18.04.2024

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Preußische Allgemeine Zeitung - Aktuelle Ausgabe

© Preußische Allgemeine Zeitung Folge 53/15 vom 02.01.2016

S. 1 Preußische Allgemeine Zeitung

Bürger müssen kämpfen
Demokratie in schwerer Schieflage: Die »Mitte« hat den Kompass verloren

Die Hetze gegen Kritiker der Zuwanderungspolitik hört nicht auf. Die Politik treibt die Spaltung weiter voran, 2016 wird es ernst.

Im anbrechenden Jahr droht Deutschland von inneren Spannungen lange nicht gesehenen Ausmaßes durchgerüttelt zu werden. Das Schlimmste dabei ist,  dass die politische Führung des Landes das Aufeinanderprallen der Lager noch anheizt, statt sich um die Rettung eines bürgerlichen Grundkonsenses zu bemühen.

Ausgerechnet zu den Weihnachtstagen hetzten Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) gegen Kritiker ihrer Zuwanderungspolitik mit Kampfbegriffen wie „Dumpfbacken“ (Schäuble) und „geistige Brandstifter“ (Steinmeier). Steinmeier wollte damit, kaum verbrämt, die AfD in die Nähe von Gewalttätern rücken.

Die Brutalität, mit welcher die Mächtigen auf die demokratische Rechte einschlagen, steht im krassen Kontrast zum Gleichmut, mit welchem sie offener linksextremer Gewalt gegenüberstehen. Dies, obwohl sich die dunkelroten Exzesse immer ungehemmter ausbreiten (siehe Seite 3).

Unverkennbar hat sich die politische „Mitte“ in eine für die gesamte Demokratie hochriskante Schieflage begeben. Eigentlich müssten alle Demokraten zusammenstehen, wenn es um die Abwehr antidemokratischer Fanatiker von beiden Rändern, links wie rechts, geht. So ist die gemeinsame Bekämpfung von Nationalsozialisten und Linksextremisten eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

Davon aber hat sich die herrschende politische Elite weit entfernt. Konservative und Rechtsliberale, welche sich zu Recht immer zum loyalen Kern der Republik zählten, werden schrankenlos verteufelt und mit Rechtsextremisten in einen Topf geworfen. Linksextremisten dagegen genießen nicht bloß Nachsicht. Ihre Vertreter sind sogar massenhaft in den Genuss staatlich finanzierter Stellen für den „Kampf gegen Rechts“ gelangt, die sie missbrauchen, um ihr linksextremes Gedankengut zu streuen und Andersdenkende nach alter Extremisten-Art zu diffamieren.

Die Strategie der Extremisten, links wie rechts, Demokraten auf Demokraten zu hetzen, um letztlich die Demokratie selbst auszuhöhlen, scheint derzeit vollständig aufzugehen. Die sogenannte „Mitte“ spielt da entweder aus weltanschaulicher Verwirrung mit oder aus entfesselter Machtgier: Nur, um sich neue Konkurrenz wie etwa die AfD wieder vom Hals zu schaffen, werden Lauterkeit, demokratische Sitten und alle Lehren aus der Geschichte  (siehe      Seite 4) in den Wind geschlagen.

Dabei droht die Demokratie unter die Räder zu geraten. Erst in der Gesinnung der Mächtigen, doch wenn es ernst wird, auch in ihrer Substanz. 2016 wird eine harte Probe für die deutsche Republik. Es kommt jetzt wie lange nicht mehr auf die Kraft und den Willen der Bürger an, ihre Demokratie zu verteidigen. Hans Heckel


Menschen 2016
Ernüchternder Ausblick auf ein anstehendes Krisenjahr

Donald Trump ist dabei – natürlich. Ebenso Recep Tayyip Erdogan und Wladimir Wladimirowitsch Putin. Sie werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit 2016 prägen. Auf Seite 2 haben wir einen Ausblick auf die Menschen gewagt, die im kommenden Jahr eine wichtige Rolle spielen werden. Aus der Wirtschaft ist der neue VW-Chef Matthias Müller dabei. Der weltweite Abgas-Skandal erschüttert seinen Konzern. 2016 dürfte ein Schicksalsjahr für die Autoschmiede werden. Stellvertretend steht Müller aber durchaus auch für andere Firmenlenker, die krisengeschüttelte Unternehmen durch die nächsten zwölf Monate steuern müssen. Wirtschaftsexperten zählen dazu die streikgeplagte Lufthansa, den Lichtkonzern Osram, der die LED-Technologie verschlafen hat, die Deutsche Bank, die einen radikalen Schrumpfungsprozess vornehmen muss und die Stromkonzerne E.on und RWE, denen die Energiewende schwer zu schaffen macht. „Deutschland geht es blendend. Im Detail jedoch werden Risse sichtbar. Von A wie Allianz bis V wie Volkswagen sind diverse Vorzeigekonzerne mit Erosionserscheinungen konfrontiert“, stellte das „Manager Magazin“ fest.

Ob in der Wirtschaft oder in Politik und Gesellschaft – 2016 wird ein Jahr der Eskalation. Krisenlösungen sind nicht in Sicht. Das gilt natürlich vor allem für die Asylkatastrophe, verschuldet durch hilflose und ignorante Politiker ebenso wie verantwortungslose Medien, die alle Grundsätze der Objektivität missachten. Die deutschen Medien haben jede kritische Distanz verloren. Die Berichterstattung gerät zur Kampagne, stellte die „Neue Zürcher Zeitung“ aus der Schweiz kürzlich fest. Dass dies durchaus nicht für die Preußische Allgemeine Zeitung gilt, dürfte (nicht nur) die Seite 2 zeigen. Frank Horns


»Fortschritt ist schuld«
VW äußert sich im Bundestags-Rechtsausschuss zum Abgasskandal

Schuld am VW-Abgasskandal ist der technische Fortschritt. Das behauptete jedenfalls Thomas Steg, VW-Generalbevollmächtigter für Außenbeziehungen gegenüber dem Rechtsausschuss des Bundestages. Im Jahr 2008 habe VW nämlich noch nicht die technischen Mittel gehabt, mit den Dieselmodellen die strengen Stickoxid-Grenzwerte in den USA einzuhalten.

Laut Jürgen Stackmann, bei VW verantwortlich für Marketing und Vertrieb, will der VW-Konzern die Sache jetzt so regeln, dass „der Kunde zufrieden herausgeht“. Als wichtigste Maßnahme werde darauf verzichtet, Verjährungsfristen geltend zu machen. Jeder Besitzer eines betroffenen Fahrzeugs könne die Mängel unabhängig vom Baujahr bis Ende 2017 auf Kosten von VW beseitigen lassen. In jedem Fall seien „deutlich weniger schwere Eingriffe als zunächst befürchtet“ erforderlich, versicherte Stackmann. Der Verbraucher spüre davon nichts, weder bei der Leistung noch beim Verbrauch. Allerdings dürfe der Konzern den Händlern aus kartellrechtlichen Gründen keine Anweisungen erteilen. Deshalb werde VW ihnen „in jeder Hinsicht“ Anreize geben, die Maßnahmen durchzuführen. Das gelte nicht nur für Vertragshändler, sondern für „jeden, der die Reparatur durchführen kann“.

Unterdessen erwartet VW keine Nachzahlungen mehr bei der Kfz-Steuer wegen falscher Angaben über den Schadstoffausstoß . Es habe sich herausgestellt, dass die Falschangaben nicht nur wesentlich weniger Fahrzeuge beträfen als zunächst befürchtet, sondern auch nur einem Mehrverbrauch von 0,1 bis 0,2 Litern auf 100 Kilometer entsprächen, erklärte Stackmann. VW habe aber einen Brief an alle EU-Finanzminister geschrieben, dass das Unternehmen die Kosten für eine höhere Kfz-Steuer übernehmen würde, falls diese anfallen sollten.              J.H. (siehe auch Seite 7)


Jan Heitmann:
Luftnummer

Das neue Jahr beginnt mit einem weiteren Militäreinsatz. Die Nato will auf Bitten Ankaras „Awacs“-Luftaufklärer mit deutschen Soldaten in die Türkei entsenden. Nach Ansicht der Bundesregierung bedarf es dazu nicht der Zustimmung des Bundestages. Das ist bemerkenswert, denn als es um den Einsatz von „Awacs“-Maschinen während des Irakkrieges ging, hat das Bundesverfassungsgericht dafür eindeutige Vorgaben gemacht. Demnach muss das Parlament allen bewaffneten Einsätzen der Bundeswehr im Ausland zustimmen. Das gilt schon dann, wenn deutsche Soldaten in „bewaffnete Auseinandersetzungen verstrickt werden könnten“.

Also beeilt sich die Bundesregierung zu versichern, dass damit überhaupt nicht zu rechnen sei. Denn die „Awacs“-Mission sei nicht Teil des Militäreinsatzes gegen die IS-Terroristen in Syrien. Diese verfügten auch über gar keine Luftstreitkräfte, die aufgeklärt oder bekämpft werden könnten. Auch sei kein politischer Wille des Assad-Regimes erkennbar, „die eigene Luftwaffe gegen die Türkei einzusetzen“. Ebenso wenig gebe es „konkrete Hinweise, dass Russland seine Luftstreitkräfte gegen die Türkei einzusetzen beabsichtigt“. Damit wird zwar klar, warum die Bundesregierung die Zustimmung des Bundestages für entbehrlich hält, aber sie selbst erklärt damit zugleich die ganze Mission für überflüssig. Denn was soll eine Stationierung der „Awacs“-Maschinen in der Türkei, wenn von keiner Seite Gefahr droht? Außerdem sind die Aufklärer ohnehin ständig über allen Nato-Mitgliedsländern und somit auch der Türkei in der Luftraumüberwachung aktiv. Das, was die Bundesregierung jetzt vorhat, ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Luftnummer.


S. 2 Aktuell

Diese Menschen werden 2016 prägen
Ein Jahr der Eskalation steht Deutschland bevor – Die wichtigste Person: der unbekannte Asylbewerber

Die nächsten zwölf Monate? Mit banger Erwartung schauen die Deutschen auf 2016. Rund 80 Prozent befürchten eine Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Lage.

55 Prozent blicken mit Sorge in die Zukunft, ermittelte das Nürnberger Meinungsforschungsinstitut GfK und spricht von einer Rück-kehr der „German Angst“, einem diffusen Furchtgefühl, das den Deutschen seit einigen Jahrzehnten zugeschrieben wird.

Diffus aber ist nichts am derzeitigen Pessimismus. Vor allem die Asylkrise und das hilflose bis ignorante Verhalten der Herrschenden bereitet Sorge. Ein Ende ist  nicht abzusehen. Im Gegenteil: 2016 wird wohl ein Jahr der Eskalation, in dem sich die Krisen und Gefahrenlagen weiter zuspitzen werden. Das gilt für den Nahen Osten ebenso wie für die Ukraine und die Asylkrise.

Neun Personen, die rund um den Globus dabei aller Wahrscheinlichkeit nach eine prägende Rolle spielen werden, haben wir ausgewählt. Andere, die es nicht auf diese Seite geschafft haben, dürften ebenfalls kräftig eingreifen in die Geschicke von Ländern und Regionen – zum Beispiel Marine Le Pen. 2016 wird die Chefin des französischen Front National (FN) sicherlich nutzen, um zusammen mit ihrer Nichte, dem FN-Jungstar Marion Marechal-Le Pen, die etablierten, EU-freundlichen Parteien kräftig vor sich herzutreiben. Die Damen Klöcknerschwesigvonderleyen sind andererseits ebenso wenig dabei wie die Herren Gabrielschäubleseehofer. Auch das lässt nichts Gutes ahnen.                 Frank Horns

So schlimm wird’s schon nicht werden – haben Jarosław Kaczynskis (66) Gegner im In- und Ausland nach dem Wahlsieg seiner nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) in Polen gehofft. Erste Aktionen wie der Vorstoß gegen das Verfassungsgericht zeigen: Kaczynski nutzt die absolute Mehrheit seiner PiS um kompromisslos durchzuregieren. Vor der Asylflut wird er sein Land mit Sicherheit bewahren. Deutschland und ebenso die deutsche Volksgruppe in Polen werden es aber schwer mit ihm haben.

Vergleichsweise jung, zu 80 Prozent männlich, weitgehend ungebildet, kulturfremd, mit archaischem Wertesystem im Kopf, den Koran in der Hand und mit dem Fuß in der Eingangstür nach Deutschland – diese Eigenschaften kennzeichnen ihn: den unbekannten Asylbewerber.

Sicher, jeder der Zuwanderer hat ein Gesicht und einen Namen. Jeder kommt als persönliches Einzelschicksal. Jeder strebt ­– zu Recht – nach indviduellem Glück. In seiner millionenfachen Masse aber wird er zur Bedrohung. Sozialsystem, kulturelle Identität, gesellschaftlicher Friede und wirtschaftlicher Wohlstand werden gefährdet. Wie viele dieses Jahr erwartet werden? Kein Mensch wagt noch eine Prognose. Allein in den vier Tagen vom 24. bis zum 27. Dezember wurden 12740 registriert. Völlig offen auch diese Frage: Wie viele Terrorristen des Islamischen Staates kommen mit der Asylbewerberflut ins Land?

Brandstifter, Quasi-Diktator, EU-Quälgeist, Flüchtlings-Schleuser, heimlicher IS-Freund, Kurden-Feind und Putin-Gegner – kaum eine Woche vergeht ohne Schlagzeilen über den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan (61). Der „neue Sultan“ vom Bosporus hat die Hand, so scheint es, stets am Krummsäbel, und scheint vor kaum einer Eskalation zurückzuscheuen. Das wird sich 2016 nicht ändern, zumal seinem Land bei den meisten Brennpunkten im Nahen Osten eine Schlüsselrolle zukommt.

Die Türen fest verschlossen halten, soll Erdogan, wenn es darum geht, Asylsuchende aus türkischen Flüchtlingslagern von der Reise gen Europa abzuhalten. Umsonst ist derlei von ihm nicht zu haben. Drei Milliarden Euro hat er ausgehandelt. Außerdem Einreiseerleichterungen für Türken in die EU sowie eine Ausweitung der Beitrittsverhandlungen mit der  Europäischen Union. Er wird seine Position auch in den nächsten zwölf Monaten weidlich nutzen, um sich weitere Vorteile zu sichern.

Unter den republikanischen Präsidentschaftskandidaten liegt der exzentrische Immobilientycoon Donald Trump (69) wieder an erster Stelle. Dass er sich am 8. November gegen den Mitbewerber der Demokraten – wahrscheinlich Hilary Clinton – durchsetzen kann, scheint auch nicht ausgeschlossen. Bei einer Umfrage lag er nur sechs Prozentpunkte hinter der Ex-First-Lady, und für eine Überraschung war er bislang immer gut. Wie sich Trump als „Mr. Präsident“ machen würde? Niemand weiß es, niemand, zumindest keiner aus dem Establishment, möchte es wohl auch so genau wissen.

China, schwächelt, Indien boomt: Während des ersten Amtsjahres von Premierminister Narendra Modi (65) ist das indische Bruttoinlandsprodukt um gut 7,4 Prozent gestiegen. Die 1,2-Milliarden-Menschen-Demokratie gilt allgemein als neuer Wachstumsmotor der Weltwirtschaft.

Im vergangenen Jahr war hier noch das Konterfei vom damaligen AfD-Chef Bernd Lucke abgebildet. Von ihm und seiner Neu-Partei Alfa spricht kaum noch jemand. Nachfolgerin Frauke Petry (40) dagegen lässt es im Parteiensystem ordentlich krachen. Wenn es ihr halbwegs gelingt, Ruhe und Geschlossenheit in die Partei zu bringen, wird 2016 das Jahr der schönen Vorsitzenden. Das Schicksalsdatum: Der 13. März, wenn in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gewählt wird. Umfragen sehen die nationalkonservative Partei bereits bei neun Prozent.

Schon 2015 wählte das US-Magazin „Forbes“ Russlands Machthaber Wladimir Wladimirowitsch Putin (63) zum mächtigsten Menschen der Welt. Die Initiative des Handelns hat er den westlichen Gegenspielern nahezu komplett aus der Hand genommen. 2016 dürfte sein Einfluss sogar noch wachsen, denn die USA sind rund um die Präsidentschaftswahlen vorwiegend mit sich selbst beschäftigt. Bei einem Treffen in Moskau mit dem US-Außenminister John Kerry zeigten sich beide Seiten ohnehin in Kuschellaune: In offener und freundlicher Atmosphäre habe man festgestellt, dass man sich in Syrien weitgehend einig sei. Trotz des Konfliktes mit der Türkei um das abgeschossene russische Kampfflugzeug, hilft gerade Putins Engagement im Nahen Osten, die Isolation durch den Westen aufzubrechen Auch im eigenen Land steht „Zar Wladimir“ unangefochten da: Zwar ist die russische Wirtschaft im freien Fall, trotzdem gilt er der Masse seiner Landsleute als „Garant der Stabilität“. Seine Popularität ist derzeit auf einem Allzeithoch. Bis zu den Parlamentswahlen im September 2016 dürfte sich daran wenig ändern.

Schottland konnte Premierminister David Cameron (49) 2014 im Vereinigten Königreich halten. In diesem Jahr kommt ihm eine Schlüsselrolle bei der Existenz einer anderen Ländergemeinschaft zu. 2016 spätestens 2017 möchte Cameron seine Landsleute über den Brexit abstimmen lassen, den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Derzeit würde die Mehrheit der Briten für den EU-Abschied votieren. 

Schafft es der neue VW-Boss Matthias Müller (62), den deutschen Vorzeigekonzern wieder flott zu bekommen? 2016 werden jedenfalls alle Augen auf ihn und die Wolfsburger Autoschmiede gerichtet sein. Der Skandal um die manipulierten Abgaswerte ist für das 600000-Mitarbeiter-starke Unternehmen existenzbedrohend. VW hatte im September zugegeben, in etwa elf Millionen Dieselfahrzeugen eine Software eingesetzt zu haben, die den Ausstoß von Stickoxiden im Testbetrieb als zu niedrig auswies. Anfang November gestand das Unternehmen, dass bei rund 800000 seiner Autos der tatsächliche CO2-Ausstoß höher ist als angegeben. Auf den Konzern kommen Schadenersatzforderungen und Umrüstungskosten im Milliardenhöhe zu.

Unter der Leitung des früheren Porsche-Chefs Müller ist nun eine gigantische Rückrufaktion geplant. Manipulierte Motoren sollen mit Software-Updates und – falls nötig – per Umbau sauberer werden. Einen „Kulturwandel“ hat Müller ebenfalls angekündigt. Die Zukunft soll nicht den Ja-Sagern, sondern den Unangepassten und Pionieren gehören. Die Betrügereien seien in einem Klima der Angst entstanden.

Angst scheint allerdings nach wie vor ein großes Thema im Konzern: Angeblich verschiebt Müller eine geplante USA-Reise immer wieder aus Furcht, dort wegen des Abgas-Skandals verhaftet zu werden.


MELDUNGEN

Aus für Moscheeverein

Stuttgart – Der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall (SPD) hat den Moscheeverein „Islamisches Bildungs- und Kulturzentrum Mesdschid Sahabe e.V.“ (MSM) verboten. Zeitgleich mit der Zustellung der Verbotsverfügung durchsuchten Polizisten die Räumlichkeiten im Stuttgarter Stadtteil Botnang. Beim MSM handele es sich um eine von Salafisten dominierte Einrichtung, die in erster Linie von Islamisten des Westbalkans besucht werde, begründete Gall das Verbot. Er werde keine Vereine dulden, „die Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung religiöser Belange befürworten und Spenden für terroristische Gruppierungen sammeln“.        J.H.

 

Dschihadisten auch in Südkorea

Seoul – Im September setzte die Terrororganisation IS Südkorea auf seine „Schwarze Liste", da es Mitglied einer „neuen Koalition von Kreuzfahrern“ sei. Nur einen Monat später verhafteten Sicherheitskräfte in Seoul fünf Angehörige einer militanten Gruppe, welche die erforderlichen Zutaten zum Bau einer Bombe aus dem Lande schmuggeln wollte. Nun entdeckte man einen Kreis von zehn Personen, der öffentlich seine Sympathie für den „Heiligen Krieg“ verbreitete. Während der letzten Wochen wurden in Südkorea insgesamt 48 ausländische Verbindungsleute zum IS festgestellt. In einem weiteren Fall fand man bei einem Südkoreaner Waffen und umfangreiches Propagandamaterial der Salafisten. Vizeaußenminister Lim Sung-nam betonte, er könne die Möglichkeit von terroristischen Angriffen auf sein Land nicht mehr ausschließen. Für Terrorabwehrmaßnahmen hat die südkoreanische Regierung für das Jahr 2016 dennoch nur die geringe Summe von umgerechnet rund 85900 US-Dollar bereitgestellt.      F.W.S.


S. 3 Deutschland

Linksextreme Gewalt eskaliert
Lange Zeit auf dem linken Auge blind – Neuerliche Krawalle zwingen Politiker zur Stellungnahme

Ignorieren, Verschweigen, Verharmlosen – so sehen regelmäßig die öffentlichen Reaktionen aus, wenn es um linksextreme Gewalt geht. Nun ist es in Leipzig zu so schweren Krawallen gekommen, dass sich die Politiker aller etablierten Parteien gezwungen sehen, endlich eindeutig Stellung zu nehmen.

Bereits am 12. Dezember hatten Linksextremisten die Polizei aus einer Menschenmenge von etwa 1000 Personen heraus massiv mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern angegriffen. Lokale Medien berichteten zudem davon, dass in der Leipziger Südstadt sogar brennende Barrikaden errichtet wurden und dass sich die Linksextremisten Straßenkämpfe mit der Polizei geliefert haben. Die erschütternde Bilanz des Gewaltausbruchs: 69 verletzte Polizeibeamte und 50 beschädigte Dienstfahrzeuge.

Während linksextreme Gewalt sonst eher ein Nicht-Thema ist, war der Gewaltausbruch in Leipzig so massiv, dass Politik und Medien sich anscheinend gezwungen sahen, Stellung zu beziehen. So forderte Leipzigs Oberbürgermeister Jung (SPD), mit rechtsstaatlichen Mitteln „in aller Härte“ gegen die Täter vorzugehen, die er der „gewalttätigen Anarchoszene“ zuordnete: „Hier steht uns eine Gruppe gegenüber, die diesen Staat abschaffen will.“ Zu hören waren vor allem aber gegenseitige Schuldzuweisungen oder der Ton der Überraschung. So sieht sich der Oberbürgermeister zum Beispiel erklärtermaßen durch die sächsischen Sicherheitsbehörden nur unzureichend über die Gefahr informiert, die von den Linksextremisten ausgegangen ist. „Wie ist es möglich, dass der Verfassungsschutz so wenig weiß, dass wir nicht informiert sind?“ Was die Behörde vorab als Lageeinschätzung geliefert habe, könne jeder in fünf Minuten im Netz recherchieren, so der Oberbürgermeister.

Burkhard Jung, immerhin bereits seit dem Jahr 2006 Oberbürgermeister in Leipzig, muss sich allerdings den Vorwurf gefallen lassen, von der militanten linksextremen Szene nichts mitbekommen zu haben, die mittlerweile seit 20 Jahren in Leipzig existiert. Auch die konkrete Gefahr am 12. Dezember war  zumindest aus Sicht der Polizeigewerkschafter absehbar gewesen: „Jeder konnte das vorher im Netz verfolgen und wusste, was kommt.“ Linksautonome hätten bundesweit offen für Leipzig mobilisiert. Die Polizisten seien in Leipzig zum Ziel deutschlandweit angereister Störer geworden. Die Versammlungsbehörde, also die Stadt Leipzig, habe nicht angemessen reagiert, so die Kritik der Vorsitzenden des sächsischen Landesverbandes der Deutschen Polizeigewerkschaft, Cathleen Martin. Auch Sachsens CDU-Fraktionschef Frank Kupfer gab der Stadt Leipzig eine Mitverantwortung an der Situation.

Auch im Fall der Leipziger Krawalle suggerierten viele Medien einen kausalen Zusammenhang zwischen der zuvor stattgefundenen Demonstration rechtsextremer Kräfte und den linksextremen Gewalttaten. So hieße es etwa beim öffentlich-rechtlichen Mitteldeutschen Rundfunk (MDR): „Linksextreme Krawalle wegen rechter Demo in Leipzig.“ Andere Medien warteten mit Schlagzeilen wie „Krawalle bei Neonazi-Demonstration in Leipzig“ auf, die bei oberflächlicher Betrachtung durchaus suggerieren können, die Gewalt sei von Rechten und nicht von Linksextremisten ausgegangen.

Zu denken geben sollte ebenfalls, wie wenig sich Leitmedien und etablierte Politik für den immer öfter kriminelle Züge tragenden Umgang mit der Partei Alternative für Deutschland interessieren. So musste Frauke Petry, die Bundesvorsitzende der Partei inzwischen erfahren, dass sie in Leipzig quasi als eine „persona non grata“ gilt und zum Beispiel als Mieterin unerwünscht sei. Es ist nicht so, dass sie keine passende Wohnung finden würde, das Angebot in Leipzig sei groß, so Petry gegenüber der Zeitung „Die Welt“. Allerdings würden jedes Mal, wenn bekannt werde, wer die Wohnung anmieten wolle, Zusagen gebrochen oder bereits vorbereitetete Mietverträge wieder im Papierkorb landeten. Als Motiv ist zu vermuten, dass die Vermieter Angst haben vor Sachbeschädigungen oder sich möglicherweise sogar Bedrohungen durch AfD-Gegner ausgesetzt sehen. Fast systematisch zu nennen ist der Druck, dem sich Gewerbetreibende durch AfD-Gegner ausgesetzt sehen. So scheiterte in Thüringen die AfD mehrfach daran, in Hotels Räumlichkeiten für einen geplanten Bürgerdialog anzumieten. In Jena, Gotha und Gera sagten Hotelmanager teilweise sogar kurzfristig ab, weil sie für ihre Betriebe Sachbeschädigungen, Randale oder Boykottaufrufe gegen ihre Häuser durch militante Gegner der legalen Partei befürchteten. In einem Schreiben an die AfD spricht ein Hotelier von Druck und persönlichen Anfeindungen, die eine „nicht geglaubte Dimension“ erreicht hätten.               Norman Hanert


Bürger außen vor gelassen
Behörden unter Druck – Anwohner wehren sich gegen Ghettos

Angesichts der überwältigenden Probleme, welche die Unterbringung der immer weiter zu uns strömenden Asylsuchenden den Städten und Kommunen bereiten, wächst der Unmut der Bevölkerung. Besonders, wenn es um den Bau von Wohnraum zur dauerhaften Unterbringung anerkannter oder auch nur geduldeter „Flüchtlinge“ geht.

Die Stadt Hamburg etwa plant, eigene Stadtteile für Asylsuchende zu bauen. In sieben Stadtteilen sollen je 800 Wohnungen in Randlagen für fünf bis sechs Personen pro Wohnung entstehen. So werden Großsiedlungen gebildet, in denen über 4000 Immigranten leben werden. Gegen eine solche Ghettobildung richtet sich der Unmut der Anwohner, zumal der Senat bei seinem Beschluss vom 5. Oktober, 5600 „Expresswoh-nungen“ zu bauen, die Rechnung ohne die Bürger gemacht hat. Inzwischen haben sich in fast allen der betroffenen Stadtteile Bürgerinitiativen gebildet, die ihr Mitspracherecht einfordern. Sie lehnen die Unterbringung von mehreren tausend Flüchtlingen in einer Großsiedlung ab. Selbst Bürger, die seit Monaten in der Flüchtlingshilfe aktiv sind, fürchten, dass die Integration von Asylanten scheitert, wenn diese jahrelang in Ghettos leben müssen.

Davon, dass diese Expressbauten auf lange Sicht für Immigranten und nicht für die vorübergehende Beherbergung von Kriegsflüchtlingen gedacht sind, zeugt schon die Formulierung der Behörden, die nur noch von  Integration sprechen. Angesichts der Erfahrungen der Hamburger mit Problemvierteln wie Wilhelmsburg, Harburg oder Veddel – Gegenden, die der lebendige Beweis für misslungene Integration sind – ist die Ablehnung weiterer Ghettos verständlich.

Der Verwaltungsrechtler Gero Tuttlewski, der mehrere Bürgerinitiativen vertritt, berichtet, dass  Bürger von Behörden überrumpelt würden. Er wirft dem Hamburger Senat „polizeistaatliches Handeln“ vor, weil dieser für Ausnahmen geänderte Gesetze missbrauche, um „planvoll“ Großunterkünfte zu bauen. An einigen für Flüchtlingsunterkünfte vorgesehenen Standorten sei nicht mal die Eigentumsfrage geklärt. Die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften werde erheblich privilegiert.

Die mit einer Ausnahmeregelung gebauten Expresshäuser werden als normale Wohnungen errichtet, aber als Flüchtlingsunterkünfte deklariert. So kann die Stadt das Mitspracherecht der Bürger umgehen. Außerdem dürfen Siedlungen auf geschützten Flächen errichtet werden. Selbst geschützte Flächen sollen mit Schnellbauten verfestigt werden mit dem Argument, dass diese Einfachbauten später auch als Sozialwohnungen von Deutschen genutzt werden könnten.

Die Behörden stehen unter Druck. Nicht nur Hamburg, sondern auch andere deutsche Großstädte wie Berlin, München, Köln, Stuttgart, Dortmund oder Dresden können ihr Ziel der dezentralen Unterbringung und eine Mischbelegung – wegen besser Integrationsmöglichkeiten – nicht erreichen und planen daher Großprojekte mit mehreren hunderten Wohnungen. Mit einer Klagewelle besorgter Bürger ist zu rechnen. In Hamburg erzielten Klagen erste Erfolge: Zum Beispiel entschied das Verwaltungsgericht, dass eine geplante Massenunterbringung in Hamburg-Mellingstedt nicht zulässig sei, auch nicht unter Berufung auf das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht.                 MRK


MELDUNGEN

Betreiber bei BER zuversichtlich

Berlin – Die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB) rechnet damit, dass der Hauptstadtflughafen BER im zweiten Halbjahr 2017 eröffnet wird. „Entscheidende Voraussetzung“ dafür sei, dass die Genehmigung des 5. und 6. Nachtrags zur Baugenehmigung erfolgreich verläuft, teilte die FBB der Bundesregierung mit. Derzeit gebe es einen Rückstand von drei bis vier Monaten „auf die im Rahmenterminplan vom Dezember 2014 definierten Meilensteine“. Das sei auf die umfangreichen Planungen sowie die Insolvenz der Firma Imtech zurückzuführen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass der Flughafen mit der Fertigstellung und Inbetriebnahme insgesamt 5,3 Milliarden Euro kosten wird. Ursprünglich waren die Baukosten mit einer Milliarde Euro veranschlagt worden.                J.H.

 

Ankunftsnachweis wird Pflicht

Berlin – Asylsuchende und unerlaubt Eingereiste werden künftig früher als bisher registriert. Die in diesem Zusammenhang erfassten Informationen werden den am Verfahren beteiligten Stellen zur Verfügung gestellt. Ferner sollen die Eingereisten eine mit fälschungssicheren Elementen ausgestaltete Bescheinigung erhalten, den sogenannten Ankunftsnachweis. Zu den schon heute zu speichernden Personaldaten wie Name, Geburtsdatum und -ort sollen künftig die Fingerabdruckdaten, das Herkunftsland und Informationen zu Gesundheitsuntersuchungen und Impfungen gespeichert werden. Bei Asylsuchenden sollen zudem Informationen zu Schulbildung, Berufsausbildung und sonstige Qualifikationen gespeichert werden. Die Daten sollen nicht erst bei der Stellung eines Asylantrages, sondern bereits beim ersten Kontakt erhoben und zentral gespeichert werden.                U.M.


S. 4 SPD und Extremismus

Er hätte Maas hinausgeworfen
Von Schumacher bis heute: Wie die Abgrenzung der SPD gegen links erodiert ist

Sozialdemokraten und Linksextreme Seite an Seite war nach den Umbrüchen im Gefolge des Ersten Weltkrieges undenkbar. Doch diese anrüchige Allianz hat eine längere Geschichte, als mancher denken mag.

Dafür hätte ihn Kurt Schumacher aus der Partei geworfen. Justizminister Heiko Maas (SPD) machte Schlagzeilen damit, dass er in Berlin an einer Anti-Pegida-Demo mit gewaltbereiten Linksextremisten teilgenommen hatte. Nachfragen wich er aus, doch offenkundig fand der Minister nichts Anrüchiges an dem gemeinsamen Auftritt.

Die Grenze zwischen demokratischer und extremistischer Linker ist streckenweise kaum noch auszumachen. Das ist der traurige Schlusspunkt einer mehr als 50-jährigen Entwicklung.

Der erste SPD-Nachkriegsvorsitzende Kurt Schumacher zog die Grenze zum linken Rand noch mit aller Schärfe. Die kommunistischen Machthaber in Ost-Berlin und ihre Adepten nannte er „rotlackierte Nazis“ – aus dem Munde eines Mannes, der in jahrelanger KZ-Haft seine Gesundheit eingebüßt hatte, der denkbar schwerste Vorwurf. Für die SPD kam deshalb bis zum frühen Tod Schumachers 1952 keine Annäherung an den linken Rand infrage. Auch seinem Einsatz war es zu verdanken, dass der damals SPD-nahe „Sozialistische Deutsche Studentenbund“ (SDS) etliche Kommunisten ausschloss.

Dennoch blieb der Linksaußen-Flügel im SDS präsent und sollte schließlich die Oberhand gewinnen. Ende der 50er Jahre kam es zum Bruch mit der SPD, als SDS-Mitglieder wie die spätere RAF-Terroristin Ulrike Meinhof den SDS auf eine DDR-freundliche Linie führen wollten.

1960 gründeten SPD-Studenten den „Sozialdemokratischen Hochschulbund“ (SHB) als Alternative zum nach links abgerutschten SDS, 1961 fasste die SPD einen Unvereinbarkeitsbeschluss zum SDS. Doch die erfolgreiche Abgrenzung zum linken Rand sollte nur kurz halten.

Schon 1964 beschlossen in Höchst im Odenwald der SDS, der SHB, Teile der Evangelischen Studentengemeinde, gewerkschaftliche Hochschulgruppen und weitere linke bis linksextreme Studentenverbände das „Höchster Abkommen“. Damit war die Isolierung des SDS beiseitegeräumt.

Von nun an war, wenn auch zunächst nur im studentischen Bereich, die Grenze zwischen der freiheitlich-demokratischen Linken und den Linksextremisten aufgehoben, nur zwölf Jahre nach Schumachers Tod. Ab sofort war das bürgerlich-demokratische Lager in der Mitte und rechts davon der gemeinsame Gegner.

Innerhalb der SPD gaben trotzdem noch lange Zeit Personen den Ton an, die außerhalb dieses studentischen linken Milieus sozialisiert wurden, weil sie noch zur Kriegsgeneration gehörten oder keine akademische Laufbahn absolviert hatten. Die Masse dieser als „Kanalarbeiter“ titulierten Sozialdemokraten wollte mit Linksextremen weiterhin nichts zu schaffen haben. Mit der Wendung von der klassischen Arbeiter- und Kleinbürgerpartei hin zur Akademikerpartei wuchs indes in der SPD der Einfluss derer, denen die Kooperation mit Linksextremisten völlig normal erscheint.

Nach dem Ende der DDR hielt die Abgrenzung zur umbenannten SED nur kurz. Schon 1994 ließ sich in Sachsen-Anhalt ein SPD-Ministerpräsident von der PDS „tolerieren“, bald kam es zu den ersten formellen rot-rot-grünen Koalitionen auf Landesebene. Auf Demonstrationen tritt regelmäßig ein „breites Bündnis“ in Erscheinung, das die Teilnehmer des „Höchster Abkommens“ bis heute spiegelt. So gesellt sich ein SPD-Minister ganz selbstverständlich zum linken Rand.    Hans Heckel


Paramilitärs der SPD
Neun von zehn Reichsbannerleuten waren Sozialdemokraten

Vor dem Hintergrund der bürgerkriegsähnlichen Zustände in den frühen Jahren der Weimarer Republik haben die großen Parteien aus im Weltkrieg gedienten Mitgliedern und Sympathisanten paramilitärische Vorfeldorganisationen gebildet. Den Anfang machte der als bewaffneter Arm der Deutschnationalen Volkspartei geltende „Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten“. Der Wehrverband wurde im Dezember 1918 von dem Reserveoffizier Franz Seldte in Magdeburg gegründet. Die Sturmabteilung (SA), die paramilitärische Kampf-organisation der NSDAP, ging 1921 aus dem im Vorjahr von Emil Maurice gegründeten Saalschutz hervor.

Nach dem Krisenjahr 1923 begannen ab 1924 auch die beiden marxistischen Arbeiterparteien SPD und KPD mit dem Aufbau paramilitärischer Vorfeldorganisationen. Mitte Juli 1924 entstand der Rote Frontkämpferbund (RFB) der Kommunisten. Im Gegensatz zu den bisher genannten wurde als dezidiert weimarfreundliche paramilitärische Vorfeldorganisation 22. Februar 1924 in Magdeburg das „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Bund Deutscher Kriegsteilnehmer und Republikaner“ gegründet.

Zu den Gründungsmitgliedern gehörten Angehörige aller Parteien der Weimarer Koalition sowie Gewerkschafter. Das Reichsbanner wollte sich als „überparteiliche Schutzorganisation der Republik und der Demokratie im Kampf gegen Hakenkreuz und Sowjetstern“ verstanden wissen.

