19.04.2024

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Preußische Allgemeine Zeitung - Aktuelle Ausgabe

© Preußische Allgemeine Zeitung Folge 43/15 vom 24.10.2015

S. 1 Preußische Allgemeine Zeitung

Hetze und Gewalt
Massenzuwanderung: Der Krieg der Worte nimmt gefährliche Züge an

Während unsere Außengrenzen ungeschützt bleiben, werden die Gräben innerhalb Deutschlands immer tiefer aufgerissen.

Für kurze Zeit konnte die Hoffnung aufkeimen, dass die durch Hetze und Polemik gefährlich überhitzte Debatte zur Massenzuwanderung wieder in ruhigere Bahnen findet. Mit seinem Appell, die deutschen Grenzen mit einem Zaun zu sichern, versuchte der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, die Diskussion auf eine sachliche Grundlage zu stellen. Die zentrale Frage ist schließlich, was alle „Verschärfungen des Asylrechts“ erreichen sollen, wenn es weiter möglich ist, die Grenzen zu ignorieren, indem man an den Kontrollstellen einfach vorbeiläuft.

Doch die Hoffnung währte nur kurz. Die Frage, ob Wendt richtig liegt oder ob es andere Lösungen gibt, wurde gar nicht erst erörtert, stattdessen griffen seine Gegner ohne zu zögern in die Giftkiste übler Parolen.

Ausgerechnet der Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Andre Schulz, übergoss Wendt mit Schimpfvokabeln wie „Brandstifter“ und „Dummschwätzer“, kanzelte den ge- wählten Vorsitzenden von 94000 Polizeikollegen gar als „selbsternannten Polizeivertreter“ ab.

Nicht einmal das abscheuliche, beinahe tödliche Attentat auf die Kölner Oberbürgermeister-Kandidatin Henriette Reker bewegt die Aufheizer zum Einlenken. Stellvertretend für zahlreiche Medien tönte eine Berliner Tageszeitung, Pegida habe in Köln „mitgestochen“. Kalt kalkulierend wird die Gewalttat als Vehikel missbraucht, um zehntausende Bürger zu verunglimpfen. Dabei zeichnet sich die Dresdner Bewegung seit einem Jahr vor allem durch ihre Friedfertigkeit aus. Bei Pegida zu beobachtende verbale Radikalisierungs­tendenzen erscheinen wie ein schrilles Echo auf die Hetze, die gegen die Bürger an der Elbe fast seit Bestehen ihrer Bewegung niedergeht. Am Rande des ersten Jubiläums, bei dem rund 30000 Pegida-Anhänger von etwa 11000 „Gegendemonstranten“ umlagert wurden, wurde ein Pegida-Demonstrant schwer verletzt.

Derweil ebbt der unkontrollierte Strom von Zuwanderern nicht ab. Im Gegenteil: In immer mehr „Herkunftsländern“ bauen sich neue Wanderungsbewegungen auf, deren Potenzial längst in die Millionen geht.

Kanzlerin Angela Merkel ist bei der EU mit ihrem Vorstoß zur „gerechteren Verteilung“ der Zuwanderer kalt abgeblitzt; in Ankara, Riad und Teheran bettelt sie wie ein herumgeschubstes Erpressungsopfer um Hilfe bei der Begrenzung der Massenflut. Nun ist sogar eine mögliche EU-Mitgliedschaft der Türkei wieder auf dem Tisch.

Von einer zahlenmäßigen Obergrenze des Zustroms aber will die Kanzlerin weiterhin nichts wissen, von einer effektiven Grenzsicherung ganz zu schweigen. Statt die Grenzen Deutschlands nach außen zu festigen, reißt sie damit die Gräben innerhalb des Landes immer tiefer auf. Hans Heckel


Breitseite gegen Merkel
Unionsabgeordneter Uhl wirft Kanzlerin offenen Rechtsbruch vor

Die Lage in der Zuwanderungskrise ist unhaltbar geworden. Innenpolitiker der Unionsfraktion versuchen, die Initiative zurückzugewinnen. Einer ihrer Vordenker, Hans-Peter Uhl (CSU), erhebt exklusiv in der PAZ massive Vorwürfe gegen die Kanzlerin.

Als vor einer Woche das Gesetzespaket zur Eindämmung der massenhaften Zuwanderung im Bundestag beschlossen wurde, war schon klar: Die Maßnahmen kommen zu spät. Denn gleichzeitig wurde bekannt, dass allein in den 40 Tagen zuvor 409000 Immigranten registriert worden waren – über 10000 pro Tag und das noch ohne die Dunkelziffer.

Dieser Zustand ist illegal, weil deutsche Gesetze die Einreise ohne gültige Papiere und Aufenthaltsbewilligung explizit verbieten. Und im Grundgesetz steht ausdrücklich, dass derjenige kein Asyl beantragen kann, der aus einem sicheren Drittstaat einreist – also niemand, der auf dem Landweg kommt. Das hatte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer wohl im Sinne, als er am 15. Oktober beklagte: „Es gilt zur Zeit keine Ordnung, es gilt kein Vertrag, es gilt kein Gesetz.“ Man kann durchaus sagen, dass heute eine radikale Forderung aus der linksextremen Frühzeit der Grünen exekutiert wird: „Offene Grenzen für alle“ und zwar ohne Rechtsgrundlage, einfach nach einem Motto, das damals ein grünes Lebensgefühl ausgedrückt hat: „Legal, illegal, sch…egal!“

Horst Seehofer sprach in seiner denkwürdigen Erklärung in München die Verantwortung der Bundesregierung deutlich an, vermied es aber, Ross und Reiter zu nennen – also den Gesetzesverstoß und denjenigen, der ihn verübt. Dies hat nun der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Uhl exklusiv gegenüber der PAZ getan. K.B. (siehe Seite 3)


»Gezielt brutal«
Schweizer Nachrichtendienst warnt vor islamistischem Terror

Die Bedrohung durch die rivalisierenden al-Kaida-Gruppen und den „Islamischen Staat“, eine weltumspannende islamische Herrschaft zu errichten, ist eine der größten Gefahrenquellen für die Sicherheit des Westens. Zu diesem Schluss kommt der Schweizer Nachrichtendienst NDB, dessen Analysen und Prognosen sich stets als sehr präzise und zutreffend erwiesen haben.

Wie es in seinem „Lagebericht 2015“ heißt, seien die zehntausende „Gotteskrieger“ hoch motiviert, agierten gezielt brutal und verfügten über ausgeprägtes militärisches und logistisches Können. Ihrer Propaganda in den elektronischen Medien müsse man „hohe Qualität und Quantität“ zubilligen. Die „Heiligen Krieger“ verfügten dabei über beachtliche finanzielle Ressourcen durch ihre Kontrolle der Ölfelder, die Plünderung der irakischen Zentralbank und aus illegalen Handelsgeschäften.

Die größte Bedrohung für den Westen und ebenso die Schweiz besteht nach Ansicht des NDB in den Rückkehrern, die indoktriniert, ausgebildet, kampferprobt und bereit seien, hier Terroranschläge durchführen. Dem „Lagebericht“ zufolge liegt das Problem für die Sicherheitsbehörden darin, dass sie im Vorfeld nur schwer erkennbar seien. Den „Islamischen Staat“ militärisch vernichten zu können, erscheint dem NDB für die nächste Zukunft „allerdings wenig wahrscheinlich“. Andererseits würde eine Konsolidierung der Herrschaft der „Gotteskrieger“ für die Ordnung im Nahen und Mitteleren Osten eine Veränderung von strategischer Bedeutung darstellen.

Gefahren für die Sicherheit des neutralen Landes sieht der NDB auch in der Tätigkeit des US-Geheimdienstes NSA, die nicht nur unter dem Gesichtspunkt der reinen Spionage, sondern bei der Cyber-Spionage ebenfalls unter dem der Sabotage erfolge. F.W.S.


Jan Heitmann:
Schicksalsfrage

Welcher ist derzeit der beliebteste Straßenname in Deutschland? Der Merkelweg. So kursiert es derzeit im Internet. Angespielt wird damit indes nicht auf das gleichnamige Sträßchen in Bergisch Gladbach, sondern auf die Forderung „Merkel weg!“ Das will einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa für „Focus Online“ zufolge immerhin ein Drittel der Deutschen. Für einen Verbleib der Kanzlerin im Amt ist die Hälfte, 15 Prozent sind unentschlossen. Noch deutlicher ist die Meinung der Leser dieser Zeitung. Bei der zweifellos nicht repräsentativen Umfrage zur Frage „Muss Merkel gestürzt werden?“ auf der Internetseite der PAZ stimmten 97,2 Prozent der knapp 2000 Teilnehmer dafür und 1,9 Prozent dagegen.

„Merkels Weg“ – eine dritte Variante des Wortspiels – führt unser Land ohne jede Not ins Elend. Das ist für jeden erkennbar, der seine Augen nicht vor der Realität verschließt, ideologisch verblendet oder einfach dumm ist. Es treibt viele Menschen um, hilflos mit ansehen zu müssen, wie alles außer Kontrolle zu geraten droht. Und das nur, weil Merkel es so will. Kein Wunder, dass ihr nicht nur Kritik, sondern Zorn und vereinzelt sogar blanker Hass entgegenschlagen.

Die „Flüchtlings-Frage“ ist für Merkel zur Schicksalsfrage geworden. Sie selbst schließt einen Rücktritt aus. „Wegducken“ sei nicht ihr „Angang“. Es geht aber nicht ums Wegducken, sondern um Schuld und Verantwortung. Merkel ist die Kanzlerin, der das Volk die Richtlinienkompetenz übertragen hat. Mag sie wegen ihres außenpolitischen Engagements auch noch so anerkannt und nur knapp dem Friedensnobelpreis entgangen sein, innenpolitisch ist sie am Ende. Und damit auch als Regierungschefin.


S. 2 Aktuell

Der janusköpfige Rechtsstaat
Staatliche Organe halten Asylsuchenden ein freundliches Gesicht entgegen, Deutschen ein anderes

Geht es um sogenannte Flüchtlinge, dann tolerieren deutsche Behörden in hunderttausenden Fällen den Bruch geltender Gesetze. Die einheimische Bevölkerung wiederum lernt einen Staat kennen, der Vorschriften äußerst penibel auslegt. Drohende Folge ist ein gespaltener Rechtsstaat – einmal in der laxen Variante, wenn es um Ausländer geht, das andere Mal unnachgiebig und kleinkariert, wenn Deutsche betroffen sind.

Wie weit dies im Einzelfall geht, wurde vor wenigen Wochen am Fall eines Rentners aus Potsdam deutlich. Als Sozialhilfebezieher verfügte der Senior über keinen gültigen Ausweis. Die Stadt Potsdam verweigerte wiederum einen ermäßigten Satz auf die Personalausweisgebühren von 28,80 Euro. Zu viel für den 74-Jährigen der lediglich eine niedrige Rente sowie rund 200 Euro als Hilfe zum Lebensunterhalt pro Monat bekommt. Ohne Ausweis wiederum war auch der Bezug der Mini-Rente in Gefahr, die per Scheck ausgezahlt wird. Um diesen bei einer Bank einlösen zu können, muss der Empfänger seine Identität nachweisen.

In völligem Kontrast zu diesem Vorgehen steht eine Mitteilung, die am 9. September auf der Internetseite der Bundesaufsicht für Finanzdienstleistungen (Bafin) veröffentlicht wurde: „Flüchtlinge haben ab sofort übergangsweise die Möglichkeit, auch dann ein Basiskonto zu eröffnen, wenn sie kein Dokument vorlegen können, das der Pass- und Ausweispflicht in Deutschland genügt“, so die Bafin. Unter anderem zur Bekämpfung von Geldwäsche und um die Finanzierung von Terrororganisationen zu unterbinden, besteht normalerweise die Pflicht, sich bei Kontoeröffnungen mit gültigen Dokumenten auszuweisen. Inzwischen gibt es eine Reihe von gesetzlichen Vorgaben, die nicht mehr gelten, sobald es um „Flüchtlinge“ geht. Zumindest nach bisheriger Rechtslage ist schon der illegale Grenzübertritt ohne gültigen Aufenthaltstitel eigentlich als Straftat zu werten. Gängige Praxis ist es, dass zwar Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, die mit Stellung eines Asylantrages allerdings regelmäßig eingestellt werden.

Hinterfragt werden müsste ebenso die Tatsache, dass ein Großteil der Asylanträge überhaupt von den hiesigen Behörden bearbeitet wird. Sowohl nach EU-Recht als auch nach deutschem Recht müssten alle Asylbewerber, die über sichere Drittstaaten nach Deutschland eingereist sind, eigentlich in die EU-Länder zurück-geschickt werden, über die sie zuerst eingereist sind. Endgültig vorgeführt wird der Rechtsstaat, wenn es um die Abschiebung ausreisepflichtiger Ausländer geht. Gemessen an den Gesamtzahlen finden Rückführungen nur in geringem Maße statt. Faktisch bedeutet dies, wer einmal deutsches Staatsgebiet erreicht hat, kann bleiben – egal wie die gültige Rechtslage aussieht.

Als Ursache dieses inzwischen unübersehbaren Son­derrechts für Asylbewerber sieht der renommierte Staatsrechtler und Professor Karl Albrecht Schachtschneider, einen Moralismus, „der in Deutschland längst eine Verbindlichkeit erlangt, die über der von Gesetz und Verfassung steht“. Hält die Entwicklung an, dass Ausländer mit einem Sonderstatus gewissermaßen über dem Recht stehen, wird dies nicht ohne Folgen bleiben. Zu befürchten ist, dass die Legitimität staatlichen Handelns auch unter der einheimischen Bevölkerung zunehmend in Frage gestellt wird.

Mit Sicherheit ist die Entwick­lung eine Triebkraft hinter dem neuerlichen Aufschwung der Protestbewegung Pegida. Durch die Berichterstattung vieler Medien kaum vermittelt wird die Tatsache, dass die Bewegung sowie lokale Ableger in Sachsen und Thüringen mittlerweile auf dem Sprung zu einer Massenbewegung sind. Pegida oder die Thüringer AfD bringen mittlerweile in Städten wie Dresden, Leipzig, Erfurt und Plauen Woche für Woche Tausende Bürger für Demonstrationen auf die Straßen. So kam es in Sebnitz inzwischen sogar zu einer symbolischen Grenzsicherungsaktion, an der sich mehrere tausend Bürger beteiligt haben. Erste Anzeichen sprechen dafür, dass etwa in Cottbus, nun auch im Land Brandenburg die Proteste gegen die Asyl-und Zuwanderungspolitik der Bundesregierung aufflammen. Norman Hanert


Hilfe oder Teil des Problems?
Dem neuen EU-Hoffnungsträger Türkei droht ein Bürgerkrieg

Auf der Türkei ruhen die Hoffnungen der EU, wenn es darum geht, die Massenzuwanderung nach Europa zu stoppen. Das Angebot, die zuletzt weitgehend festgefahrenen EU-Beitrittsverhandlungen wieder aufzunehmen, Visa-Erleichterungen und Milliardenzahlungen sollen die Türkei dazu bewegen, massenweise Immigration über ihr Territorium nach Europa zu unterbinden.

Dabei scheint fraglich, ob die Türkei aus europäischer Sicht Teil der Lösung ist oder nicht sogar Teil des Problems. Die Gefahr ist groß, dass die Türkei in den kommenden Jahren selbst zum Ursprung einer massiven Abwanderungswelle wird. Das Land kämpft sowohl gegen ein Ende des Wirtschaftsbooms an als auch mit Spannungen im Innern, die schnell zum Bürgerkrieg eskalieren können. Schon jetzt sieht der geopolitische Informationsdienst GEAB die Türkei „in einem unbeschreiblichen Chaos und offensichtlich mehr oder weniger unfähig, irgendeine unabhängige Rolle in der Region zu spielen“.

Vor diesem Hintergrund können die für den 1. November angesetzten Parlamentswahlen als Weichenstellung gelten. Gelingt es Präsident Recep Tayyip Erdogans AKP weder ihre parlamentarische Mehrheit wiederzugewinnen noch eine Koalition zu bilden, dann droht dem Land endgültig ein Abgleiten in eine tiefe Krise, wenn nicht gar in den Bürgerkrieg. Obwohl seine innenpolitische Rolle in den letzten Jahren unter Erdogan deutlich geschwächt wurde, ist damit zu rechnen, dass das Militär zumindest versuchen wird, wie bereits mehrfach in der Vergangenheit die Ordnung im Land wieder herzustellen.

Schon jetzt ist die Lage angespannt genug. Politische Beobachter wie der Journalist Ertugrul Özkök sehen hinter der Aufkündigung des Friedensprozesses mit den Kurden durch Erdogan das Motiv, die Kurdenpartei unter die Zehn-Prozent-Hürde bei den Wahlen zu drücken und gleichzeitig Stimmen bei den türkischen Nationalisten einzusammeln. Das Risiko bei dieser Strategie ist hoch. Schon jetzt kann nicht mehr ausgeschlossen werden, dass Erdogan die entfesselten Kräfte nach den Wahlen nicht mehr gebändigt bekommt und die Lage bis zu einem offenen Bürgerkrieg eskaliert.

Schnell betroffen sein würde in diesem Fall auch Deutschland. Schon jetzt lebt hier eine große Anzahl von Kurden und nehmen auch in deutschen Städten die Spannungen zwischen Türken und Kurden zu. Zum anderen dürften im Fall einer weiteren Eskalation in der Türkei viele Kurden in Deutschland auch eine Fluchtburg sehen. Hoffnungen, dass Ankara sich daran beteiligt, den Immigrationszug aus dem Nahen Osten nach Europa einzudämmen, dürften dann endgültig obsolet sein.

Nicht auszuschließen ist allerdings auch, das Erdogan seine politisch riskante Wette auf einen Wahlsieg am 1. November gewinnt und er eine parlamentarische Mehrheit gewinnt oder sich eine stabile Koalitionsmöglichkeit ergibt. Immerhin ist die AKP immer noch mit weitem Abstand die mächtigste Partei der Türkei. N.H.


Nicht objektiv?
Russland zweifelt an MH17-Bericht

In ihrem Abschlussbericht, den die niederländischen Behörden zum Hergang des Absturzes von Flug MH17, dem im Juli 2014 in der Ukraine abgestürzten Flugzeug der Malaysia Airlines, vorgelegt haben, wird der Anfangsverdacht bestätigt, dass das Flugzeug von einer Boden-Luft-Rakete des Typs „BUK“ aus russischer Herstellung getroffen wurde. Der Bericht ermittelt keinen Schuldigen, legt aber den Schluss nahe, dass die Rakete aus einem Gebiet bei Sneschnoje, das zu dieser Zeit unter Kontrolle der Separatisten stand, abgefeuert wurde. In westlichen Medien war daraufhin zu lesen, dass die Russen für den Abschuss verantwortlich seien.

Gegen diese Sicht setzt Russland sich zur Wehr und kritisiert erneut, dass die niederländische Ermittlungsbehörde russisches Beweismaterial in seinem Bericht nicht berücksichtigt hat. Der staatliche Rüstungskonzern Almaz-Antej und die niederländische Ermittlungsbehörde hatten am selben Tag ihre Version des Absturzhergangs vorgestellt. Almaz-Antej hat in mehreren Feldexperimenten den Beschuss eines Flugzeugs mit BUK-Raketen nachgestellt und betrachtet die Darstellung des Berichts als wiederlegt. Almaz-Antej hegt zudem Zweifel an der Bestimmung des Abschussorts im Rebellengebiet und vermutet diesen selbst im Gebiet Saroschtschenskoje, das unter der Kontrolle der ukrainischen Armee stand. Außerdem sei die im holländischen Bericht erwähnte BUK 9M38 bereits 2011 in Russland ausgemustert und durch eine Modifikation ersetzt worden. Wenn es sich tatsächlich um eine ältere BUK-Rakete gehandelt haben sollte, müsse sie von der Ukraine abgefeuert worden sein.

Von einem „politischen Abschlussbericht“ sprechen sowohl Paul Craig Roberts, ein US-amerikanischer Ökonom und Publizist, stellvertretender Finanzminister während der Regierung Reagan, als auch der ehemalige Lufthansa-Flugkapitän Peter Haisenko. Letzterer bleibt gar bei seiner Theorie, dass MH17 von einer Luft-Luft-Rakete getroffen worden sein müsse, da ein BUK-Treffer keine kreisrunden Löcher verursachen könne wie bei der Unglücksmaschine. MRK


MELDUNGEN

SVP feiert Wahltriumph

Bern – Die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) ist als Sieger aus den Nationalratswahlen hervorgegangen. Bislang schon die stärkste politische Kraft, baute sie ihren Stimmenanteil auf fast 30 Prozent aus. Seit dem Ersten Weltkrieg war keine einzelne Partei mehr auf einen so hohen Wert gekommen. In der großen Kammer des Parlaments gewann sie elf Sitze hinzu und stellt nun 65 der 200 Mandate. Gemeinsam mit der rechtsliberalen FDP, die um drei auf 33 Sitze zulegte, und zwei konservativen Kleinparteien kommt die SVP auf 101 Sitze und damit auf eine hauchdünne konservative Mehrheit. Einen persönlichen Triumpf feierte der SVP-Kandidat Roger Köppel. Mit knapp 180000 Stimmen erhielt der Chefredakteur des Schweizer Wochenmagazins „Weltwoche“ so viele Stimmen wie noch kein Schweizer Parlamentarier vor ihm. Das gute Abschneiden der SVP wird auf ihre Forderung nach einer Begrenzung der Zuwanderung zurückgeführt. J.H.

(siehe Personalie Seite 24)

 

Skandinavische Asylprobleme

Stockholm/Helsinki – Laut einem Bericht des schwedischen Fernsehsenders SVT sind in Schweden seit dem 1. September rund 40000 Asylanträge gestellt worden. Polizeischätzungen gehen allerdings davon aus, dass nochmals ungefähr die gleiche Zahl von Eingewanderten ihre Registrierung als Asylbewerber verweigert hat und aus dem Blickfeld der schwedischen Behörden verschwunden ist. Ebenfalls im Zusammenhang mit der Welle von Asylbewerbern liegt vom finnischen Verteidigungsminister Jussi Niinistö die Warnung vor, dass der Zuzug nach Europa Auswirkungen auf Finnlands Sicherheit hat. Wie er in einem Radiointerview erklärte, gibt es Hinweise, dass Menschen angekommen seien, die mit Aktivitäten des Islamischen Staates in Verbindung stehen. N.H.

 

Deutscher Sieg im Kuchenstreit

Luxemburg – Deutsche Bäcker dürfen weiter Schlesischen Streuselkuchen herstellen und verkaufen. Das hat das Gericht der Europäischen Union (EuG) entschieden. Im Juli 2011 hatte die Europäische Kommission auf Antrag Polens die Bezeichnung „Kolocz slaski/Kolacz slaski“ in das Register der geschützten geografischen Angaben eingetragen. Die polnischen Begriffe, die in der deutschsprachigen Ausgabe des EU-Amtsblatts mit „Schlesischer Streuselkuchen“ wiedergegeben werden, wurden als geschützte geografische Angabe für die Woiwodschaft Oppeln und Teile der Woiwodschaft Schlesien eingetragen. Daher mussten die bundesdeutschen Bäcker befürchten, dass die Herstellung, die Bezeichnung und der Verkauf von Schlesischem Streuselkuchen zukünftig als rechtswidrig bewertet wird. Deshalb reichte der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks vor zwei Jahren Klage beim EuG ein (siehe PAZ 40/2013). Mit Erfolg: Die Richter entschieden jetzt, dass die Erwähnung der Bezeichnung „Schlesischer Streuselkuchen“ in der deutschen Fassung des EU-Amtsblatts ein redaktioneller Fehler gewesen sei. Folglich würden Schlesische Streuselkuchen nicht von der in polnischer Sprache gehaltenen geschützten geografischen Angabe erfasst. J.H.


S. 3 Deutschland

Transitzonen noch umstritten
Polizeigewerkschafter Wendt befürchtet innere Unruhen und plädiert für Grenzzäune

Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, hat in Berlin auf Frage der PAZ erklärt, die Einrichtung von Transitzonen an den Grenzen sei ohne Grenzzäune nicht möglich. Wenn die CDU/CSU Transitzonen wolle, müsse sie dafür ein klares Konzept vorlegen.

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), Gerd Landsberg, hatte sich DPolG-Chef Rainer Wendt vergangene Woche in Berlin auf die Frage der PAZ bezüglich Transitzonen an den Grenzen zunächst noch sehr skeptisch gezeigt. Wendt: „Das Flughafenverfahren muss ganz besonderen Anforderungen genügen. Am Flughafen wird die Einreise nach Deutschland unterbrochen, das heißt, es findet keine Einreise statt.“ Ob analog ein Verfahren an den Landgrenzen eingerichtet werden könne, hänge davon ab, wie das „Konzept der Union“ aussehe. „Da habe ich mehr Fragen als Antworten, sage ich ganz ehrlich“, erklärte Wendt. Die Union müsse die Frage beantworten, wie verhindert werden soll, dass die Menschen überhaupt nach Deutschland einreisen: „Denn wenn sie eingereist sind, kann man ein solches Verfahren mit Transitzonen nicht mehr machen, dann ist das Verfahren zu Ende, dann sind sie eingereist.“ Im Flughafenverfahren sei „niemand freiwillig“. Die Bundespolizei müsse gelegentlich Zwang anwenden, um Menschen in die Transitzonen zu bringen.

Ohne einen Grenzzaun könne man überhaupt kein Transitzonen-Verfahren implementieren. „Wir sind auch sehr gespannt darauf, welche Kräfte ein solches Verfahren gewährleisten sollten“, fügte Wendt hinzu. Dazu gebe es noch sehr viele offene Fragen. „Mich besorgt“, erklärte der Polizeigewerkschafter außerdem, „dass wir möglicherweise verpflichtet werden, unter Anwendung von unmittelbarem Zwang Flüchtlinge in solche Transitzonen zu bringen. Diese Arbeitsteilung akzeptieren wir nicht – dass die Politik irgendwelche Gesetze auf den Weg bringt, das heißt, sie produziert die schönen Bilder von einer handlungsfähigen Politik, und die hässlichen Bilder überlassen wir dann der Polizei.“ „Die Politik“ müsse dann auch „definieren, wer die politische Verantwortung dafür trägt, dass hier möglicherweise massenhaft Zwangsanwendung gegen Tausende von Flüchtlingen erfolgen müsste. Ich kann mir das ehrlich gesagt nicht vorstellen.“

DStGB-Geschäftsführer Landsberg bezog hierzu eine etwas andere Position: „Man könnte ja auch einmal Kreativität walten lassen und sagen, wir machen so etwas mit den Österreichern gemeinsam. Im Moment machen es sich die Österreicher ja sehr einfach, sie schicken die Leute nach Deutschland weiter und registrieren sie nicht einmal. Die Schweiz macht es übrigens genauso. Wir glauben daher, dass Abkommen mit diesen Ländern in Teilbereichen sinnvoll wären.“ Die gegenwärtige Lage könne kein Dauerzustand sein. „Das Dublin-Verfahren gilt sowieso nicht mehr. Aber was gilt denn dann?“, fragte Landsberg.

Wendt hat inzwischen gegen­über der Zeitung „Welt am Sonntag“ erklärt: „Wenn wir ernst gemeinte Grenzkontrollen durchführen wollen, müssen wir einen Zaun entlang der deutschen Grenze bauen.“ Er, Wendt, sei „dafür, dass wir das machen“. Die innere Ordnung sei in Gefahr: „Wir stehen vor sozialen Unruhen. Jemand muss jetzt die Notbremse ziehen – das kann nur Angela Merkel sein.“ Wendt außerdem: „Wenn wir auf diese Weise unsere Grenzen schließen, wird auch Österreich die Grenze zu Slowenien schließen. Genau diesen Effekt brauchen wir.“

Genau das aber lehnt Merkel bislang ab. Auf die Frage, wieso ihre Regierung tatenlos zuschaue, dass Österreich Flüchtlinge durchwinke und ihnen noch den Weg nach Deutschland zeige, erklärte sie in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ nur lapidar: „Österreich könnte bezogen auf seine anderen Nachbarländer auch so argumentieren. Was Sie beschreiben, zeigt doch nur, dass wir eine gesamteuropäische Lösung brauchen.“ Während gesamteuropäische Lösungen auf sich warten lassen, konnte so Österreich bislang weiter täglich ganze Züge voller (echter oder vorgeblicher) Flüchtlinge ausgerechnet auch nach Berlin schicken, wo die Verwaltung längst mehr als überfordert ist.

Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach erklärte in einem Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“, das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz enthalte keine Regelungen für eine deutlich schnellere Bearbeitung offensichtlich unbegründeter Asylanträge schon an der Grenze. Ein vereinfachtes Verfahren sei derzeit nur an einigen deutschen Flughäfen anwendbar. „An unseren Landgrenzen wäre das rechtlich erst dann möglich, wenn wir die einschlägigen EU-Richtlinien umgesetzt haben. Daran arbeiten wir“, sagte er. Die SPD lehnt bislang Transitzonen ab. Bosbach erklärte, in der Diskussion über mögliche Transitzonen werde „mit völlig falschen Zahlen“ operiert. Es gehe nicht darum, „in Grenznähe Zehntausende längere Zeit in Lagern unterzubringen. Das ist grober Unfug.“ Am 12. Oktober etwa seien ungefähr 6000 Asylsuchende nach Deutschland gekommen, davon etwa drei Prozent – also etwa 180 Personen – aus den Staaten des westlichen Balkan. Bei Asylsuchenden, die aus Kriegs- oder Krisengebieten wie Syrien, Irak oder Afghanistan kämen, sei eine Unterbringung in einer Transitzone weder geplant noch notwendig. Michael Leh


»Wir können stolz sein«
Schwesig und Albert stellen die 17. Shell-Jugendstudie vor

Die Generation Null Bock ist von gestern“, verkündete der Nachrichtensender N24 in der vergangenen Woche frohen Mutes. Und die „Bild“-Zeitung verkündete gar, es gebe in Deutschland mittlerweile eine „Generation Aufbruch“. Hintergrund ist die Veröffentlichung der sogenannten Shell-Jugendstudie. Für die Erhebung werden seit 1953 alle drei bis fünf Jahre rund 2500 Jugendliche zu ihrer Einstellungen zu Politik, Gesellschaft und Freizeit befragt.

Bei der Vorstellung der 17. Auflage zeigte sich Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) zufrieden mit den Ergebnissen, die sie präsentieren durfte: „Wir können stolz sein auf diese Generation.“ Die befragten Zwölf- bis 25-Jährigen blickten optimistisch in die Zukunft, interessierten sich mehr für Politik und seien auch Zuwanderern gegenüber viel aufgeschlossener als bei vorhergegangenen Erhebungen. Die Ministerin verschwieg dabei aber die Tatsache, dass die Befragungen im ersten Quartal des Jahres stattgefunden haben, als sich die Zuwanderungskrise noch in ihren Anfängen befand.

„Die junge Generation befindet sich im Aufbruch. Sie ist anspruchsvoll, will mitgestalten und neue Horizonte erschließen“, erklärte Studienleiter Mathias Albert von der Universität Bielefeld. 82 Prozent der Jugendlichen sei es wichtig, „die Vielfalt der Menschen anzuerkennen und zu respektieren“. Das gehe auch aus ihren Antworten speziell zu Asylsuchenden hervor. Für eine Aufnahme wie bisher sprachen sich bei der Befragung Anfang des Jahres 36 Prozent aus – fast jeder Vierte plädierte sogar für eine Ausweitung. „Etwa jeder Dritte wünschte sich weniger Flüchtlinge in Deutschland“, sagte Albert.

Als besonders erwähnenswert hoben der Uni-Professor und die Ministerin hervor, dass immer mehr junge Leute ihr Interesse an der Politik entdeckt hätten. Im Vergleich zum Tiefpunkt 2002 mit 30 Prozent bezeichneten sich nun 41 Prozent der befragten Jugendlichen als politisch interessiert. Dies habe auch damit zu tun, „dass die Zwölf- bis 25-Jährigen die gesellschaftliche Lage in Deutschland wieder positiver sehen“, erklärte Albert. 62 Prozent der Jugendlichen seien übrigens stolz darauf, Deutsche zu sein. Bei jungen Leuten ohne Migrationshintergrund seien das sogar 70 Prozent. Die Mehrheit glaubt, dass Stolz auf das Heimatland ganz von selbst käme, wenn man sich in einer Kultur eingelebt habe.

Dagegen bereiten den Jugendlichen Terrorismus und der Ukraine-Konflikt Sorgen. So haben drei Viertel Angst vor Terroranschlägen, und die Angst vor einem Krieg in Europa ist von 44 Prozent im Jahr 2010 auf 61 Prozent angestiegen. Besorgt sind die Befragten auch, was ihre persönlichen Daten angeht. 72 Prozent gehen nach eigener Aussage vorsichtig mit ihren Daten um. 84 Prozent sind der Meinung, dass Facebook oder Google mit persönlichen Informationen Geld verdienen wollen. Den jungen Leuten gehe es im Internet vor allem darum, soziale Kontakte zu erhalten oder zu intensivieren.

Beim Thema Familie gehen die Meinungen auseinander. Die eigene Familie ist der überwältigenden Mehrheit zwar „sehr wichtig“ und 90 Prozent erklärten, sie hätten einen guten Draht zu ihren Eltern. Dagegen ist der Kinderwunsch abermals zurückgegangen. Peter Entinger


Beispielloser Vorwurf
CDU-Abgeordneter Uhl: Merkels Handeln »höchst problematisch«

Mit der Einladung der Kanzlerin an die in Ungarn festsitzenden rund 20000 Flüchtlinge und Migranten wurden die Paragrafen 95 und 96 des Aufenthaltsgesetzes faktisch suspendiert, sonst müssten jetzt die Busfahrer und Lokführer als Schleuser bestraft werden“, so Hans-Peter Uhl, Justiziar der Unionsfraktion im Bundestag und damit einer der einflussreichsten Juristen des Parlaments. Eben das ist jetzt nicht mehr möglich, weil illegal Einreisende und sogar Schleuser sich nun auf die Bundeskanzlerin persönlich berufen können. Ohne Zustimmung des Parlaments hätte eine solche Einladung nicht ausgesprochen werden dürfen, ist der promovierte Jurist Uhl überzeugt: „Dass dies durch einseitige Erklärung der Bundesregierung ohne vorherige Zustimmung oder auch nur nachträgliche Billigung des Bundestages geschehen ist, ist höchst problematisch. Nur eine besondere Notlage könnte dieses Vorgehen rechtfertigen.“ Dieser Zustand müsse beendet werden, fordert Uhl: „Wir müssen rasch zur Anwendung dieses Gesetzes und auch zur Anwendung der Drittstaatenregelung in Grundgesetz-Artikel 16a zurück­kehren oder diese Bestimmungen ändern. Andernfalls nimmt der Rechtsstaat schweren Schaden.“

Mit diesem harten Vorwurf geht Uhl weiter als bisher jeder andere Bundestagsabgeordnete. Er wirft der Kanzlerin vor, durch einseitige Erklärung die Geltung eines Gesetzes, ja von Verfassungsbestimmungen faktisch außer Kraft gesetzt zu haben. Ein solcher Vorwurf von dieser Seite ist beispiellos in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Doch obwohl der quasi rechtlose Zustand fortdauert, sind juristische Folgen für die Kanzlerin unwahrscheinlich. Sie genießt parlamentarische Immunität. Und die könne ihr nur eben das Parlament wieder nehmen, das sich bislang klaglos den dargestellten Bruch seiner Gesetzgebungskompetenz gefallen lässt.

Unterdessen gehen die politischen Anstrengungen zur Eindämmung der Krise weiter. Die Kanzlerin, die monatelang keine Probleme damit hatte, dass Griechenland gegen die Abkommen von Schengen und Dublin massenhaft Zuwanderer ohne die entsprechenden Papiere in die EU gelassen hat, bittet nun die türkische Regierung darum, „die Kastanien aus dem Feuer zu holen“. Ankara solle Syrien-Flüchtlinge an der Weiterreise hindern und möglichst auch die großen Gruppen, die nun aus Afghanistan zu uns aufgebrochen sind. Doch Ankara fordert dafür einen hohen Preis. Über die neuen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei wird geschwiegen, ja die Kanzlerin ist offenbar bereit, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sogar zu beschleunigen. Da der Zuwanderungsdruck via Türkei andauern dürfte, hat Ankara nun auf unabsehbare Zeit ein massives Druckmittel gegen Berlin und Brüssel in der Hand.

Die Innenpolitiker in der Bundestagsunionsfraktion bleiben unterdessen auch nicht untätig. Sie kündigten für die nächste Fraktionssitzung einen Antrag an, mit Maßnahmen, „wie Flüchtlinge, die offensichtlich unbegründet nach Deutschland einreisen wollen, direkt an der Grenze zurück­gewiesen werden können“. Eine Herausforderung für Merkel, denn dazu müssen die von ihr suspendierten Gesetze wieder in Kraft gesetzt werden.

Konrad Badenheuer


MELDUNGEN

Imam wegen IS verhaftet

Berlin – Ermittler des Landeskriminalamtes Berlin haben den Imam der Moschee des „Fussilet 33 e. V.“ in der Perleberger Straße in Moabit verhaftet. Dem 30-jährigen russischen Staatsangehörigen dagestanischer Herkunft wird vorgeworfen, im Internet für die terroristische Vereinigung IS um Mitglieder und Unterstützer geworben zu haben. Gegen Gadzhimurad K. alias Murat A. wird außerdem wegen des Verdachts ermittelt, für islamistische Gruppierungen in Syrien hochwertiges Waffenzubehör wie Nachtsichtgeräte und Zielfernrohre beschafft zu haben. Bei dem Beschuldigten handelt es sich um eine enge Kontaktperson des im Januar festgenommenen Präsidenten des genannten Moscheevereins, Ismet D., und dessen „Weisenratspräsidenten“, Emin F. U.M.

 

Ramstein für USA unverzichtbar

Berlin – Die US-Luftwaffe ist für ihre geheime Kriegführung gegen radikalislamische Kräfte auf Unterstützung von deutschem Boden aus angewiesen. Dies bestätigte der frühere US-Drohnenpilot Brandon Bryant in seiner Vernehmung vor dem NSA-Untersuchungsausschuss. Seiner Aussage zufolge dient die Luftwaffenbasis Ramstein als Signal-Relais-Station für alle Ziele in Ländern des Nahen und Mittleren Ostens. Alle Daten, „jedes einzelne bisschen Dateninformation, das zu Fluggeräten oder Mannschaften übertragen wurde, lief über Ramstein“, berichtete der Zeuge. Seine Vorgesetzten hätten ihm versichert, dass die deutsche Regierung über diese Funktion der US-Basis informiert und damit einverstanden sei. Deutschland sei der wichtigste Verbündete der USA. Als solcher trage es auch Mitverantwortung für Fehlentwick­lungen und habe Einfluss darauf, „in welche Richtung mein Land geht“, so Bryant weiter. J.H.


