20.04.2024

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Preußische Allgemeine Zeitung - Aktuelle Ausgabe

© Preußische Allgemeine Zeitung Ausgabe 30/16 vom 29.07.2016

S. 1 Preußische Allgemeine Zeitung

Von wegen »diffuse Ängste«
Der radikal-islamische Terror kommt keineswegs überraschend

Besorgte Deutsche wurden diffamiert oder als „Wutbürger“ verhöhnt. Jetzt tritt ein, was sie frühzeitig kommen sahen.

Mit den Terror-Attentaten von Würzburg und Ansbach hat begonnen, wovor die PAZ bereits auf dem Höhepunkt der Asylflut im vergangenen Jahr warnte: Dass der unkontrollierte Zuzug von einer Millionen oder mehr Menschen aus dem Orient in einen „blutigen Wahnsinn“ münden dürfte.

Bestätigen sich weitere Befürchtungen dieser Zeitung von 2015, dann war dies erst der Anfang. Die Sorge galt insbesondere den Hundertausenden junger Männer, die, von „Willkommenskultur“ und absurden Erwartungen angelockt, in Deutschland angekommen alsbald in ein Loch tiefster Enttäuschung stürzen würden. So schrieb die PAZ Anfang Oktober: „Wenn diese dann in schäbigen Massenlagern enden, wachsen in ihnen Enttäuschung, Wut und Aggression. Hinzu kommen die Konflikte ihrer Heimatländer, die sie mitbringen, und Hass auf Nichtmuslime.“

Damals verurteilten Politiker und ein Großteil der Medien solche Warnungen als das „Schüren diffuser Ängste“, gar als „rassistische Hetze“. In dem Selbstmordattentäter von Ansbach aber ist genau jene Saat aufgegangen, welche die weitsichtigeren Warner schon vergangenes Jahr keimen sahen.

Es ist einerseits die völlig andere Kultur der Neuankömmlinge, welche sie von den Deutschen trennt, aufgeladen durch eine archaische Religion, deren Anhänger weltweit immer stärker ins Extreme abgleiten. Zum anderen hat sich das Ausbildungsniveau der allermeisten Asylsucher schon sehr schnell als derart kläglich herausgestellt, dass die große Mehrheit jener Orientalen ausgeschlossen sein wird von jenem Wohlstand, der ihnen in Deutschland tagtäglich begegnet.

Der Selbstmordattentäter von Ansbach war seit 2014 hier. „Enttäuschung, Wut und Aggression“ haben zwei Jahre benötigt, um von dem Mann vollends Besitz zu ergreifen. Wie viele Zeitbomben mögen sich unter den dreimal so vielen Menschen verstecken, die 2015 bei uns angekommen sind?

Und der Täter von Würzburg ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die glauben, mit gutem Willen, viel Geld und ausreichend Integration lasse sich jeder noch so breite kulturelle Graben überwinden. Das mag beim einen funktionieren, beim anderen tut es dies nicht.

Die nächste Zukunft lässt Düsteres ahnen. Die Geschichte zeigt, dass der Übertreibung in die eine Richtung nicht Maß und Mitte, sondern – dem Pendelschlag gleich – die Übertreibung in die andere Richtung folgt. Der Dramaturg Botho Strauß schrieb bereits vor mehr als 20 Jahren, er fürchte weniger, dass Deutschland zum größten Einwanderungsland Euro­pas werde. Sondern dass es, als nachfolgende Konsequenz, zum größten Deportationsland des Kontinents mutiere. Mit jedem weiteren radikal-islamischen Terroranschlag in Deutschland rückt ein solcher Pendelschlag ins andere Extrem näher.    Hans Heckel


Tödliche Gastfreundschaft
Bundesregierung trägt Hauptschuld an Terroranschlägen und Morden durch Zuwanderer

Auf die Willkommenskultur folgt in Deutschland eine Welle von islamistischem Terror und Amok im Tagesrythmus, verübt von Asylbewerbern oder Jugendlichen mit Zuwanderungshintergrund. Im Internet jubeln Sympathisanten der  Terrororganisation IS, welche die Täter als Märtyrer feiern. Zunächst hatte am Montag in einem Regionalzug bei Würzburg ein unbegleiteter jugendlicher Asylbewerber angeblich aus Afghanistan wahllos Passanten angegriffen und mit Axt und Messer schwer verletzt. Der 17-jährige Täter, der in einer deutschen Pflegefamilie wohnte, soll vom IS bereits im letzten Jahr über die damals noch offene Balkanroute nach Deutschland geschleust worden sein, um hier als Selbstmordterrorist zu sterben.

Unbegleitete, minderjährige Zuwanderer im Alter zwischen 16 und 18 Jahren sind für den IS ideale Kämpfer. Sie gelten in ihrer jugendlichen Leichtfertigkeit als wesentlich leichter zu beeinflussen, haben nichts zu verlieren, da keine Familie vorhanden ist und sie können schon Waffen handhaben wie Erwachsene, werden aber nicht so eingehend kontrolliert wie diese. Außerdem erhalten sie nach Jugendhilfe-Standards mehr Integrationsleistungen. Bei dem Jugendlichen aus dem Regionalzug bei Würzburg waren weder Name noch Nationalität oder Alter genau bekannt, weil er wie 80 Prozent aller Asylbewerber bei der Antragstellung keine Personenidentifizierungsdokumente vorgelegt hatte. Dennoch erhielt er Asyl, weil offenbar in seiner Anhörung seine Gewaltbereitschaft nicht entdeckt worden war, und er durfte sogar, weil minderjährig, einen Familienzusammenführungsantrag stellen.

Auch der 18-jährige Amokläufer, der im Olympiaeinkaufszentrum von München neun Menschen getötet und viele verletzt hat, hatte von seinen Eltern, die aus dem Iran stammten und Asylbewerber waren, einen Immigrationshintergrund. Gleichwohl bestand der Täter noch während seiner Mordorgie darauf, als Deutscher anerkannt zu werden. Offenbar war er neben seiner Prägung durch das Elternhaus auch durch Internet und Buchvorlagen anderer Amokterroristen wie des Norwegers Anders Breivik beeinflusst. Die deutschen Behörden schienen irgendwie froh zu sein, als sich herausstellte, dass dessen Tat kein Terroranschlag, sondern nur ein „normaler“ Amoklauf war, wie er unter Jugendlichen in den letzten Jahren schon einige Male vorgekommen ist. Allerdings spielt die Unterscheidung zwischen Amoktat und Terror eigentlich keine Rolle mehr. Beim islamistischen Terror haben wir es nicht mehr mit einem bewussten politischen Akt zu tun wie noch zu Zeiten des RAF-Terrorismus. Während hinter den Taten von Nizza und Würzburg keine politische Strategie erkennbar ist, gibt es von psychopathologischer Seite her große Gemeinsamkeiten zwischen Amokläufern und Terroristen.

Auf Würzburg und München folgten der Machetenangriff von Reutlingen und das Selbstmordattentat von Ansbach, verübt von Asylbewerbern aus Syrien. Jeder dieser Angriffe mag Hintergründe haben, die noch nicht alle ermittelt sind. Aber bereits jetzt dürfte klar sein, dass Merkels Grenzöffnung aus Mitleid mit Kriegsflüchtlingen ein tödlicher Fehler war, der nicht nur das Ende für die Sicherheit und die Willkommenskultur in Deutschland bedeuten könnte. Die Kanzlerin hielt sich bei allen Terrorattacken im Tagesrythmus in Deutschland – anders als der französische Präsident bei den Anschlägen in Frankreich – mit Stellungnahmen erstaunlich zurück. Sie überließ die Erstinformation lieber dem bayerischen Ministerpräsidenten oder sichtlich übermüdeten Landesministern.

                Bodo Bost


Jan Heitmann:
Lebenslügen

Dafür, dass sie als SPD-Bundestagsabgeordnete ein „Leben wie ein Phantom“ („FAZ“) geführt hat, wurde die an ihren Lügen gescheiterte Petra Hinz mit über 9300 Euro monatlich fürstlich entlohnt. Und der Geldsegen hört auch nach ihrem unfreiwilligen Ausscheiden aus dem Bundestag nicht auf. Für jedes ihrer elf Jahre Parlamentszugehörigkeit kassiert sie einen Monat Übergangsgeld in Höhe der aktuellen Abgeordnetendiät, insgesamt also rund 100000 Euro. Damit soll ihr, so die Bundestagsverwaltung, die Rückkehr in den vorherigen Beruf ermöglicht werden. Da fragt man sich, welcher Beruf das wohl sein sollte, denn wie man jetzt weiß, hat Hinz einen solchen nie gehabt und sich ihre berufliche Vita komplett zusammengelogen.

Die Lebenslüge der Petra Hinz spiegelt die Lebenslüge der SPD wider – die von der Partei der kleinen Leute, in der es jeder zu etwas bringen kann. Das war sie einmal, aber das ist schon lange her. Malocher und kleine Handwerker sind nicht mehr gefragt. Wer in der SPD Ämter oder Mandate erringen will, muss eine Aufsteiger-Geschichte erzählen können. Die Muster-Biografie des erfolgreichen Sozialdemokraten beginnt zwar im Arbeiter- und Kleinbürgermilieu, aus dem muss aber möglichst schnell ein Bildungsaufstieg herausführen. Idealerweise steht an dessen Ende ein Hochschulabschluss. Auch in der SPD ist die Wertschätzung von einfachen aber guten Schulabschlüssen, von Gesellen-, Meister- und Facharbeiterbriefen zugunsten von Abitur und Studium geschwunden.

Petra Hinz hat vor 30 Jahren erkannt, dass man selbst in der SPD keine Kleine-Leute-Biografie mehr haben darf und sich von da an planvoll ihre Aufsteiger-Geschichte zusammengebastelt.


S. 2 Aktuell

Spannungen aus der Türkei importiert
Die Konfliktparteien im Reiche Erdogans sind mittlerweile allesamt auch in Deutschland organisiert

Der gescheiterte Militärputsch in der Türkei schlägt auch in Deutschland hohe Wellen. Anhänger des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan machen Jagd auf Andersdenkende. Die Regierung in Ankara heizt die Stimmung zusätzlich an.

Die Zustimmung für Edogans Regierungspartei AKP ist in der Bundesrepublik traditionell groß. Bei der Neuwahl zum türkischen Parlament im November 2015 stimmten knapp 60 Prozent der in Deutschland lebenden Türken für die islamisch-konservative Partei. Sie erzielte damit in Deutschland ein besseres Ergebnis als in der Türkei.

Eifrige Wahlkampfhilfe leistete damals eine Organisation namens Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD). Als Erdogan vor zwei Jahren in Köln auftrat, tat er es offiziell, um das zehnjährige Bestehen der UETD zu feiern. Tatsächlich war es jedoch eine Wahlkampfveranstaltung für das Präsidentenamt in Ankara. Der Auftritt war erfolgreich. Von den mehr als ei-ne Million in Deutschland wahlberechtigten Türken gab mehr als die Hälfte Erdogan ihre Stimme. Auf dieses Mobilisierungspotenzial können sich die AKP-Strategen verlassen.

Nach dem gescheiterten Putsch dauerte es nur Stunden, bis sich die UETD zu Wort meldete. Sie rief „die freie Welt zur Solidarität mit der Türkei“ auf. Man zeigte sich in der ersten Reaktion „zuversichtlich, dass alle Verantwortlichen dieser illegalen Meuterei ihre gerechte Strafe vor der türkischen Justiz und des türkischen Volkes erhalten“. Ein entsprechender Aufruf verbreitete sich in Windeseile im Netz. Manche, vor allem jüngere Aktivisten, schritten direkt zur Tat. Einige griffen Einrichtungen an, die der Bewegung des Exilpredigers Fethullah Gülen nahestehen.

Auch kurdische Objekte wurden zum Ziel des Hasses. In mehreren deutschen Städten gingen mehrere Zehntausend auf die Straße, um ihre Loyalität zu Erdogan zu bekunden. Doch dabei blieb es nicht. Viele türkischstämmige Bürger in Deutschland erhielten über die sozialen Netzwerke die Aufforderung, Anhänger der Gülen-Bewegung zu denunzieren. Die Rufnummer einer Hotline des Präsidialamtes in Ankara wurde gleich mitgeliefert. Die Bundesregierung äußerte sich besorgt. Doch erst, als aus dem Innenministerium verlautete, der Verfassungsschutz werde sich mit dem Vorfall befassen, ruderte die UETD zurück. „Gewalt sei natürlich niemals eine Lösung“, ließ sie knapp mitteilen. Doch das scheint wenig glaubhaft zu sein. Denn der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, hat andere Erfahrungen gemacht. „Viele bejubeln alles, was gerade in der Türkei passiert. In Nordrhein-Westfalen sind Geschäfte von Türken geplündert worden, die angeblich zur Gülen-Bewegung gehören. Die Stimmung ist sehr aufgebracht“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“. „Alle, die etwas gegen Erdogan sagen, werden entweder als PKK-Aktivisten oder als Gülen-Unterstützer gesehen. Es reicht, die Meinung des Präsidenten nicht zu teilen, um registriert zu werden.“ Auch er bekomme Drohanrufe.

„Die Lage ist beängstigend, wir werden bedroht und beschimpft, wir erhalten Morddrohungen“, sagte auch Ercan Karakoyun, der Vorsitzende der Stiftung Dialog und Bildung, die der offizielle Repräsentant der Hizmet genannten Gülen-Bewegung in Deutschland ist, gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Die großen Islam-Verbände haben den Putschversuch in der Türkei scharf verurteilt und ihre „Solidarität mit den Menschen in der Türkei und der Demokratie“ bekundet. Eine Distanzierung von den Übergriffen in Deutschland unternimmt die Türkisch-Islamische Union (Ditib), die dem Religionsministerium in der Türkei unterstellt ist, nicht. Immerhin heißt es in ihrem Aufruf: „„Weder in der Türkei noch in Deutschland oder anderswo auf der Welt darf Gewalt als ein Mittel der politischen Auseinandersetzung angewandt oder befürwortet werden.“

In der Bundesrepublik ist die Auseinandersetzung nicht nur deshalb so scharf, weil hierzulande besonders viele Erdogan-Anhänger leben. Auch die kurdische Partei HDP hat viele Anhänger. Zudem wählten rund 7,5 Prozent der Türken in Deutschland die rechtsextreme Partei MHP.

Die Spannungen könnten sich in Zukunft noch verstärken. Der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Ali Ertan Toprak, sagte gegenüber „Spiegel Online“: „Jeder lebt in seinem ethnisch-politischen Getto, die Menschen sind verfeindet. Nach dem Putschversuch halte ich die Gefahr für sehr groß, dass sich die Spannungen in der deutsch-türkischen Community weiter verschärfen.“ Das Bundesinnenministerium teilte in der vergangenen Woche schließlich mit, dass man die Entwicklung „genau und mit großer Sorge“ beobachte.

                Peter Entinger


Die Bevormundung hält an
Presserat ändert Vorschriften zur Nennung von Täterherkunft nicht

Im Kodex des Deutschen Presserates heißt es in Ziffer 12: „In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.“

Der Presserat hält an dieser Vorschrift fest. Dabei wurde nach den Ereignissen in der Kölner Silvesternacht die Kritik daran schärfer. Auch viele Journalisten betrachten sie als Bevormundung und lehnen sie ab – nicht zuletzt, weil man sehr verschiedener Meinung sein kann, ob etwas „diskriminierend“ ist und ob nicht ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit auf Information überwiegt.

Für die Pressearbeit der Polizei war früher in einigen Bundesländern eine ähnlich lautende Vorschrift noch verschärft worden, etwa in Nordrhein-Westfalen oder im Saarland. Dessen Innen­mi­ni­ster Klaus Bouillon hat am 13. Januar in einem neuen Erlass zur Öffentlichkeits- und Medienarbeit der Polizei folgende alte Passage (polizeiintern bisweilen auch „Maulkorb-Erlass“ genannt) ersatzlos gestrichen: „Hinweise auf eine Beteiligung von Ausländern, ethnischen oder religiösen Minderheiten oder deren Hautfarbe haben grundsätzlich zu unterbleiben, sofern nicht im Einzelfall die Information aus sachlichen Grü̈nden für das Verständnis des berichteten Vorganges oder zum Zwecke der Fahndung zwingend erforderlich ist.“ Im neuen Erlass heißt es jetzt über die Polizeipressearbeit nur noch: „Die Berichterstattung darf nicht diskriminierend und vorurteilsschürend wirken.“ Auf den Kodex des Presserates wird lediglich noch als eine Vorschrift „von Bedeutung“ hingewiesen.

In die Polizei-Pressearbeit mischt sich auch die beim Bundesfamilienministerium angehängte „Antidiskriminierungsstelle des Bundes“ ein. Am 18. September 2015 verkündete diese, sie habe im Juli einen „Hinweis zu einer diskriminierenden Formulierung in der Pressemitteilung einer Polizeibehörde in einer westdeutschen Großstadt“ erhalten. Darin habe man die Bürger „auf eine neue Form des Taschendiebstahls aufmerksam gemacht, bei der sie durch ,Antanzen‘ abgelenkt und dann bestohlen“ würden. Zusätzlich sei in der Pressemitteilung erwähnt worden, „dass es sich bei den Tätern ,meist um nordafrikanische Männer‘“´ handele. „Nach Auffassung der Antidiskriminierungsstelle“, so erklärte diese, „legt diese Formulierung eine Diskriminierung von Menschen nordafrikanischer Herkunft nahe. Solche Aussagen schü̈ren Vorurteile gegen bestimmte Gruppen von Menschen und sind nicht akzeptabel.“ Weiter hieß es: „Die Antidiskriminierungsstelle nahm deshalb Kontakt zur Polizeibehörde auf. In einem Schreiben des Polizeipräsidenten wurde der Antidiskriminierungsstelle jetzt bestätigt, dass die Pressemitteilung angepasst und der Hinweis ,meist nordafrikanische Männer‘´ nicht mehr verwendet wird.“   

                Michael Leh


Viele offene Fragen
Keine Aufklärung des MH17-Absturzes

Selbst zwei Jahre nach dem Absturz von Malaysia-Airlines Flug MH17 ist die Frage offen, wer für die Tragödie verantwortlich ist. Nach wie vor beschuldigen sich Kiew und die von Russland unterstützten Separatisten in der Ostukraine gegenseitig der Täterschaft. Zwar steht für das niederländische Ermittlerteam fest, dass das Flugzeug von einer Boden-Luft-Rakete eines russischen BUK-Systems abgeschossen worden sei, Gewissheit bezüglich des Verursachers fand es bis heute allerdings nicht. Lediglich der Abschussort der Boden-Luft-Rakete konnte eingegrenzt werden auf ein 320 Quadratkilometer großes Gebiet. Dieses sei damals komplett von Separatisten kontrolliert worden, so der Bericht. Erhebliche Zweifel gibt es an allen Versionen, denn laut dem niederländischen kriminaltechnischen Ermittler Gerrit Thiry könnte alles von jeder Seite manipuliert worden sein. „Alles, was wir untersuchen, steht zur Diskussion. Wir haben nichts in den Händen, von dem wir sicher wissen, dass es wahr und echt ist.“ Der ukrainische Geheimdienst soll die Separatisten beschuldigt haben, MH17 mit einer Aeroflot-Maschine verwechselt zu haben, die sie eigentlich abschießen wollten, um eine Invasion Russlands in der Ukraine zu provozieren. Moskau wiederum vermutet, dass ukrainisches Militär mit dem Abschuss der Maschine dem Westen in die Hände spielte, damit dieser die Sanktionen gegen Russland verschärfte.

Während die Russen kritisiernen, dass die Ukraine der Ermittlergruppe angehört, während die von ihnen vorgelegten Daten unberücksichtigt blieben, bemängeln viele weitere Experten und Angehörige der Opfer das bisher vorgelegte Ermittlungsergebnis.

Russische Medien zitieren den ehemaligen Bundeswehr-General Hermann Hagena, der Zweifel am Einsatz eines BUK-Systems äußerte, weil auf den verwendeten Bellingcat-Fotos die notwendigen Begleitfahrzeuge fehlten.

In den Vordergrund gerät jetzt auch Kritik an der Ukraine, weil sie ihren Luftraum nicht sperrte, um nicht auf Überfluggebühren zu verzichten.            MRK


MELDUNGEN

Sobotka will Wahlbeobachter

Wien – Österreichs Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat vorgeschlagen, dass Wahlbeobachter der OSZE die neuerliche Präsidentenwahl überwachen sollten. Bei seinen Kabinettskollegen und dem bisherigen Präsidenten Heinz Fischer (SPÖ) stieß dieser Vorschlag allerdings auf vehemente Ablehnung. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) sieht die „Reputation der Republik Österreich“ im Ausland durch diese Maßnahme bedroht. Allerdings hat Österreich schon bisher regelmäßig OSZE-Wahlbeobachter eingeladen – so etwa bei der Bundespräsidentenwahl 2010, der Nationalratswahl 2013 und noch bei der ersten Runde der aktuellen Präsidentenwahl. In ihrem Bericht zur Präsidentenwahl hat die OSZE bereits alle Teile des Wahlverfahrens umfassend kritisiert und dessen dringende Überarbeitung empfohlen.         T.W.W.

