschheitsunternehmen hielten.“

 

 

Thomas Frankenfeld sucht im „Hamburger Abendblatt“ (9. Juni) eine Erklärung dafür, dass Erdogan bei den Deutschland-Türken mehr Zustimmung bekam als in der Türkei:

„Dass ein noch größerer Prozentsatz der in Deutschland lebenden Türken für den ,Sultan‘ stimmte, liegt auch daran, dass Erdogan, aus der Ferne betrachtet, wie ein Scheinriese wächst. Wer in Berlin oder Hamburg lebt, ist den Härten seines autoritären Systems eben nicht ausgesetzt.“