S. 4 Akademisierungswahn

Volle Hörsäle – leere Werkbänke
Dem Land droht wieder eine Akademikerschwemme samt akademischem Proletariat

In diesen Tagen hat an Deutschlands Universitäten das Wintersemester begonnen. Es ist traditionell die Zeit, in der die frischgebackenen Abiturienten in die Hörsäle der Republik strömen. Fast 500000 Erstsemester treten ihr Studium an, insgesamt sind es knapp drei Millionen, die in Deutschland derzeit einen akademischen Abschluss anstreben.

Seit Längerem gibt es Streit um die Frage, ob dieser Trend ein positiver sei. Kritiker sprechen bereits von einem Akademisierungswahn: „Es gibt eine Fehlwahrnehmung, dass man nur mit Abitur und Studium ein anständiger Mensch in Deutschland ist. Das müssen wir ändern“, sagte Bundeswirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel vor einigen Wochen.

Die Bertelsmann-Stiftung hat nun eine Studie veröffentlicht, die Ursachen und Wirkungen dieser Tendenzen untersucht hat. Die Autoren sprechen von einem Trend „Volle Hörsäle – leere Werkbänke“, der auch in den kommenden Jahren anhalten werde. Falls kein Umdenken stattfinde, müssten die Unternehmen in Deutschland in 15 Jahren mit rund 80000 Lehrlingen weniger auskommen. Berechne man den demografischen Wandel mit ein, sei der Trend noch stärker. Im Jahr 2030 sei nur noch mit rund 700000 Schulabgängern zu rechnen, 20 Jahre vorher waren es noch knapp 800000. Die Zahl der Erstsemesterstudenten wird aber nur geringfügig sinken, weil prozentual immer mehr junge Menschen das Abitur ablegen. Parallel dazu steigt die Zahl der angebotenen Studiengänge. Das Magazin „Cicero“ schrieb bereits im vergangenen Jahr, dass es mittlerweile schon „Examensbabys“ gäbe. Der Artikel beschreibt, dass nun auch für Hebammen ein Studiengang angeboten wird. Nach vier Jahren haben die Absolventen ihren Master in der Tasche. Auch der Bachelor ist im Angebot, an der Katholischen Hochschule Köln zum Beispiel: „Dort sitzen grauhaarige Frauen, die seit 20 Jahren arbeiten und nun erstmals auch theoretisch lernen werden, was ihren Beruf ausmacht“, heißt es in dem Artikel.

Erfinder des Wortes Akademierungswahn ist Julian Nida-Rümelin, Philosoph, Physiker und Kultusminister in den 90er Jahren im Kabinett von Gerhard Schröder (SPD). Kritisch konstatiert er eine seit Jahren zu verzeichnende Verschiebung bei der Berufsqualifikation vom nicht akademischen Bereich zum akademischen. Der Trend treibt bisweilen seltsame Blüten. So gibt es Fachhochschulen, an denen angehende Physiotherapeuten studieren, aber auch eine klassische Ausbildung absolvieren können. Den Unterschied zu erklären, damit tun sich selbst Experten schwer. „Man darf den Leuten nicht den Kopf verdrehen mit völlig absurden Botschaften wie ,Wer studiert, verdient im Lauf seines Lebens eine Million Euro mehr‘“, sagte Nida-Rümeling gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, „weil dann junge Menschen meinen, sie bräuchten nur ein Studium aufzunehmen und hätten schon eine Art Lottogewinn.“

Eine Folge des Akademisierungswahns ist die Akademikerarmut. „In Fächern wie Jura etwa findet ein Drittel der Absolventen keine adäquate Beschäftigung“, sagt Nida-Rümeling, „auch Biologen oder Geografen haben große Probleme bei der Jobsuche.“ Auf der anderen Seite hätten „Meister und Techniker das niedrigste Risiko überhaupt, arbeitslos zu werden“. Es gibt in der Tat junge Juristen, die sich mit bezahlten Praktika über Wasser halten, Rechtsanwälte in Ballungsgebiete arbeiten teilweise für weniger als 2000 Euro im Monat, nur um Berufserfahrung zu sammeln. Peter Entinger

(siehe Kommentar Seite 8)


Vorbild fürs Ausland
Deutschlands duales Berufsausbildungssystem macht Schule

Fast ein Viertel der spanischen Jugendlichen macht nichts, weder studieren noch arbeiten. In Italien geht man von rund 20 Prozent aus, wobei der strukturschwache Süden stärker betroffen ist. Unter den Ländern der Europäischen Union zählt auch Griechenland gemäß einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zu den akuten Sorgenkinder in dieser Zukunftsfrage. Nach den jüngsten Daten der Europäischen Kommission gibt es derzeit in der EU fünf Millionen arbeitslose Jugendliche.

Kann in dieser Situation Deutschland ein Vorbild sein? Das für die Bundesrepublik typische duale Berufsausbildungssystem erfreut sich mittlerweile auch in den EU-Krisenländern immer größere Beliebtheit. Spanien hat vor einigen Jahren damit angefangen. Das Pflänzlein ist zwar noch zart, aber die Zahlen versprechen Hoffnung. Nach einer Studie der IESE Business School sei die Zahl der bezahlten Lehrlinge von 9550 im Jahr 2013 auf 18000 im vorigen Jahr angestiegen, berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“). Noch seien es aber nur zwei Prozent der jugendlichen Zielgruppe, die in ein duales System integriert seien. Francisco Belil, Vizepräsident der Bertelsmann-Stiftung, erklärte, dass die deutsche Vergleichszahl 60 Prozent betrage.

Die Kombination von praktischer Ausbildung und theoretischem Lernen sei für viele Jugendliche optimal, sagt Belil, daher sei die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland auch so gering. Während Deutschland 2012 eine Jugendarbeitslosenquote von gerade einmal acht Prozent zu verzeichnen hatte, betrug sie in Griechenland und Spanien deutlich mehr als 50 Prozent.

Nicht nur Spanien, sondern auch andere europäische Länder wollen ihre Berufsbildungssysteme reformieren und sich stärker am deutschen Prinzip der dualen Ausbildung orientieren, also theoretische Ausbildung und betriebliche Praxis verzahnen. Die Bundesrepublik hat in den vergangenen fünf Jahren Kooperationsabkommen mit mehreren Ländern, darunter Griechenland, Italien, Spanien, Portugal, Lettland und der Slowakei abgeschlossen.

Die Bertelsmann-Stiftung warnt aber vor zu hohen Erwartungen. Die Form der dualen Ausbildung habe in Deutschland eine lange Tradition, durch die Akademisierung sei sie nur verfeinert worden. Denn die klassische Berufsschule sei eigentlich der Vorläufer gewesen und diese gäbe es in zahlreichen anderen europäischen Ländern nicht.

Wenn auch Politiker und Experten in Deutschland vor einem Fachkräftemangelund einem Akademierungswahn warnen, bekommt das deutsche Bildungssystem Lob von ungewohnter Seite. US-Präsident Barack Obama hat schon im Jahr 2013 in einer Rede zur Lage der Nation erkannt: „Die deutschen Jugendlichen sind nach der Schule bereit für den Arbeitsmarkt, weil sie entsprechend trainiert wurden.“ Und patriotischen Regungen unverdächtige Wochenzeitung „Die Zeit“ lobte die Bildung mit den Worten: „Deutschland, Du bist ein Musterschüler.“ P.E.


Bildung im internationalen Vergleich

Das Ziel der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist es, eine Politik zu befördern, die das Leben der Menschen weltweit in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht verbessert“, heißt es in einer Selbstdarstellung. Die Organisation äußert sich seit Jahren zu wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und wissenschaftlichen Themen und veröffentlicht Jahresberichte. „Bildung auf einen Blick“, heißt die Veröffentlichung, die sich mit Themen wie Schulausbildung, Studium und Jugendarbeitslosigkeit auseinandersetzt. In Deutschland hat die OECD „Bildung auf einen Blick“ in den vergangenen Jahren regelmäßig gemeinsam mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Kultusministerkonferenz vorgestellt.

Die OECD erstellt diese Berichte in ihren 34 Mitgliedsländern sowie einer Reihe von Partnerländern. Unter Berücksichtigung von mehr als 150 Indikatoren erstellt die Organisation internationale Vergleiche in Bezug auf Bildungsbeteiligung und -verlauf, die Finanzierung von Bildung sowie die Organisation von Schulen. Die OECD unterhält in allen ihrer 34 Mitgliedsländern Regionalbüros, in denen Wissenschaftler verschiedener Fachgebiete beschäftigt sind. „Die Tätigkeiten der OECD im Bereich Bildung umfassen Entwick­lung und Prüfung von Politikansätzen, die zur Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Bildungseinrichtungen beitragen sollen“, heißt es. Die OECD hat ihren Hauptsitz in der französischen Hauptstadt Paris, derzeitiger Generalsekretär ist der frühere mexikanische Außen- und Finanzminister Jose Angel Gurria. Die Bundesrepublik Deutschland hat eine Ständige Vertretung bei der OECD in Paris. P.E.


Zeitzeugen

Julian Nida Rümeling – Der Philosophieprofessor und frühere SPD-Staatsminister warnt schon länger vor dem Akademisierungswahn. Mit „absurden Botschaften“ werde jungen Leuten der Kopf verdreht. Nida-Rümelin verweist darauf, wie sehr das Ausland das sogenannte duale System in Deutschland bewundert, „diese einzigartige Kombination aus Berufsschule und Lehre“. Und er macht sich Sorgen um dieses Erfolgsmodell: „Schon bald könnte die klassische Lehre in Deutschland eine Ausbildung zweiter Klasse sein.“

Achim Dercks – Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags äußerte sich lobend über den Vorstoß von Nida-Rümeling. „Er hat das Verdienst, eine Debatte mit angestoßen zu haben. Wir haben ein Klima geschaffen, dass Eltern fast durchweg ihren Kindern ein Studium empfehlen.“

Heino von Meyer – Er leitet das OECD-Büro in Berlin. Seine Organisation beklagt seit Jahren einen Fachkräftemangel in Deutschland. Der Anteil an hochqualifizierten jungen Menschen liege in Deutschland mit 28 Prozent weit unter dem OECD-Durchschnitt von 39 Prozent, schrieb er in einem Beitrag für eine Fachzeitschrift: „Allerdings liegt in diesem Punkt auch ein weit verbreitetes Missverständnis – hochqualifiziert ist kein Synonym für Akademiker.“

Jörg Dräger – Das Vorstandsmitglied der Bertelsmann-Stiftung, fürchtet leere Werkbänke in Deutschland. „Die betriebliche Ausbildung muss für neue Zielgruppen möglich und attraktiv werden“, sagt er.

Sigmar Gabriel – Der SPD-Vorsitzende und Bundeswirtschaftsminister befürchtet die Fehlwahrnehmung, dass man nur mit Abitur und Studium ein anständiger Mensch in Deutschland sei. Seines Erachtens müsse die Politik dafür kämpfen, dass auch klassische Handwerksberufe ihren Wert behalten: „Nicht jeder muss einen akademischen Abschluss alter Prägung in der Tasche haben. Es kann nicht sein, dass Eltern ihren Kindern aus Prestigegründen zu einem Studium raten, zu dem sie gar nicht geeignet sind.“


S. 5 Preussen/Berlin

Die Opfer der Reformpädagogik
Alarmierende Studie: Brandenburgische Schüler versagen in Deutsch

Die Resultate alarmieren: Vergleichsarbeiten von Drittklässlern zeichnen ein desaströses Bild von Brandenburgs Schulpolitik – eine andere aktuelle Studie enthüllt massive Missstände bei Förderschulen und Inklusion.

Die jüngste Vera-3-Studie ergibt, dass mit 47 Prozent fast die Hälfte der brandenburgischen Jungen in der dritten Klasse an den Mindestanforderungen in Rechtschreibung scheitert. Knapp 18000 Schüler aus rund 500 märkischen Schulen haben im Mai 2014 an den Vergleichsarbeiten der Klassenstufe 3 teilgenommen. Auch in Mathematik und Lesen verfehlten viele Schüler den Mindeststandard.

Als sieben Bundesländer 2004 gemeinsame Vergleichsarbeiten (Vera) in der Grundschule starteten, war die Idee neu – 2008 nahmen alle Länder teil. Inzwischen testet die regelmäßige Reihe Dritt- und Achtklässler. „Die zentrale Funktion von Vera liegt in der Unterrichts- und Schulentwicklung jeder einzelnen Schule“, so die Kultusministerkonferenz.

Jede Schule soll demnach die Chance bekommen, die eigene „Unterrichtsplanung und -praxis zu reflektieren“. Zusätzlich zu Unterrichtsbeobachtungen oder Schülerarbeiten liefert Vera Informationen über die Kompetenzen der Schüler. Die Tests finden in Deutsch, Mathematik oder der ersten Fremdsprache statt.

Anders als die internationalen Pisa-Studien wird Vera flächendeckend jährlich von den beteiligten Lehrkräften durchgeführt. Doch nur Berlin und Brandenburg veröffentlichen die Ergebnisse. Vera gibt trotzdem intern Aufschluss, was Schulen in einem Bundesland im Vergleich zu den anderen Ländern leisten.

Bei diesem Vergleich haben Brandenburgs Schulen jetzt schlecht abgeschnitten. Die Opposition im Landtag ist entsetzt, und auch das auswertende Institut für Schulqualität der Länder Berlin und Brandenburg (ISQ) zeigte sich überrascht. Die Tests in Deutsch seien noch vergleichsweise leicht, so das ISQ. Während für Mathematik und Lesen die Teilnahme für die Schüler verpflichtend war, fand der Schreibtest freiwillig statt.

In Mathematik sowie beim Lesen erfüllten jeweils rund 17 Prozent der Schüler die Mindestanforderungen des Tests nicht, beim Rechtschreiben aber versagten immense 42 Prozent. Das miese Ergebnis deutet nicht darauf hin, dass die Schüler den freiwilligen Test bloß nicht ernst genommen hätten. Vielmehr ist die Rechtschreibschwäche wahrscheinlich noch größer, da sich in dieser Hinsicht schlechte Schulen gar nicht für den Rechtschreibtest anzumelden brauchten.

Rot-Rot hat in der Vergangenheit Reformen am Rechtschreibunterricht konsequent abgeblockt. „Die Vera-3-Ergebnisse für Brandenburg geben ein erschreckendes Bild ab“, sagte Marie Luise von Halem, Bildungsexpertin der Grünen-Fraktion jetzt im Landtag. Die Auswertung habe ergeben, dass die Schüler nur „Wörter überwiegend lautgetreu schreiben“. Das „lautgetreue“ Schreiben haben rot-rote wie grüne Politiker indes stets verteidigt. Im September 2013 stand die CDU mit ihrer Kritik an der von Rot-Rot verteidigten Lehrmethode „Lesen durch Schreiben“ allein da – der Landtag lehnte nicht etwa die für mangelnde Rechtschreibkenntnis von Experten bundesweit verantwortlich gemachte Lehrmethode ab, sondern den CDU-Antrag, sie aufzugeben.

Bei „Lesen durch Schreiben“ dürfen die Schüler zunächst die Wörter so schreiben, wie sie sie hören. Die Grünen wollen von ihrer Mitverantwortung für diesen Irrweg nichts mehr wissen. Sie verlangen nun, Rot-Rot solle darlegen „welche Maßnahmen ergriffen werden, um die Rechtschreibfähigkeiten der Brandenburger Drittklässler deutlich zu verbessern“.

In Berlin erzielten die Kinder im Rechtschreiben ebenfalls schlechte Resultate. Auch dort bestimmen neben umstrittenen Lehrmethoden Stundenausfall und Lehrermangel den Schul-alltag. In Brandenburg ist das Thema Unterrichtsausfall gleichermaßen brisant. Letztes Jahr mussten Halbjahreszeugnisse in einigen Fächern wegen massiven Stundenausfalls ohne Noten ausgegeben werden, 31 märkische Schulen mit mehr als 3600 Schülern waren betroffen. Besserung ist teils noch immer nicht in Sicht. In der Grundschule Stülpe fallen mit dem Schuljahresbeginn viele Unterrichtsstunden aus, das Bildungsministerium reagiert nicht auf Proteste der Eltern.

Förderschulen in der Mark versagen laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung sogar deutlich häufiger als in anderen Bundesländern. Nur 11,5 Prozent der Schüler erreichten dort einen Hauptschulabschluss. Im Bundesschnitt gelinge dies 25 Prozent. Die Daten werfen kein gutes Licht auf die vom Land mit politischem Nachdruck verkündete Inklusion von Behinderten. Nur bei der formalen Eingliederung in Regelschulen weist die Mark einen Vorsprung auf. 44,7 Prozent aller Schüler mit Förderbedarf besuchen eine Regelschule (Bund: 31,4 Prozent). Die Opposition in Gestalt von Grünen und CDU kritisiert die Qualität dieses Schulunterrichts schon lange: zu große Klassen und zu wenig Lehrer.

Der wachsende Anteil an Zuwandererkindern in der Mark dürfte die Lage in der Grundschule weiter zuspitzen. Die mit Assoziationen und „Anlauttabellen“ arbeitende Methode „Lesen durch Schreiben“ laufe hier wie so manch andere reformpädagogische Idee bei Ausländerkindern noch mehr ins Leere, fürchten Experten. Das fürs richtige Schreiben ausschlaggebende interne Regelsystem der Kinder für Sprache bleibt in der Mark jedenfalls sichtbar auf der Strecke.

Sverre Gutschmidt


Politisierende Staatsanwälte
von Theo Mass

Ein kleines bei einer Demonstration mitgeführtes Galgenmodell hat den zuständigen Dresdner Staatsanwalt veranlasst tätig zu werden. Die geschmacklose Satireaktion des Pegida-Demonstranten hatte in den Medien und bei Politikern spontan Empörung hervorgerufen. Eine zuvor für Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel „reservierte“ Guillotine auf einer Anti-TTIP-Demonstration führte dagegen erst nach einigen Tagen zu Reaktionen: „Wir prüfen einen Anfangsverdacht auf eine Straftat“, erklärte die Berliner Staatsanwaltschaft.

Gar keine Konsequenzen scheint der jüngst vom Berliner Piraten-Parlamentarier Gerwald Claus-Brunner geäußerte Wunsch zu zeitigen, Panzer und Bombenflugzeuge gegen Pegida-Demonstranten einzusetzen. „Einfach russische Panzer drüberrollen lassen und der Drops wär gelutscht“, so Brunner.

Ein Einzelfall? Keineswegs. Anne Helm – auch von der Piratenpartei – zog in Dresden „blank“ und zeigte ihre nackte Brust, die sie zuvor mit „Thanks Bomber Harris“ beschmiert hatte. Das daraufhin angestrengte Strafverfahren wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Erregung öffentlichen Ärgernisses ergab bislang kein Resultat.

Antideutsche Hetze bleibt in der Regel straffrei. Dass Hinz und Kunz wegen unüberlegter Dämlichkeiten, die sie unbedingt dem Rest der Gesellschaft mitteilen müssen, strafrechtlich verfolgt werden, ist nicht neu. Der bis zur Unkenntlichkeit dehnbare Gummiparagraph 130 StGB (Volksverhetzung) macht das möglich.

Minister, die eigentlich bis zu einem gewissen Grade zur Neutralität verpflichtet sind, rasten in letzter Zeit immer häufiger aus. Bundesjustizminister Heiko Maass, der Pegida-Demonstrationen als „Schande für Deutschland“ bezeichnet, oder Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der die Organisatoren von Pegida als „Rechtsextremisten“ und „Rattenfänger“ beschimpft, sind die berühmte Spitze des Eisbergs. Hans-Jürgen Papier, Ex-Präsident des Bundesverfassungsgerichts, maßregelte den Bundesjustizminister immerhin für seine verbalen Entgleisungen.

Fast jeder juristische Fachmann bestätigt gern, dass die Aktivitäten der Dresdner Staatsanwaltschaft gegen den „Galgenmann“ von Dresden zu keinem Ergebnis führen werden. Wozu dann die Ermittlungen? Was bleibt, ist die Diskriminierung und das Verdikt: „Gegen den ermittelt der Staatsanwalt.“ Einerseits ist die Staatsanwaltschaft den Weisungen der politischen Entscheidungsträger unterworfen. Andererseits ist die Staatsanwaltschaft ein Teil der Rechtspflege. Daher kann der Eindruck, dass hier aus weltanschaulichen Motiven mit zweierlei Maß gemessen wird, der Glaubwürdigkeit des Rechtsstaats Schaden zufügen.


AfD vor der CDU
Erdrutsch bei Landratswahl: Union auf dem dritten Platz gelandet

Nachdem im Landkreis Dahme-Spreewald der Landrat nicht mehr vom Kreistag bestimmt, sondern erstmals direkt von den Bürgern gewählt wurde, ist es am 11. Oktober zu einer politischen Sensation gekommen. Der bisherige Amtsinhaber Stephan Loge (SPD) wurde zwar mit 52,6 Prozent der Stimmen bestätigt, mit 22,9 Prozent erzielte der AfD-Kandidat Jens-Birger Lange aber das zweitbeste Resultat und deklassierte den Kandidaten der CDU.

So kam Sozialdezernent Carsten Saß (CDU), der zuvor als Loges Hauptkonkurrent gehandelt worden war, nur auf 17,9 Prozent. Als Hauptgrund für das gute Abschneiden der AfD wird das Asylbewerberproblem vermutet. So erreichte die AfD in Zützen, das mit seinen 350 Einwohnern Standort eines Asylheims mit 100 Plätzen werden soll, mehr als 60 Prozent. Offensichtlich ausgezahlt hat sich damit, dass die Partei im Kreistag einen Antrag gestellt hatte, Asylbewerber innerhalb des Kreises künftig nach dem Königsteiner Schlüssel zu verteilen. Gemäß diesem bundesweit angewendeten Modell, das vor allem die regionale Steuerkraft berücksichtigt, würden Asylbewerber in Dahme-Spreewald nur in den berlinnahen und wirtschaftlich prosperierenden Gemeinden Schönefeld und Königs Wusterhausen untergebracht werden.

Dem im Amt bestätigten Stephan Loge dürfte seine klare Haltung in Sachen BER zum Sieg verholfen haben: Als zuständiger Landrat ist er Chef der Baubehörde, die für den Großflughafen zuständig ist. 2012 sorgte diese Behörde dafür, dass ein bereits angesetzter Eröffnungstermin wegen mangelhafter Brandschutzmaßnahmen wieder abgesagt wurde. Klare Kante hatte der Landrat damit nicht nur gegen die Flughafenverantwortlichen gezeigt, sondern auch die in Berlin und Potsdam regierenden eigenen Genossen von der SPD.

Aktuell ist es ein anderer SPD-Landrat, der in Potsdam für Verdruss sorgt. Berichten zufolge hat sich vor Kurzem Burkhard Schröder (SPD), Landrat des Kreises Havelland, mit Vertretern der AfD getroffen. Schröder, immerhin Schatzmeister der Landes-SPD, brach damit einen Bann, der fraktionsübergreifend im Landtag gegen die AfD vereinbart worden war. Wie von der AfD verbreitet wurde, habe der SPD-Landrat der Fraktion „gute und kritische Hinweise zur geplanten Kreisgebietsreform“ gegeben und sich angesichts der Asylproblematik gegen diese Reform ausgesprochen. N.H.


Verdrängung droht
Werden Obdachlose Opfer der Asylpolitik?

Die kalte Jahreszeit wirft ihre Schatten voraus. Die Unterbringung der Asylbewerber, Flüchtlinge und Wirtschaftsimmigranten in Zelten ist kaum noch verantwortbar. Ulrike Kostka, Caritas-Sprecherin in Berlin: „Wir können nicht ausschließen, dass Menschen sterben.“ Kai-Uwe Lindloff von der Lager-Betreibergesellschaft Prisod: „Die Zelte sind zwar warm, aber für den Winter nicht warm genug.“

Das Problem: Nun bahnt sich eine Verdrängungssituation gegen einheimische Obdachlose an. Bislang gibt es 83 Notübernachtungs-plätze für Wohnungslose in Berlin: 73 für Männer in der Franklinstraße (Charlottenburg), zehn für Frauen in der Tieckstraße (Mitte). „Seit Wochen erbitten wir eine Stellungnahme von der Senatsverwaltung, wie lange noch Flüchtlinge in Zelten untergebracht werden müssen“, so Susan Hermenau von Prisod.

„Frostschutzengel“, ein Tochterunternehmen der Caritas, gibt zu, dass sie Ausländern sogar empfiehlt, sich wegen eines Übernachtungsplatzes „an die Franklinstraße“ zu wenden. Sogar die Polizei hat dort bereits Ausländer abgesetzt. Eine Sozialarbeiterin berichtet: „Die Konkurrenz um Plätze, Duschen und Essen ist enorm.“

Die heikle Situation hat sich in der Berliner Bevölkerung herumgesprochen, und die Bürger reagieren. Laut Dieter Puhl, Leiter der Bahnhofsmission am Bahnhof Zoo, fürchten deutsche Spender, dass einheimische Obdachlose unter die Räder gerieten, wenn alle Hilfe an Zuwanderer gehe: „Wir müssen manchen Spendern versprechen, dass ihre Kleidung nicht in die Hände von Flüchtlingen gelangt.“ Hans Lody


Ins Krankenhaus geprügelt

Am Rande einer asylkritischen Demonstration im sächsischen Stollberg hat ein Schläger der linksextremen „Antifa“ einen 72-jährigen Rentner krankenhausreif geprügelt. Der Senior hatte Informationsmaterial der Alternative für Deutschland (AfD) verteilt. Während die sächsischen Medien das Thema auf kleiner Flamme kochten, fand das Ereignis in der überregionalen Presse gar keine Erwähnung. Diese Art der Berichterstattung kritisiert der sächsische AfD-Landtagsabgeordnete Carsten Hütter: „Kaum ein Medium in Sachsen, geschweige denn ein überregionales, griff dieses Thema auf.“ Die AfD klagt, dass politisch motivierte Gewalt je nach Richtung sehr unterschiedlich berücksichtigt werde. So sei es tagelang Medienthema gewesen, dass ein Pegida-Demonstrant einem Reporter das Mikro aus der Hand geschlagen habe. Wahrnehmung von politischer Gewalt, die immer abzulehnen sei, finde fast nur statt, wenn die Täter Nichtlinke seien. H.L.


S. 6 Ausland

Warum Putin sich in Syrien engagiert
Für Russlands Präsidenten geht es um mehr als nur die Unterstützung eines Verbündeten

Für Wladimir Putin steht in Syrien die eigene Sicherheit auf dem Spiel. Wie zu Zeiten der Osmanen beherrschen heute wieder Kaukasier ganze Landstriche in Syrien und können von dort aus auch Russland unsicher machen.

Als Russland am 30. September angefangen hat, sich am Krieg in Syrien zu beteiligen, wunderten sich alle, dass Putin seine Kampfjets zunächst nicht die Stellungen des Islamischen Staates (IS) im Nordosten Syriens bombardieren ließ, sondern auf die Stellungen der ebenfalls terroristischen al-Nusra-Front im Nordwesten Syriens fliegen ließ. Des Rätsels Lösung besteht darin, dass in den Reihen der al-Nusra-Front die Tschetschenen die kampferfahrenste Gruppe bilden und sie vielerorts die Kommandeure der der al-Kaida zugehörigen Gruppe stellen.

In den Provinzen Idlib, Latakia und Aleppo stehen die syrischen Streitkräfte von Assad zurzeit unter dem stärksten Druck der Rebellen. Latakia ist das Herzland der Alawiten, der Bevölkerungsgruppe des Assad-Clans, dessen Stammsitz Qardaha nur 30 Kilometer von der Front entfernt liegt. Dort geht es um die Existenz des Regimes.

Gleichzeitig hat Russland mit den Kaukasiern, die das Geschehen in den Reihen der al-Nusra-Front immer mehr bestimmen, noch eine Rechnung offen. Unter den ausländischen Dschihadisten stellen die „Russen“ mit das größte Kontingent, weil man neben den Kaukasiern, das heißt den Tschetschenen, Dagestanern und Inguscheten, auch die Zentralasiaten, die gar nicht mehr zu Russland gehören, dazu zählt. Aus den ehemaligen Sowjetrepubliken Tadschikistan und Usbekistan, in denen der fundamentalistische Islam schon früh Einzug gehalten hat, weil das die Gebiete waren, in die Josef Stalin die Tschetschenen und andere Bergvölker des Kaukasus 1944 hatte deportieren lassen, kommt ebenfalls eine große Anzahl von Gotteskriegern in Syrien. Für Russland ist also der Einsatz in Syrien so etwas wie der dritte Tschetschenienkrieg, der erste dauerte von 1994 bis 1996, der zweite begann 1999, er hat neben Tschetschenien auch Inguschetien und Dagestan erfasst. Beendet ist er immer noch nicht, nur kaltgestellt, weil Putins Kettenhund Ramsan Kadyrow im Kaukasus für Ordnung sorgt.

Der Einsatz der kriegerischen Kaukasusvölker, deren Aggressivität sogar Adolf Hitler begeistert hatte, hatte schon unter den Osmanen begonnen, welche die kriegerischen Völker in ihrem Vielvölkerstaat als Ordnungsmacht gegenüber ungeliebten Minderheiten einsetzen, was vor allem die Armenier und die Araber zu spüren bekamen. So gibt es Enklaven von Tschetschenen und Tscherkessen heute in allen Ländern des Nahen Ostens, angefangen von Israel über Jordanien bis nach Syrien. Im derzeitigen syrischen Bürgerkrieg tauchten die Tschetschenen erstmals im Jahre 2012 bei der Belagerung von Aleppo auf. Ihnen gelang trotz einer erdrückenden Übermacht der damaligen syrischen Armee die Einnahme der Hälfte dieser größten Stadt Syriens. Viele Tschetschenen kamen nicht aus dem Kaukasus, sondern hatten bereits Kampferfahrung in Afghanistan und dem Irak gesammelt.

In den Bergen von Latakia lagern heute kaukasische Kampfgruppen, die mit Russland noch eine ganz besondere Rechnung offen haben. Mindestens drei dieser kaukasischen Kampftruppen haben Kämpfer und Feldkommandeure in ihren Reihen, die russische Soldaten schon im Nordkaukasus getötet haben. Sie haben große Kampferfahrung, sie sind berüchtigt für ihre Grausamkeit, Skrupellosigkeit und ihren Fanatismus. Die drei tschetschenisch geführten Hauptgruppen sind die Adschnad al-Kawkas, Dschund al-Scham und die kleinere Truppe Tarkhan’s Djamaat. Alle drei kämpfen an der Seite der syrischen al-Nusra-Front und der nationalistisch ausgerichteten Islamisten von Ahrar al-Scham, die Putin besonders ins Visier genommen hat. Dass mit den Kaukasiern nicht zu spaßen ist, wissen auch die US-Amerikaner spätestens seit dem Attentat der Zarnajew-Brüder auf den Boston Marathon.

Bis zu 4000 russische Dschihadisten sollen gegenwärtig jeweils zur Hälfte beim IS und bei der al-Nusra-Front in Syrien kämpfen. Sie kämpfen vor allem in den Provinzen Idlib, Latakia und Aleppo, die Putin jetzt mit Hochdruck bombardieren lässt. Für Russland geht es also in Syrien auch um den Schutz seiner eigenen Südflanke und nicht nur um Unterstützung für einen ins Wanken geratenen Diktator. Die Gefahr, die Russland mit diesem Einsatz in Kauf nehmen muss, ist ein Wiederaufflammen des islamistischen Terrorismus im eigenen Land, ein Schreckensszenario, das sich in Russland niemand wünscht.

Bodo Bost


Spaltung der Tibeter
Lachender Dritter ist die chinesische Besatzungsmacht

Vom Westen momentan noch weitestgehend unbemerkt ist es unter den Tibetern in ihrer von China annektierten Heimat wie im Exil zu einer religiösen und politischen Spaltung gekommen. Die Ursache hierfür liegt in der Kontroverse um die Verehrung der Schutzgottheit Dorje Shugden (Mächtiger Donnerkeil). Diese gilt als Reinkarnation des allseits hochgeschätzten Weisheitsbuddhas Manjushri, aber auch des umstrittenen lamaistischen Gelehrten Ngatrul Dragpa Gyaltsen (1619–1656), der seinerzeit massivst gegen den von 1642 bis 1682 regierenden fünften Dalai Lama, Ngawang Lobsang Gyatso (1617–1682), opponierte.

Das jetzige geistliche und weltliche Oberhaupt der Tibeter, der 14. Dalai Lama Tenzin Gyatso, hat sich schon 1976 entschieden gegen den Dorje-Shugden-Kult ausgesprochen, weil er die Einheit des Glaubens gefährde und das weitere „Gedeihen der tibetischen Gesellschaft unangemessen“ behindere. Dem folgten dann ab 1996 konkrete praktische Restriktionen gegen die Anhänger des verfemten Schutzgottes, die auch heute noch zur Anwendung kommen. Wer nicht abschwört, der darf beispielsweise an keinen Gebeten oder religiösen Unterweisungen des Dalai Lama mehr teilnehmen. Zudem drohen Mobbing und gesellschaftlicher Boykott. Eine Zeitlang kursierten sogar anonyme Steckbriefe in Indien und Nepal, die zu Gewalttaten gegen die zehn wichtigsten Vertreter des Dorje-Shugden-Kultes aufriefen.

Die dergestalt Attackierten reichten daraufhin Klage vor dem Obersten Gericht in Neu Delhi wegen religiöser Verfolgung ein, was allerdings zu keinem Ergebnis führte. Kurz danach ermordeten die militanten Dorje-Shugden-Anhänger Tenzin Chozin und Lobsang Chodrak den angesehenen Theologen und Dalai-Lama-Vertrauten Geshe Lobsang Gyatso sowie dessen Schüler Lobsang Ngawang und Ngawang Latto. Deshalb bezeichnen manche Tibetexperten wie Robert Thurman und Robert Barnett von der Columbia University in New York die Verehrer des „Mächtigen Donnerkeils“, deren Zahl inzwischen vermutlich schon bei einer Million weltweit liegt, als „buddhistische Taliban“.

Derzeit liegt die Führung der sektiererischen Bewegung bei der International Shugden Community und der Western Shugden Society. Diese beiden Vereinigungen organisieren nicht zuletzt auch die zunehmenden öffentlichen Proteste gegen den Dalai Lama, in deren Verlauf die Demonstranten immer wieder lautstark skandieren, der Gottkönig vom „Dach der Welt“ sei ein ganz profaner Lügner beziehungsweise Hochstapler und unterdrücke religiöse Minderheiten.

Dabei gibt es zahlreiche Indizien dafür, dass die innertibetische Opposition gegen Tenzin Gyatso von China aus finanziert und gesteuert wird. So sichteten Beobachter bei den Anti-Dalai-Lama-Aufmärschen der letzten Monate wiederholt Botschaftsangehörige aus dem „Reich der Mitte“. Und das kann auch kaum verwundern: In Peking hat man natürlich ein überaus großes Interesse daran, Unfrieden unter den Tibetern zu stiften und die Autorität ihres charismatischen weltlichen und geistlichen Führers zu untergraben. Aus diesem Grunde erhalten Exil-Tibeter, die sich zu Dorje Shugden bekennen, inzwischen auch recht unkompliziert die Genehmigung zur Wiederansiedlung in der Heimat.

Wolfgang Kaufmann


Mangelnde Solidarität
Die Golfstaaten nehmen kaum fliehende Glaubensbrüder auf

Mitte September haben sich zwei große islamische Bevölkerungsbewegungen gekreuzt. Die drei Millionen muslimischen Pilger, die aus aller Welt zur Hadsch, der vom Islam vorgeschriebenen Wallfahrt, nach Mekka in Saudi-Arabien pilgerten, und die Hundertausende von Muslimen aus Syrien dem Irak, Afghanistan und Pakistan, die ihr Mekka in Europa, genauer gesagt in Deutschland, zu finden glauben.

Während Saudi-Arabien zur im Islam vorgeschriebenen Hadsch seine Tore weit aufmacht, macht es für die syrischen und irakischen Kriegsflüchtlinge die Grenzen mit immer strengeren Einreiseregelungen immer mehr zu. Dabei sind die syrischen Flüchtlinge in ihrer Mehrheit auch sunnitische Muslime und sprechen Arabisch wie die Golf-Araber. Sprachkurse müssten sie nicht durchlaufen und Moscheen sind auch schon in genügender Zahl vorhanden, denn die Golf-Araber sind sehr fromm.

„Es ist eine Schande, wie die Golfstaaten sich verhalten“, klagen syrische Flüchtlinge. Dabei haben einzelne Golfstaaten wie Katar als Schutzmacht der Muslimbruderschaft oder Saudi-Arabien als Schutzmacht der Salafisten reichlich am syrischen Bürgerkrieg mitgezündelt und dadurch den Konflikt erst richtig angeschürt. Einige glauben sogar, dass sie ihn überhaupt erst angezettelt haben.

Kuwait, Dubai, Katar oder Saudi-Arabien schauen also trotz gemeinsamer Sprache und Religion zu, wie Syriens zumeist arme Nachbarländer Türkei, Libanon und Jordanien sowie Ägypten die Hauptlast bei der Flüchtlingsaufnahme tragen. Die Vereinten Nationen (UN) mahnten die Golfstaaten, ebenfalls Flüchtlinge aufzunehmen, beließen es jedoch bislang bei freundlichen Ermahnungen, weil die Länder immerhin noch in die UN-Flüchtlingsprogramme einzahlen. Laut den UN hat Kuwait bislang 1600 und Katar etwa 220 Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Als Flüchtling kann man nicht in die Golfstaaten einreisen. Allein über das Umsiedlungsprogramm des Uno-Flüchtlingswerks kann man dort ohne Arbeitsvertrag einen dauerhaften Aufenthalt erwerben. Lediglich 33 syrische Flüchtlinge sind so in den Golfstaaten aufgenommen worden.

Schon vor dem Krieg hatte es Hunderttausende Syrer als Gastarbeiter in die Länder am arabischen Golf gezogen. Dorthin können sie auch heute noch gehen, wenn sie einen Arbeitgeber finden, der sie einstellt und ihnen als Kafeel (Bürge) ein Visum besorgt. Dieses Visum endet jedoch sofort wenn der Job weg ist. Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe gibt es in den reichsten Ländern der Erde nicht. Inzwischen machen es die Golfstaaten Syrern schwerer, solche Arbeitsvisa zu erhalten, weil man fürchtet, dass viele illegal im Lande bleiben.