 

Ali Agca will Priester werden

Ankara – Mehmet Ali Agca, der 1981 das Attentat auf den frisch gewählten Papst Johannes Paul II. beging, will Priester werden. Dies teilte er der italienischen Zeitung „Il Giornale“ mit. Das frühere Mitglied der Grauen Wölfe, das 2010 aus türkischer Haft entlassen wurde, war nach eigenen Worten vom polnischen Papst später so beeindruckt, dass er sich als Diener Jesu bezeichnete, zum Katholizismus übergetreten sein will und einen Antrag auf die polnische Staatsbürgerschaft stellte. All dies hat er anschließend aber auch wieder widerrufen. Kontinuierlich scheint hingegen seit seiner ersten Begegnung mit dem Papst das „Dritte Geheimnis von Fatima“ eine Rolle für ihn zu spielen. Der Papst sah sich selbst als der dort erwähnte „Weiße Bischof“, der in der Prophetie allerdings getötet wurde, was Johannes Paul bekanntlich nicht widerfuhr. Agca möchte sich im kommenden Jahr zum 100. Jahrestag der vorgeblichen Marienerscheinungen in Portugal vom Papst zum Priester weihen lassen.            T.W.W.

 

Erdogan will Syrer einbürgern

Ankara – Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan will türkischen Medienberichten zufolge „mehrere Millionen“ oder „hunderttausende“ beziehungsweise nach Angaben der Zeitung „Habertürk“ bis zu 300000 Syrer, die sich bereits im Land befinden, einbürgern. Bei diesen Zuwanderern würde es sich um „qualifizierte Kräfte“ handeln, die der türkischen Wirtschaft zu Gute kämen, ließ er verlauten. Mit dieser Absicht stößt der despotische Machthaber bei seinen Untertanen allerdings auf breite Ablehnung. Eine Online-Petition, bei der die Frage aufgeworfen wird, warum dann die Europäer Geld zahlen würden, um solche Leute wieder loszuwerden, erhielt innerhalb von nur wenigen Tagen zehntausende namentliche Stimmen für einen Verzicht auf diese Unterwanderung der türkischen Kultur. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu von der kemalistischen CHP forderte eine Volksabstimmung über den Regierungsplan. Erdogan, der das Thema erstmals Anfang Juli öffentlich angesprochen hatte, will vermutlich mit Hilfe der syrischen „Importwähler“ die Basis seiner islamistischen AKP stärken, um so deren absolute Mehrheit sicherzustellen. T.W.W.


S. 3 Deutschland

Verlogenes, unsinniges System
Der Fall des Axt-Attentäters Ahmadzai zeigt, wie bizarr der Umgang mit minderjährigen Asylbewerbern ist

Sogenannte „unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ verursachen Milliardenkosten. Derzeit steigt ihre Zahl sprunghaft an. Dabei sind die meisten älter als sie angeben.

Kann diese hässliche Fratze des Terrors wirklich erst 17 Jahre alt sein? Auf dem Bekenner-Video von Riaz Khan Ahmadzai, dem Mann, der mit einer Axt im Namen des IS fünf Menschen schwerstverletzte, blickt uns eine Person mit den ausgeprägten Gesichtszügen eines Erwachsenen entgegen. Auf Mitte Zwanzig schätzen ihn viele Beobachter. Dennoch behauptete der Mann, der vielleicht aus Afghanistan stammt, vielleicht aber auch aus Pakistan, bei seiner Einreise in Passau am 30. Juni 2015 erst 16 Jahre alt zu sein.

Als sogenannter „unbegleiteter minderjähriger Flüchtling“ (UMF) erfuhr Ahmadzai, der bei der Terrormiliz IS den Kampfnamen Muhammad Riyad trug, die massive Vorzugsbehandlung, die solchen Personen in Deutschland zuteil wird. Er kam zu einer Pflegefamilie, die im fränkischen Graukönigshofen auf einem Bauernhof lebt. Flüchtlingshelfer betreuten ihn. Er spielte Fußball im örtlichen Verein, erhielt einen Praktikumsplatz in einer Bäckerei. Ahmadzai galt als bestens integriert bis zu jenem Abend des 18. Juli, als er in Ochsenfurt um 21 Uhr den Regionalzug bestieg und 15 Minuten danach seine entsetzliche, menschenverachtende Bluttat beging. Später in der Nacht wurde er von einem Spezialeinsatzkommando der Polizei erschossen. Nachfolgende Untersuchungen der ermittelnden Behörden wecken erhebliche Zweifel an Namen, Alter und Herkunft des Täters.

Der Fall Ahmadzai macht auf besonders erschreckende Weise die bizarre, verlogene und unsinnige Praxis deutlich, nach der in Deutschland mit jungen Asylbewerbern umgegangen wird. Wer sich mit dem Verfahren beschäftigt, fragt sich bald, wer hier eigentlich die unbedarften Kinder sind und wer die abgeklärten Erwachsenen. Keine Fluchtgeschichte erscheint zu unglaubwürdig, um nicht tiefste Betroffenheit bei den deutschen Entscheidern auszulösen. Mit kindlicher Naivität wird anscheinend geglaubt, was die jungen Menschen aus der Fremde vortragen.

Dabei ist der Anreiz, sich den UMF-Status zu erschleichen, riesig. Kinder und Jugendliche, die ohne Eltern und andere Erziehungsberichtigte nach Deutschland kommen, gelten als besonders schutzbedürftig. Die örtlichen Jugendämter nehmen sie zunächst in ihre Obhut. „Um ein gutes Aufwachsen sicherzustellen, werden sie anschließend bundesweit verteilt. Das Verteilungsverfahren wird innerhalb von 14 Tagen durchgeführt“, lautet die Direktive beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Den Minderjährigen „sollen Hilfen gewährt werden, die ihre schulische und berufliche Ausbildung, Eingliederung in die Arbeitswelt und die soziale Integration fördern.“ Dazu wird von den Familiengerichten ein Vormund oder Pfleger als rechtliche Vertretung des Minderjährigen bestimmt. Außerdem wird ein individueller Hilfeplan erstellt.

„Unbegleitete Minderjährige sind bei ihrem Weg in die Ausbildung häufig in ein Netzwerk aus sozialpädagogischer, rechtlicher und ehrenamtlicher Begleitung eingebunden“, heißt es stolz in einer Analyse der Bundesagentur für Arbeit. Eine namenlose Sachbearbeiterin der Ausländerbehörde wird in dem Text zitiert. Sie berichtet: „Dadurch, dass die ja meistens in einer Wohngruppe betreut werden und einen Amtsvormund haben, wird schon von da immer gesteuert, werden rechtzeitig Anträge gestellt. Die haben natürlich Betreuer an der Seite, die wissen, wie man mit Behörden umgeht.“

Stellen die Vormünder für ihre Schützlinge Asylanträge, werden diese zu 90 Prozent bewilligt. Ist dies nicht der Fall, wird durch die zuständige Ausländerbehörde meist eine Duldung ausgestellt. Ansonsten „berät die Ausländerbehörde über andere aufenthaltsrechtliche Möglichkeiten“, ist in einem  Schreiben des BAMF nachzulesen.

Das alles ist generös, human. lobenswert und bei einem wirklich hilfsbedürftigen Kind sicherlich berechtigt. Aber es lädt gleichzeitig zu massivem Missbrauch ein. Fast alle Zuwanderer, die sich als minderjährig ausgeben, haben – was für ein dummes Missgeschick! – ihre Ausweispapiere bei der Flucht verloren. Per Augenschein, einem persönlichen Gespräch und – im Zweifelsfalle – einem medizinischen Gutachten versuchen die Mitarbeiter in den Aufnahmeeinrichtungen, das tatsächliche Alter des Ankömmlings herauszufinden.

Eine Senatsanfrage des Hamburger CDU-Bürgerschaftabgeordneten Christoph de Vries brachte schon 2014 ans Tageslicht, in welchem Ausmaß die Einlassbegehrenden schwindeln. Von den 1296 Zuwanderern, die ein Jahr zuvor Inobhutnahme beim Kinder- und Jugendnotdienst der Stadt begehrten, waren nach Überzeugung des zuständigen Landesbetriebs „Erziehung und Beratung“ 807 mindestens 18 Jahre oder älter.

Zwei Jahre später scheint den Verantwortlichen in Deutschland allerdings kaum noch etwas daran gelegen zu sein, dass wirkliche Alter eines Zuwanderers herauszufinden. Die medizinische Altersbestimmung anhand von Zahnentwicklung, Knochenwuchs und Ausprägung der Geschlechtsmerkmale gilt als unsicher. Für den Untersuchten sei sie zudem „unangenehm“, wenden die Zuwanderungs-Lobbyisten von Pro Asyl ein.

So sind in Deutschland derzeit mehr als 65000 „unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ registriert. Ein finanzieller Albtraum für die Kommunen. „Die Kosten explodieren“, erklärte jüngst der Hauptgeschäftsführer des deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg. Weil jeden Monat pro minderjährigem Flüchtling 3000 bis 5000 Euro fällig würden, müssten die Kommunen schon jetzt schätzungsweise 2,7 Milliarden Euro zahlen. Landsberg forderte, den Betreuungsaufwand deutlich zu senken: „Es macht keinen Sinn, dass für die jungen Flüchtlinge die gleichen Bedingungen gelten wie bei der Jugendhilfe für schwer Erziehbare.“ Sie bräuchten keinen Sozialarbeiter, der sich rund um die Uhr um sie kümmere.

Das Deutsche Kinderhilfswerk widersprach umgehend. Kostensenkungen dürften nicht auf dem Rücken unbegleiteter Flüchtlingskinder durchgesetzt werden. Aller Voraussicht nach wird es also keine Kosteneinsparungen geben. Im Gegenteil: Die Zahl der Zuwanderer, die als UMFs in Deutschland unterkommen möchten, steigt derzeit wieder sprunghaft an. Der Passauer Landrat Franz Meyer bekannte jüngst, dass kriminelle Schleuser dafür gesorgt hätten, dass die Bal­kanroute wieder funktioniere. „Wir merken das vor allem an der Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge“, so der CSU-Politiker. Derzeit sei es wieder wie zu den Hochzeiten im vergangenen Herbst.               Frank Horns


Asylgrund Krankheit
Was Immigranten mit medizinischen Attesten alles erreichen

Es kann nicht sein, dass 70 Prozent der Männer unter 40 Jahren vor einer Abschiebung für krank und nicht transportfähig erklärt werden“, klagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière mit einer für seine Verhältnisse eher ungewöhnlichen politischen Inkorrektheit. Das CDU-Regierungsmitglied nahm die Äußerung denn auch kurze Zeit darauf zurück, nachdem eine Welle der Entrüstung von politisch Korrekten und Asyllobbyisten ihn getroffen hatte, aber es bleibt sein Verdienst, auf den systematischen und massenhaften Missbrauch von ärztlichen Attesten zur Verhinderung von Abschiebungen hingewiesen zu haben.

Laut dem Bundesinnenministerium hielten sich Ende 2015 in der Bundesrepublik mehr als 200000 zur Ausreise verpflichtete Ausländer auf. Zurückgeschickt wurden im vergangenen Jahr lediglich 20000. Das entspricht einer Quote von weniger als zehn Prozent. Der Rückstau wird weiter wachsen. Bremen führte nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr nur jeden 113. Ausreisepflichtigen zurück, Nordrhein-Westfalen jeden 14., Bayern hingegen jeden vierten. Die meisten Bundesländer haben keine Abschiebehaftanstalten mehr.

Größtes Hindernis bei Abschiebungen sind ärztliche Atteste. Etliche Ausreisepflichtige legen, wenn die Polizei erscheint, ein ärztliches Attest vor, das ihre Reiseunfähigkeit bestätigt. Oft werden Atteste auf Vorrat beschafft und erst in letzter Minute vorgezeigt, weil die Chancen so am höchsten sind, einer Abschiebung zu entgehen.

Auch unter den Asyltouristen vom Balkan hat es sich längst herumgesprochen, dass Kranke nicht abgeschoben werden können. Gerade von dieser Seite werden medizinische Probleme nun nicht mehr nur zur Abwendung von Abschiebungen nach erfolglosen Asylverfahren angeführt, sondern bereits vor den Asylverfahren als Gründe für das Asylbegehren angeführt.

Zwei prominente Fälle wurden bekannt. Ein Bruder des kosovarischen Premiers Isa Mustafa suchte im Juni 2015 in Rheinland-Pfalz um Asyl in Deutschland nach, um sich wegen einer „schwierigen Krankheit“ behandeln zu lassen, die im Kosovo nicht geheilt werden könne. Wenige Tage später empfing die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel den Bruder des kranken Asylbewerbers in Berlin als Staatsgast. Im vergangenen Jahr haben rund 40000 Kosovaren es dem Bruder ihres Premiers nachgemacht und in Deutschland auch aus Krankheitsgründen Asyl beantragt. Die Anerkennungsquote als politisch Verfolgte lag beim Kosovo laut dem  Innenministerium bei 0,001 Prozent.

Beim zweiten Fall handelt es sich um ein Ehepaar aus Albanien, das wegen der bevorstehenden Geburt von Vierlingen in Deutschland Asyl beantragte, um die Kinder auf die Welt zu bringen. Als nach sechs Monaten die Abschiebung drohte, da seit Ok­tober vorigen Jahres alle Staaten des westlichen Balkans per Gesetz als sicheres Herkunftsland gelten, fand sich ein Arzt, der medizinische Gründe sah, die einer Abschiebung im Wege stünden. So entschied eine Härtefallkommission, dass die Familie für zwei Jahre in Deutschland bleiben darf. Die Aussichten, dass ihre Aufenthaltstitel darüber hinaus verlängert werden, stehen nicht schlecht.           Bodo Bost


Der Konvent soll’s richten
Wird der 13. August zum Schicksalstag für AfD-Sprecher Meuthen?

Der Konvent, der gemäß der Satzung der AfD „für alle politischen und organisatorischen Fragen der Bundespartei“ zuständig ist, soll am 13. August für Ordnung sorgen; für Parteisprecher Jörg Meuthen dürfte es der Schicksalstag werden.

Der Konvent tritt zusammen, wenn dies 25 Prozent seiner Mitglieder verlangen. Dieser Fall ist in der vergangenen Woche eingetreten. Dem Konvent gehören 50 Mitglieder an, die von den Landesverbänden gewählt werden. Hinzu kommen fünf Delegierte aus dem Bundesvorstand. Sollte das Gremium zu dem Eindruck komme, dass der Bruch in der Führungsetage nicht mehr zu kitten ist, dann könnte er einen außerordentlichen Bundesparteitag mit dem Ziel der kompletten Vorstandsneuwahl einberufen.

Die latenten Spannungen sind über die Spaltung der baden-württembergischen Landtagsfraktion eskaliert. Seitdem gilt das Verhältnis der beiden Bundessprecher Frauke Petry und Meuthen als zerrüttet. Er wirft ihr vor, sich in die Belange der Stuttgarter Fraktion eingemischt zu haben; sie macht ihn für die Spaltung verantwortlich und sieht der Partei einen großen Schaden zugefügt.

In der Tat gingen die Zustimmungswerte für die Partei teilweise deutlich nach unten. Wohl auch deshalb hat der Bundesvorstand überraschend einstimmig die Wiedervereinigung der Stuttgarter Fraktion angeordnet, die Meuthen Anfang Juli mit 13 Abgeordneten verlassen hatte. Die verbliebenen acht Mitglieder werfen dem ehemaligen Vorsitzenden schwere Versäumnisse in Sachen Organisation und Menschenführung vor.

Für Meuthen wird die Versöhnung zur politischen Überlebensfrage. Schafft er es bis zum 13. August nicht, die Fraktion zu vereinen, dürften seine Tage als Bundessprecher gezählt sein.

Zwar hat der Wirtschaftsprofessor die Mehrheit im Bundesvorstand hinter sich, die Basis steht allerdings eher auf Seiten Petrys. Meuthen sowie seine Verbündeten Alexander Gauland und Björn Höcke hatten vor Wochen in einem Hintergrundgespräch mit Hauptstadtmedien versucht, die Spitzenkandidatur Petrys zur Bundestagswahl zu verhindern, doch genau darauf wird es nach dem Willen der Basis wohl hinauslaufen. Scheitern könnte die Sächsin nur noch, wenn gegen sie Anklage wegen Meineids erhoben wird. Im Zuge der Listenaufstellung zur Landtagswahl in Sachsen soll es zu Ungereimtheiten gekommen sein, ein entsprechendes Verfahren ist anhängig. Sollte sie diese juristische Unwägbarkeit unbeschadet überstehen, wird kein Weg an ihr als Spitzenkandidatin vorbeiführen.

„Das ist der Wunsch der Mitglieder. Wer jetzt den Leidensdruck verspürt und eine Entscheidung herbeiführen will, soll es sagen“, fordert Petrys Lebensgefährte Marcus Pretzell, Landeschef in Nord­rhein-Westfalen. Doch den Bruch scheut offenbar die Mehrheit des Vorstands. „Wir müssen uns im Sinne der Sache zusammenraufen“, sagt Parteivize Gauland und verweist auf die anstehenden Landtagswahlen im Herbst in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. „Wir haben alle Chancen, wenn wir geschlossen sind. Ruhe wäre schon sehr hilfreich“, sagt Nordost-Spitzenkandidat Leif-Erik Holm. Und sein Berliner Pendant Georg Pazderski fügt hinzu: „Wir können uns nur noch selber schlagen.“  Peter Entinger


MELDUNGEN

Höchstwert bei Zuwanderung

Wiesbaden – Im vergangenen Jahr kamen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes rund 2,14 Millionen Menschen nach Deutschland. Mit 2,02 Millionen Personen stellten Ausländer die meisten Zuwanderer. Rund 45 Prozent waren EU-Bürger, 13 Prozent kamen aus anderen europäischen Ländern, 30 Prozent aus Asien und fünf Prozent aus Afrika. Rund 1,14 Millionen Personen kamen mehr hinzu als wegzogen. Dieser sogenannte Wanderungsüberschuss ist der bisher höchste seit Bestehen der Bundesrepublik. Die Zuwanderung von Flüchtlingen habe einen großen Anteil am Anstieg, erklärte das Amt. Knapp drei Viertel der Zuwanderung von Ausländern entfiel auf die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Hessen. U.M.

 

Zahlungen an Kriegsgefangene

Berlin – Bis Ende Juni sind 921 formale Entschädigungsanträge ehemaliger sowjetischer Soldaten in deutscher Kriegsgefangenschaft beim Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen eingegangen. Davon wurden 561 positiv beschieden und den Antragstellern eine einmalige symbolische finanzielle Anerkennungsleistung in Höhe von 2500 Euro gezahlt. 30 Anträge wurden abgelehnt, weil die Antragsteller tatsächlich keine Angehörigen der sowjetischen Streitkräfte gewesen waren, weitere 24, weil sie von Familienangehörigen anstelle der mittlerweile verstorbenen Berechtigten gestellt worden waren. Über 285 wurde noch nicht abschließend entschieden, die verbliebenen Anträge wurden aus formalen Gründen zunächst nicht bearbeitet. Die meisten Anträge kamen aus Russland (695), der Ukraine (304), Armenien (118) und Weissrussland (107).      J.H.


S. 4 Türkisches Militär

Wer putschte warum?
Ein Versuch in Torschlusspanik, der eigenen Entmachtung zuvorzukommen

Zum vierten Male in der Geschichte der Republik Türkei putschten Teile der Streitkräfte gegen die zivile Staatsführung – und erstmals scheiterte ein solcher Umsturzversuch. Wer waren die Militärs, welche Erdogan zu entmachten versuchten, und was trieb sie zu ihrer Tat?

Genau wie Adolf Hitler nach dem misslungenen Attentat des Obersten Claus Schenk Graf von Stauffenberg, tönte auch der glücklich davongekommene Präsident der Türkei zunächst von einer vergleichsweise „kleinen Verschwörergruppe“ innerhalb der Armee seines Landes, die Verrat geübt hätte. Tatsächlich jedoch waren die Listen der involvierten und mittlerweile sämtlich verhafteten hochrangigen Offiziere, wie man sie schon am Tage nach dem Putsch in den türkischen Zeitungen „Evrensel“ und „Hürriyet“ finden konnte, auffällig lang. Sie enthielten die Namen von fünf Flottillenadmiralen und einigen Dutzend Brigadegenerälen, die an rund 40 Standorten in der Türkei wichtige Kommandos innehatten. Außerdem wären da auch noch die mutmaßlichen Anführer der Putschisten, nämlich die Vier-Sterne-Generäle Akin Öztürk (früher Chef der Luftwaffe, danach Mitglied des Obersten Militärrates) und Adem Huduti (Kommandeur der 2. türkischen Armee, die an der Grenze zu Syrien beziehungsweise dem Irak stationiert ist) sowie Generalleutnant Erdal Ötztürk (Oberbefehlshaber der 3. Armee im Kaukasus), Generalleutnant Metin Iyidil (Chef des Ausbildungskommandos), Generalmajor Memduh Hakbilen (Stabschef der Ägäis-Armee) und Generalmajor Fethi Alpay (Leiter der Luftwaffenakademie).