De facto war es jedoch eher eine sozialdemokratisch dominierte Massenorganisation mit einigen vorwiegend linksliberal oder linkskatholisch geprägten Bürgerlichen mit Alibifunktion. Schätzungsweise neun von zehn Mitgliedern waren Sozialdemokraten. Ähnlich dominant war die Sozialdemokratie auch an der Spitze. Erster Vorsitzender wurde der damalige sozialdemokratische Oberpräsident der preußischen Provinz Sachsen mit Sitz in Magdeburg, Otto Hörsing; sein Stellvertreter und späterer Nachfolger wurde der ebenfalls sozialdemokratische Redakteur beziehungsweise Chefredakteur der „Magdeburger Volksstimme“ Karl Höltermann. Damit beantwortet sich auch die Frage, warum der Gründungsort Magdeburg war.

Wie die Führung war auch die Politik sozialdemokratisch dominiert. Nach der Gründung der rechtsgerichteten „Harzburger Front“ 1931 initiierte das Reichsbanner noch im selben Jahr die „Eiserne Front“, einen Zusammenschlusses des Reichsbanners mit der SPD und den sozialdemokratischen beziehungsweise sozialistischen Verbänden und Organisationen „Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund“, „Allgemeiner freier Angestelltenbund“ sowie „Arbeiter-Turn- und Sportbund“. Das Bürgertum blieb außen vor.

Wie die Eiserne Front wurde auch das laut eigenen Angaben zeitweise über drei Millionen Mitglieder zählende Reichsbanner wenige Monate nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten verboten.

                Manuel Ruoff


Traditionsreicher Politverein ohne Einfluss

Republik schützen, Demokratie stärken, Grundgesetz verteidigen“ – so steht es als Motto für das Reichbanner in dessen vor zwei Jahren verabschiedetem Grundsatzprogramm. Erstmals 1924 von SPD, Deutscher Demokratischer Partei und Deutschem Zentrum in Magdeburg ins Leben gerufen, wurde das Bündnis am 28. Oktober 1953 mit dem geänderten Beinamen „Bund aktiver Demokraten“ als Verein wiedergegründet. Er hat rund 300 Mitglieder, die in den Landesverbänden Berlin/Brandenburg, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen organisiert sind.

Der Verein bekennt sich nach eigener Darstellung „uneingeschränkt und überparteilich zu einem demokratischen Grundkonsens aller demokratischen Parteien und Akteure, die auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, und wirbt nicht nur aktiv für ein positives Bekenntnis zu unserem Land, sondern vor allem für eine Gesellschaft, die auf den Prinzipien von Demokratie, Freiheit, Toleranz und Rechtsstaatlichkeit basiert“. Sein Ziel ist es, durch überparteiliche Bildungsarbeit vor allem mit Jugendlichen, aktive Erinnerungspflege an die beiden Diktaturen in Deutschland und „friedliche Aktionen gegen Extremismus jedweder Form“ Arbeit für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu leisten.

Das Reichsbanner gibt eine Zeitung gleichen Namens heraus. Dennoch geht seine öffentliche Wahrnehmung gegen Null. Politischen Einfluss hat der erkennbar sozialdemokratisch dominierte Verein ebenfalls nicht. Vorsitzender ist der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs. Er ist auch das einzige prominente Vorstandsmitglied. Bei den acht Ehrenmitgliedern handelt es sich bis auf eine Ausnahme um SPD-Spitzenpolitiker.             J.H.


Zeitzeugen

Johannes Kahrs – Sozialdemokratische Politik wurde dem 1963 geborenen Juristen in die Wiege gelegt, waren beide Elternteile doch Bremer Senatoren. Der Oberst der Reserve ist seit 1998 stets direkt gewähltes Mitglied des Bundestages für den Wahlkreis Hamburg-Mitte und Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises. Als Bundesvorsitzender leitet er die Geschicke des Reichsbanners e.V.

Otto Hörsing – Der erste Vorsitzende des Reichsbanners wurde von seiner Partei demontiert. Nachdem der Sozialdemokrat 1927 als Oberpräsident von Sachsen abgesetzt worden war, wurde er 1931 als Vorsitzender des Reichsbanners durch seinen Stellvertreter ersetzt. Im darauffolgenden Jahr wurde er erst aus der SPD und dann aus dem Reichsbanner ausgeschlossen.

Hans Saalfeld – Das 1928 geborene Hamburger Arbeiterkind gehört bereits in dritter Generation sowohl der SPD, der Gewerkschaft und von 1966 bis 1991 dem hamburgischen Landesparlament an. Als seine wichtigste politische Aufgabe sieht der langjährige hauptamtliche Gewerkschaftsfunktionär die „Wahrung freiheitlicher Rechte“. In Würdigung seines langjährigen Wirkens in Politik und Gewerkschaftsbewegung ernannte das Reichsbanner Saalfeld zu seinem Ehrenvorsitzenden.

Karl Höltermann – Nach dem Sturz seines Chefs wurde der bisherige Stellvertreter 1931 der zweite und letzte Vorsitzende des Vorkriegs-Reichsbanners. In der noch im selben Jahr gegründeten Eisernen Front oblag ihm die technische Leitung, während sein Parteichef, Otto Wels, die politische Führung übernahm. Ab 1932 saß der Sozialdemokrat auch im Reichstag.

Kurt Schumacher – Der 1895 im westpreußischen Culm geborene Schumacher baute als Vorsitzender seit 1946 die SPD in Westdeutschland wieder auf. Schon während des Ersten Weltkriegs und in der Weimarer Zeit lehnte er jede Zusammenarbeit mit Linksextremisten ab, mied selbst während zehn Jahren KZ-Haft den Kontakt zu kommunistischen Mitgefangenen, weil er ihnen eine Mitschuld an der NS-Machtergreifung gab. Er starb 1952.


S. 5 Preussen/Berlin

Asylflut treibt die Mieten hoch
Die plötzliche Massenzuwanderung stürzt den Berliner Wohnungsmarkt in eine tiefe Krise

Wie ein Turbo beschleunigt der politisch gewollte Ansturm von Asylbewerbern Preisanstieg, Wohnungsmangel und Abwanderungstrends in Berlin. Das stellt die Hauptstadt vor enorme Herausforderungen.

Berlin ist als Ort zum Leben bei Berlinern immer unbeliebter. Grünflächen werden zugebaut, Wohnraum jährlich drastisch teurer und knapper. Die Zuwanderung von Asylsuchenden verschärft die Probleme – unter anderem plant Berlins Politik in Tempelhof eine ganze „Flüchtlingsstadt“ mit unkalkulierbaren sozialen Folgen. Aktuelle Zahlen legen nahe, dass die Hauptstadt als Ort zum Leben stark an Qualität einzubüßen droht. Gegenden, in die keiner sich mehr hineintraut, sogenannte „No go areas“, könnten das Ergebnis sein.

Eine aktuelle Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln sieht einen Bedarf von jährlich rund 430000 neuen Wohnungen bis zum Jahr 2020 in Deutschland. Der anhaltend hohe Andrang von Asylbewerbern verschärft demnach die Lage auf dem Wohnungsmarkt erheblich. Der Verband der Wohnungswirtschaft (GdW) berechnete im November den Fehlbestand an Wohnungen auf 800000 Einheiten, bedingt vor allem durch Zuwanderung.

Die Bundesregierung aber plant lediglich mit 350000 neuen Wohnungen pro Jahr, hier klafft eine erhebliche Lücke am Markt. Folge: Die Preise steigen, die Wohnqualität droht zu sinken. Vor allem Großstädte wie Berlin sind betroffen. Der IW-Immobilienfachmann Michael Voigtländer wies bei der Vorstellung der neuesten Zahlen darauf hin, dass die Zuwanderer bevorzugt nicht in ländliche Gegenden drängen, wo es noch einigen Leerraum gibt, sondern in die Metropolen.

Für Berlin heißt das, dass die massive Zuwanderung den Druck auf die ohnehin sehr gespannte Lage am Wohnungsmarkt noch verstärkt. Das Pestel-Institut veröffentlichte bereits im Okto­ber eine Studie mit alarmierenden Zahlen. Sie zeigt, dass Berlin allein 20000 zusätzliche Wohnungen nur für die Zuwanderer dieses Jahres benötigt. An der Spree müssten demnach sieben Mal so viele neue Wohnungen entstehen, wie derzeit tatsächlich am freien Wohnungsmarkt neu hinzukommen. Konkret steige der Bedarf auf 50000, doch es seien nur 7000 neu am Markt. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt und Bauverbände gaben die Studie in Auftrag. Ihr Fazit lautet: Sozialwohnungen werden besonders knapp.

Was Landes- wie Bundespolitiker beteuern verhindern zu wollen, zeichnet sich in Berlin deutlich ab. Geringverdiener, Hartz-IV-Bezieher und selbst Normalverdiener, die auf dem Wohnungsmarkt zunehmend chancenlos sind, werden gegen die Zuwanderer ausgespielt. Knapper Wohnraum wird mit Asylanten belegt, für deren Unterbringung die Behörden zunehmend höhere Kostenübernahmen akzeptieren. Die Einquartierten haben wenig davon, Umquartierungen und unpassende Unterkünfte gehören für sie zum Alltag. Doch Vermieter selbst minderwertiger Objekte verdienen sich eine goldene Nase.

Dass die Raumprobleme vor keinem Quartier halt machen, ist vielen Bürgern noch nicht bewusst. So hat Berlin bereits Immobilien beschlagnahmt, bis Ende Oktober allein sieben Gewerbebauten. Auch Wohngegenden geraten zunehmend unter Druck. In Riehmers Hofgarten, einer prachtvollen Gründerzeit-Wohnanlage in Berlin-Kreuzberg, will der zuständige Bezirk Zuwanderer gegen den Willen der Besitzer einquartieren.

Der Zustrom beschleunigt allgemein die Verdichtung der Stadt – bisherige Pluspunkte Berlins wie das viele Grün und lockere Bebauung bis ins Zentrum drohen verloren zu gehen. Die vom Senat angeregte „Stadtdebatte“ zielt auf das Zubauen freier Räume ab, der Streit um den Mauerpark zeigt den Trend. Die Zuwanderung steigert den Drang zur Verdichtung zum Zwang, in allen Bezirken schnell auf Frei- und Grünflächen Wohnraum hochzuziehen.

Die Berliner zieht es angesichts dessen vermehrt ins Umland. Der Vorstandschef der Investitionsbank Berlin (IBB), Ulrich Kissing, wies schon 2014 auf den Abwanderungstrend unter eingesessenen Berlinern hin. Bei der Vorstellung des Wohnungsmarktberichts 2013 stellte sich heraus, dass die angebotenen Mieten um zehn Prozent gegenüber dem Niveau von 2012 angestiegen waren. Berlins Speckgürtel legt entsprechend zu, am meisten die Region südwestlich der Hauptstadt. Jüngste Berechnungen des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg gehen davon aus, dass bis 2030 im Berliner Umland rund 973800 Menschen leben – 36500 mehr als jetzt. Vor allem Leistungsträger und Familien gehen der Stadt so verloren, mithin wertvolle Steuerzahler und Träger einer stabilen Stadtgesellschaft. Und die Zahlen stammen alle noch aus der Zeit vor der großen Asylflut. Der damals schon zu beobachtende Trend dürfte unter den neuen Verhältnissen noch einmal deutlich an Geschwindigkeit und Stärke zulegen.

Wer dem rasanten Mietanstieg nicht standhalten kann, muss erst recht fortziehen – gerade bereits integrierte Ausländer. Entsprechend stimmen Medien die Berliner auf Londoner oder Pariser Verhältnisse ein, wo alles „urbaner“, sprich dichter bebaut ist. Die Folgen für die Stadt: Es entstehen neue „Mietskasernen“ oder Wohnsilos noch unter dem Niveau der 70er Jahre, die Schulqualität sinkt weiter, weil der Anteil deutscher Kinder und integrierter Ausländer noch mehr zurückgeht, die Ghettobildung verschärft sich, und es entstehen weitere isolierte Ausländerkieze, in denen sich abgehängte Parallelgesellschaften ausbreiten.

                Sverre Gutschmidt


Advent, Advent
von Vera Lengsfeld

Ein Lichtlein brennt. Ein Lichtlein? Nein, viele. Die Berliner Weihnachtsmärkte strahlen in vollstem Glanz. Man hätte an jedem Tag auf einen anderen Markt gehen können und hätte vermutlich nicht alle geschafft. Natürlich kommt, besonders im Westteil der Stadt, das Wort Weihnachten im Namen nicht mehr vor, sondern wurde durch „Winter“ ersetzt, aber das hat bei den Berlinern vor allem für Spott, nicht für Empörung gesorgt.

Mein diesjähriger Favorit war der Weih­nachtsmarkt in der Sophienstraße, der an   jedem Wochenende stattfand. Er nannte sich zwar Ökoweihnachtsmarkt, aber das konnte man vergessen. Das Angebot war besonders hochwertig: solides Handwerk, schöne Gebrauchskunst, traditioneller Weihnachtsbaumschmuck und handgemachte Leckereien.

Vor dem Hintergrund der sorgsam restaurierten Häuser und der geöffneten Höfe, die vor 25 Jahren aus ihrem Aschenputteldasein erlöst wurden und heute dicht bepflanzte grüne Oasen mitten in der Stadt sind, hatte die ganze Atmosphäre etwas Märchenhaftes. Wer wollte, konnte zum krönenden Abschluss ein Konzert in der Sophienkirche besuchen, das Bachkantaten bot. Am Ende wurde lediglich ein Obolus für die weitere Restaurierung des Kircheninneren erbeten, das in Teilen schon wieder seinen alten Glanz zeigt.

Während ich durch den Kiez schlenderte, dachte ich daran, dass ein Schulkamerad von mir damals hier wohnte und sich schämte, das einzugestehen, denn es handelte sich um eines der verfallensten Quartiere von Ost-Berlin. Heute ist es eine der teuersten Gegenden der Innenstadt.

Sehr genossen habe ich auch den historischen Markt an der Marienkirche, der erstmals vor den wiederentstandenen  Schlossumrissen stattfand. Man konnte sich schon vorstellen, wie prächtig die Kulisse aussehen wird, wenn die Fassade 2019 wieder in alter Schönheit entstanden ist.

Vor der Marienkirche hatte der Verein „Historische Mitte“ seinen Stand aufgebaut. Bei Feuerzangenbowle wurden Unterschriften gesammelt, um sich für die Versetzung des Neptunbrunnens an seinen angestammten Platz vor dem Schloss einzusetzen. Der Bund hat bereits das Geld für Restaurierung und Umbau bewilligt, aber der Bausenator Geisel, SPD, gehört offenbar nicht zu den Schlossfreunden und will das Thema nicht diskutieren. Ebenso überhört er die immer zahlreicher werdenden Stimmen, die sich für die Rekonstruktion des historischen Schloss­umfelds einsetzen. Nachdem eine Bürgerversammlung sich überraschend deutlich dafür ausgesprochen hatte, dem Gebiet um das Schloss herum dessen alte Schönheit wiederzugeben, wurde eine weitere Versammlungen abgesagt. Die Schlossgegner geben nicht auf. Der Kampf geht weiter.


Ein Seeadler für die Wasserschutzpolizei
Das neue Polizeiboot »WSP 23« soll vor allem im Regierungsviertel und im Landwehrkanal eingesetzt werden

Seeadler sind Greifvögel. Auf den Namen „Seeadler“ taufte Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers im Dezember das neue Boot der Berliner Wasserschutzpolizei (WSP). Fliegen kann der blauweiße „Seeadler“ zwar nicht. Aber die dreiköpfigen Besatzungen können mit diesem hochmodern ausgerüsteten Schiff sicher mutmaßliche Straftäter gut greifen. Es hat zwei Dieselmotoren mit jeweils 230 PS und Radar.

Das Boot ist aus einer seewasserbeständigen Aluminiumlegierung hergestellt, hat eine innovative Abgasreinigungsanlage und fährt gute 38 Knoten. Es ist 13,5 Meter lang und 3,6 Meter breit, der Tiefgang beträgt 80 Zentimeter. Gesteuert wird der „Seeadler“ nicht mehr mit einem Steuerrad, sondern einem kleinen Hebel links vorne im Führerstand, dem „Joystick“. Mit einem Seitensicht-Sonargerät können Objekte auf dem Fluss- oder Seeboden dreidimensional sichtbar gemacht werden.

Die „WSP 23“ soll besonders im Regierungsviertel und im Landwehrkanal eingesetzt werden. In Letzterem sind unter anderem schon etliche geraubte Tresore, Waffen, Einkaufswagen oder Mofas „entsorgt“ worden.

Vieles, das nicht ins Wasser gehört, kann jetzt mit Sonar-Adlerblick schneller gefunden werden. Am Heck gibt es eine hydraulische Bergeplattform, die künftig auch Tauchereinsätze der Bereitschaftspolizei erleichtert. Mit dem Bootsdavid, einem kleinen Kran, können schwere Gegenstände aus dem Wasser gehoben werden. Ein Leichenbergenetz hat der „Seeadler“ auch parat. Schließlich sind auch Leichen weder im Landwehrkanal noch in der Spree etwas Neues. Im letzten August wurde in der Nähe des Kanzleramts eine Wasserleiche aus der Spree gefischt. Das Bergenetz kann auch für das Einschwimmen von (Schwer-)Verletzten benutzt werden. Der „Seeadler“ hat breite und sichere „Gangbords“ sowie eine gute Rundumsicht.

„Das Boot erfüllt alle Anforderungen an einen mobilen ergonomischen Arbeitsplatz auf dem Wasser“, erklärte Frau Koppers. Damit die Besatzung „stets einen kühlen Kopf behält“, habe das Boot noch eine Klimaanlage bekommen. Nach einer europaweiten Ausschreibung wurde das 750000 Euro teure Schmuckstück in zehn Monaten von der „Lübeck Yacht Trave Schiff GmbH“ gebaut. Bei Unwetter wurde der „Seeadler“ durch den Elbe-Lübeck-Kanal, die Elbe und Havel zum Gelände der WSP-West an der Mertensstraße 140 überführt. Dort hatte der Leiter der WSP-Berlin, Polizeidirektor Henry Dieckow, viele Gäste zur Bootstaufe begrüßen können. Innenstaatssekretär Bernd Krömer dankte den 184 WSP-Beamten für ihre „sehr gute Arbeit“.

Zu ihren Aufgaben gehörten die Abwehr von Gefahren für den Schiffsverkehr, Wasserrettung, Eiswarndienst sowie die Bekämpfung von Umweltdelikten und der Fischwilderei. Der Zuständigkeitsbereich der WSP umfasse 220 Kilometer schiffbare Wasserstraßen und „seenartige Erweiterungen“, insgesamt 6,5 Prozent der Gesamtfläche Berlins. In der Stadt gebe es 48000 registrierte Sportboote und 80000 weitere Wasserfahrzeuge. In den letzten Jahren habe sich ähnlich wie im Straßenverkehr auch auf den Berliner Gewässern eine „Raserszene“ entwickelt. Sportbootfahrer würden erlaubte Höchstgeschwindigkeiten häufig überschreiten. Die WSP gehe dagegen mit Lasermesskontrollen und Zivilstreifenbooten vor. Aktuell verfüge die WSP über 16 Streifenboote und vier Zivilstreifenboote. Sie sind im Durchschnitt 30 Jahre alt.              Michael Leh


BER: EU stoppt den Geldfluss

Beim neuen Berliner Flughafen BER sieht die EU-Kommission offenbar die finanzielle Schmerzgrenze erreicht. Medienberichten zufolge haben die Verantwortlichen in Brüssel entschieden, die Höhe der explodierenden öffentlichen Zuschüsse für den neuen Hauptstadtflughafen zu deckeln. So war ursprünglich beantragt worden, nochmals 2,6 Milliarden Euro an Steuergeldern für den BER bereitzustellen. Von der EU-Kommission genehmigt wurden anscheinend aber nur 2,2 Milliarden Euro. Gestrichen ist damit ein finanzieller Puffer von 400 Millionen Euro, der Teil des Antrags der Flughafeneigentümer (Berlin, Brandenburg, der Bund) war. Von den genehmigten 2,2 Milliarden Euro werden 1,1 Milliarden benötigt, um den BER fertigzubauen. Die andere gute Milliarde ist für eine provisorische Erweiterung des schon jetzt zu kleinen Flughafens sowie zur Bedienung von Krediten vorgesehen.                N.H.


S. 6 Ausland

Türkische Panzereinheiten im Irak
Ankara und Washington missachten zusehends die Souveränität der Araber

Ohne Absprache mit dessen Regierung engagieren sich die Türkei und die USA militärisch im Irak. Auf Drängen Washingtons, das ohnehin eine enttäuschte Hinwendung Bagdads vom Westen zu Russland fürchtet, hat Ankara nun angekündigt, der irakischen Forderung nach Abzug seiner Truppen aus der Nord-Provinz zu entsprechen.

Die Türkei erweitert ihr Instrumentarium im Nahost-Konflikt in unbekümmerter Weise. Nur wenige Tage, nachdem die türkische Luftwaffe einen russischen Kampfbomber im syrischen Luftraum abgeschossen hatte, drangen türkische Panzereinheiten über die gemeinsame Grenze in die irakische Provinz Nainawa im Norden des Landes ein. Das berichtete als erste die Pressestelle des irakischen Premiers Haider al-Abadi. „Der Einmarsch erfolgte ohne Antrag beziehungsweise Genehmigung der föderalen Behörden des Irak. Diese Handlungen werden als eine grobe Verletzung der irakischen Souveränität betrachtet und stehen im Widerspruch zum Prinzip der gutnachbarlichen Beziehungen zwischen dem Irak und der Türkei“, so die offizielle Stellungnahme.

Demgemäß wertet die Regierung in Bagdad den Einmarsch türkischer Truppen, der sich bis auf die Stadt Mossul erstreckt, als eine militärische Invasion. Die Türkei hingegen behauptet, es handele sich bei dem Unternehmen lediglich um eine Auswechslung der 130 türkischen Soldaten, die kurdische Peschmerga-Kämpfer für den Krieg gegen den „Islamischen Staat“ (IS) ausbildeten. Dazu hat die Türkei eine ständige Militärbasis in der Region um Bashika in der irakischen Provinz Mossul eingerichtet. Doch der Vorsitzende des Sicherheitsausschusses des irakischen Parlaments, Hakim al Zamili, stellte fest, dass die jetzt einmarschierten türkischen Truppen einige tausend Mann stark seien. Auch wenn dafür die vorhandenen 130 wirklich abziehen sollten, wäre das keine Rotation, sondern eine wesentliche Verstärkung.

Auch die türkische Erklärung hinsichtlich der Ausbildung der Peschmerga ist wenig glaubhaft. Deren militärische Bemühungen gegen den IS waren über Monate ebenso wirkungslos wie die Luftangriffe der US Air Force. Solange nur die USA den IS bombardierten, breitete sich dieser ungehindert aus. Rückschläge erlitt er erst mit dem Eingreifen der Russen. Vereinzelte Erfolge gegen den IS hatten zuvor lediglich die Kämpfer der von der Türkei heftig bekriegten kurdischen PKK errungen.

Nach dem Einmarsch der Türken im Irak forderte der Verteidigungsausschuss des irakischen Parlaments die Kündigung des Sicherheitsvertrages mit den USA. „Die Regierung und das Parlament müssen den Sicherheitsvertrag revidieren oder annullieren, weil die USA ihn nicht ernst nehmen“, sagte Hamid al-Mutklak, Mitglied des Verteidigungsausschusses: „Wir werden die Annullierung fordern.“ Als Begründung wird angeführt, dass die USA auf die Bedrohung des Irak nicht reagiere.

Die USA hatten indes zuvor angekündigt, sie wollten im Irak Spezialkräfte einsetzen. Verteidigungsminister Ashton Carter gab bekannt, die USA würden Spezi-aleinheiten im Irak stationieren, um von dort aus in Syrien militärisch einzugreifen. US-Außenminister John Kerry zufolge hat Wa-shington Bagdad über diese Pläne informiert. Alle Details deren Einsatzes würden mit der Regierung des Landes abgesprochen werden. Der irakische Regierungssprecher Saad al-Hadithi dementiert jedoch diese Information.

Der irakische Premier Haider al-Abadi erwiderte seinerseits, die Präsenz von US-Soldaten im Irak werde als eine Aggression gewertet. „Wir bekräftigen ein weiteres Mal, dass der Irak keine Boden­truppen anderer Staaten auf seinem Territorium braucht, und bitten, keine Truppen zu schicken“, so der irakische Regierungschef.

Der Verteidigungspolitiker al-Zamili wies zudem darauf hin, dass die türkischen Invasionstruppen ganz offenbar mit dem Einverständnis der teil-autonomen kurdischen Nord-Provinz unter ihrem Peschmerga-Führer Masud Barzani hatten rechnen können. Dieser, Schützling unter anderem der deutschen Regierung, treibt Politik völlig an der Zentrale in Bagdad vorbei. Er steht zudem im dringenden Verdacht, den illegalen Ölhandel des IS mit der Türkei zu unterstützen. So liefern die Islamisten nicht nur syrisches, sondern auch Erdöl aus dem Nordirak in die Türkei, was ohne die Mithilfe der Peschmerga nicht möglich wäre. In der Gegenrichtung soll der IS Kämpfer, vor allem auch aus Europa, in Istanbul rekrutieren und über den Nordirak in das Gebiet des IS schleusen. Daher erstreckt sich die türkische Aggression gegen die Kurden nur auf die PKK, die Peschmerga sind davon ausgenommen.

Inzwischen sieht sich der Irak einem Erpressungsversuch seitens der USA ausgesetzt. Diese haben dem Irak ein Ultimatum dahingehend gestellt, dass, sollte der Irak gemeinsam mit Russland gegen den IS kämpfen wollen, die Regierung in Bagdad keinerlei Hilfe aus den USA mehr erwarten könne. Das berichtete der US-Sender CBS News: Falls der Irak gemeinsam mit Russland gegen den IS kämpfen sollte, würde Washington alle Hilfestellung für die Regierung in Bagdad einstellen.

Der Generalstabschef der US-Streitkräfte, Joseph Dunford, erklärte bei einem Besuch in Bagdad mit Blick auf die dortigen Verantwortlichen: „Ich sagte ihnen, dass wir nur sehr schwer Hilfen anbieten könnten, wenn auch die Russen mit dabei sind, um Operationen durchzuführen. Wir können keine Operationen durchführen, solange auch die Russen im Irak operieren.“ Auffällig ist, dass sich ein Militärangehöriger ohne politisches Mandat befugt zeigt, derart politisch sensible Aussagen zu machen. Zuvor hatte es Berichte gegeben, wonach der irakische Regierungschef Haider al-Abadi ein Hilfegesuch an die Russen gestellt haben soll. Es sind vor allem die schiitischen Gruppen und Parteien des Irak, die eine enge Kooperation des Landes mit Russland fordern. Doch noch scheut Bagdad den offiziellen und endgültigen Bruch mit den USA.     

                Florian Stumfall


Erstmals Dritter im Elsass
»Unser Land« bei französischen Regionalwahlen noch vor Sozialisten

Zum 1. Januar dieses Jahres ist die Region Elsass (Région Alsace) mit den Regionen Lothringen und Champagne-Ardenne zur Region Alsace-Champagne-Ardenne-Lorraine (ACAL) fusioniert worden. Seitdem dieses bekannt ist, hat die Autonomiebewegung im Elsass enormen Auftrieb bekommen. Wortführer dieser Bewegung ist die für eine größere Autonomie des Elsasses eintretende Regionalpartei „Unser Land“, die vor zehn Jahren aus einer Umweltschutzbewegung hervorgegangen ist. Als bislang einziges Zugeständnis konnte erreicht werden, dass die Hauptstadt der Großregion Straßburg ist. Fast alle konservativen Politiker aus den Reihen der Republikaner des Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy, die einst auch elsässische Anliegen unterstützt hatten, waren umgefallen und hatten sich dem Diktat aus Paris gebeugt.

 Beim ersten Durchgang der Regionalwahlen am 6. Dezember konnte „Unser Land“ im Elsass erstmals hinter dem Front National und den Republikanern dritte politische Kraft werden, auch wenn es ihr in der gesamten neuen Großregion nicht gelungen ist, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen. „Unser Land“ hat beim ersten Durchgang der Regionalwahlen im Unterelsass 10,7 Prozent der Stimmen und im Oberelsass sogar 12,65 Prozent der Stimmen erreicht. In den Kreisen Schlettstadt, Weißenburg und Saint-Louis erreichte die Partei in vielen Orten über 20 Prozent der Stimmen und wurde oft sogar zweite Kraft hinter dem Front National. Mit 24,4 Prozent stimmte im Kanton Saint-Louis fast jeder Vierte für „Unser Land“. Für die Regionalwahl war die Partei mit ihrem Spitzenkandidaten Jean-Georges Trouillet (38) ein Bündnis mit der Lothringer Partei (Parti lorrain) von Thomas Riboulet, (28) und der mosellothringischen Partei von Philippe Mouraux (48) aus Forbach eingegangen.

Unser Land setzt sich für ein autonomes Elsass in einem föderalistischen Bundesstaat nach dem Modell der Bundesrepublik Deutschland ein. Um dies zu erreichen, setzt sich die Partei für die Abschaffung der zentralistischen Gliederung Frankreichs in Departements ein. Als Fernziel wird angestrebt, dass das Elsass wieder eine eigene Verfassung und ein eigenes Parlament erhält, wie zuletzt zur deutschen Zeit vor 1918, als Elsass-Lothringen als Reichsland zum vergleichsweise föderalistischen deutschen Kaiserreich gehörte. Dies alles soll im Staatsverbund mit Frankreich, aber auch in enger Absprache mit der Schweiz und Deutschland, wo sehr viele Elsässer arbeiten, erfolgen. Sprachlich wird die komplette Zweisprachigkeit angestrebt, die durch die derzeitige französische Verfassung verboten ist.

Vor allem der Satz von Premierminister Manuel Valls vom letzten Sommer, dass es kein elsässisches Volk gebe, hat „Unser Land“ neue Sympathisanten gebracht, darunter auch altgediente Elsässer Politgrößen wie die beiden ehemaligen Präsidenten des Generalrates des Oberrhein-Departments Jean-Jacques Weber und Henri Goetschy, die an der erstmals von der Partei durchgeführten Sommerakademie teilgenommen haben. Überregional bekannt geworden ist die Partei vor allem durch ihren Aktivisten Denis Lieb, der sich als stellvertretender Bürgermeister aus Protest gegen die Nicht-Anerkennung des Elsässischen monatelang im Stadtrat von Saarunion nur auf Elsässisch ausgedrückt hatte.         Bodo Bost


Abschied von Extremen
In Moskau bezeichnete Kerry Russland als »bedeutenden Partner«

Neben dem Austausch von Höflichkeiten hat der Besuch des amerikanischen Außenministers John Kerry in Moskau einmal mehr verdeutlicht, dass die USA von ihrer Politik der Isolation Russlands, wenn auch begrenzt auf den Syrienkonflikt, abrücken. Während seiner Visite nannte Kerry Russland einen „bedeutenden Partner“ trotz aller Meinungsverschiedenheiten. Ziel des Treffens mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und Außenminister Sergej Lawrow war es, über einen Weg zur Beilegung des Bürgerkriegs in Syrien zu sprechen und mit Putin gemeinsam herauszufinden, wer in Syrien eine verlässliche Opposition sei.

Damit hat Kerry die Rolle Russlands im Nahen Osten nach dessen Eingreifen in den Krieg erstmals explizit gewürdigt. Die Annäherung der beiden Supermächte stellt eine Vertiefung der zwischen Obama und Putin beschlossenen Kooperation in Syrien dar. Washington und Moskau sondierten auch Lösungen, wie mit dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad umzugehen sei. Nach wie vor betrachten die Russen ihn als Freund und die USA als einen Diktator, der mit Terror gegen sein eigenes Volk vorgeht. Doch ihre Extrempositionen haben beide Seiten offenbar aufgegeben. Diese Wendung hat sich abgezeichnet, seit Russland Ziele des IS in Syrien mit Erfolg bombardiert und so den USA ihr Versagen vor Augen geführt hat.  Weil Obama eigene Fehler eingestehen musste, hat er Putin wieder mit ins Boot geholt.

Die US-Regierung besteht nun nicht mehr auf den sofortigen Sturz Assads, und die Russen wollen ihn nicht mehr um jeden Preis an der Macht halten. So war es für Putin und Kerry ein Leichtes, in Moskau eine gemeinsame Sprache zu finden. „Washington hat einen annehmbaren Vorschlag gemacht, auch wenn an manchen Punkten noch gearbeitet werden muss. Im Großen und Ganzen passt uns das“, sagte Putin. Kerry rückte erstmals von einer offiziellen Politik der Isolierung Russlands ab und betonte, dass beide Seiten den Konflikt ähnlich sähen: „Es gibt bei uns keine Politik, die es sich zum Ziel macht, Russland zu isolieren. Wenn die USA und Russland in einem Bereich  Einigkeit finden, entspricht das den Interessen der ganzen Welt.“

Beide vereinbarten, zunächst eine Liste mit islamistischen Terrorgruppen zu erstellen, gegen die gemeinsam vorgegangen werden soll. Da die syrische Opposition zersplittert sei, müsse Klarheit herrschen, wer mit dem Assad-Regime verhandeln solle. Mit Blick auf die bevorstehende UN-Versammlung in New York zwei Tage später, bei der es um die Erarbeitung von Grundlagen für einen Waffenstillstand und einen UN-Resolutionsentwurf ging, beteuerten Putin und Kerry, dass die Signale auf Grün stehen.  Bei der UN-Konferenz ging es darum, eine Resolution zur Lösung des Syrienkonflikts zu verabschieden, deren Bestandteil Wahlen und ein Waffenstillstand sind.

Die Zukunft Assads wurde aber auch in New York nicht endgültig verhandelt. Angesichts der Tatsache, dass in Syrien verschiedene islamische Gruppierungen gegeneinander kämpfen, und der ungeklärten Frage, wer nach Assad Syrien künftig regieren soll, sind die Außenminister der Syrien-Kontaktgruppe zur Einsicht gelangt, dass Assad für den angestrebten Waffenstillstand eine entscheidende Rolle spielen wird. Geplant sind weitere Gespräche Anfang Januar.                 Manuela Rosenthal-Kappi


MELDUNGEN

Saakaschwili reizt Jazenjuk

Kiew – Michail Saakaschwili, Gouverneur von Odessa und ehemaliger georgischer Präsident, hat sich auf einen handfesten Streit in Kiew mit dem ukrainischen Premierminister Arsenij Jazenjuk und einigen Kabinettsmitgliedern eingelassen. Jazenjuk wirft er vor, fünf Milliarden Dollar aus dem Haushalt unterschlagen zu haben. Während einer Parlamentssitzung beschimpfte er Innenminister Arsen Awakow als „Dieb“, woraufhin dieser mit einem Wasserglas nach Saakaschwili warf. Präsident Petro Poroschenko rief die Politiker zur Besonnenheit auf. Saakaschwili glaubt, dass die Regierung bald zerbrechen wird. Gerüchten zufolge hat er selbst Interesse am Posten des Premierministers.           MRK

 

IS-Rekruten im Urlaubsparadies

Malediven – Der Inselstaat steht in der Kritik, den IS zu unterstützen. Expertenschätzungen zufolge sollen sich in diesem Jahr bereits 250 IS-Kämpfer, die in dem nur zirka 400000 Einwohner zählenden Land rekrutiert worden sind, auf den Weg nach Syrien gemacht haben. Auf den Malediven gilt die Scharia, wobei der Einfluss radikaler Islamisten in dem islamischen Land wächst. Das deutsche Hilfswerk „Open Doors“ untersucht weltweit, wo Christen unterdrückt und verfolgt werden. Die Organisation sieht die Entwicklung im Land mit Sorge. Christen dürfen ihre Religion nicht ausüben. Tun sie es doch, droht ihnen eine Gefängnisstrafe sowie der Verlust ihrer Staatsbürgerschaft, denn die ist an den Glauben gebunden. Gemäß der Scharia wurde die Todesstrafe wieder eingeführt. Ein unabhängiges Gerichtssystem gibt es nicht. Im EU-Parlament wird zurzeit eine Resolution vorbereitet, in der die Menschenrechtsverstöße scharf kritisiert werden.         MRK


S. 7 Wirtschaft

Spekulationsblase Fracking
Der niedrige Ölpreis droht Kredite und Investitionen in den Abgrund zu reißen

Offenbar regelmäßig bringt das Wirtschaftsmodell USA gigantische Spekulationsblasen hervor, die anschließend Rückwirkungen auf die gesamte Weltwirtschaft haben. Nach dem Platzen der sogenannten Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende und der Krise um minderwertige Subprime-Hypotheken droht nun die Fracking-Branche zum nächsten Krisenherd zu werden.

Befeuert durch die bisherige Niedrigzinspolitik der US-Notenbank Fed sind in den letzten Jahren mehrere Hundert Milliarden Dollar in die vermeintliche Goldgrube namens Schieferölförderung per Fracking geflossen. Für die nun zu beobachtende Zuspitzung der Lage bei der Schieferölförderung haben mehrere Faktoren gesorgt.

Eingeholt wird die Branche zum einen von eigener Lobbytätigkeit. So war es Förderunternehmen im Jahr 2009 gelungen, die Börsenaufsichtsbehörde „U.S. Securities and Exchange Commission“ (SEC) zu einer Änderung der Bi-lanzierungsrichtlinien zu überreden, deren volle Tragweite der Öffentlichkeit und selbst einigen Investoren erst jetzt bewusst wird. Abgerungen hatten Branchengrößen wie Chesapeake der Börsenaufsicht im Jahr 2009 die Erlaubnis, auch solche Lagerstätten zu bilanzieren, die noch für Jahre nicht angezapft werden.