Die autoritär geführten Golfmonarchien fürchten sich am meisten vor sozialen Unruhen. Vor allem arabischsprachige Ausländer könnten die eigene Bevölkerung anstecken. Deshalb zieht man sogar christliche Philippinos und hinduistische Inder als Gastarbeiter den arabischen Glaubensbrüdern“ vor. In den kleineren Golfstaaten wie Katar oder den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) sind lediglich zehn Prozent der Bevölkerung noch Einheimische. 90 Prozent sind Ausländer, die als Gastarbeiter vorübergehend im Land sind. Die Staatsangehörigkeit zu bekommen ist nahezu unmöglich, es sei denn man ist Spitzensportler mit Medaillenchancen. Da werden sogar Afrikaner eingebürgert, wenn sie vorher zum Islam konvertieren. B.B.


MELDUNGEN

Syrien als Waffen-Testfeld

Moskau/Aleppo – Der militärische Einsatz in Syrien kommt Wladimir Putin äußerst gelegen. Das sagte Konstantin Remtschukow, Chefre-dakteur der „Nesawissimaja Gazeta“. Nicht nur für die Wiederherstellung der politischen Reputation des in die Isolation geratenen Präsidenten sei Syrien wichtig, sondern auch, um den Weltmachtanspruch Russlands zu untermauern. Die russiche Regierung hatte in den vergangenen  Jahren die Armee reformiert. Sie wurde mit neuen Waffensytemen, Radar- und modernen Kontrolltechniken ausgestattet, für die Testfelder gesucht wurden. Als solches habe sich Syrien angeboten. Hier könne das Militär seine neuen Waffen im Einsatz testen und notfalls korrigieren. In drei Tagen hatten die Russen mehr IS-Stellungen zerbombt als die USA  und ihre Verbündeten in einem  Jahr. Dass Putin darüber hinaus die USA nicht um Erlaubnis für den Einsatz gefragt, sondern Obama lediglich über seine Pläne informiert hatte, wird zu Hause als Erfolg gewertet. MRK

 

»Ein Signal des Widerstandes«

Oranje – Ein Großteil der 140 Einwohner des kleinen niederländischen Ortes Oranje hat in der vergangenen Woche die Zufahrt zu einem ehemaligen Feriendorf blockiert. Dort waren bereits 700 Asylsuchende untergebracht worden. Als entgegen anders lautenden Absprachen erneut Busse mit mehreren hundert Personen anrückten, gingen die Einwohner auf die Barrikaden. Ihr Protest richte sich gegen die Politik und nicht gegen die schutzsuchenden Menschen, erklärten sie. Der Vorsitzende der Partij voor de Vrijheid (Partei für die Freiheit), Geert Wilders, sprach von „einem ermutigenden Signal des Widerstands“. P.E.


S. 7 Wirtschaft

Angeblich null Prozent Inflation
Wie das Statistische Bundesamt den Kaufkraftverlust der Deutschen schönrechnet und warum es das tut

Nach offiziellen Angaben betrug die Teuerungsrate vergangenen Monat 0,0 Prozent. Trotzdem haben nicht nur Geringverdiener oftmals den Eindruck, dass die Lebenshaltungskosten in Deutschland immer höher werden.

Laut dem Statistischen Bundesamt kosteten Waren im September im Durchschnitt so viel wie ein Jahr zuvor. Damit war die Inflationsrate in Deutschland – mit Ausnahme des Januars – so niedrig wie seit sechs Jahren nicht mehr. Warum dennoch viele Verbraucher zu Recht den Eindruck haben, dass es im Alltag teilweise zu heftigen Preiserhöhungen gekommen ist, macht ein Blick auf die Details der statistischen Erhebung deutlich.

Der sogenannte Warenkorb aus 750 Produkten, die ein deutscher Durchschnittshaushalt mit 2,3 Personen aus Sicht der Statistiker verbraucht, gibt nämlich nur einen Durchschnittswert an, der im Einzelfall das Kaufverhalten nur sehr ungenau widerspiegelt. In der Realität kann es durchaus sein, dass einzelne Verbraucher wesentlich höhere Preisanstiege hinnehmen müssen, während andere mehr Geld in der Tasche haben – je nachdem, wie sie die Waren in verschiedenem Maße gekauft haben. So ist Energie (Benzin, Heizöl und Strom) für die Haushalte aufgrund der gesunkenen Ölpreise gegenüber dem Vorjahr um 9,3 Prozent billiger geworden. Autofahrer zahlten etwa für Superbenzin im September fast 13 Prozent weniger als im Vorjahr. Dieselkraftstoff war sogar um über 16 Prozent preiswerter zu haben. Mieter und Hausbesitzern profitierten vor allem, wenn sie mit Öl heizen. Die Preise für Heizöl lagen um fast 28 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Deutlich gestiegen waren dagegen die Nahrungsmittelpreise mit 1,1 Prozent und die Mieten, die im Schnitt um 1,3 Prozent anzogen. Besonders stark gestiegen sind dabei die Preise für Gemüse mit 9,6 Prozent und Obst mit 8,8 Prozent. Der Preis für Äpfel ist zum Beispiel um zehn Prozent gestiegen, Kartoffeln haben sich um 22 Prozent verteuert. Insgesamt genügte der Verfall der Energie- und Spritpreise aber, um in der Statistik den Preisanstieg anderer Produkte wie Obst, Gemüse, Alkohol oder Kleidung mehr als zu kompensieren.

Als Folge konnten Pendler, die mit dem Auto unterwegs sind, und Eigenheimbesitzer durchaus mehr Geld in der Tasche haben, während Großstädter vor allem die Preiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr und höhere Lebensmittelpreise wahrgenommen haben. Eine große Rolle spielt ebenso die Höhe des Einkommens. Die gestiegenen Mieten und Nahrungsmittelpreise wiederum belasten Geringverdiener überproportional, weil sie erfahrungsgemäß einen höheren prozentualen Anteil ihres Einkommens dafür aufwenden.

Kritik an der Zusammenstellung des statistischen Warenkorbs regt sich schon länger. Ein Vorwurf: Langlebige Konsumgüter wie etwas Unterhaltungselektronik, die eher selten gekauft werden, seien in dem Warenkorb zu stark gewichtet, die täglichen Ausgaben dagegen untergewichtet. Hinzu kommt eine Vorgehensweise der Statistiker, die auch in den USA heftig kritisiert wird. Weichen Verbraucher wegen eines zu hohem Preises von Markenware auf preiswertere Alternativprodukte mit geringerer Qualität aus, so fließt dies in die Statistik als gesunkener Preis ein. Greifen zum Beispiel viele Familien aus finanziellen Gründen, statt zur hochwertigen Butter nur zur normalen, so ergibt dies eine niedrigere Inflationsrate – ungeachtet der Qualitätsunterschiede.

Faktisch wird damit allerdings eine Preiserhöhung zu einem Preisverfall umgedeutet. An sich sollte es im Digitalzeitalter wenig Mühe machen, einen statistischen Warenkorb zu ermitteln, der die Lebenswirklichkeit der Verbraucher genauer wiederspiegelt. Die Bereitschaft hierzu ist allerdings nicht erkennbar. Dass der Warenkorb der Statistiker die Lebenswelt von Geringverdienern und den Beziehern mittlerer Einkommen nur ungenau widerspiegelt, hat nämlich weitreichende Konsequenzen. Das ermittelte „stabile Preisniveau“ ist natürlich ein willkommenes Argument bei Tarifverhandlungen, etwa der öffentlichen Hand, oder wenn es darum geht, die Renten anzupassen. Notenbanken wie die Europäische Zentralbank (EZB) nutzen die offiziellen Zahlen wiederum als Begründung um die Geldpresse anzuwerfen. Innerhalb der Euro-Zone als Ziel ausgegeben ist nämlich ein Inflationsziel von zwei Prozent. Fällt der statische Wert wie im September darunter, wird mit der drohenden Gefahr einer Deflationsspirale, einer wirtschaftsschädlichen Kaufzurückhaltung argumentiert. Fallende Preise würden bei den Verbrauchern die Hoffnung wecken, durch weiteres Abwarten zu einem späteren Zeitpunkt noch günstiger zum Zuge kommen zu können, so die Standardargumentation. Zu befürchten ist vor diesem Hintergrund, dass die EZB unter ihrem Chef Mario Draghi die jüngsten statistischen Zahlen nutzen wird, um eine noch laxere Geldpolitik zu begründen. Norman Hanert


Armut in Russland wächst
Lebensmittelkarten für Bedürftige sollen Landwirtschaft stützen

Während Wladimir Putins Syrieneinsatz bei seinen Landsleuten allgemeine Zustimmung findet, spitzt sich die wirtschaftliche Lage im Inneren weiter zu. Während Putins Umfragewerte weiter hoch bleiben und aktuelle Umfragen belegen, dass trotz Krise Zweidrittel der Bevölkerung mit ihrem Leben zufrieden sind, sprechen die Wirtschaftsdaten eine andere Sprache. Seit Jahresbeginn liegt die Inflationsrate bei 12,2 Prozent und laut Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew wird sie auch im kommenden Jahr noch bei 6,4 Prozent liegen. Wann mit einer Besserung zu rechnen ist, steht in den Sternen, denn die Dauer der Sanktionen und des Rubelverfalls sowie die Höhe des Ölpreises sind nicht vorhersehbar.

Während es in Moskau den meisten besser geht, weil vor allem junge, qualifizierte Menschen gute Perspektiven haben, tritt in den Provinzen die Misere offen zu Tage. Lassen die Hauptstädter ihr Auto öfter stehen und verzichten auf Auslandsreisen, so ist im Umland eine Änderung des Konsumverhaltens auf allen Ebenen zu sehen. Handelsketten stellen ihre Expansionspläne zurück, da sie die schwächere Nachfrage zu spüren bekommen. Laut einer Umfrage des staatlichen Meinungsforschungsinsituts VZIOM glauben 40 Prozent der Russen, das Schlimmste stehe noch bevor. Vor allem die Erhöhung der Wohnnebenkosten bereitet 82 Prozent der Befragten Sorge, aber auch die Angst vor Arbeitslosigkeit wächst. Die Arbeitslosenquote liegt zwar nur bei einem Prozent, aber dennoch steigt die Armutsrate. Aktuell leben laut Angaben des staatlichen Statistikamts Rosstat 22 Millionen Russen unterhalb der Armutsgrenze.

In den ersten acht Monaten dieses Jahres ist das Bruttoinlandsprodukt (BiP) um 3,9 Prozent gesunken, der Rückgang der Wirtschaftsleistung liegt laut der russischen Zentralbank 2015 bei bis zu 4,4 Prozent. Da vor allem Geringverdiener und kinderreiche Familien unter der Krise leiden, erwägt die Regierung, an mehr als 15 Millionen Russen Lebensmittelkarten zu vergeben. Damit soll nicht nur den Betroffenen geholfen werden, sondern die Regierung sieht darin eine Möglichkeit, die heimische Landwirtschaft zu stützen. Das Handels- und Industrieministerium will elektronische Lebensmittelkarten ausgeben, wofür der Staat 240 Milliarden Rubel (etwa 3,3 Milliarden Euro) aufbringen müsste. Dabei handelt es sich um Bankkarten, die monatlich mit einem Guthaben aufgeladen werden, von dem der Bezieher sich dann mit frischen Lebensmitteln aus heimischer Produktion eindecken kann.

Hersteller von Fleisch, Milch, Obst und Gemüse können sich in eine Liste bevorzugter Lieferanten eintragen. Wer den Zuschlag erhält, bestimmt jede Region selbst. Es ist vorgesehen, dass statt importierter Tiefkühlkost frisches Fleisch aus der Region, statt sterilisierter Milch pasteurisierte heimische sowie frisches Obst und Gemüse konsumiert werden. An diesem System sollen nur ausgewählte Banken tätig sein. Im Gespräch ist die Sberbank.

Der Bürger erhält zusätzlich die Möglichkeit zu sparen, indem das Ministerium noch einen 50-Prozent-Rabatt für Waren aus hei­mischer Produktion gibt. Kritik wurde am Begriff „Lebensmittelkarten“ laut, erinnert er doch zu sehr an Notzeiten Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre.

Manuela Rosenthal-Kappi


Norwegen glaubt an BMW
Der Staatsfonds ist zum viertgrößten Anteilseigner aufgestiegen

Während viele Anleger angesichts der VW-Affäre sich von Aktien deutscher Autohersteller trennten, nutzte ein Investor die gesunkenen Kurse, um kräftig nachzukaufen. So hat Norwegens Staatsfonds offenbar in größerem Umfang in BMW-Aktien investiert. Wie viele Papiere die Norweger genau zugekauft haben, ist bislang unklar. Fest steht allerdings, dass der Staatsfonds des seit 2013 von der Konservativen Erna Solberg regierten Königreichs die meldepflichtige Marke von drei Prozent Aktienanteil überschritten hat und nun viertgrößter Anteilseigner ist. Das teilte ein BMW-Sprecher Anfang Oktober mit.

Für Aufmerksamkeit in der Wirtschaftspresse sorgte der gigantische Fonds der Norweger allerdings noch in einem anderen Zusammenhang. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg ist damit zu rechnen, dass der norwegische Staatsfonds ab 2016 damit beginnen wird, Vermögenswerte wieder abzustoßen, um die Staatskasse zu entlasten. Hintergrund sind wegbrechende Einnahmen durch den anhaltend niedrigen Ölpreis. Kommt es im kommenden Jahr tatsächlich so weit, dann wird der Schritt eine hohe Symbolwirkung haben.

Mit Werten in Höhe von 830 Milliarden US-Dollar ist der norwegische Staatsfonds der größte staatliche Vermögensverwalter der Welt. Gespeist aus den Einnahmen der Öl- und Gasexporte ist die Macht des norwegischen Fonds so groß, dass Großunternehmen und Regierungen zittern, wenn die Norweger ihre Anlagestrategie ändert. Dem Fonds gehören zum Beispiel Nestlé-Aktien im Wert von mehr als sechs Milliarden Dollar und deutsche Bundesanleihen im Wert von rund zwölf Milliarden Dollar an.

Mit der sich abzeichnenden Trendwende werden die Norweger nicht allein dastehen. Wie Berechnungen der Bank BNP Paribas belegen, haben schon im vergangenen Jahr wichtige Ölförderländer damit angefangen, über Jahrzehnte angehäufte Vermögenswerte wieder zu Geld zu machen. Gewöhnt an üppig sprudelnde Einnahmen standen vor allem Staaten am Arabischen Golf vor der Wahl, sich einzuschränken oder Anleihen und andere Anlagen wieder abzustoßen.

Die Entwicklung ist aus Sicht der USA alarmierend. Gefährdet ist nämlich damit das gesamte System des Petro-Dollars. Bislang konnte man sich in Washington sicher sein, bei den Scheichs vom Golf zuverlässige Abnehmer für US-Staatsanleihen zu haben. Da inzwischen auch China angefangen hat, sich von seinen Dollar-Anleihen zu trennen, könnte Washington in den kommenden Jahren vor dem Problem stehen, dass es zu wenig ausländische Kreditgeber für seine Staatsverschuldung findet. N.H.


MELDUNGEN

Flüssigerdgas für Polen

Swinemünde – Mit der Eröffnung eines Terminals für Flüssigerdgas (LNG, liquefied natural gas) im Hafen von Swinemünde ist Polen dem Ziel nähergekommen, bei der Gasversorgung unabhängiger von Russland zu werden. Zunächst auf eine Kapazität von fünf Milliarden Kubikmetern pro Jahr ausgelegt, kann das für 720 Millionen Euro errichtete Terminal ein Drittel des polnischen Gasverbrauchs abdecken. Mit Blick auf die Anlage in Swinemünde hat Polen bereits im Jahr 2009 einen 20-Jahres-Vertrag mit Katar abgeschlossen. Das auf einer Halbinsel liegende und im Süden an Saudi-Arabien grenzende Emirat ist der größte Flüssiggas-Produzenten der Welt. N.H.

 

Italiens Banken faktisch pleite

Rom – Das italienische Bankensystem ist faktisch insolvent. Insgesamt sitzen die italienischen Banken auf Problemkrediten im Gesamtwert von 200 Milliarden Euro. Aktuell sind weitere drei Kreditinstitute auf Hilfe des römischen Bankenfonds angewiesen. Dieser soll nun als Großaktionär bei den drei Instituten einsteigen. Bezahlen müssen dies die Großinstitute, die teilweise selbst erhebliche Restrukturierungsbedarf haben. J.H.


S. 8 Forum

Ausgeträumt
von Florian Stumfall

Viktor Orbans Beispiel macht Schule. Noch hatte sich die EU-weite Aufregung wegen des Zaunes nicht gelegt, den er an der ungarisch-serbischen Grenze hatte errichten lassen, noch war derjenige gegen Kroatien nicht fertiggestellt, da hörte man bereits von einem Flüchtling, der am bulgarisch-türkischen Grenzzaun erschossen wurde, was den Blick in den fernen europäischen Südosten lenkte. Dort gibt es auch schon einen griechisch-türkischen Grenzzaun, der sogar mit Minen bewehrt ist, Ausdruck unter anderem für die griechischen Empfindungen gegenüber dem asiatischen Nachbarn.

Dazu werden allerlei Vermutungen laut, auch Serbien könnte sich gegen Süden abschotten oder auch Slowenien. Das Europa der offenen Grenzen scheint vorbei zu sein, ausgeträumt, eine flüchtige Illusion. In der Wirklichkeit behält der vielbeschimpfte Orban recht, der nichts getan hat, als was seine Pflicht war, nämlich Europas Außengrenze zu schützen.

Dass sich die EU darüber echauffiert, steht ihr indes gar nicht zu. Das Schengen-Abkommen ist ein multilaterales Abkommen unter souveränen Staaten, das ohne jeden Federstrich eines Brüsseler Bürokraten zustande gekommen ist.


Entweder oder
von Manuel Ruoff

Keine Armee kann nur aus Offizieren bestehen, kein Stamm nur aus Häuptlingen – und keine Volkswirtschaft nur aus Schreibtischtätern.

Dass die Forderung nach mehr Akademikern in der Wissenschaft Zuspruch findet, verwundert nicht, verspricht deren Ausbildung doch lukrative Planstellen für Wissenschaftler. So wie seinerzeit bei der Aufblähung des Bildungsapparates in der sozialliberalen Ära. Vorausgegangen war das Gerede vom „Bildungsnotstand“. Die Folge waren Akademikerarbeitslosigkeit und akademisches Proletariat.

Gefördert wurde der aktuelle Akademisierungswahn durch OECD-Studien, die darauf verwiesen, dass es in Deutschland vergleichsweise wenig Studenten gäbe. Dabei werden Äpfel mit Birnen verglichen. In Deutschland studierte traditionell nur eine kleine Elite, die entsprechend dem Humboldtschen Bildungsideal Freiheiten im Studium genoss. Die damit einhergehende lange Studienzeit war durch den späteren Einsatz in verantwortungsvollen und gut dotierten Schlüsselpositionen verhältnismäßig. Im Ausland hingegen übernehmen Universitäten häufig auch die Aufgaben hiesiger Fachhochschulen oder Berufsschulen.

Ungeachtet des deutschen wirtschaftlichen Erfolges werden nun nach ausländischem Vorbild die Studentenzahlen in die Höhe getrieben. Den Preis, kürzere Studienzeiten, stärkere Verschulung, größere Praxisorientierung und Verzicht auf traditionelle Akademikerprivilegien, wollen jedoch viele nicht zahlen. Beides geht jedoch nicht. Humboldsches Bildungsideal und Massenuni kann sich keine Volkswirtschaft lange leisten.


Vom Asylrecht nicht gedeckt
von Eberhard Hamer

Artikel 16 des Grundgesetzes sagt: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“. Dieses Asylrecht ist Einzelrecht und muss deshalb individuell überprüft und bestätigt oder abgelehnt werden. In Absatz 2 wird bestimmt, dass sich auf das Asylrecht niemand aus „sicheren Staaten“ berufen kann, in denen „die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist“. Durch Gesetz können weiterhin gemäß Absatz 3 solche sicheren Staaten festgelegt werden, wenn in ihnen gewährleistet erscheint, „dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet“. Ganz eindeutig ist also der Asylanspruch des Artikels 16 nur als ein individueller Anspruch auf Sicherheit vor Verfolgung von Einzelpersonen aufgefasst worden. Schutz vor Verfolgung als einziger Asylgrund ist aber inzwischen von Sozialindustrie, Sozialverwaltung und Sozialgerichten längst umgedeutet worden in „Hilfe zu wirtschaftlicher Sicherung“ und Massenaufnahme und Massenhilfe von Kriegsflüchtlingen.

Aus den Balkanstaaten nahezu vollständig und aus Afrika zu über 95 Prozent kommen Asylbewerber zu uns, die nicht verfolgt sind, sondern bei uns eine bessere Existenzsicherung suchen. Solange Zahlungen an Asylbewerber und geduldete Ausländer bei uns höher sind als der Verdienst eines fleißigen Handwerkers in ihrem Heimatland, ist es nicht nur für die arbeitslose Unterschicht, sondern sogar für Fachkräfte attraktiv, ihr Land zu verlassen, um ab dem ersten Tag, in dem sie Deutschland erreichen, eine Existenzsicherung mit Wohnung, Nahrung, Bekleidung und Taschengeld lebenslang zu erreichen. Denn abgeschoben werden sie praktisch nicht, selbst wenn ihr Asylgesuch abgelehnt würde. Abgelehnte Asylbewerber werden auch wei­terhin unterhalten und bezahlt. Immer ist irgendwo in der Welt Krieg, entweder von äußeren Feinden oder – oft wie in der Ukraine von außen geführt – interner Bürgerkrieg. Zum ersten Mal ist aber in Syrien ein Krieg aller gegen alle, sowohl äußerer als auch innerer Feinde. Krieg bedroht immer die Zivilbevölkerung. Kein Wunder, dass sich Millionen aus Syrien in die Nachbarstaaten in Sicherheit bringen wollen. Zum ersten Mal aber haben diese Erstzufluchtstaaten die Weitergabe dieser Flüchtlingsströme von der Türkei über Griechenland nach Mazedonien Richtung Deutschland organisiert, kommen also Millionen Syrer als angebliche Kriegsflüchtlinge aus den Lagern der Türkei zu uns.

So richtig es ist, ihnen zu helfen, kann dies doch nicht mit dem individuellen Asylrecht begründet werden. Hier handelt es sich um geplante Flüchtlingsweitergabe aus der Türkei. Das individuelle Asylrecht des Grundgesetztes jedoch deckt weder Wirtschaftsasylanten noch die Lagerasylanten.


Frei gedacht
Deutschland als Problem
von Eva Herman

In der Psychologie weiß man: Ein Kind, das nie oder nur unzureichend geliebt wurde, wird in seinem Leben auch stets nur ein geringes Selbstwertgefühl entwickeln können. Es kann, innerlich instabil geworden durch Gefühle des Unwertseins, sich später niemals kraftvoll behaupten, nie nachdrück­lich seine Interessen vertreten und auch nicht das zum gesunden Überleben notwendige Urvertrauen entwickeln können. Wer nicht genügend Selbstbewusstsein besitzt, wird sich und sein Leben nie ausreichend verteidigen können, in Gefahr wird er meist stürzen, da er zu schwach geblieben ist. Auch Deutschland gehört zu diesen ungeliebten Kindern, hat es doch schon vor Jahrzehnten lernen müssen, dass die Welt es wegen seiner einst begangenen Schuld verstoßen, verurteilt hat zum frühzeitigen Untergang. So machte im Jahr 1941 der US-amerikanische Finanzminister Henry Morgenthau Jr. in seinen Plänen deutlich: Deutschland solle aufgeteilt, seiner gesamten Stahl- und Schwerindustrie entledigt und in einen Agrarstaat umgewandelt werden nach dem absehbaren Sieg der Alliierten im Zweiten Weltkrieg. Das sollte langfristig verhindern, dass das „kriegswütige“ Land je wieder einen Angriffskrieg führen könne, heißt es. Ein im Jahr 1945 veröffentlichtes Buch Morgenthaus, unterstützt durch ein Vorwort des damaligen US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, offenbarte schon durch seinen Titel die politische Gangart im anglo-amerikanischen Raum, wie unter den Alliierten über das künftige Los Deutschlands diskutiert wurde – und wie es bis heute noch diskutiert wird: „Germany is our problem“, so der Buchtitel – Deutschland ist unser Problem.

Morgenthau wörtlich: „Die Lust auf Krieg ist im Deutschen ebenso gründlich verwurzelt wie die Lust auf Frieden beim Amerikaner. Die deutsche Schwerindustrie wird als permanente Bedrohung über der Menschheit hängen, solange ihre Existenz zugelassen wird.“ US-Präsident Roosevelt schrieb in seinem Vorwort: „Was Deutschland anbelangt, diese tragische Nation, die den Wind gesät hat und nun den Wirbelwind erntet – wir und die Alliierten sind uns gänzlich einig, dass wir mit ihnen nicht verhandeln oder ihnen einen Fetzen Kontrolle der Regierungsinstrumente überlassen werden. Wir werden ihnen nicht ein einziges Element militärischer Macht überlassen.“

Bereits 1934 sagte der spätere britische Premier Winston Churchill zum vormaligen Reichskanzler Heinrich Brüning: „Wenn Deutschland zu stark wird, muss es zerschlagen werden, Deutschland muss wieder besiegt werden, und diesmal endgültig.“ Und in seiner Antrittsrede nach der Übernahme der Regierung 1940 offenbarte Churchill: „Dieser Krieg ist ein englischer Krieg, und sein Ziel ist die Vernichtung Deutschlands.“ Nein, Deutschland wird schon lange nicht mehr geliebt, und seine Bürger wissen es. Sie tragen große Lasten auf ihren Schultern, werden ständig erinnert und gemahnt; sie sollen und können ihre Heimat nicht mehr lieben, deren Interessen nicht mehr vertreten: schwach, labil, instabil. Kaum jemand widerspricht noch, denn es sind die Generationen des schon dritten und vierten Gliedes, die für die Sünden der Väter bestraft werden.

Wo stehen wir heute? Wie sieht zum Beispiel die internationale Berichterstattung über einen der bislang dennoch erfolgreichsten Staaten der westlichen Welt, vor allem seit wenigen Monaten, aus? Was erfahren unsere ausländischen Nachbarn durch die Massenmedien über uns Deutsche? Wer genau hinschaut, erkennt, dass unser Ansehen in der Welt, fast wie auf ein unsichtbares Kommando, plötzlich erheblich demoliert wird, die Themen – sind sie wirklich alle, so geballt, Zufall – allein in der Zeit zwischen März und Oktober 2015, sie gleichen einer Vernichtung. So fasste eine große Zeitung kürzlich Deutschlands Demontage folgendermaßen zusammen: „Das Beben bei Volkswagen – warum tut es uns allen so weh? Weil es eben nicht nur um ein Auto geht. Es geht um Made in Germany.“

Das, wofür wir in der Welt beneidet werden, das Gütesiegel für Autos, Waffen, Schrauben, doch auch Ordnungstugenden wie Verlässlichkeit, Disziplin, Wahrheitstreue, all diese einstigen deutschen Qualitätsstandards erleben heftigen Schaden: das Volkswagen-Desaster, oder das seit Jahren diskreditierende Chaos am Berliner Flughafenbau, die Deutsche Bank auf der Anklagebank, der Absturz der Germanwings-Maschine, nun auch die schweren Vorwürfe gegen deutsche Fußball-WM-Organisatoren, oder nehmen wir die angeblich abgeschriebene Doktorarbeit der deutschen Verteidigungsministerin. Da waren im Sommer die anklagenden Stimmen gegen Deutschland in der Griechenlandkrise, die EU-Finanzminister wetterten, der „New York Times“-Kolumnist Arthur Cohen schrieb wörtlich: „Wenn Deutschland der Versuchung, anderen Ratschläge zu geben, nicht widersteht, wird seine Führerschaft erneut scheitern.“ Der US-Fernsehsender CNBC veröffentlichte eine Stellungnahme des Nobelpreisträgers Joseph E. Stiglitz: „Deutschland ist das Problem, nicht Griechenland.“ In der „New York Times“ mahnte man, Deutschland habe seine historische Lektion vergessen. Überhaupt ist die „NYT“ nicht gut auf uns zu sprechen, so las man zur VW-Affäre: „Der Betrug von VW ist typisch deutsch! … Dies ist einer der Momente, in denen die gesamte Kultur einer Nation in Frage gestellt wird.“ Der VW-Betrug komme ausgerechnet in einer Phase ans Licht, in der die Welt auf Berlin blicke. Der Autor wörtlich: „VW hat tödliche Stoffe aus elf Millionen Diesel-Motoren in die Atmosphäre gespuckt und damit klar gemacht, dass es einen Dreck auf die Gesundheit der Menschen gibt!“

Seit Monaten fluten tagtäglich abertausende fremde Menschen nach Deutschland. Sie kommen auf großzügige Einladung der deutschen Regierung. Die Kanzlerin hat es in die Welt gekündet: Welcome refugees! Warum wollen sie alle nach Deutschland? Wir wissen nicht, in wessen Auftrag Frau Merkel handelte, als sie diese Wahnsinns-Entscheidungen treffen musste. Wer sich ihr von Sorgen zerfurchtes Gesicht anschaut, in dem in letzter Zeit zuweilen Panik zu lesen ist, ahnt, was wirklich und wahr sein könnte. Diese Mutmaßung verfestigte sich, nachdem Merkel ihr jüngstes ARD-Talkshow-Interview gab und unumwunden einräumte, es liege nicht in ihrer Macht, wie viele „Flüchtlinge“ noch kämen. Und dass es unmöglich sei, 3000 Kilometer Grenzen zu sichern. Langsam dämmert es auch dem Letzten: Da ist etwas im Busch.

Die USA und Kanada haben übrigens jetzt Reisewarnungen für Deutschland ausgesprochen. Hier wird vor allem vor Mitteldeutschland gewarnt. So heißt es bei der kanadischen Botschaft, vor allem in Kleinstädten und Teilen der ehemaligen DDR seien extremistische Jugendgruppen „problematisch“. Sie würden Menschen „wegen ihrer Rasse oder ihres ,ausländischen‘ Aussehens bedrohen oder angreifen“. Deutschland erhält jetzt wieder den Stempel des Fremdenhasses.

Ein Vernichtungskrieg wird in der Regel lange eingefädelt. Der Krieg gegen Deutschland läuft seit über 100 Jahren. Was zweimal nicht geschafft werden konnte, wird jetzt, beim dritten Versuch, angesichts der derzeitigen Lage, wohl gelingen. Denn es gibt hier nur noch wenige, die die Kraft und das Selbstvertrauen haben, sich zu wehren. Oder?


S. 9 Kultur

Entgiftet von Ideologie
Umstrittenes Jahrhundertprojekt − Vor 40 Jahren erschien der erste Band der Marx-Engels-Gesamtausgabe

Der Marxismus ist tot, doch die Texte von Marx und Engels werden weiterhin liebevoll gehegt und gepflegt. Seit fast 100 Jahren ist man dabei, das Gesamtwerk der beiden Kapitalismuskritiker herauszubringen. Inzwischen hängt es am finanziellen Tropf der Steuerzahler. Ende dieses Monats wird darüber entschieden, wie es mit der MEGA, der Marx-Engels-Gesamtausgabe, deren erster Band vor genau 40 Jahren erschienen ist, weitergegen soll.

Entweder man ist überzeugter Linker oder an Wirtschaftstheorien interessierter Akademiker – auf jeden Fall muss man hartgesotten sein, um sich durch das „Kapital“ zu lesen. Allein der erste von Karl Marx zu Lebzeiten veröffentlichte Band macht einem mit seinen wiederkäuenden Theorien zum Mehrwert und zum Fetisch des Geldes das Leben schwer.

Auch Marx selbst hatte am Ende von seinem Hauptwerk die Nase voll. „Diese Woche habe ich den Scheiß fertig“, schrieb er an Friedrich Engels am 14. August 1867. Der „Scheiß“ war damit aber noch nicht vorbei. Marx hinterließ weitere tausend Manuskriptseiten, aus denen Engels nach dem Tod des Freundes zwei weitere „Kapital“-Bände folgen ließ.

Doch auch das war noch nicht das Ende. Die historisch-kritische Marx-Engels-Gesamtausgabe, von ihren Machern auch MEGA genannt, umfasst allein 15 Bände, die nicht nur das „Kapital“ selbst, sondern auch alle Vorarbeiten und sämtliche unveröffentlichten Manuskripte rund um diese „Kritik der politischen Ökonomie“ enthalten. Nicht genug damit: Jeder Band hat im Schnitt weit über 1000 Seiten, wobei oft mehr als die Hälfte davon ein Anmerkungsapparat mit Kommentaren und Textvarianten zur Entstehung beansprucht.

Als man in den 1960er Jahren in der DDR den Plan fasste, alles, aber auch wirklich restlos alles, was Marx und Engel niedergeschrieben haben, zu veröffentlichen, machte man sich keine Gedanken darüber, ob das irgendwer überhaupt liest. Es war einfach klassenkämpferische Pflichtaufgabe, alle Werke, alle Briefe, Notizbücher, Einkaufszettel, oder was auch sonst immer die beiden Säulenheiligen des Sozialismus hinterlassen haben, herauszugeben. In den staatlichen Bibliotheken sowie den Kaderschulen von Partei und Armee würden die dicken blauen Bände schon in Würde verstauben. So erschien 1975 im Ost-Berliner Dietz-Verlag der erste von ursprünglich 165 geplanten Bänden.

Es war keineswegs der erste Versuch, sämtliche Schriften der ersten beiden Marxisten herauszubringen. In den 1920er Jahren startete man in Moskau die erste historisch-kritische MEGA, von der bis 1935 insgesamt 14 Bände auf Deutsch erschienen, ehe Stalin den damaligen Herausgeber David Rjasanow erst in die Verbannung schicken und dann erschießen ließ. Damit war auch das Ende dieser ersten MEGA besiegelt.

Immerhin schuf sie die Basis für Studien- beziehungsweise reinen Textausgaben, die keinen kritischen Anmerkungsapparat enthielten. Viele der 43 blauen Bände der Marx-Engels-Ausgabe (MEW), die ab 1956 in der DDR im Dietz-Verlag erschienen sind, zierten auch im Westen so manche linke Studentenbude – und gammelten damals schon auf der Ecke des Bücherregals ungelesen vor sich hin.

Trotzdem ging die Heiligenverehrung so weit, dass eine zweite MEGA her musste. Die seit 1975 in Ost-Berlin herausgebrachte Ge­samtausgabe entwickelte sich dank eines finanziellen und personellen Kraftakts – zeitweise verdankten über 100 Mitarbeiter dem staatlichem Projekt ihren Job – nicht so rasch wie geplant. Innerhalb von 20 Jahren wollte man die Edition abschließen, tatsächlich lagen bis 1989 aber nur 39 Bände vor.

Nach der Vereinigung von da­mals stand das Projekt vorm Aus. Ausgerechnet der damalige Kanzler Helmut Kohl soll sich für die Fortsetzung der Werkedition der beiden Kapitalismusgegner eingesetzt haben. Den Mythos des Marxismus, so hieß es, könne man am besten verhindern, indem sich dieser durch die Schriften seiner Urheber selbst entlarvt.

Tatsächlich machten sich die neuen Herausgeber zur Aufgabe, die MEGA zu entideologisieren. „Diese Zeiten, als man Marx und Engels als Säulenheilige betrachtete, sind vorbei“, sagt Gerald Hubmann, der Sekretär der in Amsterdam ansässigen Internationalen Marx-Engels-Stiftung, wo die MEGA seit 1990 herausgegeben wird und wo mit dem Berliner Herfried Münkler ein ideologisch unbelasteter Historiker den Vorsitz hat. „Wir arbeiten gerade daran, hinter der ideologischen Zurichtung das Werk und den Nachlass authentisch und vollständig vorzulegen“, so Hubmann, „würden wir die MEGA nicht machen, dann blieben die Ausgaben der Parteiinstitute das letzte Wort zu – oder sogar: von – Marx und Engels.“

In der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, wo die inzwischen im Berliner Verlag De Gruyter veröffentlichte Ausgabe ediert wird, kämpfen derzeit acht Mitarbeiter ums Überleben der MEGA, von der bis jetzt 63 Bände erschienen sind. Obwohl das Projekt von den einst geplanten 165 Bänden auf 114 verschlankt wurde, ist unklar, ob auch der Rest in Buchform erscheint. Aktuell gibt es Überlegungen, große Teile nur noch in digitaler Form zu publizieren. Fest steht, dass es immer schwieriger wird, öffentliche Mittel für dieses Jahrhundertprojekt rechtfertigen zu können, deren im Schnitt um die 150 Euro teuren Bände größtenteils von öffentlichen Bibliotheken, also wiederum mit Steuergeldern, aufgekauft werden.

Ende Oktober wird über die weitere finanzielle Laufzeit der MEGA und damit auch über die Sicherung einiger wissenschaftlicher Arbeitsplätze entschieden. Es wird wohl noch ein Weilchen weitergehen, denn Hubmann ist sich sicher, dass die MEGA nie „megaout“ sein wird: „Auch angesichts der historischen Wirkmächtigkeit von Marx kann aus meiner Sicht kein Zweifel daran bestehen, dass dies ein sinnvolles Unterfangen ist, und das weltweite Interesse an der MEGA bestätigt dies. Ohne sie blieben die ideologisch kontaminierten Ausgaben der marxistischen Parteiinstitute das letzte Wort zu Marx – und das hätte er nun wahrlich nicht verdient.“ Harald Tews


Blutorgie in Grau
Beim neuen »Macbeth«-Film sind die Worte original Shakespeare, die Bilder nicht alle

Am 29. Oktober kommt Justin Kurzels Verfilmung von William Shakespeares Tragödie „Macbeth“ mit Michael Fassbender als Titelfigur und der Oscar-Preisträgerin Marion Cotillard als dessen Ehefrau in die Kinos. Natürlich drängt sich dem Shakespeare-interessierten Cineasten der Vergleich mit dem Filmdrama gleichen Titels aus dem Jahr 1971 auf. Regie führte damals kein Geringerer als Roman Polanski, und dem Polen standen so bekannte Schauspieler wie Martin Shaw zur Verfügung, älteren Krimifans als Ray Doyle aus der Fernsehserie „Die Profis“ in bester Erinnerung.

Polanskis Verfilmung ist mit 140 Minuten 27 Minuten länger als die neue Version des australischen Regie-Neulings Kurzel. Doch das ist nicht der größte Unterschied. Im Vergleich zur aktuellen Verfilmung erinnert die von 1971 geradezu an die angelsächsischen Ritterfilme der ersten Jahrzehnte des Farbfilms. Die waren prächtig. Da strahlten die Farben der Gewänder und Wappen und es blitzten die Kronen golden und die Rüstungen silbern. Welcher Junge wollte da nicht selber in die Welt der Ritter eintauchen – egal ob mit der Spielburg und Ritterfiguren en miniature oder mit Holz- oder Plastikschwert in Originalgröße?