Ihre Motivation bezogen die Organisatoren des Putsches, die sich als sogenannter Friedensrat der Türkei (Yurtta Sulh Konseyi) präsentierten, vor allem aus dem Bekanntwerden des Umstandes, dass eine tiefgreifende personelle Umstrukturierung der höheren Kommandoebenen der Streitkräfte bevorstand. Diese sollte Ende August auf der jährlichen Tagung des Obersten Militärrates durchgesetzt werden und die Armee stärker als bisher unter die Kontrolle Erdogans und seiner islamistischen AKP bringen. Das verursachte bei zahlreichen hochrangigen Kommandeuren, insbesondere der Luftwaffe, der Panzertruppe und der paramilitärischen Gendarmerie, Torschlusspanik, aus der heraus sie dann während der urlaubsbedingten Abwesenheit von Erdogan voller Hast zuschlugen – was die auffällig schlechte Planung und Vorbereitung des Staatsstreichs erklärt. Der Putsch erfolgte also einerseits mit dem Ziel, die drohende eigene Zwangspensionierung zu verhindern, und andererseits aus der Absicht heraus, den traditionell säkularen Charakter der türkischen Streitkräfte zu bewahren.

Indes scheint deren Durchsetzung mit Erdogan-Anhängern doch schon sehr viel weiter fortgeschritten zu sein, als der „Friedensrat“ annahm, denn sonst hätte er deutlich mehr Rückhalt in der Armee besessen, so wie die früheren Juntas. Diesmal blieben jedoch viele wichtige Kampfverbände loyal, darunter die im Raum Istanbul stationierte 1. Armee unter Brigadegeneral Ümit Dündar und die Eliteeinheiten des Oberkommandos der Spezialkräfte. Das zwang die Putschisten sogar dazu, den Generalstabschef Hulusi Akar sowie den Flottenoberbefehlshaber Bülent Bostanoglu in Geiselhaft zu nehmen. Allerdings gehen Beobachter davon aus, dass sich Erdogan mit seiner nunmehrigen „Säuberung“ der Armee zahlreiche neue Feinde unter den Militärs machen wird, die dann vielleicht auch wieder überlegter agieren. Wolfgang Kaufmann


Waffenstarrend
Die zweitgrößte Nato-Streitmacht nach der US-amerikanischen

Innerhalb der Nato, in die sie 1952 aufgenommen wurde, besitzt die Türkei die zweitgrößte Streitmacht – gleich nach den USA. Derzeit verfügt das Land über etwa 773500 Soldaten und ein beachtliches Waffenarsenal. Zu diesem gehören um die 4500 Kampfpanzer und 4800 Schützenpanzerwagen sowie 1900 Raketenwerfer beziehungsweise Haubitzen. Außerdem wären da noch die 400 Hubschrauber des Heeres. Im Bestand der Luftwaffe wiederum befinden sich 1940 Flugzeuge, darunter auch 270 US-amerikanische F-16 „Fighting Falcon“ und einige Exemplare des hochmodernen Tarnkappenjägers F-35 „Lightning II“. Darüber hinaus kann die türkische Marine 214 Schiffe aufbieten. Als besonders kampfstark gelten dabei die 14 Patrouillen-U-Boote der „Atilay“-, „Preveze“- und „Gür“-Klasse, welche „Harpoon“-Raketen an Bord haben, sowie die 16 Fregatten, acht Korvetten und 23 Schnellboote. Ein weiterer Stolz der Türkei sind die Bordo Bereliler (Roten Barette) und das Deniz-Kommando. Hierbei handelt es sich um Spezialkräfte für den Einsatz zu Lande oder im Wasser ähnlich den Rangers und SEALs in den USA, wo übrigens auch die Ausbildung erfolgt.

Viele der Waffensysteme der türkischen Streitkräfte (Türk Silahli Kuvvetleri) stammen aus dem Ausland, darunter nicht zuletzt der Bundesrepublik. Diese lieferte unter anderem 397 „Leopard 1“- und 354 „Leopard 2“-Panzer, die vier Fregatten der „Yavuz“-Klasse sowie drei U-Boote. Desgleichen erhielten die Türken die Lizenz zum Nachbau von elf weiteren U-Booten der deutschen Typen 209/1200 und 209/1400.

Und auch sonst setzt das Land jetzt verstärkt auf selbstgefertigtes Kriegsgerät, um rüstungsmäßig autarker zu werden. In diesem Zusammenhang entstanden schon die Tarnkappen-Korvetten „TCG Heybeliada“ und „TCG Büyükada“ – dazu soll später der amphibische Angriffsträger „Anadolu“ kommen, das zukünftige Flaggschiff der türkischen Marine. Weitere Projekte dieser Art sind die Entwicklung des Panzers „Altay“ und des Kampfhubschraubers „Atak“ auf der Basis südkoreanischer beziehungsweise italienischer Modelle.  W.K.


Traditionelle Hüterin des Kemalismus

Als der türkische Marschall Mustafa Kemal Pascha 1923 die Republik ausrief und im Jahr darauf eine Verfassung oktroyierte, setzte er unter anderem die strikte Trennung von Staat und Religion durch. Seitdem wacht das Militär in der Türkei über diesen Grundpfeiler des Kemalismus sowie über die Verfassung insgesamt. Deshalb putschte es auch wiederholt, wenn letztere durch Extremisten oder eine schwache beziehungsweise nicht laizistische Zivilregierung gefährdet schien. So war es 1960, 1971 und 1980. Darüber hinaus drängte die Armee-Führung den ersten islamistischen Ministerpräsidenten der Türkei, Necmettin Erbakan, 1997 zum Rücktritt.

Anschließend begannen die Generäle dann jedoch Schwäche zu zeigen: Sie griffen weder 2002 ein, als Erdogans religiös ausgerichtete Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) die Wahl gewann, noch 2007, als ebendiese AKP den Islamisten Abdullah Gül zum Staatspräsidenten kürte. Grund hierfür war nicht zuletzt die Angst, keinen Rückhalt mehr in der zunehmend muslimisch orientierten Bevölkerung zu finden.

Stattdessen startete das Militär jetzt subversive Aktionen, um so die Stellung von Gül und später auch von dessen Nachfolger Erdogan zu erschüttern. Diese flogen jedoch oftmals auf, was der Regierung die Handhabe bot, zahlreiche Oppositionelle innerhalb der Streitkräfte, darunter auch den ehemaligen General­stabschef Ilker Basbug, ins Gefängnis zu bringen. Allerdings kassierte der Oberste Gerichtshof am 21. April 2016 alle 275 Urteile gegen die Mitglieder des angeblichen Umstürzler-Netzwerkes Ergenekon wegen Mangels an Beweisen und diverser Verfahrensfehler. Das dürfte die Putschisten vom 15. Juli ermutigt haben, einen Coup gegen die AKP-Staatsführung zu wagen, bevor diese nun wieder ihrerseits in die Offensive geht. Und es erklärt Erdogans derzeitige, augenscheinlich schon länger vorbereitete Säuberung des Justizapparates der Türkei, den er im Bunde mit dem Militär wähnt.  W.K.


Zeitzeugen

Hulesi Akar – Der Chef des Generalstabs und militärische Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Türkei ist ein enger Vertrauter Erdogans – so fungierte er erst kürzlich als Trauzeuge bei der Prunkhochzeit der Präsidententochter Sümeyye. Deshalb war Akar auch nicht bereit, sich den Putschisten anzuschließen, obwohl ihn sein eigener Adjutant mit Waffengewalt hierzu zwingen wollte und schließlich sogar mit einem Gürtel würgte.

Bekir Ercan Van – Unter dem Vorwurf der Verwicklung in den Putsch wurde auch der Brigadegeneral und Kommandeur des türkischen Luftwaffenstützpunktes Incirlik Hava Üssü verhaftet. Auf dieser Basis sind derzeit die deutschen Aufklärungs-„Tornados“ stationiert, die am Kampf gegen den Islamischen Staat teilnehmen. Außerdem lagern in Incirlik bis zu 90 US-Atombomben.

Ahmet Sik – Nach Recherchen des wohl prominentesten investigativen Journalisten der Türkei stellte der Generalstaatsanwalt von Izmir, Okan Bato, schon deutlich vor Beginn des Putsches eine Liste von Angehörigen der Streitkräfte und des Justizapparates zusammen, die am 16. Juli um vier Uhr morgens auf Anweisung von Erdogan verhaftet werden sollten.

Hakan Fidan – Als enger Vertrauter Erdogans avancierte der promovierte Politikwissenschaftler zum Chef des türkischen Geheimdienstes Milli Istihbarat Teskilati (MIT). Nach einer Meldung der Zeitung „Hürriyet“ hatte er bereits am Nachmittag des 15. Juli von dem bevorstehenden Putsch erfahren und entsprechende Warnungen herausgegeben. Dies würde dann auch das verfrühte Losschlagen der Umstürzler um 20 Uhr statt wie geplant um zwei Uhr nachts erklären.

Akin Öztürk – Im Anschluss an seine Ablösung als Oberbefehlshaber der türkischen Luftstreitkräfte im Sommer 2015 erhielt der ehemalige Kampfpilot einen Sitz im Obersten Militärrat der Türkei. Allerdings sollte er den bereits zum 30. August dieses Jahres wieder verlieren. Er gilt als Kopf des Putsches und „formeller Anführer der Junta“, was er zunächst zugegeben, dann aber wieder dementiert haben soll.


S. 5 Preussen/Berlin

Goldene Zeiten für Linksextreme
Berlin: Nach der Wahl im September könnte Gegenwehr gegen linke Gewalt gänzlich verlöschen

Mittlerweile kommt es in Berlin fast jeden Tag zu Straftaten durch linksextreme Täter. Während sich die Politik uneinig präsentiert, droht die Lage zu eskalieren.

Bereits am 22. Juni hatten 300 Polizisten Räume in der Rigaer Straße 94 auf Betreiben des Hauseigentümers geräumt, darunter die ohne Genehmigung betriebene Kneipe „Kadterschmiede“. Seit der Teilräumung des Objekts mit hoher Symbolkraft für die  linksextreme Szene brennen in Berlin mittlerweile jede Nacht Autos.

Trauriger Höhepunkt war ein Brandanschlag in der Nacht vom 17. zum 18. Juli im Bezirk Treptow-Köpenick. Auf dem umzäunten Parkplatz des dortigen Ordnungsamts brannten sechs Fahrzeuge komplett aus. Ein anderer Brandanschlag auf ein Auto in Berlin-Mariendorf hat dazu geführt, dass der Anwalt des Eigentümers der Rigaer Straße 94 sich bedroht fühlte und nicht zu einer in der Angelegenheit wichtigen Gerichtsverhandlung erschien.

Der mutmaßliche Einschüchterungsversuch gegen den Anwalt ist vor allem von Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) scharf kritisiert worden. Der Rechtsstaat funktioniere nur, wenn die Mittel zwischen Kläger und Beklagtem gleich seien und jeder sich von einem Anwalt vertreten lassen könne, so Heilmann.

Das Urteil, das am 13. Juli ergangen ist, hat Kritikern des Innensenators Frank Henkel (CDU) weiteren Rückenwind gegeben. Das Gericht stellte fest, dass es für die Räumungsaktion des Hauseigentümers der Rigaer Straße 94 keinen Rechtstitel gegeben habe. Dem Innensenator wird seitdem von Grünen, Linken und Piraten, allerdings auch von Teilen des Koalitionspartners SPD, vorgeworfen, einem rechtswidrigen Polizeieinsatz zugestimmt zu haben.

Henkel verteidigt den Polizeieinsatz in der Rigaer Straße 94 dagegen als eine „gefahrenabwehrrechtliche Maßnahme“. Wie der Innensenator betont, habe die Polizei Bauarbeiter geschützt, die massiv bedroht worden seien.

Von dem Haus Rigaer Straße 94, den Bewohnern und ihren Unterstützern sei immer wieder Gewalt ausgegangen. Henkel hat unterdessen angekündigt, die Maßnahmen der Polizei-Ermittlungsgruppe „LinX“ im Kampf gegen linksextreme Gewalttäter in nächster Zeit möglicherweise noch „hochzufahren“.

Trotz solcher Signale erscheint Skepsis angebracht. Henkels Koalitionspartner SPD ist deutlich auf Distanz zum CDU-Innensenator gegangen. Zudem ist Henkel als Innensenator aller Voraussicht nach nur noch wenige Wochen im Amt. Geht es nach den letzten Wahlumfragen, wird es nach dem 18. September kaum die Chance für eine Fortsetzung der rot-schwarzen Koalition geben. Eine stabile Mehrheit scheint nur über eine Dreierkoalition realisierbar zu sein. Sollten sich SPD, Grüne und Linkspartei zu einem solchen Bündnis zusammentun, ist schwer vorstellbar, dass ausgerechnet der Kampf gegen den Linksextremismus zu einer Priorität der Regierungsarbeit erklärt wird. Schnell durchsetzen dürfte sich vielmehr ein Ansatz, für den Monika Herrmann (Grüne), die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, steht. Herrmann hat einen Runden Tisch ins Leben gerufen, um für die Rigaer Straße eine Lösung „ohne Krawall und Polizei“ zu finden.

Ein Schwachpunkt dieses Vorgehens: Selbst wenn einzelne Linksautonome an Gesprächen teilnehmen, muss dies nicht bedeuten, dass sich auch die gesamte linksmilitante Szene an Verabredungen gebunden fühlt.

Doch unübersehbar bemühen sich die Berliner Grünen, staatstragend zu erscheinen, um im Herbst die CDU als Koalitionspartner der SPD beerben zu können. Im Kontrast dazu sind aber immer wieder Stimmen aus der Partei zu hören, die für das Überleben alter Reflexe sprechen. So kommentierte etwa eine Abgeordnete der Grünen ein Hausverbot für Polizisten in einer Bäckerei: „Tja, könnte daran liegen, dass Polizei Anwohner schikaniert.“

Aufschlussreich ist ebenso, welche Erfahrung die CDU bei ihrem Vorstoß zu einem „Berliner Konsens gegen Linksextremismus“ machen musste. „Bislang ist die Reaktion der anderen Fraktionen eher verhalten“, so CDU-Fraktionschef Florian Graf, der den anderen Parteien im Landesparlament vorwirft, einen entsprechenden Entwurf der Union weitgehend zu ignorieren.

Solche Signale aus der Politik können von Militanten durchaus als Ermunterung verstanden werden. Welches Selbstverständnis die linksautonome Szene in Berlin mittlerweile an den Tag legt, macht ein Angebot deutlich, dass Anfang Juli auf der einschlägigen Internetseite „Indymedia“ veröffentlicht wurde. „Ein Abzug von Bullen und Sicherheitsfirmen aus der Rigaer 94 und die Rückgabe der Räume an die Hausgemeinschaft, sowie ein Verzicht auf die Räumung des M99 würden von den für uns erreichbaren Zusammenhängen mit der Einstellung alle Tag X Aktivitäten und Angriffe beantwortet werden.“

Angeboten wird hierbei nichts anderes als der Verzicht auf bestimmte Straftaten, wenn die Politik sich im Gegenzug mit der Etablierung rechtsfreier Räume abfindet. Noch vor den Berliner Wahlen droht die Lage zu eskalieren. Für den 9. August ist die Zwangsräumung des „Gemischtwarenladens für Revolutionsbedarf“ in der Manteuffelstraße 99 angekündigt. In der Szene M99 genannt, gilt diese Adresse neben der Rigaer Straße 94 als weiterer Schwerpunkt der Linksautonomen.            Norman Hanert


Die DDR, wie sie leibte und lebte
von Vera Lengsfeld

Aus aktuellem Anlass könnte ich über die Salafisten berichten, die in der Berliner U- Bahn Lieder singen und Flugblätter verteilen, um für ihre Sache zu werben. Aber nein, in dieser Woche wurden wir fast ausschließlich mit Terrorakten beschäftigt. Es ist Sommer, und es gibt noch ein Leben neben der Terrorgefahr.

In Berlin wurde kürzlich, nur einen Steinwurf vom neu entstehenden Schloss entfernt, ein bemerkenswertes Fest gefeiert. Anlass war das zehnjährige Bestehen des DDR-Museums, das in seiner kurzen Lebenszeit zu einem der meistbesuchten Museen der Stadt wurde. Das hat es nicht nur seiner hervorragenden Lage zu verdanken, direkt an einer der Haupttouristenrouten der Stadt. Nein, vor allem überzeugt das Konzept, den Alltag des untergegangenen Staates darzustellen und die Besucher mit einzubeziehen.

Man darf die Exponate nicht nur ansehen, sondern auch anfassen und benutzen. Für viele ist es ein Höhepunkt, sich in einen der Regierungswagen zu setzen, mit denen Staatschef Honecker einst von der Politbürosiedlung in Wandlitz ins Haus des Zentralkomitees kutschiert wurde, wo er sein Büro hatte. Der Arbeiter- und Bauernstaat wurde von der Parteizentrale aus regiert, im Staatsratsgebäude gab es nur Repräsentationsräume.

Es geht hier aber weniger um den SED-Staat und seine Unterdrückungsmechanismen. Dafür gibt es andere Museen und Gedenkstätten. Hier geht es ums alltägliche Leben. Das Konzept ist so erfolgreich, dass die Feier zahlreiche prominente Gäste anzog. Eröffnet wurde die Veranstaltung von Tim Renner, Kulturstaatssekretär des Landes Berlin. Leider begann Renner seine Rede mit einer Drehung seines Kopfes nach links zum Schloss und er beklagte, dass der Palast der Republik dem Schloss weichen musste. Es sei ein Fehler, die Vergangenheit auslöschen zu wollen. Abgesehen davon, dass er solche Worte nicht wählte, wenn es sich um einen Palast der Nazis gehandelt hätte, ist Berlin voll von architektonischen Hinterlassenschaften der DDR.

Dann setzte Renner noch eins drauf und holte die These der Vereinigungsgegner von den zwei unterschiedlichen Kulturen in Ost- und Westdeutschland aus der Mottenkiste. Das war mehr als erstaunlich aus dem Munde eines Mannes, der heute die massenhafte Einwanderung aus fremden Kulturen als kein Problem ansieht. Renner hatte die kürzlich stattgefundene „Kunstaktion“ unterstützt, bei der Tiger angeblich Flüchtlinge fressen sollten, wenn die Regierung nicht begänne, eine Luftbrücke zwischen Syrien und Deutschland zu errichten, zum gefahrlosen Transport weiterer Migranten. Wie er mir anschließend verriet, war er eingeweiht, dass es nicht zum Flüchtlingsfressen kommen würde.


Potsdam verliert Fördermittel
Brexit hebt Brandenburg im EU-Schnitt – Speckgürtel blüht

Finanzielle Einbußen durch einen britischen EU-Austritt fürchtet Brandenburgs Finanzminister Christian Görke (Linke). Wie Görke in einem Interview mit dem „Neuen Deutschland“ erklärte, droht dem Land der Verlust von EU-Fördergeldern. Berechnungen im Finanzministerium sollen demnach ergeben haben, dass Brandenburg durch einen britischen EU-Austritt ab 2020 rund 450 Millionen Euro jährlich an EU-Fördermitteln fehlen. Das sind rund 4,6 Prozent des Landeshaushalts.

Grund ist ein statistischer Effekt: Mit dem Ausstieg der vergleichsweise wohlhabenden Briten sinkt  das Durchschnittseinkommen im Rest der EU. Brandenburg wäre dann vermutlich nicht mehr „bedürftig“ genug, um weiterhin Fördergelder als sogenannte Übergangsregion zu erhalten. Das Land  würde nach den EU-Kriterien plötzlich als „entwickelte Region“ gelten. Bei der Berechnung der Fördergelder fließen unter anderem die  Durchschnittseinkommen einer Region und ihr Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner mit ein. Liegt dieser Wert unterhalb von 75 Prozent des EU-Mittelwerts, gilt die Region als „weniger entwickelt“, bis zu einem Wert von 90 Prozent wird von einer „Übergangsregion“ gesprochen.

Derzeit liegt Brandenburg bei 87 Prozent des EU-Durchschnittseinkommens, also knapp unter dem entscheidenden Grenzwert. Als Folge fließen vergleichsweise hohen Zahlungen: So überweist die EU in der laufenden Förderperiode von 2014 bis 2020 immerhin 2,3 Milliarden Euro nach Brandenburg. Trotz der Warnung des Finanzministers spricht vieles dafür, dass das Land in den kommenden Jahren ohnehin seine Einstufung als weniger entwickelte Region verloren hätte. Vor allem im Speckgürtel um Berlin sieht es bei Steuereinnahmen und wirtschaftlicher Entwicklung von Jahr zu Jahr besser aus. Brandenburg hätte daher die 90 Prozent wohl auch ohne Brexit überschritten.