Die SEC hatte das Aufweichen der Bilanzrichtlinien allerdings an zwei Bedingungen geknüpft, die vielen Firmen nun zum Verhängnis werden. Zum einen dürfen die Ölfirmen in ihren Büchern nur solche Felder ausweisen, die sie binnen fünf Jahren auch wirklich erschließen. Ende vergangenen Jahres ging für viele Ölfelder, die bislang bilanziert wurden, diese Fünf-Jahres-Frist zu Ende, ohne dass die bislang erschlossen wären.

Zum anderen hatte die Börsenaufsicht gefordert, dass die Ölförderung auf den ausgewiesenen Feldern profitabel zu betreiben sein muss. Da die Profitabilität vom Weltmarktpreis abhängt, der seinerseits dramatisch eingebrochen ist, können Chesapeake und Konkurrenten auch diese Bedingung oftmals nicht mehr erfüllen. Nur wenige Ölfelder in den USA lassen sich beim derzeitigen Weltmarktpreis noch profitabel betreiben. Die Investitionen im Ölgeschäft sind dramatisch eingebrochen. Bislang konnten viele Ölfirmen sich noch dadurch über die Runden retten, dass die SEC bei der Messung der Profitabilität im Jahr 2014 noch von einem durchschnittlichen Weltmarktpreis von 95 US-Dollar pro Barrel (rund 159 Liter) Öl ausging. Aktuell sind es unter 40 Dollar. Die Investmentbank Goldman Sachs hält in einer jüngst veröffentlichten Analyse sogar Weltmarktpreise um die 20 Dollar für möglich.

Schon in wenigen Wochen könnte es vor diesem Hintergrund zu massiven Verwerfungen in der Fracking-Industrie der USA kommen. Ab Januar müssen die Ölfirmen nämlich ihre Jahresbilanzen vorlegen. Es wird damit gerechnet, dass riesige Mengen bislang ausgewiesener Förderreserven aus den Büchern verschwinden werden. Wie der Wirtschaftsinformationsdienst Bloomberg berichtet, droht allein dem Unternehmen Chesa-peake, dass es auf diese Weise mit einem Schlag 45 Prozent seiner Reserven verliert. Als Konsequenz werden viele Milliarden-Investitionen von Fonds sowie Bankenkredite zügig abgebaut und zurückgezogen werden, so die Befürchtungen in der Branche. In Gang kommen könnte damit eine Abwärtsspirale, die von der Vorzeigebranche „Fracking“ nicht viel übriglässt.

Unklar ist bislang, wer die Leidtragenden sein werden. Dazu gehört sicherlich der Bankensektor der USA, dem Kreditausfälle drohen. Besonders betroffen könnten Bankhäuser in Texas sein, die mit Krediten für Förderunternehmen hohe ungedeckte Risiken eingegangen sind. Doch auch bei asiatischen Anlegern ist der Fracking-Boom in den USA auf großes Interesse gestoßen. Kritische Fragen wird sich angesichts der drohenden Entwicklung die US-Notenbank Fed gefallen lassen müssen. Möglich war die gigantische Fehlleitung von Investitionen in den Fracking-Sektor nämlich nur vor dem Hintergrund der Nullzinspolitik der US-Fed. Diese könnte einen Fehler wiederholt haben, der schon die letzte Finanzkrise befeuert hatte. Nach dem Platzen der Dotcom-Blase zur Jahrtausendwende hatte die Zentralbank lange an extrem niedrigen Zinsen festgehalten und damit eine Spekulationsblase auf dem Immobilienmarkt angeheizt.            Norman Hanert


Nun auch Olaf
EU-Korruptionsbekämpfer ermitteln gegen Volkswagen

Selten hat ein führendes Wirtschaftsunternehmen den Ja-hreswechsel so herbeigesehnt wie 2015 Volkswagen. Der krisengeschüttelte Automobilkonzern hofft darauf, dass das Folgejahr besser wird. Schlimmer als das vergangene Jahr kann es kaum noch laufen. Ende 2015 hat auch noch das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (Olaf) Ermittlungen gegen VW aufgenommen. Olaf will klären, ob der Autobauer Kredite von der Europäischen Investitionsbank (EIB) zu Unrecht erhalten und EU-Gelder für Forschung und Entwick­lung zweckentfremdet hat.

Die große VW-Krise begann vor einigen Monaten, als bekannt wurde, dass der Konzern offenkundig Abgaswerte manipuliert hat. „Ich hoffe, dass wir damit Ende nächsten Jahres weitgehend durch sind“, sagte der neue VW-Vorstandsvorsitzende Matthias Müller. Die Klärung von möglichen Schadenersatzansprüchen sowie zivilrechtlichen Klagen könne sich dagegen noch Jahre hinziehen.

Der Nachfolger von Martin Winterkorn war vor dem Jahreswechsel bemüht, dem angeschlagenen Konzern eine Imagekorrektur zu verpassen. Bis Mitte des kommenden Jahres soll die „Strategie 2025“ fertig sein. Müller will Volkswagen von einem Automobilkonzern in einen Mobilitätskonzern verwandeln und kündigt an: „Die Zukunft ist elektrisch.“

Vor wenigen Wochen sorgte die Meldung für Aufsehen, dass VW die Produktion der Luxuskarosse „Phaeton“ zumindest vorläufig einstellt. Die Limousine gab es in den vergangenen Jahren zum Dumping-Preis, am Ende soll ein Exemplar einen Verlust von 28000 Euro verursacht haben. Produziert wurde er in der Gläsernen Manufaktur in Dresden. Doch damit soll im kommenden Frühjahr Schluss sein. „Die Manufaktur wird aber mitnichten geschlossen“, erklärte ein Konzernsprecher gegenüber der „Wirtschaftswoche“. Vielmehr werde sie für die Produktion des elektrischen Nachfolgemodells umgebaut, das aber erst in einigen Jahren auf den Markt kommen soll, spätestens jedoch Ende 2019. Infolge des Abgasskandals hatte Volkswagen davon abgesehen, ein neues „Phaeton“-Modell mit Verbrennungsmotor auf den Markt zu bringen.

Vor dem Hintergrund möglicher Strafzahlungen und Regressforderungen als Folge des Abgasskandals hat Müller Kürzungen der Vorstandsvergütungen gefordert. „Dabei geht es um den Bonus für 2015. Es ist klar, dass wir den Gürtel enger schnallen müssen, auf allen Ebenen, vom Vorstand bis zum Tarif-Mitarbeiter“, sagte der VW-Boss der „Wirtschaftswoche“. Dies gelte auch für die Töchter Audi und Porsche, die einen Großteil des Konzerngewinns erwirtschaften: „Wir sind eine Familie, das gilt in guten wie in schlechten Zeiten.“

Dass VW die Wirren des Jahres 2015 hinter sich lassen werde, gibt Müller sich überzeugt: „Wenn es auch nur annähernd so läuft, wie ich mir das vorstelle, dann wird dieser neue Volkswagen-Konzern sehr erfolgreich sein. Erfolgreicher als je zuvor.“ Gegenüber dem „Stern“ sagte er, das Unternehmen müsse sich vor allem mit der Gestaltung der Zukunft auseinandersetzen, mit Strategie und Themen der digitalen Transformation.

                Peter Entinger


Berliner Bank schließt
Deutsche Bank fürchtet Kannibalisierung durch die Tochter

Noch betreibt die traditionsreiche Berliner Bank 38 Filialen in der Stadt. Aber bis Ende 2017 sollen diese entweder schließen oder in Vertretungen des Mutterkonzerns Deutsche Bank umgewandelt werden. Nun fürchten die 600 Bankmitarbeiter, die rund 300000 Kunden betreuen, um ihren Arbeitsplatz.

Dabei schreibt die Berliner Bank schwarze Zahlen, trägt also zum Gewinn der Deutschen Bank bei, der sie seit 2006 gehört. Die Deutsche Bank unterhält in Berlin allerdings selber 42 Filialen, von denen einige in unmittelbarer Nähe von Berliner-Bank-Filialen liegen. Die Deutsche Bank hofft, dass die bisherigen Kunden ihre Konten nicht kündigen und zur Konkurrenz gehen. Denn dann könnte sich die Liquidierung der Marke Berliner Bank als Eigentor herausstellen.

Schon jetzt verliert die Berliner Bank monatlich zwischen 600 und 700 Kunden. Kritiker vermuten dahinter die Folgen des Personalabbaus der letzten Jahre.

Die Betriebsratsvorsitzende Claudia Fieber: „Es fehlt an allen Ecken und Kanten. Es fehlt an Mitarbeitern, Kassen, Empfangsplätzen und Beratertischen, aber auch an Kunden.“ Der neue Deutsche-Bank-Chef John Cryan hat mit seiner „Strategie 2020“ die Schließung von 200 Filialen in Deutschland angeordnet. Die Postbank soll verkauft werden, und 9000 Stellen – davon 4000 in Deutschland – sollen wegfallen. Cryan will in Ballungsgebieten besonders stark kürzen. Aus seinem Umfeld heißt es: „Es lohnt einfach nicht auf Dauer, zwei Marken in Berlin zu halten.“

Als geschmeidig hat sich die Geschäftsführerin der Berliner Bank, Stefanie Salata, erwiesen. Vor ein paar Monaten noch verteidigte sie die Daseinsberechtigung der Berliner Bank. Die Mitarbeiter ihres Hauses seien näher am Kunden, würden die Besonderheiten des Berliner Marktes besser kennen. Heute hört sich das anders an: „Mittlerweile haben wir nahezu das gleiche Produktangebot.“ Kein Wunder: Salata hatte Karriere bei der Deutschen Bank gemacht, bevor sie zur Berliner Bank kam.

                Hans Lody


MELDUNGEN

Neue Regeln im Vergaberecht

Berlin – Das Vergaberecht wird völlig neu geordnet. Zukünftig sollen die Interessen mittelständischer Unternehmen vorrangig berück­sichtigt werden, indem öffentliche Aufträge in Form von Losen vergeben werden müssen. Eine Gesamtvergabe ist nur aus wirtschaftlichen und technischen Gründen möglich. Öffentliche Auftraggeber sollen zudem mehr Möglichkeiten bekommen, „soziale, umweltbezogene und innovative“ Vorgaben zu machen. Unternehmen, die öffentliche Aufträge ausführen, müssen die geltenden umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Verpflichtungen sowie Vorgaben hinsichtlich energierelevanter Waren und der Belange von Behinderten einhalten.                J.H.

 

Immer mehr Krankengeld

Berlin – Nach Angaben des  Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen sind die Ausgaben für Krankengeld und Kinderkrankengeld seit 2006 mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 8,1 Prozent von 5,7 Milliarden auf den bisherigen Höchststand von 10,6 Milliarden Euro gestiegen. Der Anteil an den Leistungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung stieg im gleichen Zeitraum von 4,1 auf 5,5 Prozent.                U.M.


S. 8 Forum

Kein Jubelgrund
von Philipp Hötensleben

Kaum erzielen die irakischen Streitkräfte gegen den IS in dessen Hochburg Ramadi erste Erfolge, prahlen die Regierungen in Bagdad und Washington mit Erfolgsmeldungen. Der US-Militärsprecher Steven Warren tönt sogar, dass es keinen Platz mehr gäbe, an dem sich die Terroristen verstecken könnten. Dazu passt ein Bericht des renommierten Militärmagazins „Jane’s“, demzufolge der IS im Laufe des vergangenen Jahres 14 Prozent seines Machtbereichs – gemeint ist Territorium – eingebüßt hätte. Diese Gebietsverluste sagen nichts über eine militärische oder ökonomische Schwächung des IS aus.

Mag sein, dass dieser seine Herrschaft über tausende Quadratkilometer Wüste verloren hat, aber er sitzt weiter unangefochten in der Millionenstadt Mossul und hält seine Schlüsselpositionen. Und die Räumung von Tikrit erfolgte nicht in wilder Auflösung, sondern ebenso geordnet wie der Rückzug aus Teilen des syrisch-türkischen Grenzgebiets. Der IS wird die Staaten mit ihren hochgerüsteten Armeen weiter das Fürchten lehren und die irakischen Truppen vor sich hertreiben. Zu Jubel gibt es keinen Anlass. Dafür müsste sich die Anti-IS-Allianz mit mehr als nur Bomben engagieren.


Zurück in die Hölle?
von Jan Heitmann

Angesichts der vielen Straftaten, die von Bewohnern  von Asylunterkünften begangen werden, lässt eine Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Hannover zunächst kaum aufhorchen. Dort wird von zwei Libanesen berichtet, welche die Zufahrt zu ihrer Unterkunft in Hameln blockierten, sich jeweils ein Messer an den Hals hielten und die Herausgabe ihrer Pässe verlangten. Außerdem hatten sie in dem Gebäude ein Feuer gelegt, das zwar schnell gelöscht werden konnte, bei dem allerdings vier Helfer verletzt wurden. Zuvor hatten sie in der Registrierung vorgesprochen und angegeben, dass sie  „in den Libanon zurück reisen“ wollten. Ihre Reisepässe mussten jedoch erst von anderen Behörden angefordert werden. Darüber hinaus waren die Täter nicht in der Lage, ihre Reise selbst zu bezahlen, so dass vor einer Ausreise erst finanzielle Mittel über die auch mit deutschen Steuergeldern ausgestattete Internationale Organisation für Migration beantragt werden mussten.

Durch den Brand und die theatralische Einlage mit den Messern wollten die beiden Täter also ihre schnellere Heimreise erpressen. Das darf man ihnen aber nicht weiter vorwerfen, schließlich sind sie von der allgegenwärtigen Gewalt in ihrem Herkunftsland schwer traumatisiert. Da macht man eben mal eine harmlose Dummheit. Auch können die beiden nichts dafür, dass deutsche Verwaltungsheinis so unwillig und träge sind.

Wohin wollten die beiden noch gleich reisen? In ihre Heimat, den Libanon. Also genau in das Land, aus dem sie wegen vermeintlicher Verfolgung und Gewalt angeblich hatten fliehen müssen, um nichts als ihre nackte Haut zu retten. Freiwillig zurück in die Hölle? Das ist kaum glaubhaft. So schlimm, wie von ihnen behauptet, kann es im Libanon dann wohl doch nicht sein. Fremdenfeindliche Hetzer könnten jetzt glatt auf die Idee kommen, den beiden „Schutzbedürftigen“ Asylbetrug zu unterstellen. Und die Reise? Auch die kann nicht so beschwerlich und gefahrvoll gewesen sein. Ansonsten würden die beiden sie sicherlich nicht ohne Not noch einmal auf sich nehmen wollen. Und dass sie nach Deutschland zurückkehren wollten, darf unterstellt werden, denn sicherlich hätten sie sich die Segnungen des deutschen Sozialstaates nicht auf Dauer entgehen lassen wollen.

Jeder, der diese beiden Gestalten mit einem fröhlichen „refugees welcome“ begrüßt hat, muss sich jetzt eigentlich wie der Einfaltspinsel vorkommen, für den ihn jeder vernünftig denkende Mensch ohnehin schon gehalten hat.

Immerhin, aus dem Heimaturlaub wird erst einmal nichts, denn die Strafverfolgungsbehörden haben in einem seltenen Anflug von Konsequenz dafür gesorgt, dass die beiden reiselustigen Erpresser und Brandstifter die Gastfreundschaft des deutschen Steuerzahlers weiter genießen müssen — in einer Untersuchungshaftanstalt.


Falscher Edelmut
von Frank Horns

Freuen wir uns für einen Augenblick mit der „Bild“-Zeitung. Sie hat eine Weltsensation in Edelmut zu vermelden. Zumindest ist die Schlagzeile so groß geraten, dass man nichts anderes vermuten kann: „Ministerin nahm Flüchtling auf“, ist da zu lesen.

Es geht um Ursula von der Leyen. Die Verteidigungsministerin kümmert sich um einen 20-jährigen syrischen Asylbewerber.  Man kennt sich schließlich vom Pferdesport. Der junge Mann, Sohn eines vermögenden Reiseunternehmers aus Damaskus, war in der syrischen Jugend-Nationalmannschaft der Springreiter. Bei einem Turnier im Jahre 2011 lernte er die ebenfalls reitende Von-der-Leyen-Tochter Victoria kennen. Man hielt Kontakt. Das zahlte sich aus. Nun hat der Syrer hierzulande einflussreiche Bekannte, während er in einer Braunschweiger Flugschule am Pilotenschein bastelt.

Die „Bild“-Zeitung nennt ihn Karim – ein Name mit Sternchen. Am Ende des Artikels heißt es, dass der Name aus Sicherheitsgründen geändert wurde. Das  wundert nicht, denn Karim* ist eigentlich ein Deserteur. In dem Moment, als er zur Armee rekrutiert werden sollte, ist er geflohen, heißt es im Artikel. Nun kann es gut sein, dass Karim mit Sternchen nicht unbedingt für Assads Truppen kämpfen wollte, aber warum hat er sich nicht den Parteien angeschlossen, die das syrische Volk befreien wollen? So schnell kann einem die Freude an fremdem Edelmut vergehen. Ursula von der Leyen, unsere Verteidigungsministerin, kümmert sich um einen syrischen Deserteur, während sie deutsche Soldaten genau dorthin in den Krieg schickt. Wie wäre es mit einer ehrlichen Schlagzeile: „Deutschland entsetzt über scheinheilige Ministerin!“


Frei gedacht
Brief an einen Ex-ARD-Kollegen
von Eva Herman

Lieber Jürgen, lange hatten wir nichts mehr voneinander gehört. Wie schön, dass wir uns zufällig wiedergetroffen haben, nach Jahren. Wie schade, dass wir aber so unterschiedlicher Ansicht sind in der „Flüchtlingsfrage“. Um es klarzustellen: Selbstverständlich ist nichts gegen Meinungsverschiedenheiten zu sagen, im Gegenteil, eine fruchtbare Diskussion hat noch jeder Sache genutzt. Doch hier geht es um etwas anderes, um unsere Zukunft. Nicht irgendein Thema.

Ich hatte Dir ein Video geschickt, welches Deine ARD-Kollegen aktuell produziert hatten. Hierin schildern sie, wie ein Dorf in Aufruhr ist, seitdem Hunderte Flüchtlinge dort untergebracht wurden. Klare Fakten: Die Kriminalität stieg in kurzer Zeit um über 200 Prozent, Einbrüche, Körperverletzungen, Vergewaltigungen waren plötzlich an der Tagesordnung. Ich war über die Offenheit der öffentlich-rechtlichen Journalisten mehr als überrascht. Deine Antwort auf diesen Film jedoch lautete: Ich sei fremdenfeindlich. Hhmm, merkwürdig. In diesem Zuge hattest Du mich auch kritisiert für meine Veröffentlichungen zu diesem brennenden Thema, welches ganz Deutschland seit geraumer Zeit beschäftigt. In Deiner letzten E-Mail schriebst Du dann: „Ich hatte Dich einmal als einen Menschen kennengelernt, der für jeden Menschen ein offenes Herz hat. Du hast auf der Straße Obdachlosen geholfen, Taxifahrerinnen unterstützt, und Du hast Ausländern zugehört. Was ist los mit Dir? Warum bist Du gegen Flüchtlinge?“

Nun frage ich mich, was wohl in Dir vorgehen mag, lieber Jürgen, suche Gründe für Deine fehlende Offenheit, für Deine mangelnde Fähigkeit, Gefahren zu erkennen. Warum hast Du nur Augen für „die armen Flüchtlinge“, die es natürlich auch unter den Einwanderern gibt, und denen wir auch gerne helfen. Das streitet doch niemand ab, es ist vielmehr das Gebot der Stunde. Warum aber fehlt Dir offenbar jede Empathie für die andere Seite, für Deine eigenen Landsleute, die, wie es nicht nur in dieser Doku geschildert wurde, immer öfter bedroht, zusammengeschlagen und vergewaltigt werden? Viele wollen deshalb den wirklichen Flüchtlingen nicht mehr helfen. Wo ist die Gerechtigkeit geblieben, wo der Schutz durch unser Grundgesetz? Und wie kann es möglich geworden sein, dass Leute wie Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth und andere deutsche Politiker ungeniert hinter Demo-Schildern herwandern, auf denen wörtlich steht: „Deutschland, Du mieses Stück Scheiße“?! Was ist eigentlich wirklich los? Hey, Jürgen, hier geht etwas vor sich, was mir langsam Angst macht. Du warst im Sender immer einer der Coolsten, aber wo bleibst Du jetzt? Was ist aus Dir geworden? Wo bleibt Deine kritische Prüfung, wo Deine Neugier, hinter die Geschichte der Geschichte zu schauen? War dies nicht immer Deine Stärke gewesen?

Ich mache mir Sorgen um unsere Zukunft, um unsere Kinder, um unser Land. Ist dies überhaupt noch unser Land, wenn die bedingungslose Einwanderung fremder Menschen zum Hauptprogramm der Bundesregierung geworden ist, die kein Ohr mehr zu haben scheint für alle jene Menschen, die hier geboren wurden? Jürgen, ich kann das süßliche Mainstreamgeschwafel nicht mehr hören, alle Menschen seien Brüder, wenn sie nur wollten. Wie soll das gehen, in einem der dichtbesiedeltsten Länder der Welt, wenn Millionen „Flüchtlinge“ fortdauernd hereinströmen? Um die Folgen abzusehen, braucht man weder Abitur noch Weitblick, es geht schief!

Die Verhaltensforschung spricht über „natürliche Fremdenfeindlichkeit“ bei Tier und Mensch, wenn die Abgeschlossenheit der Kultur und der Art nicht mehr gesichert ist. Hast Du Dich mal mit Eibl-Eibesfeldt beschäftigt? Er schreibt unter anderem: „Dass gerade bei geselligen Tieren der fremde Artgenosse Flucht oder Angriff auslöst, also das agonistische Verhalten aktiviert, ist ein nahezu durchgehendes Prinzip im Tierreich. Dieses Verhalten bewirkt eine zwar nicht absolute, aber doch eine ziemliche Geschlossenheit der Gruppen, was Subspeziation und beim Menschen die kulturelle Pseudospeziation fördert. Gerade bei gruppenlebenden Primaten, die Pongiden und den Menschen inbegriffen, ist dieser Zug besonders ausgeprägt.“ Ist der berühmte Verhaltensforscher jetzt auch ein Nazi? Hallo, wacht mal auf in Eurem Elfenbeinturm, Ihr Gutmenschen! Dies ist in Wahrheit ekelhafter Gesinnungsterror, den Ihr über das Land bringt. Vor lauter P.C. traut sich inzwischen kaum noch jemand, den Mund aufzumachen, denn Ihr, die Mainstream-Medien, verbietet es ihnen einfach. Wer gibt Euch überhaupt das Recht? Wenn es nach Euch geht, Jürgen, dann ist ja jetzt schon die Mehrheit der Deutschen (und Briten, Franzosen, Österreicher, Dänen, Norweger, Ungarn, Slowaken und so weiter) Nazis! Demnach besteht Europa fast nur noch aus Nazis? Das ist mal ’ne Recherche!

Unterdessen, lieber Jürgen, strömen täglich weiterhin tausende Fremde ins Land, viele davon ohne Registrierung. Hast Du Dich eigentlich mal mit den Strukturen der IS-Terror-Organisation beschäftigt? Ich wiederhole, damit keine Irrtümer auftreten: Selbstverständlich sind nicht alle „Flüchtlinge“ und Einwanderer pauschal als Terroristen zu bezeichnen. Und doch sind etliche darunter, wie es doch durch die öffentlichen Behörden längst bestätigt wurde, spätestens seit den Paris-Attentaten, wo ans Licht kam, dass einige der Täter auf der Flüchtlingsroute nach Europa eindrangen. Aber nein, darüber soll man nicht sprechen, weil: Nazi, Nazi, Nazi!

Da ich vor einigen Jahren am eigenen Leibe erfahren musste, wie schnell es gehen kann, dass man mit diesem Stigma unberechtigt belegt und sogar beseitigt wird, mag es schon sein, dass ich empfindlich reagiere auf diese inzwischen totalitären Methoden. Denn inzwischen wird ein ganzes Land in Sippenhaft genommen für seine unrühmliche Geschichte, die vor fast 100 Jahren begann. Die Bundeskanzlerin selbst weist immer wieder darauf hin, dass wir hier erstmal gar nichts mehr zu melden oder zu wünschen haben, sondern schön den Kopf einziehen und uns dankbar überfluten lassen sollen. Es stehe nicht in ihrer Macht, so Merkel bei Anne Will in der ARD-Talkshow, „wie viele noch kommen“. Wie bitte? In wessen Macht steht es denn dann? Hast Du Dich das niemals gefragt, Jürgen? Bist Du der Sache niemals nachgegangen als investigativer Journalist?

Hast Du gehört, Jürgen, dass Kanada 25000 Flüchtlinge aus Syrien aufnimmt? Aber nur Frauen, Kinder und die Väter dazu. Aus Sorge darüber, so der kanadische Premier Trudeau, dass Terroristen eingeschleust werden könnten. Ist Herr Trudeau deswegen ein Nazi, Jürgen? Glaubst Du das wirklich? Die Kanadier jedenfalls denken da völlig anders. Gehörst Du wirklich zu dieser deutschen Propaganda-Abteilung, die sich emotionslos über die Sorgen der Bürger hinwegsetzt, nur weil die Auftraggeber der Medienanstalten dies so anordnen? Wo ist die Freiheit geblieben? Wo die Wahrheit? Ich gebe zu, dass letztere schwer zu finden ist, doch ich suche händeringend danach. Die Ziele der politischen Korrektheit habt Ihr Journalisten als Kollaborateure der Macht mit abgesteckt, ohne zu fragen, was Ihr anrichtet. Das, Jürgen, nennt man Faschismus! Das hatten wir doch alles schon mal! Ich jedenfalls will das nicht noch einmal zulassen! Schöne Grüße, Eva


S. 9 Kultur

Der Klang der Hauptstadt
Einflussreich und prinzipientreu − Nach 14 Jahren verlässt Marek Janowski als Chefdirigent das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin

Unter Marek Janowski wurde das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB) zu einem gefeierten Klangkörper. Jetzt gibt der Dirigent, der das Orchester 2002 übernahm, seine Abschiedssaison.

Janowski ist ein Dirigent, der nicht nur medien- und kulturpolitisch wahrgenommen wird, sondern der tatsächlich auch musik­ästhetisch einflussreich wirkt. Das Hauptstadtfeuilleton glaubte, ihn 2002 bei seinem Antritt in Berlin herunterspielen zu müssen. Als ein „verdienstvoller, für deutsches Repertoire vortrefflicher Kapellmeister“ wurde er bezeichnet. Die unzutreffende Polemik lautete: „Keinen Reichsverweser deutscher Kultur braucht man hierselbst, sondern den Rufer zu neuen Ufern.“

Wie sein Lehrer Wolfgang Sawallisch ist auch Janowski ein unablässiger Praktiker. Um erstklassige Qualität zu halten, benötigt er nach eigener Aussage Quantität. Dazu gehört eine gewissenhafte Probenarbeit, was die Verfügung über die gleichen Musiker in der Konzertbesetzung beinhaltet, und eine stetige Erweiterung des Repertoires.

Anfangs befürchtete er, mit diesen Ansprüchen in Berlin zu scheitern. Es dauerte eine ganze Weile, bevor er einen festen Wohnsitz daselbst für nötig erachtete. Doch unter seiner Leitung erarbeitete sich das Rundfunk-Sinfonieorchester einen wichtigen Rang im Konzertgeschehen der Hauptstadt. Der wurde nicht in spektakulären Sprüngen, sondern in beharrlichem Fortschreiten erlangt. Immer wieder scheint Janowski seinen Orchestern erst noch das Laufen lehren zu wollen, bevor sie in den Höhenflug übergehen sollen. „Perfektion ist erst der Anfang“, hat er einmal geäußert. Die Streicher des RSB spielen unterdessen jene der Philharmoniker an die Wand.

Nahezu immer, bevor der Ertrag jahrelanger Arbeit über die Fachkreise hinaus die allgemeine öffentliche Wahrnehmung er­reicht, kommt es zu harten Brüchen. In Dortmund, Köln, Monaco und Dresden wendete sich der Dirigent von seinen Orchestern abrupt ab, weil er die vertrauliche Grundlage der Zusammenarbeit durch Verwaltungsintrigen oder den undisziplinierten Eigensinn der Musiker gefährdet sah. Doch diese menschliche Reizbarkeit ist mehr als nur die dunkle Seite einer außergewöhnlichen künstlerischen Empfindungsfähigkeit. Seine Entscheidungen fielen nie aus einer Laune heraus, sondern waren zutiefst sachlich begründet.

Janowski erblickte am 18. Feb­ruar 1939 in Warschau das Licht der Welt. Eine Liebesheirat mit dem polnischen Porträtmaler Janusz Janowski ließ seine Mutter 1937 auf die deutsche Staatsbürgerschaft verzichten. Diese nie offiziell geschiedene Ehe war außergewöhnlichen Belastungen ausgesetzt. Zum Kriegsbeginn weilte die Mutter allein mit dem Säugling zu einem Kuraufenthalt im Bergischen Land und blieb fortan bei ihren Eltern in Wuppertal. Dass sie und ihr Kind als Polen galten, erforderte in der Folge manche Sicherheitsvorkehrung. Ein Mädchen aus der Nachbarschaft, das für den BDM aktiv war, wurde die Beschützerin des Knaben. Der Vater beteiligte am Warschauer Aufstand, während gleichzeitig auf Wuppertal die Bomben der Alliierten niedergingen. Vater und Sohn sollten sich nie mehr begegnen.

Mit kriegsbedingter Verzögerung kam Janowski 1946 auf die Wuppertaler Waldorfschule. Dort traf er in der Person eines früheren Darmstädter Theaterkapellmeisters auf einen herausragenden Musiklehrer. Die Wuppertaler Konzerte unter der Leitung von Hans Weisbach und ein Klavierkonzert mit Wilhelm Kempff hinterließen einen tiefen Eindruck auf den 16-Jährigen. Dem Studium in Köln schloss sich eine klassische Kapellmeisterlaufbahn an. Von 1984 bis 2000 leitete er das Orchestre Philharmonique de Radio France. Um ein Haar wäre er 1989 zum Chef der neuen Bastille-Oper geworden. Der politische Klimawechsel in Frankreich verhinderte das. Der Musik von Wagner, Brahms und Bruck­ner hat er in Frankreich in Konzertsaal und Opernhaus eine gebührende Präsenz gesichert.

Wagners Ring führte er 1986 konzertant am Théâtre des Champs-Élysées auf und zwei Jahre darauf auch szenisch im Freilufttheater im französischen Orange. Die Rückkehr zu Wagners Vorstellungen vom musikdramatischen Gesamtkunstwerk in antiker Kulisse wurde einhellig bejubelt. Seither führt Jano­wski die großen musikdramatischen Werke ausschließlich konzertant auf, da die Verzerrungen der Regie in seiner Sicht selbst die Integrität der reinen Musik bedrohen. In dieser Hinsicht Christian Thielemann ähnlich, nutzt Ja­nowski die Schallplatte, um das Ereignis der Musikwerdung ei­ner Partitur den Hörern zumindest an­satzweise nachvollziehen zu lassen.

Zwischen 2010 und 2013 ließ er die Hauptwerke Wagners in je einer öffentlichen Aufführung zum Erlebnis werden. Die CD-Veröffentlichung der Aufführungen des RSB in der Berliner Philharmonie sind ein wesentlicher Beitrag zum Wagner-Jubiläum, mit dem Janowski an seine Dresdner Gesamteinspielung des Rings anknüpft.

Vor seiner Berliner Zeit und teilweise parallel dazu amtierte er als Musikdirektor des Orchestre de la Suisse Romande (2005− 2012), als Chefdirigent des Orchestre Philharmonique de Monte-Carlo (2000−2005) und wirkte als Chef der Dresdner Philharmonie (2001−2003). Nachdem der Bau eines angemessenen Konzerthauses verhindert wurde, verließ er Dresden. Mit der Stadt war der Dirigent spätestens seit der beispielhaften Gesamteinspielung von Wagners Ring-Tetralogie mit der Staatskapelle zu Beginn der 80er Jahre verbunden. Persönliche Anteilnahme ließ den Dirigenten mit seiner Familie im Dezember 1989 ganz vorn an der Tribüne vor der Ruine der Frauenkirche stehen, während Helmut Kohl dort jene Rede hielt, die symbolisch die Wiedervereinigung einläutete.

Als letzte außergewöhnliche Unternehmung mit den Musikern des RSB, die ihn 2008 zum Chefdirigenten auf Lebenszeit gewählt hatten, führte er im Mai dieses Jahres in der Berliner Philharmonie die Opern „Elektra“ und „Daphne“ von Richard Strauss konzertant auf. Kurz zuvor hat er bekanntgegeben, dass er seinen Vertrag nicht verlängern werde. Schon im Oktober hat Janowski sein Amt abgegeben. Seitdem wird der russische Dirigent Wladimir Jurowski, der eigentlich erst mit Beginn der Spielzeit 2017/18 Janowski Nachfolger werden sollte, als designierter künstlerischer Leiter und Chefdirigent des RSB geführt.    Sebastian Hennig

Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Marek Janowski war am 30. und 31. Dezember im Konzerthaus Berlin am Gendarmenmarkt mit der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven zu hören. Das Silvesterkonzert vom Vortag wird am 31. Dezember im Deutschlandradio Kultur ab 17.30 Uhr gesendet. Am 29. und 30 Januar ist das RSB unter Janowski im Konzerthaus mit Musik von Debussy und Dutilleux zu hören.


Theaterschiff der Albträume
Willkommenskultur auf den Bühnen − Stück mit Afrikanern im Hamburger Schauspielhaus

Die deutschen Bühnen propagieren auf eine fast schon regierungstreue Art die Willkommenskultur, dass man sich Sorgen machen muss um die sonst so oppositionell zur Regierung eingestellten Staatstheater. Die Sorge äußerte sich in Hamburg, nachdem der lettische Regisseur Alvis Hermanis aus Protest gegen die aus seiner Sicht unverhältnismäßige Zuwandererbegeisterung des Thalia Theaters eine dort geplante Inszenierung schmiss (die PAZ berichtete). Ausgerechnet die Konkurrenzbühne, das Schauspielhaus, das seit einiger Zeit „Flüchtlingen“ Unterkunft gewährt, ge­riert sich in der Stadt nun als Vorreiterin in Sachen Willkommenskultur.

Dort hat sich deren Intendantin Karin Beier mit der Bühnenadaption des Fellini-Films „Schiff der Träume“ des Asylthemas an­genommen. Als Zuschauer muss man aber eine gewisse Portion Masochismus besitzen, um sich über drei Stunden lang die eigene Dekadenz und Fehlbarkeit vor Augen führen zu lassen und um sich dazu auch noch dafür zu begeistern. Es sei denn, man begreift das Stück als Persiflage. Doch das dürften nur wenige im Publikum so gesehen haben und wird am Grundsatz wenig ändern.

Der Masochismus fängt schon in den eigenen Reihen der Orchestermitglieder des Stücks an, die sich an Bord der „CS Europa“ zur Seebestattung ihres verstorbenen Dirigenten in der Ägäis versammelt haben, obwohl der Verblichene in seinem Testament postum an keinem von ihnen ein gutes Haar gelassen hat.

Sein dabei vorgesehenes Hauptwerk „Human Rights Nr. 4“ trifft auf die Wirklichkeit, als illegale Einwanderer aus Zentralafrika von einem in Seenot geratenen Boot an Bord genommen werden und mit ihrer überbordenden Vitalität die Schiffsgesellschaft geradezu er­drücken. Geschichtliche und wirtschaftliche Verantwortung hin oder her, die Gesellschaft der „Europa“ ist dieser Form der Globalisierung nicht gewachsen. Selbst wenn die Afrikaner sich als „Helfer“ und „Retter“ anbieten, um beispielsweise „Europas“ Al­terspyramide wieder auf breitere Füße zu stellen. Folgerichtig verlassen die Zuwanderer, nicht ganz freiwillig, zur Registrierung auch wieder das Schiff und damit dessen, also unsere, Gesellschaft.

Der durchschnittliche Theaterbesucher dürfte Afrikas Kolonial- und Wirtschaftsgeschichte kennen. Er ist schon jetzt verschreckt und überfordert. Afrikas Missstände zu verringern helfen, ist selbstverständlich Aufgabe der Politik. Nicht jeder Versuch war und ist dabei gelungen. Doch braucht der Stabilitätsanker Europa dazu noch das volle Programm einer steuerfinanzierten Bühnenfassung?

Auch wenn sich das Stück um eine klare Aussage drückt und damit einer skandalträchtigen Konfrontation entgeht, so reiht es sich doch nahtlos in jene Inszenierungen ein, die mit didaktischen Methoden die Zuschauer zu Willkommensbestien erziehen wollen. Bestes Beispiel liefert das Berliner Maxim Gorki Theater, wo Regisseur Sebastian Nübling aktuell in seinem Stück „In unserem Na­men“ 15 Asylbewerber auf die Dramen „Die Schutzflehenden“ von Aischylos und „Die Schutzbefohlenen“ von Elfriede Jelinek loslässt.