Kurzels „Macbeth“ hingegen bietet Mittelalter zum Abgewöhnen. Die Szenen sind geprägt von Nebel, Regen, Matsch, ungefärbten Naturstoffen und animalischer Triebhaftigkeit. Alles ist Grau in Grau. Die einzige kräftige Farbe ist das Rot von Blut, und das fließt reichlich. Ästhetisch prächtige Bilder früherer Historienfilme sucht man hier vergeb­lich. Insofern liegt dieser „Macbeth“ im Trend der Zeit, der seit Ridley Scotts Film „Gladiator“ in Richtung Realität mit Matsch und Schlamm geht.

Dafür wird auch an Shakespeare Hand angelegt. Doch nun muss man differenzieren. Der Text ist zwar leider gekürzt, aber es wurde nichts hinzugedichtet. Das ist bei den Bildern anders. So werden Szenen gezeigt, die im Original nicht vorkommen, teilweise von diesem sogar abweichen. Der Sieg über die Feinde Königs Duncans, der Macbeths Aufstieg erst be­gründet und in welchem im Drama nur die Rede ist, wird mit viel Blut in Szene gesetzt. Gleiches gilt für die Ermordung Duncans durch Macbeth. Diese Gelegenheiten zur Blutorgie wollte sich Kurzel nicht entgehen lassen.

Zwar nicht blutig, aber ebenso abstoßend und bei Shakespeare nicht vorgesehen ist, wenn ein Akteur sich bei der Entdeckung von Duncans Leiche fast in die Kamera übergibt oder Macbeth seiner Frau beim Dialog lüstern an die Wäsche geht.

Es gibt aber auch andere Abweichungen von Shakespeare, deren Sinn und Zweck größere Rätsel aufgibt. Dort, wo Macduffs Ehefrau bei Shakespeare von gedungenen Mördern in ihren eigenen vier Wänden gemeuchelt wird, landet sie bei Kurzel auf dem Scheiterhaufen und Macbeth selber legt das Feuer an den Haufen. Bedauerlicher und schwerwiegender ist die Interpretation des wandelnden Waldes von Birnam, einer Schlüsselszene von „Macbeth“. Bei

Shakespeare wandelt der Wald dadurch, dass die gegen Macbeth vorrückenden Truppen zur Tarnung Äste und Zweige abtrennen und mit sich führen. Daraus wird bei Kurzel ein brennender Wald, dessen Flugasche Macbeths Burg erreicht. Da ist Shakespeare doch geistreicher und überzeugender.

Abschließend lässt sich konstatieren: Es hätte dem Film nicht geschadet, wenn man manche bei Shakespeare nicht vorhandene Szene weggelassen sowie dem Film etwas mehr Tempo gegönnt hätte – was auch der Dramaturgie gut getan hätte, die ja gerade von den Gegensätzen lebt. Die dadurch gewonnene Zeit hätte man sinnvoller für die eine oder andere Original-Shakespeare-Szene nutzen können, die dann nicht der Kürzung hätte zum Opfer fallen müssen.

Ob man hingegen Grau in Grau mit viel Blut mag, ist reine Geschmackssache, und über Ge­schmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Manuel Ruoff


Lob auf die Mütter
Das Frauenbild der Wiener Moderne

Das österreichische Künstler-Dreigestirn der Wiener Moderne, Gustav Klimt, Egon Schiele und Oskar Kokoschka, steht seit diesem Wochenende im Mittelpunkt einer exklusiven Ausstellung im Wiener Museum Unteres Belvedere. Dabei be­leuchtet die mit „Klimt/Schiele/Kokoschka und die Frauen“ betitelte Schau die Geschlechterbeziehungen des frühen 20. Jahrhunderts.

Auffallend bei Klimt ist, dass bei ihm die individuelle Persönlichkeit der in kostbaren, eleganten und leuchtenden Farben ausgeführten Damenporträts beinahe vollkommen hinter die ornamentierten Oberflächen zurücktreten. Schiele und Kokoschka dagegen kehrten diese dekorative Formel um und zeigten die nackte Wahrheit. Auch das Motiv der Mutter findet sich in vielen Bildern wieder, wobei uns die „Madonnen“ weniger als Heilige, sondern vielmehr als Schwangere mit runden Bäuchen beglücken. H. Tews

„Klimt/Schiele/Kokoschka und die Frauen“ läuft bis 28. Februar 2016 im Unteren Belvedere, Rennweg 6, in Wien täglich von 10 bis 18 Uhr, mittwochs bis 21 Uhr, Eintritt: ab 11 Euro. Internet: www.belvedere.at


Kinotipp

Er ist nicht vergleichbar mit „Im Namen der Rose“ und auch nicht mit „Sieben Jahre in Tibet“, jenen Filmen, mit denen sich Jean-Jacques Annaud in die Annalen der Filmgeschichte eingeschrieben hat. Doch mit „Der letzte Wolf“, der am 29. Oktober in die Kinos kommt, knüpft der französische Regisseur an seine Tierfilme „Der Bär“ und „Zwei Brüder“ an, mit denen er zuletzt mit schlichteren Mitteln „Zurück zur Natur“ gefunden hat.

Erzählt wird die Epoche von Maos Kulturrevolution, als junge chinesische Intellektuelle aus der Stadt den Analphabeten auf dem Land Lesen und Schreiben beibringen sollten. Im Film lernen zwei Pekinger Studenten in der Inneren Mongolei das einfache Schäferleben schätzen. Als einer von ihnen einen Wolfswelpen aufpäppelt, kommt er in Konflikt mit dem Parteiapparat, welche Jagd auf die Wölfe macht. Sie wären eine Gefahr für die Schafe, heißt es. Doch die Einheimischen wissen, dass mit dieser Wolfsjagd das ökologische Gleichgewicht ge­fährdet ist. Nun breiten sich Steppengazellen ungehindert aus und fressen das Weidegras der Schafe weg. Als die Schäfer deswegen die Produktionsnormen nicht erfüllen können, eskaliert die Lage.

Mit „Der letzte Wolf“ hat Annaud einen Roman des Autors Lü Jiamin verfilmt, der trotz Parteikritik 2004 erscheinen konnte und seitdem in China zum meistverkauften Bestseller wurde. Diesen Status wird Annauds Film wohl nicht erreichen können. Mythenhafte Wolfslegenden mit Tieren, die zuletzt sogar menschliche Züge annehmen, stören die filmische Balance aus grandiosen Naturaufnahmen und authentischen Lebensbildern der einfachen Bauern erheblich. tws


S. 10 Geschichte

War die Wiedervereinigung vorhersehbar?
Der Bundesnachrichtendienst informierte frühzeitig, aber die Bundesregierung stellte sich taub

Wenn wir Deutschen am 3. 0ktober den Jahrestag unserer wiedererlangten Einheit feiern, werden leider nicht wenige Tatsachen verzerrt und verschwiegen. Muss es für viele Politiker doch auch beschämend sein, ihr damaliges Verhalten allzu oft in krassem Widerspruch zu ihren heutigen selbstgerechten Äußerungen zu hören. Keineswegs selten wird als Voraussetzung für den Zusammenschluss lediglich die Stärke der alten Bundesrepublik gewertet, indes der Freiheitswille der DDR-Bevölkerung völlig negiert. Mehr denn je ist die Ausrede zu hören, die Ereignisse von 1989/1990 seien „nicht voraussehbar“ gewesen. Der Ost-Experte der SPD, Egon Bahr, glaubte dies mit der Behauptung bekräftigen zu können, die westlichen Spionagedienste seien ebenfalls „ohne Kenntnis“ gewesen. Dabei drängt sich allerdings die Frage auf, wieso er Derartiges zu wissen glaubt, denn entweder durfte er deren sämtliche Geheimakten einsehen oder jene hätten ihm ihr Nichtwissen gebeichtet – beides ist unmöglich.

Die Wahrheit ist, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) gerade in den letzten Jahren der DDR überaus gut informiert war. Sein Präsident war ab 1985 Hans-Georg Wieck, zuvor langjähriger bundesdeutscher Botschafter in Moskau. Er sah die Sowjetunion „in einem Prozess der Versteinerung“, in einer „verstärkten Stagnation“. Schon überaus früh vertrat er die Ansicht, zwangsläufig werde es angesichts seiner Wirtschaftsmisere eine strategische Neuorientierung suchen und ebenfalls zu der Erkenntnis kommen, es könne seine Interessen mit einem vereinten Deutschland letztlich besser gewahrt sehen als mit seiner gewaltsamen Vorherrschaft in Mitteleuropa. Dabei werde der Kreml auch die DDR fallen lassen, da diese für ihn nur noch einen wirtschaftlichen Ballast darstelle, hatte Moskau doch schon nach Josef Stalins Tod die deutsche Einheit gegen massive Wirtschaftshilfe angeboten, zur Voraussetzung aber die Neutralität Deutschlands gemacht, welche die Westmächte ablehnten.

Wieck, eine Persönlichkeit geballter Dynamik und Energie, baute sehr rasch sein Nachrichten-Netz gerade in den Führungsschichten Ost-Berlins und in der sowjetischen Besatzungsarmee aus, was auch die Stasi in ihren Akten zugeben musste. Im August 1988 prognostizierte er baldige „grundlegende Veränderungen“ in der DDR. Einige Monate später hatte der BND ein Mitglied des Zentralkomitees (ZK) der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) mit recht guten Verbindungen zu Erich Honecker sowie zu Erich Mielke für sich gewonnen, das bis zuletzt „äußerst wichtige Nachrichten“ lieferte. Vieles erfuhr man über Vertrauensleute in den SED-Bezirksleitungen, oft ebenfalls durch Sekretärinnen und Fahrer hoher SED-Führer. Dass der Devisenbeschaffer der DDR, Alexander Schalck-Golodkowski, bei seinen Besuchen vor 1989 in München viele Interna Ost-Berlins verriet, deren sofortige Weitergabe an den BND er unterstellen musste, ist ein offenes Geheimnis. Wieck zufolge wollte Bonn ihm 1990 eine neue Identität verschaffen, was offiziell jedoch abgestritten wird. Solches ist äußerst selten und setzt wirklich große Verdienste für den Staat voraus. „Weiß Schalck zuviel?“, fragten Wolfgang Seiffert und Norbert Treutwein in ihrem Buch „Die Schalck-Papiere. DDR-Mafia zwischen Ost und West. Die Beweise“. Der Bundesnachrichtendienst jedenfalls sah ihn nie als seinen Mitarbeiter. Er dürfte der typische Doppel-Agent gewesen sein. Ob er ahnte, dass sein Apparat an mehreren hohen Positionen von diesem unterwandert war? Ende 1988 kannte die Zentrale in der Heilmannstraße 30 in Pullach die Namen und Adressen sämtlicher MfS-Angehöriger. Sicherlich besaß man auch geheime Informanten direkt in der Stasi. Eine Anwerbungs-Aktion des BND im Oktober 1989 bei MfS- und SED-Funktionären mit dem Hinweis, der Fall der Berliner Mauer und das Ende der DDR stünden bevor und „es wäre gut, sich auf diese Zeit einzurichten“, trug zumindest zur weiteren Lähmung des Regimes bei.

Auch das recht abgeschirmte sow­jetische Militär in der DDR war kein Geheimnis. Seine Kasernen sowie deren Mannschaftsstärke und Waffen wurden stets von „harmlosen Spaziergängern“ beobachtet. Zudem arbeiteten ständig 2000, gelegentlich bis zu 6000 DDR-Bewohner bei den Besatzungstruppen und sahen vieles. Eine weitere Art der Informationsbeschaffung war die totale Überwachung ihres Funkverkehrs, was teilweise mit Hilfe der Bundeswehr erfolgte. Awacs-Flugzeuge mit ihrem Radardom, die westlich der Zonengrenze flogen, hatten den Luftraum bis Polen unter Kontrolle. Die Preußische Allgemeine Zeitung war die erste Europas, die schon vor Jahren meldete, dass die deutsche Geliebte des damaligen KGB-Oberst Wladimir Putin in Dresden jahrelang in BND-Diensten stand. In der Deutschland-Abteilung des KGB-Hauptquartiers im südöstlich von Moskau gelegenen Jasenewo glück­te Oberst Leonid Kutergin die rechtzeitige Flucht. 16 Jahre lang war er für den Bundesnachrichtendienst tätig gewesen. Auch im sowjetischen Außenministerium hatte dieser seine „Quellen“. Im Juni 1989 wusste Pullach, dass Michail Gorbatschow Honecker längst deutlich gemacht hatte, er könne bei Unruhen in seinem Staat nicht mehr auf sowjetische Panzer hoffen. Das beste Bild hatte man über die DDR-Armee, die Zahl der heimlichen Augen und Ohren in höchsten Offizierskreisen dürfte sehr hoch gewesen sein.

War es vor der sozialliberalen Koalition in Bonn üblich gewesen, bei der alljährlichen „Rede an die Nation“ die BND-Erkenntnisse über die Wirtschaftslage jenseits der Zonengrenze zu verwenden, so wurden dann die offiziellen Zahlen Ost-Berlins zugrunde gelegt. Das Unverständliche war, dass am Rhein diese Propaganda tatsächlich auch geglaubt wurde. Bundeskanzler Helmut Kohl meinte später entschuldigend, „wir alle lebten ja unter dem Einfluss einer unentwegt marschierenden Propaganda­glocke, wonach die DDR das zehntgrößte Industrieland der Welt war“. Bundesfinanzminister Theo Waigel behauptete ebenso realitätsfremd, die Wiedervereinigung „mit der Portokasse bezahlen“ zu können. Hätten sie doch nur die ihnen vorliegenden Analysen des Bundesnachrichtendienstes gelesen und damit die Wahrheit über die riesengroßen Schulden Ost-Berlins erfahren. Ein Bericht von 1988 aus Pullach stellte fest: „Moskau ist nicht mehr in der Lage, die DDR finanziell zu unterstützen.“ Diese sei am Ende.

Indes wurden solche Lageberichte am Rhein durchweg als Utopie verlacht und als Störfaktor der Entspannung gewertet. Hinzu kam, dass zwischen Kanzler Kohl und dem BND-Präsidenten das nötige Vertrauensverhältnis fehlte. Verbittert sprach Wieck einmal sogar von einem „gegenseitigen Miss­trauen“. Insider wissen von recht schweren Zusammenstößen zwischen beiden. Der Bundeskanzler glaubte, stets besser informiert zu sein als sein eigener Nachrichtendienst, gegen den er ohnehin starke Abneigungen hatte. Zudem gehörte Wieck nicht zu den beliebten Ja-Sagern in Bonn, sondern vertrat pflichtgemäß seine Erkenntnisse. Kohl vertraute hingegen aus wohl wahltaktischen Überlegungen dem – allerdings völlig falsch liegenden – Zeitgeist und insbesondere der Ständigen Vertretung, faktisch die Botschaft der Bundesrepublik in der DDR. Deren Juristen glaubten, dieses – zweifellos auch deutsche – Gebiet zu kennen. In Wirklichkeit hatten sie keinerlei Gespür für die aufkommenden Stürme in dem für sie letztlich fremden Staat. Sie unterschätzten die Bürgerbewegung völlig, und ihr Leiter Hans Otto Bräutigam lehnte noch im Oktober 1989 die Wiedervereinigung ab. Welch eine Blamage, als er am 8. November und damit rund 24 Stunden vor dem Fall der Mauer überaus selbstbewusst bei der UN in New York „eine Änderung der sowjetischen Haltung in der Deutschland-Frage für ausgeschlossen“ hielt.

Am 9. Oktober 1989 sollten 8000 schießbereite Einsatzkräfte der DDR die Demonstrationen in Leipzig beenden, der dortigen SED-Zeitung zufolge „notfalls mit Gewalt“. Trotz aller Gefahren kamen 70000 Menschen mit ihrem Freiheitsruf „Wir sind das Volk!“ Das befürchtete Blutbad aber blieb aus, das Regime wurde zum Rück­zug gezwungen. Für den Bundesnachrichtendienst war dies der Anfang vom Ende der DDR. Das ferne Bundeskanzleramt indes fragte in Pullach an, ob es sich bei den Demonstranten um westdeutsche Neo-Nazis handele. Ganz offensichtlich hatte Bonn die BND-Meldungen über die psychologische Lage im anderen Teil Deutschlands niemals gelesen.

Für Kanzler Kohl „blieb die deutsche Frage offen“, doch stand sie für ihn bis weit in den Sommer 1989 „nicht auf der Tagesordnung“. Symptomatisch ist die Äußerung des damaligen Kanzleramtsministers Wolfgang Schäuble, „auf absehbare Zeit ist eine Lösung der deutschen Frage nicht erkennbar“. In seinem Buch „Der Vertrag“ gibt er zu, „dass die meisten das damals kaum Vorstellbare nicht zu denken wagten“. Eine Regierung indes hat alle Möglichkeiten zu sehen, zumal die Wiedervereinigung als Kern der westdeutschen Verfassung galt. Auch die Ministerin für innerdeutsche Fragen zeigte nur minimale Sachkenntnis über diesen ihren Arbeitsbereich.

Bonn war trotz aller Hinweise und Mahnungen aus Pullach auf die bevorstehenden Ereignisse in keiner Weise vorbereitet. Am 9. November, als das Kabinett nach Polen flog, fragte eine Senatorin West-Berlins im Kanzleramt an, ob für den Fall der Mauer „irgendetwas vorbereitet ist“ – sie wurde ausgelacht. In Warschau prophezeite der Solidarnosc-Anführer Lech Walesa dem westdeutschen Kanzler, die Berliner Mauer werde „keine drei Wochen halten“. Die Bonner nahmen das überaus zweifelnd zur Kenntnis. Auf seine weitere Frage, ob er darauf vorbereitet sei, entgegnete Kohl: „Das wird nicht geschehen!“ Als dies dennoch geschah und Schäuble dies in Warschau erfuhr, wusste der Ungläubige nichts anderes als den Rat, im Bonner Kanzleramt den Alkoholgenuss einzuschränken. Dass wir jemals die letzten Geheimnisse dieser deutschen Schicksalstage erfahren werden, erscheint zweifelhaft. Heute weiß man, dass bereits 1987 Außenminister Eduard Schewardnadse im Politbüro der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) erklärte: „Wir müssen die Idee eines einheitlichen Deutschlands ernsthaft untersuchen.“ Tatsache ist ebenso, dass am 3. November 1989 im Politbüro der KPdSU Gorbatschow feststellte, man könne die DDR „nicht mehr über Wasser halten“. Schewardnadse antwortete daraufhin wörtlich: „Die Mauer sollten sie lieber selbst beseitigen“, womit zweifellos die Deutschen in der DDR gemeint waren. Lediglich sechs Tage danach fiel die Berliner Mauer. Wirklich nur ein bloßer Zufall? Die Meldung Wiecks nach Bonn bereits Wochen zuvor, Mos­kau sei zu Kompromissen in der Deutschland-Frage angesichts seiner Misere „regelrecht gezwungen“, hatte Kohl „in den Bereich der Phantasie“ verwiesen. Am 10. November schrieb das „Luxemburger Wort“ auf Seite 1 in großen Buchstaben vom „Ende des Weltkommunismus“, doch am Rhein sah man noch im November die deutsche Einheit „erst in Jahren“.

Diese erfolgte nicht durch Kohls längere Gespräche mit Gorbatschow und dessen angeblich guten Willen gegenüber Deutschland – wozu auch nach dem Zweiten Weltkrieg? Er ließ sein Faustpfand DDR fallen, um überlebensnotwendige Kredite von der alten Bundesrepublik zu erhalten für sein System, das angesichts der sehr schlechten Wirtschaftslage und des ausbrechenden Nationalitätenproblems kurz vor seinem Ende stand.

Anlässlich seines Besuchs am 19. Dezember 1989 hatte der westdeutsche Bundeskanzler in Dresden nur einige Interessenten erwartet. Als er indes am Flughafen von Zehntausenden umjubelt wurde, erkannte er endlich die tiefe Sehnsucht der DDR-Bevölkerung nach Freiheit und Wiedervereinigung. Ab diesem Tage hat er sich dann mit einer bewunderungswürdigen Energie für die Überwindung der Teilung in unserem Lande eingesetzt. Insofern ist er wirklich „Der Vater der deutschen Einheit“.

Für den Bundesnachrichtendienst arbeiteten von 1946 bis 1990 mehr als 10000 Männer und Frauen als Spione, viele nur mit kurzfristigen Aufträgen, während andere jahrelang tätig waren. Über 4000 von ihnen haben ihren Einsatz mit hohen Zuchthausstrafen, oft mit schweren Gesundheitsschäden, nicht selten mit ihrem Leben bezahlen müssen. Vermerkt werden sollte aber auch, dass das heutige Deutschland sie längst vergessen hat.

Friedrich-Wilhelm Schlomann


S. 11 Preussen

»Mohammed war ein Betrüger«
Scheinbar pro-islamische Äußerungen Friedrichs des Großen werden aus dem Zusammenhang gerissen zitiert

Friedrich der Große war ein erklärter Gegner der muslimischen Religion und scharfer Kritiker Mohammeds. Das beweisen verschiedene explizite Äußerungen des Preußenkönigs. Deshalb sind sämtliche Versuche, ihm eine islamfreundliche Einstellung anzudichten, zum Scheitern verurteilt.

Angesichts der gegenwärtigen Debatte um Einwanderer und den Islam werden immer wieder auch zwei Bemerkungen von Fried­rich II. zitiert. Dabei handelt es sich zum einen um eine Verfügung vom 22. Juni 1740, die besagt: „Die Religionen Müsen alle Tolleriret werden …, den hier mus ein jeder nach Seiner Fasson Selich werden.“ Und zum anderen wäre da noch folgende Aussage des Monarchen, die er wenige Tage zuvor getätigt hatte: „Alle Religionen seindt gleich und guht, wan nuhr die Leüte, so sie profesieren (ausüben), erliche Leüte seindt, und wen Türken und Heiden kähmen und wolten das Land pöbplieren (besiedeln), so wollen wier sie Mosqueen und Kirchen bauen.“

Hieraus versuchen interessierte Kreise nun immer wieder, ein klares Bekenntnis zur Integration von Muslimen zu konstruieren. Dabei vernachlässigen sie freilich eine goldene Regel im Umgang mit Bemerkungen historischer Persönlichkeiten, nämlich diese in den entsprechenden Kontext zu stellen. Tut man das, erscheinen die besagten Sätze in einem ganz anderen Licht.

So ging es überhaupt nicht um den Islam, als der König schrieb, er wolle eingewanderten Türken Moscheen bauen. Denn der Satz diesen Inhalts steht am Rande eines Berichtes des preußischen General-Direktoriums über den Antrag des italienischstämmigen Kaufmanns katholischen Glaubens Antonio Ruby auf das Bürgerrecht und die Mitgliedschaft in der Kaufmannsgilde von Frankfurt an der Oder. Ersteres konnte Ruby nämlich keinesfalls ohne Weiteres erlangen, weil es einen Erlass von Friedrich Wilhelm I. gab, der besagte, dass Katholiken nur aufgrund einer expliziten Genehmigung des Herrschers das Bürgerrecht erhalten dürften. Und dieses Verfahren fand Friedrich II., der nach seiner Thronbesteigung immens viel um die Ohren hatte, offenbar lästig. Deswegen erteilte er den zögerlichen Beamten eine Lektion, die da lautete: Selbst wenn Türken und Heiden kämen – die Betonung liegt hier allerdings eindeutig auf dem Konjunktiv –, würde er die aufnehmen, also sei die Rückfrage wegen eines einzelnen Katholiken schlichtweg überflüssig und enervierend.

Das Gleiche gilt für die allgemeine Aussage über religiöse Toleranz, die scheinbar auch den Islam einschloss. Hier reagierte der König auf eine Klage des geistlichen Departements, dass die neu eingerichteten Schulen für römisch-katholische Soldatenkinder zu allerhand Ärger führten, weil man von dort aus versuche, zu missionieren. Deshalb wurde gefragt, „ob nun bei so bewandten Umständen die römisch-katholischen Schulen bleiben sollen“. Hier ging es also wiederum nur um das Problem der angemessenen Behandlung von Katholiken. Daher ist es vollkommen unsinnig, aus dem Satz ein Bekenntnis zu einem religiös „bunten“ Preußen zu konstruieren. Außerdem war Friedrichs Toleranz selbst gegenüber den verschiedenen christlichen Konfessionen begrenzt, weil sie auf einem zweckrationalen Kalkül beruhte, das seinerseits aus der preußischen Staatsräson resultierte.

Darüber hinaus existieren zahlreiche Belege dafür, dass der Preußenkönig dem Islam mit größter Abneigung gegenüberstand, was vor allem auf den Einfluss des Philosophen François Marie Arouet, genannt Voltaire, zurückging. Für diesen war Mohammed nämlich nur ein „verwegener Marktschreyer“ und der Koran ein „Mischmasch, ohne Verbindung, ohne Ordnung, und ohne Kunst“, das nur „Raserey“ und „Enthusiasterey“, aber mit Sicherheit keine Vernunft hervorbringe. Deshalb verfasste er dann auch eine Tragödie mit dem bezeichnenden Titel „Der Fanatismus oder Mohammed der Prophet“, die er im Dezember 1740 an Friedrich den Großen schickte.

In diesem Stück heißt es unter anderem: „Dass ein Kamelhändler in seinem Nest Aufruhr entfacht, dass er seinen Mitbürgern Glauben machen will, dass er sich mit dem Erzengel Gabriel unterhielte; dass er sich damit brüstet, in den Himmel entrückt worden zu sein und dort einen Teil jenes unverdaulichen Buches empfangen zu haben, das bei jeder Seite den gesunden Menschenverstand erbeben lässt, dass er, um diesem Werke Respekt zu verschaffen, sein Vaterland mit Feuer und Eisen überzieht, dass er Väter erwürgt, Töchter fortschleift, dass er den Geschlagenen die freie Wahl zwischen Tod und seinem Glauben lässt: das ist mit Sicherheit etwas, das kein Mensch entschuldigen kann, es sei denn, er ist als Türke auf die Welt gekommen, es sei denn, der Aberglaube hat ihm jedes natürliche Licht (der Vernunft) erstickt. Mohammed ist nichts weiter als ein Tartuffe (Betrüger) mit dem Säbel in der Hand.“

Und diese Aussagen fielen bei Friedrich dem Großen auch definitiv auf fruchtbaren Boden. Das beweist unter anderem seine eigene Kritik am Propheten Mohammed aus dem Jahre 1775: „Seit dem frommen Äneas, seit den Kreuzzügen des heiligen Ludwig finden wir in der Geschichte kein Beispiel eines religiösen Helden. Denn Mohammed war nicht fromm, sondern nur ein Betrüger, der sich der Religion bediente, um sein Reich und seine Herrschaft zu begründen.“ Ganz ähnlich lautete die Einschätzung des Königs in zwei Briefen an den Mathematiker und Aufklärer Jean-Baptiste le Rond

d’Alembert vom April 1770 beziehungsweise Oktober 1777. Darin schrieb Friedrich: „Gehe ich die Geschichte durch, so finde ich zwei Arten von Betrügern. Erstens solche, die den Aberglauben als Sprungbrett zum Erfolg benutzten, und zweitens solche, die mit Hilfe einiger Vorurteile das Volk zu seinem eigenen Vorteil gängelten. Zu den ersteren rechne ich die Bonzen, Zoroaster, Numa, Pompilius, Mohammed.“ Ebenso stellte der Alte Fritz fest: „Was die Religion betrifft, so scheint sich aus allem, was uns vom Altertum überliefert ist, zu ergeben, daß die Herrschsucht sich ihrer zum eigenen Emporsteigen bedient hat. Mohammed und so manches andere Sektenhaupt bezeugen diese Wahrheit. Sie sind zweifellos zu verdammen.“

Deshalb ließ Friedrich der Große selbst dann keine „Mosqueen“ bauen, als während des Siebenjährigen Krieges mehrere hundert Muslime aus dem Heer der russischen Zarin Elisabeth I. auf die preußische Seite wechselten, wo sie 1762 im Husaren-Regiment „Bosniaken“ zusammengefasst wurden. Wolfgang Kaufmann


Ein Hufeisen gilt als sein Meisterstück
Mit dem Architekten Bruno Taut und dem Gartenarchitekten Leberecht Migge plante Martin Wagner die Britz-Siedlung in Berlin

Der am 5. November 1885 in Königsberg geborene Stadtplaner, Architekt und Stadttheoretiker Max Wagner studierte nach dem Schulbesuch Architektur, Städtebau und Volkswirtschaft an den Technischen Hochschulen Berlin und Dresden. Das im 20. Lebensjahr begonnene Studium schloss er 1908 mit dem akademischen Grad eines Diplomingenieurs ab.

Seine erste Stelle trat der junge Diplomingenieur 1910 in Hamburgs Bauamt an. Nachdem 1911 im Großherzogtum Oldenburg aus den Gemeinden Bant, Heppens und Neuende die Stadt Rüstringen gebildet worden waren, wurde er deren erster Leiter des Hochbauamtes. Dort erhielt er für seine Planungen auch erstmals einen Wettbewerbspreis. Den Bezug zum früheren Studienort Berlin, einem zentralen Ort deutschen Architekturlebens, brach Wagner auch während seiner Rüstringer Zeit nicht ab. Er promovierte 1915 bei Josef Brix in Berlin mit der Arbeit „Das sanitäre Grün der Städte, ein Beitrag zur Freiflächentheorie“ und wurde Abteilungsleiter im Zweckverband Groß-Berlin für den Kreis Teltow. 1917 wurde er eingezogen und an der Westfront eingesetzt.

Die Zeit im Zweckverband Groß-Berlin diente Wagner zur Sammlung von Erfahrungen und neuen schöpferischen Ideen im städtebaulichen Bereich. In den Jahren 1918 bis 1927 war er Stadtbaurat von Schöneberg, danach über längere Zeit in anderen Berliner Bauverwaltungen tätig. Dort pflegte er enge Verbindungen zu berühmten Architekten wie Ludwig Mies van der Rohe, Walter Gropius, Bruno Taut und Hans Scharoun. Letzterer entwarf den Lageplan der Berliner Großsiedlung Siemensstadt. Wahrscheinlich hat sich Wagner von dem Dessauer Bauhausstil, der von Gropius ins Leben gerufen worden war, für seine Projekte inspirieren lassen. Die Dessauer Bauhausschule wollte zeigen, dass Kunst und Technik nichts Entfremdendes haben müssen, wie es im 19. Jahrhundert noch der Fall war, sondern dass beide miteinander im Sinne einer Symbiose harmonieren können.

Neben der Planung des „Lindenhofes“ und dessen Realisierung 1918/19 machte Wagner 1925 erstmalig den Versuch mit der Plattenbauweise, zum Beispiel in Berlin-Friedrichsfelde. Zusammen mit dem ebenfalls aus Königsberg stammenden Taut beteiligte er sich an Entwürfen für eine Hufeisensiedlung in Berlin-Britz. Die Britz-Siedlung gilt als Meisterstück Wagners. Sie zeichnete sich durch eine geschlossene Randbebauung an der Straße, große Freiflächen und eine einheitliche Gestaltung aus. Martin Wagner wirkte weiterhin planerisch an Projekten wie dem Strandbad Wannsee (1928) und dem Berliner Messegelände (1930) zusammen mit Hans Poelzig.

Die „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten hatte für das langjährige Mitglied der SPD und den Vertreter des Neuen Bauens weitgehende Arbeitslosigkeit zur Folge. Pölzig vermittelte ihm 1935 eine Berufung zum städtebaulichen Berater der Stadt Istanbul. Von dort zog Wagner 1938 in die Vereinigten Staaten weiter, wo er eine Lehrtätigkeit an der Harvard University in Cambridge/Massachusetts aufnahm. Nach Annahme der US-amerikanischen Staatsbürgerschaft wurde er als international angesehener Professor für Städtebau 1945 Mitglied der American Academy of Arts and Sciences. Mit 65 Jahren wurde der bedeutende Architekt an der Harvard University emeritiert. 1952 kehrte er noch einmal in die alte Reichshauptstadt Berlin zurück. Martin Wagner starb am 8. Mai 1957 in Cam­bridge.

Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts hat man begonnen, sich näher mit der Disziplin „Städtebau“ zu beschäftigen. Josef Stubben, einer der ersten Theoretiker der jungen Disziplin Städtebau, verstand unter dem Begriff den Bau der Straßen, die Einrichtungen der Stadtentwässerung, Städtereinigung und Stadtverschönerung, ferner die Wasserversorgung und alle Arten des Stadtverkehrs, endlich die Gebiete der Baupolizei und der Wohnungsfürsorge.

Eine der zahlreichen Aufgaben des Städtebaus in den 1920er Jahren war es – auch im Sinne von Martin Wagner –, „eine größere Anzahl von Menschen mit verschiedenen Bedürfnissen zu einem Ganzen, der städtischen Siedlung, zu vereinigen“, um es mit Jochen Kempmann zu sagen. Wagner, der Königsberger mit preußischen Tugenden wie Ausdauer, Stetigkeit und Pflichtbewusstsein trug wesentlich zur Neuorientierung des Städtebaues in der jungen Weimarer Republik bei. Seine städtebaulichen Leitvorstellungen und Ideen nahmen bewusst alte Vorlagen aus der Zeit vor der Reichsgründung wie beispielsweise Dorfanger bei der Siedlung Berlin-Britz auf. Daher gilt gerade Wagners Architektur als ein wichtiges Beispiel für die glückliche Verbindung von althergebrachten architektonischen Traditionen und zeitbedingten architektonischen Notwendigkeiten. E.B.


S. 12 Leserforum

Leserforum

Was die Kanzlerin nicht wissen will

Zu: Sicherheitsrisiko Merkel (Nr. 42)

Wen meint die Bundeskanzlerin mit „Wir schaffen das“? Schließt sie sich damit ein? Wie viel von ihrem monatlichen Nettoeinkommen von 30000 Euro hat sie der Flüchtlingshilfe gespendet? Hat sie sich bereiterklärt, einem Flüchtling ein Zimmer in ihrem Haus zur Verfügung zu stellen? Weiß sie, dass man in der Türkei bereits für 1500 Euro einen echten syrischen Pass kaufen kann und damit als Pakistani plötzlich zum willkommenen Syrer wird?

Weiß sie, dass ein amerikanischer Großindustrieeller ein Buch herausgegeben hat, in dem genau beschrieben wird, wie man aus den verschiedenen Ländern des arabischen Frühlings nach Deutschland kommt und in dem genau beschrieben wird, wie und wo man die Unterstützungsgelder bekommt und welche Rechtsmittel den Asylbetrügern zur Verfügung stehen, einschließlich der Anwälte und zugehörigen Gerichtskostenhilfe? Weiß sie auch, was im geheim ausgehandelten Freihandelsabkommen TTIP mit dem imperialistischen USA steht? Ein US-Schauspieler kann demnach die Bundesrepublik auf Schadenersatz verklagen, wenn ihm eine deutsche Filmgesellschaft eine Schauspielrolle versagt. Weiß sie dies? Oder gehört das auch zu „Wir schaffen das“?

Warum lockt die Bundeskanzlerin mit ihren unverantwortlichen Versprechungen Menschen in das vermeintliche Schlaraffenland Deutschland, obwohl in diesem Jahr kein neuer Krieg ausgebrochen ist? Dafür gibt es nur eine Erklärung. Sie will Deutschland abschaffen.

Dieter Kassenbeck, Rheine

 

 

Linker Freudentaumel schlägt in Wutgeheul um

Zu: Bis zu 16 Millionen (Nr. 41)

„Das Volk hat vergessen, die Politiker auszuwechseln. Jetzt wechseln die Politiker das Volk aus“, so sagte mir − in Anlehnung an ein bekanntes Brecht-Zitat − ein Geschäftsmann einmal anlässlich der Migrationswelle Anfang der 1990er Jahre.

Damals hatte wohl niemand vorhersehen können, welche Ausmaße die Völkerwanderungen noch annehmen können, nicht einmal jene Gesellen, die auf Demonstrationen ständig „Deutschland verrecke“ skandieren.

Die Kanzlerin hat ihre Einladungen in alle Welt hinausposaunt, ihren Immigrationsmagneten eingeschaltet, und alle kommen. Darunter, wie nicht anders zu erwarten, mehrheitlich Muslime. Nun mögen es ja weite Teile der Bevölkerung sehr begrüßen, wenn ohnehin kaum genutzte christliche Kirchen in Moscheen umgewandelt werden. Die zunehmende Entfremdung zu den traditionellen religiösen Werten spricht Bände.

Doch könnten der jetzige Freu­dentaumel und die Triumphgesänge der linken Einpeitscher alsbald in ein Wutgeheul umschlagen. Es ist nämlich kaum vorstellbar, dass die baldige muslimische Bevölkerungsmehrheit sehr viel Verständnis für Schwule und Lesben und andere alternative Lebensformen aufbringen wird, da bekanntlich die traditionelle Familie im Islam einen hohen Stellenwert genießt.

Es könnte sein, dass dann auch hierzulande die Revolution ihre Kinder frisst. Das Schicksal eines gewissen Maximilien de Robes­pierre sollte eigentlich genug Mahnung sein.

Ralf Möllering, Melle

 

 

Die im „Dunklen“

Zu: Deutschenhass ist erlaubt (Nr. 37)

Dass Deutschland ein Rechtsstaat ist und es unabhängige Gerichte gibt, stimmt leider nicht. Dazu müssten die Exekutive und die Judikative voneinander getrennt sein. Die deutschen Richter sind aber nicht weisungsbefugt wie in vielen anderen Ländern, sondern der Politik gegenüber weisungsgebunden. Deshalb gehen auch Klagen in Karlsruhe wie das Hornberger Schießen aus, da die Richter der Politik nicht die Tour vermasseln können oder wollen.

Deshalb stehen die einen im „Dunkeln“ und müssen sich verleumden, beleidigen oder verprügeln lassen. Sie sind quasi vogelfrei, während diejenigen, die im „Hellen“ stehen, sich jeden Rechtsbruch leisten können, auch wenn er noch so unglaublich ist.

Es wäre eine lohnende Aufgabe für eine freiheitliche und dem Grundgesetz wirklich verpflichtete Partei, überhaupt erst einmal die Rechtstaatlichkeit einzuführen.

Karin Khemlyani-Albrecht, Bendestorf

 

 

Die erste Geige

Zu: Preußen spielte nur die zweite Geige (Nr. 41)

Wenn auch die ursprüngliche Zielrichtung Preußens bei der territorialen Neugliederung beim Wiener Kongress vor genau 200 Jahren eine andere war, so kann wohl vom „Spielen einer zweiten Geige“ nicht die Rede sein. Preußen trat auch nicht den überwiegenden Teil seiner polnischen Gebiete an den Zaren ab, sondern nur einen Landstrich „Südostpreußen“ aus der Dritten Polnischen Teilung.