Sichtbar wird die verbesserte Wirtschaftslage am Entwurf für den Doppelhaushalt 2017/18 mit einem Haushaltsvolumen von rund 11,4 Milliarden Euro pro Jahr. Die Steuereinnahmen sollen mit jeweils mehr als sieben Milliarden Euro um die Hälfte höher ausfallen als noch 2009. Trotz Risiken durch den Hauptstadtflughafen und Belastungen durch steigende Asylbewerberzahlen strebt Brandenburgs Regierung weiter eine schwarze Null beim Haushalt an.      N.H.


Traditionsbank wird getilgt
Die Berliner Bank fällt Kürzungen der Deutschen Bank zum Opfer

Die Deutsche Bank schließt 2017 bundesweit rund ein Viertel ihrer Filialen. Ob sich die Situation der Bank verbessert, wenn 188 Außenstellen dichtgemacht werden, ist umstritten. Allein in Berlin sollen 43 Filialen wegfallen. Die Hauptstadt ist zusätzlich besonders betroffen, weil hier der Fall Berliner Bank hinzukommt.

Vor zehn Jahren begann deren Niedergang. Damals musste die strauchelnde Bankgesellschaft Berlin auf Weisung der EU-Kommission die Berliner Bank verkaufen, um Beihilfen zu erlangen. Mario Monti, der damals zuständige EU-Kommissar, meinte, dass dies den Wettbewerb fördere. 2006 griff die Deutsche Bank für 680 Millionen Euro zu.

Die Berliner Bank war 1950 auf Initiative des damaligen Regierenden Bürgermeisters Ernst Reuter (SPD) als Mittelstandsbank gegründet worden. Bis Ende 2017 werden 26 der bisher 38 Zweigstellen der Berliner Bank schließen, die letzten zwölf werden der deutschen Bank einverleibt. Die Bankmanager hoffen, dass die bisherigen Kunden ihre Konten nicht kündigen. Sonst könnte sich die Liquidierung der Marke Berliner Bank als Eigentor herausstellen.

In Brandenburg wird die Deutsche Bank fünf weitere Filialen schließen. Bankchef John Cryan will insgesamt 9000 Stellen abbauen. Er glaubt, dass immer mehr Kunden das Online-Banking nutzen und rund 50 Prozent der Kunden nur noch einmal jährlich in eine Filiale kommen. Sein Haus will daher sieben Beratungscenter einrichten. Dort sollen 360 ausgebildete Bankkaufleute per Video, Chat oder Telefon die Kunden auch außerhalb der normalen Öffnungszeiten beraten.

Da die Zinserträge weiter sehr niedrig sind, will die Deutsche Bank nun besonders vermögende Kunden anlocken. Die Bank will also Kosten sowie Personal abbauen und gleichzeitig will man neue vermögende Kunden an Land ziehen. Das hat schon im Kleinen bei der Berliner Bank nicht funktioniert. Der dortige Personalabbau führte monatlich zum Verlust von 600 bis 700 Kunden. Bei der Trauerfeier für den kürzlich verstorbenen Berliner-Bank-Chef Frank Gilly fragte am Rande ein Mitarbeiter: „Was war eigentlich die Strategie der Deutschen Bank?“ 2015 wies die Deutsche Bank einen Rekordverlust von 6,8 Milliarden Euro aus. Möglicherweise bringt der beabsichtigte Verkauf der Postbank dem Unternehmen noch einmalig einen positiven Abschluss. Aber ob das „nachhaltig“ ist?  Hans Lody


S. 6 Ausland

Wabernde Weltkrise
»Kleines Wettrüsten« im Südchinesischen Meer nach Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs

Der Internationale Schiedsgerichtshof in Den Haag hat die weitreichenden Gebietsansprüche Chinas im Südchinesischen Meer zurückgewiesen. Die chinesische Regierung will das nicht akzeptieren und droht, eine Flugüberwachungszone einzurichten, „wenn der Grad der Bedrohung zunimmt“.

Die Entscheidung und die daraus erwachsenen Spannungen werfen ein Schlaglicht auf eine Krisenregion, an der wegen ihrer großen Rohstoffvorkommen und des riesigen Fischreichtums nicht nur die Anrainerstaaten, sondern auch die USA und die europäischen Staaten ein großes Interesse hegen.

In unregelmäßigen, etwa 14-täglichen Intervallen werden US-amerikanische Aufklärungsflugzeuge von chinesischen Kampfjets abgedrängt. Der jüngste Vorfall dieser Art ereignete sich Anfang Juni, als ein US-Aufklärungsflugzeug von einem chinesischen Mehrzweckkampfflugzeug vom Typ Chengdu Jian-10 auf nach US-Lesart „gefährliche Weise“ abgefangen worden ist. China hielt dagegen, es bestehe auf seinem Recht auf Selbstverteidigung.

Drei Wochen zuvor ein ähnlicher Vorfall: Damals hatte ein US-Erkundungsflugzeug „routinemäßig“ im internationalen Luftraum patrouilliert, als zwei taktische Flugzeuge, chinesische Shenyang Juan-11, ungefähr 15 Meter an der Lockheed EP-3 vorbeiflogen. Washington warf den Chinesen vor, gegen die „Verhaltensregeln in der Luft“ verstoßen zu haben. Pentagon-Sprecher Bill Urban sagte: „Eine Analyse hat gezeigt, dass unser Aufklärungsflugzeug im Sinne des Memorandums of Understanding mit China und der Standards der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO unsicher abgefangen wurde.“ Zuvor freilich hatte China, durch Erfahrung gewitzt, die USA ausdrücklich vor Provokationen in der Region gewarnt.

Das dritte Beispiel solcher Art aus jüngster Zeit spielte sich vor wenigen Wochen zur See ab. Die chinesische Kriegsmarine und die Luftwaffe haben in der Nähe der umstrittenen Spratly-Inseln im Südchinesischen Meer ein US-Kriegsschiff abgefangen und gezwungen, das von China beanspruchte Seegebiet zu verlassen. Wie die Zeitung „The Independent“ schrieb, war der Lenkwaffen-Zerstörer „USS William P. Law­rence“ auf zwölf Seemeilen an ein Riff herangekommen. Daraufhin schickte China drei Kriegsschiffe und mehrere Jagdflugzeuge los, die den US-amerikanischen Zerstörer aus dem umstrittenen Seegebiet hinausbegleiteten.

Die strategische Lage, die immer wieder zu solchen Zwischenfällen führt, ist zwar schwierig, aber leicht skizziert. China beansprucht so gut wie das ganze Südchinesische Meer als sein Hoheitsgewässer und somit auch den Luftraum darüber. Um diesen Anspruch zu untermauern, hat es verschiedene strittige Inselgruppen in Besitz genommen und baut diese aus. Die USA wiederum betrachten dasselbe Gebiet als ihre Einflusszone und haben in diesem Sinne in mehreren der Anrainer-Länder Militärbasen errichtet.

Es handelt sich also um zwei einander ausschließende Positionen, ein Dilemma, das auf irgendeine Weise gelöst werden muss. Vorerst geschieht das durch Drohgebärden der beschriebenen Art und die regelmäßig darauf folgenden diplomatischen Wortgefechte. Nach dem jüngsten Vorfall kündigte das US-Verteidigungsministerium an, die Sache auf „diplomatischen und militärischen Kanälen“ zur Sprache zu bringen. Die Chinesen erklärten im Gegenzug, „solche Patrouillen durch die US-amerikanische Seite gefährden Chinas Sicherheit“. Deshalb habe China „das Recht, in solchen Situationen zu Verteidigungsmaßnahmen zu greifen“.

Ende Mai nutzte US-Verteidigungsminister Ashton Carter eine Sicherheitskonferenz in Singapur, um dort Kritik an Chinas „Expansionspolitik im Südchinesischen Meer“ zu üben. Carter sagte im Vorfeld seiner Reise: „Die Länder der Region – unsere Verbündeten, Partner und nicht Angeschlossenen – bringen ihre Besorgnis öffentlich und auf höchster Ebene zum Ausdruck.“ Mit seinen Aktivitäten in der Region riskiere China, „eine Große Mauer der Isolation“ um sich herum zu errichten. China kritisierte im Gegenzug seinerseits die „Kalter-Krieg-Denkweise“ des Pentagon-Chefs und wies derlei Vorwürfe scharf zurück: Carters Äußerungen spiegelten stereotype US-Denkweise und US-Hegemonie wider. In den USA gebe es Menschen, die zwar physisch im 21. Jahrhundert lebten, deren Köpfe aber in der Zeit des Kalten Kriegs steckengeblieben seien. Die Worte über „die Große Mauer der Isolation“ seien ein Versuch, die US-Pläne zur Verlegung zusätzlicher Streitkräfte in die asiatisch-pazifische Region zu verdecken.

Dieses diplomatische Geplänkel, unterlegt mit völkerrechtlichen Einsprengseln, ist die eine Seite der Auseinandersetzung. Die andere ist die militärische. Hier ist ein Wandel im Gehabe der US-Militärs zu beobachten. Viele Jahre lang ließen sie keinerlei Zweifel an ihrem Anspruch auf weltweite Seeherrschaft. Doch Mitte Januar erklärte der Chief of Naval Operations, Admiral John Richardson, in einer Rede vor dem nationalen Presseklub, die 25-jährige Periode absoluter US-amerikanischer Dominanz zur See neige sich ihrem Ende zu, da Russland und China ihr Militärpotenzial massiv ausbauten. Bei anderer Gelegenheit beschrieb der US-amerikanische Vizeadmiral Joseph Mulloy die U-Bootflotte Chinas als „ziemlich erstaunlich“ und als eine, die „enorm schnell wächst“. Freilich wohnt derartigen Eingeständnissen keine Resignation der US-Admiräle inne, sondern die Absicht, den Finanzpolitikern in Wa­-       shington noch mehr Rüstungs-Milliarden abzunötigen.

Der russische Fernost-Experte Wassili Kaschin analysiert die strategische Lage so: „Die USA intensivieren ihre Rolle in Bezug auf das Problem des Südchinesischen Meeres, wo Vietnam neben den Philippinen zu den wichtigsten Opponenten Chinas zählt.“ Und er fügt warnend hinzu: „Die Spannungen im Chinesischen Meer nehmen ständig zu. Obwohl kein Land derzeit an einem ernsthaften Konflikt interessiert ist, werden demonstrative Aktivitäten und politische Erklärungen immer radikaler. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass die Gefahr lokaler Zusammenstöße in naher Zukunft durchaus real wird. Es laufen Vorbereitungen darauf, die Region ist in ihrem kleinen Wettrüsten begriffen.“         Florian Stumfall


Religion statt Politik
Auch Israel hat ein Salafisten-Problem

Auch wenn Israel die Ausreise von Dschihadisten ins Nachbarland Syrien bislang mit Erfolg unterbinden konnte, wächst der Salafismus innerhalb seiner arabisch-muslimischen Bevölkerung. Auch Sport und Kultur sind davon betroffen.

Hanin Radi, eine 36-jährige israelische Araberin ist eine bekannte Marathonläuferin. Auf vielen Strecken der ganzen Welt ist sie zu Hause. Nur in ihrem eigenen Heimatort Tirah, in der Nähe der israelischen Hafenstadt Netanja, dort, wo ihr Talent einst entdeckt wurde, muss sie aus Sicherheitsgründen darauf verzichten, diesen bei den Salafisten für Frauen verbotenen Sport im Freien auszuüben. Morddrohungen hatten die Mutter von vier Kindern, die beim berühmten Tel-Aviv-Marathon den dritten Platz belegte, dazu veranlasst, zu Hause nicht mehr zu laufen. Tirah gehört mit seinen 25000 Einwohnern zu den größeren arabischen Siedlungen in Israel. Gute Verbindungen zu dem nahen Westjordanland werden den Bewohnern von Tirah nachgesagt.

Hanin Radi hat sich den salafistischen Forderungen gebeugt und betreibt das Marathontraining in Tirah nur noch abends nach 20 Uhr in einem abgeschlossenen Stadium ohne männliche Besucher und mit Kopfbedeckung. Im letzten Jahr hatte die sportbegeisterte Leistungssportlerin in Tirah selbst noch einen Marathon organsiert. Aber noch während des Laufes wurden die weiblichen Läuferinnen von islamistischen Bartträgern gestoppt, verhöhnt und beleidigt, obwohl sie selbst wie alle Bewohner von Tirah auch Muslimin ist. Nach diesem Vorfall hatte sie anonyme Anrufe bekommen mit Beleidigungen und Todesdrohungen. Auf ihr Haus und ihr Auto wurde geschossen.

 Die israelische Polizei hatte nach einer Anzeige der Läuferin einen islamischen Würdenträger des Ortes, der zu den Aggressionen gegen die Läuferinnen aufgerufen hatte, verhört. Aber das Dossier sei mittlerweile abgeschlossen, ohne dass jemand verhaftet worden wäre, bedauert die Athletin. In Tirah, wie im Rest des arabischen Sektors von Israel, der 18 Prozent der israelischen Bevölkerung ausmacht, macht der Salafismus ständig Fortschritte. Aus den einst nationalen Forderungen der israelischen Araber sind mittlerweile längst islamistische Hetzreden geworden. Unterstützt werden die Salafisten von den arabischen Knessethabgeordneten, die längst die religiösen Forderungen zum Hauptbestandteil ihrer politischen Arbeit gemacht haben, obwohl sie zum Teil noch über säkulare Listen in das israelische Parlament eingezogen sind.

 Die Salafisten erklären den israelischen Arabern die Tatsache, dass sie nur Bürger zweiter Klasse sind, damit, dass sie sich von der ursprünglichen Religion des Islams entfernt hätten statt damit, dass die israelischen Araber mit Ausnahme der Drusen, aller nichtjüdischen, schwangeren oder verheirateten Frauen sowie der charedischen (ultraorthodoxen) Jeschiwa-Studenten keinen Militärdienst ableisten und in Israel fast alle staatlichen Stellen von einem abgeleisteten Wehrdienst abhängen. Mit dem einstigen Kampf und die Anerkennung nationaler Würde der Palästinenser haben die Salafisten in Israel nichts mehr zu tun. Ihnen kommt es nur darauf an, mit religiösen Machtmitteln die Gesellschaft zu beherrschen und ihre religiösen Totalitätsforderungen durchzusetzen. Offene Ziffern zur Anzahl der Salafisten in Israel gibt es nicht, aber die Polizei geht davon aus, dass von den eine Million israelischen Muslimen einige Tausend diesem Kreise zugehören.      Bodo Bost


Braunes Erbe in Braunau
Österreichs Regierung will Hitlers Geburtshaus beseitigen

Wo geht’s denn hier zum Hitler-Haus?“ Diese von Touristen gestellte Frage hat wohl jeder Einwohner von Braunau am Inn schon einmal gehört. Wenn es nach der österreichischen Bundesregierung geht, soll es damit bald vorbei sein. Sie hat beschlossen, das Geburtshaus Adolf Hitlers zu enteignen und möglichst zu beseitigen, um eine künftige Nutzung durch NS-Nostalgiker in jedem Fall auszuschließen. Das Gebäude, in dem der nachmalige „Führer“ des Deutschen Reiches für eine nur kurze Zeit seiner Kindheit mit seinen Eltern im zweiten Stockwerk zur Miete lebte, hat eine Jahrhunderte zurückreichende, für den Ort Braunau bedeutsame Geschichte und besticht durch seine hübsche Außenfassade aus dem 18. Jahrhundert.

Nach dem Anschluss Österreichs wurde es als „Geburtshaus des Führers“ unter Denkmalschutz gestellt und als NS-Schulungszentrum und Kunstausstellungsraum genutzt. Nach 1945 zunächst von den Besatzern beschlagnahmt, erhielt es die Familie der früheren Besitzer 1952 zurück. Seit 1972 war das Gebäude an den Staat vermietet, dem es nach Verwendungen als Berufsschule und Bank schließlich für längere Zeit als Behindertentagesstätte diente. Zuletzt konnte zwischen Eigentümern und Mieter keine Einigung über eine für den Weiterbetrieb notwendige Renovierung erzielt werden, so dass das Gebäude trotz laufenden Mietvertrags seit 2011 leer steht. Verhandlungen über einen Verkauf scheiterten ebenfalls. Nun verabschiedete die Regierung ein Gesetz über die Enteignung der Eigentümer, das nach der Sommerpause im September parlamentarisch verabschiedet werden dürfte.

Was anschließend mit dem Gebäude geschehen soll, ist offen. Durch den Raum geistern Ideen, die von einer Belehrungsstätte zum NS-Staat über eine „Entweihungsnutzung“ als Heim für Asylbewerber bis hin zum Abriss als finaler Form der Dämonenaustreibung reichen. Letztere verfochten gleichermaßen Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) und das altkommunistische „Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes“ – und übersahen dabei gemeinsam, dass das Gebäude im Jahr 1995 erneut unter Denkmalschutz gestellt worden war, was mit dem „Führer“ rein gar nichts zu tun hatte. Über das weitere Procedere soll nun bis zur Entscheidung des Parlaments eine zwölfköpfige Historikerkommission befinden, die bisher allerdings nur die genannten Ideen wiedervorgetragen und mehrfach ergebnislos getagt hat.

Kompetentere Ideen als in Wien hat man hingegen in Braunau selbst. Der Leiter des „Vereins für Zeitgeschichte Braunau“ möchte im Gebäude eine Ausstellung zu dessen komplexer Geschichte zeigen, in welcher als Unterkapitel die kurze Episode der Familie Hitler enthalten sein würde.          Thomas W. Wyrwoll


MELDUNGEN

Hausverbot für Burkaträgerinnen

Pertisau – Der Inhaber eines Sportgeschäftes im österreichischen Pertisau am Achensee in Tirol hat für sein Geschäft ein Verschleierungsverbot ausgesprochen. Mit einem Schild an der Eingangstür verbietet der Unternehmer vollverschleierten Frauen den Zutritt. „Das bleibt da kleben, solange ich lebe“, sagte der Ladeninhaber der Tageszeitung „Kurier“. Er müsse den Frauen ins Gesicht schauen können, wenn sie sich ein Rad ausleihen, argumentierte er. Als diskriminierend sieht er sein Verhalten nicht, ganz im Gegenteil: „Die Frauen werden ja von ihren Männern diskriminiert, wenn sie den Schleier tragen müssen. Wenn sie mein Geschäft betreten wollen, dann können sie das gerne tun – aber ohne Burka.“   U.M.

 

Gericht nimmt Hofer in Schutz

Innsbruck – Der Tiroler SPÖ-Chef und Landtagsabgeordnete Ingo Mayr darf nach einem Urteil des Landgerichts Innsbruck nicht länger – auch nicht sinngemäß – behaupten, der FPÖ-Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer sei ein Nazi. Auf Facebook hatte Mayr, nachdem ihn  ein Nutzer zur Wahl Hofers hatte überreden wollen, erklärt: „Damit kann ich nicht dienen. Auch für mich gilt Meinungs- und Wahlfreiheit. Und Nazis unterstütze ich nicht.“ Mayr müsse „die wörtliche und/oder sinngleiche Behauptung“ unterlassen, zitierte Gerichtssprecher Andreas Stutter das Urteil. Aufgrund seiner Verurteilung muss Mayr auch die Prozesskosten übernehmen, die nach Angaben der Gratiszeitung „Heute“ 2500 Euro betragen. Seine Äußerung betrachtet er mittlerweile als „unpassend“. Für den FPÖ-Landeschef Markus Abzwerger ist Mayr dennoch „eine Beleidigung für die politische Kultur im Bundesland Tirol“.                H.L./J.H.


S. 7 Wirtschaft

Betriebsrenten in Gefahr
Trotz niedriger Zinsen will Nahles sie weiterhin zur Standardalterssicherung ausbauen

Die Betriebsrente steht aufgrund der extrem niedrigen Zinsen unter Druck. Jetzt sorgt Arbeitsministerin Andrea Nahles mit der Forderung nach einer Betriebsrente für alle für Aufsehen. Experten äußern sich ablehnend.

Schon seit Monaten geistert das Wort „Rentenwahlkampf“ durch das politische Berlin. Die Frage nach der Altersvorsorge beschäftigt immer mehr Deutsche. Jahrelang empfahlen Experten das sogenannte Drei-Säulen-Modell. Neben der gesetzlichen Rente sollte jeder Arbeitnehmer eine Betriebsrente in Anspruch nehmen und darüber hinaus noch eine private Altersvorsorge treffen. Jedoch schon seit Monaten stehen Millionen von Riester-Verträgen im Zentrum von erbitterten Dis-kussionen, nicht zuletzt wegen der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Zudem ist klar, dass das Rentenniveau der gesetzlichen Kassen nicht zu halten sein wird wegen der demographischen Entwicklung. Und nun gerät mit der Betriebsrente sogar der dritte Pfeiler unter Druck.