Einen ähnlichen Theaterfrevel hat jüngst Volker Lösch am Staatsschauspiel Dresden begangen, als er Max Frischs „Graf Öderland“ zu einem Anti-Pegida-Stück um­funktionierte. Überhaupt scheint es derzeit schick zu sein, sich auf die Regierungsgegner zu stürzen, sofern sie nicht von den Linken oder Grünen sind. So sorgte Falk Richter mit seinem Anti-AfD-Stück „Fear“ an der Berliner Schaubühne unlängst ebenso für einen handfesten Skandal wie Matthias Lilienthal, der an den Münchener Kammerspielen in „Open Border Kongress“ mit staatlich subventionierter Unterstützung reichlich Schelte gegen asylkritische CSU-Politiker austeilte. Weitere Theater werden sich sicher bald diesen volkspädagogischen Maßnahmen an­schließen.              Schnehagen/Tews


Der Sahib des Dschungels

Freunde von Mowgli und Balu, dem Bären, sehnen den April herbei. Dann kommt die 3-D-Realverfilmung des „Dschungelbuchs“ in die Kinos, die an den Erfolg des Trick­films von 1967 anknüpfen soll, mit dem Generationen von Kindern aufgewachsen sind. Dank des Films bleibt der Autor der 1894/95 er­schienenen „Dschungelbuch“-Ge­schichten unvergessen: Rudyard Kip­ling, der am 30. Dezember 1865 in Bombay als Sohn eines britischen Kolonialprofessors geboren wurde. Er wuchs in Indien als kleiner Sahib auf, ehe er im ungeliebten England studierte. Die Ehe führte den inzwischen erfolg­reichen Reporter in die USA, wo er die Ge­schichten um den indischen Kaspar Hauser namens Mowgli schuf, der mit Balu, dem Bären, durch den Urwald tanzt, sich von der Schlange Kaa hypnotisieren lässt und vor dem Tiger Schir Khan Reißaus nimmt. 1907 erhielt Kipling mit 42 Jahren als bis heute jüngster Autor den Literaturnobelpreis.

Rechtzeitig zu Kiplings 150. Jahrestag hat der Steidl Verlag eine Neuübersetzung des „Dschungelbuchs“ Teil 1 & 2 herausgebracht (520 Seiten, 28 Euro).  tws


Kinotipp

Vor acht Jahren gab es auf dem Jakobsweg eine Lawine von Pilgern aus Deutschland. Ausgelöst wurde der Boom durch Hape Kerkelings Buch „Ich bin dann mal weg“, das eines der meistverkauften deutschen Sachbücher wurde und sich bis heute fünf Millionen Mal verkaufte. So war es nur eine Frage der Zeit, bis man sich im Kino an den Erfolg anheftete. Der Film, der jetzt gestartet ist, dürfte aber all diejenigen enttäuschen, die eine Erklärung für die Faszination vieler Gottsucher für einen 800 Kilometer langen Fußmarsch von den Pyrenäen bis nach Santiago de Compostela erwarten. Schöne Landschaften, die der Film eindrucksvoll zeigt, und Blasen an den Füßen allein können es nicht sein. Devid Striesow, der den Part des damals von einem Burn-out betroffenen Komikers Kerkeling übernimmt, macht immerhin einen glaubwürdigen Job als nach Er­leuchtung suchender Wandersmann. Eine Erleuchtung ist dieser Film aber nicht gerade, und so ist für 2016 wohl kaum mit einem weiteren Deutschen-Boom auf dem Pilgerweg zu rechnen.               tws


S. 10 Geschichte

Anfang mit vielen Hindernissen
Als die ersten Freiwilligen 1956 in die Kasernen einrückten, gab es für die neuen Streitkräfte noch nicht einmal einen Namen

Als vor 60 Jahren die ersten Freiwilligen in die Kasernen einrück­ten, waren die neuen westdeutschen Streitkräfte noch namenlos. Das war nur einer von vielen Mängeln, welche den rasanten Aufbau der Bundeswehr begleiteten.

Schon der Anfang verhieß eigentlich nichts Gutes. Als am 12. November 1955 die ersten 101 Soldaten der neuen westdeutschen Streitkräfte in einer Kraftfahrzeughalle der Bonner Ermekeil-Kaserne ihre Ernennungsurkunden erhielten, war die Zeremonie selbst dem eingefleischten Zivilisten Konrad Adenauer zu schlicht. Besonders störte ihn, dass viele der Soldaten noch keine Uniform erhalten hatten und deshalb in Zivilkleidung antreten mussten. Dienst in Zivil, das war eine Erfahrung, die zunächst auch viele der ersten 1000 Freiwilligen machen mussten, die am 2. Januar 1956 in die Kasernen von Andernach (Heer), Wilhelmshaven (Marine) und Nörvenich (Luftwaffe) einrückten. Es gab nämlich noch nicht genügend Uniformen.

Aber auch wer eine Uniform hatte, war damit alles andere als glücklich. Und das war keine Nebensächlichkeit, sondern ein Politikum. Um die bewusste Abkehr von der preußisch-deutschen Militärtradition zu demonstrieren, mussten die Soldaten einen betont schmucklosen und unvorteilhaft geschnittenen Anzug tragen, der als „Affenjäckchen“ oder „Königin-Luise-Bluse“ verspottet wurde. Eine Hamburger Tageszeitung machte sich den Spaß, das Foto des Generalinspekteurs Adolf Heusinger in der neuen schiefergrauen Uniform neben das eines Straßenbahnschaffners zu stellen. Auf die Frage, welcher von beiden der General sei, tippte eine große Mehrheit auf den Straßenbahnschaffner. Seine Uniform zeigte eben deutlich mehr her als die des höchsten deutschen Soldaten.

Dass eine unscheinbare Dienstkleidung gerade einmal zehn Jahre nach dem Krieg bei der Bevölkerung auf mehr Akzeptanz stoßen würde als der sprichwörtliche Bunte Rock, erwies sich indes als folgenreicher Trugschluss. Nicht ohne Grund hatte der vormalige Chefuniformkundler im Oberkommando des Heeres gewarnt, eine Uniformkonzeption, „nur aus der Negation heraus geboren“, könne „niemals fruchtbar werden“. Tatsächlich stieß die der Bundeswehr verordnete vollständige Abkehr vom traditionellen Erscheinungsbild auf allgemeine Ablehnung. Die „neue Wehrmacht“, das war in den Augen vieler  der damals noch militärisch strukturierte Bundesgrenzschutz mit dem nur wenig modifizierten Viertaschenrock, den seit der Kaiserzeit getragenen Effekten und vor allem dem altbewährten Stahlhelm. Diese an das historische Vorbild angelehnte Uniform konnte als „Ehrenkleid der Nation“ gelten, nicht jedoch die unkleidsamen „Ami-Klamotten“ der Bundeswehr, die ihren Träger der Lächerlichkeit preisgaben. Dennoch kam für die Väter der Bundeswehr ein Rückgriff auf nationale, allgemein akzeptierte Formen, Zeremonien und Symbole zunächst nicht in Frage. Sie haben es nicht verstanden, mit derartig einfachen, psychologisch geschick­ten Maßnahmen die Verbundenheit der damals noch überwiegend kriegserfahrenen Bevölkerung mit den Streitkräften zielgerichtet zu fördern. Erst allmählich setzte sich die Erkenntnis durch, dass Bewährtes übernommen werden sollte, weil es zur Tradition gehörte und ein Bekenntnis dazu positive Kräfte freisetzen könne. So wurden bald einige Uniformdetails wieder eingeführt, auf dekorative Accessoires und überlieferte Standesinsignien aber bis heute verzichtet.

Auch sonst waren die Rahmenbedingungen für den Dienst in den Anfang 1956 noch namenlosen Streitkräften alles andere als perfekt. Wie sich die Soldaten der ersten Stunde erinnern, fehlte es an allen Ecken und Enden. Es war offenkundig, dass die Politik den Nato-Verbündeten zu vollmundige Versprechungen hinsichtlich des westdeutschen Wehrbeitrages gemacht hatte. Der forcierte Aufbau der Armee, die erst am 12. März 1956 den Namen Bundeswehr erhielt, war mit den zur Verfügung stehenden Mitteln kaum zu bewältigen. Dass ihre allzu ambitionierten Pläne dennoch zu großen Teilen umgesetzt werden konnten, hatten die Planer auf der Hardthöhe, die zu Adenauers Ärger „vor allem auf dem Gebiet der Aufrüstung völlig versagt hatten“, hauptsächlich dem Engagement der Soldaten in der Truppe zu verdanken. Der Begriff Mangel zieht sich durch alle Erzählungen von den Pioniertagen der Bundeswehr. Doch die zumeist kriegsgedienten Männer bewiesen, dass sie anpacken konnten und die Kunst der Organisation und der Improvisation beherrschten. Sie verwalteten den Mangel nicht, sondern sie bewältigten ihn.

Dabei waren die Widrigkeiten, die sie zu überwinden hatten, vielfältiger Natur. Ein Feldwebel berichtet, dass er und seine Kameraden erst einmal das Kasernendach flicken und zerbrochene Fensterscheiben ersetzen mussten, bevor sie die Stuben beziehen konnten. Bis die Unterkünfte halbwegs wohnlich hergerichtet waren, habe es Wochen gedauert. Weil das angeforderte Büromaterial ausblieb, habe jeder etwas von zu Hause mitgebracht, damit die Arbeit überhaupt aufgenommen werden konnte. Ein Marineoffizier erinnert sich mit Grausen an die ersten Monate in Wilhelmshaven: „Schmutzige und ungeheizte Unterkünfte, unzureichende Bekleidung und Ausrüstung, ausbleibender Wehrsold. Selbst in härtesten Kriegszeiten hatte ich solche Verhältnisse nicht erlebt. Es hat Jahre gedauert, bis ich meinen Entschluss, meinen Zivilberuf aufzugeben und wieder Soldat zu werden, nicht mehr bereut habe.“ Der damalige Major und spätere Viersternegeneral Gerd Schmückle fasst seine Eindrücke aus den Anfangstagen der Bundeswehr so zusammen: „Wir bekamen kein Geld in Andernach, wir hatten eine Bekleidung, die wirklich furchtbar schlecht war. Wir hatten allein an einem Wintertag 18 Erfrierungen – ich erinnerte mich an Moskau – und das mitten im Frieden. Wir hatten keine ärztliche Versorgung und für die Stube, in der, wie ich mich erinnere, sechs Leute saßen, wurden uns eintausend Mark abgenommen.“

Der Dienst in der frühen Bundeswehr war also nicht immer erbaulich. Auch schmerzte die Soldaten die allgemein fehlende Anerkennung ihrer Leistung. Während sie sich durch ihren Eid zu treuem Dienen verpflichtet hatten und unter strengem Kuratel von Politik und Beamtenbürokratie standen, fühlten sie sich von ihrem Dienst­herrn und weiten Teilen der Bevölkerung unverstanden, geringgeschätzt und sogar verachtet. Die schlechte Stimmung in der Truppe führte dazu, dass mancher ihr bei der ersten sich bietenden Gelegenheit den Rücken kehrte. Der erwähnte Marineoffizier berichtet sogar von zutiefst frustrierten Kameraden, die einfach nicht mehr aus dem Wochenendurlaub zurück­kehrten.

Aber das blieben Ausnahmen. Loyal und aus Überzeugung nahmen die Soldaten den Auftrag an, „aus den Trümmern des Alten wirklich etwas Neues wachsen zu lassen, das unserer veränderten sozialen, politischen und geistigen Situation gerecht wird“, wie es Bundesverteidigungsminister Theo­dor Blank einige Wochen zuvor  formuliert hatte. Ihre Pionierleistung ist historisch, schufen sie doch die Bedingungen für ein Leben in Frieden und Freiheit. Die von den Männern der ersten Stunde aus der Taufe gehobene Bundeswehr hat sich in den 60 Jahren ihres Bestehens als militärisches Instrument und verlässliche staatliche Institution vielfach bewährt.

                Jan Heitmann


»Unser bester Freund in Afrika«
Vor 50 Jahren putschte sich mit Jean-Bédel Bokassa der berüchtigste Protegé Frankreichs an die Macht

Die etablierten Parteien der Bundesrepublik und die ihnen nahestehenden Leitmedien werden nicht müde zu behaupten, dass es die europäische Solidarität gebiete, Frankreich mit Bundeswehrsoldaten bei seinen Bemühungen zu helfen, das Re­gime in Mali zu stützen. Dabei interessieren die Grande Nation die Menschrechte bei der Auswahl der Machthaber, deren Regime sie in ihren Ex-Kolonien stützen, wenig. Augenscheinlich zeigt dies das Beispiel des berüchtigsten Protegés der Fünften Republik auf dem Schwarzen Kontinent: Jean-Bédel Bokassa. „unseren besten Freund in Afrika“, wie ihn Frankreichs Staatschef Valéry Giscard d’Estaing nannte.

„Unser bester Freund in Aftika“, der sich vor einem halben Jahrhundert in seiner zentralafrikanischen Heimat an die Macht putschte und sich dort nicht zuletzt dank französischer Hilfe über Jahre halten konnte, war zwar auf dem Schwarzen Kontinent geboren, aber ein Kind der französischen Kultur. Der am 22. Februar 1921 im Ort Bobangi im Gebiet Ubangi-Schari in Französisch-Äquatorialafrika geborene Bokassa besuchte von 1927 bis 1939 nacheinander die Jeanne-d’Arc-Grundschule in Mbaïki, die Saint-Louis-Missionsschule in Bangui und die Père-Compte-Schule in Brazzaville.

Nach der Schulausbildung trat Bokassa in die Armee der Kolonialherren ein. Als Teil der Forces françaises libres von Charles de Gaulle nahm er an den Kämpfen zur Rückeroberung Frankreichs von den Deutschen teil. Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Besuch französischer Militärschulen in Senegal und Frankreich beteiligte er sich an den Versuchen Frankreichs, sein Kolonialreich zu restaurieren. Am Indochinakrieg nahm er ebenso teil wie am Algerienkrieg. Er stieg bis zum Hauptmann auf und wechselte nach der Entlassung Zentralafrikas in die Unabhängigkeit in dessen Dienste.

In den Streitkräften des armen und für afrikanische Verhältnisse eher kleinen Staates, die an etwa Regimentsstärke besaßen, machte der vormalige französische Hauptmann schnell Karriere. Das wundert nicht, hatte er doch den ersten Präsidenten Zentralafrikas, David Dacko, zum Vetter. 1963 wurde Bokassa, mittlerweile Oberst, Stabschef des zentralafrikanischen Militärs.

Drei Jahre später, am 1. Januar 1966, putschte der Stabschef gegen seinen Cousin und Staatschef. Frankreich ergriff für Bokassa Partei. Seinem Ruf folgend, entsandte die vormalige Kolonialmacht Truppen, die ihm halfen, sein Regime zu festigen. Politische Gegner wurden verhaftet, gefoltert und ermordet.

Symptomatisch für Bokassas Hang zum Größenwahn ist die seinem Putsch folgende militärische Karriere. Aus dem Stabschef der kleinen Streitmacht im (angemessenen) Range eines Oberst wurde 1970 ein General, 1971 ein Generaloberst und 1974 schließlich ein Feldmarschall. Bokassas Vorbild war nicht etwa ein Afrikaner, sondern ein Angehöriger der vormaligen Kolonialmacht: Napoleon. Analog zu jenem Emporkömmling, der in der Armee groß geworden war, ließ er sich erst 1972 zum Präsidenten auf Lebenszeit und vier Jahre später dann schließlich gar zum Kaiser ausrufen. Auch die opulente, umgerechnet 20 bis 30 Millionen Euro teure Selbstkrönung erfolgte nach dem Vorbild jener Bonapartes. Franzosen waren maßgeblich an der Choreografie, Organisation und Ausgestaltung der Zeremonie beteiligt. Die Franzosen haben das Schauspiel auch finanziert, wie sie überhaupt Bokassa mit Waffen und Geld unterstützt haben. Dafür überließ er der Atom- und ehemaligen Kolonialmacht Uran und das Recht, Truppen zu stationieren für deren Machtkampf mit Libyen um die französische Ex-Kolonie Tschad.

Möglicherweise hat Bokassa nicht nur die Französische Republik, sondern auch unmittelbar deren damaligen Präsidenten mit Gefälligkeiten für sich eingenommen. Valéry Giscard d’Estaing lud er nicht nur zur Elefantenjagd ein, sondern beschenkte ihn auch mit Elfenbein und Diamanten.

Diktatoren, die ihre Gegner blutig verfolgen, gibt es in Afrika viele. Nach der unübersehbar zur Schau gestellten Geldverschwendung bei der maßlosen Selbstkrönung stach Bokassa allerdings erneut aus dem Gros der afrikanischen Potentaten unrühmlich hervor, als sein Terrorapparat Kinder und Jugendliche in den Fokus nahm. Der Grund hierfür waren Proteste von Schülern dagegen, die teuren Schuluniformen tragen zu müssendie, die eine der vielen Ehefrauen Bokassas produzierte.

Frankreich wandte sich von Bokassa ab und dieser sich daraufhin Libyen zu. Dass Zentralafrika dem vormaligen Mutterland entglitt und unter den Einfluss Muammar al-Gaddafis geriet, verhinderten die vormaligen Kolonialherren durch einen Regimewechsel. Während einer Libyenreise Bokassas intervenierten sie militärisch in seinem Kaiserreich und machten seinen Vorgänger zu seinem Nachfolger.

Dacko hatte vor seinem Sturz durch Bokassa die Bewegung MEDAC, die gegen seine profranzösische Politik opponiert hatte, verboten und deren Führer verhaften lassen. Dacko war also auch kein Demokrat, aber hatte dafür seine Frankreichfreundlichkeit hinlänglich unter Beweis gestellt. Damit war er Frankreichs Mann. Aus Zentralafrika machte er wieder eine Republik, was es heute noch ist.

Bokassa fand Unterschlupf im Schloss Hardricourt westlich von Paris. Statt den Opfern des von ihr sozialisierten und lange protegierten Ex-Kaisers zahlte die Französische Republik ihrem vormaligen Hauptmann eine Rente. Die Grenzen der Großzügigkeit seines ehemaligen Dienstherren erlebte Bokassa jedoch, als er unter dem Titel „Meine Wahrheit“ ein Buch mit schwerwiegenden Vorwürfen gegen den vormaligen Präsidenten der Republik Giscard d’Estaing veröffentlichen wollte. Ein Pariser Gericht verbot 1985 den Vertrieb.

Nach dem Vorbild Napoleons kehrte Bokassa im darauffolgenden Jahr in sein vormaliges Kaiserreich zurück. Anders als Bonaparte bewegte er die Streitkräfte jedoch nicht zum Überlaufen. Vielmehr wurde er verhaftet und vor Gericht gestellt. 1987 wurde er zum Tode verurteilt; 1988 wurde die Todesstrafe in lebenslange Zwangsarbeit umgewandelt und dann auf 20 Jahre Haft reduziert; 1993 schließlich kam Bokassa in den Genuss einer Generalamnestie seines eigenen vormaligen Botschafters in Bonn André Kolingba, der 1981 erfolgreich gegen Dacko geputscht und diesen als Präsidenten Zentralafrikas abgelöst hatte. Jean-Bédel Bokassa starb am 3. November 1996 in seiner vormaligen Haupt- und Residenzstadt Bangui an einem Herzinfarkt.  Manuel Ruoff


S. 11 Preussen

Görres unterschätzte seine Gegner
Vor 200 Jahren wurde der von ihm herausgegebene »Rheinische Merkur« verboten

Vor 200 Jahren verbot der preußische König Friedrich Wilhelm III. die Koblenzer Zeitung „Rheinischer Merkur“. Dadurch verschwand ein Blatt mit europaweiter Bedeutung von der Bildfläche. Die Entscheidung des Monarchen resultierte aus dem Vorgehen des Herausgebers Johann Joseph Görres, der sowohl gegen Zensurbestimmungen verstoßen als auch Kritik an sämtlichen deutschen Herrscherhäusern geübt hatte.

Kurz nach dem Jahreswechsel 1813/14 begannen die Truppen des preußischen Generalfeldmarschalls Gebhard Leberecht von Blücher mit der Vertreibung der französischen Besatzer vom linken Rheinufer. In dieser Situation entstand auf Seiten Berlins der Wunsch, eine eigene Zeitung für die zurückgewonnenen Gebiete herauszugeben, die das Wiedererstarken des Deutschtums im Rheinland fördern und zum Propagandafeldzug gegen den immer noch nicht endgültig besiegten Napoleon beitragen sollte. Dabei fiel die Wahl auf das bisher französischsprachige Blatt „Mercure de Rhin“, das nun zum „Rheinischen Merkur“ mutierte.

Den Posten des Schriftleiters erhielt Johann Joseph Görres. Der katholische Publizist konnte auf eine durchaus bewegte Vergangenheit zurückschauen. Der frühere Hochschuldozent für Philosophie, Physiologie, Anthropologie, Ästhetik, „spekulative Physik“, Himmelskunde, Hygiene und altdeutsche Literatur sowie Herausgeber der republikanischen Gazetten „Das rothe Blatt“ und „Rübezahl“ gehörte nämlich zunächst zu den glühendsten deutschen Anhängern der Französischen Revolution und Befürwortern des Anschlusses der linksrheinischen Gebiete an Frankreich, revidierte seine Haltung dann aber später komplett, als das Nachbarland in Willkür und Gewalt versank und Napoleon an die Macht gelangte.

Unter Görres wurde die Ausrichtung des Blattes, das am 23. Januar 1814 zum ersten Male unter dem neuen Namen erschien, radikal verändert, was er in seinem Editorial bestätigte: „Wie in … wenigen Tagen … unser Land eine andere Gestalt gewonnen, und ein gänzlicher Umschwung alle Verhältnisse umgekehrt, so soll auch diese Zeitung in Geist und Fassung der vorigen nicht mehr ähnlich sehen.“ Und so agitierte Görres dann viermal pro Woche gegen Bonaparte und für ein freiheitliches, geeintes, föderalistisches Deutschland.

Aufgrund der inhaltlichen Qualität der Zeitung, für die unter anderem die Gebrüder Grimm und Achim von Arnim sowie Angehörige von Blüchers Generalstab und der prominente preußische Reformer Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein schrieben, hatte sie bald zwischen 3000 und 5000 regelmäßige Abonnenten und erlangte als erstes deutsches Presseerzeugnis in ganz Europa Beachtung. Dies soll Napoleon zu der Äußerung veranlasst haben, das Blatt sei neben Preußen, England, Russland und Österreich die „fünfte feindliche Großmacht“, die gegen ihn kämpfe.

Außer von seinem kompetenten Mitarbeiterstamm profitierte der „Rheinische Merkur“ dabei auch davon, dass er zunächst nicht der üblichen Zensur unterlag. Dies resultierte aus der Schar von einflussreichen Gönnern, die hinter Görres standen. Neben dem Freiherrn vom Stein hielten unter anderem auch der Staatskanzler Karl August Freiherr von Hardenberg und der Gouverneur des preußischen Generalgouvernements Mittelrhein, Karl Justus von Gruner, ihre schützenden Hände über den Herausgeber und sein Blatt, das sich als „Stimme der Völkerschaften diesseits des Rheins“ verstand.

Allerdings war es mit der „Pressefreiheit“ für den „Rheinischen Merkur“ dann ab Mitte 1815 vorbei. Das lag zum einen daran, dass Görres nach dem finalen Sieg über Napoleon sowie dem Einsetzen der Restauration zunehmend dazu überging, die Politik der deutschen Fürsten und Könige, einschließlich des preußischen, in Frage zu stellen. Zum anderen erfolgte ein Wechsel der Zuständigkeit für die Zeitung. Statt bei dem kaltgestellten von Gruner lag diese nun in den Händen des neuen Oberpräsidenten der Rheinprovinz, Johann August Sack. Unter dessen Ägide musste Görres dem Koblenzer Juraprofessor und Revisionsrat Christoph von Breuning jeden einzelnen Artikel zur Prüfung vorlegen. Und der strich auch immer wieder politisch unerwünschte Passagen – was Görres freilich nicht davon abhielt, dieselben dann trotzdem drucken zu lassen.

Der streitbare Publizist war nämlich mittlerweile überzeugt davon, sakrosankt zu sein. Dies geht beispielsweise aus folgender optimistischer Äußerung in seinem Blatt hervor: „Dafür sind die Zeitungen bestellt, daß sie aussprechen, worüber alle einverstanden sind … Haben sie sich selbst der Nation erst werth gemacht, dann wird diese sie auch lieb gewinnen, sie wird sie als ihre Sprecher ehren, und das Schild der öffentlichen Meinung wird sie gegen jegliche Gefahrde schützen.“ Doch genau damit lag Görres falsch, wie die Ereignisse von Anfang 1816 beweisen.

Nachdem der „Rheinische Merkur“ wegen seiner kritischen Töne bereits in Bayern, Württemberg und Sachsen verboten worden war, erschien ein Artikel, in dem Görres sich für die Demokratisierung Deutschlands sowie eine Rückbesinnung auf christliche Traditionen aussprach und in diesem Zusammenhang hervorhob: „Der Himmel hat die Fürsten zum Wohle der Gesamtheit eingesetzt“, da „auch die Rechte der Völker von Gott“ seien. Dies bewog den erzkonservativen preußischen Polizeiminister Wilhelm Ludwig Georg Graf zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, unverzüglich bei Friedrich Wilhelm III. vorstellig zu werden, um ein Verbot des Blattes zu erwirken. Und tatsächlich erließ der Monarch am 3. Januar 1816 eine Allerhöchste Cabinets Ordre, in der er das weitere Erscheinen des „Rheinischen Merkurs“ untersagte. Hierbei spielte sicher auch eine Rolle, dass mittlerweile selbst der russische Zar Beschwerde über Görres eingelegt hatte, wodurch außenpolitische Komplikationen drohten.

Görres, der nun also seine Schuldigkeit für Preußen getan hatte, verlor ebenso den parallel ausgeübten Posten des Direktors für das Unterrichtswesen im Generalgouvernement Mittelrhein und stand im September 1819 schließlich sogar vor der Verhaftung. Grund hierfür war sein Buch „Teutschland und die Revolution“, in dem er erneut die Politik der Restauration geißelte. Deshalb wollte Friedrich Wilhelm III. ihn mit der Begründung festnehmen und arretieren lassen, er habe den preußischen König „wie auch fremde Landesherren beleidigt“. Görres konnte sich allerdings noch rechtzeitig ins Ausland absetzen. Er starb dann 1848 in Bayern, wo er seit 1827 lebte und arbeitete.                    

                Wolfgang Kaufmann


Preußens Spuren in Deutschlands Westen
Ausstellung in Baden-Baden widmet sich den Hohenzollern am Rhein im Spiegel von »Kunst, Technik und Politik«

Ohne die Preußen wäre der Kölner Dom wohl nie vollendet worden, sähe Triers Porta Nigra ganz anders aus und die Rheinromantik hätte etliche Attraktionen weniger. Das verdeutlicht eine Ausstellung im Baden-Badener Museum LA 8. An die 100 Gemälde, Grafiken, Objekte und Architekturmodelle belegen den kulturellen Einfluss der Hohenzollern im deutschen Westen. Er war Folge der Gründung der preußischen Rheinprovinz vor 200 Jahren.

Zum Auftakt der Schau steht uns auf einem Porträtgemälde Ernst Gebauers aus dem Jahre 1845 lebensgroß König Friedrich Wilhelm IV. gegenüber. Der „Romantiker auf dem Thron“ ließ architektonische Visionen Realität werden, die bis heute von zahlreichen Touristen bewundert werden. Insbesondere die Vollendung des Kölner Doms lag dem Protestanten am Herzen. Ein prachtvolles „Sehnsuchtsgemälde“ Carl Georg Enslens stellt uns die „Innenansicht des vollendet gedachten Kölner Doms nach Westen“ (1839) vor. Die feierliche Grundsteinlegung zum Weiterbau erfolgte 1842 in Anwesenheit Friedrich Wilhelms IV. Doris Fischer schreibt in ihrem Katalogaufsatz: „Schon nach den Befreiungskriegen avancierte dieses bedeutungsvolle gotische Bauwerk zum Inbegriff und zum Identitätssymbol nationalen Selbstbewusstseins.“ Friedrich Wilhelm IV., der Schirmherr des gigantischen, 1880 vollendeten Projekts, betonte in seiner Rede anlässlich der Fortsetzung der Arbeiten, dass der Dombau die anzustrebende Einheit Deutschlands symbolisiere: „Der Prachtbau des Kölner Doms ist das Werk des Brudersinns aller Deutschen.“

Dem Kölner Dom und vielen weiteren Baumaßnahmen oder Restaurierungen historischer Gebäude, die von den Hohenzollern veranlasst wurden, widmete die im Westerwald gelegene königlich-preußische Sayner Hütte aus Gusseisen angefertigte Neujahrs­plaketten. Sie trugen zur Popularisierung der kulturellen Leistungen Preußens in der Rheinprovinz bei. Die Sayner Hütte war einer der bedeutendsten Standorte preußischer Eisengussproduktion. Damals hochmodern, gilt die 1830 fertiggestellte Gießhalle heute als „Technisches Kulturdenkmal“. Sie ist der erste Industriebau der Welt, dessen tragende Konstruktion ausschließlich aus Gusseisen errichtet wurde. Zudem ist mit ihr in großem Maßstab die Verbindung von Gusseisen und Glas, aus dem die Westfassade besteht, in die Ingenieurbaukunst eingeführt worden. Diese Kombination wurde zum Vorbild für Bäder, Palmenhäuser, Markthallen und Bahnhöfe in aller Welt.

Nicht zuletzt die Sayner Neujahrsplaketten weisen uns in der Schau auf die herausragende Rolle hin, die Friedrich Wilhelm IV. für Erhaltungs- und Wiederaufbaumaßnahmen an Baudenkmälern spielte. Katalogautorin Fischer betont: Er „richtete 1843 das Amt eines preußischen Staatskonservators ein, das der Baurat Ferdinand von Quast erhielt. Damit war der Grundstein für die bis heute noch existierende Denkmalpflege gelegt.“ Neben der Restaurierung der Rheinburgen durch die preußischen Prinzen und dem zum deutschen Anliegen erhobenen Weiterbau des Kölner Doms war die Erforschung, Freilegung und Restaurierung der antiken Baudenkmäler Triers das dritte große Projekt der Preußen im Westen. Prominentes Restaurierungsobjekt war die Porta Nigra, im Mittelalter zur Kirche umgebaut und nach den grundlegenden Aufräumungs- und Freilegungsarbeiten wieder als von den Römern errichtetes Stadttor erlebbar.

Ausgestellt ist ein farbig gefasstes Gipsmodell der Porta Nigra, das sich im Besitz Friedrich Wilhelms IV. befand und zur Ausstattung von Schloss Stolzenfels gehörte. Er hatte die Burg als Ruine 1823 von der Stadt Koblenz zum Geschenk erhalten und ließ diese zum prächtigen Schloss ausbauen. Die Einweihung wurde 1842 von den Festgästen in mittelalterlicher Kostümierung gefeiert. Das Schloss und seine Inneneinrichtung bilden das herausragende Gesamtkunstwerk preußischer Herrschaftsrepräsentation am Rhein, das bis heute in seltener Vollständigkeit erhalten ist. Einige mittelalterlich anmutende, aber im 19. Jahrhundert geschaffene Gemälde, Möbel und Kleinobjekte der Ausstattung von Stolzenfels sind nach Baden-Baden ausgeliehen. Zudem informieren Caspar Scheurens Aquarelle und farbige Druckgrafiken über die äußere und innere Erscheinung dieses Gesamtkunstwerks.

Der Düsseldorfer Maler Carl Scheuren war dem preußischen Königshaus, von dem er mehr als vier Jahrzehnte lang Aufträge erhielt, loyal zugewandt. Mit seinen märchenhaft verschnörkelten Druckgrafiken feierte er die kulturellen Leistungen der Preußen am Rhein. Scheurens 1865 bis 1867 mit 26 Blättern publiziertes großformatiges Album „Landschaft, Sage, Geschichte und Monumentales der Rheinprovinz“ ist von bis heute unübertroffener Pracht. Er widmete es der Königin und späteren Kaiserin Augusta, der er Mal- und Zeichenunterricht gegeben hatte.

In der in Baden-Baden gezeigten Ausstellung bildet neben den von Preußen auf dem Wiener Kongress gewonnenen Besitzungen am Rhein das Großherzogtum Baden einen weiteren Schwerpunkt bei der Suche nach Spuren der „Preußen im Westen“. Während sich der preußische Einfluss im Rheinland in Bauten und Verwaltungsstrukturen in den Jahrzehnten nach 1815 deutlich manifestierte, wurde das Großherzogtum Baden erst nach den revolutionären Konflikten 1848/49 zum politischen und dynastischen Partner der Hohenzollern. Augusta und ihr Gemahl Wilhelm I., der 1857 für seinen erkrankten Bruder Fried­rich Wilhelm IV. die Regierungsgeschäfte übernommen hatte, waren Baden-Baden eng verbunden. Seit Mitte der 1850er Jahre besuchten sie über Jahrzehnte während der sommerlichen Badesaison regelmäßig die Kurstadt. Nicht zuletzt gab es dafür familiäre Gründe. Prinzessin Luise von Preußen, ihre einzige Tochter, war ab 1856 mit dem späteren Großherzog Friedrich von Baden verheiratet. In Baden-Baden gibt es mehrere Hinweise auf das Kaiserpaar. Eine Tafel erinnert an das glimpflich ausgegangene Attentat, das 1861 etwa auf der Höhe des Hirtenhäuschens auf Wilhelm I. verübt wurde. Vor der 1837 bis 1840 für die Kurgäste erbauten Trinkhalle steht eine Porträtbüste, die Kaiser Wilhelm I. darstellt, während die Büste Kaiserin Augustas im Grünen an der Lichtentaler Allee ihren Platz gefunden hat.  

                Veit-Mario Thiede

Weitere Informationen über die noch bis zum 28. Februar gezeigte Ausstellung „Die Preußen im Westen. Kunst, Technik und Politik im 19. Jahrhundert“ erteilt das Museum LA 8, Lichtentaler Allee 8, Baden-Baden, Telefon (07221) 5007960, E-Mail: akuhn@museum.la8.de


S. 12 Leserforum

Leserforum

Abschied von der alten Zeit

Zu: Deutschland wird ausgewechselt (Nr. 49) und: Überzüchtet (Nr. 49)

Vielen Dank, Frau Herman und Herr Heckel, für Ihre – wie immer – sehr aktuellen und leider auch traurigen Bezüge zur gesellschaftlichen Situation Deutschlands und Europas. Der von Ihnen erklärte Austausch der Bevölkerung hat allerdings längst begonnen und schon sehr makabere Züge angenommen.

Beispiel: Syrische Männer, die der drohenden Einberufung entfliehen und in Deutschland als Asylanten „willkommen“ geheißen werden, Salafisten, die in den deutschen Asylantenheimen Kämpfer für den sogenannten Islamischen Staat rekrutieren, deutsche Soldaten, die einen Blutzoll – diesmal in Syrien – zahlen werden, weil es Politiker, die ohne jegliches Verantwortungsbewusstsein regieren (besser: agieren), so wollen.

Der deutsche Michel zahlt in jedem Fall die Steuerzeche und noch viel mehr. Und weil er so geduldig und ruhig ist, auch noch gern. Außerdem wird er so ganz nebenbei in MfS-Manier von der Gedankenpolizei unter die Lupe genommen werden.

Jedoch gibt es noch einige Wenige und Mutige, die nicht „dösen“ und Woche für Woche gegen den Irrsinn ihre Stimme erheben – auch wenn ihre warnenden Rufe mit staatlich gelenkter Demagogie und Propaganda zugeschüttet werden. Die alte Zeit ist tatsächlich vorbei – auch wenn es viele noch nicht sehen beziehungsweise sehen wollen.

M. Kristen, Duderstadt

 

 

Bewusst in die Irre geführt

Zu: Phrasen statt Taten (Nr. 48)

Klassischer Journalismus ist weitgehend aus der Mode gekommen. Alles redet den Regierenden nach dem Munde, das ist beinahe wie weiland in der DDR oder im Dritten Reich. Die Zahlen der bei uns ankommenden Flüchtlinge werden auch fast nicht mehr kommuniziert. Mal liest man, dass vom 5. September bis

15. Oktober 409000 Menschen gekommen sind, dann werden für den Oktober zirka 250000 angegeben. Wie soll man aus dem Wirrwarr der Zahlen noch was Richtiges herauslesen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Zufall ist. Hier soll ganz bewusst in die Irre geführt werden, um den Eindruck zu verwischen, dass bereits viel mehr als eine Million angekommen sind.

Über die Flüchtlingsmengen via Lampedusa/Italien hört man gar nichts, nur dass beispielsweise 4000 von einem deutschen Kriegsschiff gerettet und in Lampedusa angelandet wurden. Von da kommen doch auch Zehntausende bei uns an. Andere Länder der EU wehren sich mit Händen und Füßen, Flüchtlinge aufzunehmen, und Österreich versteht sich auch nur als Transitland.

Also, das böse Erwachen wird kommen, und den jetzt noch verblendeten freiwilligen Hilfewilligen wird angesichts der weiter anhaltenden Flut – Schäubles Vergleich von der Lawine ist da sehr treffend – sicher bald die Zornesröte ins Gesicht steigen, wenn sie denn merken, wie sie ausgenutzt und instrumentalisiert worden sind.

Rudi Armgardt, Viersen-Dülken

 

 

Hetze der NGO

Zu: Sie müssen wieder gehen (Nr. 49)

In dem Bemühen, die Ursachen der aktuellen illegalen Massenzuwanderung zu verstehen, stoße ich in verschiedenen Quellen auf die „Open Society“ des George Soros mit einem großen Netzwerk dutzender Vereinigungen, die – wie mir scheint – sektenartig organisiert sind. Ob die wohl auf der Selektorenliste des Verfassungsschutzes stehen?

Vor Jahren wurde ich schon einmal auf eine seiner Initiativen aufmerksam, die in Ländern der ehemaligen Sowjetunion kostenlos Schulbücher verteilte. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Dass es sich dabei um gezielte ideologische Unterwanderung handeln könnte, kam mir damals nicht in den Sinn.