Westpreußen (Pommerellen), war von 1772 bis 1945 auch während der napoleonischen Besetzung preußisch, und die Provinz Posen war es von 1793 bis 1919 (mit Unterbrechung von 1807 bis 1815). Die „große Exklave“ um­fass­te immerhin zwei ehemalige Kurfürstentümer und Westfalen; im neuen Deutschen Bund wurde Preußen neben Österreich eine Führungsmacht.

Günther Pagel, Achim

 

 

Der Schuss kann nach hinten losgehen

Zu: Juden haben Angst (Nr. 41)

Es ist verständlich, dass die hier lebenden Juden vor der antijüdischen Haltung der einwandernden Muslime Angst haben. Doch zieht Josef Schuster, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, daraus nicht die notwendigen Konsequenzen, sich gegen jeden weiteren Zuzug von illegalen Asylbewerbern nach Deutschland zu wenden. Im Gegenteil. Er bejaht weitere Immigration und fordert sogar eine möglichst rasche Integration.

Einen Schritt weiter geht Doron Kiesel, wenn er sozusagen den Schwarzen Peter bei misslungener Integration der deutschen Aufnahmegesellschaft zuschiebt, die „ausreichend Wohnungen, Arbeit, Sprachunterricht und Bildungsangebote zur Verfügung“ stellen müsse. Sollten diese Integrationsbausteine ausbleiben, könnten Juden oder Israelis bevorzugte Ziele (der Aggression durch Muslime) darstellen, so das Erfahrungswissen.

Wie viele weitere Milliarden Euro soll der deutsche Steuerzahler für die derzeit Abertausenden und sehr bald schon Millionen illegaler Einwanderer eigentlich noch aufbringen? Wenn danach – was abzusehen ist – ein Großteil der Aufgenommenen sich als nicht integrationswillig herausstellt und unter anderem weiterhin antijüdisch agiert, ist das dann die Schuld der Deutschen, die immer noch nicht genug gezahlt hätten?

Der Sinn eines Asyls ist doch, vorübergehend Schutz und Bleibe für wirklich mit dem Tode bedrohte Menschen zu gewähren, um sie baldmöglich in ihr befriedetes Heimatland zurückzuschicken. Dieser Gedanke wird durch den größten Teil der Einwanderer pervertiert, da es sich um Menschen handelt, die in Deutschland lediglich ein materiell gutes Leben erhoffen.

Die exponierten Vertreter des Judentums sollten endlich erkennen, dass keine noch so großzügige Alimentierung die Immigranten zu einer Akzeptanz unserer Gesellschaft oder der Juden führen wird. Der Staat Israel selbst hat das klar erkannt und agiert äußerst restriktiv, was Einwanderung fremder Ethnien in sein Land anbetrifft.

Allerdings gibt es auch ultraorthodoxe Stimmen (die PAZ berichtete), welche die Immigrantenflut nach Europa begrüßen, damit die hiesige Zivilisation untergeht und der Messias kommen kann.Brigitte Bean-Keiffenheim, Frankfurt am Main

 

 

Neuer Stern am Parteienhimmel

Zu: Alfa zündet nicht (Nr. 40)

Als Neuleser der Preußischen Allgemeinen bin ich etwas irritiert und überrascht – warum so negativ? In Alfa, der von Bernd Lucke neugegründeten Partei, sammelt sich der positive Grundgedanke der ehemaligen AfD-Gründer. Sie soll die wichtige und dringend notwendige Partei sein, auf die so viele Wähler hoffnungsvoll gewartet haben. Was mit der Alternative für Deutschland einst so positiv begann, aber dann durch einen unkontrollierten Mitgliederzuwachs leider einen Erdrutsch in Richtung NPD auslöste, wird nun auf liberalem Wege als Partei des Menschenverstands fortgeführt.

Ich jedenfalls bin sehr gespannt, ob Professor Lucke es nochmals gelingt, mit Alfa eine Alternative zu den inhaltlosen Großparteien aufzubauen. Das zitierte Papier zur Flüchtlingswelle habe ich genau analysiert. Wenn dies inhaltlich tatsächlich mit der CDU-Meinung übereinstimmen würde, wären wir wohl auf einem guten Weg, unsere Probleme zu lösen. Anleihen zu CDU oder gar FDP sind dort nicht zu finden, vielmehr ehrliche, konstruktive und liberale Vorschläge. Die selbstherrlichen Großparteien wären gut beraten, hier mit offenen Augen mitzulesen und – vor allem – zu handeln!

Wenn Professor Lucke Alfa weiterhin auf diesem Wege nach vorne bringt, bin ich mir sicher, dass hier ein Stern am grauen Parteienhimmel entsteht. Hoffentlich informiert dann auch die PAZ künftig offen und vorbehaltlos über diese sehr interessante Neu-Partei.

Thorsten Hofmann, Berlin

 

 

Ohne Profil

Zu: Unbelohnte Zurückhaltung (Nr. 39)

Der kritische, sehr differenzierte Kommentar auf das „Nicht-Erscheinungsbild“ der Partei Alternative für Deutschland (AfD) stößt auf meine volle Zustimmung. Jede Partei, die sich nicht entschließen kann, realitätsgerecht zu analysieren, das Ergebnis frei auszusprechen und die ihr angezeigt erscheinenden Forderungen zu stellen, ist überflüssig.

Wenn schon bei ihrem Erscheinen auf der Politbühne oberste Richtschnur war, dass die Altparteien und die ihnen Zuarbeitenden möglichst „nicht mit der Augenbraue zucken“, so ist auch nicht zu erwarten, dass die AfD Profil entwickelt. Das heißt, dass die AfD etwas unternimmt, um das vorhandene Parteienspektrum deutlich zu erweitern, und das von ihr etwas kommt, was die Altparteien nicht wünschen oder aufbringen.

Gudrun Schlüter, Münster

 

 

Stellvertreterkrieg in Syrien

Zu: Russland löst die USA in Syrien ab (Nr. 39)

Bei der allgemeinen Debatte um den Krieg in Syrien wird ein Aspekt nur im Hintergrund oder gar nicht erwähnt. Es geht dabei weniger um den Machthaber Assad, sondern Ausgangspunkt und weiterhin treibende Kraft ist die Auseinandersetzung zwischen den USA und Russland um den Einfluss im östlichen Mittelmeer.

Es ist das Interesse der USA, zur Absicherung Israels in Syrien eine Regierung zu etablieren, die keine Bedrohung für den jüdischen Staat darstellt. Daher haben die Vereinigten Staaten die syrische Opposition aufgepäppelt und massiv militärisch und publizistisch unterstützt mit dem Ziel, das Regime Assads zu stürzen und eine den USA genehme Regierung zu etablieren.

Das wiederum läuft gegen die Interessen Russlands, das einen syrischen Hafen für die Stationierung und Versorgung seiner Mittelmeerflotte unterhält, den es verlieren würde, wenn Assad un­terläge. Deshalb rüsten die Russen dessen Truppen auf, haben sogar Panzer und Militärflugzeuge dort postiert und sind zu weitestgehender Unterstützung des syrischen Machthabers entschlossen. Auch Iran hat kein Interessesse an einer Niederlage Assads. So hat ein Friede in Syrien nur dann eine Chance, wenn die USA und Russland unter Einbeziehung des Iran zu einem für beide Seiten zufriedenstellenden Ausgleich finden.

Dieter Dziobaka, Hamburg

 

 

Geschichtsbuchreife Flucht eines Methusalems

Zu: Die Fanatikerin (Nr. 39)

Bundeskanzlerin Angela Merkel muss einen totalen Blackout erlitten haben, als sie die Welt eingeladen hat, in unbegrenzter Anzahl nach Deutschland zu kommen. Sie hat in der Vergangenheit schon mehrere politische Fehlleistungen vollbracht. Hier sei nur der überhastete Atomausstieg, Griechenland-Rettung, Sanktionen gegen Russland und aktuell als Höhepunkt politischer Unfähigkeit die Asyl- und Flüchtlingspolitik zu nennen.

Hier ein weiteres Beispiel von Auswüchsen dieser Flüchtlingspolitik: Ein 110-jähriger Afghane ist mit seiner neunköpfigen Familie ins Traumland Deutschland gekommen. Respekt vor allem den Schleusern und Helfern, welche erneut beweisen, wie kinderleicht eine illegale Einwanderung nach Deutschland möglich ist. Keine Spur von unüberwindbaren Schwierigkeiten und Traumata, wie die Politik immer behauptet.

Man kann davon ausgehen, dass diese Einwanderungsfamilie garantiert ohne jegliche Ausweispapiere viele Grenzen Europas überwunden hat. Ohne Ausweise deshalb, weil man verschleiern muss, wer man in Wirklichkeit ist. Den Steuerzahler sowie die Sozial- und Krankenkassen wie auch Leistungscenter wird es freuen, diese „Bereicherung für Deutschland“ zu finanzieren. Diese Großfamilie allein wird Deutschland monatlich mindestens 13000 bis 15000 Euro kosten.

Den Methusalem mit 110 Jahren wird man dann in ein Pflegeheim stecken. Die Kosten sind allgemein bekannt. Unter rund 4000 Euro ist hier nichts möglich. Aber egal, der Steuerzahler wird es schon richten. Das ist nur ein Beispiel von Hunderttausenden, wie Deutschland abgezockt wird. Aber das sind alles nur Peanuts, wenn man bedenkt, dass für die Anpassung der Mütterrente bei älteren Müttern mit Kindern und für die Infrastrukturmaßnahmen wie Straßen-, Kita-, Schul- und Krankenhausbau sowie der Schuldentilgung, die bei 2,4 Billionen Euro liegt, weiterhin kein Geld vorhanden ist.

Fazit dieser gesamten Asylpolitik: Dieser Vorgang dürfte einmalig in der bewegten Weltgeschichte sein. Mir ist kein Politiker oder Regierungschef bekannt, der der Ausrottung seiner eigenen Nation mit System und wohl auch mit massiver Dummheit seine Zustimmung gegeben hat. Ich schätze, Frau Merkel wird mit ihrer Politik in die Geschichtsbücher eingehen.

Wolfgang Rohde, Sigmaringen


S. 13 Das Ostpreußenblatt

Pole, Deutscher oder einfach Masure?
Um historische Erinnerungsorte ging es beim 10. Kommunalpolitischen Kongress der LO in Allenstein

Seit eineinhalb Jahrzehnten veranstaltet die Landsmannschaft Ostpreußen ihre „Deutsch-Polnischen Kommunalpolitischen Kongresse“. Erklärtes Ziel der Veranstaltungen, die vom Bundesminister des Inneren gefördert werden, ist es, den Dialog zwischen den ehemaligen und den heutigen Bewohnern der Wojewodschaft Ermland und Masuren zu fördern. Wolfgang Schäuble und Thomas de Maizière zählten schon zu den Gästen. Mit einer Rekordbeteiligung fand am 10. und 11. Oktober der zehnte Kommunalpolitische Kongress statt.

Wer bin ich? Fühle ich mich als Pole oder doch eher als Masure?“

Mit diesen Fragen an sich und an die Zuhörer sorgte Landrat Antoni Karas aus Sensburg für einen der eindringlichsten Momente beim Kommunalpolitischen Kongress in Allenstein. Das Thema der zweitägigen Veranstaltung hieß „deutsch-polnische Erinnerungsorte“ und hatte für eine Rekordbeteiligung gesorgt: 65 Landräte, Bürgermeister, Kulturschaffende, Kreisvorsitzende und Vertreter der deutschen Minderheit, darunter Bernard Gaida, Vorsitzender der 200000 im Verband der sozial-kulturellen Gesellschaften (VdG) organsierten Deutschen in Polen, waren ins Hotel Warminski gekommen, um sich auszutauschen, zu diskutieren und von den insgesamt fünf Vorträgen anregen zu lassen. Zwei Simultanübersetzer sorgten für den reibungslosen Informationsfluss. Zur Einstimmung in das Thema war der Saal mit 20 Tafeln der Ausstellung „Vom Zauber alter Städte. Eine Reise vom Frischen Haff zu den Masurischen Seen“ dekoriert. Das Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen hatte sie eigens zur Verfügung gestellt.

Nach den Einführungsworten von Gottfried Hufenbach, dem stellvertretenden Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, trat die Kunsthistorikerin Dr. Ewa Maria Gladkowska als erste ans Rednerpult. Die Wissenschaftlerin der Universität in Allenstein sprach über „deutsch-polnische Erinnerungsorte in Ermland und Masuren“. Die Erinnerung sei allgegenwärtig, erklärte sie. In Wirtschaft, Politik und Alltagsleben sei das kulturelle Erbe Ostpreußens präsent. Gleichzeitig sei aber „das Vergessen die offizielle Narration Polens.“ Die Wissenschaftlerin: „Wir sind eine Posteinwanderer-Gesellschaft. Tradition war viele Jahre nicht gewünscht, aber die Menschen verlangen nach Identität.“

Dieter Chilla, Vertreter der Kreisgemeinschaft Ortelsburg, sprach aus, was wohl viele dachten: „Ihr Vortrag hat mich tief berührt.“ Chilla verwies auf die psychologische Erkenntnis, dass es krank an Körper und Geist mache, die eigene Vergangenheit zu verdrängen.

Die Frage nach der eigenen Identität ist sicherlich ebenso wichtig. Sensburgs Landrat Karas, der das Mikrofon nach Dieter Chilla übernommen hatte, hat sie für sich beantwortet: Er fühle sich als Masure, erklärte er und beschrieb dann seine Verbundenheit mit den früheren Masuren und wie wichtig es ihm sei, die dortigen deutschem Friedhöfe zu pflegen.

Nicht alles läuft so harmonisch ab im Verhältnis zwischen Deutschen und Polen. Dass dies besonders für den Umgang mit der gemeinsamen Geschichte und ihren Erinnerungsorten gilt, zeigten weitere Wortbeiträge, die auch später noch für regen Meinungsaustausch sorgten.

Vor diesem Hintergrund war die Sicht auf eine ähnlich wechselvolle Beziehung zweier Nationen von besonderer Bedeutung: Professor Henryk Stronski, Leiter des Forschungsinstitutes für internationale Beziehungen an der Universität in Allenstein, sprach als zweiter Vortragender über polnisch-ukrainische Erinnerungsorte. Der Historiker führte aus, wie sehr auch sie ebenso Spannungsfelder wie Ort der Versöhnung sind.

Auf beeindruckende steinerne Erinnerungsorte verwies dann Professor Christofer Herrmann von der Universität Danzig. Er referierte über die Backsteinarchitektur im Ostseeraum und betonte, wie sehr die ganze Region von dieser Bauweise geprägt sei. Hochaktuell war der Vortrag vor Dr. Anna Zubschitzka von der Polizeihochschule in Ortelsburg am Sonntag. Die junge Wissenschaftlerin beschrieb die heikle Neuordnung der polnischen Polizei nach 1989. Es galt, die Vertreter eines kommunistischen Unterdrückungsapparates in bürgerfreundliche Gesetzhüter umzuwandeln.

Zurück bis weit ins 19. Jahrhundert führte dann Dr. Ruth Leiserowitz im letzten Vortrag des Kongresses. „Die Juden in Ostpreußen“ hieß das Thema der stellvertretenden Direktorin des Deutschen Historischen Institutes in Warschau. Die Wissenschaftlerin ist selbst über ihren jüdischen Ehemann eng mit dem Thema verbunden. Der Großvater ihres Mannes focht als preußischer Offizier bei Tannenberg. Anschaulich beschrieb die Historikerin jüdisches Leben in Ostpreußen. Sie berichtete vom Synagogenbau und davon, wie eng die jüdischen Gemeinden und ihre rund 12000 Mitglieder bis zur Zwischenkriegszeit mit ihrem Umfeld verbunden waren. Mit einem Ausblick in das Jahr 2018 schloss die Wissenschaftlerin den Vortrag, denn dann soll die Syna­goge in der Lindenstraße in Königsberg wiederaufgebaut sein.

Frank Horns


MELDUNGEN

Eigene Chronik Königsbergs

Königsberg – Im Museum Friedländer Tor läuft bis Ende November eine Ausstellung des bekannten Künstlers Viktor Rjabinin unter dem Titel „Wenn Engel sprechen könnten“. Es werden Intallationen, grafische Darstellungen und Zeichnungen aus dem Tagebuch des Künstlers gezeigt. Tagebücher führt Rjabinin schon seit über 30 Jahren. Sie stellen eine Art Chronik der Tagesereignisse der Stadt dar. Die Seiten sind eine Abfolge von Darstellungen historischer Gebäude, Menschen, Landschaften, Skizzen, Gedichtzeilen und Anekdoten. Darüber hinaus sammelt Rjabinin seit 20 Jahren alte Gegenstände, die etwas mit der Geschichte Königsbergs zu tun haben. Seine Werkstatt gleicht einem eigentümlichen Museum, in dem er auch Studenten unterrichtet. MRK

 

Störungen des Verkehrs

Allenstein – Straße Nr. S7: Liebemühl [Miłomłyn], Baustelle. Straße Nr. 7: Liebemühl – Osterode [Ostróda], Baustelle; Zalusken [Załuski] – Napierken [Napierki], Baustelle. Straße Nr. 7j: Zalusken – Neidenburg [Nidzica], Baustelle. Straße Nr. 16: Deutsch Eylau [Iława], Baustelle; Thyrau [Tyrowo] – Osterode, Baustelle; Osterode – Martenshöh [Marciniaki], Baustelle; Groß Borken [Borki Wielkie] – Sensburg [Mragowo], Randstreifenarbeiten; Renkussen [Rekusy] – Mathildenhof [Buniaki], Baustelle, Lyck [Ełk] – Staatsgrenze, Fahrbahnmarkierungen. Straße Nr. 16c: Krämersdorf [Kromerowo] – Bischofsburg [Biskupiec], Renovierung der Brücke, Allenstein [Olsztyn] – Groß Borken [Borki Wielkie], Randstreifenarbeiten. Straße Nr. 51: Heilsberg (Lidzbark Warminski) – Guttstadt [Dobre Miato], Randstreifenarbeiten; Allenstein – Pagelshof [Ameryka], Baustelle. Straße Nr. 53: Klaukendorf [Klewki] – Klein Trinkhaus [Trekusek), Randstreifenarbeiten; Ortelsburg [Szczytno] – Olschinen [Olszyny], Baustelle; Ortelsburg – Staatsgrenze, Randstreifenarbeiten. Straße Nr. 57: Dietrichswalde [Ciemna Wola] – Gallingen [Galiny], Baustelle; Ortelsburg – Willenberg [Wielbark], Randstreifenarbeiten, Groß Schiemanen [Szymany], Baustelle. Straße Nr. 58: Gedwangen [Jedwabno] – Narthen [Narty], Baustelle; Marxöwen [Marksewo] – Babienten [Babieta], Baustelle. Straße Nr. 63: Lötzen [Gizycko] – Biestren [Bystry], Baustelle; Eisenwerk [Ruda], Randstreifenarbeiten; Wissowatten [Wyszowate], Randstreifenarbeiten; Gehsen [Jeze] – Woiwodschaftsgrenze, Baustelle. Straße Nr. 65: Schlepien [Slepie], Renovierung der Brücke; Johannisberg [Janisze] – Löbelshof [Chojniak], Baustelle; Lyck [Ełk] – Prostken [Prostki], Baustelle, Lyck [Ełk] – Grajewo, Renovierung der Brücke. Straße Nr. 65a: Lyck [Ełk], Przemysłowa und Grajewskastraße, Renovierung der Straßenmarkierung. Straße Nr. 65c: Umgehungsstraße von Treuburg [Olecko], Baustelle. E.G.


S. 14 Ostpreussische Familie

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

„Es grüßt Sie über Zeit und Raum hinweg“ – an diese Worte, die Frau Dorelise Putzar, Tochter des Bildhauers Georg Fuhg, in einem Brief an mich so einfühlsam formulierte, musste ich denken, als ich eine unerwartete Zusendung bekam. Denn was sie enthielt, führte mich acht Jahrzehnte zurück in die 30er Jahre, als ich junge Schriftstellerin mein erstes Buch herausbrachte: Es war der „Lävensstruuts“, ein Sagen- und Geschichtenbuch, in Niederpreußisch, dem ostpreußischem Platt. Dass es nun in Königsberg von einem jungen russischen Literaturwissenschaftler in die Sprache seines Landes übersetzt wird, habe ich schon in unserer Kolumne erwähnt. Und nun hielt ich das erste Kapitel in russischer Sprache in den Händen, das ich natürlich nicht lesen konnte, aber es war schon ein eigenartiges Gefühl, zu wissen, dass mein „Lebensstrauß“ – damals als bescheidener Beitrag zur Heimatliteratur gedacht – nun solch eine Entwicklung nehmen würde. Und der Übersetzer will es nicht dabei bewenden lassen: Auch mein heiteres Büchlein „Ohm Willem“ und weitere hochdeutsche Erzählungen wird er für eine interessierte Leserschaft in russischer Sprache aufbereiten. Doch nicht nur in jene alten Friedensjahre brachte mich die Übersendung zurück, sie ließ auch noch andere Zeitabläufe abspulen, die für mich nun jede Menge Überraschungen enthielten – auch der Name des Absenders bot schon eine solche: Arno Surminski. Wie war er zu meinem russischen Lävensstruuts gekommen?

Es geschah in Königsberg, wo der Schriftsteller vor einigen Wochen eine Ausstellung im Friedländer Tor eröffnete, die ihm und seinem dichterischen Schaffen gilt. Nach einer anschließenden Lesung kam ein jüngerer Mann auf ihn zu und zeigte ihm einige Papiere, auf denen er meinen Namen las. Wegen Sprachschwierigkeiten kam es zu keinem weiteren Dialog, aber so viel glaubte Arno Surminski seinen Worten zu entnehmen, dass er die Papiere an mich weitergeben sollte. Was ja auch stimmte und nun geschah.

Aber es geschah nun noch etwas ganz Anderes. Der Schriftsteller war in den Buchunterlagen auf den Namen „Dore Kleinert“ gestoßen. Sie hatte damals in der Mitte der 30er Jahre als junge Graphikerin die Titelzeichnung für den „Lävensstruuts“ gemacht: ein Rasenstück von einer ostpreußischen Wildwiese als Symbol für die Märchen und Sagen, die alle in der Tier- und Pflanzenwelt unserer Heimat ihren Ursprung haben. Er fragte nun, ob es sich um jene Dore Kleinert handeln könnte, die nach dem Krieg im Hamburger Stadtteil Barmbek wohnte, und die oft bei der Familie Surminski zu Besuch war. Von Dore, die etwa um die Jahrtausendwende verstarb, besäße er auch noch ein Gemälde.

Es war jene Dore Kleinert. Und sie war für mich mehr gewesen als die Illustratorin meiner frühen Bücher, nämlich meine Retterin aus der Wohnungsnot der Nachkriegsjahre, die mich 1949 nach Hamburg verschlagen hatten. Ich hatte für einen niedersächsischen Zeitungsverlag die Hamburg-Redaktion übernommen und sollte sie ausbauen. Ein erstes Domizil fand ich in einer Altbauwohnung an einem Stadtkanal, von dem es eisig in mein unbeheiztes Zimmer zog. Da ich drei Tage in der Woche in Lüneburg arbeiten musste, hatte meine polnische Wirtin, die jeden Winkel ihrer Sieben-Zimmer-Wohnung auch tageweise vermietete, während meiner Abwesenheit mein Kämmerchen einem anderen müden Haupt überlassen. Ich teilte also Tisch und Bett mit einem unbekannten Wesen, von dessen Existenz ich erst durch eine mitfühlende Mitbewohnerin erfuhr. Also raus aus der Wohnhölle – aber wohin?

Da traf ich in der Baracke in der Wallstraße am Berliner Tor – mit der sich die junge Landsmannschaft Ostpreußen (LO) im April 1950 ein Refugium geschaffen hatte und in der sich nun alles einfand, was zu der verlassenen Heimat Bezug hatte – auch Dore Kleinert wieder. Sie wollte dem gerade gegründeten Ostpreußenblatt einige Zeichnungen überlassen, ich verfolgte den gleichen Zweck mit einigen Beiträgen. Ich erzählte zur Freude der anwesenden Landsleute meine Bettgeschichte, und sie sagte mit ihrem für sie so typischen sanften Lächeln: „Du, ich kann dir eine Wohnung in unserem Haus in Barmbek anbieten. Wenn du willst, kannst Du gleich einziehen!“ Ich hielt das – 1950 im noch in Trümmern liegenden Hamburg – für einen Scherz, aber die Sache hatte Hand und Fuß. Sie wohnte mit ihrem kleinen Sohn in einem für damalige Begriffe geradezu komfortablen eingeschossigen Stadthaus und musste die Räume im oberen Stock vermieten. Ich zog ein – und blieb dort drei Jahre lang! In einer Dreizimmerwohnung, deren Mobiliar aus einem auf dem Flohmarkt erstandenen Bettgestell, einem eintürigen Schrank und einem zum Schreibtisch umfunktionierten Küchentisch bestand. Eine nackte Glühbirne erhellte die Leere. Gardinen? Das Geld langte gerade für die Miete. Bis Dorchen mit schonungsvollem Lächeln mir kundtat, dass die gegenüberliegenden Bewohner sich über die kahlen Fenster, die nur während meiner Anwesenheit mit einem Laken verhängt wurden, beschwert hätten. Aber das ist eine andere Geschichte oder eine von vielen, die in jenen Jahren des Neubeginns aus dem Nichts entstanden und unvergessen blieben.

Und jetzt neuen Auftrieb durch Arno Surminskis Zeilen erhielten. Denn in jenen Jahren war Dore Kleinert oft bei der unweit wohnenden Familie zu Besuch gewesen und auch umgekehrt – wahrscheinlich hatten sich schon damals unsere Wege gekreuzt. Als ich nun Frau Surminski. anrief, um mich für die Zusendung zu bedanken, stellte sich aber noch eine andere Verbindung heraus: Ihre Tochter hatte später meine Wohnung in der Wachtelstraße übernommen. Zwischenzeitlich hatte sie mein letzter Untermieter, der im Kreis Lötzen beheimatete Zeichner und Kinderbuchautor Hans-Jürgen Press, bewohnt, der nach meinem Auszug Hauptmieter wurde. Dort in der Barmbeker Wachtelstraße waren die ersten seiner so erfolgreichen Bücher wie „Der Natur auf der Spur“ entstanden, die in über 40 Sprachen übersetzt wurden. Das Haus war und blieb fest in ostpreußischer Hand! Und beweist, wie damals, als wir Vertriebenen versuchten, wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen, einer dem anderen half mit jener Selbstverständlichkeit, die keiner großen Worte bedurfte.

Über Zeit und Raum hinweg … Anlass für diese Worte von Dorelise Putzar war unsere Veröffentlichung in Folge 8 über die Bronzebüste gewesen, die ihr Vater, der Bildhauer Georg Fugh, geschaffen hatte. Sie zeigte den Kopf des ostpreußischen Schriftstellers Paul Brock und ist im Besitz des Redakteurs Horst Zander, der heute mit seiner Frau Lydia auf deren elterlichem Hof in Hinterpommern lebt. Er hatte sie einst von dem Schriftsteller geschenkt bekommen, als Horst Zander Redakteur beim Ostpreußenblatt war, nebenbei aber noch einen Verlag betrieb. In diesem hatte er als Nachdruck den wohl bekanntesten Brock-Roman, „Der Strom fließt“, herausgebracht. Sämtliche anderen Werke des Autors waren vergriffen, und das war schon eine stattliche Anzahl, Paul Brock war ein glänzender Romancier. Geboren vor nunmehr 115 Jahren im memelländischen Pagulbinnen als Sohn eines Flussschiffers wurde die Memel zu seiner Lebensader. Schon als Junge hat er alle Wasserläufe des Memeldeltas durchfahren, und dort spielen auch die meisten seiner Romane. Seinen markanten Kopf, in dem Georg Fugh auch das Lächeln, das immer um seinen Mund spielte, zum Ausdruck brachte, hat Horst Zander bis jetzt gut gehütet. Nicht in seinem neuen Domizil an der früheren westpreußischen Grenze, das ist ihm zu unsicher, sondern gut verwahrt in seinem früheren Wohnort in der Lüneburger Heide. Nun will er sich aus gutem Grund von der Bronzebüste trennen, nicht zuletzt spielt das Alter eine Rolle, auch die Erkenntnis, dass es in seinem Umfeld keinen interessierten Nachfolger gibt. Deshalb möchte er das Fugh-Werk, das ihm Paul Brock überlassen hatte, als dieser sich auf seinen Alterssitz zurückzog, in gute Hände geben. Das hatten wir in der Folge 8 unseren Leserinnen und Lesern übermittelt. Auch Frau Dorelise Putzar las die Veröffentlichung und war von der Erinnerung an ihren Vater und sein Werk so gerührt, dass sie sich umgehend bei uns mit diesen Worten meldete. „Ihr so lebendiger Bericht über Paul Brock und Horst Zander ließ mich in meinem Archiv stöbern, und dieses heiter schaffende Arbeitsphoto von ,Gestalter und Modell‘ finden. Mit Freuden schenke ich es Ihnen.“ Und mit Freuden habe ich diesen Abdruck des „Arbeitsphotos“ empfangen, denn es zeigt den Bildhauer Georg Fugh mit seinem fröhlichen Modell – Paulchen lachte oft und gerne, er war eben eine Frohnatur. Und diesen Wesenszug findet man auch in Anklängen in dem meisterhaft modellierten Bronzekopf wieder.

Nun zu dem weiteren Verbleib der Büste: Horst Zander hat leider bisher noch kein entsprechendes Angebot erhalten, wie er mir mitteilte, als er mich kürzlich mit seiner Frau besuchte. Etliche Verbindungen haben sich inzwischen ergeben, es ist auch von dieser oder jener Stelle ein gewisses Interesse vorhanden, aber es kam noch zu keinen konkreten Verhandlungen. Horst Zander hofft weiter, dass dieses Vermächtnis eines ostpreußischen Literaten, der in seinen Werken wie in seiner Persönlichkeit die Heimat verkörperte, einen endgültigen Platz findet, an dem die Büste sichtbar zur Geltung kommt. (Horst Zander, Pieski 40 in PL-84-313 Siemirowice/Pomorze, Telefon 0049/160/97924837. Mit der telefonischen Verbindung klappt es manchmal erst nach mehreren Anrufen.)

Eure Ruth Geede


Gaumenfreude und Heilmittel zugleich
Gesunden wie Kranken sind Kohlgerichte eine gesunde Delikatesse und ganz besonders als roh zu genießende Salate zu empfehlen

Die Heimat des Wildkohls soll im mediterranen Gebiet liegen, aber große Anbaugebiete der verschiedenen Kohlarten gibt es heute in allen Landschaften der Welt mit wintermildem, luftfeuchtem Klima. Beeindruckend sind die riesigen Weiß- und Rotkohlfelder in Schleswig-Holstein. Hier haben sich – besonders in Dithmarschen – viele Kohlproduzenten organisiert, sind über ihre Berufsgenossenschaft Miteigentümer von Kühlhallen geworden, in denen ein Teil der Ernte gelagert wird. Sechs von zehn Köpfen des auch Weißkraut, Weißkabis, Kappes, Kaps, Kappus, Kabis, Kraut oder einfach Brassica oleracea convar. capitata var. alba genannten Weißkohls sind zur Herstellung von Sauerkraut bestimmt. Bis Ende November müssen sie vom Feld sein. Nur der Grünkohl wird erst nach Beginn der Frostperiode geerntet. Dann hat er den richtigen Geschmack gewonnen, weil sich der Stärkegehalt seiner krausen Blätter in Zucker verwandelt.

Die altbekannten Rezepte kommen traditionsgemäß zu Ehren. „Kohl- und Pinkel-Essen“ sind ein gesellschaftliches Ereignis. Heute gibt man wohl nicht mehr so viel Schmalz in den Topf wie ehedem, aber Rauchfleisch und pikante Würste gehören immer noch zum zünftigen Grünkohlgericht, das zur besseren Verträglichkeit auch mit reichlich Schnaps begossen wird. Gegen den gefürchteten Kater, der am Morgen darauf peinigen kann, sollte reichlich roher Krautsalat verzehrt werden.

Der Volksmund kennt ja viele Hilfsmittel. Die Altbäuerin meiner Quartiergeber im letzten Sommerurlaub nannte es allerdings eine Mär, dass die stolzen Dithmarscher Bäuerinnen frühmorgens ihre herrlich weißen Blumenkohlköpfe mit großen Kohlblättern bedecken, damit sie vom Tau nicht hässliche Spanflecken bekommen. „Wir Kohlbauern werden ja gern auf den Arm genommen!“, sagte sie. „In Wirklichkeit geben ja die gelben Sonnenflecken dem Blumenkohl einen besonders feinen Geschmack“, verriet sie. Und sie wusste natürlich auch, dass die verwöhnten Gaumen der Genießer heute noch zu würdigen wissen, was den Zeitgenossen des römischen Chronisten Plinius (23–79 vor Christi Geburt) schmeckte: die zarten Sprossen des Spargelkohls (Brokkoli) und die Röschen des Strauchkohls. Vom Luxus feiner Tafelfreuden konnte sie berichten, denn ihr Bruder, Chefkoch in einem Sterne-Restaurant, kreiert exklusive Kohlgerichte.

„Die heißen dann in verführerischer Beschreibung einiger Zutaten cauliculi, cymal oder Brassicaceae, das sind die wissenschaftlichen Namen für Kohl. Von den Kelten werden die festen, vielblättrigen Kohlköpfe in unser Land gekommen sein. ,Urahn der Kohldynastie aber ist der Chinakohl‘, sagt mein Bruder.

Auf einer 2000 Jahre alten Speisekarte wurde er bereits als ,zart und knackig‘ beschrieben. Dschingis Khan soll eine besondere Vorliebe für dieses Gemüse gehabt haben, wenn es zerschnitten und in Reiswein konserviert worden war. Bei seinen Beutezügen durch Europa vermisste der große Heerführer diese Delikatesse. Darum ließ er die hier angebauten Kohlköpfe zerschnippeln, in Ermangelung von Reiswein salzen und einstampfen. Das machen wir ja noch heute so, auf eine feinere Art allerdings, und geben dem Kraut ja auch gern Gewürze, Wacholderbeeren oder Kümmel und Wein bei!“, erzählte die Bäuerin.

Auch gegen allerlei Zipperlein wusste die erfahrene Frau noch wirksame Rezepte, die sie schon von ihrer Großmutter übernommen hat und mir gern verriet: „Die großen Außenblätter von Weiß- oder Wirsingkohl, mit dem Nudelholz geglättet, bis die dicke Mittelrippe zerquetscht, lindern für Stunden die Qualen, wenn man sie Ischias- und Rheumakranken auf die schmerzenden Stellen bindet. Und roher Kohlsaft wirkt tatsächlich blutreinigend, hilft gegen Magen- und Darmbeschwerden!“

Dass sich die übergewichtigen jungen Patienten eines Krankenhauses, die hier einer Reduzierkost zugestimmt und die Diät akzeptiert hatten, sich gegen den übergroßen Hunger in der Küche der Station zusätzlich in Salzwasser gekochten Blumenkohl oder Kohlrabi abholen können, wenn der große Hunger sie plagt, erzählte mir meine Tochter, die dort als Kinderärztin arbeitete, bevor sie eine eigene Praxis eröffnen konnte.

Die Kalorien dieser Kohlarten zählen also nicht im Diätplan. Ihre Heilkräfte kannte bereits Dioskurides (zirka 50 nach Christi Geburt), der berühmte griechische Arzt und Pharmakologe des Altertums. Die deutsche Äbtissin, Mystikerin und Naturwissenschaftlerin Hildegard von Bingen (1098–1173) erwähnte lobend „kappus“ (Weißkohl) und „rubea caules“ (Rotkohl) in ihrer „Physica“.

Auch die moderne Medizin weiß um die Heilkräfte des Kohls, setzt sie ein bei Husten und Bronchitis, Rheuma, Gastritis, Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren. Die Hauptwirkstoffe seiner Senföle schützen die Schleimhäute vor der aggressiven Magensalzsäure, lindern und beschleunigen die Heilung. Fertigarzneimittel aus zerkleinertem und ausgepresstem rohen Kohl sind rezeptfrei im Handel, denn Nebenwirkungen sind nicht bekannt. Ergänzend zur Diät darf man täglich einen Liter Kohlsaft trinken, bei Gastritis dreimal täglich einen Teelöffel davon vor dem Essen einnehmen.