Die Niedrigzinsen setzen nämlich nicht nur die Riesterrenten, sondern auch die Pensionskassen schwer unter Druck. In der Vergangenheit wurden hohe Ertragszusagen gemacht, die derzeit am Kapitalmarkt nicht mehr zu erwirtschaften sind. Der Automobilkonzern Daimler musste das Pensionsvermögen kürzlich um rund 1,8 Milliarden Euro aufstocken, um die Ansprüche der Beschäftigten langfristig abzusichern. Andere Pensionskassen streichen dagegen die Zinsen künftiger Verträge auf ein Minimalniveau.

Derzeit zahlen mehr als 15 Millionen Beschäftigte in einen Betriebsfonds ein. Die Varianten reichen dabei von eigenen Betriebskassen bis hin zu externen Anbietern. Die Finanzaufsicht Bafin warnte kürzlich davor, dass einzelne Kassen in Zahlungsschwierigkeiten kommen könnten. „Eine Kürzung der Leistungen für die Versicherten wollen wir natürlich verhindern“, sagte Versicherungsaufseher Frank Grund der Deutschen Presse-Agentur. Die Bafin fordert, dass die Arbeitgeber als Träger der Betriebsrente frisches Geld nachschießen, um das Modell abzusichern. Eine gesetzliche Verpflichtung besteht dazu aber nicht. Die Ausgestaltung einer betrieblichen Altersvorsorge ist Sache des jeweiligen Betriebes, der dazu zwei Möglichkeiten hat. Er kann eine gesetzliche Regelung nutzen, dass seine Arbeitnehmer Teile ihres Bruttoeinkommens umwandeln, um eine arbeitnehmerfinanzierte Rente zu erhalten. Er kann allerdings auch eigene Instrumente der Kapitalanlage einsetzen und dies vertraglich regeln. Jeder Arbeitnehmer, der Pflichtmitglied der gesetzlichen Rentenversicherung ist, hat einen Rechtsanspruch auf eine solche Form einer Gehaltsumwandlung, mit der der Staat eventuelle Lücken bei der gesetzlichen Kasse schließen wollte.

Für Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles kommt die aktuelle Diskussion um die Betriebsrente absolut zur Unzeit. Denn sie wollte ursprünglich mit einem Rentencoup in den anstehenden Wahlkampf ziehen. Die Arbeitgeberhaftung sollte dabei für die Unternehmen fallen, wenn sie bei Betriebsrenten mit den Gewerkschaften kooperieren. Bislang sind die Betriebe für alle Zusagen verantwortlich, auch wenn ein Versicherer oder eine Pensionskasse die Versorgung abwickelt. Letztlich lastet das finanzielle Risiko also auf der Unternehmerseite. Arbeitnehmer mit geringem Einkommen sichern sich bisher selten privat ab, weil sie das Geld dafür nicht übrig haben und es sich steuerlich für sie kaum lohnt. Nach einer aktuellen Umfrage des Verbraucherportalls „Biallo“ will nur noch jeder zehnte Arbeitnehmer zur Altersvorsorge auf Renten- oder Lebensversicherungen oder eine betriebliche Altersvorsorge setzen. Tendenziell höher im Kurs stehen Vorsorgestrategien, die auf Immobilienerwerb setzen.

Nahles setzt nun auf die Betriebsrente. Die Befreiung von der Haftung soll mehr Unternehmen dazu animieren, eine Betriebsrente ins Programm aufzunehmen. In der Diskussion sind weitere staatliche Förderungen für Geringverdiener, darunter die Nicht-Anrechnung von Betriebsrenten auf mögliche Sozialleistungen im Alter. Außerdem schwebt der SPD-Politikerin eine so genannte „Opt-out“-Lösung vor, wie sie auch aus der Diskussion um Organspenden bekannt ist. Alle Arbeitnehmer zahlen dabei automatisch in eine betriebliche Zusatzversorgung ein, wenn sie sich nicht aktiv dagegen entscheiden.

Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, warnte allerdings vor zu hohen Erwartungen: „Die betriebliche und private Altersvorsorge können die gesetzliche Rente weder ganz noch teilweise ersetzen, wie die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen.“ Bis 2030 wird das Rentenniveau nach geltendem Recht von knapp 48 auf 44 Prozent sinken. Um dies auszugleichen, müssten 20 Milliarden Euro auf anderen Wegen aufgetrieben werden.

Das große Problem für Nahles ist die Frage der Haftungen. Eine Betriebsrenten-Pflicht, das steht außer Diskussion, werden die Unternehmen nur mitmachen, wenn sie von der Haftung befreit werden. Doch wer springt dann im Falle einer Firmen-Pleite ein? Nach der bestehenden gesetzlichen Regelung wäre dies der Pensionssicherungsfonds, der al-lerdings abwinkt: „Dieses Volumen wäre für uns nicht zu stemmen“, sagte ein Sprecher.

Unternehmen wie Lufthansa werben derzeit mit Betriebsrenten. Mit den vorläufigen Überschüssen darf bei Neuverträgen aber auch in riskanteren Anlagen spekuliert werden. Mascher sagt daher: „Das ist doch kein Modell, was für breite Bevölkerungsschichten in Frage kommt.“

                Peter Entinger


Türkei droht Kapitalflucht
Der Putschversuch und Erdogans Reaktion schrecken Investoren

Eine Reihe von Terroranschlägen, vor allem aber der unlängst gescheiterte Umsturzversuch treffen die Türkei in einer Situation, in der sie ohnehin mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hat. Bereits seit Längerem bleiben viele Touristen und damit auch Deviseneinnahmen weg. Die Reaktionen der türkischen Regierung auf den Putschversuch haben nun auch noch die Sorge aufkommen lassen, dass auf die Türkei eine massive Welle der Kapitalflucht und sogar eine Finanzkrise zukommen könnten. Besonders verwundbar ist die Türkei als sogenanntes Schwellenland bei ihrer Abhängigkeit von ausländischem Kapital. Die Sparquote der einheimischen Bevölkerung ist gering. Gleichzeitig weist das Land ein chronisches Leistungsbilanzdefizit auf, es bezieht wesentlich mehr Waren und Dienstleistungen aus dem Ausland als es exportiert. Zudem ist die Türkei sehr abhängig von Energieimporten.

Finanzieren muss die Türkei ihr Defizit in der Leistungsbilanz über Kredite aus dem Ausland. Allerdings drohen dabei künftig höhere Kosten. So hat die Rating-agentur Standard and Poor’s die Kreditwürdigkeit des Landes von bisher „BB+“ auf nun „BB“ reduziert. Die Bonitätsnote der Türkei rutscht damit noch tiefer in den sogenannten Ramschbereich. Als Folge muss die Türkei künftig einen höheren Risikoaufschlag zahlen, wenn sie bei ausländischen Gläubigern Kredite aufnimmt.

Probleme drohen aber auch bei den Direktinvestitionen. Für Unternehmen und Investoren könnte die jüngste politische Entwicklung der Anlass sein, neue Projekte zu scheuen oder der Türkei sogar komplett den Rücken zu kehren und Produktionsstätten wieder zu verlagern. Angelockt von einem großen Absatzmarkt, relativ niedrigen Löhnen und der Aussicht auf einen EU-Beitritt, sind in der Türkei bislang 6000 Firmen mit deutscher Kapitalbeteiligung aktiv geworden. Mit einiger Berechtigung wächst nun die Sorge bei ausländischen Investoren vor unberechenbaren Rahmenbedingungen in dem Land. So klagt etwa der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) über eine wachsende Unsicherheit für die Unternehmen durch den Putschversuch. „Das schlägt unmittelbar auf die Geschäfte der deutschen Wirtschaft in der Türkei durch“, so DIHK-Präsident Eric Schweitzer. Als Warnsignal kann eine Umfrage der Unternehmensberatung Roland Berger und der „Welt“ unter 149 Managern deutscher Unternehmen gelten: 85 Prozent der Befragten gaben an, sie würden mit einem erheblichen Rückgang der Investitionen als Folge der fragilen politischen Lage in der Türkei rechnen.

Zusätzlich leiden könnte die Investitionsbereitschaft, wenn sich die bislang stark kreditbefeuerte Konsumstimmung bei den türkischen Verbrauchern eintrübt. Genau diese Entwicklung wird inzwischen aber immer wahrscheinlicher. Der gesamte Tourismussektor befindet sich ohnehin in einer schweren Krise. Ein Übriges könnte nun die von Erdogan eingeleitete Säuberung des Staatsapparates tun, die für viele Beamte zum Verlust ihrer beruflichen Existenz führt. So sind seit dem Putschversuch vermutlich bereits rund 60000 Soldaten, Polizisten, Beamte und Lehrer vom Dienst suspendiert oder festgenommen worden.          Norman Hanert


MELDUNGEN

Moskau verbietet Gen-Lebensmittel

Moskau – Von Beginn des kommenden Jahres an ist die Züchtung und Verbreitung gentechnisch modifizierter Lebensmittel (GML) in Russland verboten. Zudem kann die Regierung den Import von Waren verbieten, die mit Hilfe von GML erzeugt wurden, falls diese einen negativen Einfluss auf Gesundheit oder Umwelt haben könnten. Damit erlangen schon länger gültige Bestimmungen Gesetzeskraft. Der bisherige Verzicht auf GML hat Russland auf dem Weltmarkt bereits eine erhebliche Nachfrage vor allem nach seinem Getreide beschert, und das Geschäft mit gesunden Lebensmitteln beginnt gerade erst an Fahrt aufzunehmen.    T.W.W.

 

Ackerflächen immer teurer

Wiesbaden – Die Anzahl der landwirtschaftlichen Unternehmen mit einer Betriebsgröße von mehr als fünf Hektar ist von insgesamt 302236 im Jahr 2005 auf 260400 im Jahr 2013 gesunken. Das geht aus einem Bericht des Statistischen Bundesamtes zum Agrarstrukturwandel hervor. Im selben Zeitraum hat sich der Preis für landwirtschaftliche Grundstücke deutschlandweit von durchschnittlich 8692 Euro auf 18214 Euro je Fläche verteuert.          J.H.


S. 8 Forum

Verlogen
von Thomas W. Wyrwoll

Fast hätte es „der Westen“ geschafft und den Ausschluss von Russlands Sportlern von den Olympischen Spielen erreicht. Trotz der Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees gegen einen Ausschluss geht der Krieg gegen den russischen Sport weiter und soll Russland diese vergleichsweise harmlose Quelle seines Selbstbewusstseins rauben. Dabei weiß jeder, dass Doping bedauerlicherweise zum Spitzensport gehört wie das Amen in die Kirche, und das ohne Einschränkung auch im Westen. Entsprechende Passagen in den Dokumentationen der Welt-Anti-Doping-Agentur bleiben freilich weitgehend ohne Folgen. Die Russen hatten einen größeren Teil ihres Dopings in Sotschi auf eine geradezu elegante Weise weitgehend rechtskonform hinbekommen und ihre politischen Gegner damit zusätzlich verärgert. Die Antwort fällt nun brutal aus. Würden andere Staaten in gleicher Weise behandelt, könnten bei den nächsten Olympiaden höchstens noch die Färöer gegen Kiribati antreten – und selbst dafür sollte man seine Hand nicht unbedingt ins Feuer legen.


Gesinnungsjäger
von Michael Leh

Die Amadeu-Antonio-Stiftung (AAS) teilt aus, kann aber nicht einstecken. Sie hat sich nicht entblödet, gegen eine harmlose kurze Satiresendung, in der ihre Kampagne gegen rechte „Hatespeech“ aufs Korn genommen wurde, Beschwerde beim ZDF-Fernsehrat einzulegen.

In der Sendung „Hallo Deutschland“ hatte sich Achim Winter in seinem kabarettistischen Wochenrückblick etwas über die überzogenen „Handlungsempfehlungen“ der AAS lustig gemacht. „Diese Amadeu-Antonio-Stiftung hat ja angefangen, im Netz auf Hatespeech aufzupassen und Leute anzuschwärzen“, sagte er. Oder: „Diese Amadeu-Stiftung sagt ja, wenn einer ,Wir‘ und ,Die‘ sagt im Netz, dann ist das Hetze.“ Tatsächlich wird in einer Broschüre der AAS unter „Häufige Formen rassistischer Hetze gegen Flüchtlinge“ aufgeführt: „Gegenüberstellung ,Wir‘ und ,Die‘.“ Auch von „bespitzeln“ sprach Winter in ironischem Ton. Nun war die Vorsitzende der AAS, Anetta Kahane, acht Jahre als Stasi-Spitzel tätig, da hört man das Wort „spitzeln“ nicht gerne. Linke Journalisten von „Zeit“ und „Tagesspiegel“ schossen sich auf das ZDF ein. Falls man dort alle Tassen im Schrank hat, wird die Beschwerde abgewiesen.

Auf Twitter wurde die AAS jetzt erst recht durch den Kakao gezogen. Jemand hatte die Idee, auf die Stiftung gemünzte satirische Filmtitel zu erfinden, was begeisterte Nachahmer fand. Titel lauteten etwa „Für eine Handvoll Fördermittel“, „Fack ju Amadeu“, „Liebling, ich habe die Nachbarn geblockt“, „Die Rückkehr der Stasi-Ritter“ oder „Anetta mit den Scherenhänden“.


Warum kein »Rosinenpicken«?
von Manuel Ruoff

Die EU kann den Briten nicht zu sehr entgegenkommen, will sie nicht andere ermutigen dem britischen Beispiel zu folgen. Auf der anderen Seite des Ärmelkanals muss Theresa May die derzeit unvorstellbare Quadratur des Kreises schaffen: die EU-Personenfreizügigkeit aufzuheben und damit die Zahl der Einwanderer merklich zu reduzieren, aber gleichzeitig der britischen Wirtschaft den Zugang zum europäischen Binnenmarkt zu sichern. Doch diese Art des Rosinenpickens haben die 27 anderen EU-Länder ausgeschlossen.“

Dieser Ausschnitt aus einem im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gesendeten Kommentar ist nicht außergewöhnlich, sondern vielmehr prototypisch für die Position des politischen Establishments. So wird beispielsweise gar nicht bestritten, dass der Freihandel (Rosinen) attraktiv ist und der Verzicht auf die Kontrolle über die Einwanderung eben nicht.

Nun wäre es demokratisch, daraus die Konsequenz zu ziehen, dass man eine EU schafft, die nur aus Rosinen besteht, um im Bild zu bleiben, also eine Freihandelszone ohne „integrationsvertiefende“ Maßnahmen wie die Entmündigung der Nationalstaaten bei der Einwanderungskontrolle.

Denn einen zwingenden kausalen Zusammenhang zwischen Freihandel und Einwanderungskontrollverzicht gibt es nicht. Schließlich bietet die EU den USA und Kanada in TTIP und Ceta auch Freihandel an, ohne von den Nordamerikanern den Verzicht auf Einwanderungskontrolle zu verlangen.

Doch die Eurokraten wollen in ihrem Kontinent nicht Demokratie, sondern Multikulti, und das, koste es, was es wolle. Dazu wird ein willkürliches Junktim konstruiert: Die Völker der EU dürfen ungestört von obrigkeitlichen Eingriffen miteinander Handel treiben, aber nur für den Preis, dass sie und ihre Staaten auf die Kontrolle über die Einwanderung verzichten. Dass ein EU-Austritt in Kombination mit einem Freihandelsabkommen mit der EU keine Möglichkeit ist, dem Junktim zu entgehen, soll nun an den Briten ebenso unmissverständlich wie abschreckend klargestellt werden.

Hier passt das Bild der Geiselnahme, aber anders als Martin Schulz es unlängst gebraucht hat. Die Geiselnehmer sitzen nämlich nicht in London, sondern in Brüssel. Die Geisel in ihrer Gewalt sind die Wirtschaft und damit der Wohlstand Großbritanniens, aber auch – sozusagen als Kollateralschaden – die seiner Handelspartner in der EU. Die Drohung der Geiselnehmer an die Briten, aber implizit auch an die anderen Völker Europas lautet: Entweder ihr tretet die Kontrolle über die Einwanderung in eure Länder ab oder wir brechen einen innereuropäischen Handelskrieg mit Handelshemmnissen vom Zaun, der eure Wirtschaft und damit auch euch in die Knie zwingt.


Gastbeitrag
Knüppel gegen Meinungen: Die Rassismuskeule
von Ingo von Münch

Zu den Waffen im Kampf gegen den politischen Gegner gehört nicht nur die Faschismuskeule (siehe PAZ 28/2016), sondern auch die Rassismuskeule – dies nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland: Der Debatte in Großbritannien zum Brexit wird ein „rassistischer Zug“ bescheinigt. In Frankeich gab es Rassismusvorwürfe gegen den französischen Fußballverband (siehe PAZ 24/2016); der aus Algerien stammende, für die Europameisterschaft nicht nominierte Spieler Karim Benzema monierte, der Nationaltrainer habe „dem rassistischen Teil Frankreichs nachgegeben“. In der Schweiz hat der Strafrechtsprofessor und Nationalrat der Sozialdemokratischen Partei (SP) Daniel Jositsch festgestellt: „Es gelingt einigen wenigen Eiferern immer wieder, die Rassendiskriminierungs-Strafnorm als Keule einzusetzen gegen missliebige Andersdenkende, die sich kritisch zu Minderheiten geäußert haben“, und ein ebenfalls der SP angehörender Schweizer Bezirksrichter hat die nicht optimale Praxis der Einbürgerung mit der oft vorhandenen Angst erklärt, „als rassistisch gebrandmarkt zu werden“.

In Israel fühlen die orientalischen Juden sich durch den angeblichen Rassismus der aus Europa stammenden Israelis diskriminiert, was der aus Marokko stammende israelische Schauspieler Ya’ Akov Cohen mit dem Urteil kommentiert: „Wenn das Jammern über Rassismus und Diskriminierung zur Gebetsmühle wird, droht das Leben daran zu ersticken.“ Aus den USA stammt der wohl zurzeit bekannteste Rassist, nämlich in Gestalt des Präsidentschaftsbewerbers Donald Trump, über den New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio twitterte: Trump „verhält sich wie ein Rassist, spricht wie ein Rassist … natürlich ist Donald Trump ein Rassist“. Als Begründung ist in einem deutschen Pressekommentar zu lesen: „Trump fördert Rassismus, wenn er illegal eingewanderte Mexikaner ‚Vergewaltiger und Mörder‘ nennt.“ Allerdings gibt es auch neutrale Stimmen (so wie in der „Neuen Zürcher Zeitung“), die meinen, dass Trump nicht nur mit Rassismus punktet: „Aber Trumps Wähler sind nicht einfach die Idioten Amerikas, es sind häufig – vor allem wenn sie nicht in größeren Gruppen auftreten – ganz normale Amerikanerinnen und Amerikaner. Sie haben eines gemeinsam: Sie haben den Glauben aufgegeben, dass die herkömmliche Politik sich um ihre Anliegen kümmert.“

Auch in Deutschland gehört der Vorwurf des Rassismus zum derzeit gängigen Streitvokabular. In der Bundestagsdebatte um die Vorfälle vor einer Asylbewerberunterkunft im sächsischen Clausnitz wurde „institutioneller Rassismus“ gegeißelt – man fragt sich: Was ist das? Im Zusammenhang mit den Ereignissen in der Kölner Silvesternacht wurde „die Reproduktion des rassistischen Bildes der unschuldigen weißen Frau“ kritisiert, „die vor dem aggressiven muslimischen Mann geschützt werden muss“.

Einen solchen „kulturellen Kontext“ lehnt die bekannte Frauenrechtlerin Monika Hauser ab: „Was wir jetzt nicht brauchen, ist eine auf rassistischen Linien laufende Diskussion, die bringt uns überhaupt nicht weiter.“ Es überrascht nicht, dass gerade und vor allem im Hinblick auf den Asylsuchenderzustrom Kritik an offenen Grenzen mit dem Vorwurf des Rassismus diskreditiert wird. Bemerkenswert ist allerdings, dass die Ko-Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Linkspartei, Sahra Wagenknecht, auf die Frage nach einer etwaigen Änderung der Asylpolitik ihrer Partei geantwortet hat: „Wir müssen die Ängste ernst nehmen. Es ist falsch, alle AfD-Wähler als rassistisch zu denunzieren.“

Diese Mahnung macht auf den oft übermäßigen Gebrauch der Rassismus­keule aufmerksam. Beispiele hierfür gibt es genug: Nach einem Vortrag von Bundesbankpräsident Jens Weidmann in Rom, der als Kritik an Italiens Finanzpolitik verstanden wurde, sah der Fraktionsvorsitzende von Berlusconis „Forza Italia“ in Deutschland „wirtschaftlichen und finanziellen Rassismus am Werk“. Die Kritik am Wahlverhalten der älteren Menschen („Generation Rollator“) beim Referendum zum Brexit wird in einem Kommentar als „neuer Hass gegen die Alten“ gesehen, der auch „eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Rassismus“ habe. Auf Böhmermanns unsägliche Erdogan-Satire angesprochen, antwortete eine Rechtsanwältin, Böhmermann habe mit der Erwähnung des Geschlechtsverkehrs mit Ziegen „mit sämtlichen Vorurteilen und dem Vokabular des Rassismus gespielt. Aber er ist kein Rassist“. Ja, was ist denn nun Sache, möchte man dazu fragen.