Vor Kurzem las ich, dass diese NGO unter Putin verboten wurden. Da ging mir ein Licht auf! Soros sorgte vor einigen Jahren für Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass er es fertig brachte, die Bank of England für mehrere Tage durch eigene Transaktionen zu blockieren und dabei sein Vermögen deutlich aufzustocken.

Das finanzkräftige Stiftungsnetzwerk dieses „Philantropen“ scheint weltweit die geostrategischen Interessen der US-Außenpolitik zu unterstützen. Seit Jahren sind die von Soros geförderten Nicht-Regierungs-Organisationen auch in Europa aktiv. Das Perfide an deren Wirken ist, dass sie die emotional-moralische Seite von „Gutmenschen“ ansprechen und diese zur Hetze gegen die Ansichten eigenständig denkender Mitbürger verführen. Das hat zur Folge, dass ich mich kaum noch getraue, meine Ansichten offen zu äußern, weil ich fürchte, als „Böser“, politisch rechts Stehender, diffamiert zu werden – was ich niemals war und nie sein werde!

Ich hoffe, dass das Wirken dieser – demokratisch nicht legitimierten – Netzwerke bald stärker in das Licht der Öffentlichkeit gerückt wird und dass dieses dabei für entsprechende Schlagzeilen sorgen wird.

Einhard Miehlke, Hettingen

 

 

Eine Totengräberin

Zu: Gesinnungsethik statt politischer Verantwortung (Nr. 50)

Es ist dringend erforderlich, dass über das Widerstandsrecht weiterhin intensiv diskutiert wird. Wie lange sollen wir noch tatenlos zusehen, wie die Politiker das Volk zugrunde richten? Die Überflutung durch Fremdvölker war früher Krieg. Heute lässt sich das deutsche Volk wehrlos überrollen. Die Politiker wollen uns die tödliche Bedrohung mit euphemistischen Verharmlosungen wie „Zunahme von Konflikten“ schmackhaft machen.

In der Nachkriegszeit hatte man uns belehrt: Wir haben nun gesehen, wohin der Kadavergehorsam führt. Das darf sich nicht wiederholen. Im neuen Rechtsstaat ist jeder Bürger mitverantwortlich für das Wohl des Staates und muss handeln, wenn das Gemeinwohl durch die Obrigkeit gefährdet wird. Dabei wurde deutlich gemacht, dass nun jeder Bürger potenzielle Obrigkeit darstellt. In einer Notsituation sei auch ungewöhnliches, verantwortungsvolles Handeln gefordert.

Mit ihrem Gerede von der „Bereicherung durch Fremde“ hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die Denkweise links-subversiver Elemente übernommen. Auch damit soll uns schmackhaft gemacht werden, die deutsche Identität fahren zu lassen und uns in einem Völkerbrei aufzulösen. Auf die Hybris der Nazis wird hier mit gegenteiligem Extremismus geantwortet. Auf die propagandistische Massenbeeinflussung wird dabei nicht verzichtet. Müssen wir da nicht der Totengräberin des Volkes langsam in den Arm fallen, um noch das Schlimmste zu verhindern?

Wie wäre es, wenn das Mondgesicht als Frau Luna in höheren kosmischen Gefilden ihren Wahn austobt? Das Dilemma ist nur: Wenn dann der rote Erzengel kommt, hieße das, den Teufel mit Beelzebub auszutreiben.

Gerhard Synowzik, Stadtoldendorf

 

 

EU hat vor der Türkei kapituliert

Zu: Die Türkei und der IS (Nr. 50)

Die Türkei ist und bleibt ein islamischer Staat, der immer häufiger die Menschenrechte missachtet und hervorragend mit dem IS zusammenarbeitet. In den vergangenen 100 Jahren hat die Türkei es geschafft, das Land „christenfrei“ zu machen. Dabei hat sie auch nicht vor Völkermord zurückgeschreckt, nicht nur an Armeniern, sondern auch an anderen christlichen Minderheiten.

Die EU hat gegenüber der Türkei vollständig versagt und bei dem kürzlichen EU-Türkei-Gipfel bedingungslos kapituliert. Befremdlich war auch das kindische, unterwürfige Verhalten der EU-Politiker gegenüber der türkischen Delegation. Es ist seitens der EU unverantwortlich, der Türkei Visa-Freiheit ohne jede Bedingung zuzusagen. Schon die Praxis der jetzigen doppelten Staatsbürgerschaft ist ein Verbrechen, weil sie den einfachen Menschen nicht nützt, aber der Kriminalität alle Türen öffnete,

Geldzahlungen an die Türkei – wofür? Was zahlt die Türkei an die Europäische Union, weil wir doch die Flüchtlinge aufnehmen, die über ihr Land kommen? Von den Spekulanten aus der Türkei ganz zu schweigen, die viele Milliarden Euro am Elend der Vertriebenen verdienen, von der organisierten Kriminalität gegen den EU-Bürgen ganz zu schweigen. Wenn man schon Geldzahlungen der EU zusagt, sollte man klar festlegen, dass es nur diese eine Hilfe gibt, nur in materieller Form, die an genau so klare Bedingungen gebunden ist. Weder der türkische Staat noch seine Organisationen dürfen dieses Geld erhalten.

Und wer zahlt? Auf keinen Fall Deutschland, nicht einen Euro! Zahlen mögen ausnahmsweise einmal jene Staaten der EU, die sich zwar überall kräftig zu Wort melden, aber bei der Erfüllung von finanziellen Pflichten auf andere Staaten schielen. Ich denke da an Großbritannien, Polen, Litauen, Lettland, Estland, Tschechien, Ungarn und andere Staaten der Europäischen Union.

Europa hat es leider immer schon ignoriert: Vor über 1000 Jahren war das gesamte Gebiet der heutigen Türkei, Syriens und des Iraks christlich. Das Christentum hat sich ohne Zutun der römischen Reichskirche bis nach Indien, China und der Mongolei ausgebreitet. In den Jahren des Bürgerkrieges seit 2014 werden vermutlich die letzten Reste des Christentums in diesen Gebieten für immer ausgelöscht.

Wenn man also wissen will, wie der Islam wirklich ist, sollte man die Geschichte der christlichen Gesellschaften in den jeweiligen islamischen Staaten studieren. Und wer wissen möchte, was Europa in der Zukunft bevorsteht, der sollte sich einmal die heutige Situation der Christen in den führenden islamischen Staaten anschauen. Das alles ist keine billige Polemik, sondern es sind nachprüfbare Tatsachen.

Das, was sich derzeit an den Grenzen der Europäischen Union und in einigen ihrer Teilnehmerstaaten abspielt, ist nur ein leises Vorspiel der künftigen Flüchtlingsströme. Die Klimaveränderung und die hoffnungslose Überbevölkerung geben leider weder der Politik noch den Gesellschaften den Anstoß zum tatsächlichen Umdenken.

Werner Pfennig, Neubrandenburg

 

 

Unschöne neue Welt

Zu: Madame „Mom Merkels“ soziales Dynamit (Nr. 48)

Der Autor fragt: Wem nützt die Destabilisierung Europas? Diese steht doch im Einklang mit den Absichten der Verfechter der „neuen Weltordnung“. Diese Ideen finden sich schon bei Graf Coudenhove-Kalergi in den 1920er Jahren mit der Idee einer eurasischen Mischrasse. Der Science-Fiction-Autor H. G. Wells nahm diese Gedanken 1939 in seinem Sachbuch „The New World Order“ auf, und Th. P. M. Barnett präzisierte sie 2004 in einem Strategiepapier für die Globalisierung: Gleichschaltung der Länder der Erde durch Vermischung der Rassen. Es soll eine hellbraune Mischrasse entstehen mit einem durchschnittlichen IQ von 90; zu dumm, um zu begreifen, wozu sie missbraucht werden soll, aber intelligent genug, um neue Anweisungen zu befolgen und zu arbeiten – also eine Marionetten-Sklavenkaste. Das alles firmiert – welch ein Hohn – unter „Weltfriedensprogramm“.

Welch eine „herrliche“ Zukunft ist für die Menschheit geplant? Was man bisher leichtfertig als Verschwörungstheorie bezeichnet hatte, ist heute bittere Wirklichkeit geworden.

Martin Knappke, Karlsruhe

 

 

Es droht der endgültige Verlust der Heimat

Zu: Sie müssen wieder gehen (Nr. 49)

„Sie“ werden aber nicht gehen, denn erstens lebt es sich hier mit Sozialhilfe immer noch besser als mit Arbeit im Orient oder in Afrika; sodann gibt es bei uns eine mächtige Asyllobby, von der ein Teil auf eine Reservearmee billiger Arbeitskräfte abzielt, ein zweiter mit der Asylindustrie prächtige Geschäfte macht und ein weiterer die Abwicklung Deutschlands betreibt.

Angesichts der Menschenflut faseln die Volksverdummer von der Notwendigkeit einer Integration, worunter sie verstehen, dass man den Zuwanderern Deutschkurse, Wohnungen und Einkommen verschafft. Gesetzt, dies gelänge trotz der gewaltigen Zahl der zu Versorgenden, bleiben diese dennoch weiterhin Fremde aufgrund ihrer Muttersprache, Herkunft, Religion, Mentalität und Sozialisierung.

Integration ist ein langwieriger und mühsamer Prozess. Als wirklich integriert darf nur der gelten, der die deutsche Sprache in Wort und Schrift beherrscht, unsere Gesetze, Werte und Normen vorbehaltlos anerkennt, mit unserer Geschichte, Musik, Literatur und Kunst halbwegs vertraut ist. Doch selbst das garantiert nicht die zwingend gebotene Loyalität. Obendrein sind ein Viertel der Zuwanderer Analphabeten, zwei Drittel haben keine verwendbare Qualifikation, und keiner beherrscht die Landessprache. Somit ist eine echte Integration völlig ausgeschlossen. Sie könnte frühestens in der dritten Generation erfolgen.

Uns, das Volk, der Souverän, die Bürger, die schweigende Mehrheit, befragen die Herrschenden leider nicht. Sie sollten aber zur Kenntnis nehmen, dass dies unser Land ist, das unsere Vorfahren in jahrhundertelanger Arbeit haben entstehen lassen, und nicht das von Fremden, die uneingeladen hereindrängen. Wir müssen keineswegs die totale Umgestaltung unseres Landes „schaffen“. Bei Fortdauer der Merkelschen Überfremdungspolitik werden die autochthonen Deutschen schon in naher Zukunft nur noch eine Minderheit im eigenen Land sein. Nach dem Verlust der deutschen Ostgebiete droht nun allen der Verlust der Heimat.

Adolf Frerk, Geldern

 

 

EU-Eingangstür

Zu: EU in Lebensgefahr (Nr. 50)

Die Europäische Union ist einst gegründet worden, um die berechtigten individuellen Interessen ihrer einzelnen Staaten zu vertreten. So wie keiner auf die Idee käme, beim Bau eines Einfamilienhauses die Eingangstür wegzulassen, ist es auch richtig, dass jeder Staat seine legitimen nationalen Interessen vertritt und sich dagegen verwahrt, dass sie in einem „Einheitsbrei“ untergehen. Die EU als Bündnis der Vater­länder − das ist die einzig richtige Antwort auf die Zerwürfnisse der Gegenwart.

Claus Hörrmann, Neustadt


S. 13 Das Ostpreußenblatt

Die Allensteiner Straßenbahn rollt
Gemäß einem EU-Projekt von 2006 ist der erste Abschnitt des Netzausbaus geschafft

Vergangenen Monat wurden in Allenstein drei neue und lange geplante Straßenbahnlinien in Betrieb genommen. Die Stadt verfügt nun über ein ökologisches Verkehrsnetz.

Am 19. Dezember um 12 Uhr war es so weit: Vor dem Rathaus in Allenstein eröffnete Stadtpräsident Piotr Grzymowicz offiziell die erste Linie des neuen Straßenbahnnetzes, die vom Hauptbahnhof nach Jomendorf führt. Am 27. Dezember folgte Linie 2 von Jomendorf zum Hohen Tor, an Silvester nahm Linie 3 vom Hauptbahnhof zur Julian-Tuwim-Straße bei der Ermländisch-Masurischen Universität den Betrieb auf. Bis zum Jahresende konnten die Bürger der Stadt die Straßenbahnen gratis nutzen.

Bereits 1907 verfügte die Stadt Allenstein unter Oberbürgermeister Oskar Belian über eine Straßenbahn, deren Betrieb Mitte der 60er Jahre eingestellt wurde. Mit einem 2006 eingereichten EU-Projekt wurde Allenstein die erste polnische Stadt, die ein Straßenbahnnetz neu einrichtet. Einige Gründe dafür fasste Grzymowicz zusammen: „Im Stadtzentrum haben wir Probleme mit den Grenzwerten für Luftschadstoffe. Mit einem guten öffentlichen Personennahverkehr, zum Beispiel mit Straßenbahnen, die in engem Zeittakt jeweils 200 Personen transportieren können, senken wir die Emissionen, auch die Zahl von Verkehrsunfällen und somit gesellschaftliche Folgekosten.“

Terminverschiebungen und Verspätungen in der Projektrealisation, zuletzt auch gleichzeitige Baustellen an vielen Stellen der Stadt, sorgten für Unmut bei den Bürgern. Das sei einerseits verständlich, so Mirosław Arczak, der Bevollmächtigte Allensteins für die Entwicklung der Fahrradkommunikation, aber: „Die Straßenbahn hätten wir in drei Monaten bauen können. Doch im Projekt waren auch der Austausch von Gas- sowie zum Teil 100 Jahre alten Wasser- und Abwasserleitungen integriert, die Neugestaltung von Straßen und Begleitgrün, frische Straßendecken sowie Fahrrad- und Gehwege.“

Im Oktober waren planmäßig 50 Jahre nach der Einstellung der ersten Straßenbahn die Bauarbeiten am Gleiskörper beendet. Seither trainieren die Straßenbahnfahrer, die letzten Schwierigkeiten entlang der Strecken werden beseitigt, Haltestellen und Grünflächen fertiggestellt. Stellenweise wird sogar mit Gras zwischen den Schienen experimentiert. Andrzej Karwowski, der Leiter des Straßenbahnprojekts im Allensteiner Rathaus, erklärt das mit Lärmminderung: „Das grüne Gleisbett ist ein Element, das wir in der Wincent-Witos- und Bischof-Tadeusz-Płoski-Straße einführen. Zum einen ist das eine Frage der Ästhetik, zum anderen verlaufen die Gleise hier sehr nah an Wohngebäuden. Das Gras dämmt Fahrgeräusche ab, wie Erfahrungen aus Stettin zeigen.“ Ist der Versuch erfolgreich, soll diese Methode auch an anderen Stellen in Allenstein angewandt werden.

Auf die Bewohner der Stadt warten jetzt geänderte Ampelschaltungen, noch nicht gewohnte Verkehrsteilnehmer in Form von Radfahrern und der Straßenbahn, aber auch das Erlebnis von Fahrten mit dem neuen Transportmittel. Ausprobieren konnten sie dies am Tag der offenen Tür der Allensteiner Verkehrsbetriebe am 6. Dezember. Neben einer Freifahrt zum Bahnhof und zurück gab es eine riesige Torte in Form einer Straßenbahn und Geschenke vom Nikolaus, der an diesem Tag in Grün gekleidet war – in der Farbe, welche die Allensteiner für ihre Straßenbahn gewählt haben.

Fünf Tage später, am 11. Dezember, transportierte diese einen Weihnachtsmann im traditionell rotenMantel vom Hohen Tor nach Jomendorf. Aus Rovaniemi in Lappland, der Partnerstadt Allensteins, war der dort beheimatete Heilige zum 7. Ermländischen Weih-nachtsmarkt gekommen und besuchte anschließend die Kinder der Maria-Fatima-Gemeinde am anderen Ende der Strecke der Straßenbahn. Seit dem 19. Dezember können nicht nur er, sondern alle Allensteiner die Straßenbahn nutzen. Und während die Fahrzeuge auf den ersten Strecken ihren Dienst beginnen, laufen bereits die Vorbereitungen für den Bau eines zweiten Abschnitts, der voraussichtlich von Jomendorf über Bergenthal in Richtung Bahnhof führen wird. Uwe Hahnkamp


Mit Segeln und Rudern
Ozeanmuseum führte Regatta auf dem Pregel in Königsberg durch

Das Königsberger Ozeanmuseum konnte bei seiner außergewöhnlichen Veranstaltung „Wasserversammlung“ im Spätherbst zahlreiche Gäste begrüßen. Sie wohnten dem  Vorbeizug von Segel- und Motorjachten bei, die majestätisch über den Pregel glitten. Die Zuschauer begeisterte auch eine Schau sogenannter „Flyboarder“, die über die Wasseroberfläche schwebten.

Der sehenswerteste Teil des Fests war die Parade der historischen Schiffe, an der die Flotte des Museums teilnahm. An der Uferstraße des Museums waren an diesem Tag Kanus der Tschuktschen, finnische und norwegische Boote, Kurenkähne sowie andere Boote zu sehen. Höhepunkt war eine Segelregatta. Am diesem Wettbewerb nahmen neun Erwachsenen- und vier Jugendmannschaften teil.

Seit 1999 finden jährlich Wettbewerbe mit Segelbooten im Königsberger Zentrum statt. Die steigende Zahl der Teilnehmer und der Zuschauer zeugt von großer Beliebtheit.

Zur gleichen Zeit fand im Ozeanmuseum eine „Bootmann-Börse“ statt. Die gesamte Uferstraße des Museums hatte sich an diesem Tag in eine Fußgängerzone verwandelt. Hier gab es Work-shops für die Herstellung der Takelage und das Knüpfen von Knoten. Außerdem wurden verschiedenste Schiffsmodelle gezeigt, Taucher sanken in die Hafenbecken ab, und viele verschiedene Künstler traten auf. Ein Café lud zum Verweilen ein.

Neben zahlreichen Touristen aus Polen und Litauen nahmen auch Gäste aus dem fernen Japan teil. Eine japanische Delegation war zur Eröffnung der Ausstellung „Geschichte der Kirschblüte“ angereist, die dem 160. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Russland und Japan gewidmet war.

Die Ausstellung schildert die komplizierte Beziehung beider Länder am Ende des 18. Jahrhunderts. In der Ausstellung werden Modelle von Schiffen dieser Zeit gezeigt neben japanischen Alltagsgegenständen sowie Zeichnungen und Büchern. Darüber hinaus gab es ein Treffen der Mitglieder des Klubs der japanisch-russischen Freundschaft und eine Erzählung über Traditionen des Schiffsbaus in Japan.

Das Fest endete mit einem fulminanten Feuerwerk über den Türmen des Friedrichsburger Tors, einer Filiale des Ozeanmuseums.             Jurij Tschernyschew


Zeitzeugenberichte
Buch über Kindheit in Rastenburg geplant

Anfang Dezember organisierten die Gesellschaft der Freunde von Rastenburg, die Arno-Holz Gesellschaft für deutsch-polnische Verständigung und der Verein der Deutschen Minderheit in Rastenburg in der Stadtbibliothek in Rastenburg eine Tagung mit dem Titel „Sie waren hier, bevor wir da waren“.

Es sollte die Endphase der Vorbereitungen für die Veröffentlichung des Buches mit dem gleichen Titel sein, das über die Bewohner Rastenburgs [Ketrzyn] und der Umgebung, die nach dem Kriegsende auf diesem Gebiet geblieben sind, erzählt. Das Buch ist eine Folge von Interviews, die Maria Skibinska geführt hatte. Während der Tagung berichteten auch die Zeitzeugen über ihre Kindheit in Rastenburg und über die Geschehnisse nach dem Krieg. Neben einigen schönen Kindheitserlebnissen waren es oft schwierige, dramatische und vom Krieg gekennzeichnete Erinnerungen. Die Herausgabe des Buches soll von dem Bürgermeister von Rastenburg finanziell unterstützt werden.              E.G.


MELDUNGEN

»Bethlehem der Nationen«

Heilsberg – Am 13. Dezember fand das 22. Adventstreffen „Bethlehem der Nationen“ statt, das von dem deutschen Verein in Heilsberg organisiert wurde. Bei feierlicher Atmosphäre trafen sich in dem Kulturhaus in Neuhof bei Heilsberg drei Nationen: Deutsche, Polen und Ukrainer. Auf der Bühne präsentierten die Kinder des deutschen Vereins ein Theaterstück, später führte die Volkstanzgruppe „Saga“ aus Bartenstein ostpreußische Volkstänze auf. Es wurden polnische, deutsche und ukrainische Advents- und Weihnachtslieder gesungen. Zum Schluss kam noch der Weihnachtsmann und bescherte die Gäste mit Geschenken.           E.G.

 

Michelin hat investiert

Allenstein – Auf dem Allensteiner Grundstücksmarkt ist ein Aufschwung zu verzeichnen. Michelin hat ein Grundstück für 11,8 Millionen Euro gekauft, das vorher gepachtet war. Die Ermländisch-Masurische Universität fand nach langjährigem Suchen einen Käufer für das Gelände im Kreuzungsbereich Sikorskiego–Tuwima-Straße. Vier von sieben Grundstücken im Gewerbegebiet am Okull-See sind ebenso verkauft. Die Stadt verdiente an diesem Verkauf mehr als 700000 Euro, aber der Preis war nicht das Wichtigste, wie Stadtpräsident Piotr Grzymowicz erklärte. Der Prorektor der Universität, Miroslaw Gornowicz, bestätigte, dass der Aufschwung auf dem Grundstücksmarkt ein Zeichen guter Wirtschafts-Konditionen sei.       PAZ

 

Tagebau wurde renaturiert

Königsberg. – Die Behörden haben einen illegalen Bernsteintagebau in Bledau geschlossen und dessen Gelände renaturiert. Der Förderbereich soll laut offizieller Einschätzung für 30 Prozent des „schwarzen“ Bernsteinabbaus im Königsberger Gebiet verantwortlich gewesen sein. Für die Verfüllung der Krater wurden über 500000 Kubikmeter Erde hertransportiert, was über einen Monat dauerte.               T.W.W.

 

Störungen des Verkehrs

Allenstein – Straße Nr. S7: Liebemühl [Miłomłyn], Baustelle. Straße Nr. 7: Liebemühl [Miło-młyn] – Osterode [Ostróda], Baustelle; Zalusken [Załuski] – Napierken [Napierki], Baustelle. Straße Nr. 7j: Zalusken [Załuski] – Neidenburg [Nidzica], Baustelle. Straße Nr. 16: Osterode [Ostróda] – Martenshöh [Marciniaki], Baustelle. Straße Nr. 22: Elbing [Elblag] – Fichthorst [Jegłownik], Baustelle. Straße Nr. 51: Allenstein [Olsztyn] – Pagelshof [Ameryka], Baustelle. Straße Nr. 57: Gallingen [Galiny], Baustelle; Eichtal [Debówko] – Ortelsburg [Szczytno], Baustelle.   E.G.


S. 14 Ostpreussische Familie

Lewe Landslied,              
liebe Familienfreunde,

das Jahr, das nun hinter uns liegt, war für unsere Ostpreußische Familie ein erfreuliches, denn es hat erneut bewiesen, dass längst nicht alles vergessen ist, was lange verschwiegen wurde. Zu unserem Hauptthema, die große Flucht, konnten wir zeitgleich mit dem Geschehen vor genau 70 Jahren authentische Aufzeichnungen aus Kreisen der Erlebnisgeneration bringen und damit den jüngeren Leserinnen und Lesern ein Bild von den für sie unvorstellbaren Vorgängen vermitteln. So manche Zuschrift erwies sich als ein untrügliches Dokument der Vertreibung, weil es aus Tagebuchaufzeichnungen bestand, die noch während der Flucht stichwortartig gemacht wurden. Leider konnten wir nur einen Teil der Zuschriften bringen, weil sich viele Aufzeichnungen zeitgleich überschnitten. Aber sie werden archiviert und können bei anderer Gelegenheit verwendet werden. Allen, die uns im Laufe des Jahres ihre Erlebnisberichte zugesandt haben, sei hiermit Dank gesagt.

Der gilt auch den Mithelfern aus unserem Leserkreis, die immer bereit sind, ihre Erfahrungen, Kenntnisse und Verbindungen einzubringen und dazu beitragen, dass Wünsche erfüllt und Fragen gelöst werden können. Wenn sich heute noch Verwandte finden, die vermisst waren oder von deren Existenz überhaupt nichts bekannt war, wenn sich alte Freunde wieder sehen oder neue Verbindungen entstehen, dann bewirkt das oft unser Familienkreis. Oder wenn das heimatliche Umfeld von Eltern oder Großeltern, die schon verstorben sind, auf Wunsch der Nachkommen erhellt werden soll, tritt unsere Familie auf den Plan. Aber auch für die kleinen Wünsche sind wir da wie für Erlebnisberichte aus unserer Heimat, wenn sie für unsere Ostpreußische Familie geschrieben wurden.

Gerade in den letzten Wochen hat sich viel getan, und unseren schönsten Erfolg wollen wir gleich vorweg nehmen. In Folge 40 hatten wir den Wunsch von Frau Angelika Eybe aus Wuppertal gebracht, die nach einer metallenen „Stanze“ suchte, die ihre Großmutter für die Marzipanbäckerei benötigte. Mir war solch ein Gegenstand fremd, wir hatten uns im Familienbetrieb mit einfachen Ausstechformen begnügt und es damit auch zu einer beachtlichen Produktion gebracht – deshalb nahm ich an, dass solch eine Marzipanstanze eher für die Großbäckerei gedacht war. Nun wollte Frau Eybe, die ihrer Oma nur zu gerne beim Marzipanbacken geholfen und sich sogar bis zur Stanze hochgearbeitet hatte – was eine Art Auszeichnung war! –, die Tradition fortsetzen, was ihr nun auch gelingen wird. Denn kaum war ihr Wunsch erschienen, meldete sich unser Leser Hans-Jürgen Jahnke aus Blaustein, und übermittelte uns eine detaillierte Lösung dieses Problems, die keine Frage mehr offen lässt:

„Das Rätsel um die Stanze ist lösbar. Bei der Kreisgruppe Ulm gab es einen technisch begabten Herrn, der diese Geräte gebaut hat. Leider ist er vor einiger Zeit verstorben. Meine Mutter und ich haben mit solch einer Stanze für diese Weihnachten in unserer Kreisgruppe einige Kilogramm Königsberger Marzipan bereitet – anstrengend, aber lecker!“ Das kann ich mir vorstellen, wenn ich die Abbildung dieses handgearbeiteten Gerätes sehe, die Herr Jahnke uns übermittelte. Noch erschöpfender wird die Auskunft durch seinen Hinweis, dass es auch heute möglich sei, sich diese Marzipanstanzen neu zu beschaffen. So führt die Firma Dedy GmbH in Essen solche Geräte in ihrem Katalog. Das Angebot beinhaltet Formen für Herzchen, Rundpralinen und quadratische Stücke. Auch hierzu übersandte uns Herr Jahnke einige Fotos. Diese knappe, aber auf den Punkt gebrachte Auskunft übermittelte uns Herr Jahnke noch vor dem Fest, sodass wir sie Frau Eybe rechtzeitig übermitteln konnten. So schnell und so informativ ist noch selten ein Wunsch erfüllt worden. Und dafür möchten wir uns bei Herrn Jahnke herzlich bedanken.

Für Herrn Gerd Pest hatte allerdings die Überraschung, die auf ihn in unserer Kolumne wartete, einen nicht vorgesehenen Verzögerungseffekt. Die Familie Pest aus dem Königsberger Vorort Juditten sucht seit Kriegsende nach ihrer ehemaligen Hausgehilfin Melina Nickel, konnte aber nie etwas über den Verbleib ihrer „Lina“ erfahren, die Anfang 1945 als Luftwaffenhelferin bei der Verteidigung von Königsberg eingesetzt worden war. Letzte Möglichkeit, etwas über Linas Verbleib zu erfahren, war für Herrn Pest eine späte Suche über unsere Ostpreußische Familie, die in Nummer 31 erfolgte. Große Hoffnung hatte er allerdings auch nicht, dass sich irgendwelche Hinweise ergeben könnten, und er schien Recht zu behalten. So beurteilte er jedenfalls die Lage, als er von einer längeren Reise nach Hause kam, die ihn und seinen in Amerika lebenden Bruder nach Ostpreußen geführt hatte, weil dieser seinen beiden Söhnen die Heimat ihrer Vorfahren zeigen wollte. „Leider hat, wie vorausgesehen, dieser Aufruf keinen Erfolg gehabt“, bestätigte uns Herr Pest in einem Schreiben vom 11. Dezember, nicht wissend, dass inzwischen ein brauchbarer Hinweis, dass Lina das Kriegsende überlebt und erst vor einigen Jahren verstorben sei, eingegangen und von uns veröffentlicht worden war. Aber das klärte sich schnell, wie er uns an einem bereits am nächsten Tag geschriebenen Brief mitteilte:

„Durch längere Abwesenheit kam ich nicht dazu, alle Ausgaben der PAZ chronologisch zu lesen. Als ich nun gestern in der Angelegenheit der Lina Nickel den Brief an Sie bei der Post abgegeben hatte, schlug ich abends die PAZ Folge 36 auf. Sofort fiel mir das Foto von der Juditter Kirche auf, in der ich getauft wurde. Sie können sich meine Überraschung und Freude vorstellen, als ich die Neuigkeiten las. Ich konnte es kaum fassen. Im Familienkreis waren wir alle der Meinung, dass sie das Kriegsende nicht überlebt hatte. Ich bin mehr als gespannt wie die Spurensuche weitergeht. Da ich Weihnachten bei meinem Bruder in den USA verbringe, werden wir viele Vermutungen anstellen. Ich werde ihn vorher über den neuen Sachverhalt telefonisch informieren.“ Auch wenn die Gesuchte bereits verstorben ist, so ist schon allein die Gewissheit, dass sie die Schicksalsjahre überlebt hat, für die Familie Pest von großer Bedeutung.

Gewissheit möchte auch Frau Renate-Therese Schauer aus Berlin haben: Gewissheit über ihre Herkunft, denn sie wurde schon als Siebenjährige adoptiert. Und da ihre leiblichen Eltern aus Ostpreußen stammten, versucht die nun 75-Jährige über unsere Ostpreußische Familie etwas zu erfahren. Mit der Adoption ging auch ihr Geburtsname verloren, aber er blieb in ihrem Gedächtnis haften, und wenn dieser Name ab und zu einmal auftaucht, lässt er sie nicht mehr los: Ostrowski. Die Familie stammt aus Arys, dort wurde ihr Vater Richard Ostrowski am 15. April 1913 geboren, von dort aus ging die fünfjährige Renate-Therese mit ihrer Großmutter Marie Kuberka geborene Czychi auf die Flucht. Die am 29. Juli 1914 geborene Mutter des Kindes, Helene Ostrowski geborene Kuberka, verstarb im Oktober 1945, der Vater war als Feldwebel bereits 1942 an der Ostfront in Riga gefallen. Das Waisenkind kam zu einem Ehepaar in Pflege und wurde von diesem 1947 adoptiert, nahm somit auch deren Namen an. Es gab nie eine Verbindung zu Angehörigen der Familie Ostrowski, Frau Schauer weiß nicht, ob es überhaupt Verwandte gibt – hofft aber, nun endlich welche zu finden. Selbst wenn sich keine Nachkommen der Familien Ostrowski, Kuberka und Czychi aus dem Raum Arys melden, wäre Frau Schauer sicher dankbar, wenn ehemalige Nachbarn oder Freunde dieser Familien sich melden würden, damit sie vielleicht etwas über ihre leibliche Familie erfahren kann. „Nach so langer Zeit ist das sicher schwer zu ermitteln“, meint die Suchende selber, aber der Wunsch, endlich einmal etwas über ihre Abstammung zu erfahren, wird immer größer. Wer einen Hinweis geben kann, wende sich bitte an Frau Renate-Therese Schauer, Grabensprung 204 in 12683 Berlin.

Das ist längst nicht alles. Und wir werden in der nächsten Zeit noch einige Überraschungen erleben. Eine betrifft das – noch – bei uns befindliche amerikanisch-deutsche Gesangbuch der Evangelisch-Lutherischen Synode von Wisconsin, über das wir in Folge 49/15 berichteten. Jahrzehntelang hatte sich nichts getan – und nun kommt es gleich doppelt. Aber das ist eine lange Geschichte, in der Ostpreußen doch eine Rolle spielt, was nicht zu vermuten war. Aber ehe wir darüber berichten, müssen wir noch bei unseren Informanten nachfassen, und da auch eine Spur nach Amerika führt, bedarf es noch einige Zeit bis zur Veröffentlichung. Aber dann wird es interessant!

Eure Ruth Geede


Überangebot touristischer Attraktionen
Aber keines der Tiroler Häuser im Riesengebirge ist mehr zugänglich

Das Riesengebirgsvorland um Hirschberg hat als „Tal der Schlösser“ seit der sogenannten Wende mehr und mehr von seinem alten Glanz wiedergewonnen. Besonders reich ist die Gemeinde Zillerthal-Erd­manns­dorf [Mysłakowice] mit historischen touristischen Attraktionen gesegnet.

In den Gemeindegrenzen liegt neben Schloss Erdmannsdorf auch Schloss Fischbach [Karpniki], eine einstige Residenz des Prinzen Wilhelm von Preußen, eines Bruders des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm III., oder Schloss Lomnitz. Die schlesische Rückkehrerfamilie von Küster hat hier ein Hotel mit kulturellem Zentrum geschaffen. Im Hauptort der Gemeinde hingegen fühlt man sich seit fast 180 Jahren in die Alpen versetzt. Der deutsche Ortsname verrät die Herkunft der Erbauer von etwa 40 Anwesen – der bekanntesten Touristenattraktion des Ortes. Die Siedler stammten aus dem Zillertal in Tirol, wo sich nach der Gegenreformation Protestanten halten konnten. Kaiser Joseph II. hatte ihnen eine eigene Kirchgemeinde gestattet, doch unter der Regentschaft des katholischen Erzbischofs von Salzburg war ihnen zum Beispiel der Erwerb von Liegenschaften nahezu unmöglich. Neugeborene wurden in Abwesenheit der Eltern gar in der katholischen Kirche getauft. Mit der Eheschließung musste man auf den evangelischen Glauben verzichten – oder auf die Ehe. Über solche Zusammenhänge, die 1837 zur Auswanderung von 416 Tirolern nach Preußen führten, konnten sich Touristen zuletzt im einzigen zugänglichen Tirolerhaus der Gemeinde, dem „Dom Tyrolski – Tiroler Hof“ kundig machen. Hier konnte man zünftig speisen, und neben der Gastronomie beherbergte das Haus eben auch ein kleines Museum.

Doch vergangenes Jahr wurde die Gemeinde vom geplanten Verkauf des Hauses überrascht. Ein herber Schlag für die Vermarktung der Tiroler Geschichte, sind die übrigen der einst 67 Tiroler Häuser, welche die Zeiten überdauerten, doch allesamt Privathäuser. 2006 etwa hatten gar 56 Nachkommen von Tiroler Auswanderern nach Chile, die 1850 dort eine weitere Siedlung bildeten, in Zillerthal-Erdamnnsdorf mit den Einwohnern der polnischen Gemeinde gefeiert, aus der die Nachkommen der Tiroler nach 1945 freilich wie die übrigen Deutschen vertrieben wurden.

Auch solche Feste könnten derzeit keinen passenden Rahmen im Riesengebirge finden. Dabei sah das vor einigen Jahren noch ganz anders aus. Vor der Jahrtausendwende hatte ein Zillertaler aus Mayerhofen hier mit einem Südtiroler den Tiroler Hof renoviert. Doch der avisierte Gewinn aus der Verpachtung blieb aus. Der Tod des Mayerhofener Investors und die Entfernung taten ihr übriges. Nun ist der Tiroler Hof bei der Immobilienagentur Reschke und Partner aus Krummhübel [Karpacz] im Angebot, was letztlich eine touristische Weiternutzung ermöglicht – aber eben nicht garantiert. Reschke, der lange am Bodensee lebte, fehlt selbst das nötige Kleingeld, in seinem Heimatort selbst zu investieren.