Auch für Personen, die keinerlei Beschwerden haben, sind Kohlgerichte – nach neuesten Erkenntnissen und der heutigen Lebensart angemessen fettarm zubereitet – eine gesunde Delikatesse und ganz besonders als roh zu genießende Salate zu empfehlen. Anne Bahrs


S. 15 Glückwünsche

Wir gratulieren

ZUM 98. GEBURTSTAG

Regge, Elfriede, geb. Lipka, aus Treuburg, am 28. Oktober

ZUM 97. GEBURTSTAG

Naruhn, geb. Salomon, aus Wehlau, am 26. Oktober

ZUM 96. GEBURTSTAG

Berlin, Hilde, geb. Meller, aus Ostseebad Cranz, Kreis Samland, am 28. Oktober

Bogumil, Heinz, aus Lötzen, am 24. Oktober

Düding, Elfriede, geb. Dudek, aus Kalgendorf, Kreis Lyck, am 28 Oktober

Lang, Frieda, geb. Schuran, aus Dankfelde, Kreis Lötzen, am 29. Oktober

Nowinski, Martha, geb. Buck, aus Bartenhof, Kreis Wehlau, am 25. Oktober

Schweiger, Lori, aus Pobethen, Kreis Samland, am 25. Okto-ber

Sowa, Otto, aus Jesken, Kreis Treuburg, am 24. Oktober

ZUM 95. GEBURTSTAG

Baumgart, Erwin, aus Georgenforst, Kreis Elchniederung, am 24. Oktober

Holweck, Irmgard, aus Königsberg, am 24. Oktober

Kock, Elsbeth, geb. Kinski, aus Lyck, am 24. Oktober

Kozakiewicz, Erika, aus Sentken, Kreis Lyck, 25. Oktober

Macht, Veronika, aus Ortelsburg, am 25. Oktober

Schwarz, Hanni, geb. Merchel, aus Neidenburg, am 28. Okto-ber

ZUM 94. GEBURTSTAG

Arius, Käte, geb. Heinrichs, aus Sprosserweide, Kreis Elchniederung, am 31. Oktober

Brack, Frieda, aus Reiffenrode, Kreis Lyck, am 29. Oktober

Gregorzewski, Albert, aus Aulacken, Kreis Lyck, am 26. Ok-tober

Maseizik, Heinz, aus Lyck, am 28. Oktober

Nothhorn, Christel, geb. Misch-kewitz, aus Lyck, am 28. Ok-tober

ZUM 93. GEBURTSTAG

Grahl, Erna, geb. Rauffmann, aus Karkeln, Kreis Elchniederung, am 28. Oktober

Gürges, Helene, geb. Adamus/Jopp, aus Nußberg, Kreis Lyck, am 28. Oktober

Hildebrandt, Agnes, geb. Teschner, aus Ostseebad Cranz, Kreis Samland, am 29. Okto-ber

Krause, Hildegard, geb. Linka, aus Malga, Kreis Neidenburg, am 28. Oktober

Schramma, Erwin G., aus Len-zendorf, Kreis Lyck, am 28. Oktober

Stanko, Edith, aus Garbassen, Kreis Treuburg, am 28. Okto-ber

Wood, Christel, geb. Kleinfeldt, aus Fischhausen, Kreis Samland, am 29. Oktober

ZUM 92. GEBURTSTAG

Frasch, Irma, geb. Niklas, aus Statzen, Kreis Lyck, am 30. Oktober

Gerull, Werner, aus Adlig Linkuhnen, Kreis Elchniederung, am 25. Oktober

Hartel, Irmgard, geb. Schmidt, aus Heinrichswalde, Kreis Elchniederung, am 26. Okto-ber

Kalkowski, Heinz, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 24. Oktober

Konopatzki, Werner, aus Wisso-watten und Milken, Kreis Lötzen, am 25. Oktober

Lerche Dr. Margarete, geb. Räuscher, aus Ortelsburg, am 26. Oktober

Mattern, Erika, geb. Vohs, aus Friedrichsdorf, Kreis Wehlau, am 25. Oktober

Rowlin, Gerhard, aus Lyck, am 28. Oktober

Weissmann, Karl-Heinz, aus Widminnen, Kreis Lötzen, am 28. Oktober

ZUM 91. GEBURTSTAG

Goritzki, Klaus, aus Lötzen, am 27. Oktober

Groß, Helmut, aus Taplacken, Kreis Samland, am 24. Okto-ber

Klein, Gisela, aus Groß Nuhr, Kreis Wehlau, am 24. Oktober

Müller, Aegidius, geb. Witt, aus Sorgenau, Kreis Samland, am 28. Oktober

Niebaum, Helga, geb. Liedtke, aus Neuendorf, Kreis Elchniederung, am 29. Oktober

Packhäuser, Hertha, geb. Kuber-ka, aus Dippelsee, Kreis Lyck, am 24. Oktober

Porr, Kurt, aus Powayen, Kreis Samland, am 29. Oktober

Sewtz, Edith, geb. Matzick, aus Wartenhöfen, Kreis Elchniederung, am 30. Oktober

ZUM 90. GEBURTSTAG

Brandt, Werner, aus Kinderhausen, Kreis Ebenrode, am 30. Oktober

Corleissen, Eva-Maria, aus Lötzen, am 26. Oktober

Drost, Werner, aus Sargensee, Kreis Treuburg, am 24. Oktober

Frank, Gertrud, geb. Czarnojan, aus Wiesenfelde, Kreis Treuburg, am 30. Oktober

Grabowski, Hildegard, aus Kutz-burg, Kreis Ortelsburg, am 25. Oktober

Höchst, Fritz, aus Eichhagen, Kreis Ebenrode, am 29. Oktober

Klimaschewski, Karlheinz, aus Grünsee, Kreis Lyck, am 26. Oktober

Peter, Herta, aus Lyck, am 26. Oktober

Reibe, Herbert, aus Ebenrode, am 27. Oktober

Scheffler, Fritz, aus Augam, Kreis Preußisch Eylau, und Schwengels, Kreis Heiligenbeil, am 29. Oktober

Schmidt, Lieselotte, geb. Bauer, aus Woinassen, Kreis Treuburg, am 30. Oktober

Schütt, Edeltraut Johanna, geb. Ziesmann, aus Perwissau, Kreis Königsberg, am 30. Ok-tober

Trzaska, Herbert, aus Rohmanen, Kreis Ortelsburg, am 27. Oktober

Zell, Hedwig, geb. Adomeit, aus Ackeln, Kreis Elchniederung, am 24. Oktober

ZUM 85. GEBURTSTAG

Bormann, Ruth, geb. Schröter, aus Palmnicken, Kreis Samland, am 29. Oktober

Cittrich, Georg, aus Langenhöh, Kreis Lyck, am 26. Oktober

Fleischer, Helmut, aus Neuendorf, Kreis Wehlau, am 28. Ok-tober

Himmel, Liesbeth, geb. Kling-schat, aus Germingen, Kreis Ebenrode, am 26. Oktober

Hoffmann, Alfred, aus Canditten, Kreis Preußisch Eylau, am 27. Oktober

Hofmann, Helene, geb. Scherello, aus Dreimühlen, am 26. Oktober

Janssen, Hilde, geb. Kaydan, aus Adamshausen, Kreis Gumbinnen, am 28. Oktober

Knaack, Lieselotte, geb. Milewski, aus Kiöwen, Kreis Treuburg, am 29. Oktober

Koslowski, Waltraut, geb. Nischik, aus Puppen, Kreis Ortelsburg, am 30. Oktober

Misch, Anneliese, geb. Huck, aus Kattenau, Kreis Ebenrode, am 24. Oktober

Ney, Margot, geb. Schnaak, aus Tollsdorf, Kreis Tilsit/Ragnit, am 25. Oktober

Podszus, Helga, geb. Haedge, aus Wehlau, am 30. Oktober

Rogait, Siegmund, aus Rehwalde, Kreis Elchniederung, am 30. Oktober

Rogowski, Brigitte, aus Langen-höh, Kreis Lyck, am 28. Okto-ber

Schröder, Helene, geb. Jedamski, aus Gedwangen, Kreis Neiden-burg, am 27. Oktober

Seeger, Lieselotte, geb. Garstka, aus Altkirchen, Kreis Ortelsburg, am 26. Oktober

Thomsen, Gerda, geb. Kiaulehn, aus Brüsterort, Kreis Samland, am 28. Oktober

Trzaska, Max, aus Rauschken, Kreis Ortelsburg, 26. Oktober

Wolff, Manfred, aus Friedberg, Kreis Treuburg, am 27. Okto-ber

Wollschläger, Hannelore, geb. Wehnau, aus Ebenrode, am 24. Oktober

ZUM 80. GEBURTSTAG

Alshuth, Klaus, aus Neuhäuser, Kreis Samland, am 24. Okto-ber

Baumdick, Fritz Otto, aus Groß Trakehnen, Kreis Ebenrode, am 30. Oktober

Dembkowski, Irmgard, geb. Suhrau, aus Passenheim, Kreis Ortelsburg, am 30. Oktober

Fallenbeck, Brigitta, geb. Borchert, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 28. Oktober

Francke, Anneliese, geb. Piayda, aus Ittau, Kreis Neidenburg, am 25. Oktober

Hinz, Dieter, aus Aßlacken, Kreis Wehlau, am 26. Oktober

Kadereit, Eleonore, geb. Korn-blum, aus Stobingen, Kreis Wehlau, am 30. Oktober

Kaiser, Jürgen-Ekkehard, aus Wehlau, am 28. Oktober

Konietzko, Paul, aus Kleschen, Kreis Treuburg, am 27. Okto-ber

Kopatz, Otfried, aus Ortelsburg, am 29. Oktober

Koziolek, Erna, geb. Leskien, aus Forken, Kreis Samland, am 25. Oktober

Krahn, Elisabeth, geb. Przetak, aus Mohrungen, am 29. Okto-ber

Nagorny, Irmgard, aus Giersfelde, Kreis Lyck, am 28. Oktober

Ollech, Otto, aus Braynicken, Kreis Neidenburg, am 24. Ok-tober

Peterson, Christel, aus Goldbach, Kreis Wehlau, am 29. Oktober

Proplesch, Arthur, aus Elbings Kolonie, Kreis Elchniederung, am 28. Oktober

Rohde, Elsbeth, geb. Schönhoff, aus Grunau, Kreis Heiligenbeil, am 24. Oktober

Rose, Helmut, aus Lindendorf, Kreis Elchniederung, am 31. Oktober

Sczepan, Reinhold, aus Ebendorf, Kreis Ortelsburg, am 27. Oktober

Stenzel, Gerda, geb. Lemke, aus Klein Engelau, Kreis Wehlau, am 24. Oktober

Topp, Waltraud, geb. Dom-nowski, aus Bladiau, Kreis Heilgenbeil, am 27. Oktober

Tschirch, Christa, geb. Hoffmann, aus Roddau Perkuiken, Kreis Wehlau, am 25. Oktober

Wasilewski, Ursel, geb. Kaminski, aus Schönhorst, Kreis Lyck, am 25. Oktober

Zelms, Elisabeth, geb. Lask, aus Skomanten, Kreis Lyck, am 30. Oktober

ZUM 75. GEBURTSTAG

Arndt, Ingrid, geb. Hoppe, aus Wehlau, am 26. Oktober

Blücher, Rosemarie, geb. Wruck, aus Niedenau, Kreis Neidenburg, am 28. Oktober

Ciesla, Erika, geb. Wayda, aus Ortelsburg, am 30. Oktober

Galka, Gustav, aus Heinrichsdorf, Kreis Neidenburg, am 24. Oktober

Grundmann, Peter, aus Neiden-burg, am 26. Oktober

Harnisch, Ute, geb. Radtke, aus Lindendorf, Kreis Wehlau, am 27. Oktober

Henrichs, Inge, geb. Broyer, aus Sanditten, Kreis Wehlau, am 27. Oktober

Hornecker, Heinz, aus Allenburg, Kreis Wehlau, am 30. Oktober

Makrutzki, Jürgen, aus Rohmanen, Kreis Ortelsburg, am 26. Oktober

Niemzik, Jörg, aus Treuburg, am 28. Oktober

Saager, Siegrid, geb. Maurer, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 26. Oktober

Slopianka, Peter Friedrich, aus Rastenburg, Hindenburg-Straße 10, am 28. Oktober

Goldene Hochzeit

Slopianka, Peter Friedrich, aus Rastenburg, Hindenburg-Straße 10, und Ehefrau Ilona Senta, geb. Fuchs, am 30. Oktober


Im Neubau!
Markt im Ostpreußischen Landesmuseum

Am Freitag, den 6. November, Punkt 19 Uhr ist es soweit, und die Neugierde dürfte riesig sein: Im Ostpreußischen Landesmuseum in der Lüneburger Heiligengeiststraße 38 wird der Museumsmarkt eröffnet. Nach einem Jahr Pause werden die 26 Aussteller ihr buntes Angebot erstmals im fertiggestellten Neubau präsentieren. Der neue Eingang des Ostpreußischen Landesmuseums befindet sich nun mitten in der wunderschönen Altstadt Lüneburgs.

„Lassen Sie sich überraschen von einem einladenden, mit viel Licht durchfluteten Foyer und einem modernen großzügigen Sonderausstellungsraum. Erleben Sie vielseitiges Kunsthandwerk in ganz neuer Atmosphäre. Sie dürfen gespannt sein!“, versprechen die Museums-Mitarbeiter.

Anspruchsvolles Kunsthandwerk, aber auch bildende Kunst, kulinarische Köstlichkeiten, Spaß und Geselligkeit bietet der Museumsmarkt. Für viele Lüneburger ist sein Besuch zu Beginn der Adventszeit daher schon zur liebgewonnenen Tradition geworden. Angeboten wird zum Beispiel baltischer Bernsteinschmuck sowie gewebtes Tischleinen aus Lettland. Mit den ostpreußischen Webarbeiten wird eine alte Tradition vorgeführt und gleichzeitig bewahrt.

Für Kinder wird es Kreatives zum Selbermachen geben. Die Mitarbeiter des Museums überraschen mit einem tollen Karten-Gewinnspiel und dem Verkauf von Kuriositäten in der „Wunderkammer“. Der Erlös geht an den Museums-Kinderclub.

Lüneburgs Bürgermeister Eduard Kolle wird den Markt am Freitag eröffnen. Der Eintritt ist frei. Am Sonnabend und Sonntag kostet er jeweils 1,50 Euro. An diesen beiden Tagen ist der Markt von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Weitere Informationen: Ostpreußisches Landesmuseum, Heiligengeiststraße 38, 21335 Lüneburg, Telefon (04131) 759950.


S. 16-17 Heimatarbeit

Landsmannschaftliche Arbeit

BADEN-WÜRTTEMBERG

Vors.: Uta Lüttich, Feuerbacher Weg 108, 70192 Stuttgart, Telefon und Fax (0711) 854093, Geschäftsstelle: Haus der Heimat, Schloßstraße 92, 70176 Stuttgart, Tel. und Fax (0711) 6336980.

Landesgruppe – Samstag 31. Oktober, 14,30 Uhr, Großer Saal Haus der Heimat: Herbstfest der LM Westpreußen. Alle Ostpreußen sind herzlich eingeladen.

– Ankündigung –

138. Preußische Tafelrunde in Pforzheim – Die Landesgruppe Baden-Württemberg e.V. und die Landsmannschaft Ost-/Westpreußen Kreisgruppe Pforzheim/Enzkreis im BdV laden zur 138. Preußischen Tafelrunde am 28. Oktober, 19 Uhr ins Parkhotel Pforzheim, Deimlingstraße 36, ein. Nach einem gemeinsamen ostpreußischen Abendessen referiert Herr Dipl.-Geogr. Rolf Siemon über „Georg Forster – Naturforscher, Weltreisender, Schriftsteller und Revolutionär aus dem Danziger Werder (1754–1794).

Als Kind lernte Georg Forster im Danziger Werder das Botanisieren nach Linné vom Vater und begleitete diesen mit elf Jahren auf eine Forschungsreise an die untere Wolga. Später segelten Vater und Sohn als Naturwissenschaftler mit James Cook drei Jahre um die Welt – auf der Suche nach der „terra australis incognita“. Ihre Hauptaufgabe war die wissenschaftliche Beschreibung insbesondere der noch kaum erforschten pazifischen Großregion. Darin inbegriffen waren das Sammeln, Zeichnen und Bestimmen von Pflanzen, Tieren und Gesteinen, die Kontaktaufnahme mit der indigenen Bevölkerung und das Eintauschen von Kulturartefakten. Die schriftstellerische Verarbeitung der Weltreise, in der Forster die Sitten der „Wilden“ gegen die Kultur der „Zivilisierten“ verteidigte, wurde ein Bestseller und sein Autor berühmt. Der führende deutsche Südsee-Experte zählt heute mit seinem Vater zu den Begründern der modernen Völkerkunde. Forsters Pflanzen- und Tierzeichnungen nahmen die zirka 50 Jahre später einsetzende „ökologische Betrachtungsweise“ bereits vorweg. Seine erste Anstellung als Naturkunde-Professor erhielt er 1778 am Collegium Carolinum in Kassel. Hier lernte er auch Johann Wolfgang Goethe kennen, den er als Dichter und Schriftsteller bereits seit Jahren verehrte. Alexander von Humboldt bezeichnete Forster zeitlebens als Lehrer und Freund, nachdem er ihn auf einer Reise entlang des Rheins, durch England und Frankreich begleiten durfte. Als politischer Emigrant und kritischer Beobachter des Revolutionsverlaufes in Frankreich verbrachte Forster seine letzten Lebensmonate in Paris. Anmeldungen an Uta Lüttich, Feuerbacher Weg 108, 70192 Stuttgart, Telefon (0711) 85 40 93 oder e-mail: uta.luettich@web.de.

Buchen – Montag, 26. Oktober, 14 Uhr, Rathaus Hainstadt (bei der Kirche). Frauennachmittag bei Kaffee und Kuchen.

Stuttgart – Sonnabend, 31. Oktober, 14.30 Uhr, Haus der Heimat, Großer Saal: Herbstfest der LM Westpreußen. Wir Ostpreußen sind herzlich eingeladen.

 

BAYERN

Vorsitzender: Friedrich-Wilhelm Böld, Telefon (0821) 517826, Fax (0821) 3451425, Heilig-Grab-Gasse 3, 86150 Augsburg, E-Mail: info@low-bayern.de, Internet: www. low-bayern.de.

Landesgruppe – Sonnabend, 31. Oktober, 9.30 Uhr, Tagungsraum, Kulturzentrum Ostpreußen, Deutschordensschloß Ellingen: Landeskulturtagung. Auf dem Programm steht unter anderem eine Lesung des ostpreußischen Literaten Arno Surminski. Gleichzeitig kann eine Ausstellung aus Anlass seines 80. Geburtstages besichtigt werden. Weitere Programmpunkte sind unter anderem „Das Wiedererstehen ostpreußischer Schlösser – das Beispiel Eichmedien“ – ein Vortrag von Christian von Redecker aus Neu Gülzow, sowie „Unbeschwerte Zeit!? – Jugendjahre auf ostpreußischen Gütern und Schlössern“ – eine Projektpräsentation von Gabriela Czarkowska-Kusajda aus Allenstein.

Da Aufgrund des Auftrittes von Arno Surminski mit einem hohen Besucherandrang zu rechnen ist, bitten die Veranstalter um rechtzeitige Anmeldung bis spätestens Montag, 26. Oktober. Weitere Informationen: Jürgen Danowski, Telefon (0981) 4884949, E-Mail: dr.juergen.danowski@gmx.de.

Ansbach – Sonnabend, 31. Ok-tober, 9.30 Uhr, Deutschordensschloss Ellingen: Landeskultur- und Delegiertentagung der LM Ost- und Westpreußen.

Kitzingen – Sonntag, 1. November, Neuer Friedhof: Kranzniederlegung zu Allerheiligen am Kreuz der Heimat.

Landshut – Dienstag, 3. November: Gedenken der verstorbenen Landsleute. Um 11.45 Uhr am Achdorfer Friedhof, um 12.30 am Nord-Friedhof, und um 13.30 Uhr am Hauptfriedhof. Anschließend gemeinsames Treffen im Café „Blaue Stunde“.

 

BERLIN

Vorsitzender: Rüdiger Jakesch, Geschäftsstelle: Forckenbeck-straße 1, 14199, Berlin, Telefon (030) 2547345, E-Mail: info@bdv-bln.de, Internet: www.ostpreussen-berlin.de. Geschäftszeit: Donnerstag von 14 Uhr bis 16 Uhr Außerhalb der Geschäftszeit: Marianne Becker, Telefon (030) 7712354.

Tilsit-Ragnit, Tilsit-Stadt – Sonnabend, 24. Oktober, 15 Uhr, Ratskeller Charlottenburg, Otto-Suhr-Allee 102, 10585 Berlin: Treffen. Anfragen bei Hermann Trilus, Telefon (03303) 403881.

Rastenburg – Sonntag, 8. November, 15 Uhr, Restaurant Stammhaus, Rohrdamm 24 B, 13629 Berlin: Gemeinsames Treffen. Anfragen: Martina Sontag, Telefon (033232) 188826

Frauengruppe – Mittwoch, 11. November, 13.30 Uhr, Pflegestützpunkt, Wilhelmstraße 116–117, 10963 Berlin: Totengedenken. Anfragen: Marianne Becker, Telefon (030) 7712354

 

HAMBURG

Erster Vorsitzender: Hartmut Klingbeutel, Haus der Heimat, Teilfeld 8, 20459 Hamburg, Tel.: (040) 444993, Mobiltelefon (0170) 3102815. 2. Vorsitzender: Manfred Samel, Friedrich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg, Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

KREISGRUPPEN

Insterburg, Sensburg – Die Heimatkreisgruppe trifft sich jeden ersten Mittwoch im Monat (außer im Januar und im Juli) zum Singen und zu einem kulturellen Programm um 12 Uhr im Hotel Zum Zeppelin, Frohmestraße 123–125, 22459 Hamburg. Kontakt: Manfred Samel, Friedrich-Ebert-Straße 69b, 22459 Hamburg. Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

Gumbinnen, Heiligenbeil – Die beiden Heimatkreisgruppen feiern ihr Herbstfest gemeinsam, am 17. Oktober 2015, im Traditionshaus Lackemann, Hinterm Stern, Ecke Litzowstieg. Beginn 14 Uhr. Dazu sind alle Mitglieder der Landesgruppe Hamburg e.V. und Freunde Ostpreußens eingeladen. Wir wollen gemeinsam einige frohe und besinnliche Stunden miteinander verbringen, mit Schabbern, Vertellkes, Kaffee und Kuchen, auch wird ein Film gezeigt „Ostpreußen und seine Trakehner“ – zusammengestellt von Manfred Samel.

Sie erreichen das Traditionshaus Lackemann mit der U1 bis Wandsbek Markt, dann Wandsbeker Marktstraße und den Durchgang Hinterm Stern, zwischen Wandsbek Quarre und Hotel Tiefental durchgehen und sie sehen schon das Traditionshaus Lackemann. Anmeldung bis 15. Oktober, bei den Sprechern der Gruppen; den Landsleuten Siegfried Grawitter, Telefon (040) 205784 und Konrad Wien, (040) 32049041.

 

HESSEN

Vorsitzender: Eberhard Traum, Wächtersbacherstraße 33, 63636 Brachtal, Telefon (06053) 708612.

Darmstadt/Dieburg – Sonnabend, 14. November, 15 Uhr, Bürgerhaus am See, Grundstraße 10 (EKZ), Neu-Kranichstein: Nach der Kaffeetafel wird der Film „Aus dem Leben einer Ostpreußin“ von Ruth Geede zu sehen sein.

– Monatsbericht –

Am Sonnabend, 10. Oktober fand, unter dem Motto Erntedank, unser Treffen im Luise-Büchner-Haus statt. Ein von Gisela Keller liebevoll gestalteter Erntedanktisch und die schriftliche Einladung von Anni Oest an alle Landsleute an diesem Nachmittag ihre Gäste zu sein, hießen die Teilnehmer der Veranstaltung willkommen. Selbst ein Elch – unser Wappentier – durfte nicht fehlen.

Nach anfänglich ausgedehntem „Plachandern“ bei Kaffee, Kuchen und Schnittchen, begleitet von der musikalischen Unterhaltung durch Walter Fischer, eröffnete unser Vorsitzender Gerhard Schröder den offiziellen Teil des Nachmittags mit der Begrüßung der Gäste – darunter auch erstmals Barry (Günter) Berg und seine Lebensgefährtin, der bis 1958 in Ostpreußen lebte und nach einer wahren Odyssee in Rödermark sesshaft wurde.

Nach den Eröffnungsworten gedachten wir mit Schweigen und Worten der Erinnerung unseres langjährigen Vereinsmitglieds und Mitglied des Vorstandes Erhard Karnetzke, der am 15. Mai verstorben ist. Sein immerwährender Einsatz für alle Erfordernisse der Landsmannschaft wird uns in steter Erinnerung bleiben.

Dieter Leitner berichtete über Nikolaus Kopernikus und Herr Turowski bezog sich mit seinem geistlichen Wort auf die derzeitige Allgemeinsituation. Nach Bekanntgabe und Beglückwünschung der Geburtstagskinder begann die Landesfrauen-Referentin Karla Weyland mit ihrem Vortrag „Auf unsrer Wiese gehet was“.

Herrliche Aufnahmen von Störchen in allen Situationen begleiteten den mit viel Engagement erarbeiteten Vortrag. Hannelore Neumann rezitierte gekonnt das Gedicht vom Storch und der Blindschleiche. Christian Keller zeichnete auch dieses mal wieder für die Technik verantwortlich. So ging nach gemeinsamen Singen ein gelungener Nachmittag zu Ende.

Dillenburg – Bei der September-Monatsversammlung sprach der Pfarrer im Ruhestand Dietmar Balschun über das Erntedankfest. „Wenn die Korn-Aust zuende ist, dann feiern wir das Erntefest“, sagte man in Ostpreußen. Im Jahre 1773 hatte der preußische König per Gesetz den Erntedanktag auf den Sonntag nach Michaelis (29. September) festgelegt. Das älteste Erntefest wird schon in der Bibel erwähnt, bei Kain und Abel. Beide brachten Gott ein Dankopfer dar, das heißt sie verbrannten Früchte des Feldes und ein Lamm, jeder auf einem eigenen kleinen Altar. Gott nahm Abels Opfer an, und Kain fühlte sich vernachlässigt und erschlug aus Neid seinen Bruder. Gott strafte ihn zwar dafür, aber Kain kümmerte das kaum. Leider verleitet der Neid viele Menschen dazu, Dinge zu tun, die sie eigentlich nicht tun wollen.

Opfergaben an Gott oder die Götter, zum Dank oder um zu besänftigen, damit es die Hilfe auch im nächsten Jahr gab, – das gab es schon bei den Germanen und gibt es noch heute bei Naturvölkern. Zur Zeit Jesu wurde in Israel zweimal im Jahr Erntedank gefeiert: das Erstlingsfest im Frühjahr und das Zweite im Herbst das Laubhüttenfest, das an den Auszug der Kinder Israel aus Ägypten erinnert. Die Laubhütten müssen aber so durchlässig gebaut sein, dass man den Himmel sehen kann.

Wenn wir nach der Ernte den Erntedanktag begehen, bedeutet das aber nicht, dass schon alle Früchte eingebracht wurden. Die Weinlese beginnt meist erst im Oktober, und auch Rüben und Kartoffeln sind oft noch nicht geerntet. Thanksgiving in Amerika, bei dem traditionell ein Truthahn geschlachtet wird, findet erst am 1. November statt. In der Kirche wird zum Erntedank der Altar mit den Früchten aus Garten und Feld geschmückt, die dann später an die Armen der Gemeinde verteilt werden. Aber so wie sich die Arbeit der Bauern stark verändert hat, weil statt Menschenkraft vielfach Maschinen eingesetzt werden, so findet man am Altar manchmal Konservendosen oder eingepackte Lebensmittel. In vielen Dörfern wird auch statt des Erntedankfestes das ganz anders geartete Oktoberfest gefeiert.

Dietmar Balschun las anschließend zwei Gedichte, die sich mit der Kornaust befassten, auch ein Erntelied auf masurisch von 1738. Danach las Ingrid Nowakiewitsch die Apfelkantate von Hermann Claudius, einem Enkel von Matthias Claudius. Von ihm stammt auch das Erntedanklied „Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land“. Davon sangen alle den Kehrreim „Alle gute Gabe stammt her von Gott dem Herrn“. Bevor der Nachmittag mit dem Ostpreußenlied ausklang, beteten alle gemeinsam das Vaterunser auf Ostpreußisch Platt. Dietmar Balschun hatte den Text vorher verteilt.

Ingrid Nowakiewitsch,

Schriftführerin

 

MECKLENBURG-VORPOMMERN

Vorsitzender: Manfred F. Schukat, Hirtenstraße 7 a, 17389 Anklam, Telefon (03971) 245688.

Anklam – Sonnabend, 31. Oktober, 10 bis 17 Uhr, Mehrzweck­halle „Volkshaus“, Baustraße 48–49 (Stadtzentrum/Nähe Markt): Große Herbsttreffen der Ostpreußen. Dazu sind alle Landsleute mit Angehörigen und Interessenten von nah und fern sehr herzlich eingeladen. Themen sind Erntedank auf Ostpreußisch und das 20. Landestreffen in Schwerin, aber auch die aktuelle Flüchtlingslage. Festlich umrahmt wird der Tag vom Posaunenchor Bansin/Usedom. Aus Königsberg kommt das Folklore-Ensemble „Russisches Lied“, das geistliche Choräle, deutsche, russische und ostpreußische Volkslieder vortragen wird. Der Shanty-Chor „De Klaashahns“ aus Rostock-Warnemünde hat ebenfalls ein buntes Programm vorbereitet. Für Königsberger Klopse, Kaffee, Kuchen, Bärenfang, Heimatbücher, Landkarten und genügend Parkplätze ist wie immer gesorgt. Erwartet werden 500 Besucher.

Zum Herbsttreffen startet zugleich die Aktion „Weihnachts­päckchen für Ostpreußen 2015“. Wie jedes Jahr zum 2. Advent geht von Anklam aus ein Hilfstransport zu den deutschen Vereinen im Memelland, das heute zu Litauen gehört. Päckchen im Wert von 10 bis 15 Euro können im Volkshaus abgeben werden. Die Ostpreußen reichen den Menschen, die heute in ihrer Heimat leben, die Hand. Wann kann dies symbolischer sein als gerade zu Weihnachten?

Parchim – An jedem dritten Donnerstag, 14.30 Uhr, Café Würfel, Scharnhorststraße 2: Treffen der Kreisgruppe. Gemütlicher Nachmittag, um über Erinnerungen zu sprechen, zu singen und zu lachen. Weitere Informationen: Charlotte Meyer, Kleine Kemenadenstraße 4, 19370 Parchim, Telefon (03871) 213545

 

NIEDERSACHSEN

Vorsitzende: Dr. Barbara Loeffke, Alter Hessenweg 13, 21335 Lüneburg, Telefon (04131) 42684. Schriftführer und Schatzmeister: Gerhard Schulz, Bahnhofstraße 30b, 31275 Lehrte, Telefon (05132) 4920. Bezirksgruppe Lüneburg: Manfred Kirrinnis, Wittinger Straße 122, 29223 Celle, Telefon (05141) 931770. Bezirksgruppe Braunschweig: Fritz Folger, Sommerlust 26, 38118 Braunschweig, Telefon (0531) 2 509377. Bezirksgruppe Weser-Ems: Otto v. Below, Neuen Kamp 22, 49584 Fürstenau, Telefon (05901) 2968.

Braunschweig-Stadt – Mittwoch, 28. Oktober, 12 Uhr, Gliesmaroder Thurm, Gliesmaroder Straße 105: Königsberger Klopse-Essen.

Helmstedt – Donnerstag, 12. November, 15 Uhr, Begegnungsstätte, Schützenwall 4: Gemeinsames Treffen.

Oldenburg – Die Landsmannschaft Ostpreußen und Westpreußen beging ihren Erntedank-Nachmittag am 14. Oktober. Ostpreußische Erntebräuche, zusammengefasst von unserem Mitglied Berthold Hirsch, der leider verhindert war, trug Frau Borchers vor. Hinzu kamen Gedanken über die heutige Erntepraxis in unserer Landwirtschaft in der Retrospektive unserer eigenen Erinnerungen aus Ostpreußen. Solche Gedanken hat unsere Ostpreußin Christel Bethke wieder einmal zu Papier gebracht, heute von Frau Borchers vorgelesen. Ein reich gedeckter Erntetisch ersetzte uns durch den Verkauf der Produkte unsere sonstige Tellersammlung. Ein kurzer Film über die ostpreußische Landschaft beschloss unseren schönen Nachmittag, bei dem ausgiebiges Singen nicht zu kurz kam.

Im nächsten Monat, am 11. November, wird uns Günther Kuhn, Rastede, von seiner Arbeit für die Heimatkreise Elbing-Stadt und -Land berichten. Freunde und Bekannte sind herzlich willkommen.

Gisela Borchers, Vorsitzende

Rinteln – Donnerstag, 12. November: Im Anschluss an den Vortrag im Oktober „... bis zum Trakehner“ wird bei diesem Monatstreffen Joachim Berg einen Film über „Trakehner“ zeigen. Angehörige und Freunde sowie interessierte Gäste aus Nah und Fern sind ebenfalls herzlich willkommen. Auskünfte und Informationen zur landsmannschaftlichen Arbeit in Rinteln gibt es beim Vorsitzenden Joachim Rebuschat unter Telefon (05751) 53 86 oder über: rebuschat@web.de

Im Zusammenhang mit dieser aktuellen Veranstaltung wird auch auf die Webseite www.myheimat.de/2690961 verwiesen.

 

NORDRHEIN-WESTFALEN

Vorsitzender: Jürgen Zauner, Geschäftsstelle: Buchenring 21, 59929 Brilon, Tel. (02964) 1037, Fax (02964) 945459, E-Mail: Geschaeft@Ostpreussen-NRW.de, Internet: www.Ostpreussen-NRW.de

Landesgruppe – Die diesjährige Herbstkulturtagung der Landesgruppe findet am 24. Oktober in Oberhausen statt. Beginn: 10 Uhr. Der Vorstand bittet um zahlreiches Erscheinen. Wir haben wieder ein interessantes Programm zusammengestellt und freuen uns besonders, dass wir Gerd Schultze-Rhonhof und Hans Heckel gewinnen konnten. Frau M. Dahlhoff liest aus Ihrem Buch „Eine Handvoll Leben“. Bärbel Beutner macht sich Gedanken, ob Kulturarbeit für die Heimat noch Zukunft hat.

Bielefeld – Freitag, 30. Oktober, und Sonnabend, 31. Oktober, Brenner-Hotel Diekmann, Otto-Brenner-Straße 133–135, 33607 Bielefeld, Telefon (0521) 29990 (Stadtbahnlinie 3 ab Hbf. Bielefeld in Richtung „Stieghorst“ bis Haltestelle „Sieker Mitte“, über die Ampelkreuzung führt der Weg direkt zum Hotel): 30-jähriges Jubiläum der Arbeitsgemeinschaft Ostpreußisch Platt. Das Haus muss rechtzeitig die Teilnehmerzahl wissen, die Arbeitsgemeinschaft wurde daher gebeten, die Anmeldung rechtzeitig vorzunehmen. Die Zimmerreservierung ist von jedem einzelnen direkt mit dem Hotel abzustimmen. Bei der Anmeldung ist das Stichwort „Kreisgemeinschaft Gumbinnen“ erforderlich. Tagungsbeginn: Freitag, 13.30 Uhr, Fortsetzung: Sonnabend, 9 Uhr, Tagungsende: Sonnabend, 12 Uhr. Danach gemeinsames Mittagessen, anschließend Abreise.

„Wie mijde ons freie, wenn wie ons em Oktober alle jesund wedder sehne“. Der akademische Nachwuchs fehlt. Da unser Vorsitzender Dieter Mau leider verstorben ist, leitet Bruno Romeiks vorläufig die Gruppe. Germanistik- und Ethnologiestudenten sowie Kulturinteressierte sind herzlich eingeladen, am 30./31. Oktober nach Bielefeld zu kommen. Hier könnt Ihr was erleben… eine aussterbende Mundart aus dem Ostseeraum. Informationen erteilt Frau Schulz, Telefon (06135) 3127.

Bonn – Dienstag, 27. Oktober, 14 Uhr, Nachbarschaftszentrum Brüser Berg, Fahrenheitstraße 49: Treffen des Frauenkreises.

Düsseldorf – Jeden Mittwoch, 18.30 Uhr, Eichendorff-Saal, Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus (GHH), Bismarckstraße 90: Chorprobe der Düsseldorfer Chorgemeinschaft „Ostpreußen-Westpreußen-Sudetenland“ unter Leitung von Radostina Hristova. – Sonnabend, 24. Oktober, 10 Uhr: Herbstkulturveranstaltung in Oberhausen. – Montag, 26. Oktober, 19 Uhr, Eichendorff-Saal, GHH: Vortrag zum 70. Todestag von Adolf Kardinal Bertram – Dienstag, 27. Oktober, 18 Uhr: Einladung der sudetendeutschen Landsmannschaft zu einem Vortrag über das Erbrecht und die Patientenverfügung. – Sonnabend, 31. Oktober, 10 Uhr, Eichendorff-Saal, GHH: Tagung zum Thema „70 Jahre CDU – Christdemokratie und historischer deutscher Osten: Positionen und Profile“ – Montag, 2. November, 19 Uhr, Konferenzraum, GHH: „Das schlesische Zeitschriftenwesen in der BRD nach 1945 und die Zeitschrift „Schlesier“ – Vortrag von Wolfgang Kessler. – Mittwoch, 4, November, 15 uhr, Raum 311, GHH: Ostdeutsche Stickerei mit Helga Lehmann und Christel Knackstädt. – Donnerstag, 5. November, 17 Uhr, Foyer des Eichendorff-Saales: Eröffnung der Ausstellung „Schloss Lekow – Renaissance eines Gutes in Pommern“. Die Ausstellung fäuft bis zum 18. Dezember. – Donnerstag, 5. November, 19.30 Uhr, Raum 412, GHH: Offenes Singen mit Barbara Schoch. – Freitag, 6. November, 19 Uhr, Eichendorff-Saal, GHH: „Von Träumern und Visionären – Zum 100. Todestag von Alexander Skrijabins“ – Klavierkonzert mit Mariko Sudo. Sonnabend, 7. November, 18 Uhr, Restaurant Akropolis, Immermannstraße 40: traditionelles Gänseessen. Anmeldungen bei Telefon (0211) 682318. – Dienstag, 10. November, 8,45 Uhr: Tagesexkursion nach Münster.

Ennepetal – Sonntag, 24. Okto-ber, 10 Uhr: Delegiertenversammlung der Landsmannschaft Ostpreußen in Oberhausen.

 

RHEINLAND-PFALZ

Vors.: Dr. Wolfgang Thüne, Wormser Straße 22, 55276 Oppenheim.

Ludwigshafen/Rhein – Montag, 9. November, 12 Uhr, Gaststätte Schillerstube, Kapellengasse, Ludwigshafen-Oggersheim: Gänseessen mit anschließendem Kaffeetrinken.

Mainz/Stadt – Sonnabend, 7. November, 15 Uhr, Mundus Residenz, Große Bleiche 44, 55116 Mainz: Heimatnachmittag mit einem Bildervortrag von Johann Jotzo über Osterbesuch in Ostpreußen.

 

SACHSEN

Vorsitzender: Alexander Schulz, Willy-Reinl-Straße 2, 09116 Chemnitz, E-Mail: alexander.schulz-agentur@gmx.de, Telefon (0371) 301616.

Landesgruppe – Der Landesvorsitzende Alexander Schulz von der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen Landesgruppe Sachsen hatte alle Landsleute und Gäste in den Platner Hof in Chemnitz eingeladen.

Am 26. September trafen wir uns um 10.30 Uhr bei herrlichem Herbstwetter um Kultur und Brauchtum unserer Heimat gemeinsam zu erleben.

Diese Veranstaltung stand unter dem Motto „Vertreibung ist Unrecht gestern und heute“. Alexander Schulz begrüßte die Teilnehmer ganz herzlich und gab die Tagesordnung bekannt. Ehrengast Frank Heinrich, Mitglied des Bundestages überbrachte Grußworte zu dieser Veranstaltung. Er sprach über das grausame Unrecht der Vertreibung von gestern und heute und betonte Vertreibung ist und bleibt Unrecht.

Er wünschte weiterhin viel Kraft für unsere weitere Arbeit in den verschiedenen Gruppen der Ostpreußen, um die Kultur und das Brauchtum unserer Heimat zu erhalten. Es darf nicht vergessen werden, welche Schicksale und Elend der Krieg brachte – das soll uns eine Mahnung sein.

Von Dresden war der Chor „Heimatmelodie“ zu unserer Veranstaltung gekommen, um diesen Tag mit sehr schönen Melodien zu bereichern. Der Chorleiter hatte zu dieser Veranstaltung passende wunderbare Lieder ausgesucht, die viele animierten gleich mitzusingen. Großen Beifall haben die Sänger für ihre Darbietungen erhalten.