Weil nach Auffassung der türkischen Kulturgemeinde in Österreich der Bausatz „Jabbas Palast“ rassistisch sei, nahm das Spielzeugunternehmen Lego den Bausatz vom Markt. Der Süßwarenhersteller Ferrero beabsichtigte, für seine mit weißer Schokolade überzogenen „Ferrero Küßchen“ mit dem Slogan „Deutschland wählt weiß. Weiße Ferrero Küßchen für immer“ zu werben. Nachdem ein „Rassismusforscher“ hinter diesem Spruch den „Gedanken von der Überlegenheit der Weißen, wie sie von Rassisten vertreten wird“, entdeckt hatte, änderte Ferrero seine Werbung. Die uns älteren Menschen noch geläufigen (Werbe-)Figuren des „Sarotti-Mohren“ und des „Weißen Riesen“ des Waschmittelkonzerns Henkel könnten unter der Diktatur des Antirassismus nicht mehr das Licht der Welt erblicken.

Das Grundgesetz bestimmt, dass niemand „wegen seiner Rasse“ benachteiligt oder bevorzugt werden darf (Artikel 3 Absatz 3). Der Verfassunggeber hatte bei dieser Formulierung nicht zuletzt die skandalöse NS-Rassegesetzgebung im Auge. Die Bundestagsfraktion der Linkspartei will den Begriff „Rasse“ in dieser Bestimmung streichen, weil er „wissenschaftlich widerlegt sowie historisch und ideologisch extrem belastet“ sei.

In der Tat ist der Ausdruck „Rasse“ dem deutschen Sprachgebrauch heute fremd – mehr noch: unerwünscht – geworden, ganz anders als in den USA, wo „race“ zur Alltagssprache gehört. Wenn bei uns aus nachvollziehbaren Gründen der Ausdruck „Rasse“ im Giftschrank versteckt wird, stellt sich allerdings die Frage, warum „Rassismus“, „Rassist“ und „rassistisch“ ständig verwendet werden können. Geholfen wäre wohl schon, wenn in der politischen Auseinandersetzung die Floskel „rassistisch“ spezifiziert werden würde, etwa durch das Wort „Fremdenfeindlichkeit“ oder durch „Diskriminierung wegen Hautfarbe“, die aktuell in den USA bei den durch Polizeigewalt gegen „black people“ hervorgerufenen Rassenunruhen eine entscheidende Rolle spielt.

Der Verfasser ist emeritierter Professor für Staats- und Völkerrecht und war von 1987 bis 1991 Wissenschafts- und Kultursenator sowie Zweiter Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Er ist Autor zahlreicher Werke, darunter auch solcher, die sich mit dem Zweiten Weltkrieg sowie der Massenvergewaltigung deutscher Frauen 1944/45 befassen.


S. 9 Kultur

Nero konnte auch ganz anders
Eine große Ausstellung in Trier bemüht sich um Gerechtigkeit für den verfemten römischen Kaiser

Roms Kaiser Nero war ein Schöngeist mit hässlichen Seiten. Eine packende dreiteilige Ausstellung in Trier bringt Klarheit ins schillernde Bild eines Buhmanns der Geschichtsschreibung.

Kaiser Nero war ein dekadenter Verschwender, perverser Lüstling, gewissenloser Muttermörder, skrupelloser Brandstifter und grausamer Christenverfolger. Stimmt das? Was wissen wir wirklich über ihn? Was ist lediglich Vermutung oder böswillige Unterstellung? Für Aufklärung sorgt das vor über 2000 Jahren von Neros Ururgroßvater Augustus gegründete Trier. Es ist die erste Stadt überhaupt, die Nero einer Ausstellung für würdig befindet. Sie hat drei Schauplätze.

Frühe christliche Autoren wie Tertullian (150–220 n. Chr.) haben dafür gesorgt, dass Nero nicht in Vergessenheit geraten ist. Sie machten ihm schwere Vorwürfe. Er gilt als erster römischer Kaiser, der die Christen verfolgen ließ. Das Museum am Dom widmet ihm den rund 140 Objekte umfassenden Ausstellungsteil „Nero und die Christen“.

Kurioses Prunkstück ist das Mindener Vortragekreuz (16. Jahrhundert). Es ist mit einem antiken Kameo geschmückt, der den Christenmörder Nero darstellt.

Neros Nachleben in der Kunst vom Mittelalter bis zur Gegenwart widmet sich die Schau im Stadtmuseum mit über 200 Exponaten aus Literatur, Film und Oper, Malerei und Karikatur. Als hauptsächliche Inspirationsquellen erweisen sich die dem Kaiser nachgesagte Prunksucht, Dekadenz und Grausamkeit. Insbesondere „Quo vadis“ hat als Monumentalfilm von 1951 mit Peter Ustinov in der Hauptrolle eines geistig verwirrten Nero unser verzerrtes Vorstellungsbild des Kaisers nachhaltig ge-prägt.

Hauptschauplatz der Trierer Ausstellung ist das Rheinische Landesmuseum. Rund 400 Objekte künden vom Aufstieg und Fall des Kaisers (37–68 n. Chr.). Er gelangte als 16-Jähriger an die Herrschaft. Zumindest beim einfachen Volk war der spendable Nero beliebt, denn er schien ein Herz für die Armen zu haben. Darauf weisen Bleimarken hin, die die Bevölkerung während seiner Regentschaft (ab 54 n. Chr.) vermutlich gegen Geld, Getreide oder andere Geschenke eintauschen konnte. Das bestätigte der römische Historiker Sueton (um 70–121 n. Chr.): „Jeden Tag wurden Geschenke unters Volk geworfen: Gutscheine für den Bezug von Getreide, Kleidern, Gold, Silber, Perlen.“

Neben Sueton sind die Historiker Tacitus (um 56–120) und Cassius Dio (um 164–229) die wichtigsten Gewährsmänner über die Herrschaft Neros. Doch Marcus Reuter, Initiator der Schau und Direktor des Landesmuseum, gibt zu bedenken, dass man ihre Berichte nicht für bare Münze nehmen sollte: „Die wichtigsten erhaltenen Schriftquellen zu Ne-ro spiegeln sicher kein objektives Bild des Kaisers wider, sondern stellen eine zum Teil stark ins Negative verzerrte Sichtweise dar.“ Und weiter: „Alle Quellen und Informationen bilden nur Facetten von Neros Persönlichkeit ab; ein schlüssiges Gesamtbild lässt sich daraus nicht zusammensetzen.“

Immerhin bescheinigte Tacitus dem Kaiser fünf goldene Anfangsjahre während seiner Regierung. Einen tiefen Einschnitt erbrachte der Tod seiner Mutter Agrippina im Jahr 59. Obwohl Nero beteuerte, sie habe Selbstmord begangen, war die Öffentlichkeit davon überzeugt, er habe Agrippina umbringen lassen. Unter Mordverdacht steht er auch beim Tod seiner ersten Gattin Octavia, die 62 ums Leben kam. Seine schwangere zweite Gemahlin Poppaea Sabina soll er durch einen Tritt in den Unterleib getötet haben.

Das durch Gluthitze verformte Eisengitter eines Tores weist uns auf den Brand Roms anno 64 hin. Auch den hat Nero nach landläufiger Meinung auf dem Kerbholz. Doch davon sprechen ihn sowohl Tacitus als auch die heutigen Wissenschaftler frei. Nach der Brandkatastrophe zeichnete er sich als vorbildlicher Herrscher aus. Er sorgte durch Geldspenden und Senkung der Getreidepreise für Soforthilfe. Seine „guten Taten“ ließ er auf Münzbildern verbreiten, die etwa die Ausgabe von Geldgeschenken zeigen.

Mit den Senatoren Roms stand Nero auf Kriegsfuß. Sie hassten ihn, weil er unliebsame Senatoren unschädlich machen ließ. Und sie verachteten ihn, weil er mehr und mehr seinen musischen Neigungen auf Kosten der Wahrnehmung der Regierungsgeschäfte freien Lauf ließ. Nero war der einzige Kaiser, der sich professionell als Schauspieler und Musiker ausbilden ließ. Seine öffentlichen Bühnenauftritte verurteilten die Senatoren als unwürdiges Spektakel, das die Kaiserwürde ins Lächerliche ziehe.

Als Nero den Freigelassenen Helius mit den Regierungsgeschäften betraute, um 66 eine 16 Monate währende Tournee durch Griechenland anzutreten, hielten ihn die Senatoren für endgültig von allen guten Geistern verlassen. Eine von Nero herausgegebene Münzserie dokumentiert, was den kaiserlichen Exzentriker nach Griechenland gelockt hatte: Die Teilnahme als Musiker und Wagenlenker an den Wettkämpfen in Olympia und vielen weiteren Heiligtümern. In Olympia fiel er beim Wagenrennen aus seinem Viergespann. Macht nichts. Er wurde trotzdem zum Sieger erklärt. Cassius Dio behauptete, Nero sei mit 1808 Siegerkränzen im Triumphzug nach Rom gezogen. Aber eigentlich war ein Triumphzug das Privileg siegreicher Feldherren. Die Senatoren missbilligten daher das Gebaren als Veralberung der in hohen Ehren gehaltenen militärischen Traditionen.

Mit militärischen Angelegenheiten gab sich der Schöngeist nur ungern ab. Und so wurde ihm die Vernachlässigung des Militärs zum Verhängnis. In Spanien riefen die Soldaten anno 68 Galba zum neuen Kaiser aus. Der Senat in Rom erkannte ihn an – und erklärte Nero zum Staatsfeind. Dem schmählichen Ende, zu Tode gepeitscht zu werden, entzog er sich durch Flucht. Am 9. Juni 68 beging Nero Selbstmord. Angeblich waren seine letzten Worte: „Welch ein Künstler geht mit mir zugrunde!“              Veit-Mario Thiede

Bis 16. Oktober in Trier:. „Nero – Kaiser, Künstler und Tyrann“, Rheinisches Landesmuseum, Weimarer Allee 1. „Nero und die Christen“. Museum am Dom, Bischof-Stein-Platz 1. „Lust und Verbrechen. Der Mythos Nero in der Kunst“, Stadtmuseum Simeonstift, Simeonstraße 60. Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr. Kombiticket 18 Euro. Internet: www. nero-ausstellung.de. Der Be­gleitband aus dem Theiss Verlag kostet in der Ausstellung 29,90 Euro, im Buchhandel 39,95 Euro.


Lichtstrahl in trüber Zeit
Hertha Feiler, die Frau von Heinz Rühmann, wäre heute 100 Jahre

Zu ihren Lebzeiten und noch lange darüber hinaus begeisterte die Filmschauspielerin Hertha Feiler mehrere Generationen von Kino- und Fernsehzuschauern. Ihre Beliebtheit beim Publikum verdankte sie ihrer frischen, natürlichen Ausstrahlung, ihrer Schönheit und wohl auch ein wenig ihrer ehelichen Verbindung mit Heinz Rühmann.

Feiler wurde am 3. August 1916 als Tochter eines Oberbaurats in Wien geboren. Anstatt ihr Ziel, Pianistin zu werden, weiter zu verfolgen, begann sie nach der Matura (Abitur) eine Schauspielausbildung am Wiener Scala-Seminar. Noch vor der Schlussprüfung gab es für die schöne und vielseitig begabte junge Frau Rollenangebote beim Theater.

1937 übernahm sie ihre erste Filmrolle neben Wolf Albach-Retty in der Komödie „Liebling der Matrosen“. Anschließend versuchte sie ihr Glück in Berlin. Nach Probeaufnahmen bei Ufa und Terra Film verpflichtete Heinz Rühmann sie als Hauptdarstellerin für sein filmisches Regiedebüt „Lauter Lügen“ (1938). 1939 heirateten sie in Berlin-Wannsee, wo Rühmann eine luxuriöse Villa erworben hatte. 1942 wurde ihr Sohn Heinzpeter geboren.

Von den zwölf Filmen, in denen Feiler die weibliche Hauptrolle neben Rühmann spielte, entstanden sechs in den Kriegsjahren 1940 bis 1945. In dieser Zeit gehörte sie zur ersten Garde der deutschen Filmstars. Zwischenzeitlich wurde sie denunziert, da sie als „Vierteljüdin“ nicht „rasserein“ sei. Nur wegen ihrer und ihres Mannes großer Popularität und durch Kontakte zu dem für das Filmwesen zuständigen Ministers Goebbels konnte sie unbehelligt weiterarbeiten.

Unter der kontrollierten Filmindustrie des NS-Staats durften Regisseure nach Kriegsbeginn außer Propaganda nur Lustspiele drehen. Die meisten davon sind zu Recht vergessen, einige aber zählen zu den Klassikern der deutschen Filmgeschichte wie etwa Helmut Käutners „Kleider machen Leute“. Mit Rühmann als Schneidergeselle Wenzel und Feiler als Nettchen wurde der Film 1940 in Babelsberg mit prachtvoller Ausstattung realisiert.

„Quax in Afrika“, eine Fortsetzung des Erfolgsfilms „Quax der Bruchpilot“, ist eine der wenigen propagandistisch an­gelegten Komödien mit der Traumbesetzung Rühmann/Feiler. Nach Kriegsende unternahm das Paar zunächst Theatertourneen. Die deutsche Filmindustrie bediente die Sehnsucht der Menschen nach einer heilen Welt durch Musik- und Heimatfilme. Feiler verkörperte nun charmante, lebenskluge Damen mittleren Alters, so in „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“ (1953) mit Willy Fritsch, Magda und Romy Schneider. In der Verwechslungskomödie „Charleys Tante“ von Regisseur Géza von Cziffra sah man sie 1963 an der Seite von Peter Alexander.

1968 drehte sie zusammen mit Heinz Rühmann ihren letzten Film „Die Ente klingelt um halb acht“. Am 1. November 1970 erlag Hertha Feiler im Alter von nur 54 Jahren einer Krebserkrankung. Sie wurde auf dem Friedhof Grünwald bei München beerdigt.

                D. Jestrzemski


Mythen zur Schau gestellt
Ausstellung in Leipzig blickt den Deutschen in die Seele

Die Rhetorik der Politiker bleibt gleich. „Wir schaffen das“, tönte Angela Merkel auf dem Höhepunkt der Asylkrise. „Wir werden es schaffen.“ verkündete Helmut Kohl am 1. Juli 1990, als er zur Währungsunion blühende Landschaften in den neuen Bundesländern in Aussicht stellte.

Die in beiden Fällen erforderliche Tüchtigkeit ist einer der Grundmythen der Deutschen. „Deutsche Mythen seit 1945“ stellt nun eine Ausstellung im zeitgeschichtlichen Forum Leipzig vor. Sie beginnt mit den Gründungsmythen der Stunde Null und den Trümmerfrauen. Von der strammen Traktoristin über den Volkswagen Käfer bis zum Geldstück werden die Symbole in plastischen Monumenten anschaulich. Bei einem Modell des Dresdner Trümmerfrauendenkmals von 1952 wird der Name des Bildhauers allerdings unterschlagen.

Einen Arbeiteraufstand gab es nicht nur 1953 in der sowjetischen Zone, sondern bereits fünf Jahre zuvor in der anglo-amerikanischen Bizone. In Stuttgart rückten damals US-Panzer gegen die Protestierenden aus. Das Vorher-Nachher-Bild einer Illustrierten zeigt den Bundespräsidenten Theodor Heuss erst als magere Nachkriegsgestalt, dann als einen feisten Wirtschaftswundermann.

Im Katalog erläutert Herfried Münkler den „Mythenschnitt“ von 1945, der vor allem den Reichsgedanken ausschloss und damit natürlich die deutsche Geschichte amputierte. Das wunderbare Berlin wurde ersetzt durch das „Wunder von Bern“. Das Land der Dichter und Denker wurde zu einem der Ingenieure und Unternehmer umgedeutet.

Münkler verweist darauf, dass im Westen die wieder einsetzende Beschäftigung mit Preußen literarisch blieb, während „in der DDR die preußischen Militärreformen und die antinapoleonischen Befreiungskriege durchaus zu einem politischen Mythos avancierten“. Die Befreiungsmythen durch Russen und Amerikaner, die Friedensbewegung, die deutsche Vereinigung und der deutsche Papst werden dargestellt. Die aktuellen deutschen Mythen beziehen sich auf Umweltschutz, Integration und Fußball. Die Denkmäler sind entsprechend banal. Da ist ein riesiger weißer Stecker zu sehen, mit dem symbolisch eine Windkraftanlage eingeweiht wurde oder ein Fußballtrikot. Die Zusammensetzung des Endverkaufspreises eines solchen Kulthemdes ist einem Zettel zu entnehmen.

Die Mythen werden weiter entgeistigt, dabei materialisiert und ironisiert. Der Cheruskerfürst aus dem Teutoburger Wald darf dabei als Souvenir als Hermann, der „Zwermann“, in einer giftgrünen Gartenzwerg-Version ausgereicht werden.

Im letzten Raum der Ausstellung steht eine Art Altar. Drum herum laden vier Bänke dazu ein, in schummeriges Licht von einer Märchenerzählerstimme nationale Mythen zu vernehmen. John Major beschwört die Magna Charta und das Parlament, Chirac kommt auf Jeanne d‘Arc zu sprechen, Polens Kaczynski gemahnt an den Warschauer Aufstand. Kohl und Merkel dagegen meinen bloß, wir würden es schon schaffen.          

                Sebastian Hennig

Deutsche Mythen seit 1945, Zeitgeschichtliches Forum Leipzig bis 15. Januar 2017, Katalogbuch im Kerber Verlag


S. 10 Geschichte & Preussen

Japans Königsberger Gebiet
Seit 71 Jahren hält Russland die gesamte Inselgruppe der Kurilen sowie Habomai und Shiko besetzt

Möglicherweise bahnt sich das Ende des nun schon über sieben Jahrzehnte währenden Kurilenkonflikts zwischen Russland und Japan an.  Wie aus diplomatischen Kreisen verlautet, dürfte die einstige Supermacht nun endlich bereit sein, wenigstens die Inselgruppe Habomai und die Insel Shikotan der Wirtschaftsmacht zurückzugeben. Seinen Anfang nahm der Konflikt, als vor 71 Jahren, am  18. August 1945, sowjetische Truppen begannen, die gesamte Inselgruppe der Kurilen sowie Habomai und Shikotan zu besetzen.

Noch im April 1941 schlossen die Sowjetunion und Japan einen Nichtangriffs- und Neutralitätss­pakt. Vier Jahre später – ein Angriff des vor der Niederlage stehenden Japan war nicht mehr zu befürchten – erklärte der sowjetische Außenminister Molotow, sein Staat werde den Vertrag nicht verlängern, aber immerhin bis zu dessen Auslaufen im April 1946 respektieren.

Nichtsdestotrotz  erklärte die UdSSR zwei Tage nach dem Abwurf der ersten US-amerikanischen Atombombe – das Ende des Kaiserreiches nach fünf weiteren Tagen war schon deutlich zu spüren – dem Vertragspartner den Krieg. Erst vier Tage nach der Kapitulation Japans und damit entgegen dem Völkerrecht begannen Sowjettruppen die gesamte Inselgruppe der Kurilen sowie Habomai und Shikotan zu besetzen. Im September gliederte der Kreml die gesamte Region in den sowjetischen Staatsverband ein. Nach üblichem Muster wurden die 17000 Einwohner vertrieben. Wie auch in Deutschland und Korea wollte Josef Stalin in Japan eine eigene Besatzungszone. Das verhinderten jedoch der US-General Douglas MacArthur, der Oberbefehlshaber über die Besatzungstruppen in Japan, und Tschiang Kai-schek, Präsident sowie Marschall und Generalissimus der Republik China.

Auf der Konferenz von Kairo vom 22. bis zum 26. November 1943 waren letzterer, der US-amerikanische Präsidenten Franklin D. Roosevelt und der britische Premierminister Winston Churchill übereingekommen, dass Nippon alle Gebiete aufgeben müsse, die es mit „Gewalt und Habgier“ erworben habe, wobei die Kurilen-Frage mit keinem Wort erwähnt wurde. Zugleich bekräftigte man dort wie auch später die Teilnehmer der Potsdamer Konferenz, zu denen auch Stalin gehörte, die Atlantik-Charta, wo es heißt, die Siegermächte „haben keine Gedanken an territoriale Expansion“.