Die deutschsprachige Gemeinschaft der alten und neuen Bewohner war im 19. Jahrhundert übrigens schnell zusammengewachsen. Großen Anteil daran hatte mit ihrem karitativen Wirken die Gräfin von Reden, der es auch zu verdanken ist, dass die norwegische Stabsholzkirche aus Wang nach Krummhübel [Karpacz] versetzt wurde. Dieses Überangebot an regionalen Besonderheiten im Riesengebirge und im Tal der Schlösser lässt Touristen heute aber auch schnell weiterziehen. Und aufgrund fehlender Nachkommen von Tirolern im Ort ist ohnehin ein Stück Mythos verloren und der Ort seit 70 Jahren gewissermaßen nur Kulisse. Ein Restaurant mit Museum konnte diesen Makel nach 1945 letztlich nie wirklich überdecken, auch wenn sich viele Polen von der kuriosen und romantischen Bebauung angezogen fühlen.   Edmund Pander


S. 15 Glückwünsche

Wir gratulieren

ZUM 100. GEBURTSTAG

Thiede-Klaiber, Gabriele, geb. Tetzlaff, aus Lötzen, am 2. Januar

Trojan, Lieselotte, aus Jürgenau, Kreis Lyck, am 5. Januar

ZUM 99. GEBURTSTAG

Trautmann, Marta, geb. Kerwel, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 7. Januar

ZUM 98. GEBURTSTAG

Riedel, Hildegard, aus Rostken, Kreis Lyck, am 3. Januar

ZUM 96. GEBURTSTAG

Fabian, Emil, aus Lübeckfelde, Kreis Lyck, am 5. Januar

Lau, Martha, geb. Engelke, aus Inse, Kreis Elchniederung, am 7. Januar

Lesniowski, Helga, geb. Gogolin, aus Geigenau, Kreis Lyck, am 1. Januar

Neumann, Hans-Hubert, aus Starkenberg, Kreis Wehlau, am 1. Januar

Prinz, Else, geb. Zilkenath, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 1. Januar

Rother, Frieda, geb. Konstanty, verw. Schmidt, aus Petersgrund, Kreis Lyck, am 7. Januar

Schmidt, Elli, geb. Luick, aus Neukuhren, Kreis Samland, am 4. Januar

ZUM 95. GEBURTSTAG

Bauer, Gertrud, geb. Kupiczenski, aus Lyck, von Mackensen-Straße 2, am 7. Januar

Krah, Elise, geb. Konrad, aus Liebnicken, Kreis Preußisch Eylau, am 3. Januar

Kunert, Rosemarie, geb. Maeckelburg, aus Treuburg, am 3. Januar

Linkel, Martha, geb. Seller, aus Mulden, Kreis Lyck, am 5. Januar

Richardt, Johanna, geb. Berge, aus Wehlau, am 3. Januar

ZUM 94. GEBURTSTAG

Borowy, Gertrud, aus Borschimmen, Kreis Lyck, am 6. Januar

Dröse, Emma, geb. Eichert, aus Tauern, Kreis Ebenrode, am 7. Januar

Hauschild, Gerda, geb. Bastian aus Angertal, Kreis Angerburg, am 1. Januar

Plath, Anni, geb. König, aus Moterau, Kreis Wehlau, am 5. Januar

Rogowski, Erna, geb. Joswig, aus Ehrenwalde, Kreis Lyck, am 7. Januar

Walleit, Anneliese, geb. Just, aus Frischenau, Kreis Wehlau, am 3. Januar

Wiegmann, Hildegard, geb. Szesny, aus Birkenwalde, Kreis Lyck, am 4. Januar

ZUM 93. GEBURTSTAG

Brachmann, Gertrud, geb. Bondzio, aus Herzogskirchen, Kreis Treuburg, am 1. Januar

Dorß, Annemarie, geb. Buhl, aus Maschen, Kreis Lyck, am 1. Januar

Dürr, Christel, geb. Heinrich, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 1. Januar

Hedrich, Margarete, geb. Lutz, aus Wiesengrund, Kreis Lyck, am 4. Januar

Heibutzki, Otto, aus Krupinnen, Kreis Treuburg, am 4. Januar

Hiesler, Ewald, aus Rastenburg, am 2. Januar

Höppner, Ilse, geb. Tobleck, aus Poppendorf, Kreis Wehlau, am 6. Januar

Kuehl, Elsbeth, geb. Biallas, aus Stosnau, Kreis Treuburg, am 4. Januar

Kugge, Gertrud, aus Gorlau, Kreis Lyck, am 7. Januar

Mühlfellner, Edith, geb. Broszeit, aus Gronwalde, Kreis Elchniederung, am 4. Januar

Salecker, Kurt, aus Ebenrode, am 7. Januar

Strycker, Hildegard, geb. Mertinkat, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 1. Januar

ZUM 92. GEBURTSTAG

Boblies, Olga, geb. Haberkorn, aus Schröttersburg, Kreis Zichenau, am 18. Dezember

Evers, Lotti, geb. Cub, aus Prostken, Kreis Lyck, am 1. Januar

Göb, Marianne, aus Steinberg, Kreis Lyck, am 1. Januar

Hansen, Lotte, geb. Kaßmekat, aus Kuglacken, Kreis Wehlau, am 2. Januar

Hirsch, Gertrud, geb. Benger, aus Schloßbach, Kreis Ebenrode, am 1. Januar

Kempchen, Lisbeth, geb. Taubert, aus Scharnau, Kreis Neidenburg, am 2. Januar

Schmidt, Gertrud, geb. Knorr, aus Sanditten, Kreis Wehlau, am 7. Januar

Schneider, Johanna, geb. Ullrich, aus Wehlau, am 6. Januar

Vanderstoep, Margarete, geb. Kubillun, aus Ebenrode, am 6. Januar

ZUM 91. GEBURTSTAG

Baus, Liesbeth, aus Lissau, Kreis Lyck, am 3. Januar

Gründler, Edith, geb. Scherello, aus Heldenfelde, Kreis Lyck, am 5. Januar

Harder, Sigismund, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 4. Januar

Neumann, Agnes, aus Marienburg, am 3. Januar

Schimanski, Herbert, aus Seehag, Kreis Neidenburg, am 5. Januar

Schmidt, Heinz, aus Schönhofen, Kreis Treuburg, am 6. Januar

Schönlein, Herta, geb. Hornberger, aus Windkeim, Kreis Heiligenbeil, am 1. Januar

Skupsch, Werner, aus Kobulten, Kreis Ortelsburg, am 7. Januar

Watzkat, Heinz, aus Rossitten, Kreis Samland, am 5. Januar

Wittke, Harry, aus Nadrau, Kreis Samland, am 5. Januar

ZUM 90. GEBURTSTAG

Augustin, Waltraud, geb. Doliwa, aus Hornheim, Kreis Neidenburg, am 7. Januar

Brodowski, Herta, aus Deutscheck, Kreis Treuburg, am 3. Januar

Czarnetzki, Erich, aus Gartenau, Kreis Neidenburg, am 4. Januar

Dolassek, Helga, geb. Hendriog, aus Lötzen, am 3. Januar

Hinz, Dora, geb. Hebmüller, aus Sandau, Kreis Ebenrode, am 4. Januar

Horn, Elli, geb. Lemke, aus Schakendorf, Kreis Elchniederung, am 4. Januar

Klimach, Ulrich, aus Paterswalde, Kreis Wehlau, am 7. Januar

Klötzer, Elli, geb. Bult, aus Grünhoff, Kreis Samland, am 1. Januar

Klotz, Elsbeth, geb. Schimanski, aus Seehag, Kreis Neidenburg, am 6. Januar

Koch, Ruth, geb. Rogowski, aus Lyck, am 2. Januar

Luthi, Vera, geb. Tramowsky, aus Seckenburg, Kreis Elchniederung, am 7. Januar

Oesterle, Helmut, aus Lablacken, Kreis Labiau, am 4. Januar

Reiniger, Willi, aus Mingfen, Kreis Ortelsburg, am 1. Januar

Rossa, Erna, geb. Kensy, aus Montwitz, Kreis Ortelsburg, am 2. Januar

Stegeberg, Christel, geb. Vogel, aus Tawellenbruch, Kreis Elchniederung, am 5. Januar

Straight, Margarete, geb. Abrosat, aus Preußenwall, Kreis Ebenrode, am 2. Januar

Thalmann, Siegfried, aus Zimmerbude, Kreis Samland, am 2. Januar

ZUM 85. GEBURTSTAG

Atrott, Otto, aus Groß Trakehnen, Kreis Ebenrode, am 5. Januar

Baltruschat, Erich, aus Burgkampen, Kreis Ebenrode, am 5. Januar

Bretzke, Elfriede, geb. Friedrich, aus Lyck, am 5. Januar

Broschk, Jörg Reinhard, aus Neidenburg, am 1. Januar

Ciesla, Paul, aus Steinberg, Kreis Lyck, am 2. Januar

Ewald, Edith, geb. Biallas, aus Lyck, am 3. Januar

Fröhlian, Heinrich, aus Klein Lasken, Kreis Lyck, am 4. Januar

Greschat, Klaus, aus Wiesenhöhe, Kreis Treuburg, am 3. Januar

Grossmann, Arnold, aus Lötzen, am 1. Januar

Gugat, Benno, aus Gerhardsweide, Kreis Elchniederung, am 6. Januar

Hanke, Ilse, geb. Masurat, aus Seckenburg, Kreis Elchniederung, am 5. Januar

Hartstang, Grete, geb. Schmuck, aus Sortlack, Kreis Preußisch Eylau, am 2. Januar

Hein, Alfred, aus Rantau, Kreis Samland, am 5. Januar

Herting, Gertrud, geb. Zeise, aus Bärwalde, Kreis Samland, am 2. Januar

Jegull, Irmgard, aus Wiesengrund, Kreis Lyck, am 4. Januar

Kaden, Benno, aus Großwalde, Kreis Neidenburg, am 2. Januar

Kehler, Horst, aus Kickwieden, Kreis Ebenrode, am 3. Januar

Lion, Marianne, aus Liegnitz/Schlesien, am 7. Januar

Medwed, Gerda, geb. Braun, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 5. Januar

Meyer, Kurt, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 3. Januar

Mietzner, Erna, geb. Klostereit, aus Ebenrode, am 6. Januar

Nönneke, Ilse, geb. Kayka, aus Plötzendorf, Kreis Lyck, am 3. Januar

Plath, Horst Dietrich, aus Allenburg, Kreis Wehlau, am 1. Januar

Reese, Eva-Maria, geb. Schalwat, aus Bruchhöfen, Kreis Ebenrode, am 4. Januar

Rodeck, Gerhard, aus Ostseebad Cranz, Kreis Samland, am 3. Januar

Sassor, Walter, aus Muschaken, Kreis Neidenburg, am 5. Januar

Schöneich, Ursula, geb. Meyhöfer, aus Bredauen, Kreis Ebenrode, am 4. Januar

Schweissinger, Klaus, aus Rogonnen, Kreis Treuburg, am 7. Januar

Todzei, Waltraud, geb. Falk, aus Groß Rauschken, Kreis Ortelsburg, am 4. Januar

ZUM 80. GEBURTSTAG

Ackermann, Ursula, geb. Zacharias, aus Bartenhof, Kreis Wehlau, am 3. Januar

Bastek, Günter, aus Ebendorf, Kreis Ortelsburg, am 7. Januar

Domnik, Horst, aus Wallendorf, Kreis Neidenburg, am 2. Januar

Dzienus, Erika, geb. Mrotzek, aus Rübenzahl, Kreis Lötzen, am 3. Januar

Hagemeier, Gerhard, aus Thomken, Kreis Lyck, am 4. Januar

Hayd, Ursula, geb. Hoffmann, aus Regehnen, Kreis Samland, am 7. Januar

Höhncke, Friedrich, aus Lenzendorf, Kreis Lyck, am 4. Januar

Hogrefe, Jens, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 3. Januar

Johnsson, Christel, geb. Häring, aus Roddau Perkuiken, Kreis Wehlau, am 2. Januar

Kewersun, Gert, aus Matten, Kreis Ebenrode, am 3. Januar

Kipar, Waltraud, geb. Klossek, aus Rehbruch, Kreis Ortelsburg, am 1. Januar

Kislat, Gerhard George, aus Windberge, Kreis Ebenrode, am 3. Januar

Klimaschew, Sieglinde, geb. Taetz, aus Norgau, Kreis Samland, am 4. Januar

Kositzki, Angelika, geb. Wagner, aus Ortelsburg, am 6. Januar

Liß, Alfred, aus Millau, Kreis Lyck, am 1. Januar

Meyer, Dieter, aus Amtal, Kreis Elchniederung, am 4. Januar

Müller, Herbert, aus Göritten, Kreis Ebenrode, am 6. Januar

Neßlinger, Astrid, aus Fischhausen, Kreis Samland, am 3. Januar

Pastowski, Werner, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 1. Januar

Platzeck, Walter, aus Borken, Kreis Lyck, am 3. Januar

Potthoff, Margritt, geb. Lieske aus Angertal, Kreis Angerburg, am 7. Januar

Quassowsky, Hermine, geb. Oliasa, aus Groß Lasken, Kreis Lyck, am 7. Januar

Radziewitz, Karl, aus Draheim, Kreis Treuburg, am 3. Januar

Ramm, Günter, aus Quilitten, Kreis Heiligenbeil, am 1. Januar

Rogall, Edith, geb. Petrick, aus Klein Friedrichsgraben, Kreis Elchniederung, am 7. Januar

Saat, Benno, aus Erlental, Kreis Treuburg, am 2. Januar

Saszik, Paul, aus Ittau, Kreis Neidenburg, am 1. Januar

Sawischlewski, Gisela, geb. Wohlgemuth, aus Tilsit, Kreis Neidenburg, am 7. Januar

Schmidt, Helga, geb. Nelz, aus Schölen, Kreis Heiligenbeil, am 6. Januar

Schrader, Gerda, geb. Sabrowski, aus Dürrfelde, Kreis Ebenrode, am 5. Januar

Taetz, Sieghard, aus Norgau, Kreis Samland, am 4. Januar

Wischnewski, Herbert, aus Schuttschenofen, Kreis Neidenburg, am 1. Januar

Wolter, Dietrich, aus Mühlengarten, Kreis Ebenrode, am 2. Januar

Wylutzki, Günter, aus Rautenburg, Kreis Elchniederung, am 6. Januar

Zywietz, Erwin, aus Salleschen, Kreis Neidenburg, am 6. Januar

ZUM 75. GEBURTSTAG

Bremer, Erika, geb. Meyn, aus Reuß, Kreis Treuburg, am 6. Januar

de Vivies, Barbara, geb. Feller, aus Bladiau, Kreis Heiligenbeil, am 1. Januar

Domnick, Gerd, aus Großheidekrug, Kreis Samland, am 1. Januar

Dworzak, Reinhard, aus Neidenburg, am 2. Januar

Ernst, Günther, aus Sablau, Kreis Neidenburg, am 2. Januar

Knobloch, Günter, aus Pilgramsdorf, Kreis Neidenburg, am 2. Januar

Meißner, Jürgen, aus Rothebude, Kreis Treuburg, am 7. Januar

Schmitz, Karin, aus Königsberg, am 1. Januar

Diamantene Hochzeit

Maluck, Werner, aus Seeburg, Kreis Rößel, und Ehefrau Waltraud, geb. Ilse, am 7. Januar


S. 16 Heimatarbeit

Aus den Heimatkreisen

EBENRODE (STALLUPÖNEN)

Kreisvertreter: Dr. Gerhard Kuebart, Schiefe Breite 12a, 632657 Lemgo, Telefon (05261) 8 81 39, E-Mail: gerhard.kuebart@ googlemail.com.

Unsere Zweite Vorsitzende Elsbeth König ist mit einem Hilfstransport nach Ostpreußen und zur Unterstützung der Wolfskinder nach Litauen gefahren. Sie berichtete:

Das Hotel in Tauroggen war bestellt und eine Dolmetscherin wartete schon. Sie ist am Nachmittag zu uns gekommen und wir haben einen Plan für den nächsten Tag gemacht. Ich hatte zwei Kuchen gebacken, Spenden hatte ich auch mitbekommen. Frau Niedrig von der Schloßberger und Ebenroder Gruppe in Berlin hatte 400 Euro überwiesen. Ich habe 24 Tüten gemacht, jeder bekam 20 Euro, ein Stück Seife oder Handcreme, eingebracht in Servietten und mit Schleife zugebunden. Herr Siegfried H. aus dem Kreis Schloßberg hatte mir 500 Euro überwiesen, dieses Geld habe ich der Ersten Vorsitzenden des Vereins Edelweiß übergeben. Die Quittungen hat sie alle unterschrieben.

Der Veranstaltungstag mit den Wolfskindern war am Sonntag, dem 20. September, im Gemeindehaus der evangelischen Kirche. Es waren die meisten der mir bekannten Mitglieder des Vereins gekommen. Ich habe viele wiedererkannt und sie mich auch. Meist kamen sie mit ihren Angehörigen. Zur Begrüßung haben Walter Buddenbohm, der Transportleiter, und ich ein paar Worte gesprochen. Dann wurde Kaffee getrunken und die Päckchen wurden verteilt. Auch von den Bildern, die wir vor zwei Jahren bei der damaligen Veranstaltung gemacht haben, bekam jeder einige Abzüge. Nach dem Essen gingen alle Teilnehmer zur weiteren „Bescherung“ nach draußen. Wir hatten schöne Sachen mitgebracht. Jeder konnte sich etwas aussuchen. Schnell vergriffen waren der Rollstuhl sowie die Rollatoren. Auch Handtaschen gab es, ich habe von der Kirchengemeinde Langendamm etwa 20 Stück ausgesucht und mitgenommen. Weiter fanden die von Frauen aus Nienburg gestrickten Schals, Mützen, Handschuhe und Kinder-strümpfe regen Zuspruch. Die Aktion hat nicht lange gedauert, wie man sich denken kann.

Es kam dann ein jüngerer Mann auf uns zu, ich hielt ihn zunächst für einen Pfarrer, es war aber ein Journalist aus Litauen, sehr gut deutsch sprechend. Ich habe mich mit ihm lange unterhalten. Er hat uns auch zum Ehrenmal nach Mikieten [Mikytai] begleitet.

Zum Abschluss der Veranstaltung sind wir mit der Mehrzahl der Wolfskinder die etwa 20 Kilometer zum Ehrenmal nach Mikieten gefahren, das etwa fünf Kilometer vor Tilsit liegt und im Jahr 2014 renoviert worden ist – eine sehr schöne Anlage. Gemeinsam gingen wir dorthin und haben vor dem Ehrenmal Gruppenfotos gemacht. Wir haben dort im stillen Gedenken verharrt, hin und wieder konnte man feuchte Augen sehen. Eine Frau ist mir aufgefallen wegen ihres jungen Aussehens. Auf meine Frage sagte sie, sie wäre damals zwei Jahre alt gewesen.

Meine Gedanken in dem Moment: Was mag sie da alles erlebt haben, bei Schnee, Eis und Kälte, bis sie nach Tauroggen kam!?

Fazit: Unser Besuch in diesem Jahr war sehr beeindruckend. Bis zum nächsten Jahr!

Vermittelt von Frau Niedrig und Frau König wurde über die Wolfskinder in der Moskauer Deutschen Zeitung, Nummer 20, vom 21. Oktober unter dem Titel „Kinder des Kriegsendes“ von Julia Larina ausführlich über das Schick-sal der Wolfskinder und die geleistete Hilfe berichtet.

 

LYCK

Kreisvertreterin: Bärbel Wiesensee, Diesberg 6a, 41372 Niederkrüchten, Telefon (02163) 898313. Stellvertr. Kreisvertreter: Dieter Czudnochowski, Lärchenweg 23, 37079 Göttingen, Telefon (0551) 61665. Karteiwart: Siegmar Czerwinski, Telefon (02225) 5180, Quittenstraße 2, 53340 Meckenheim.

Liebe Landsleute,

zum Ende dieses Jahres möchte ich eine Rückschau über die Aktivitäten der Kreisgemeinschaft Lyck halten.

Vieles haben Sie bestimmt schon in der PAZ, oder auf unserer Internetseite www.kreis-lyck.de nachgelesen, denn nach allen Veranstaltungen setzen wir die Berichte, meistens versehen mit Bildern, ins Internet.

Anfang des Jahres, im März, traf sich die Mittlere Generation im Ostheim. Dort hielt Manuel Ruoff einen hochinteressanten Vortrag zum Thema: ,, Die polnische Besatzung im Emsland 1945–1948.“ Es waren Informationen, die in der Öffentlichkeit kaum bekannt sind.

Im Juni fand, unter der Reiseleitung von Heidi Mader, eine Reise nach Lyck statt. Für die Reisegruppe war ein besonderes Ereignis geplant: ein Konzert in der ehemaligen evangelischen Kirche in Lyck. Die Kreisgemeinschaft Lyck war der Veranstalter und der Chor Kontrapunkt aus Lyck der Ausführende. Konzertflyer hingen im gesamten Stadtgebiet. Es war für mich ein sehr emotionaler Moment, die Begrüßungsrede, vorne am Altar zu halten. Landrat Marek Chojnowski begrüßte die Gruppe zu einem Informationsgespräch und stand den Besuchern zu allen Fragen Rede und Antwort.

Eine Begebenheit möchte ich Ihnen auch noch berichten. Der Stadtpräsident Tomasz Andrukiewicz hatte mich zu einem Empfang geladen, an der unter anderem zwei Bürgermeister aus Italien und Rußland anwesend waren. Denen stellte er mich vor mit den Worten vor: Dies ist Bärbel Wiesensee, die Repräsentantin der ehemaligen Einwohner von Lyck. Dieser Satz hat mir gezeigt, dass wir anerkannt und nicht vergessen sind.

Unser Heimattreffen Ende August in Hagen war eine Besonderheit, wir feierten den 60. Jahrestag des Patenschaftverhältnisses zwischen der Kreisgemeinschaft Lyck und der Stadt Hagen. Es waren 187 Besucher zu unserem Heimattreffen gekommen.

Ich gebe Ihnen hier auch schon den Termin für das Heimattreffen im nächsten Jahr 2016 bekannt: Es ist am 27. und 28. August in Hagen. Bitte berücksichtigen Sie den Besuch bei Ihren Terminplanungen für das kommende Jahr.

Ende September reiste eine kleine Gruppe nach Lyck, denn es stand wie immer im Herbst, die Auszahlung der Bruderhilfe, an die Mitglieder des Vereins der deutschen Minderheit an, die auch diesmal in den Räumen am Wasserturm stattfand. Ein besonderes Ereignis dieser Besuchsreise war die Feierlichkeit, mit geladenen Gästen, am Friedhof in Mostolten. Nun steht dieser Friedhof, dank den Bemühungen von Gerd Bandilla, unter Denkmalschutz. Es wurde ein Feldstein, mit einer Hinweistafel, feierlich enthüllt.

Im Herbst besuchte ich zusammen mit der Gruppe der Mittleren Generation unter anderem das Kulturzentrum in Ellingen.

Im November veranstaltete die Landsmannschaft Ostpreußen eine Tagung im Ostheim, in Bad Pyrmont. Es wurde Abschied genommen vom Ostheim, denn zum Ende des Jahres wird das Haus geschlossen.

Eine erfreuliche Nachricht habe ich von unserem Landsmann Wilhelm Norra erhalten. Er hat für das kommende Jahr wieder eine Reise nach Ostpreußen geplant (siehe unten).

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Aktiven bedanken, die sich schon jahrelang mit großem Einsatz um unsere Gemeinschaft bemühen. Sie alle sind das Rückgrat unserer Heimatarbeit und tragen zum Erhalt unserer Kreisgemeinschaft Lyck bei.  Ihnen und Ihrer Familie wünsche ich ein friedvolles Weihnachtsfest und ein glückliches, gesundes neues Jahr und freue mich auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr.

                Bärbel Wiesensee

30./31. Januar: KA–Sitzung in Hagen

8. bis 10. April: Seminar zum Thema ,,Die christlichen Konfessionen und ihre Gotteshäuser in Lyck“. Der Veranstaltungsort ist Göttingen

24. April: Regionaltreffen Nord in Lübeck

5./7. August: Besuch im Trakehnergestüt Gorlo in Melle

4. bis 14. August: Ostpreußenreise von Wilhelm Norra. Anmeldungen an: Wilhelm Norra, Anna-Stiegler-Straße 67, 28277 Bremen, Telefon (0421) 820651

27./28. August: Heimattreffen in Hagen

3. November: Bremer Treffen im Hotel zur Post, Beginn: 13 Uhr

 

NEIDENBURG

Kreisvertreter: Jürgen Szepanek, Nachtigallenweg 43, 46459 Rees-Haldern, Tel. / Fax (02850) 1017.

Rechtzeitig zu Weihnachten ist unser Heimatbrief Nummer 145 an alle in unserer Datei aufgeführten Mitglieder verschickt worden. Sollte aufgrund verschiedener Umstände ein Bezieher diese Ausgabe noch nicht erhalten haben, bitten wir um Nachricht an unseren Schriftleiter Jürgen Kowalek, Bromberger Straße 26, 28816 Stuhr. Sie bekommen dann umgehend ein Exemplar zugesandt.

Es können immer wieder Heimatbriefe nicht zugestellt werden, weil sich die Adressen der Bezieher geändert haben. Alle Landsleute werden deshalb dringend gebeten, Adressenänderungen und sonstige Personenstandsmeldungen dem Verwalter unserer Mitgliederdatei Hans-Ulrich Pokraka, An der Friedenseiche 44, 59597 Erwitte, mitzuteilen, Sie vermeiden dadurch Zustellverzögerungen und kostenaufwendige Nachforschungen und Nachsendungen,.

Mitteilen möchten wir allen Neidenburgern und Soldauern, dass nun der genaue Termin für unser Heimattreffen 2016 am 4. September in Berenbostel feststeht, In dem zur evangelisch-lutherischen Silvanusgemeinde gehörenden separaten Glockenturm hängt nämlich die Originalglocke aus unserer ehemaligen evangelischen Kirche in Neidenburg. Glücklicherweise ist diese Glocke nicht mehr für kriegerische Zwecke eingeschmolzen worden und gelangte so über den Glockenfriedhof in Hamburg nach Berenbostel, einem Ortsteil von Garbsen, unweit von Hannover. Näheres werden wir im Pfingst-heimatbrief veröffentlichen.

 

TILSIT-RAGNIT

Kreisvertreter: Dieter Neukamm, Am Rosenbaum 48, 51570 Windeck, Telefon (02243) 2999, Fax (02243) 844199. Geschäftsstelle: Eva Lüders, Telefon/Fax (04342) 5335, Kührenerstraße 1 b, 24211 Preetz, E-Mail: Eva.lueders@arcor.de.

Das nächste Regionaltreffen der Kreisgemeinschaften Tilsit-Ragnit und Elchniederung sowie der Stadtgemeinschaft Tilsit findet nicht, wie irrtümlich gemeldet, am 30. April 2016 sondern am 23. April 2016 in Gera statt.


S. 17 Heimatarbeit

Landsmannschaftliche Arbeit

BADEN-WÜRTTEMBERG

Vors.: Uta Lüttich, Feuerbacher Weg 108, 70192 Stuttgart, Telefon und Fax (0711) 854093, Geschäftsstelle: Haus der Heimat, Schloßstraße 92, 70176 Stuttgart, Tel. und Fax (0711) 6336980.

Stuttgart – Dienstag, 19. Januar, 14.30 Uhr, Großer Saal, Haus der Heimat: Wintertreffen  der Kreisgruppe mit Liedern, Gedichten und Geschichten in Erinnerung an unsere ostpreußische Heimat zur Winterzeit. Unsere Frauengruppe, die Westpreußen und interessierte Gäste sind herzlich eingeladen.

 

BAYERN

Vorsitzender: Friedrich-Wilhelm Böld, Telefon (0821) 517826, Fax (0821) 3451425, Heilig-Grab-Gasse 3, 86150 Augsburg, E-Mail: info@low-bayern.de, Internet: www. low-bayern.de.

Landesgruppe – Die Weih-nachtsausgabe des Preußen-Kuriers ist fertig. Das 32-seitige Magazin lässt sich unter www.low-bayern.de herunterladen.

Landshut – Donnerstag, 7. Januar: Neujahrsessen – Dienstag, 19. Januar, Gesthof Zur Insel, Badstraße 16: Zusammenkunft

München – Freitag, 8. Januar, 14 Uhr, Haus des Deutschen Ostens, am Lilienberg 5, 81669 München: Treffen der Frauengruppe – Sonnabend, 23. Januar, 14.30 Uhr, Haus des Deutschen Ostens: Nach der gemeinsamen Kaffeetafel wird der Film „Der Mythos Ostpreußen“ vorgeführt.

 

BERLIN

Vorsitzender: Rüdiger Jakesch, Geschäftsstelle: Forckenbeck-straße 1, 14199, Berlin, Telefon (030) 2547345, E-Mail: info@bdv-bln.de, Internet: www.ostpreussen-berlin.de. Geschäftszeit: Donnerstag von 14 Uhr bis 16 Uhr. Außerhalb der Geschäftszeit: Marianne Becker, Telefon (030) 7712354.

Rastenburg – Sonntag, 10. Januar, 15 Uhr, Restaurant Stammhaus. Rohrdamm 24 B, 3629 Berlin: Gemeinsames Treffen der Gruppe. Anfragen: Martina Sontag, Telefon (033232) 188826.

Königsberg – Freitag, 22. Januar, 14 Uhr, Johann-Georg-Stuben, Johann-Georg-Straße 10, 10709 Berlin-Hallensee: Gemeinsames Treffen der Königsberger Gruppe. Anfragen bei Elfi Fortange, Telefon 4944404.

 

HESSEN

Vorsitzender: Eberhard Traum, Wächtersbacherstraße 33, 63636 Brachtal, Telefon (06053) 708612. Stellvertretender Vorsitzender Ulrich Bonk, Voltastraße 41, 60486 Frankfurt/M., Telefon (069) 77039652, E-Mail: bonk.ulrich@gmail.com 

Wetzlar – Montag, 11. Januar, 19 Uhr, Restaurant Grillstuben, Stoppelberger Hohl 128: „Das Königsberger Diakonissen-Mutterhaus“– So lautet das Thema beim Treffen der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen. Vortragender wird der ehemalige Vorsteher der Einrichtung, Pfarrer im Ruhestand Dieter Nebeling sein.

Wiesbaden – Dienstag, 12. Januar, 14.30 Uhr, Wappensaal, Fried-richstraße 35: Heimatnachmittag der Frauengruppe. Gäste sind herzlich willkommen. – Donnerstag, 21. Januar, 12 Uhr, Gaststätte „Haus Waldlust“, Ostpreußenstraße 46, Wiesbaden-Rambach: Stammtisch. Serviert wird „Schlachtplatte“. Es kann auch nach der Speisekarte bestellt werden. Wegen der Platz- und Essensdisposition bitte bis spätestens 15. Januar bei Irmgard Steffen, Telefon (0611) 844938, anmelden. Anfahrt über die ESWE-Busverbindung, Linie 16. Haltestelle ist „Ostpreußenstraße“.

 

NIEDERSACHSEN

Vorsitzende: Dr. Barbara Loeffke, Alter Hessenweg 13, 21335 Lüneburg, Telefon (04131) 42684. Schriftführer und Schatzmeister: Gerhard Schulz, Bahnhofstraße 30b, 31275 Lehrte, Telefon (05132) 4920. Bezirksgruppe Lüneburg: Manfred Kirrinnis, Wittinger Straße 122, 29223 Celle, Telefon (05141) 931770. Bezirksgruppe Braunschweig: Fritz Folger, Sommerlust 26, 38118 Braunschweig, Telefon (0531) 2 509377. Bezirksgruppe Weser-Ems: Otto v. Below, Neuen Kamp 22, 49584 Fürstenau, Telefon (05901) 2968.

Oldenburg – Mittwoch, 13. Januar, 15 Uhr, Stadthotel Eversten, Hauptstraße 38: Vorführung des Videofilmes „Zeugnisse. Geschichte in Gesichtern – Gesichter in der Geschichte” hergestellt vom „Museum für Archäologie und Geschichte Elbing“. Deutsche Zeitzeugen schildern darin ihre Erinnerungen an Elbing und Königsberg.

Osnabrück – Dienstag, 12. Januar, 16.30 Uhr, Hotel Ibis, Blumen-thaller Weg 152: Kegeln. – Freitag, 15. Januar, 15 Uhr, Gaststätte Bürgerbräu, Blumenthaller Weg 43: Treffen der Frauengruppe.

Rinteln – Donnerstag, 14. Januar 15 Uhr, Hotel Stadt Kassel, Klosterstraße 42: Jahreshauptversammlung. Da Vorstandswahlen nicht anstehen, wird es neben dem Rechenschaftsbericht und weiteren Regularien hauptsächlich auch um Planungen für 2016 gehen. Auskünfte und Informationen zur landsmannschaftlichen Arbeit in Rinteln gibt es beim Vorsitzenden Joachim Rebuschat unter Telefon (05751) 5386 oder über: rebuschat@web.de.

 

NORDRHEIN-WESTFALEN

Vorsitzender: Jürgen Zauner, Geschäftsstelle: Buchenring 21, 59929 Brilon, Tel. (02964) 1037, Fax (02964) 945459, E-Mail: Geschaeft@Ostpreussen-NRW.de, Internet: www.Ostpreussen-NRW.de

Bad Godesberg – Sonntag, 17. Januar: Jahreshauptversammlung. Anschließend fröhliches Beisammensein unter dem Motto „Fastnacht und Karneval vom Rhein bis an die Memel“.

Dortmund – Montag, 18. Januar, 14.30 Uhr, Heimatstube (Eingang Landgrafenschule), Märkische Straße: Monatliches Treffen.

Neuss – Freitag, 22. Januar, 17 Uhr, Quirinus-Basilika, Münsterplatz, 41460 Neuss: Ökumenischer Gottesdienst der Landsmannschaften.

Witten – Montag, 18. Januar, 14.30 Uhr, Versammlungsraum der Evangelisch-Lutherischen Kreuzgemeinde Witten. Lutherstraße 6–10: Gemeinsames Treffen.

 

SACHSEN-ANHALT

Vors.: Michael Gründling, Große Bauhausstraße 1, 06108 Halle,  Telefon privat (0345) 2080680.

Magdeburg – Freitag, 8 Januar, 15 Uhr, TuS Fortschritt, Zielitzer Straße: Singkreis. – Sonntag, 10. Januar, 14 Uhr: 25. Jahrestag der Ortsgruppe. – Dienstag, 12. Januar, 13 Uhr, Immermannstraße: Stickerchen.

 

SCHLESWIG-HOLSTEIN

Vors.: Edmund Ferner. Geschäftsstelle: Telefon (0431) 554758, Wilhelminenstr. 47/49, 24103 Kiel.

Bad Schwartau – Donnerstag, 7. Januar, 17 Uhr, Mensa, Elisabeth-Selbert-Gemeinschaftsschule, Schulstraße 8–10, 23611 Bad Schwartau: Das Fleckessen ist inzwischen bei den Ostpreußen zu einer festen Institution geworden. In gemütlicher Runde sollen die Gäste fröhliche Stunden verbringen, Königsberger Fleck oder auch Gulaschsuppe genießen und sich mit einem oder mehreren zünftigen „Pillkallern“ stärken. Und wer den „Pillkaller“ noch nie genossen hat, lernt ihn bei dieser Gelegenheit kennen. Für musikalische Unterstützung sorgt diesmal das Bad Schwartauer Akkordeonorchester „Tanzende Finger“. Anmeldungen mit der Angabe, ob Fleck oder Gulaschsuppe, bitte bald bei Gisela Rowedder, Telefon (04504) 3435 oder Regina Gronau, Telefon (0451) 26706. Die Veranstaltung kostet pro Person 10 Euro. Gäste sind wie immer herzlich willkommen.

Neumünster – Mittwoch, 13. Januar, 15 Uhr, Galerie Stadthalle, Kleinflecken 1, 24534 Neumünster: Erste Veranstaltung im neuen Jahr. Die Landsmännin Edelgard Lessing liest aus ihrem Buch „Schattenlicht – Erinnerungen an meine Kindheit und Jugend“ – eine interessante Veranstaltung zum Jahresanfang. Bitte beachten: Die Veranstaltungen findet nun immer in der Stadthalle statt. Gäste sind willkommen.

Schönwalde am Bungsberg – Donnerstag, 7. Januar, 14 Uhr, Jugendherberge: Seniorenbegegnung. – Donnerstag, 14. Januar, 14 Uhr, Jugendherberge: Seniorenbegegnung.


Kurische Nehrung
Lichtbildvorträge von Christian Papendick

Hamburg – Christian Papendick (90) ist nicht nur Architekt, Schriftsteller und Kulturpreisträger der Landsmannschaft Ostpreußen, sondern auch ein vielbeachteter Fotograf. Mehrere Bildbände mit seinen Arbeiten hat der heute in Hamburg lebende gebürtige Königsberger schon herausgegeben. Die Kurische Nehrung hatte es ihm als Motiv seiner fotografischen Leidenschaft besonders angetan.

Schon in jungen Jahren hat er die unvergleichliche Landschaft erlebt. „Ein Traum war es 1940 dort sechs Wochen bei Fischern zu wohnen“, erzählt er und berichtet weiter, dass er dort seine künstlerische Ader entdeckte. Er begann zu malen und zu zeichnen. Papendick: „Drei Sommer folgten noch, bis dann die große Katastrophe die Menschen aus dem Land vertrieb. Obwohl mich der Weg danach zur Architektur führte, blieben die Bilder der Landschaft dennoch in meiner Seele haften.“

Nach 48 Jahren reiste er erstmals wieder dorthin. „Der Eindruck war überwältigend“, erzählt er. „Das Land lag da zwischen den Wassern der Ostsee und des Kurischen Haffs wie früher in der Erinnerung.“ Seitdem hat Papendick in vielen hundert Fotografien die Schönheit jenes – im wortwörtlichen Sinne – Landstriches zwischen den Wassern eingefangen. Davon können sich Kunstinterressierte und Ostpreußen-Liebhaber im Januar selbst überzeugen. Bei zwei Lichtbildvorträgen geht es um das Thema „Wiedersehen mit der Kurischen Nehrung in den 90-er Jahren“. Die Veranstaltungen finden im Hamburger Stadtteil Rissen in der Kriemhildstraße 15/17 im Hanna-Reemtsma-Haus statt. Beginn ist jeweils um 18.30 Uhr.

Am 8. Januar geht es zunächst um den nördlichen, litauischen Teil der Kurischen Nehrung. Der Kunsthistoriker Professor Albrecht Leuteritz wird in das Thema einführen. Von der Hohen Düne bei Nidden bis zum Ostseebad Cranz führt die Bilderreise dann am 25. Januar, wenn es um den südlichen, russischen Teil dieser Landschaft geht. Der Eintritt zu beiden Veranstaltungen ist frei. Um eine Kulturspende wird gebeten. Anmeldungen bitte vorab am Empfang des Hanna-Remtsma-Hauses unter Telefon (040) 819580.