Danach berichtete Alexander Schulz über die geleistete Arbeit der Landesgruppe. Er bedankte sich bei allen Mitgliedern für die aktive Unterstützung und wünschte sich weiterhin gute Zusammenarbeit. Die Schatzmeisterin der Landesgruppe Bianca Schulz berichtete über die finanzielle Situation in der Landesgruppe und versprach auch weiterhin gut mitzuarbeiten. Sie bedankte sich für das Vertrauen, welches ihr entgegengebracht wurde.

Der Landesvorsitzende gab viele wichtige Informationen und Termine für die Zukunft bekannt.

Anschließend folgte die Mittagspause, dabei wurde tüchtig plachandert.

Es folgte nun der kulturelle Teil der Veranstaltung. Er begann mit der Totenehrung. Diese Ehrung der vielen Toten wurde von Hannelore Kedzierski und Pfarrer i.R. Gerhard Werner ausgeführt. Er sprach über die Folgen des Krieges – wie viel Sorgen und Leid die Betroffenen ertragen mussten. Viele haben im festen Glauben an Gott ihren Halt gefunden. Vertreibung ist Unrecht gestern und heute. Er sprach über die Menschen, die heute noch aus ihrer Heimat vertrieben werden.

Der Vorsitzende der Kreisgruppe Ölsnitz im Vogtland, Kurt Jurgeit, hatte die Ehre die Festrede zu halten. Alle hörten seinen Ausführungen in ihrer spannend dargebrachten Art gerne zu. Jurgeit führte uns durch die Geschichte Ostpreußens. Er betonte, dass jeder seine Flucht und Vertreibung anders erlebt hat. Deshalb sei es wichtig darüber zu sprechen. Für diesen sehr interessanten Vortrag verdient Herr Jurgeit besondere Anerkennung.

Nach der ergreifenden Festrede folgte ein Reigen schöner Lieder aus unserer ostpreußischen Heimat. Viele Lieder konnten wir mitsingen. Der Chor bekam großen Beifall.

Zum Abschluss dieses erlebnisreichen Tages erfreuten uns die Kinder von St. Matthäus. Sie trugen einen bunten Strauß von Kinderliedern zum Thema Herbst vor. Dieser schöne Tag wird uns lange in guter Erinnerung bleiben. Hannelore Kedzierski

 

SACHSEN-ANHALT

Vors.: Michael Gründling, Große Bauhausstraße 1, 06108 Halle, Telefon privat (0345) 2080680.

Dessau – Montag, 9. November, 14 Uhr, Villa Krötenhof, Wasserstadt 50: Gedenken aller Kriegsopfer.

Magdeburg – Dienstag, 3. November, 13 Uhr, Immermannstraße: Treffen der Stickerchen. – Freitag, 6. November, 15 Uhr, TuS Fortschritt, Zielitzer Straße: Treffen des Singekreises. – Sonntag, 8. November, 14 Uhr, Sportgaststätte Post, Spielhagenstraße: Volkstrauertag.

 

SCHLESWIG-HOLSTEIN

Vors.: Edmund Ferner. Geschäftsstelle: Telefon (0431) 554758, Wilhelminenstr. 47/49, 24103 Kiel.

Burg auf Fehmarn – Dienstag, 10. November, 15 Uhr, Haus im Stadtpark: Edmund Ferner zeigt einen Lichtbildervortrag über seine abenteuerliche Reise mit Fehmaranern, die vom Pazifik zum Atlantik, von Chile mit dem Auto über die Anden nach Argentinien und dann weiter nach Rio führte. Gäste sind herzlich willkommen.

Kiel – Sonnabend, 24. bis Sonntag, 25. Oktober, jeweils von 11 bis 18 Uhr, Gemeindehaus Vicelin, Harmsstraße/Paul-Fleming-Straße: Auch im 32. Jahr ihres Bestehens stellt die Arbeitsgemeinschaft „Hilfe für Euch“ ihre wertvollen Handarbeiten zum Verkauf aus. Sie wurden in Ostpreußen von Frauen hergestellt, die sich mit ihrer Kunstfertigkeit für ihre Familien oder für sich ein Zubrot erarbeiten. Angeboten werden Decken, Kissen sowie Schönes und Praktisches für Küche und Bad. Sollte es schon kalt sein fehlen auch Socken und Handschuhe nicht.


S. 18-19 Heimatarbeit

Aus den Heimatkreisen

LÖTZEN

Kreisvertreter: Dieter Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg. Geschäftsstelle: Ute Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg, Telefon (040) 6083003, Fax: (040) 60890478, E-Mail: KGL.Archiv@gmx.de

Nach einer Zwischenübernachtung am Ufer der Weichsel unweit Dirschau trafen Kreisvertreter Dieter Eichler und die Geschäftsführerin der Kreisgemeinschaft, Ute Eichler, am Nachmittag des 4. Oktober in Gizycko (Lötzen) ein. Wunderbares Spätsommerwetter verlockte, nach Bezug des Hotelzimmers sich sofort an den Löwentinsee zu begeben. Dort war Gelegenheit, das Angebot „Drei Seen, drei Kanäle in einer Stunde“ zu nutzen. Es war die letzte Fahrt des Ausflugsschiffchens an diesem Sonntag. Vier junge polnische Familien mit kleinen Kindern waren bereits an Bord. Während der Fahrt durch den Lötzener Kanal, durch den Schönberger Kanal und den Löwentinkanal stellte sich rasch eine wunderschöne Sonnenuntergangsszenerie ein. Sie wie auch die Möglichkeit, abends auf Terrassenplätzen der erst vor wenigen Jahren neu gebauten „Eko-Marina“ zu sitzen und gut zu essen, trug dazu bei, rasch anzukommen in der Stadt und Region, der sich die Kreisgemeinschaft Lötzen nach wie vor verbunden und verpflichtet fühlt.

Die Woche begann mit dem Besuch beim „Deutschen sozial-kulturellen Verein“, dessen Vorstand fast vollzählig anwesend war. Die Auszahlung der Bruderhilfe war durch Ela Kozlowska gut vorbereitet worden. Am Sitz des Vereins wurde an diesem Tag die Bruderhilfe in Höhe von jeweils 40 Euro an 31 Personen ausgezahlt. So mancher Empfänger suchte das Gespräch.

Am Montag und Dienstag wurden dann 14 Empfänger von Bruderhilfe in ihren Wohnungen, in der Kreisstadt wie auch auf dem Land, aufgesucht. Dabei ist die Spannbreite der Eindrücke, die der Überbringer, der Besucher aus Deutschland als Momentaufnahme mitnimmt, groß. Von der fast 95jährigen Blinden, die fragt, warum der Tod sie noch nicht holt, über ein Unfallopfer ohne Beine, einarmig, über alte Frauen, deren Kinder und Enkel im Ausland leben bis hin zu Verhältnissen, wie sie „bei uns“ vor Jahrzehnten normal waren.

Masuren im goldenen Oktoberlicht ist wunderschön – auch wenn Störche und Touristen fehlen. Aber wer den Blick hinter die Wohnungstüren wirft, wer mit den Altgewordenen, mit den Kranken spricht, der erkennt sehr rasch: Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten.

Bürgermeister Wojciech K. Iwaszkiewicz entschuldigte die Abwesenheit von Landrat Straciewicz (im Urlaub), und dessen Stellvertreter habe leider einen zu vollen Terminkalender. Der dynamisch wirkende Bürgermeister, nun seit elf Monaten im Amt, hat noch nichts von seinem Elan verloren. Die Gespräche mit ihm verlaufen angenehm, informativ und vielseitig. Er hatte Dr. Robert Kempa, den für die Stadt und Region Verantwortlichen für Tourismus und Werbung, zum Gespräch hinzugezogen. Kempa, von Haus aus Historiker, hat vor allem die Spuren der deutschen Geschichte in der Kreisstadt wie auch in der ländlichen Region im Blick.

Bei einem weiteren Gespräch mit ihm gab es detaillierte Informationen über die Feste-Boyen-Tage, die, zum zweiten Mal veranstaltet, am Wochenende zuende gegangen waren. Sie wieder durchzuführen, bewährt in zwei Teilen (einem volkstümlich-unterhaltsamen und einer wissenschaftlichen Konferenz), ist auch für 2016 in Planung.

Eine weitere erfreuliche Besuchs- und Gesprächssituation erlebten die Besucher aus Deutschland im „ZAZ“ (Werkstätten für körperbehinderte Rehabilitanten). Der Direktor dieser Einrichtung, Ryszard W. Chodakowski, ließ es sich nicht nehmen, seine Gäste fünf Jahre nach ihrem ersten Besuch durch alle Werkstätten zu führen und voller Stolz auf ihre Entwicklung und Erweiterung hinzuweisen. Jetzt können hier insgesamt 60 Personen beschäftigt werden, davon 40 körperlich Behinderte. Das „ZAZ“ wird sich demnächst in Brüssel im NATO-Hauptquartier auf einem dort veranstalteten Wohltätigkeitsbasar mit seinen Produkten aus Schneiderei, Maschinenstickerei, Töpferei und Tischlerei vorstellen und sie zum Kauf anbieten. – Mit der Wäscherei hat es sich zum Dienstleister für Restaurants, Hotels und Pensionen in der Region entwickelt.

Zum sechsten Mal war das Ehepaar Eichler zu Gast zur abendlichen Gesprächsrunde im Pastorat der evangelischen Kirche Lötzen. Pfarrer Borkowski, seit neun Jahren hier im Amt, seine Frau Anita sowie Maria Niezurawska und Robert Kempa waren die Gesprächspartner. Hier kommen Sorgen wie Freuden stets offen auf den Tisch, und manchmal ergibt sich schon im Gespräch ein Ansatz, eine Idee, wie ein Problem angegangen werden kann. Dieter Eichler übergab den aufgestockten Betrag einer Kollekte in seiner Hamburger Kirchgemeinde. – Im Wohn- und Amtssitz des Pastorenehepaars mit seinen zwei Kindern vollziehen sich zur Zeit umfangreiche Modernisierungs- und Umbauarbeiten. Davon wird nach Fertigstellung auch die Gemeindearbeit profitieren.

Besucht wurde auch Pfarrer Jan Neumann in Rhein (Ryn), der über die Situation in seiner Gemeinde informierte (200 eingetragene Gemeindemitglieder, davon 100 aktive) und die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen herausstellte. Durch zwei alte Ostpreußinnen wird in der Gemeinde Besuchsdienst geleistet. Man plant, einen Verleih an Reha-Hilfsmitteln einzurichten.

Einen ganz anderen Charakter trug der Besuch bei Roswitha Emer-Schischke, der Witwe von Armin Schischke. Das von beiden in vielen Jahren geschaffene schöne und großzügige Anwesen unmittelbar am Widminner See wartet auf Gäste, die Naturnähe suchen und die Stille hören wollen.

Mit dem Arbeitsbesuch in Stadt und Kreis war die Teilnahme am Kommunalpolitischen Kongreß in Allenstein, veranstaltet von der Landsmannschaft Ostpreußen, verbunden. Fast ebenso wichtig wie die Inhalte der Vorträge waren die Pausen- und Abendgespräche zwischen den Teilnehmern aus Polen und Deutschland.

Mit einem Besuch beim Landrat des Kreises Soldau, Pawel Cieslinski, und seiner Familie endete dieser Arbeitsbesuch. Ute Eichler

 

PREUSSISCH EYLAU

Kreisvertreterin: Evelyn v. Borries, Tucherweg 80, 40724 Hilden, Telefon (02103) 64759, Fax: (02103) 23068, E-Mail: evborries@gmx.net. Kartei, Buchversand und Preußisch Eylauer-Heimatmuseum im Kreishaus Verden/Aller Lindhooper Straße 67, 27283 Verden/Aller, Telefon (04231) 15589, Bürozeiten: dienstags von 13 bis 15 Uhr, E-Mail: preussisch-eylau@landkreis-verden.de, Internet: www.preussisch-eylau.de.

Unser Kreistreffen im September in Verden war wieder gut besucht, es kamen wesentlich mehr Landsleute als im vorigen Jahr. Im großen Saal des Niedersachsenhofs war am Sonnabendnachmittag kein Platz mehr frei. Lag es an den aufmunternden Appellen der neuen Kreisvertreterin oder haben sich die Kreis-Eylauer auch inzwischen an das neue Tagungshotel gewöhnt? Dieses bietet tatsächlich neben Saal und Tagungsräumen mit seinen zahlreichen Sitzecken im Restaurant einen gemütlichen Rahmen für die Begegnung größerer und kleinerer Gruppen. Auch liegt es bedeutend näher als der „Grüne Jäger“ an der Kreisverwaltung, wo sich das Pr.-Eylauer-Heimatmuseum und die Tagungsstätten unserer Gremien befinden. Tatsächlich hatte Evelyn v. Borries, die ein Jahr zuvor nach dem Rücktritt fast des gesamten Vorstands als Vorsitzende eingesprungen war, kräftig die Werbetrommel gerührt, zahlreiche Mitglieder angerufen und auch – nach Jahren wieder – das Ostpreußenblatt, Rubrik „Heimatarbeit“, als Medium genutzt.

Das eigentliche Kreistreffen war auf allgemeinen Wunsch – wie schon 2014 – auf den Sonnabend und den Sonntag beschränkt. Für die Kreisvertreterin und Vertreter von Landkreis und Stadt Verden begann die Arbeit jedoch schon früher, nämlich bereits am Donnerstagabend mit dem Empfang der aus den Partnerkommunen in Preußisch Eylau, Landsberg und Bartenstein angereisten Delegationen sowie der beiden Vertreterinnen der Deutschen Gesellschaft Natangen. Letztere, da zur Kreisgemeinschaft gehörig, beteiligten sich fortan an unseren Terminen, während die Gäste im Übrigen von Landkreis und Stadt Verden durch ein vielseitiges eigenes Programm mit Dolmetschern geführt wurden, das sich zweimal wieder mit unserem kreuzte.

Am Freitagnachmittag hielt der Vorstand seine Sitzung ab. Hierbei galt es insbesondere, die Finanzen weiter zu konsolidieren. Angesichts der zurückgehenden Spendeneinnahmen mussten zum Teil schmerzliche Ausgabenkürzungen in Kauf genommen werden. Der geschäftsführende und der Gesamtvorstand, insbesondere die Vorsitzende und die neue Schatzmeisterin Erika Zschiesche, hatten hier schon gute Vorarbeit geleistet. Mit Landkreis und Stadt Verden wird auch darüber verhandelt, die Kreisgemeinschaft von der Drittelung der Kosten der Partnerschaftsbegegnungen zu entlasten. Sodann wurde über die Zukunft der Kreisdatei und ihre Aufgliederung nach Amtsbezirken diskutiert. Diesen Mammutkomplex hatte Gerda Westerkowsky aufgearbeitet. Schließlich fand die Meinung der Vorsitzenden allgemeine Zustimmung, dass die Einarbeitung des in den letzten Jahren eingegangenen Archivguts in das von Manfred Groß 2005/06 erstellte Kreisarchiv eine hohe Priorität habe. Dies sei das Mindeste, das wir tun könnten, um unserer Hauptaufgabe, der Bewahrung unseres Kulturguts, gerecht zu werden. Hierfür sucht der Vorstand dringend ehrenamtliche Helfer.

Die gleichen Themen waren auch Gegenstand der öffentlichen Delegiertenversammlung am Sonnabendvormittag im großen Saal des Kreishauses. Diese Sitzung war zweigeteilt: Da der größte Teil der Versammlung, nämlich die „Bezirksvertrauensleute und die Beisitzer ohne Bezirk“ (Zitat Satzung), neu gewählt wurde, tagten zunächst die bisherigen und sodann die neuen Delegierten. Zum Ergebnis der Wahlen siehe die Bekanntmachung im Preußisch Eylauer Kreisblatt und im Ostpreußenblatt. Dankenswerterweise hatte sich die stellvertretende Verdener Landrätin Regina Tryta bereit erklärt, als Wahlleiterin zu fungieren. Sie übernahm auch die Leitung der sich anschließenden Neuwahlen des Vorstands für die nächsten vier Jahre. Gewählt wurden: Als Kreisvertreterin Evelyn von Borries, als Stellvertreterin Christine Bilke-Krause, als Schriftführer Horst Plebuch, als Schatzmeisterin und Geschäftsführerin Erika Zschiesche, als Beisitzer ohne Aufgabenbereich Joachim Anker, Heike Bentien und Gerda Westerkowsky. Für das Amt des Jugendwarts fand sich kein Kandidat. Dank straffer Verhandlungsführung gelang es, pünktlich um 12 Uhr zum Empfang aller Beteiligten durch den Bürgermeister von Verden Lutz Brockmann im Rathaus der Stadt zu sein.

Für die Grußworte und Reden, die im Rathaus sowie am Sonntag zur Feierstunde im Niedersachsenhof gehalten wurden, hatte Gerd Birth mit seiner Denkschrift „70 Jahre Vertreibung, 60 Jahre Patenschaft Landkreis Verden, 50 Jahre Patenschaft Stadt Verden“ die passenden Stichworte geliefert. In allen Ansprachen klang immer wieder durch, dass es die Kreisgemeinschaft ist, welche diese dreiseitige Kommunalpartnerschaft begründet hat und nach wie vor zusammenhält. Es war vor dem Hintergrund der angespannten außenpolitischen Lage auch zu spüren, wie viel gerade den russischen und den polnischen Vertretern am Fortbestehen der Partnerschaft gelegen war, haben die Kommunen diesseits und jenseits der Grenze doch weitgehend gleichgelagerte Interessen. Andererseits zeigte sich auch, dass dem anfänglich eher formalen Umgang nun ein freundschaftliches Verhältnis zwischen den Akteuren gefolgt ist, so z. B. in der ergreifenden Dankesäußerung der Bürgermeisterin der Landsberger „Gmina“ angesichts der materiellen und organisatorischen Hilfen durch die Kreisgemeinschaft. Schließlich ist immer deutlicher zu erkennen, dass Russen und Polen – und neben diesen besonders auch die zahlreichen Ukrainer sich zunehmend dessen bewusst werden, dass sie für die Bewahrung des historischen Kulturguts in ihrem Gebiet mitverantwortlich sind. Martin Lehmann

Lesen Sie den zweiten Teil des Berichtes über das Kreistreffen in der nächsten Ausgabe des PAZ.

 

TILSIT-RAGNIT

Kreisvertreter: Dieter Neukamm, Am Rosenbaum 48, 51570 Windeck, Telefon (02243) 2999, Fax (02243) 844199. Geschäftsstelle: Eva Lüders, Telefon/Fax (04342) 5335, Kührenerstraße 1 b, 24211 Preetz, E-Mail: Eva.lueders@arcor.de.

Im Bericht über den Kreistag der Kreisgemeinschaft Tilsit-Ragnit (Nr. 41) ist in einer Bildunterschrift zu lesen, daß Gunhild Krink die Silberne Ehrennadel des BdV „als scheidende Geschäftsführerin“ erhalten habe. Es muß richtig heißen, dass Frau Krink für ihre Verdienste als Kirchspielvertreterin von Budwethen (Altenkirch) geehrt wurde. Es war Frau Eva Lüders, die die Geschäftsführung in andere Hände legte.

 

TILSIT–STADT

Stadtvertreter: Hans Dzieran, Stadtgemeinschaft Tilsit, Postfach 241, 09002 Chemnitz. Geschäftsführer: Manfred Urbschat, E-Mail: info@tilsit-stadt.de.

Der gesundheitliche Zustand von mehreren Mitgliedern unserer Schulgemeinschaft ermöglichte nicht mehr ein zweimaliges Treffen 2015. Es ging um das Jahrestreffen in der Lüneburger Heide und das Drei-Kreise-Treffen in Bad Nenndorf. Wir Neustädtischen waren uns schnell einig: Wenn nur ein Treffen noch „schaffbar“ ist, dann haben die zentralen Drei-Kreise-Treffen der Kreise Tilsit-Ragnit, Elchniederung und Stadt Tilsit oberste Priorität und das 20. Schultreffen wird in Bad Nenndorf durchgeführt.

Zwei Übernachtungen wurden gebucht. Der Freitag bot sowohl die gewohnte „Intimität“ der kleinen Schulgemeinschaft als auch die offenere Atmosphäre einer sehr herzlich und lustig verlaufenden „Tilsiter Runde“. Auch am zweiten Tag, dem Kreistreffen gelang es an einem Tisch das Gefühl der gewohnten Gemeinschaft zu gestalten. Ein neues Mitglied , Hannelore Uhlig aus Bad Salzungen wurde herzlichst begrüßt, Ihre schöne Chor-Stimme konnte einen wunderbaren Gesangsbeitrag im Duo mit einem Mitglied der „Senteiner Schule“ leisten. Dieses Modell: Konzentration auf die gemeinsamen Drei-Kreise-Treffen ist zukunftsträchtig!

Erwin Feige, Schulsprecher


S. 20 Heimatarbeit

Spitzenvortrag zum Jubiläum
Professor Gilmanov zu Gast beim Förderkreis Ostpreußisches Jagdmuseum

Fünfzig Jahre Förderkreis Ostpreußisches Jagdmuseum – Hans-Ludwig Loeffke Gedächtnisvereinigung – wenn das gefeiert wird, ist der Saal bis auf den allerletzten Platz besetzt. Wegen der Bautätigkeit am Ostpreußischen Landesmuseum begrüßte die Vereinsvorsitzende Barbara Loeffke ihre Gäste nicht wie gewohnt im Museumsfoyer, sondern in der Festdiele von 1485 des dem Museum benachbarten historischen Gasthauses Krone.

So exklusiv wie der Veranstaltungsort war auch der Festredner Professor Wladimir Gilmanov, Kultur-, Literatur- und Sprachwissenschaftler an der Universität seiner Heimatstadt Königsberg. Von Friedensliebe, Versöhnungsgedanken und dem Willen zur Wahrheit beseelt, setzt er sich seit über 20 Jahren gegen alle Widerstände für freundschaftliche Beziehungen zwischen den früheren und den heutigen Bewohnern Königsbergs ein. Er befasst sich in Lehre und Forschung mit den kulturell-historischen Traditionen der ostpreußischen Hauptstadt und deren deutschem Umfeld und zählt zu den führenden Intellektuellen des Königsberger Gebiets.

Nach der Begrüßung durch die Vereinsvorsitzende Barbara Loeffke, einem Bericht von Museumsdirektor Joachim Mähnert über den Stand der Erweiterungs- und Umbauarbeiten sowie einer musikalischen Einstimmung durch die Böhmsholzer Jagdhornbläser fesselte Gilmanov die Zuhörer mit seinen Gedanken zum Thema „Die regionale Ideengeschichte und die moderne Krise.“

In seinen eigenen Worten liest sich die Essenz dieser komplexen Gedanken wie folgt:

„Krise heißt im Griechischen Entscheidung, oder entscheidende Wende, eigentlich Urteil, oder Ur-theilung, der dichterischen Analogie nach wohl zu vergleichen mit dem Ausgang des ersten Teils der ‘Faust’-Tragödie J.W. Goethes. Einerseits das Urteil von Mephistopheles über Margarete: ‚Sie ist gerichtet!‘ Anderseits die Stimme von oben, die immerwährend diesem Urteil zu widersprechen sucht: ‚Ist gerettet!’ Wo kann heute ‚die Stimme‘ herkommen? für eine nicht gewalttätige Lösung des Problems des ‘Zusammenpralls der Zivilisationen’ im Sinne von Samuel Huntington unter der Berück­sichtigung der Tatsache, dass die Konfliktgrenzen weltweit entstanden sind? ‚Ist gerettet‘ für die EU-Krise? ‚Ist gerettet‘ für eine produktive und notwendige Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland, denn die ‚strategische Modernisierungspartnerschaft‘ scheint sich in den letzten Jahren in eine sich verstärkende Entfremdung umgewandelt zu haben. Wie konnte so was geschehen nach dem Inferno der zwei Weltkriege und nach der Entwicklung der ersten Ansätze zu einer Art der friedlichen weltgemeinschaftlichen Ethik?

Gerade in dieser Situation sei an die drei weltbekannten Fragen Kants in seiner ‚Kritik der reinen Vernunft‘ erinnert: ‚Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen?‘ Denn es fehlt heutzutage an etwas, was über stärkere Kraft als Entfremdung und Erkaltung verfügt, was trotz objektiver akzidenteller Unterschiede essentiell verbinden könnte. Dieses Etwas hat unter anderem zu tun mit einer kulturhistorischen ‚Pädagogik‘ Königsbergs, des Weltphänomens mit dem Rang des Einmaligen. Zu verdanken ist diese einmalige ‚Pädagogik‘ nicht nur dem Philosophen Kant, sondern auch den anderen Ideensystemen, angefangen mit Albrechts Christologie in der Reformationszeit und abgeschlossen mit dem hermeneutischen Erbe der Königsberger des 20. Jahrhunderts. Deswegen ist das Hauptanliegen dieser Gedanken ein Versuch, im ideengeschichtlichen Logos Königsbergs die Energiequelle für eine lebensrettende Ethik des Gemeinwesens zu finden. In einem kritischen und vorurteilsfreien Lernen miteinander. Das Wort ‚Lernen‘ sei betont, denn heute geht es in der Tat darum, dass wir alle neu lernen müssen miteinander zu leben um zu überleben. ‚Ein schicklicher Platz‘, so Kant in seiner ‚Anthropologie in pragmatischer Hinsicht‘ über Königsberg als einen ‚schick­lichen Platz für die Erweiterung der Menschen- und Weltkenntnis‘; wäre für dieses Lernen die Region Königsberg/Kaliningrad, die zu einem beinahe eschatologischen Topos der Weltgeschichte mit den nachweisbaren disjunktiven Codes sowohl der anhaltenden Untergangsdynamik als auch der Erlösung von dem ‚Sein zum Tode‘ wurde.“

Gilmanov zeigt sich „um die Zukunft besorgt“. Er beklagt die „geistige Verarmung und die Geschichtslosigkeit, die „blind machen für die Gefahren der Gegenwart und der Zukunft“. Seiner Meinung nach leben wir „in der Epoche des letzten Kampfes um die Freiheit im kantschen Sinne“. Dem fehlenden „Mut zum Sein“ stellt er den „Glaube an den Sieg des Frühlings nach den Winterqualen“ entgegen und greift dabei auf die ostpreußischen Denker und Philosophen aller Epochen zurück. Doch auch das gibt er seinen Zuhörern auf den Weg: „Russland ist der Schlüssel zur Friedensarchitektur der Zukunft.“ Und, nicht minder hochaktuell: „Ehrlichkeit ist die beste Politik.“ Das indes stammt nicht von Gilmanov, sondern aus Kants Altersschrift „Zum ewigen Frieden“. J.H.


Ein Mann, zwei Karrieren
Designer und Fotokünstler: Der Königsberger Bernhard Jablonski (91)

Anstrengend war’s“, erzählt Professor Bernhard Jablonski am Telefon. Zurzeit erholt er sich mit seiner Frau in Spanien und hat erst einmal eine künstlerische Schaffenspause eingelegt. Jüngst hat der Fotokünstler aus Pforzheim, der 1924 in Königsberg geboren wurde, seinen 91 Geburtstag gefeiert. Davor aber standen die Arbeiten zu seiner großen Ausstellung an. „Neues Sehen. Fotobilder“ hieß sie. Veranstalter war die stadteigene Pforzheim-Galerie. Nicht nur „olle Kamellen“ wollte er dort zeigen und hat für die Ausstellung rund 30 neue Arbeiten geschaffen

„Ausgangspunkt ist jeweils ein Foto, meist einer Pflanze, einer Naturansicht oder eines Körpers. Dieses wird so lange bearbeitet bis der ursprüngliche Zusammenhang nicht mehr erkennbar ist, dafür entstehen neue Zusammenhänge im Spannungsfeld zwischen Licht und Dunkel, Schärfe und Unschärfe, Fläche und Tiefe“, schreiben die Ausstellungsmacher im Katalog. Weiter heißt es: „Jablonski geht bei der Bearbeitung seiner neuesten Fotobilder weit über den Rand der Abstraktion hinaus, um ganz neue Seherlebnisse zu schaffen.“

Mehrere hundert Ausstellungsbesucher mochten sich solche Erlebnisse nicht entgehen lassen. Für eine Kunstausstellung außerhalb Berlins, Münchens oder Hamburgs ist dies eine ungewöhnlich große Zahl. Jablonkis Werke sind bei Kunstinteressierten beliebt und begehrt. Jüngst konnte sich die Galerie darüber freuen, dass sich mehrere Mäzene zusammentaten, um der Stadt die Mittel für den Ankauf eines Jablonki-Bildes („Asklepio“) zur Verfügung zu stellen.

Stolz ist man nun auf das Bild in Stadtbesitz und natürlich auf seinen Schöpfer. Der gebürtige Ostpreuße ist einer der bemerkenswertesten Köpfe der Stadt. Denn sein Wirken als Fotokünstler ist bereits Karriere Nummer Zwei. Jablonski ist ursprünglich Bildhauer. Schon als Kind hat er gern modelliert, wie er sich erinnert. Direkt Von der Schulbank wurde er dann zur Wehrmacht einberufen. Als 17-jähriger Soldat geriet er in französische Kriegsgefangenschaft. Als er dann aus der Gefangenschaft entlassen wurde, folgte er dem Vorschlag einiger Kameraden und ging nach Stuttgart.

Mit den Sandsteinbrocken eines kriegszerstörten Hauses gestaltete Jablonski erste bildhauerische Arbeiten. 1948 erhielt er schließlich in der Staatlichen Akademie der Künste in Stuttgart ohne Aufnahmeprüfung einen Studienplatz. Ein Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes half beim Lebensunterhalt des frisch Verheirateten. Ab 1954 arbeitete Jablonski als freischaffender Bildhauer und Formgestalter. Konsumgüter, technische Geräte und Maschinen entstanden in seiner Designwerkstatt zum Beispiel erste Blinker und Rückleuchten für den legendären VW-Käfer. 1963 übernahm er eine Professur für den Studiengang Industrial Design an der Fachhochschule für Gestaltung in Pforzheim. 14 Jahre später wurde er ihr Rektor und leitete sie bis 1985. In dieser Zeit gründete er den Studiengang Kraftfahrzeug-Design. Ein Geniestreich: „Transportation Design“ wie der Studiengang heute heißt, zählt in diesem Bereich zu den renommiertesten weltweit.

Kaum weniger erfolgreich entdeckte Jablonski dann nach der Hochschullaufbahn die Fotografie für sich. „Es ist zutiefst beeindruckend, welch enormes Maß an Schaffenskraft, welche Welt an Phantasie und wieviel humorvolle Lebensfreude in diesem zierlichen Mann steckt“, schrieb jüngst eine Journalistin der Pforzheimer Zeitung.

Verbunden geblieben ist Bernhard Jablonski auch seiner ostpreußischen Heimat. So ist er in Pforzheim regelmäßiger Teilnehmer der „Preußischen Tafelrunde, die unter anderem von der Landesgruppe Baden-Württemberg ausgerichtet wird. Frank Horns


S. 21 Lebensstil

Kampf dem Psychoterror an Schulen
In Zeiten des Internets werden Schüler immer häufiger Mobbing-Opfer − Eltern haben die Möglichkeit, dagegen vorzugehen

Oft steckt Neid dahinter, wenn Schüler von Klassenkameraden über die sozialen Netzwerke wie Facebook gemobbt werden. Neid auf gute Noten, Neid aufs Aussehen, Neid auf den Freund oder die Freundin. Doch für die Opfer gibt es therapeutische Wege aus dem Psychoterror − und für die Täter strafrechtliche Konsequenzen.

Zehntausend Kinder werden jede Woche an deutschen Schulen ausgegrenzt, in neun von zehn Schulklassen wird gemobbt. Das besagt eine aktuelle Studie zu Internetmobbing bei Schülern vom „Bündnis gegen Cybermobbing“. Immer öfter verlagern sich die Schikanen ins weltweite Netz, von wo aus die Täter zumeist anonym agieren können. Jeder fünfte Schüler in Deutschland wurde bereits Mobbing-Opfer. Manche leiden schwer unter den Folgen der Demütigung – bis hin zu Depression und Suizidgedanken. Mit dem richtigen Schulkonzept könnte vieles anders sein.

Benjamin Fokken wurde mit einem Anti-Mobbing-Video in­nerhalb weniger Wochen in ganz Deutschland bekannt. Der inzwischen 20-Jährige war lange Jahre Opfer von Schikanen Gleichaltriger und tat nun das, was die meisten nicht wagen – den Schritt nach vorn. Über fünf Millionen Menschen sahen seine im Internet veröffentlichte Botschaft, die eine Welle der Solidarität auslöste. Und noch etwas: Sein Videofilm rückte Mobbing wieder ins gesellschaftliche Bewusstsein. Woran liegt es, dass so viele Kinder an deutschen Schulen ausgegrenzt und schikaniert werden? Und vor allem, was können wir dagegen tun?

Klaus Wenzel, Präsident des Bayerischen Lehrerverbands und stellvertretender Bundesvorsitzender des Gewerkschaftsverbands Bildung und Erziehung, sieht in Mobbing an Schulen ein strukturelles Problem: „Immer dort, wo Mobbing auftaucht, ist etwas in der Beziehungsstruktur ka­puttgegangen, oder diese Struktur hat gar nicht erst stattgefunden“, erklärt der Pädagoge, der selbst 34 Jahre als Lehrer tätig war.

Er betont, dass Mobbing nichts mit bestimmten Schülertypen oder Schularten zu tun hat, sondern sehr viel mit dem Schulklima. „Meine Befürchtung ist, dass Schule mehr und mehr zu einer ‚Mess-Station‘ verkommt. Alles wird gemessen, bepunktet und benotet. Das ist natürlich ein schöner Nährboden für Mobbing, wenn es ständig um Konkurrenz geht“, sagt Wenzel.

Für ihn gibt es an Schulen zu wenige Möglichkeiten, um sich als Bildungseinrichtung zu profilieren und eine gute Schüler-Lehrer-Beziehung aufzubauen. Wenn es einem Lehrer gelinge, ein solch gutes Verhältnis zu schüren und auch mit anderen Lehrern offen über problematische Ge­schehnisse zu sprechen, dann, so ist sich Wenzel sicher, würde Mobbing im Keim erstickt.

„Durch das Tabuisieren, durch das Nicht-Besprechen und Nicht-transparent-machen haben die Täter große Chancen, weil sie denken, dass ihnen sowieso nichts passiert“, kritisiert Wenzel. Dabei kann Mobbing durchaus rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen und Täter können belangt werden – im Netz wie auf dem Schulhof gleichermaßen.

„Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Auch wenn Mobbing an sich kein Straftatbestand ist, sind es Beleidigung, Nötigung, Bedrohung und üble Nachrede sehr wohl“, weiß Medienanwalt Christian Solmecke. Wer andere anonym im Netz verhöhnt, verletzt das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person und muss gegebenenfalls Schadenersatz zahlen. Strafmündig sind Jugendliche ab 14 Jahren. Die Möglichkeiten, gegen beleidigende Inhalte auf sozialen Netzwerken vorzugehen, sind mittlerweile sehr gut.

Der schnellste und effektivste Weg führt über Facebook selbst. Nach Kenntnis von illegalen Inhalten ist das Unternehmen inzwischen verpflichtet, diese zu löschen. „Facebook reagiert auf Anwaltsschreiben mittlerweile meist innerhalb von 24 Stunden. Der Staatsanwalt hat auch die Möglichkeit, über Facebook die IP-Adresse und möglicherweise auch die weitere Facebook-Kommunikation des Täters zu verlangen“, sagt Solmecke. Handelt es sich um jugendliche Täter, drohen Jugendarrest und Schadenersatzansprüche von bis zu mehreren tausend Euro. Auch wer un­ter beleidigenden Botschaften einfach nur den „Like Button“ klickt, kann un­ter Umständen zur Re­chenschaft ge­zogen werden.

Mobbing ist zermürbend und macht krank. Für Betroffene ist der einzige Ausweg die Flucht nach vorn, denn Mobbing hört nicht von alleine auf. „Wer Mobbing geheim halten will, vor Scham oder Angst, wird keine Lösung finden“, weiß Wenzel. Ein Gespräch mit Eltern oder Freunden ist ein guter erster Schritt. Wenzel rät, auch den Klassenlehrer, den Vertrauenslehrer oder den Schülerrat um Hilfe zu bitten. „Wenn alle miteinander kommunizieren und kooperieren, kommt man in der Regel auch zu einer Lösung des Problems“, ist er sich sicher.

Eine aktuelle Studie stützt seine Einschätzung. Sie ergab, dass Internet-Mobbing in den meisten Schulen konsequent geahndet wird und dem oder den Tätern juristische Konsequenzen drohen. Wem es unangenehm ist, persönlich über Probleme und Ängste zu sprechen, der findet immer mehr Anlaufstellen im weltweiten Netz. Hier bekommen Betroffene anonym Hilfe in Gesprächs-Foren oder via E-Mail. Auch die kostenlose Telefonberatung „Nummer gegen Kummer“ hilft Jugendlichen bei Problemen jeder Art.

Auch Lehrer können sich gezielt auf das Thema Mobbing an Schulen spezialisieren und weiterbilden. Inzwischen gibt es eine Vielzahl von meist kostenlosen Angeboten, um sich Kompetenzen im richtigen Umgang mit Mobbing an Schulen zu holen. Vor allem Lehrerverbände bieten Seminare, Fortbildungen und Broschüren rund um das Thema an. Zudem können sich Lehrer an den Personalrat der Schule wenden oder sich auf zahlreichen Plattformen im Internet informieren. Die Polizei bietet regelmäßig Seminare zum Thema Mobbing an Schulen oder Elternabenden an und klärt Eltern und Lehrer gleichermaßen auf.

Wenn Eltern den Verdacht ha­ben, ihr Kind werde in der Schule schikaniert und ausgegrenzt, sollten sie sofort das Gespräch mit dem Kind sowie den Lehrern suchen und sich nach Möglichkeit Hilfe von außen holen. Es gibt speziell auf Mobbing spezialisierte Psychologen und Mobbing-Therapeuten, die auch in die Schulklasse gehen und mit allen Beteiligten sprechen.

Im Kampf gegen Mobbing muss letztendlich jeder seinen eigenen Weg finden, um der Schikane ein Ende zu setzen. Benjamin jedenfalls hat seinen Weg gefunden und mit einem mutigen Schritt an die Öffentlichkeit durch sein Video wieder neue Hoffnung gefasst. Er will sich in Zukunft nicht mehr so leicht von Neidern unterkriegen lassen. Meike Stephan


Thermales Wohlgefühl
Erst baden, dann Geschäfte erledigen − Hallenbäder fanden schon die Römer praktisch

Nach dem Ende der Außenbadesaison sind die Hallenbäder wieder voll. Unseren Badespaß unterm Dach haben einst die Römer erfunden. Vor 2000 Jahren gab es im antiken Rom viele öffentliche Bäder. Man musste keinen Eintritt zahlen, so konnten auch die ärmeren Leute daran teilhaben. Denn diese wohnten oft in muffigen, engen Mietwohnungen.