Auf der Konferenz von Jalta vom 4. bis zum 11. Februar 1945 verpflichtete sich Stalin, „zwei oder drei Monate nach der Kapitulation Deutschlands und der Beendigung des Krieges in Europa“ – mithin ohne Risiko eines Zweifrontenkrieges – in den Krieg gegen Japan einzutreten. Dass dies eigentlich unvereinbar war mit dem klaren Wortlaut des immer noch in Kraft befindlichen Neutralitätsvertrages Moskaus mit Tokio, übersahen alle Konferenzteilnehmer geflissentlich. Die USA machten in Jalta kaum Gegenvorschläge. Sie drängten auf die Beteiligung der UdSSR am Krieg gegen Japan, weil sie angesichts ihrer sehr schweren Verluste den Kampfeswillen der Japaner weit überschätzten und die Lasten des Kampfes gegen das Inselreich nicht allein tragen wollten. Als Bedingung für die Beteiligung setzte der Kreml durch, dass die Inseln im Norden Japans späterhin der UdSSR übergeben würden, wobei eine Konkretisierung mit Nennung der Inselnamen unterblieb. Nach Ansicht Tokios sind die Inseln zwischen Shimu­shu und Uruppu gemeint. Diese fordert es denn auch nicht zurück. Sein Anspruch bezieht sich auf Etorofu, Kunashiri, Shikotan und Habomai, die es als seine „Nördlichen Territorien“ bezeichnet. Zwar würden Etorofu und Kunashiri die Süd-Kurilen bilden und damit zu den Kurilen-Inseln gehören, doch gehörten Shikotan und Habomai nicht zu den Kurilen, sondern sei­en bloße Ausläufer der – unbestritten japanischen – Hokkaido-Inselkette.

Nach der ersten Überwindung des durch die Atombombenabwürfe auf  Hiroshima und Nagasaki ausgelösten Schreckens begann das Land der aufgehenden Sonne ab 1946, beharrlich immer wieder die Rückgabe der Inseln zu fordern, und zwar als Voraussetzung für den Abschluss eines Friedensvertrags mit der UdSSR. Zwar musste Tokio im Friedensvertrag von San Franzisko vom 8. September 1951 auf alle Ansprüche auf die Kurilen verzichten, doch blieb eine Konkretisierung, welche Inseln dazugehören, abermals aus. Ebenso nannte der Vertrag keinen nachfolgenden Eigentümer der Region. Zudem könne sich die SU, so argumentierten Nippons Juristen sehr bald, ohnehin nicht auf den Vertrag berufen. Begründet wird diese These mit der Tatsache, dass die Sowjetunion ihre Unterschrift unter das Dokument verweigert hatte.

Nikita Chruschtschow, von 1953 bis 1964 Parteichef der KPdSU und von 1958 bis 1964 Vorsitzender des Ministerrats der UdSSR, versprach, die Inseln zurückzugeben, falls die USA Okinawa verlassen sollten. Einige Monate nach Chruschtschows Tod, am 15. Mai 1972, gaben zwar die USA die Kontrolle über die Insel an Japan zurück, aber mehr als ein Fünftel der Insel ist weiterhin eine US-Militärbasis.

1975 begann die Moskauer Propaganda von der „sowjetischen Heimaterde“ auf der Inselgruppe zu sprechen, Russland habe dieses Gebiet als erstes Land ent­deckt, was allerdings nicht der historischen Wahrheit entspricht. Lehnte sie in Mittel- und Osteuropa das Recht auf Heimat als „faschistoidisch“ ab, pochte sie darauf hier umso mehr. Dann argumentierte die Sowjetregierung, dass die „Unverletztlichkeit der Grenzen“, zu denen sich die Unterzeichnerstaaten der Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) am 1. August 1975 verpflichtet hatten, auch auf Asien anzuwenden sei. Ein Jahr später wetterte Leonid Bresch­new auf einem Parteitag seiner KPdSU gegen Nippons „unbegründete und völkerrechtswidrige Ansprüche“.

Die Kommunistische Partei Japans ergriff in diesem Streit klar Partei für Japan. So forderte sie im Sommer 1977 das selbsternannte Vaterland der Werktätigen auf, es solle die Inselgruppe „unverzüglich zurückgeben“. Die „Prawda“ warf ihr daraufhin wütend vor, „eine solche Haltung ist mit dem Marxismus-Leninismus unvereinbar“. Peking hingegen, das inzwischen angesichts seiner Annäherung an Moskau zu den Streitigkeiten schweigt, attackierte damals den Kreml: „Hier handelt es sich durch und durch um Gangsterlogik und Despotismus. Die neuen Zaren betreiben in der ganzen Welt eine Politik der Unterwanderung und Expansion.“ Den Trick Moskaus, mit einem sowjetisch-japanischen „Vertrag über gute Nachbarschaft“ unter Umgehung des Kurilen-Problems de facto zu einem Friedensvertrag zu gelangen, scheiterte an Tokios scharfer Ablehnung.

Russlands Präsident von 1991 bis 1999, Boris Jelzin, und der japanische Premier von 1996 und 1998, Ryutaro Hashimoto, vereinbarten zwar bei ihrem Treffen in Krasnojarsk, bis Ende 1998 einen Friedensvertrag abzuschließen, doch blieben es nur leere Worte. Bei seinem Besuch ein Jahr danach in der Hauptstadt des Inselreiches akzeptierte Jelzin, dass zunächst die Territorialfrage zu lösen sei; zu einer Lösung der Territorialfrage kam es aber bislang nicht. Später argumentierte Wladimir Putin, eine Rückgabe russischen Bodens verbiete die Verfassung.

Ein Grund für die traditionell geringe Kompromissbereitschaft auf russischer Seite mag die strategische Überlegung sein, dass die Übergabe der südlichen Kurilen an Nippon die russische Pazifikflotte des Zugangs zum offenen Ozean über die eisfreien Meerengen berauben und andererseits den Japanern – vielleicht sogar zusammen mit den US-Amerikanern – den Zugang zum Ochotskischen Meer eröffnen würde.

Umso bemerkenswerter ist, dass im Mai dieses Jahres bei einem Treffen Putins mit dem seit 2012 amtierenden japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe in der Schwarzmeer-Stadt Sotschi die offenen Fragen eines Friedensvertrages und zweifellos auch das Territorial-Problem erörtert wurde. Nippon, das 70 Jahre lang auf die Rück­gabe der Inseln beharrte, scheint mittlerweile kompromissbereit zu sein. Es ist weniger das wirtschaftliche Interesse seiner Industrie am Aufbau des russischen Ostens, den auch Putin wünscht, und ihr Bedarf an russischer Energie. Im krassen Gegensatz zum vorherigen Denken hat während der letzten Jahre in Tokio ein mehr geostrategisches Denken eingesetzt. Man hat Sorge vor der Annäherung Russlands und Chinas und sieht sich in eine gewisse Bedeutungslosigkeit gedrängt. Bei einem Totalverzicht auf die Insel-Gruppen würde Abe indes sein „Gesicht verlieren“, was das Ende seiner Karriere bedeuten würde. Es wird daher sicherlich zu einem Kompromiss kommen. Wie aus diplomatischen Kreisen verlautet, dürfte Putin bereit sein, zumindest Shikotan und Habomai zurückzugeben. Die Japaner erwarten zwar mehr, doch besitzen sie kein Druckmittel gegen Moskau. Es wird jedenfalls ein überaus langer Prozess werden bis zur Klärung aller Probleme. Dieser Balanceakt Abes sollte indes nicht als Abkehr von den Vereinigten Staaten gewertet werden. Die Verbindungen zwischen Tokio und Washington sind in militärischer, wirtschaftlicher und auch politischer Hinsicht zu stark. 

                Friedrich-Wilhelm Schlomann


Immanuel Kants langjähriger und engster Freund
Der Jurist, Schriftsteller und Aufklärer Johann Georg Scheffner verkehrte in seiner Heimatstadt Königsberg mit den Großen seiner Zeit

Auch ich bin ein eingefleischter Preuße, sodass ich dieses mein Vaterland über alles liebe und nicht einsehe, wie man ihm andere Länder an Justiz, Moralität und politischer Freiheit vorziehen kann.“ Dieses Bekenntnis des alten Geheimen Kriegsrates Johann Georg Scheffner, der um 1800 zu den bekanntesten und geachtetsten Persönlichkeiten Königsbergs gehörte, Immanuel Kants Tischgenosse und der Freund des Stadtpräsidenten Theodor Gottlieb von Hippel war, bei Hofe verkehrte, Briefe mit der ihm gerne zuhörenden Königin Luise wechselte, das Ohr des Reichsfreiherren Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein und des Fürsten Karl August von Hardenberg hatte und in allen Gesellschaften einer der großartigsten Anreger im Geiste war, dabei aber stets die Fahne der Jugend hochhielt, gibt doch sehr zu denken. Umso mehr angesichts der Propagandathese, Preußen sei ein Hort der Unfreiheit, des Rück­schritts, der Reaktion und des Militarismus gewesen, das der Kontrollrat deshalb am 15. Februar 1947 mit Recht zerschlagen habe.

Am 8. August 1736 in Königsberg als Sohn eines bei der Domänenkammer tätigen Beamten und späteren Kammergutpächters geboren, offenbarte Scheffner schon als Kind hohe Begabung. Mit 13 Jahren war er für die letzte Klasse des Gymnasiums reif und mit 16 Student der Rechtswissenschaften. Als Sekretär des Herzogs Karl vom Holstein-Beck gehörte er 1757 mit einigen anderen patriotischen Studenten zu den zuverlässigsten Sendboten des Kammerpräsidenten Johann Friedrich von Domhardt, der während der russischen Besetzung Ostpreußens im Siebenjährigen Krieg seinen König mit Lebensmitteln und selbst Geld unterstützte.

1761 verließ Scheffner heimlich die damals russisch besetzte Vaterstadt und trat in Meißen als Fähnrich in die Armee ein. Nach der Beendigung des Krieges im Jahre 1763 schied er aus dem Heer, wurde Sekretär bei der Königsberger Kammer, aber 1772 an die Kammer Marienwerder als Kriegsrat versetzt. Dort lebte er nur für sein Amt. Er sagt selbst, er habe in den dortigen drei Jahren kein Buch in die Hände genommen.

Doch ein schroffer und unberechtigter Kabinettsbescheid an die Kammer seines von ihm trotzdem sein Leben lang verehrten Königs veranlasste Scheffner, Friedrich um seine Entlassung zu bitten, was alsbald ohne Pension geschah. Aber der aufrechte Mann fiel auf die Füße. Eine Erbschaft verwandte er zum Kauf des Gutes Sprindlack, dann 1783 von Elertswalde. Mit 60 Jahren verzog er nach Königsberg, wo er an seinem Haus gegenüber der Neuroßgärter Kirche einen prächtigen Garten schuf, der 1810 zum Botanischen Garten wurde.

Es war damals ein geistig erlauchter Kreis in Königsberg mit Kant, Johann Georg Hamann, Theodor Gottlieb von Hippel, Reichsgraf Heinrich von Keyserling und Gräfin Caroline von Keyserling, Johann Jakob Kanter, die Brüder Georg Heinrich Ludwig und Friedrich Nicolovius sowie Christian Jakob Kraus, in dem Scheffner als beliebter Gesellschafter verkehrte. Später, als Hof und Regierung während des Krieges nach Königsberg kamen, stießen zu den noch Lebenden Stein, Ernst Moritz Arndt, Gerhard Scharnhorst, August Neidhardt von Gneisenau, Hermann von Boyen, Carl von Clausewitz und Wilhelm von Humboldt. Alle plauderten gern und angeregt mit dem alten Mitkämpfer aus dem Siebenjährigen Krieg.

Mit den Ergebnissen seiner geistvollen, tief heraussprudelnden, immer mit der Zeit mitgehenden Gedanken und Ideen über Menschen und Staat hielt er weder geizend zurück, noch drängte er sie dem Zuhörer auf. So wurde er ein Täter des Wortes und brachte jedes Gespräch in den Zirkeln dieser bedeutenden Männer zu sprühendem, geistigem Wirken. Sie hörten alle auf seine zündend klugen, klaren und gewichtigen Worte, die er mit Freimut und Würde sprach.

Für Vaterstadt und Heimat tat er alles. Er gab bereitwillig Haus und Garten für den von Humboldt neu eingerichteten Lehrstuhl für Botanik her, er stiftete zum Gedenken des Weisen von Königsberg über dem Grabe die Stoa Kantiana und hätte etwas Ähnliches für den Philosophen und Kameralwissenschaftler Christian Jakob Kraus geschaffen, wenn nicht dessen bester Freund, Oberpräsident Hans Jakob von Auerswald, ihm darin zuvor gekommen wäre.

Aber seine letzte Tat, das kurz vor seinem Tode am 16. August 1820 gestiftete Landwehrkreuz der Befreiungskriege auf dem Galtgarben für studentische Feiern, stand noch bis 1945. Dort oben unter den Baumkronen des Berges wurde er auch beigesetzt.        

                E.B.


S. 11 Geschichte & Preussen

Wenigstens teilweise gemäß seinem Wunsche
Vor 25 Jahren wurde Friedrich der Große beerdigt, zwar nicht so dezent, wie er es wollte, aber wenigstens dort, wo er es wollte

Auf den Tag genau 205 Jahre nach dem Tode des preußischen Königs Friedrich der Große wurde dessen Leichnam 1991 aus der Hohenzollern-Stammburg nach Potsdam-Sanssouci überführt und dort bestattet. Dem vorausgegangen war eine heftige Diskussion über den angemessenen Umgang mit dem Erbe Preußens im Zuge der deutschen Wiedervereinigung.

Bereits im jungen Alter von 32 Jahren, also 1744, wusste Fried­rich der Große genau, wo seine Grabstätte liegen sollte, nämlich in einer Gruft unter der obersten Weinbergterrasse des geplanten Potsdamer Lustschlosses Sanssouci. Nur dort würde er wirklich „ohne Sorgen“ ruhen können. Später verfügte der Preußenkönig dann außerdem noch: „Ich habe als Philosoph gelebt und will als solcher begraben werden, ohne Pomp, ohne Prunk und ohne die geringsten Zeremonien … am dritten Tage um Mitternacht … beim Schein einer Laterne und ohne dass mir jemand folgt.“ Grund hierfür war die starke Abneigung des Monarchen, als Objekt „der eitlen Neugier des Volkes“ zu dienen.

Allerdings hielt sich der Neffe und Nachfolger des Alten Fritz, Friedrich Wilhelm II., nicht an diese Vorgabe. Er veranstaltete eine große öffentliche Trauerfeier und ließ den Toten hernach am 1. September 1786 in der Krypta der Potsdamer Garnisonkirche bestatten, und zwar direkt neben dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. Damit lag Friedrich der Große nun Seite an Seite mit dem Vater, statt – wie eigentlich gewollt – bei seinen elf Hunden, die ihm in den Tod vorausgegangen waren.

So blieb es bis 1943. Dann befahl Reichsmarschall Hermann Göring angesichts der zunehmenden Bombenangriffe der Alliierten, die kupfernen Innensärge der beiden preußischen Herrscher aus den Sarkophagen zu nehmen und in den Luftwaffenbunker im Potsdamer Stadtteil Eiche zu bringen. Dem folgte Anfang 1945 die Evakuierung nach Westen. Zum Ende des Krieges lagerten die sterblichen Überreste von Friedrich dem Großen und Friedrich Wilhelm I. schließlich im Kalibergwerk von Bernterode im Eichsfeld, wo sie von US-Truppen sichergestellt wurden. Diese wiederum sorgten bei ihrem Rück­zug aus Thüringen für eine Umverlegung ins hessische Marburg, wo die Särge erst im Schloss und später in der frühgotischen Elisabeth-Kirche Obdach fanden. Das war 1947.

Fünf Jahre später veranlasste Louis Ferdinand Prinz von Preußen, der Chef des Hauses Hohenzollern und Enkel des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II., dass die beiden verblichenen Vorfahren auf die Stammburg des Geschlechts unweit der schwäbischen Gemeinde Hechingen gebracht wurden. Dort erfolgte auch eine Öffnung beziehungsweise Reparatur der beschädigten Särge durch den Flaschner Adolf Rudolph, der sich sehr erstaunt zeigte, wie gut die Leiche Friedrichs des Großen trotz der Odyssee der vergangenen Jahre erhalten sei – das gleiche gelte für die Bekleidung, Stiefel und Perücke des Königs. Und dabei hatte der Sarg bei der Einlagerung in Bernterode sogar hochkant gestellt werden müssen, um Platz in dem engen Förderkorb zu finden.

In der evangelischen Christus-Kapelle der Burg Hohenzollern ruhten die Gebeine des Alten Fritz und seines Vaters bis zur deutschen Wiedervereinigung. Dann sah der mittlerweile 83-jährige Louis Ferdinand die Zeit für eine Rückführung in die brandenburgische Heimat gekommen. In deren Zuge sollte nun endlich auch der letzte Wunsch von Friedrich dem Großen betreffs seiner Grablege erfüllt werden. Allerdings stießen die Pläne des Prinzen sofort auf mannigfache Kritik. So witterten Historiker wie Hans Mommsen plötzlich die Gefahr einer Wiederkehr des Preußen unterstellten Großmachtstrebens, und der Publizist Sebastian Haffner ging sogar so weit, den „Tag von Potsdam“ zu beschwören, also jenen 21. März 1933, an dem Adolf Hitler versucht hat, eine Kontinuität zwischen Preußentum und Nationalsozialismus zu konstruieren.

Letztendlich konnten die Einwände, die zumeist aus der linken Ecke kamen, das Vorhaben aber nicht stoppen. Das lag unter anderem an der pragmatischen Haltung der brandenburgischen Landesregierung, die dem Ganzen gelassen positiv gegenüberstand. Also rollten die sterblichen Überreste von Friedrich II. und dem Soldatenkönig – letzterer sollte nun im Mausoleum der Friedenskirche im Schlosspark von Sanssouci neben dem 99-Tage-Kaiser Fried­rich III. zur letzten Ruhe gebettet werden – am 17. August 1991 in einem speziellen historischen Sonderzug durch Deutschland. Nach dessen Ankunft im früheren Potsdamer Kaiserbahnhof Wildpark übernahmen zwei Kutschen des altehrwürdigen Berliner Bestattungsunternehmens Grieneisen den Weitertransport, der von 100000 Schaulustigen am Straßenrand verfolgt wurde. In dieser Masse gingen die Protestierenden, die mit Schildern wie „Aus alten Preußenknochen die nationale Suppe kochen“ herumliefen, weitgehend unter.

Am Nachmittag desselben Tages fanden in Sanssouci zwei Gedenkgottesdienste sowie eine zentrale Trauerfeier statt, in deren Verlauf der brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe unter anderem äußerte: „Wir stehen zu Preußen, denn es ist ein Teil brandenburgischer und deutscher und europäischer Geschichte.“ Damit endete der öffentliche Teil des Procederes, das der Hohenzollern-Generalbevollmächtigte Job Ferdinand von Strantz ausgearbeitet hatte und das von weniger pietätvollen Beamten in der Potsdamer Staatskanzlei spöttisch „Aktion Sarg und Asche“ genannt wurde.

Was nun noch blieb, war Fried­rich den Großen gemäß seinen letzten Wünschen zu bestatten. Allerdings entsprach diese Aktion dann ebenso wenig den Vorgaben des Preußenkönigs wie der Rummel am Nachmittag. Zwar langte der Sarg tatsächlich genau um Mitternacht in der Gruft an, doch sonst stimmte restlos gar nichts. Zum einen drängten sich an der Grabstätte zahlreiche Mitglieder des Hauses Hohenzollern, zu denen noch der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl kam, der als „Privatmann“ und „Freund der Familie“ auftrat. Zum anderen blieb es keineswegs bei der bescheidenen einen Laterne, die der Alte Fritz gewollt hatte. Vielmehr beleuchteten mehrere gleißende Scheinwerfer die Zeremonie, weil sie für das Fernsehen aufgezeichnet wurde.

Die Rückführung der sterblichen Überreste der beiden Monarchen löste weder eine Preußen-Renaissance noch gar nationalistische Ausbrüche aus, wie die Bedenkenträger vom Schlage Mommsens und Haffners befürchtet hatten. Stattdessen kam es lediglich zu einem verstärkten Zustrom von „Sargtouristen“ nach Potsdam. Wolfgang Kaufmann


Aller guten Dinge sind drei
Der weltgrößte Nahrungsmittelkonzern ist ein Schweizer Unternehmen mit deutschem Namensgeber und US-amerikanischen Gründern

Nestlés vor gut zwei Jahrhunderten am 10. August 1814 geborener Namensgeber, Heinrich Nestle, war gelernter Apotheker. Der liberale Geist wich 1839 vor staatlicher Repression in die französischsprachige Schweiz aus. Er ließ sich in Vevey, dem heutigen Hauptsitz von Nestlé, nieder und änderte seinen Namen in Henri Nestlé. Mit der finanziellen Hilfe seiner in der Heimat gebliebenen Verwandtschaft machte er sich mit einer Mühle mit Brennerei selbstständig. Mit Hilfe seiner chemisch-pharmazeutischen Kenntnisse stellte er unter anderem Flüssiggas aus Pflanzenöl her und verkaufte es von 1858 bis 1862 an Vevey für dessen Straßenbeleuchtung. Dann stellte jedoch die Stadt von Nestlés Flüssiggas auf selbst erzeugtes Steinkohlengas um. Nestlé brauchte ein neues Massenprodukt.