Der Weihnachtsmann brachte eine Pickelhaube
Der 107-jährige Roland Hoffman erinnert sich an die Weihnachtsfeiern im nordböhmischen Georgswalde

Als „Vater, Großvater & Urgroßvater & Onkel etc.“ hat Roland Hoffman seine Erinnerungen an die Weihnachtszeit für seine Nachkommen aufgeschrieben. Davon gibt es viele, denn der ehemalige Schulrat ist als ältestes Mitglied der Sudetendeutschen Landsmannschaft 106 Jahre alt. Fünf Kinder hat er, und wenn die ganz Familie rund um den älteren Herrn für ein Foto posiert, ist eine kleine Tribüne notwendig, damit auch jeder aufs Foto kommt.

Geboren wurde Hoffman 1909 im nordböhmischen Georgswalde, das bis 1918 zur k.u.k. Monarchie Österreich-Ungarn gehörte. Die Eltern führten einen Gasthof, den „Stern“. Sie hatten neun Kinder. Roland war das jüngste.

Heute lebt er in Heilbronn. Zu seinem 106. Geburtstag im August bat er zur Kaffeetafel in ein Hotel. Die Regionalzeitung berichtete bewundernd, dass er die zahlreichen Gäste in einer 15-minütigen Rede begrüßte und dabei scharfsinnig die Weltlage kommentierte. Von seinen Weihnachtserlebnissen aus einer längst vergangenen  Welt erzählt Roland Hoffmann an dieser Stelle. Sein Sohn, der in Spanien lebende Lichtfabrikant Fred Hoffmann, hat sie der PAZ zugesandt.

 Das Weihnachtsfest bot unserer verzweigten Hoffmann-Familie in unserem heimatlichen Georgswalde jedes Jahr eine einmalige, wenn auch sehr kurze Gelegenheit für ein geselliges Beisammensein. Denn nur am Heiligen Abend war der Stern für einen halben Tag geschlossen. Ansonsten war der Gasthof das ganze Jahr über, auch an allen übrigen Feiertagen, geöffnet. Für unsere Eltern gab es während der ganzen Woche als Wirtsleute keinen freien Tag, geschweige denn eine längere Zeit der Schließung. Das war der Grund, warum wir uns alle am Heiligen Abend richtig privat fühlten.

In den Nachmittagsstunden wurden von allen die vorgesehenen Geschenke heimlich zurück-gelegt. Sie sollten dann bei der erwarteten Bescherung Freude bereiten.

Von den drei Gastzimmern des Sterns eignete sich für unser festliches Zusammenkommen am besten der dritte, ein mit grünem Samt bepolsterter Raum.

Das war deshalb notwendig, weil wir kein Wohnzimmer besaßen. Nebenbei gesagt, verfügten wir auch über kein Badezimmer. Unser Familienleben spielte sich daher normalerweise immer in der Küche ab, wo es neben dem großen Herd eine Wasserpumpe mit dem dazugehörenden Brunnen gab. Georgswalde hatte damals im Gegensatz zu den benachbarten sächsischen Orten Ebersbach und Neugersdorf keine eigene Wasser- und Gasversorgung.

In diesem dritten Gastzimmer also hatten unsere Eltern für das Ablegen der Geschenke ein paar Tische zu einer längeren Tafel aufgebaut. Selbstverständlich wurde auch ein mittelgroßer, mit Schmuck versehener Weihnachtsbaum aufgestellt.

Die Geschenke waren fast alle Gaben praktischer Natur. Für uns fünf Söhne hatte unsere Mutter schon einige Wochen vor Weih-nachten fleißig gestrickt. Ein jeder von uns bekam jedes Jahr ein Paar von ihr angefertigte lange Strümpfe mit Zopfmuster. Die eigentliche Bescherung begann, nachdem die älteren, verheirateten Geschwister zu uns gestoßen waren, die zuvor schon bei sich zuhause ihre eigene Bescherung vorgenommen hatten. Sie alle trafen am Heiligen Abend nach und tach mit ihren Familien im „Stern“ ein. Dann war unsere große Familie endlich wieder einmal beisammen und beglückte sich gegenseitig mit Geschenken. Von der nahegelegen Kirche hörten wir um Mitternacht das feierliche Läuten zur Christmette.

Ein Weihnachtserlebnis ist mir in ganz besonderer Erinnerung geblieben. Ganz früh in meiner Kindheit, nämlich im Jahre 1914, als ich ein fünfjähriger Junge war, gab es für mich am Weihnachtsabend eine große Überraschung. Im Sommer dieses Jahres hatte der Erste Weltkrieg begonnen. Und so erhielt ich, vor rund einem Jahrhundert, ein ganz besonderes Geschenk. Es war eine Soldatenuniform, die mir der Weih-nachtsmann damals auf den Gabentisch legte. Das entsprach dem damaligen Zeitgeist. Ausgedacht hatten sich dieses Weihnachtsgeschenk meine Schwestern Tildi, Maria, Toni und Hedwig, die mir eine österreichische Uniform schneiderten, für mich Knirps sozusagen im Dienste des damals im Habsburgerreich noch herrschenden Kaisers Franz Joseph I.

Die Jacke war hellgrau, hatte rote Aufschläge und goldene Knöpfe. Was sonst noch zur Ausstattung eines Soldaten gehörte, hatten meine Schwestern im benachbarten sächsischen Ebersbach im Kaufhaus „Freund“ gekauft. Da Ebersbach eine reichsdeutsche Gemeinde war, war die Pappendeckel-Pickelhaube, die ich erhielt, die eines preußischen Grenadiers. Mit diesem Kopfschmuck ausgestattet, stolzierte ich an den Weihnachtsfeiertagen stolz mit Säbel und Gewehr umher.

Mein zwei Jahre jüngerer Neffe Harry, der Sohn meiner zweitältesten Schwester Maria, die den Textilfabrikanten Richard Holfeld geheiratet hatte, und der damals mein bester Freund und Spielgenosse war, hatte an diesem Weihnachten des ersten Kriegsjahres eine Matrosenuniform bekommen, auf die er ebenfalls sehr stolz war und mit der angetan er heute noch auf einem Foto aus dieser Zeit zu sehen ist. 


S. 18-19 Heimatarbeit

Abschied vom Ostheim
Nach 57 Jahren hat die Ostpreußen-Heimstätte in Bad Pyrmont geschlossen – Ein Rückblick und ein Ausblick 

Wichtige Gespräche, bedeutende landsmannschaftliche Weichenstellungen, ergiebige Seminare, fröhliche Runden, heimatliche Gefühle – das und einiges mehr verbinden viele Ostpreußen mit dem Ostheim. Detlef Ollesch, Journalist aus Bad Pyrmont, blickt auf die fast einhundertjährige Geschichte des Hauses an der Parkstraße Nummer 14 zurück.

Zum Jahresende schließt mit dem Ostheim in Bad Pyrmont eine Institution, die zahllosen Ostpreußen 57 Jahre lang ein Stück Heimat in der Fremde gewesen ist. Sie hat den Gliederungen der Landsmannschaft Ostpreußen günstige Tagungsmöglichkeiten geboten und stellte – seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes – auch eine Begegnungsstätte zwischen den einstigen und jetzigen Bewohnern Ostpreußens dar. Doch die Geschichte dieses Hauses beginnt schon früher: Nach dem Ersten Weltkrieg erwirbt die Offizierswitwe Frieda Freifrau von Hoverbeck, genannt von Schoenaich, in Bad Pyrmont drei Pensionshäuser, um „beschäftigt und finanziell abgesichert zu sein“. Darunter befindet sich auch das Haus Parkstraße Nummer 14. Im Jahr 1923 war es unmittelbar am damaligen Stadtrand vom einheimischen Architekten Otto Mogk gebaut worden. Dieses Haus wird von ihr „Haus Schönblick“ genannt und von einer Hausdame, die im Untergeschoss wohnt, geleitet.

Auf dem Grundstück befinden sich zu der Zeit neben dem in Fachwerkbauweise erstellten Hauptgebäude mit seinem fast quadratischen Grundriss (heute der Gebäudeteil links vom Haupteingang) noch Stallungen, in der eine Kuh und Schweine sowie Hühner zur Versorgung der durchweg in Vollpension befindlichen Hausgäste untergebracht waren. Die heute südlich an das Grundstück grenzende Umgehungsstraße wird erst in den 1930er Jahren gebaut.

Frieda von Schoenaich stirbt im Jahr 1937. Ihre Tochter Camilla Stöver verkauft 1938 zwei der Pensionshäuser, darunter das „Haus Schönblick“ an den Fastenarzt Otto Buchinger. Den Erlös teilt sie mit ihrem Bruder, Kuno Freiherr von Schoenaich, der in jenen Jahren in Königsberg eine Niederlassung der Firma Telefunken betreibt. Letzterer soll Jahre später – in der Endphase des Zweiten Weltkrieges – zeitweise Festungskommandant der Marienburg an der Nogat werden.

Der neue Eigentümer des Gebäudes, der promovierte Mediziner Otto Buchinger, hatte es bei der Kaiserlichen Marine bis zum Chefarzt der Quarantäne im Festungslazarett Cuxhaven gebracht, aber noch während des Ersten Weltkrieges aus gesundheitlichen Gründen seinen Abschied vom Militär genommen. Bereits während seiner langen Jahre als Sanitätsoffizier war er durch eigenes Erleben zum entschiedenen Gegner von Alkohol- und Tabakkonsum geworden und hatte schließlich den Plan zur Gründung eines Lebensreform-Sanatoriums gefasst. Diesen Plan setzt er dann ab 1919 im hessischen Witzenhausen, wo er an der Kolonialschule als Teilzeit-Dozent Tropenhygiene unterrichtet, in die Tat um. Nach 1933 bekommt er jedoch zunehmend Schwierigkeiten mit den neuen Machthabern in der Stadt und beschließt, seine Klinik zu verlegen. Das neue Domizil an der unteren Hauptallee in Bad Pyrmont bezieht er am 2. Januar 1936. Die Patientenzahlen steigen schnell. So kommt es zu dem oben erwähnten Kauf des Hauses Parkstraße Nummer 14, das er kurz darauf durch den Anbau eines neuen Bettentraktes (heute der mittlere und größte Teil des Ostheimes) wesentlich erweitert und in „Wiesenhaus“ umbenennt. Im Untergeschoss des Altbaus wird ein kleines Labor eingerichtet, das durch einen separaten Eingang betreten werden kann, der sich noch heute unmittelbar neben dem an der Wand angebrachten Ostpreußen-Relief befindet.

Der Zweite Weltkrieg bringt zunächst sinkende Patientenzahlen, die im Verlauf des Krieges jedoch wieder ansteigen. Aber Drangsalierungen durch die braunen Machthaber, zunehmende Mangelwirtschaft und zuletzt die Beschlagnahme der Gebäude, die zu Lazaretten umfunktioniert werden, setzen dem Buchingerschen Kurbetrieb zu. „Am 7. Dezember 1944 wurde auch mein ‚Wiesenhaus‘ beschlagnahmt. Jetzt blieb mir nur noch das Haupthaus mit seinen 20 Betten“, schreibt Buchinger in seinen Lebenserinnerungen.

Verwundete und schwerkranke Soldaten bevölkern ab jetzt das Gebäude. Das ändert sich auch nicht, als am 5. April 1945 amerikanische Truppen Bad Pyrmont besetzen. Erst 1949 (nach anderen Quellen bereits 1946) werden die Häuser nach langen Verhandlungen mit den Behörden „zurückerobert“. Das Wiesenhaus befindet sich in einem erbärmlichen Zustand. Es fehlen sogar die Vorhänge vor den Fenstern und ein Teil der Sanitäranlagen.

Die Buchingers lassen einen weiteren Anbau erstellen, in den sie selbst einziehen. Es handelt sich um den westlichen Teil des Komplexes, in dem sich heute der Speisesaal und die Heimleiter-Wohnung befinden.

Die veraltete technische Ausstattung, das Fehlen einer modernen Badeabteilung und der mit dem zunehmenden Verkehr auf der Südstraße verbundene höhere Lärmpegel führen Ende der 1950er-Jahre schließlich zur Verlegung der Buchinger-Klinik in neue Gebäude am Waldrand. Die Deutsch-Baltische Landsmannschaft (DBL, heute: Deutsch-Baltische Gesellschaft) und die Landsmannschaft Ostpreußen (LO) erwerben das Wiesenhaus für 290000 D-Mark. Der zwei Jahre zuvor von den beiden Vertriebenenorganisationen gegründete Verein „Ostheim e.V.“ betreibt das in „Ostheim“ umbenannte Gebäude seitdem als Jugendbildungs- und Tagungsstätte.

Bis zum Ausscheiden der DBL aus dem Verein im Jahr 1963 wenden die beiden Landsmannschaften für Grundstückzukäufe und weitere Investitionen noch einmal 110000 D-Mark auf. Die gegenwärtige Größe des Grundstücks beträgt 1916 Quadratmeter. Bereits im Jahr 1959 ist das Haus an 300 Tagen im Jahr belegt, davon an 200 Tagen durch Jugendveranstaltungen. Von 1959 bis Anfang der 1980er Jahre werden viermal jährlich die jeweils fünftägigen „Gesamtdeutschen Staatspolitischen Bildungsseminare der Landsmannschaft Ostpreußen“ veranstaltet – bezuschusst aus Bundesmitteln. Überhaupt sind staatliche Zuschüsse bis zum Ende der Regierung Kohl 1998 eine der finanziellen Säulen ostdeutscher Kulturarbeit.

1969 findet die erste Werkwoche zur textilen Volkskunst in Ostpreußen unter der Leitung von Hanna Wangerin statt. Diese Veranstaltung wird bis 2015 eine feste Größe im Programm des Ostheims bleiben und nach dem Ende des Kalten Krieges in Osteuropa durch eine gleichartige in Ostpreußen ergänzt werden.

Nach häufigeren Wechseln in der Leitung des Hauses übernimmt das Ehepaar Hammer diese und führt als hauseigene Veranstaltungen die Freizeiten ein. Am 15. August 1995 folgen ihnen Ralph und Veronika Winkler in der Leitung des Hauses nach. Es gelingt ihnen, den schon seit Längerem defizitären Betrieb der Tagungsstätte durch massiven Personalabbau und hohen persönlichen Arbeitseinsatz wieder in die Überschusszone zu bringen. Der große Renovierungsstau – beispielsweise die Erneuerung der sanitären Anlagen – wird mit einem von der LO gewährten Kredit angegangen. Das Geld reicht jedoch bei Weitem nicht, die

22 Doppel- und 15 Einzelzimmer mit Duschen und WC auszustatten und damit auf einen heute von Beherbergungsbetrieben allgemein erwarteten Stand zu bringen. Trotzdem steigen die Übernachtungszahlen in den ersten Jahren der Winklers an.

Der im Jahr 2001 erfolgte Anbau des bis zu 100 Personen fassenden Preußensaals mit dem neuen Küchentrakt im Untergeschoss kostet einschließlich Technik und Innenausstattung rund eine Million D-Mark. 2006 übernimmt die LO vom Verein Ostheim e.V. gegen Verrechnung der Verbindlichkeiten das hälftige Eigentum an Haus und Grund des Ostheims und wird damit dessen alleinige Eigentümerin.

Von 1958 bis 2015 hat das Ostheim schätzungsweise – genaue Zahlen liegen erst seit 1975 vor – rund 500000 Übernachtungen gesehen, wobei sich der Schwerpunkt von der Jugendarbeit in seinen Anfangsjahren zu Angeboten für die ältere Generation in der jüngsten Vergangenheit verlagert hat. Die gebürtigen Ostpreußen sind inzwischen über 70 und diejenigen, die sich noch bewusst an die Heimat erinnern, noch ein paar Jahre älter. Und da es nicht gelungen ist, die Masse der Nachgeborenen mehr für die Heimat ihrer Vorfahren zu interessieren, kam, was kommen musste: Seit zirka sechs Jahren gehen die Belegungszahlen des Ostheims zurück. Der weitere Betrieb ist unter finanziellen Gesichtspunkten nicht mehr vertretbar. Deshalb hat dass Ostheim seinen Wirtschaftsbetrieb zum 31. Dezember 2015 eingestellt.

Und wie geht es weiter? Beim Versteigerungstermin am 17. Dezember wurden keine Gebote abgegeben. Jetzt wird abgewartet, ob sich in der Nachverkaufsfrist ein Erwerber findet. Die kulturhistorisch wertvollen Exponate des Ostheims – darunter die Statue des Trakehners „Hessenstein“ im Garten – werden in die ostpreußischen Kultureinrichtungen in Lüneburg und Ellingen verlagert. Das Ehepaar Winkler wird noch ein paar Monate mit der Abwick-lung des Wirtschaftsbetriebes beschäftigt sein und dann nach Bayern zurückkehren, wo Ralph Winkler in den wohlverdienten Ruhestand gehen wird.

Der Verein „Ostheim e.V.“ wird sich nach dem Verkauf der Immobilie auflösen. Und der Großteil der Veranstaltungen der verschiedenen Gliederungen der Landsmannschaft Ostpreußen wird künftig in anderen Institutionen – beispielsweise der Politischen Bildungsstätte Helmstedt – durchgeführt werden.


»Zweites Zuhause«
Die letzte Adventsfreizeit im Ostheim

Am 7. Dezember vergangenen Jahres reiste eine kleine Schar Unverdrossener zur Abschieds-Adventsfreizeit im Ostheim an. Sie wollten unbedingt bei der definitiv letzten Veranstaltung in ihrem „zweiten Zuhause“ dabei sein. Abschied nehmen von einem „Stück Ostpreußen“, das sie in den vergangen Jahrzehnten immer wieder gern besuchten und das ihnen sehr ans Herz gewachsen war. Konnten sie doch hier unter Gleichgesinnten noch ostpreußische Kultur erleben und die Erinnerung an die Heimat wachhalten.

So genossen die Gäste diese sieben Tage; sie wurden verwöhnt mit ostpreußischer Küche, konnten selbst aktiv sein beim Morgensingen oder der Gymnastik, wurden weihnachtlich eingestimmt mit Bildmeditationen zur Adventszeit, erlebten nochmals die Heimat in alten Filmaufnahmen. Sie bummelten und shoppten durch Bad Pyrmont, nahmen die Kulturangebote der Stadt wahr und hatten dennoch genug Zeit zum Plachandern.

Am dritten Advent hatte sich zur Advents-Kaffeetafel der Altsprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, Wilhelm von Gottberg, angesagt. In seiner Funktion als Zweiter Vorsitzender von Ostheim e.V., dem Trägerverein des Hauses, dankte er in einer kurzen Ansprache den Gästen für ihre jahrzehntelange Treue zum Ostheim und bemerkte am Schluss „Alles hat eine Ende, nun leider auch das Ostheim“.

Anschließend bedankte er sich beim Ehepaar Veronika und Ralph Winkler, den Leitern des Ostheims, für mehr als 20 Jahre vertrauensvolle und fruchtbare Zusammenarbeit zum Wohle des Hauses und seiner Gäste und überreichte ihnen als sichtbares Zeichen des Dankes ein kleines Präsent. Gemeinsamen mit dem Altsprecher wurde als Abschluss das Ostpreußenlied gesungen.

Am 14. Dezember, nach dem Frühstück, hieß es dann endgültig Abschied nehmen – für immer – und es floss so manche Träne. Das Ostheim in Bad Pyrmont ist nun Geschichte.            PAZ


S. 20 Heimatarbeit

Mit einem Paukenschlag
Am 8. Januar schließt nach fast 50 Jahren das Museum Stadt Königsberg – ein Abschiedsbesuch

Nicht still und heimlich, sondern mit einem „Paukenschlag“ verlässt das Museum Stadt Königsberg die Metropolregion Rhein-Ruhr. Mit dem Ausstellungs-Projekt „Reformation in Königsberg und im Herzogtum Preußen“ verabschiedet sich die renommierte Einrichtung von Duisburg. Noch bis zum 8. Januar können Besucher die wertvollen Schätze der Sammlung in Duisburg besichtigen.

Danach endet ein erfülltes und ereignisreiches Kapitel Museumsgeschichte. Alles begann 1951: Das Museum geht auf die Übernahme der Patenschaft der Stadt Duisburg für die frühere Provinzhauptstadt Ostpreußens in diesem Jahre zurück. Am 20. Oktober 1968 wurde zunächst das Haus Königsberg in der Mülheimer Straße im Beisein von Bürgermeister August Seeling eröffnet. Am 5. Dezember 1992 wurde diese Einrichtung durch das Museum Stadt Königsberg im ehemaligen Speichergebäude am Johannes-Corputius-Platz  ersetzt. Den Besuchern bot sich dort Sehenswertes und umfangreiches Wissen zu Ostpreußens Hauptstadt. Die Dauerausstellung erinnerte an all die bemerkenswerten Ereignisse der über 700-jährigen deutschen Geschichte Königsbergs. Im Blick-punkt waren unter anderem Handel und Wirtschaft, die Universität und andere kulturelle Institutionen. Vertreten waren natürlich auch bekannte Persönlichkeiten wie Immanuel Kant, E.T.A. Hoffmann, Käthe Kollwitz oder berühmte Maler der Königsberger Kunstakademie. Weitere Sammlungsschwerpunkte galten der Musik und dem Bernstein. Aufgenommen wurde auch die russische Geschichte der Stadt nach 1945.

Das Archiv des Museums verfügt über Dichternachlässe und die Prussia-Sammlung der Gesellschaft für Heimatkunde Ost- und Westpreußens. Zum Museum gehören ferner eine Bibliothek mit wertvollen Erstausgaben sowie eine Adressdatei mit Namen früherer Königsberger Bürger und ihrer Nachkommen.

Die Betreuung des Museums nahm die Stadtgemeinschaft Königsberg zusammen mit der Stiftung Königsberg und der Stadt Duisburg wahr. Vor allem aber steht Lorenz Grimoni für das Museum Stadt Königsberg. Als Kind Königsberger Eltern kam er 1945 nach Westdeutschland. Nachdem er Evangelische Theologie studiert hatte, wurde er Pfarrer in Duisburg. In der Nachfolge seines Vaters Erich Grimoni leitet er das Museum ehrenamtlich seit 1987.

Der 76-jährige Pfarrer i.R. hat gemeinsam mit seinem – wie er es  nennt – „inzwischen restlos überalterten“ Team zahlreiche große Ausstellungsprojekte realisiert. Aspekte der Geschichte und Kultur der europäischen Metropole Königsberg standen dabei immer im Fokus. Mit einem weinenden und einem lachenden Auge blickt er nun in Vergangenheit und Zukunft. „Arbeitslos“ wird er sicher nicht werden. Die Sammlungsbestände werden im Ostpreußischen Landesmuseum Lüneburg eine neue Bleibe finden. Auch wenn sie dort  von fachkundigen und vor allem von jüngeren Mitarbeitern betreut werden, dürften das Wissen und der Rat des erfahrenen Museumsleiters gefragt sein.

Und was bleibt in Duisburg? Auf jeden Fall wird es weiterhin zweimal im Jahr den „Königsberger Bürgerbrief“ geben. Er informiert über Themen zur Stadtgeschichte Königsbergs, über Ereignisse und Personen vor 1945 sowie über Entwicklungen im heutigen Kaliningrad. Berichtet wird auch über die Tätigkeit der Stadtgemeinschaft Königsberg unter dem Vorsitz von Klaus Weigelt.

Bis zum 8. Januar allerdings lockt noch die Ausstellung „Reformation in Königsberg und im Herzogtum Preußen“. Bei einem seiner wohl letzten Rundgänge betonte der Museumsleiter, dass das Herzogtum im Jahr 1525 das erste evangelische Territorium der Welt war. Anhand von ausgewählten Exponaten wird die Geschichte der Reformation aufgezeigt. Als historische Schriften sind die erste Predigt des Bischofs Georg von Polentz sowie die erste preußische Chronik von Petri de Dusburg zu sehen. Den geistigen Mittelpunkt der Ausstellung bildet eine Abbildung des im Krieg zerstörten und wieder aufgebauten Königsberger Doms. Ergänzend ist der Dom zu Königsberg mit der 1924 eingerichteten Grabstätte als Modell aus dem Jahre 1968 ausgestellt.

Eine historische Bibel mit Bildern der Familie Luther ist ein weiteres herausragendes Exponat. Erwähnung findet auch das Thema der Glaubensflüchtlinge, die unter anderem aus Polen, Litauen, Holland und aus der Schweiz nach Ostpreußen kamen. „Das Herzogtum Preußen mit seiner Hauptstadt Königsberg war wichtig für die Entstehung und für die Ausbreitung der evangelischen Konfession innerhalb der christlichen Kirche“, schlussfolgerte Grimoni.

Nachlesen lässt sich das alles auch: Die 18. Ausgabe der Publikation „Orte der Reformation“ ist in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig unter dem Titel „Königsberg und das Herzogtum Preußen“ erschienen. Der von Andreas Lindner und Lorenz Grimoni herausgegebene, reich illustrierte Band vermittelt einen umfassenden Eindruck vom evangelischen Leben in Königsberg früher und heute.                 Dieter Göllner

Wer die Ausstellung „Reformation in Königsberg und im Herzogtum Preußen“ besuchen möchte: Geöffnet hat das Museum am Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Sonnabend von 10 bis 17 Uhr, am Freitag von 10 bis 14 Uhr und am Sonntag von 10 bis 18 Uhr. Weitere Informationen: Museum Stadt Königsberg, Johannes-Corputius-Platz 1, 47051 Duisburg, Telefon (0203) 2832151, E-Mail buero@museumkoenigsberg.de


Landesmuseum: Termine 2016

Zwar befindet sich das Ostpreußische Landesmuseum in Lüneburg auch 2016 noch in seiner Erweiterungs- und Modernisierungsphase (siehe PAZ 47). Im bereits fertiggestellten neuen Sonderausstellungsgebäude können aber schon bald Großveranstaltungen wie die „Lange Nacht der Museen“ oder der „Internationalen Museumstag“ präsentiert werden. Zudem bietet das Museum auch kleinere Kabinettausstellungen anderer Einrichtungen, die zu Gast in Lüneburg sind.

Los geht es am Donnerstag, den 25. Februar um 19 Uhr mit einer Autorenlesung. Arno Surminski liest aus „Jokehnen oder ein Dorf in Ostpreußen“. Vom 12. März bis 29. Mai wird dann die Ausstellung „Wolfskinder“ von Claudia Heinermann und Sonya Winterberg gezeigt. Am 21. Mai steht die „Lange Nacht der Museen“ auf dem Programm. Einen Tag später findet der „Internationale Museumstag“ statt. Die Ausstellung „Backsteinarchitektur des Ostseeraums – Neue Perspektiven der Forschung“ wird vom 11. Juni bis 28. August zu sehen sein. Vom 10. September bis 30. Oktober steht „Der Schreiadler im Fokus“ – eine Ausstellung der Deutschen Wildtierstiftung. Vom 4. bis 6. November heißt es dann wieder willkommen zum traditionellen Museumsmarkt. Die neue Dauerausstellung mit Deutschbaltischer Abteilung wird nach den Umbaumaßnahmen voraussichtlich im Herbst wiedereröffnet.

Weitere Informationen: Ostpreußisches Landesmuseum, Heiligengeiststraße 38. 21335 Lüneburg, Telefon (04131) 759950, Internet: www.ostpreussisches-landesmuseum.de.


S. 21 Lebensstil

Glücksschwein des Jahres
Die Holländer gehen baden, die Schotten verbrennen ein Wikingerschiff − Mit solchen Bräuchen feiert Europa das neue Jahr

Gerade zu Neujahr verspüren die Menschen das Bedürfnis, alte Traditionen zu pflegen, doch das bedeutet in beinahe jedem europäischen Land etwas anderes. Die Vielfalt an Silvesterbräuchen ist so groß wie die Vielfalt an Kulturen. In Italien trägt man rote Unterwäsche, in Spanien heißt es zum Glockenschlag: zwölf Weinbeeren essen.

Neujahr auf Spanisch heißt „Nochevieja“ und läuft traditionell so ab: Um Punkt Mitternacht werden zwölf Glücksbeeren – las doce uvas de la suerte – gegessen. Als Startschuss gilt der Glockenschlag der Turmuhr des Hauptpostamtes von Madrid, des Real Casa de Correos, auf dem Platz Puerta del Sol, einem der meistbesuchten Plätze der spanischen Hauptstadt. Die Glockenschläge werden live im spanischen Fernsehen und auch auf Video-Leinwänden auf öffentlichen Plätzen im ganzen Land übertragen. Zu jedem Glockenschlag wird eine Weinbeere gegessen. Bis zum zwölften müssen alle verzehrt sein. Jede Beere erfüllt einen Wunsch. Auch das Tragen von roter Unterwäsche zum Neujahrsfest soll den Spaniern Glück bringen, vor allem wenn sie von einem geliebten Menschen geschenkt wurde. Danach wird mit Musik und viel Cava-Sekt ein Straßenfest gefeiert.

Die Tradition, für Glück im neuen Jahr Marzipanschweine und Glückspfennige zu verschenken, ist im deutschsprachigen Raum weit verbreitet. Im Bergferienort Klosters in der Schweiz wird diese Glücksschwein-Idee aber noch ein Stück weiter gedacht. Am Neujahrstag findet dort das Hotschrennen statt: Zehn Ferkel laufen um den Titel des Glücksschweins. Mehr als 2000 Besucher feuern sie bei ihrem Lauf entlang der zumeist schneeglatten Bahnhofstraße an. Eigens für das Neujahrsrennen werden die Tiere wochenlang auf dem Kessler Hof darauf trainiert, Hindernisse zu umgehen und sich auf dem Weg ins Ziel nicht ablenken zu lassen. Um die Schweine beim Rennen zu unterscheiden, trägt jedes eine andersfarbige Jacke. Das Schnellste gewinnt, wird zum Glücksschwein des Jahres gekürt und ist für ein Jahr das Maskottchen des Ortes. Zuschauer werden mit Livemusik bei Laune gehalten. Wenn es zu kalt ist, wird ein Röteli (Kirschlikör) getrunken.

In der niederländischen Kü­stenstadt Den Haag beginnt das neue Jahr am Strand des Stadtteils Schweningen mit dem Nieuwjaarsduik, dem Neujahrstauchen. Mehr als 10000 Holländer sowie einige mutige Touristen nehmen dort am Brauch eines Neujahrs­tauchgangs teil. Das Ereignis findet bei jeder Temperatur statt: Minusgrade sind nicht ausgeschlossen. Traditionell tragen die Teilnehmer neben Badebekleidung nur eine orangefarbene Wollmütze und Handschuhe.

Bologna wird nicht umsonst im Volksmund „La Grassa“, die Fette, genannt. Beim Neujahrsfest in der norditalienischen Stadt dreht sich viel ums Essen. In typisch italienischer Manier beginnen Familien die Neujahrsfeier mit einem reichlichen Abendessen: cotechino, fetthaltige Fleischwurst, verfeinert mit Muskatnuss, Zimt und Gewürznelke, oder zampone con lenticche, Schweinsfuß mit Linsen. Diese Neujahrsmahlzeiten sollen der Tradition gemäß dafür sorgen, dass der Familie das Geld im neuen Jahr nicht ausgeht.

Genau wie die Spanier glauben die Italiener daran, dass es Glück bringt, an Silvester, „la not­te di San Silvestro“, rote Unterwäsche unter der Kleidung zu tragen. Die Bewohner Bolognas finden sich entsprechend ge­kleidet auf den Straßen rund um die mittelalterlichen Piazza Maggiore ein. Der Höhepunkt ist das Rogo del Vecchione, das Anzünden eines überdimensionierten Strohmannes – in Schaltjahren ist es eine Frau aus Stroh – genau dann, wenn die Kirchenglocken zwölf läuten und die Menschen auf dem Platz auf das neue Jahr anstoßen. Mit dem heidnischen Ritual werden negative Energien aus dem alten Jahr vertrieben.

In Schottland heißen die Neujahrs-Festlichkeiten Hogmanay und dauern in Edinburgh traditionsgemäß drei Tage lang. Ein heidnisches Wintersonnenwende-Fest aus dem Mittelalter war wahrscheinlich der Ursprung des Ganzen, und daher stammt wohl auch der Brauch des sogenannten First-Footing. Demnach bringt es Glück, wenn ein dunkelhaariger Mann als Erster im neuen Jahr die Türschwelle des Hauses übertritt. Ein Blondschopf hingegen würde Unglück bringen: ein Aberglaube, der auf die Angst der Schotten vor der Invasion der Wikinger zu­rück­zuführen ist.

Beginn der dreitägigen Festlichkeiten ist der 30. Dezember, wenn als Wikinger verkleidete Männer singend und trommelnd mit Fackeln durch die Altstadt von Edinburgh ziehen. Der Umzug endet damit, dass ein nachgebautes Wikinger-Langschiff verbrannt wird. Am Silvesterabend wird weitergefeiert, im Schottenrock mit Dudelsack auf dem Mound Precinct, wo das größte britische Ceilidh stattfindet: eine Veranstaltung mit traditionell schottischen Musik-, Gesangs- und Tanzdarbietungen. Um Mitternacht wird Arm in Arm das Volkslied „Auld Lang Syne“ gesungen. Ganz Mu­tige tauchen am 1. Ja­nuar bunt verkleidet in den Fluss Gorth.

Die Skandinavier sind sehr abergläubisch, wenn es um Neujahrstraditionen geht: Die Dänen meinen, es bringe Glück, um Mitternacht synchron von Stühlen in das neue Jahr zu „springen“. Manche glauben auch daran, dass es ihren Freunden Glück bringt, Geschirr an de­ren Türschwelle zu zerbrechen. Zu­nächst versammeln sie sich vor dem Fernseher: Um 18 Uhr wird die Ansprache der Königin aus Schloss Ama­lienborg über­tragen − der Auftakt für einen feuchtfröhlichen Abend. Im Fernsehen wird auch der Countdown zum neuen Jahr ge­zeigt: In Großaufnahme lässt sich verfolgen, wie der Zeiger an der Kopenhagener Rathausuhr um Mitternacht um­springt. Schlag zwölf wird dann auch der Kransekage, ein Schichtkuchen aus Marzipan, der mit kleinen Nationalflaggen aus Pa­pier dekoriert wird, gegessen.

Die Schweden essen am 23. oder 24. Dezember einen cremigen Milchreis oder Reispudding, damit auch das nächste Jahr zuckersüß wird. Manche Familien warten damit sogar bis zum Silvesterabend. Die in dem Pudding versteckte Mandel steht für Reichtum und Glück – darf aber nicht verschluckt werden.

Die Finnen hingegen lieben es, das Schicksal vorherzusagen. Silvester werden Hufeisen aus Blei in einer Kelle über dem Feuer geschmolzen. Das flüssige Material wird in ein Gefäß mit Wasser gekippt und im Anschluss wird die Form, die das Bleistück im Schatten des Lichts einer Kerze abbildet, gedeutet: ein Pferd sowie die Form eines Stiefels stehen für Reisen, ein Herz für eine Hochzeit im nächsten Jahr und ein kaputter Ring symbolisiert Trennung. Das Ganze ist dem deutschen Bleigießen nicht unähnlich. Allerdings ist das Hufeisen sehr viel größer als die in Deutschland üblichen Gießfigürchen.

In Helsinki sind die hellseherischen Rituale verbunden mit einer Riesenparty auf dem Senatsplatz: Dazu gehören Konzerte, akrobatische Showeinlagen und natürlich Feuerwerk.

Silvester in Russland ist eine Kombination aus der russisch-orthodoxen Weihnachtszeit und dem Neujahrsfest. Dabei ist der 31. Dezember der wichtigste Feiertag, an dem in vielen Familien beide Festlichkeiten zusammen zelebriert werden. Es werden Weihnachtsbäume ge­schmückt und die Straßen hell erleuchtet, und wenn in Moskau die Uhr am Kreml zum zwölften Mal geschlagen hat, stoßen die Russen auf das neue Jahr an. Anders als bei uns geschieht dies aufgrund der vielen Zeitzonen allerdings bis zu elf Mal! Das orthodoxe neue Jahr beginnt in Russland erst am 11. Januar. Vorher jedoch, am 6. Januar, findet noch der Tag der Bescherung statt, an dem den Kindern ihre Geschenke von Väterchen Frost oder Babuschka, dem Großmütterchen, in Begleitung des Mädchens Schneeflocke und des Jungen Neujahr überreicht werden.

Die Neujahrszeit kommt in Russland zudem einer Fastenzeit gleich, da hier größtenteils auf Fleisch verzichtet wird. Die traditionellen Gerichte, die dann gereicht werden, sind vor allem Borschtsch und Kutya, ein aus Getreidekörnern hergestelltes Mahl, das für Hoffnung steht. Honig und Mohn sind ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der Ernährung rund ums neue Jahr. Sie sollen Freude und Erfolg bescheren.  Andreas Guballa


Schlimmer Knallfrosch
Wenn die Rakete nach hinten losgeht − Wer zahlt für Silvesterschäden?

Die Feuerwehren sind in jeder Silvesternacht im Dauereinsatz. Raketen, Sekt und Leichtsinn – bei dieser Mischung geschieht schnell ein Brand-Malheur zum Jahreswechsel, sei es, dass ein Böller den Teppichboden anschmort oder ei­ne Rakete an der Hauswand Spuren hinterlässt. Wenn das passiert, stellt sich die Frage: Wer haftet für den entstandenen Schaden?

„Für Schäden am Haushalt steht grundsätzlich die Hausratversicherung ein“, sagt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund, „die ersetzt aber nur dann den vollständigen Schaden, wenn der Mieter nicht grob fahrlässig gehandelt hat.“ Eine Hausratversicherung ersetzt Schäden, die etwa durch Feuer oder Löschwasser an Einrichtungsgegenständen entstehen. Die Wohngebäudeversicherung des Hauseigentümers leistet für Schäden am Gebäude. Das können zum Beispiel Schäden am Putz oder am Klinker oder auch ein beschädigter Briefkasten sein.