Jede römische Stadt besaß ein oder mehrere Badehäuser. Man traf sich dort am Nachmittag zum Baden, Schwimmen, Sport treiben, Erholen oder Ballspielen. Aber auch, um Geschäfte zu machen, hockten sich die Männer gemeinsam in ein Bad. Männer und Frauen hatten unterschiedliche Badezeiten. Man ging also getrennt baden. Und es entstand eine richtige Badekultur. Die Römer hatten fortschrittliche Badheizungen. Die Räume wurden durch eine sogenannte Hypokaustenheizung durch heiße Abgase beheizt, die durch Hohlräume unter dem Fußboden oder durch die Wände strömten.

An diesem Heizsystem erkennt man die typisch römischen Bäder. Vom ersten Jahrhundert v. Chr. bis in die Mitte des zweiten Jahrhunderts n. Chr. entwickelten die Römer immer prunkvollere Bäder. Riesige Bauten mit aufwendiger Heizungstechnik, Vergnügungssälen und prachtvoller Ausstattung aus Marmor.

In Rom gibt es heute noch die Ruine der Caracalla-Thermen. Sie gehört zu den größten Badeanlagen Roms und ist benannt nach dem römischen Kaiser Caracalla (188−217 n. Chr.). Diese Bäder waren so prachtvoll, wie wir es uns heute kaum noch vorstellen können. Die Gäste zogen sich im Auskleideraum aus, wo in der Regel Sklaven die Gegenstände bewachen mussten, damit sie nicht gestohlen wurden. Dann erwärmte man den Körper in einem Warmluftraum oder in einem Schwitzbad. Danach ging es ins Caldarium, einem Warm- oder Heißwasserbad. Nun kühlte man sich ab im Tepidarium, einem lauwarmen Raum. Es folgte ein Kaltwasserbad im Frigidarium. Im Schwimmbecken konnte man einige Runden schwimmen. Das ganze wurde mehrmals wiederholt.

Die Badegäste konnten sich von Sklaven rasieren oder massieren lassen. Da es Seife noch nicht gab, ließ man sich mit Olivenöl einreiben, dass anschließend mit einem Schaber vom Körper wieder heruntergekratzt wurde. Für alle niederen Arbeiten setzte man Sklaven ein, die man aus ihren besetzten Gebieten mit nach Rom brachte. Sklaven verkauften auch Süßigkeiten und Erfrischungen an die Gäste.

Um die Anlagen immer mit heißem Wasser zu versorgen, gab es riesige steinerne Wasserbehälter, die durch Holzfeuer erwärmt wurden. Dafür mussten Unmengen an Bäumen gefällt werden. Das Wasser lief über Leitungen in die Thermen. Als das Römische Reich unterging, verlor sich das Wissen um den technischen Fortschritt. Die nachfolgenden Völker nutzten die Bäder nur noch als Speicher, Fabriken oder Hallen zum Unterstellen von Dingen. Die kostbaren Marmorverkleidungen wurden herausgeschlagen und für neue Bauten verwendet. Jedoch sind selbst die übriggebliebenen Ruinen noch beeindruckend. Ab und zu finden die Altertumsforscher auch noch Fußbodenreste oder Steinplatten, auf denen man eingeritzte Brettspiele erkennen kann. Man spielte mit Steinchen oder Tierknöchelchen.

Eine eigene Toilette hatte übrigens niemand zu Römerzeiten. Um sein Geschäft zu erledigen, ging man auf ein öffentliches Klo. Das bestand aus einer Reihe von Löchern in einer Steinplatte. Da hockten dann Reiche und Arme nebeneinander und machten nebenher noch ganz weltliche Geschäfte. Daher kommt der Ausdruck „sein Geschäft erledigen“. Klopapier gab es nicht. Man nahm Schwämme, die ausgewaschen wurden. Unter den Sitzen floss das Wasser und spülte den Unrat hinweg. Silvia Friedrich


Danke sehr!
Ein Wort der Anerkennung in vielen Sprachen

Es gibt Wörter, die wie ein Passepartout das Wesen einer Sprache und ihrer Sprecher erschließen. Das entdeckt der Urlauber bei einer Korea-Reise, wenn er dort erst einmal das Wort „kamsahamnida“ (Danke) aufschnappt. Wenn er es selbst freundlich bei richtiger Gelegenheit anbringt, liegt ihm Korea zu Füßen. Anderswo ist es nuancierter: US-Amerikaner nerven mit ewigem „thanks“, „Ossis“ haben das Wortfeld „Dank“ noch sperrig im Zusammenhang mit ideologischen Phrasen in den Ohren: „Dank euch, ihr Sowjetsoldaten.“ „Bitte“ gab es gar nicht mehr, denn „Sieger der Geschichte“ bitten nicht.

Auch die Sow­jets lehnten dankend ab, denn das russische „spasibo“ (danke) ist wörtlich „rette dich Gott“, weswegen es Stalins Primitiv-Atheismus verbieten wollte. Ähnlich grob ging Ul­brichts SED gegen die Lausitzer Sorben vor, die „boh“ (Gott) dankend mit „Bohudzak“ (Gott sei Dank) anrufen. Ähnliche Wendungen kennen Südslawen, sogar wenn sie Gott statt Dank „Ruhm“ (bulgarisch) oder „Lob“ (serbisch) entbieten.

„Gratias agere“ (Danke treiben) sagten die Römer, und ihr wunderlicher Plural findet sich im spanischen „gracias“, im italienischen „grazie“ und im umgangssprachlichen Tschechisch „diky moc“ (viele Danke). Auch das rumänische „multu­mesc“ stammt von „multim“ (Men­ge), was alles der Aufrichtigkeit des Danks gilt, ähnlich Portugiesisch „obrigado“, das wörtlich „verpflichtet, ge­zwungen“ bedeutet. Aus dem griechischen „efcharisto“ leuchtet noch die christliche Dankesfeier, die „Eucharistie“ hervor.

Bitten und Danken wirken mitunter fröhlich. Oder wer lächelt nicht, wenn Dänen unverstehbar äußern: „Mange tak for ingenting“ – „vielen Dank für Nichts“. Und versuche mal einer, den Bulgaren zu erklären, dass ihr „mersi“ eigentlich das französische „merci“ ist – eher glauben sie das Gegenteil. Dass es 1989 in der Tschechoslowakei eine „sanfte Revolution“ gegeben hatte, merkten die Menschen zuerst an plötzlich höflichen Metro-Durchsagen: „Beenden Sie bitte Ein- und Aussteigen“.

Oder melancholisch. „Danke“ heißt auf Serbokroatisch „hvala“, wie alle Welt nach dem 4. Mai 1980, Titos Todestag, hörte. Der blaue Sonderzug mit seinem Leichnam sollte in Zagreb nur einige Minuten halten – es wurden Stunden daraus, weil Hunderttausende Kroaten sagen: „Od svega srca hvala“ (aus ganzem Herzen danke). Wolf Oschlies


S. 22 Neue Bücher

TV-Kapitän aus der DDR
Ein Seefahrer blickt zurück

Die Seefahrt gehörte früher zu den beruflichen Traumzielen von abenteuerlustigen Jungen, war sie doch damals die einzige Möglichkeit, sich die Welt anzusehen. Der Autor Gerd Peters beschreibt in seinem Buch „Ich wollte zur See und andere Geschichten“ die ungewöhnlichen Wege, die er in der DDR gehen musste, um seinen Traum von einer maritimen Zukunft zu verwirklichen.

Die Liebe zur Seefahrt wurde Peters schon in die Wiege gelegt, da seine Eltern Mitte der 30er Jahre eine Wanderjolle kauften, um der damaligen Enge ihrer Berliner Behausung zu entgehen. In seinen Kindheitserinnerungen schildert er das Leben im Segelverein und gibt Einblicke in das kleinbürgerliche Glück am See. Das Interesse am Segelsport zieht sich durch seine ganze Jugend, bis dann der Krieg diesen Aktivitäten vorerst ein Ende setzt. Allerdings festigt sich auch hier schon der Entschluss, zur See fahren zu wollen.

Nach einer kriegsbedingt sehr wechselhaften Schulzeit macht Peters dann eine Ausbildung als Schiffbauerlehrling und will danach zur Marine, was jedoch nicht beim ersten Anlauf gelingt. Aber auch bei den beruflichen Zwischenstationen findet er immer wieder Tätigkeiten mit Bezug zur Seefahrt, und das Abpassen des richtigen Augenblicks hat ihm nicht nur beim Segeln weitergeholfen. Im zweiten Anlauf ist seine Bewerbung erfolgreich, und so wird er vier Jahre von der Volksmarine zum Seeoffizier ausgebildet. Durch eine misslungene Sportprüfung schließt er die Ausbildung nur als Obermeister ab, wird aber trotz des niedrigeren Dienstgrades Kommandant eines Minenräumbootes. Nach Ende seiner militärischen Dienstzeit kommt er über das Segelschulschiff „Wilhelm Pieck“ zur zivilen Schifffahrt, wo er dann schließlich Offizier und Kapitän wird und als solcher unter anderem auf dem Urlaubertraumschiff „MS Völkerfreundschaft“ fährt. Später ist er auch im Rundfunk und Fernsehen als Moderator zu Seefahrtsthemen tätig.

Obwohl Peters durch seine Tätigkeit als DDR-„Fernsehkapitän“ bekannt und beliebt ist, bleibt er doch in seinen Schilderungen sehr bodenständig. Es geht bei ihm nicht um „große Heldentaten“, sondern er veranschaulicht charmant und mit einem Augen-zwinkern die Stationen seines abwechslungsreichen Lebensweges. Peters Wunsch „Ich wollte zur See“ zieht sich durch alle Kapitel. Nur selten ist ein Buchtitel so dicht mit dem Inhalt verknüpft. Dabei gelingt es ihm mit viel Liebe zum Detail – manchmal fast ein bisschen zu viel – und anschaulichen Beschreibungen, dem Leser seinen Weg nahezubringen. Minutiös schildert er das Segel-vereinsleben, das Leben als Lehrling, als Soldat und als Seemann. Der Leser folgt ihm, wie er stets sein Ziel im Auge behält und dabei auch Umwege geht, um seinem Wunschberuf näherzukommen. Das Buch ist interessant und unterhaltsam geschrieben, sodass man sich gern darauf einlässt, ihn bei seiner Lebensreise zu begleiten. Britta Heitmann

Gerd Peters: „Ich wollte zur See und andere Geschichten“, Hins-torff Verlag, Rostock 2014, broschiert, 479 Seiten, 16,99 Euro


Profiteure und Absahner
Aufgedeckt: Warum die Asylflut für viele Organisationen eine echte Geldschwemme ist

D eutschland wird von einer Welle illegaler Einwanderer beziehungsweise Asylbewerber überrollt. Während der Staat und die Gesellschaft an die Grenzen ihrer Belastbarkeit geraten, verdienen bestimmte Kreise an dieser Misere – und zwar kräftig. Hierauf verweist der Kriminologe und Politikwissenschaftler Udo Ulfkotte in seinem neuesten Buch „Die Asylindustrie“.

Zu derselben gehören nicht zuletzt solche Organisationen wie das Deutsche Rote Kreuz, die Caritas, die Arbeiterwohlfahrt, der Malteser Hilfsdienst und die Diakonie. Wenn es nach deren Vorständen geht, können gar nicht genug „Flüchtlinge“ kommen, denn diese sind der Einkommensgarant für DRK und Co., die schließlich ihre Existenzberechtigung daraus ableiten, dass sie sich um Hilfsbedürftige kümmern. Nur geht es jetzt eben nicht mehr vorrangig um deutsche Alte und Kranke oder gar Obdachlose, von denen es immerhin 300000 (darunter auch jede Menge Kinder) gibt.

Es geht um ausländische „Schutzbedürftige“, welche quasi den neuen „Zukunftsmarkt“ bilden. Dieser soll der Sozialindustrie, welche zur Asylindustrie mutiert ist, wachsende Einnahmen und Umsätze bescheren. Die letzteren gibt Ulfkotte mit derzeit 140 Milliarden Euro an, was bereits schon eine immense Summe ist. Zum Vergleich: Ein Großkonzern wie die Siemens AG mit Standorten in 167 Ländern und 343000 Mitarbeitern kommt nur auf einen Jahresumsatz von knapp 70 Milliarden Euro.

Von den Einnahmen, welche die großen Migrationsgewinnler erzielen, profitieren allerdings nicht nur diese selbst, sondern auch zahlreiche Politiker. Wie Ulfkotte an diversen Beispielen nachweisen kann, bekleiden unsere Volksvertreter auffallend häufig Vorstands- und Leitungsposten in der Hilfs- und Asylindustrie. Das trifft unter anderem auf ein Drittel aller Bundestagsabgeordneten zu. Und die reichlichen Bezüge aus diesen Tätigkeiten fließen dann zu 25 bis 50 Prozent in die Parteikassen.

Ebensolche Absahner sind Privatfirmen wie die Reederei „Chevalier Floatels“: Für die Unterbringung von Einwanderern auf ihren Wohnschiffen berechnet sie der Stadt Hamburg 47 Euro pro Quadratmeter und Monat. Dazu kommen die Anwälte, welche sich gezielt um die 600000 illegal in Deutschland lebenden Ausländer kümmern und deren Abschiebung mit allen juristischen Tricks zu verhindern suchen, was gleichfalls die Kasse zum Klingeln bringt. Gutes Geld verdienen des Weiteren Privatunternehmen, zu deren Leistungsangebot es gehört, „Flüchtlings“-Lager zu betreiben oder zu bewachen.

Und dann wären da noch die Journalisten, die seitens der Asylindustrie prämiert beziehungsweise geschmiert werden, wenn sie dieser nach dem Munde schreiben. Dafür gibt es hochdotierte Auszeichnungen wie den Deutschen Sozialpreis der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, den DRK-Medienpreis, den Journalistenpreis „Integration“ und so weiter.

Der Dumme, so Ulfkottes zutreffende Feststellung, ist natürlich der deutsche Normalbürger und Steuerzahler, der das Ganze finanzieren „darf“, während die Islamverbände abgetaucht sind, obwohl es doch zumeist um muslimische Immigranten geht. Dabei fallen erhebliche Kosten an, die weit über dem liegen, was man der Öffentlichkeit mitzuteilen wagt. So wird von behördlicher Seite angegeben, der Unterhalt eines Asylbewerbers erfordere etwas über 1000 Euro im Monat – und in dieser Höhe liegen deshalb auch die „kostendeckenden Pauschalen“, welche die Kommunen erhalten.

Wie Ulfkotte nachweist, betragen die Aufwendungen, von denen ein erheblicher Teil in die Taschen der Asylindustrie fließt, aber tatsächlich um die 3500 Euro; dazu kommen Ausgaben in komplett unkalkulierbarer Höhe für die Psychotherapie angeblich traumatisierter „Flüchtlinge“ sowie auch die medizinische Behandlung der zahlreichen eingewanderten Hepatitis-C-Träger. Eine zwölfwöchige Kur mit den Medikamenten Sofosbuvir und Simeprevier schlägt hier alleine schon mit rund 109000 Euro zu Buche.

Ausgehend von den 3500 Euro kommt Ulfkotte auf Asylkosten von 42 Milliarden Euro pro einer Million Immigranten und Jahr. Diese Summe entspricht der Gesamtheit der Etats von nicht weniger als elf zentralen staatlichen Institutionen der Bundesrepublik (Familienministerium, Gesundheitsministerium, Finanzministerium, Umweltministerium, Wirtschaftsministerium, Auswärtiges Amt, Deutscher Bundestag, Bundesrechnungshof, Bundespräsidialamt, Bundesverfassungsgericht und Bundesrat). Oder anders ausgedrückt: auf 42 Milliarden Euro beläuft sich auch das komplette, in einem Jahr gezahlte Arbeitslosengeld; die gleichen Ausgaben fallen beim Kindergeld an.

Dabei ist zu bedenken, dass die Staatsverschuldung der Bundesrepublik bereits bei zwei Billionen Euro liegt, wobei dieses Defizit zu mehr als 50 Prozent aus den bisherigen Kosten für die Aufnahme und Integration von Migranten resultiert. Das heißt, wir sind überhaupt kein reiches Land und haben uns bereits aufgrund der bisherigen Einwanderung bis über beide Ohren verschulden müssen.

Ulfkotte zieht aus all dem den naheliegenden Schluss, dass das Asylsystem unsere Zukunft und die unserer Kinder und Kindeskinder auffressen werde, bevor dann seine Zerstörung erfolge, weil die Gesellschaft über kurz oder lang nicht mehr willens und in der Lage sei, eine derart gefräßige „Krake“ zu finanzieren.

„Die Asylindustrie“ ist durchaus zur Lektüre zu empfehlen, auch wenn man permanent auf stilistische und konzeptionelle Mängel trifft, wie dem des oftmaligen Wiederholens bereits schon einmal dargelegter Fakten und Argumente. Und der Zeitpunkt der Veröffentlichung passt eperfekt: Bald beginnt die Vorweihnachtszeit, in der die Sozialverbände, deren Interesse jetzt vorrangig den „Flüchtlingen“ gilt, wieder zum großen Spendensammeln blasen und dazu kräftig auf die Tränendrüse drücken. Zeigen wir ihnen dieses Jahr die Rote Karte! Wolfgang Kaufmann

Udo Ulfkotte: „Die Asylindustrie. Wie Politiker, Journalisten und Sozialverbände von der Flüchtlingswelle profitieren“, Kopp Verlag, Rottenburg 2015, gebunden, 272 Seiten, 19,95 Euro.


»Russland nicht erniedrigen«
Hans-Dietrich Genscher, in stürmischen Zeiten deutscher Außenminister, erinnert sich und lässt einen nachdenklichen Leser zurück

In seinem neuesten Buch „Meine Sicht der Dinge“ zieht der Mann, der 18 Jahre lang Außenminister war und damit zugleich der dienstälteste Europas, eine Bilanz über die jüngste Vergangenheit. Hans-Dietrich Genscher gewährt interessante Einblicke, wie er mit den Großen der Welt verhandelte. Er traf die Präsidenten Israels und Ägyptens sowie den PLO-Chef Arafat. Er begegnete Chinas Tschou En-lai sowie Deng Xiaoping. Im Gegensatz zu anderen westdeutschen Politikern suchte Genscher auch Verbindung zu Dissidenten wie in der CSSR den Oppositionsführer Václav Havel sowie dem polnischen Solidarnosc-Anführer Lech Walesa.

Schwerpunkt seiner Darstellung ist aber die UdSSR. Mit der „gesamteuropäischen Friedenskonferenz“ planten die Sowjets, die USA aus Europa herauszudrängen. Mit einer Festschreibung der Unveränderlichkeit der Grenzen in Europa hätten sie auch die deutsche Einheit unmöglich gemacht. Es ist ein besonderes Verdienst Genschers, die außenpoli-tischen Ziele der UDSSR in Form der Schlussakte von Helsinki und der KSZE durchkreuzt zu haben.

Beim Nato-Doppelbeschluss, der einen Aufrüstungsentscheid mit einem Abrüstungsvorschlag gegen das militärische Übergewicht Moskaus beinhaltete, folgten die westdeutschen Sozialdemokraten ihrem Kanzler Helmut Schmidt nicht mehr. Dadurch wäre die deutsche Position in der Nato unhaltbar geworden und zweifellos hätte dies auch im Kreml nachhaltige Wirkung gehabt. Diese Schicksalsentscheidung aber war für einen Hans-Dietrich Genscher unverzichtbar. Als er mit seiner FDP dann die Koalition mit der SPD auflöste und eine mit der CDU/CSU einging, war „dies keine Trennung von Helmut Schmidt, sondern eine Trennung der SPD von Helmut Schmidt.“

Michail Gorbatschow, so das Buch, erkannte die Schwächen seines Systems und versuchte sie zu beseitigen. Ursache des dortigen Aufbruchs war nach Genschers Ansicht die Entspannungspolitik. Seine Behauptung, die ökonomische Misere Sowjetrusslands sei nicht der primäre Grund gewesen, erscheint indes recht fraglich: Gewiss spielte das politische Klima eine Rolle, doch anderes war entscheidender: Hatte nicht schon nach Stalins Tod Sowjetmachthaber Lawrenti Berija gegen umfassende westdeutsche Wirtschaftshilfe die Einheit unter bestimmten Voraussetzungen angeboten? Es ist Tatsache, dass in der Politbüro-Sitzung der KPdSU in Moskau am 3. November 1989 Gorbatschow offen zugab, man könne die DDR wirtschaftlich nicht mehr halten.

Völlig zu bejahen, ist Genschers Feststellung die Demonstration in Leipzig (9. Oktober 89) hätte die endgültige Entscheidung über die Zukunft der DDR gebracht.

Seine Behauptung, er habe bereits im Sommer ‘88 auf deren Ende hingewiesen, erscheint hingegen wenig glaubhaft: Noch ein ganzes Jahr später erklärte er dem US-Botschafter Walters, die deutsche Einheit liege „für die nächste Zukunft schlechthin nicht im Bereich des Möglichen“. Wenn er veranlasst haben will, dass 89 die Russen bei Unruhen in der DDR keine Panzer mehr einsetzten, so ist nach gesicherten BND-Erkenntnissen erwiesen, dass Gorbatschow zuvor bereits gegenüber Honecker jegliches Nichteingreifen der Besatzungstruppen angekündigt hatte. Wenn der Sowjet-Außenminister Ende 1989 erklärte, Genscher sei der Einzige, der das Ende der DDR voraussah, dürfte das ab dem 30. September dann allerdings durchaus zutreffen: In jenen Abendstunden verkündete er in Prag den etwa 4000 Botschaftsflüchtlingen aus der DDR ihre Ausreise, was für ihn einer der bewegendsten Momente seines Lebens war – auch gerade im Hinblick auf das Ende des SED-Systems in der Heimat des gebürtigen Hallensers.

Das Buch ist auch ein Appell an heutige und zukünftige Politiker. Das Schwergewicht liegt auch hierbei auf Russland, das man nicht erniedrigen, sondern weiterhin als Großmacht sehen sollte. Ein Dominanzdenken wür-de dem Ziel einer weltweiten Vertrauensbildung entgegenstehen. Wiederholt betont er, die neue Weltordnung müsse gegründet sein auf Gleichberechtigung und Ebenbürtigkeit der Völker. Euro-pa, welches die USA, Kanada und ebenfalls Russland umschließt, brauche einen neuen Anlauf. Die Welt von heute solle sich als eine Ordnung der Kooperation und Nachbarschaft verstehen. Es dürfe kein Weltherrschafts- oder gar Weltüberwachungsdenken geben. Mit den USA, die auch zukünftig für Europa unverzichtbar seien, wären neue Konzepte auf gleichberechtigter Ebene erforderlich. Angesichts der vielen drohenden Gefahren müsse sich die Welt als Schicksalsgemeinschaft sehen. Wo aber sei der damalige Geist bei Rüstungskontrolle und Abrüstung geblieben? Die Zahl der Atom-Staaten wachse. Noch scheine die Entwicklung beherrschbar, „aber wie lange bleibt das so?“

Man wird das Buch nachdenklich aus der Hand legen.

Friedrich-Wilhelm Schlomann

Hans-Dietrich Genscher: „Meine Sicht der Dinge", Propyläen-Verlag, Berlin 2015, gebunden, 190 Seiten, 22 Euro


S. 23 Rautenberg Buchhandlung

Rautenberg Buchhandlung


S. 24 Panorama

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Somalia an der Ostsee / Warum die Deutschen abgeschoben gehören, wie uns Schweden wacker voranschreitet, und wie genial Merkel die Katastrophe einfädelt

Ach, so war das gemeint! Die Bundeskanzlerin und alle, die in der Asylfrage mit ihr sind, werden nicht müde zu betonen, dass wir in Deutschland jeden willkommen heißen, der „unsere Werte teilt“. Das reiche aus. Deutschland auch zu mögen ist nicht notwendig, selbst wenn sich viele der Zuwanderer ja geradezu enthusiastisch über unser schönes Land äußern – ehe sie die Zelte sehen.

Und? Ist doch gut, das mit den Werten. Mag sein, was wir aber nicht bedacht hatten ist, dass die Auslese nach „Werten“ auch für uns Deutsche gelten soll. Hier darf bleiben, wer die Werte teilt, zu denen selbstverständlich auch unsere „Willkommenskultur“ zählt. Wer den Werten dagegen skeptisch gegenübersteht, der soll aus Deutschland verschwinden. Egal, wo seine Wurzeln stecken, ganz gleich, ob er Deutscher, Senegalese, Afghane oder sonst was ist.

Der Regierungspräsident von Kassel, Walter Lübcke (CDU), sagte es frechen Deutschen geradeheraus ins Gesicht. Der Pöbel hatte es gewagt, sich auf einer Veranstaltung in Lohfelden gegen die obergrenzenlose Aufnahme von Zuwanderern auszusprechen. Daraufhin wies ihn Lübcke zurecht: „Es lohnt sich, in unserem Land zu leben. Da muss man für Werte eintreten. Und wer diese Werte nicht vertritt, kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Das ist die Freiheit eines jeden Deutschen.“

Haben Sie verstanden? „Das“ ist die Freiheit eines jeden Deutschen: Wenn Du nicht einverstanden bist ... da ist die Tür! Ob man die „Wertlosen“ vermissen wird? Kaum. Wie sagte ein legendärer deutscher Staatsmann vor gut 26 Jahren, als schon einmal zahllose Deutsche „nicht einverstanden“ waren und seinen Herrschaftsbereich verließen: „Ich weine ihnen keine Träne nach!“

Allerdings hatten die Nichteinverstandenen damals die Möglichkeit, aus dem Gebiet jenes Staatsmannes, der DDR, in einen anderen deutschen Staat gleich nebenan überzusiedeln. Das ist heute nicht mehr möglich. Wo sollen sie also hin? Früher war Schweden das Wunschziel vieler Deutscher, denen ihr eigenes Land nicht mehr gefiel: Nicht so eng, die Leute sollen auch viel gelassener sein – und dann die traumhafte Landschaft. Nur diese entsetzlich großen Mücken, die waren der einzige Störfaktor.

Leider könnten da demnächst noch ein paar hinzukommen. Das US-amerikanische „Gatestone Institute“ hat für unsere nördlichen Nachbarn eine höllische Prognose erstellt. Aufgrund seiner sehr großzügigen Zuwanderungsregeln werde Schweden komplett abstürzen und zu einem „gescheiterten Staat“ („failed state“) verkommen, also so eine Art Somalia an der Ostsee werden. Schweden nimmt pro Kopf der Bevölkerung derzeit in der EU am meisten „Flüchtlinge“ auf, mehr noch als Deutschland.

Bei derzeit 7,7 Millionen Schweden und 2,1 Millionen Zuwanderern würden die Schweden bei gleichbleibender Zuwanderungsmenge in zehn bis 15 Jahren zur Minderheit im eigenen Land, vermutlich lange vorher wohl werde das Land wirtschaftlich zusammenbrechen, und das ziemlich abrupt.

Blödsinn, alles Panikmache. Wer ist dieses „Gatestone Institute“ überhaupt? „Institut“ darf sich heute ja alles Mögliche nennen. Nun, Vorsitzender von „Gatestone“ ist John Bolton, langjähriger US-Diplomat und bis vor knapp zehn Jahren Botschafter der USA bei den Vereinten Nationen. Die dürften sich also auskennen in der Welt.

Na ja, das kleine Schweden. Schade drum, aber uns, dem großen starken Deutschland, kann das nie passieren. Zumal das Gerede über „Belastungsgrenzen“ genauso rechtspopulistisch übertrieben ist wie das Gequatsche über die angeblich so vielen Gewaltexzesse in den Asylheimen. Andre Schulz vom Bund Deutscher Kriminalbeamter warnt, man dürfe den „Einzelfall“ nicht verallgemeinern, sonst kippe man „Öl ins Feuer der Rechten“ und werde „Steigbügelhalter von AfD, NPD, Pegida und Co“.

Das wollen wir natürlich in jedem Falle vermeiden, deshalb werden die Straftaten etwa in Thüringen „systematisch verschwiegen“, wie der dortige Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, Kai Christ, der „Thüringer Allgemeinen“ verriet. Die Polizei werde fast täglich zu Einsätzen in Flüchtlingsunterkünfte gerufen, „in jede Unterkunft, fast jeden Tag“. Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linkspartei findet Christs Äußerung „ungeheuer“.

Wir auch. Vertritt dieser Polizeigewerkschafter überhaupt „unsere Werte“? Augenscheinlich nicht, sonst hätte er das „systematisch Verschwiegene“ schließlich für sich behalten. Oder zumindest betont, dass es sich bei den täglichen Fällen lediglich um tägliche Einzelfälle handelt, so wie diesen hier in Hamburg: Dort hat ein Afghane einem Iraner mit einem Teleskopschlagstock schwere Kopfverletzungen zugefügt, weil der unvorsichtige Perser tags zuvor erzählt hatte, dass er vor einem Jahr zum Christentum konvertiert sei. Wie sagte die Kanzlerin? „Sie kommen zu uns, weil sie unsere Werte teilen.“ Pfui! Das Zitat in diesem Zusammenhang zu bringen, ist wirklich polemisch. Zumal auch der fanatische Afghane nur ein Einzelfall war.

Der Täter konnte zunächst festgehalten werden, wurde dann aber von 15 bis 20 Personen befreit und konnte flüchten, so der Bericht der Polizei. Gut, gut, dann eben 15 bis 20 Einzelfälle. Macht gar nichts.

Schon diese Behauptung, viele der männlichen Werte-Teiler aus muslimischen Ländern verachteten Frauen! Rassistische Hetze. Nun ja, CDU-Bundesvize Julia Klöckner hat allein an zwei Tagen 300 Nachrichten von Bürgerinnen erhalten, die etwas anderes anklingen lassen. Da berichten Betroffene, dass sie die Spenden nicht ins Kulturzentrum bringen dürften, weil sie als Frauen das Gebäude aufgrund islamischer Regeln nicht betreten dürften; Lehrerinnen klagen, dass islamische Jungen ihnen an den Kopf werfen, dass sie ihnen als Frauen gar nichts zu sagen hätten und dass deren Väter nicht mit Lehrerinnen sprächen; Verkäuferinnen beschweren sich, dass muslimische Käufer nicht mit ihnen sprächen, ihnen nicht in die Augen sähen, weil sie Frauen seien.

Na, dann eben 300 Einzelfälle ... Herrjeh! Hört das mal auf mit dieser Hetze?! Klöckner erzählt: „Der Frust sitzt ganz tief, denn bislang wird über das Thema bei uns nicht offen geredet.“ Genau, und das bleibt auch so. Wo kämen wir denn da hin!

Immerhin hat unsere Kanzlerin bei der EU durchgesetzt, dass 160000 Zuwanderer „gerecht“ in Europa verteilt werden, damit nicht einzelne, besonders belastete Länder fast alles allein tragen müssen, Europa ist schließlich solidarisch.

Das ist nun schon ein paar Monate her und bis vor Kurzem ist gar nichts passiert. Doch vor zwei Wochen ging es endlich mit Macht los. Da hat die EU unter Anwesenheit von viel Politprominenz 19 Flüchtlinge aus Italien wegverteilt, nein, nicht 19000, es waren 19. Und wo hat man sie um der „gerechteren Verteilung“ willen hingeflogen? Nicht lachen: nach Schweden.

Ärgerlicherweise wächst die Unruhe im deutschen Volk beträchtlich. Die Gefahr besteht, dass die Bürger den Bundestagsparteien doch noch in den Arm fallen, bevor auch wir hier schwedisch-somalische Verhältnisse erreicht haben. Dann wäre alles umsonst gewesen.

Da gilt es, äußerst trickreich vorzugehen. Wie uns Heribert Prantl von der „Süddeutschen Zeitung“ berichtet, hat CDU-Chefin Merkel den Sozialdemokraten angeblich einen Handel vorgeschlagen, um die CSU hinters Licht zu führen und bloßzustellen. Die SPD solle der CSU-Forderung nach „Transitzonen“ zustimmen, um die Bayern in den Koalitionsfrieden zurückzuholen. Dafür soll Merkel den Roten versprochen haben, später dafür zu sorgen, dass die Maßnahme nicht umgesetzt wird. Ist das nicht genial? Die Katastrophe wird mit aller denkbaren Finesse eingefädelt. Sie muss einfach gelingen.


MELDUNGEN / ZUR PERSON

»Nicht länger auszuhalten«

Potsdam – Der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Brandenburg, Andreas Schuster, warnt vor IS-Terroristen unter den Flüchtlingen und Asylbewerbern. Man wisse gar nicht, wie viele potenzielle Terroristen unten den Zuwanderern seien, so Schuster in einer Presseerklärung vom 16. Oktober. Die märkische Polizei stehe wegen des Asylbewerberstroms ohnehin vor einer „nicht mehr lösbaren Aufgabe“: „Ein Zustand ist erreicht, der nicht mehr länger auszuhalten ist“, so Schuster (siehe Zitat rechts). H.H.

 

45 Milliarden Euro pro Jahr

Kiel – Der Ökonom Matthias Lücke vom Kieler Institut für Weltwirtschaft schätzt die Kosten für die Asylflut auf jährlich 45 Milliarden Euro. Voraussetzung sei, dass in drei Jahren insgesamt drei Millionen kämen, die pro Kopf 15000 Euro pro Jahr kosten. Unbegleitete Jugendliche, Kranke und Traumatisierte kosten laut anderen Rechnungen weit mehr. H.H.

 

Senkrechtstarter von rechts

Vor einem Monat wurde in Dortmund das Stück eines Aktionskünstlers aufgeführt, für das mit einem Mordaufruf geworben wurde. „Tötet Roger Köppel!“ war auf Plakaten zu lesen. In dem hanebüchenen Stück soll der unaufhaltsame Aufstieg des Roger Köppel gestoppt werden, weil dieser als „Chef-Ideologe des 21. Jahrhunderts“ unzählige Menschenleben auf dem Gewissen haben werde.

Diese Provokation, die gegen den Journalisten und Verleger wegen seiner strikt konservativen Haltung in der Asylpolitik gerichtet war, verhalf Köppel bei den Schweizer Parlamentswahlen jedoch zu starkem Rückenwind. 178090 Bürger wählten ihn in den Nationalrat – so viele Stimmen hatte nie zuvor ein Schweizer Parlamentarier für sich verbuchen können.

Der 50-jährige Senkrechtstarter entschied sich erst im Februar, für die Schweizerische Volkspartei (SVP) zu kandidieren. Die von Gegnern als „rechtspopulistisch“ bezeichnete Partei konnte bei den Wahlen mit über 28 Prozent ihre Position als stärkste politische Kraft behaupten.

Die Zeitung „Weltwoche“ gilt als Sprachrohr der SVP, seit Köppel sie führt. Seit 2001 ist der frühere Sportjournalist der „Neuen Zürcher Zeitung“ bei der „Weltwoche“, unterbrochen nur von einem zweijährigen Intermezzo bei der deutschen Tageszeitung „Die Welt“.

In seinem Blatt schreibt er gegen das „Asylchaos“ an, das „von der EU auf die Schweiz überschwappt“. Dabei ist er selbst mit der Tochter vietnamesischer Flüchtlinge verheiratet, mit der er drei Kinder hat. Aber Köppel, dessen Mutter in Ostpreußen aufwuchs, weiß, zwischen politischen und Wirtschaftsflüchtlingen zu differenzieren. Er weiß aber auch, dass er als Verleger viel Macht besitzt und dass er die graue Eminenz der SVP, den 75-jährigen Christoph Blocher, als Partei-Ideologen beerben kann. Das ist es, was vielen seiner Gegner in Europa offenkundig Angst bereitet. H. Tews


MEINUNGEN

Die Schriftstellerin Cora Stephan weist im Autoren-Portal „Achse des Guten“ (15. Ok­tober) auf einige unangenehme Begleiterscheinungen von Masseneinwanderung hin:

„Wer Einwanderung in großer Zahl will, muss sich vom deutschen Modell des Sozialstaats verabschieden, das auf einem engen nationalstaatlichen Rahmen beruht. Also weg auch damit. Es wird ... vor allem eng für jene, die jetzt schon hierzulande am Existenzminimum leben. Wer von Herausforderung redet, sollte das nicht vergessen. Schon jetzt konkurrieren die Ärmsten und die Obdachlosen um Nahrung und um Wohnung.“

 

 

Andreas Schuster, Landesbezirksvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Brandenburg, schlägt in einer Presseerklärung vom 16. Oktober Alarm:

„Egal wo ich hinkomme, die Kolleginnen und Kollegen haben im wahrsten Sinne des Wortes die Schnauze voll. Sie werden sachfremd eingesetzt, können die eigentlichen Probleme wie ua. Grenzkriminalität, Wohnungseinbrüche, Verkehrsunfallgeschehen … kaum noch bewältigen, müssen Amtshilfe gegenüber der Justiz und den Kommunen leisten und jetzt noch die Herausforderungen der Flüchtlingsproblematik. Und das alles bei täglich sinkendem Personalbestand durch Altersabgänge.“

 

 

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán erklärt in einem ausführlichen Interview mit dem „Focus“ (17. Oktober), wo für ihn der Unterschied zwischen der ungarischen und der deutschen Haltung zur Asylpolitik liegt:

„Der größte Teil der deutschen politischen Elite denkt, es gehe um eine Flüchtlingsbewegung. Wir glauben, es ist eine Völkerwanderung. Deutsche sprechen von ein bis zwei Millionen, wir von zehn bis 20 Millionen. Afrika wird jetzt erst losmarschieren. Wir denken anders über Parallelgesellschaften, wir fürchten sie, wir wollen sie nicht. Und wir gehen davon aus, dass die Flüchtlingskrise ein Übel ist. Deutschland glaubt dagegen, die Migration könne nützlich sein und dass alles gut werde, wenn man es gut macht.“

 

 

Mit seinem Zukunftsroman „Das Heerlager der Heiligen“ beschrieb der Franzose Jean Raspail schon 1973 eine Flüchtlingsinvasion, die Europa zerstöre. In der „Jungen Freiheit“ (16. Oktober) warnt er nun:

„In dem Moment, in dem die Zugewanderten eine innere Macht sind, ist die Partie verloren. Selbst in demokratischer Hinsicht werden sie dann die Wahlen bestimmen und so nach und nach die Oberhand über uns erlangen ... wir sind unfähig, unsere Kultur zu verteidigen ... Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem die europäische und nicht zuletzt christliche Wohltätigkeit uns ins Verderben stürzt.“

 

 

Thomas Böhm erklärt im Portal „Journalistenwatch“ (20. Ok­tober), wer Deutschland spaltet:

„Es sind unsere Politiker und ihre Lakaien in den Verlagshäusern, die das Land mit dem ideologischen Vorschlaghammer platt machen und die Bürger mit der Spalt-Axt auseinandertreiben.“