Verursacht ein Partygast durch ungeschicktes Hantieren mit Feuerwerkskörpern einen Schaden beim Gastgeber, dann haftet die Privathaftpflicht-Versicherung des Gastes – jedenfalls solange weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit im Spiel sind. Wer bei einem Silvester-Unfall durch Verletzungsfolgen zum Invaliden wird, bei dem kommt eine private Unfallversicherung für die Folgen auf – entsprechend dem Grad der Invalidität und der vereinbarten Versicherungssumme. Ansonsten gilt: Wer sich beim Umgang mit Feuerwerk verletzt, erhält die Behandlungskosten von der Krankenversicherung ersetzt, ganz gleich ob Knalltrauma oder Brandwunde.

Kommen Dritte zu Schaden, drohen den Verursachern neben Schadensersatzansprüchen der Betroffenen auch strafrechtliche Konsequenzen, zum Beispiel wegen Körperverletzung. Das gilt in erster Linie bei Vorsatz, und zwar auch dann, wenn der Täter betrunken war. In dem Fall ist auch der Versicherungsschutz verloren. Das kann auch gelten, wenn Eltern ihre minderjährigen Kinder mit Böllern zündeln lassen. Versicherungen werten das als grob fahrlässige Verletzung der Aufsichtspflicht.

Ein Verlust des Versicherungsschutzes droht zudem, wenn illegal importierte Böller vorzeitig ex­plodieren und Schäden an­richten. Böllerfreunde sollten nur Material verwenden, welches das europäische CE-Zeichen trägt. Wer Billigstware aus Fernost ohne Prüfsiegel einführt, verliert beim Abbrennen nicht nur den Schutz der Haftpflicht-Police, sondern sieht auch einer Geldbuße ins Auge.

Bei grober Fahrlässigkeit stellt das Versicherungsvertragsgesetz die Kunden der Versicherungsunternehmen seit dem Jahr 2008 besser. Es gilt nicht mehr das „Alles-oder-Nichts-Prinzip“, wo­nach der Versicherer in Fällen grober Fahrlässigkeit gar nichts zahlen musste. Heute wird im Schadenfall – je nach Schwere des Verschuldens − anteilig reguliert. Die Versicherung leistet dann wenigstens eine Quote. Einfache Fahrlässigkeit bleibt für Versicherte weiterhin folgenlos. Seit 2009 gilt die Quoten-Regel auch rückwirkend für Altverträge.

Häufig werden durch Silvesterknaller auch Autos beschädigt. Landet aus Versehen eine Rakete auf einem Auto, springt die Teilkaskoversicherung des Halters ein. Der Schadenfreiheitsrabatt des Fahrzeug-Eigentümers bleibt in dem Fall unberührt. Anders Zerstörungswahn: Wird ein Fahrzeug mutwillig ramponiert, zum Beispiel durch Knallfrösche im Auspuff oder indem die Sektflasche eines Partywütigen Beulen im Blech hinterlässt, haftet nur die Vollkas­ko-Versicherung, wenn die Täter nicht zu ermitteln sind. Im Nachteil sind auch Cabrio-Fahrer. Sengen glimmende Reste von Knallern oder Raketen Löcher ins Verdeck, zahlt allein die Voll­kasko.    Kai Althoetmar


Dreimal auf Holz geklopft

Na, dann man Hals- und Beinbruch!“ Diesen merkwürdigen, fast makabren Spruch bekommt so mancher mit auf den Weg, der zum Abfahrtslauf in die Berge aufbricht oder sich an­schickt, eine andere schwierige Prüfung – vielleicht zum Erwerb des Führerscheins – zu bestehen.

Wäre es in derlei Situationen nicht angemessener, sich alles Gute bei derlei waghalsigen Unternehmungen zu wünschen? Und genau dies – Erfolg, Glück und Segen − bedeutet der hebräische Neujahrsgruß „Hazlacha Uwracha“, welcher derartig missverstanden, als Hals- und Beinbruch Eingang in unseren Sprachgebrauch gefunden hat.

Ähnlich verhält es sich mit  dem „Guten Rutsch“, den wir uns alljährlich kurz vor Mitternacht des 31. Dezember zurufen. Auch hier haben wieder die Hebräer Pate gestanden. Zum jüdischen Neujahrsfest wünscht man sich ein „Rosch ha-schana“, auf Jiddisch „Roscheschone“. Da „Rosch“ auf Deutsch „Kopf“ bedeutet, kann man diesen Gruß vielleicht locker mit „Auch im Neuen Jahr einen klaren Kopf“ übersetzen. Wer dann noch dreimal auf Holz klopft, ist für die nächsten zwölf Monate bestens gerüstet.          Uta Buhr


In Florida zum Glück getaucht

Am 6. Januar 2016 wird in der Gemeinde Tarpon Springs in St. Pete/Clearwater in Florida das traditionelle Dreikönigsfest direkt mit einer Herausforderung eingeleitet: einer Mutprobe. Nach der Morgenmesse in der griechisch-orthodoxen Kathedrale St. Nicholas folgt eine Prozession zum Fluss Spring Bayou, in den ein weißes Kreuz geworfen wird. Viele junge Menschen freuen sich über Jahre auf genau diese Mutprobe. Denn dann sind sie alt genug und rennen mit zahlreichen anderen Männern von der Kirche zum Fluss und stürzen sich von ihren Booten aus in das kühle Nass, um das weiße Kreuz aus den Tiefen zu holen. Dem Finder beschert es ein Jahr voller Glück und zahlreiche Segen der anwesenden Geistlichen. Die bestandene Mutprobe wird anschließend mit Livemusik und einem großen Festessen gefeiert. Die Gemeinde Tarpon Springs liegt im Norden der Pinellas-Halbinsel an der Westküste Floridas und hat einen hohen Anteil von Bewohnern mit griechischen Wurzeln. Zur Epiphaniasfeier, was aus dem Griechischen kommt und „Erscheinung“ heißt, pilgern am 6. Januar 50000 Besucher nach Tarpon Springs (Infos auf Deutsch: www.visitstpeteclearwater.com/intl/de).  tws


S. 22 Neue Bücher

Königliche Powerfrauen
Preußische Geschichte

Die Geschichte Preußens ist eine Geschichte ihrer Herrscher. Ob verehrt oder verdammt, die Männer dominieren. Im Jubiläumsjahr 2015 – vor 600 Jahren erhielten die Hohenzollern die Markgrafschaft Brandenburg zum Lehen – wird auch deren Frauen gedacht. Die in Berlin lebende Publizistin Christine von Brühl hat sie, beginnend mit der Gattin des Großen Kurfürsten, in 16 Portraits dokumentiert.

Sie hat es bewusst etwas parteiisch getan, um manche fast unbekannte Regentin aus dem Schatten ihrer Männer herauszuholen. Mitunter kommt man dabei aus dem Staunen nicht heraus. Manche der Herrscher-Gemahlinnen haben so einiges auf die Beine gestellt, was sich bis heute bewundern lässt.

Das gilt vor allem für das 17. und 18. Jahrhundert. Ehen im Milieu der Herrschenden wurden damals nach Zweckmäßigkeitserwägungen geschlossen. Welche Frau der Thronfolger bekam oder welche Fürstin ein verwitweter Herrscher wählte, geschah aus strategischen und finanziellen Erwägungen. Von den Frauen wurde erwartet, dass sie viele und gesunde Nachkommen, möglichst Söhne, zur Welt brachten. Gleichzeitig wurde den königlichen Gemahlinen ein eigener Hofstaat zugebilligt. Das nutzten manche bis an die Grenzen des Möglichen aus. Die künstlerisch interessierte Sophie Dorothee, die erste Königin ab 1701, rief mit Hilfe des Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz die Akademie der Wissenschaften ins Leben und baute das Schloss Charlottenburg (damals Lietzenburg). Andere Nachfolgerinnen schufen mit Schloss Monbijou in Berlin oder dem in Freienwalde wahre Schatzkästlein. Und Königin Luise machte das unscheinbare Schloss Paretz zum stilbildenden Vorbild eines vornehmen Landsitzes.

Die Autorin hat bei den jeweiligen Orten immer auch die heutige Situation miteinbezogen. Mitunter wird das Buch so zu einem Reiseführer, der in der Tat neugierig macht. Sanssouci kennt man gemeinhin, aber Schönhausen, Freienwalde oder Paretz sind ebenfalls lohnende Ziele, und hier waren es die Frauen, die solche Kleinodien schufen.

Im 19. Jahrhundert trat deren eigenmächtiges Wirken in Kunst und Architektur zurück. Dafür waren alle Ehen seit Friedrich Wilhelms III. Verbindung mit der charmanten Luise aus Mecklenburg-Strelitz echte Liebesheiraten. Das galt auch für Friedrich Wilhelms zweiten „Bund fürs Leben“. Es war eine sogenannte morganatische Ehe, das heißt seine neue Frau Alexandra von Harrach war nicht standesgemäß. Gerade für diese alle Zurückstellung geduldig ertragende Frau empfindet der Leser viel Sympathie. 

Manchmal allerdings übertreibt die Autorin. Sie wird in ihrer Abgrenzung zur Männerwelt recht salopp; Bismarck, so heißt es an einer Stelle, habe Preußen mit aller Raffinesse als Hegemonialmacht durchzusetzen versucht, der König (gemeint ist Wilhelm I.) „trottete ihm folgsam hinterher und tat alles, was von ihm verlangt wurde“. Eine solche Formulierung verkennt das Standesbewusstsein, das allen preußischen Herrschern eigen war. Aber solche Passagen sind selten. Insgesamt ist es ein ebenso lehrreiches wie unterhaltsames Buch, das diese Herrschergattinnen aus ihrem unverdienten Schattendasein herausholt.            Dirk Klose

Christine von Brühl: „Anmut im märkischen Sand. Die Frauen der Hohenzollern“, Aufbau Verlag, Berlin 2015; gebunden, 462 Seiten, 22,95 Euro


Erstickende Mehrheit
Ein Bundestagsabgeordneter und sein Kampf gegen eine verfehlte Griechenlandpolitik

Dieses Buch ist eine schonungslose Enthüllung, eine Provokation der Oberen in Partei und Fraktion. Es zeigt den Mut eines Abgeordneten gegen eine rational nicht mehr nachzuvollziehende Politik. Es zeigt aber auch das Scheitern des CDU-Bundestagsabgeordneten Klaus-Peter Willsch (54). Er wird von der Mehrheit erstickt und in die Bedeutungslosigkeit abgeschoben, als es der Machterhalt fordert.

In seinem Buch „Von Rettern und Rebellen“ gewährt der aufbegehrende Abgeordnete jetzt, so der Untertitel, „einen Blick hinter die Kulissen der Demokratie.“ Unverblümt erfährt der Leser: „Der 11. Februar 2010 war einer der verhängnisvollsten Tage unserer jüngeren Geschichte.“ An diesem Tage brachen die Staats- und Regierungschefs bei einem Treffen in Brüssel gemeinschaftlich europäisches Recht. Sie handelten gegen den „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“, wo in Artikel 125 die No-Bailout-Klausel verankert war. Sie verbot klar jede Übernahme von Schulden eines EU-Mitgliedstaates seitens der Gemeinschaft oder einzelner Mitgliedstaaten.

Nach und nach sickerte durch, in welchem Ausmaß der Vertrag gebrochen wurde: Am 21. April 2010 verkündete Schäuble, dass Griechenland im ersten Jahr einen Kapitalbedarf von 40 Milliarden habe. Davon entfielen auf Deutschland 8,4 Milliarden Euro. Kaum war diese Zahl in der Welt, hieß es, dass Griechenland in den ersten drei Jahren 110 Milliarden benötige. Unser Anteil stieg auf 22,4 Milliarden.

Doch der Finanzbedarf Griechenlands stieg rapide auf 750 Milliarden an, Ein zweites Hilfspaket musste geschnürt werden – „alternativlos“. Was sich dabei hinter den Kulissen abspielte, war ernüchternd. Frankreich mit Sarkozy war unser mächtigster Gegner: „Merkel wurde geradezu überrollt“, schreibt Willsch. Der damalige französische Staatspräsident drohte mit einem Austritt aus der Eurozone und dem Ende der deutsch-französischen Achse. Nach dem Schlüssel der Europäischen Zentralbank (EZB) stieg unser Anteil auf 123 Milliarden. Die Bundesregierung mogelte, dass sich die Balken bogen, und so passierte das Stabilisierungsmechanismusgesetz am 21. Mai 2010 mit 319 Ja, und 73 Nein-Stimmen bei 195 Enthaltungen den Bundestag. Es ermächtigt „den Bundesminister der Finanzen für Finanzierungsgeschäfte, zur Durchführung von Notmaßnahmen zugunsten eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes, Gewährleistungen bis zur Höhe von 211 Milliarden Euro zu übernehmen“.

Merkel war eingeknickt. Die Mittelmeerstaaten bejubelten ihren französischen Helden, so Willsch, und übernahmen in der Eurozone das Ruder. Die Geld-Lawine war losgetreten. Irland forderte 85, Portugal 78 Milliarden, andere zogen nach. Die Bilanzsumme der Banken in den Krisenländern Griechenland, Portugal, Irland, Spanien, Zypern und Italien belief sich im Herbst 2014 auf über neun Billionen Euro. Das Restrisiko in Höhe von 7,9 Billionen lag beim Steuerzahler.

Einer, der sich von Anfang an dagegen gewehrt hat, war Wilsch. Der Diplom-Volkswirt aus Hohenstein im Rheingau-Taunus lehnte 2010 als eines von fünf Mitgliedern der Koalition das erste Griechenlandpaket sowie den temporären Euro-Rettungsschirm EFSF ab. Im November 2011 legte er mit seinem Thesenpapier „Euro 2.0“ eine Alternative zur vermeintlich alternativlosen Euro-Rettungspolitik vor. Im Mai 2012 schmiedete er zusammen mit anderen die „Allianz gegen den ESM“, den Europäischen Stabilitätsmechanismus.

Die Folge: Zwar wurde Willsch, der seit 1998 im Bundestag sitzt,  2013 mit einem Rekordergebnis von 52,1 Prozent der Erststimmen in seinem Wahlkreis direkt in den Bundestag wiedergewählt. Aber das offensichtliche Vertrauen der Bürger in seine Person nutzte ihm wenig. Von seiner Fraktion wurde der Rebell als Obmann im Haushalts-Ausschuss abgewählt. Er ist jetzt unter anderem Berichterstatter für Themen wie Raumfahrt oder Frauenquote – und hatte vielleicht gerade deswegen die Freiheit ein bemerkenswertes Buch zu schreiben. Es ist ebenso ehrlich wie spannend und sollte aufmerksam gelesen werden.

                Wolfgang Thüne

Klaus-Peter Willsch: „Von Rettern und Rebellen. Ein Blick hinter die Kulissen der Demokratie“, München 2015, FinanzBuch-Verlag, gebunden, 250 Seiten, 19,99 Euro


Verschwiegen und gierig
Perfekte Fälschungen, brutale Raubgrabungen – der Ausverkauf der Antike

Recht schmal ist dieses Bändchen und dennoch hat es der Kunsthistoriker und Sachbuchautor Günther Wessel, geboren 1959, geschafft, eine unglaubliche Fülle fesselnder Fakten auszubreiten. Es geht um den Handel mit antiker Kunst, bei dem eine verschwiegene Szene rund acht Milliarden Dollar pro Jahr umsetzt und nicht 200 Millionen, wie es offiziell heißt.

„In Ägypten, Syrien, Afghanistan oder dem Irak werden heute Fundstätten so brutal geplündert wie nie zuvor. Schmuggler und Hehler bringen das Raubgut über ungesicherte Grenzen ins Ausland. Honorige Auktionshäuser, Privatleute, Galerien oder Internethändler verkaufen die Ware weiter“, schreibt Wessel. Auch Terrorgruppen verdienen am Geschäft mit illegalen Grabungen. Interpol weiß, dass der IS bitterarme Orientalen zu Raubgrabungen ermutigt, um ihnen dann „Steuern“ abzupressen.

Natürlich bestehen Ausfuhrverbote, aber die bewirken wenig. „Seit etwa 20 Jahren boomt das Geschäft mit geraubten Kulturgütern“, schreibt Wessel, der die Realität kennt: Die Preise gehen durch die Decke, Kunstwerke verheißen mehr Rendite als andere Anlageklassen. „Händlergier und Sammlergier“ stacheln sich gegenseitig an. Museale Kuratoren sind zur Komplizenschaft mit illegalen Händlern bereit.

Auch die Politik tut wenig: Nahost-Staaten vernachlässigen die Sorge um ihr archäologisches Erbe, zumal politisches Chaos und Instabilität keinen Ausweg lassen. „Herden schwarzer Schafe“ agieren skrupellos und zerstören zum Beispiel ganze Kunstwerke, weil Einzelfragmente mehr Gewinn bringen. Oder man lässt die „uralten Artefakte“ gleich ganz in der heimischen Werkstatt entstehen. Kenner wissen, dass bis zu 50 Prozent von Auktionsangeboten Fälschungen sind, oft so meisterhafte, dass selbst Spezialisten die Orientierung verlieren. Gefälschte Statuen, aus antikem Schrott gefertigt, passieren jede Materialprüfung.

In ausführlichen Einzelkapiteln beschreibt Wessel die Tricks und Täuschereien der organisierten Antiken-Kriminalität und verweist auch auf die unrühmliche Rolle, die Deutschland dabei spielt: „Es gibt kaum ein Land, in dem der Markt so ungehindert florieren kann“.              Wolf Oschlies

Günther Wessel: „Das schmutzige Geschäft mit der Antike. Der globale Handel mit illegalen Kulturgütern“, Christoph Links Verlag, Berlin 2015, broschiert, 184. Seiten, 18 Euro


Die Dorfbewohner küssten den Rocksaum
Vielschichtig und anschaulich erzählt – die wechselhafte Geschichte einer deutsch-baltischen Pastorenfamilie 

Wer es noch nicht wusste,  darf staunen: Wegen seiner herausragenden Bedeutung für die deutsche Kultur- und Geistesgeschichte war das evangelische Pfarrhaus allein in den letzten Jahren Thema mehrerer Sachbücher, Bildbände und einer Ausstellung des Deutschen Historischen Museums in Berlin. Von der gesellschaftlichen Strahlkraft dieser Institution kündet auch das Buch des Hamburger Journalisten Cord Aschenbrenner.

Mit Blick auf neun Generationen einer deutschbaltischen Pastorenfamilie hat er ein faszinierendes, inhaltlich prallvolles Werk geschrieben, betitelt „Das evangelische Pfarrhaus. 300 Jahre Glaube, Geist und Macht: eine Familiengeschichte“. Vielschichtig und anschaulich erzählt der Autor, selbst Enkel eines Pastors, die Geschichte der deutschbaltischen Theologenfamilie Hoerschelmann über neun Generationen hinweg. Die spannende Darstellung beruht auf einem großen Kontingent an Briefen, Erinnerungsschriften und Memoiren.

Dort ist belegt, dass. zwei Söhne eines Superintendenten Hoerschelmann vom thüringischen Großrudestadt aus Mitte des 18. Jahrhunderts nach Reval auswanderten. Cord Aschenbrenner verfolgt dann den Zweig der Familie, der durch den Pastor und späteren Revaler Professor Ernst August Wilhelm Hoerschelmann (1773-1852) begründet wurde. Wie nicht wenige seiner Verwandten und Amtsbrüder heiratete er eine Pastorentochter.

Warum das Wort „Macht“ im Titel? Die deutschbaltischen Pastoren und ihre Familien zählten in Estland zur gebildeten Oberschicht. Anders als in Preußen konnten sie mit häufigen Einladungen bei den Gutsherren ihres Kirchspiels rechnen. Aus Sicht der estnischen Landbevölkerung war der Pastor ebenbürtig mit dem Gutsherren und Kirchenpatron. Noch bis weit ins 19. Jahrhundert hinein wurde den Pfarrern von den Dorfbewohnern ihres Kirchspiels der Rock-saum geküsst.

Ungetrübt war das deutsch-estnische Verhältnis nicht. Kein Wunder, die Deutschen machten nicht mehr als fünf Prozent der Bevölkerung Estlands aus, stellten aber allein die Oberschicht. Damit befasst sich der Autor in einigen allgemeineren Kapiteln. Ein anderes mit der Überschrift „Martin Luther oder Die ideale Familie“ stellt Luthers Beispiel als Urbild des protestantischen Pfarrhauses vor. Auch der Hoerschelmannsche Haushalt wies dessen typische Züge auf. Jede neue Generation bewohnt ein schlicht eingerichtetes Haus, eher groß als klein. Darin wuselt eine große Kinderschar, und es gibt einen üppigen Pfarrgarten, der vor allem der Versorgung dient. Typisch sind „Hausmusik, Bücher, Tischgebet und Tischgespräch, eine resolute Pfarrfrau und ein selbstgewisser Pfarrherr mit anspruchsvoller Nebenbeschäftigung“.

Nicht ohne Komplikationen war das Verhältnis der protestantischen zur russisch-orthodoxen Kirche. Obwohl die Hoerschelmanns treue Untertanen des Zaren waren, sorgten sie sich über die Russifizierung der Ostseeprovinzen seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Sobald es um das Deutschtum ging, dachten sie national. Ohne Beispiele aufzuführen erwähnt Aschenbrenner, dass sie sich zwar um ihre estnischen „Schäfchen“ auf dem Lande kümmerten, diese aber nicht mit nachhaltigem Engagement vor schlechter Behandlung durch die Deutschen zu schützen suchten. Gern hätte man an dieser Stelle mehr über die Kehrseite dieses Berufsstands im Baltikum erfahren, mit der sich die deutschen Pastoren vermutlich aus Bequemlichkeit oder aufgrund eines Gefühls der Ohnmacht arrangierten.

Nach dem Hitler-Stalin-Pakt zogen 1939 die letzten Mitglieder der Hoerschelmann-Familie aus Estland fort, einige in den kurzlebigen Reichsgau Danzig-Westpreußen, andere in den Reichsgau Wartheland. In Schleswig-Holstein fanden die Nachkommen der estnischen Hoerschelmanns schließlich endgültig eine neue Heimat.     

                Dagmar Jestrzemski

Cord Aschenbrenner: „Das evangelische Pfarrhaus. 300 Jahre Glaube, Geist und Macht: eine Familiengeschichte“, Siedler Verlag, München 2015, gebunden, 367 Seiten, 24,99 Euro


S. 23 Rautenberg Buchhandlung

Rautenberg Buchhandlung


S. 24 Panorama

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Vor großen Veränderungen / Wie schädlich es ist, Recht zu haben, wofür man heute hoch geehrt wird, und warum es dauernd »ums Ganze« gehen muss 

Wie geht es wohl weiter im neuen Jahr? Das kann niemand so genau sagen. Wenn es einer könnte, wäre er gut beraten, seine Weisheit für sich zu behalten. Denn eines hat uns das alte Jahr gelehrt: Es ist hochgefährlich, realistisch in die Zukunft zu blicken und öffentlich zu sagen, was man gesehen hat.

Wir erinnern uns an den Journalisten Matthias Matussek, der kurz nach den mörderischen Anschlägen von Paris im November davor warnte, dass mit den Asylbewerbermassen auch Terroristen ins Land fluten könnten. Umgehend war er seinen Posten bei einer großen Tageszeitung los und hatte das Etikett des „Hetzers“ weg. SPD-Chef Sigmar Gabriel dekretierte damals im Einklang mit der politischen Elite sowie den Staats-und Konzernmedien, dass es gefälligst keinen Zusammenhang gebe zwischen Asylflut und Terrorgefahr.

Einen Wimpernschlag später tauchten Hinweise auf, dass einer der Attentäter als „Flüchtling“ über Bayern eingesickert war. Reaktionen? Eigentlich gar keine. All jene, die eben noch gegen Warner wie Matussek gegiftet hatten, zogen leise pfeifend weiter, als sei nie etwas gewesen. Bald wurde es sogar noch komischer: Ausgerechnet die Zeitung, die Matussek gefeuert hatte, titelte kurze Zeit später: „Unkontrollierte Einreise ist ,staatsgefährdend‘ – Terrormiliz IS verfügt über Zehntausende Pässe.“

Und? Hat das Blatt den Verstoßenen wieder eingestellt, mit geziemender Bitte um Entschuldigung? Selbstverständlich nicht. Das ist es eben: Es nützt einem gar nichts, Recht gehabt zu haben, wenn man zu früh Recht hatte.

Wer also beulenfrei durchs neue Jahr kommen will, der hüte sich davor, irgendetwas früher zu ahnen als die Masse der Tonangeber im Land. Das könnte ihn den Kopf kosten.

Wer ungeschoren bleiben, will, der lausche den Mächtigen und plappere ihr Geschwätz nach. Sollte man sich unsicher fühlen und Angst haben, dass einem etwas Eigenes, also mutmaßlich Falsches und Verdächtiges herausrutscht zwischen dem Nachgeplapperten, dann plappere man am besten Wort für Wort nach, ohne Ergänzungen und Weglassungen.

Und die Deutschen sind äußerst unsicher, rund die Hälfte meint laut einer Allensbach-Umfrage, dass man seine Meinung zur Asylfrage nicht mehr öffentlich sagen könne, ohne dass einem Nachteile drohten. Daran liegt es wohl, dass wir nicht bloß in Parlamenten,  Rathäusern und Parteizentralen die immer gleichen Baukasten-Sprüche hören. Selbst einfache Bürger auf der Straße leiern sie herunter wie aufgezogen: Von „Wir sind weltoffen und tolerant“ über „X-Stadt bleibt bunt“ bis hin zum schon etwas heiseren „Willkommen“.

Wer indes nicht bloß unbehelligt bleiben, sondern im Strom der Zeit weit nach oben schwimmen will, der übertrumpfe die herrschende Sprachregelung noch durch überdurchschnittlich eifriges Dröhnen. Die NDR-Fernsehmoderatorin Anja Reschke wurde zur „Journalistin des Jahres“ erhoben dafür, dass sie die Meinung ihrer Obrigkeit in ganz besonders aggressiver Weise aufsagte und Andersmeinenden so richtig einen überzog.

Diese Kür ist wegweisend. Bislang wurden Journalisten vor allem für exzellente Recherchen oder außergewöhnlich brillant formulierte Texte ausgezeichnet, sprich: für ihre fachliche Leistung. Nunmehr ist es die zuverlässige Gesinnung, die einen anstelle von Leistung für höhere Weihen empfiehlt. Lesern östlich der Werra dürfte diese Art der Elitenbildung aus anderen Tagen vertraut sein.

Ulkig war, dass man Reschke die Krone ausdrücklich auch dafür aufsetzte, dass sie sich von Attacken, die nach ihrer eifernden Kritikerbeschimpfung bei ihr eintrafen, nicht habe „beirren lassen“. Warum sollte sie auch? Die Frau ist beim Staatsfunk beschäftigt, wird aus Zwangsgebühren bezahlt. Sie kann sich folglich ein Ei darauf pellen, was ihre Zuschauer von ihrer Arbeit halten.

So werden die Dinge Schritt für Schritt neu geordnet, und wir müssen aufpassen, dass wir nicht zurückfallen. Man hat es uns ja angekündigt: Deutschland werde sich von Grund auf verändern. Nicht nur in dem Sinne, dass wir den einst verlachten „Gratis-Mut“ plötzlich mit glitzernden Ehren behängen. Auch die Verteilung von „Recht“ und „Unrecht“ hat sich dramatisch verändert.

Sie haben von der plumpen Wahlfälschung in Bremen gehört, wo als Wahlhelfer eingestellte Schüler getürkt haben. Nachdem das aufgeflogen ist, hat die AfD einen Sitz hinzugewonnen und die bürgerliche Liste „Bürger in Wut“ konnte in die Stadtverordnetenversammlung von Bremerhaven in Fraktionsstärke einziehen.

Die etablierten Parteien hatten versucht, die Überprüfung mit dem Vorwand der Geringfügigkeit zu verhindern. Sie müssten nun eigentlich Selbstkritik üben. Da kam aber nicht viel. Der hessische CDU-Landtagsabgeordnete Hartmut Honka fragte im Internet: „Was ist schlimmer? Schüler fälschten Wahl oder einen Sitz mehr für die AfD?“ Dieses scheinbar bananenrepublikanische Bekenntnis war als Provokation gedacht, fuhr dem Vizechef der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, Jürgen Presser, aber dermaßen in die Glieder, dass er Honka öffentlich am Schlafittchen      packte: „Schlimmer ist, wenn Sie als Jurist und Parlamentarierer solche Fragen stellen.“

Vermutlich hatte er Honka missverstanden, der sagen wollte, dass ein Sitz mehr für die AfD bei aller Abneigung nichts sei gegen den Skandal der Wahlfälschung. Doch sei’s drum: Schon die Tatsache, dass man 16- bis 18-Jährige mit einem der wichtigsten Akte in einer Demokratie beauftragt hat, sagt etwas darüber, wie ernst die Verantwortlichen die Republik noch nehmen. Zudem haben wir nun ein eindrucksvolles Bild davon, in welche Richtung die Schüler von ihren Politiklehrern getrimmt worden sind.

In Bremen ist der Rechtsstaat in Form der Justiz den etablierten Parteien noch in die Quere gekommen, indem sie eine Neuauszählung erzwang. Doch wie wird das wohl aussehen, wenn die heute 16- bis 18-Jährigen dereinst die Richterstühle besetzen?

Das wissen wir noch nicht genau. Wohin die Reise im Groben geht, können wir indes längst absehen. Im Gesetzbuch steht, dass die Störung oder Behinderung einer legalen öffentlichen Versammlung ein Verstoß gegen die Versammlungsfreiheit und damit eine üble Straftat ist. Eine Tat, die im schlimmsten Fall mit mehrjähriger Haft geahndet wird.

Sprich: Geahndet würde, wenn es denn irgendjemanden interessierte. Tut es aber nicht mehr, wenn die Störung oder „Blockade“ einer Demonstration die von oben gewünschte Stoßrichtung vorweist.

So rutschen wir ganz langsam immer tiefer in einen Gesinnungsstaat hinein, in dem Recht und Gesetz zweitrangig werden. Eines Tages nimmt Justitia einfach die Augenbinde ab und schaut sich sehr genau an, welche Weltanschauung der Beschuldigte vertritt. Hiernach wird dann geurteilt und nicht danach, ob er gegen das Gesetz verstoßen hat.

Doch ob die Deutschen das mit sich und ihrem Staat machen lassen? Och, da können wir recht zuversichtlich sein. In der Euro-Krise hat man uns daran gewöhnt, dass Regeln und Gesetze nur hinderliches Gerümpel sind, wenn es „ums Ganze geht“: Not kennt kein Gebot, war die Devise, die beim Zulassen millionenfacher illegaler Einreise zum zweiten Mal erfolgreich erprobt wird.

Vor dem Hintergrund erst ergibt die völlig überzogene Kampagne gegen Erscheinungen wie Pegida oder AfD einen Sinn, wo die AfD mit der NPD (Hitler ante portas!) und Pegida mit IS-artigen Hass­predigern auf eine Stufe gestellt werden. Man muss den Leuten nur immerfort eintrichtern, dass es auch hier mal wieder um nichts Geringeres als „das Ganze“ geht. Haben sie das erst ge­schluckt, kann der Gesinnungsstaat den lästigen Verfassungsstaat mit leichter Hand zur Seite schieben. Dann ist diese neue Opposition quasi vogelfrei. Auf ein schwungvolles 2016!


MELDUNGEN / ZUR PERSON

Weihnachten erstmals verboten

Banda Seri Begawan – Der Sultan von Brunei hat erstmals Weih­nachten in seinem Land verboten. Bis zu fünf Jahren Haft drohten den 65 Prozent Muslimen für mündliche oder schriftliche Weihnachtsgrüße oder das Aufsetzen einer Weihnachtsmütze. Begründung: Weihnachten bedrohe ihren Glauben. Die zehn Prozent Christen Bruneis durften das Fest nur noch in geschlossenen Gemeinden und nach vorheriger Anmeldung feiern.          H.H.

 

Noch mehr auf der Flucht

Genf – Die Zahl der Menschen, die weltweit auf der Flucht sind, könnte 2016 weiter ansteigen, so der scheidende UN-Flüchtlingskommissar António Guterres. Die Hilfsorganisationen seien dem Ansturm aber schon jetzt immer weniger gewachsen. Dies und Berlins großzügige Asylpolitik bewege viele Flüchtlinge, nach Deutschland zu gehen. Schätzungen, wie viele in diesem Jahr kommen dürften, liegen nicht vor.          H.H.

 

Technokrat in Vollendung

Spanien erlebt einen Vorgeschmack dessen, was auf Deutschland zukommen könnte: das Aufkeimen neuer Parteien infolge verfehlter Wirtschafts- und Flüchtlingspolitik. Dominierten im spanischen Parlament über Jahrzehnte nur der konservative Partido Popular (PP) und die Sozialisten des PSOE, so müssen sie sich dort die Plätze nach den kurz vor Weihnachten erfolgten Wahlen mit den beiden Protestparteien Podemos und Ciudadanos teilen.

Mariano Rajoy, der Ministerpräsident vom PP, erhielt mit knapp 29 Prozent zwar die meisten Stimmen, hat aber die absolute Mehrheit verloren. Bis Mitte Januar muss er einen Koalitionspartner finden. Das Problem: Keiner will die von Korruptionsvorwürfen geplagte Altpartei unterstützen. Nur die liberale Ciuda­danos deutete Koalitionsbereitschaft an, doch würde das nicht für eine Mehrheit reichen.

Der 60-jährige Rajoy macht dabei einen bedauernswerten Eindruck. Nachdem das verschuldete Spanien unter ihm den Euro-Rettungsschirm verlassen hatte, konnte er weder von den leicht gefallenen Arbeitslosenzahlen – sie sind mit 21 Prozent noch immer mit die höchsten in Europa – noch von der 2015 um drei Prozent gestiegenen Wirtschaftskraft profitieren. Der im Pilgerort Santiago de Compostela geborene Jurist scheitert immer wieder an sich selbst. Er gilt als uncharismatisch, kommunikationsfaul und erinnert als Technokrat an die in Spanien gehasste deutsche Kanzlerin. Auch seine Sparpolitik und die Tatsache, dass sein Name auf einer Liste mit schwarzen Kassen stand, ließen die Wähler zu den neuen Parteien abwandern.

Spanien lässt grüßen: Schon die Bundestagswahlen 2017 könnten ergeben, dass auch in Deutschland die früheren Volksparteien heftig unter Druck geraten.         tws


MEINUNGEN

Die „Epoch Times“ (18. Dezember) zitiert den Filmregisseur Imad Karim (geboren 1958 im Libanon, seit 1977 in Deutschland), der vor einer Selbstaufgabe unserer Zivilisation warnt:

„Uns, besser gesagt, unseren Kindern droht eine düstere und blutige Zukunft, weil wir heute die gesellschaftszerstörenden Beschlüsse der 68er nicht mal versuchen zu verhindern. Das konservative Lager, das in der historischen Entwicklung stets die Rolle der ,Regulative‘ übte, existiert de facto NICHT mehr. Die Massen und somit die komplette Gesellschaft stehen völlig allein und schutzlos da.“

 

 

Die „Welt“ (27. Dezember) zitiert die Streifenpolizistin Tania Kambouri, Autorin des Bestsellers „Deutschland im Blaulicht“, die auf einer Veranstaltung im Saarland gewarnt hat:

„Da werden auch Kinder prostituiert in Flüchtlingsunterkünften, was auch nicht gesagt wird. Man will das Volk nicht aufhetzen. Aber irgendwann wird es ans Tageslicht kommen, und dann gibt es einen großen Knall ... Ich finde, ohne Grenzkontrollen haben wir nichts hier im Griff. Man müsste die Grenzen leider auch im freien Europa wieder hochziehen … Durch die offenen Grenzen haben wir ebenso viel Kriminalität hier reinbekommen. Wir haben uns Kriminalität importiert, die wir vorher nicht hatten.“

 

 

Milos Zeman, Präsident der Tschechischen Republik, äußerte in seiner Weihnachtsansprache einen aufsehenerregenden Verdacht zur unbegrenzten Massenzuwanderung:

„Manchmal komme ich mir vor wie Kassandra, die davor warnt, das Trojanische Pferd in die Stadt zu holen. Aber ich bin zutiefst überzeugt, dass das, womit wir es hier zu tun haben, keine spontane Fluchtbewegung ist, sondern eine organisierte Invasion.“

 

 

Im „Westfalen-Blatt“ (27. Dezember) wundert sich Kommentator Christian Althoff, dass für Asylbewerber plötzlich bezahlbar wird, wofür früher angeblich kein Geld dagewesen sein soll:

„Seit Schülergenerationen erleben Eltern den Unterrichtsausfall in NRW. Doch die Schulministerien sämtlicher Couleurs redeten das Problem immer klein ... Nun sind die Flüchtlinge da, und (NRW-)Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) schafft über Nacht 2625 Lehrerstellen ... Ähnlich sieht es beim Bau günstig zu mietender Wohnungen aus ...  Ist es überzogenes Gutmenschentum, das viele Politiker auf einmal so großzügig sein lässt?“

 

 

Nikolas Busse sieht in der „FAZ“ (28. Dezember) die EU in ihrer jetzigen Form durch Volksbewegungen gefährdet:

„Die etablierten Parteien, die das Einigungswerk nach dem Krieg aufgebaut haben, bekämpfen diese Bewegungen mit moralischen Argumenten und Ausgrenzungsversuchen. Das hat nichts gebracht, wie die Wahlergebnisse zeigen, und es beruht auf einer falschen Analyse. Der Zulauf für Parteien, die den Rückzug in einen kontrollierbaren nationalen Raum versprechen, hat Größenordnungen erreicht, die über das extremistische Potenzial am politischen Rand hinausreichen.“