1865 analysierte Justus Liebig die Muttermilch. Liebig war nicht nur ein Landsmann von Nestlé, sondern auch der Lehrer des Apothekers, für den Nestlé vor seinem Schritt in die Selbstständigkeit gearbeitet hatte. Auf der Basis von Liebigs Analyse entwickelte Nestlé 1867 ein sogenanntes Kindermehl. Das aus Milch, Weizenmehl und Zucker hergestellte Produkt erwies sich in Wasser aufgelöst als höchst effektives Muttermilchsurrogat. Noch im Jahr seiner Entwicklung rettete das Kindermehl dem kleinen Jules, der einen Monat zu früh auf die Welt gekommen war und Muttermilch wie jede andere Ersatznahrung erbrach, das Leben. Die Kunde von der Rettung machte die Runde und „Henri Nestlé’s Kindermilch“ wurde zum Verkaufsschlager.

Die Firma expandierte, Nestlé kam zu dem Schluss, dass das Expansionspotenzial seine finanziellen Möglichkeiten überstieg, er zog sich aus dem Unternehmen, das in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, zurück. Er beschloss, um es mit seinen eigenen Worten zu sagen, „sein schönes Geschäft, welches ihm so viel Ehre und Geld eingebracht hatte, gegen schmutzige Banknoten“ einzutauschen. Mit diesen „schmutzigen Banknoten“ verlebte er einen geruhsamen Lebensabend ohne finanzielle Sorgen bis zu seinem Tod am 7. Juli 1890 in seiner Schweizer Wahlheimat.

Das größte Industrieunternehmen der Schweiz verwendet den Namen von Henri Nestlé, seine Gründung macht das Unternehmen allerdings nicht an einer Tat des Deutschen fest, sondern an der zweier US-Amerikaner. Charles Pages war wie viele Landsleute seiner Generation durch den Amerikanischen Bürgerkrieg geprägt. In diesem Krieg hatte sich eine erst wenige Jahre alte Erfindung des US-Amerikaners Gail Gordon bewährt, die Kondensmilch. In Dosen verpackt war sie eine schier unverwüstlich scheinende Notverpflegung.

Nach dem Krieg wurde Page als Handelskonsul in die Schweiz geschickt, um Investitionsmöglichkeiten zu erkunden. Die Eidgenossenschaft war damals noch arm und die Arbeitskräfte waren billig, aber in der Produktion von Milch und Milchprodukten war sie schon damals stark. So kam Page auf die Idee, in der Schweiz Kondensmilch herzustellen. Und weil er ein moderner Mann aus der kapitalistischen Neuen Welt war, der in großen Dimensionen dachte, gründete er mit seinem Bruder George nicht ein kleines Familienunternehmen, sondern gleich eine Aktiengesellschaft zur Produktion von Kondensmilch. So entstand vor 150 Jahren der erste Anbieter von Kondensmilch in Europa. Da die Angloamerikaner insbesondere den britischen Markt im Auge hatten, wählten sie als Firmennamen „Anglo-Swiss Condensed Milk Company“. 1873 starb Charles und George wurde zum unbestrittenen „General“ des Unternehmens.

Um sich aufkommende unliebsame Konkurrenz vom Halse zu schaffen, wurde diese bevorzugt aufgekauft. Anfänglich gehörte Nestlé noch nicht zu den Konkurrenten der Anglo-Swiss, da der eine Kindermehl und der andere Kondensmilch herstellte. Das änderte sich allerdings, nachdem George Page Vater des zur Kränklichkeit neigenden Fred Harte geworden war. Page begann, sich für Babynahrung zu interessieren, und was ihn interessierte, das wollte er auch produzieren. Weniger als ein halbes Jahr nach Fred Hartes Geburt wurde ein Babynahrungshersteller in Blumisberg im Kanton Freiburg gekauft. Damit trat die Anglo-Swiss in Konkurrenz zu Nestlé. Und Nestlé schlug zurück mit der Produktion von Kondensmilch. Damit hatte sich Nestlé in den Augen von Page zum Übernahmekandidaten gemacht. Nestlé war zwar in der Tat kleiner als Anglo-Swiss, hielt sich aber für zu groß für eine Übernahme und schlug deshalb als Alternative eine Fusion auf Augenhöhe vor. Eine Fusion mit „diesen Hindus in Vevey“ kam für Page jedoch nicht in Frage. Schließlich habe sein Unternehmen höhere Gewinne, mehr Kredit und einen besseren Ruf. Er glaubte, dass die Zeit für ihn spiele und er nur zu warten brauche, da die Verkaufszahlen des Kindermehls abnehmen würden. Das sollte sich als Irrtum erweisen.

Kaum dass Page im April des Jahres 1899 gestorben war, lag im September ein Fusionsplan vor. Anglo-Swiss setzte doppelt so viel ab, verfügte über das Zweieinviertelfache an liquiden Mitteln und die Produktionskapazität war dreimal so hoch. Aber Nestlés Kindermehl verkaufte sich nach wie vor gut mit hoher Gewinnmarge. 1905 schließlich kam es zu der von Page abgelehnten Fusion. Als Name wurde „Nestlé & Anglo-Swiss Condensed Milk Company“ gewählt. 1977 erfolgte dann die Verkürzung auf „Nestlé“.

Neben dem Namen und dem Hauptfirmensitz Vevey setzte sich auch das Logo des kleineren Fusionspartners durch. Es zeigt ein Nest (Nestle) mit einem ausgewachsenen Vogel, der seinen Nachwuchs füttert, und geht auf das Wappen der Nestles zurück. Wenigstens steuert Pages Anglo-Swiss mit seiner ersten Ver­wal­tungs­rats­sitzung am 9. August 1866 das Ereignis bei, an dem Nestlé seine Gründung festmacht und wegen dem es dieses Jahr seinen 150. Geburtstag ganz groß feiern will. Manuel Ruoff


S. 12 Leserforum

Leserforum

Lammert erinnerte an die deutschen zivilen Opfer der Aufstände der Herero und Nama

Zu: Kein Völkermord (Nr. 27)

Wenn neuerdings vom Genozid an 85000 Herero, Nama und anderen Afrikanern (wer soll damit gemeint sein?) gesprochen wird, so ist das die größte Übertreibung, die jemals in diesem Zusammenhang aufgestellt wurde. Nicht einmal das berüchtigte Blaubuch nach dem Ersten Weltkrieg verstieg sich zu solchen Zahlen – danach sollen von 80000 Herero 60000 umgekommen sein! –, und selbst bei dem DDR-Historiker Horst Drechsler fallen sie geringer aus. Zur Erinnerung seien deshalb hier noch einmal authentische Quellen angeführt:

Der in Deutsch-Südwestafrika tätige Missionar Irle nannte 1874 (also noch vor der Kolonialzeit!) eine Gesamtzahl von 70000 bis 80000 Herero, ebenso Landeshauptmann Leutwein 1894, der allerdings zehn Jahre später nur noch 60000 Herero schätzte. Missionar Bernsmann sprach 1880 von 50000 Angehörigen des Hererovolkes, Leutnant Eggers 1895 von 45000 und Oberleutnant Streitwolf 1902 gar von nur 23000. Alle Zahlen beziehen sich auf die Zeit vor 1904, woraus geschlossen werden darf, dass es bei Beginn des Aufstands zwischen 35000 und 50000 Herero im Schutzgebiet gab. Gleichzeitig wird für das Jahr 1906 eine Zahl von zwischen 17000 und 20000 genannt, die Krieg, Flucht, Hunger, Seuchen und Krankheiten überlebt hatten. Das stimmt in etwa mit der Zahl aus dem Jahre 1926 überein, als man das Volk der Herero auf rund 20000 Personen schätzte.

Brigitte Lau, frühere Archivarin in Windhoek und bestens vertraut mit der Materie, hielt die Zahl von 70000 bis 100000 Herero vor dem Krieg für zu hoch, die der Überlebenden mit 17000 für zu niedrig. Wenn 50000 Herero sich am Waterberg versammelt hätten, wie von mehreren Seiten behauptet, wo seien dann die übrigen 20000 bis 50000 Personen gewesen, argumentierte sie.

So darf wohl hinter den hohen Zahlen ein „System“ vermutet werden, das sich in der neueren deutschen Geschichtsschreibung leider häufig abzeichnet: Die Zahlen deutscher Opfer, wie etwa im Fall der alliierten Luftangriffe auf Dresden, werden im Laufe der Jahre immer weiter reduziert, handelt es sich aber um von Deutschen verübte Taten wie jetzt im Zusammenhang mit dem Hererokrieg, so wird genau der umgekehrte Weg beschritten, indem man die Opferzahlen mehr und mehr nach oben „korrigiert“.

Was die Äußerungen von Bundestagspräsident Lammert zum Völkermord an den Herero angeht, so bedürfen sie allerdings einer wichtigen Ergänzung: Bei seinem Besuch im Windhoek im vergangenen Jahr hatte er nämlich zum Erstaunen seiner namibischen Gesprächspartner auch erklärt, dass sich nach seinen Erfahrungen in der Politik nicht alle Forderungen oder Wünsche erfüllen ließen. Außerdem erschließe sich eine Entwicklungszusammenarbeit nicht allein aus dem Blickwinkel der Geschichte, denn Zukunft könne „nicht durch Vergangenheit ersetzt werden im Sinne einer Restitution“.

Aufhorchen ließ dann eine für namibische Ohren geradezu ungeheuerliche Bemerkung – und das war ein völlig neuer Aspekt in der Debatte –, dass man bei allem der indigenen Bevölkerung seinerzeit zugefügten Leid auch die deutschen Opfer nicht vergessen dürfe, also die Farmer und ihre Familienangehörigen, die während der Aufstände ab 1904 von Herero und Nama ermordet worden waren. Dieser Gesichtspunkt wird folglich bei den derzeitigen bilateralen Verhandlungen auch eine Rolle spielen.

Wolfgang Reith, Neuss und Kapstadt

 

 

Nicht aufgearbeitete Verbrechen

Zu: „Nicht nur ein bilaterales Problem“ (Nr. 26)

Vor dem Hintergrund der Völkermord-Resolution des Deutschen Bundestages gab der Sprecher des armenischen Außenministeriums der Preußischen Allgemeinen Zeitung ein Interview, in dem er das Genozid-Problem als ein Problem nicht allein zwischen den beteiligten Staaten bezeichnet. Richtig! Doch auch wir Deutschen haben mit Völkermorden zu tun. Nun, da ist selbstverständlich die Shoah zu nennen, doch diese ist in Deutschland aufgearbeitet und allgegenwärtig.

Nicht aufgearbeitet sind dagegen die Völkerrechtsverbrechen an Deutschen. Und diese liegen „nur“ 70 Jahre zurück. Viele Betroffene leben noch. Hätten die deutschen Parlamentarier nur ein Mindestmaß an Mitempfinden für die Bürger des eigenen Landes, so müsste der Deutsche Bundestag die Vertreibung der Deutschen und Volksdeutschen bei oder nach Ende des Zweiten Weltkriegs als Völkerrechtsverbrechen anprangern. Mehr als zwölf Millionen Deutsche und Volksdeutsche wurden vertrieben. 2,4 Millionen sind elendig umgekommen. Von diesen Opfern, die keine Täter waren, denn es handelte sich um Alte, Frauen und Kinder, spricht kaum noch jemand.

Und im Unterschied zu Armenien wurden die einst deutschen Gebiete völkerrechtswidrig annektiert. In Teilen erfüllen auch diese Geschehnisse die Voraussetzungen eines Völkermords. Wenn schon nicht der Deutsche Bundestag, so nimmt sich nun vielleicht die armenische Nationalversammlung des Genozids an den deutschen Vertriebenen an.

Wilhelm Kreuer, Unkel

 

 

Der Artikel »Vertuscht, gelogen, beschönigt« ist alarmierend

Zu: Vertuscht, gelogen, beschönigt (Nr. 27)

Unsere freiheitliche demokratische Staatsordnung wird offenbar mit einer geradezu unheimlich anmutenden Konsequenz unterwandert und zersetzt. Dabei kommt die größte Gefahr dieses Mal keineswegs von „Rechts“, wie man uns tagtäglich einzuhämmern versucht, sondern sie kommt von einem linken Kartell aus den Bundestagsparteien (auch der CDU, nicht der CSU) und den tonangebenden Massenmedien. Die von diesem Kartell ausgehenden Desinformationen sind ebenso vielgestaltig wie unfassbar und würden in manchen Bereichen auch einer Diktatur zur Ehre gereichen. Es muss daher in aller Deutlichkeit betont werden: Die Volkswahl und der gesellschaftliche Willensbildungsprozess sind unverzichtbare Säulen einer funktionierenden Demokratie. Das Grundgesetz schützt sie ohne Wenn und Aber zum einen durch Artikel 38 (Regelung der Volkswahl) und zum andern durch die Grundrechte, allen voran durch die Kommunikationsfreiheiten, in deren Mittelpunkt die Meinungsfreiheit steht. Eine wesentliche Grundlage sowohl für die Wahl als auch für den gesellschaftlichen Diskurs ist die Information, deren Freiheit nach Artikel 5 unserer Verfassung darin besteht, „sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten“. Die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung und in Besonderheit die Medien gehören zu den wichtigsten „allgemein zugänglichen Quellen“. Diese Quellen müssen nicht immer „richtig“ sein. Sie dürfen aber auch nicht so verfälscht sein, dass beim Bürger generell oder für bestimmte Bereiche der Eindruck erweckt wird, es gäbe nur eine vertretbare Politik. Eine solche „Information“ wäre nichts anderes als Manipulation und würde die politische Selbstbestimmung des Bürgers unmöglich machen, weil sie darauf ausgeht, das Ergebnis sowohl der Wahl als auch des Willensbildungsprozesses im Wege der Täuschung zu bestimmen. Tatsächlich wird heute in vielen Bereichen so verfahren, im besonderen Maße im Bereich der Migrationspolitik. Die Grundmaxime dieses Pflichtenverstoßes lautet: Über negative Erfahrungen mit Migranten darf nicht berichtet werden. Diese Art von Informationsunterdrückung wurde einer breiteren Öffentlichkeit besonders im Zusammenhang mit den Silvesterexzessen von Migranten (2015/2016) in Köln und anderen Städten bekannt. Der Artikel von Frank Horns zeigt, dass das pflichtwidrige Verhalten der staatlichen Behörden und der Massenmedien in gleicher Weise weiter geht. Es wird nach wie vor getäuscht und getrickst, um Tatsachen zu unterdrücken und die Menschen über die wahre Situation der Flüchtlingsmisere im Unklaren zu lassen . Die „Rechtfertigung“ dieses Verhaltens lautet stets, man wolle die Stärkung rechtsradikaler Kräfte vermeiden; dafür wird in Kauf genommen, dass auf diese Weise nicht nur das Vertrauen in die Medien und vor allem auch in den Staat verloren geht, sondern überdies unsere freiheitliche demokratische Ordnung ruiniert wird, die man angeblich „gegen Rechts“ verteidigen will.

Prof. Dr. Walter Schmitt Glaeser, Bayreuth


S. 13 Das Ostpreußenblatt

Größer, bunter, schöner
Vor 70 Jahren: Nördliches Ostpreußen wird zur »Oblast Kaliningrad« proklamiert – Jubiläumsfeier in Königsberg

Das alljährliche Königsberger Stadtfest fiel diesmal um einiges größer aus. Es fiel mit dem 70-Jahre-Jubiläum der Gründung der „Kaliningradskaja Oblast“ zusammen. Ein probates Mittel, die Bürger für vier Tage von ihren Alltagssorgen abzulenken.

Alljährlich wird Anfang Juli in Königsberg der Tag der Stadt gefeiert. Diesmal sollte er größer, bunter und schöner gestaltet werden. 1946 wurde die „Kaliningradskaja Oblast“ gegründet, und Königsberg erhielt den Namen „Kaliningrad“. Der Kosmonaut und Flieger Alexej Leonow eröffnete das Fest mit einer Segelregatta, die traditionell auf dem Obersee durchgeführt wurde, und die nach ihm benannt war: „Pokal des Kosmonauten Leonow 2016“.

Im Laufe von vier Tagen wetteiferten die Sportler auf zwei Gewässern:  Auf der Ostsee nahe des Pillauer Hafens und auf dem Obersee in Königsberg. Ein reichhaltiges musikalisches Programm wurde den Besuchern geboten. Jazzkompositionen waren an der Fontäne gegenüber dem Gebiets-Dramentheater zu hören.

Am zweiten Tag der Feier wurde das Stadtzentrum in eine große Fußgängerzone umgewandelt, auf der zahlreiche der farbenfrohen und attraktiven Ereignisse stattfanden. Eine Parade, begleitet von einem Blasorchester, Theaterspielern sowie Vorstellungen von Artisten des Gebiets erstaunte und erfreute das Publikum von morgens bis spät abends. Während auf der Hufenallee [Prospekt Mira] der Festumzug mit seinen teils merkwürdigen Teilnehmern die Besucher erstaunte, konnte man in der Knip-rodestraße [Teatralnaja] seltene Oldtimer-Modelle bewundern. Die Festbesucher ließen sich das nicht entgehen und schwelgten in Erinnerungen.

Daneben gab es einen Kunsthandwerker- und Volkskunst-Markt, auf dem neben Verkaufsständen ein Konzert mit Folklore-Ensembles dargeboten wurde. Beim Konzert auf dem Hansaplatz im Zentrum Königsbergs nahmen der aus Moskau eingeladene Volkschor Pjatnitzkij der Staatlichen Akademie und das Ensemble „Tenöre des 21. Jahrhunderts“ teil.

Ein weiterer Festplatz war in der Nähe des Sportkomplexes „Junost“ eingerichtet worden. Dort waren am Ufer nahe der Lastadienstraße Schiffe sowie verschiedene Geräte und Waffen zu besichtigen.

Das Orchester sowie Gesangs- und Tanzensemble der Baltischen Flotte und ihre Jugend-Band zeigten ihr Können. Nebenbei wurden die Gäste mit Kascha (Buchweizengrütze) verköstigt, der in der Armeefeldküche zubereitet worden war.

Im Rahmen der Feierlichkeiten gab es auch zwei große Musikabende. An der Aktion „Musiker Kaliningrads zum Jubiläum der Region“ nahm auch das Symphonie-Orchester der Region teil. Und auf dem Platz beim Haus der Räte fand das Gala-Konzert „Dein ist das Bernsteinland“ statt, auf dem die Führung des Gebiets und der Stadt den Königsbergern zum Feiertag gratulierte und Musikgruppen der Region wie bekannte russische Popstars auftraten. In diesem Zusammenhang ist eine Neuerung beachtenswert, die es erstmals in diesem Jahr gab: Der Konzertplatz beim Haus der Räte war nur von einer Seite aus zugänglich, an der fünf Metalldetektoren aufgestellt waren. Die Besucher mussten sich durch dieses Nadelöhr zwängen. Zu ihrer Verärgerung führte auch das Fehlen von Toiletten. Diese waren außerhalb der Absperrung aufgestellt. Sie waren jedoch nicht ausgeschildert, sodass die Menschen sich auf der Suche danach am Zaun entlang quetschen mussten. So kam es, dass während des Konzerts zehn Kinder verlorengingen, die die Polizei suchen musste.

Insgesamt war dieses Fest das vielfältigste und umfangreichste. Da die Menschen in Feierlaune waren, ging es nicht ohne Zwischenfälle zu.

Ein Mann fiel von der Hochbrücke, auf der sich zu dieser Zeit viele Menschen befanden, in den Pregel. In betrunkenem Zustand hatte er sich über das Geländer gelehnt und das Übergewicht zog ihn nach unten. Augenzeugen meldeten den Vorfall der Polizei, die das Militärschiff „Rimskij Korsakow“ schickte, dessen Mannschaft den Betrunkenen an Bord hievte. Ein weiterer Vorfall ereigntete sich am Schlossteich. Wasserenthusiasten, die das Feuerwerk im See schwimmend anschauen wollten, mussten entfernt werden. 32 Autofahrer wurden mit Alkohol oder Drogen am Steuer erwischt. Die Polizei hatte an diesen Tagen verstärkte Verkehrskontrollen durchgeführt.

In der Nachschau gab Bürgermeister Alexander Jaroschuk zu, dass die Fläche beim Haus der Räte nicht alle Besucher aufnehmen konnte und deshalb die Feier auf alle umliegenden Straßen ausgeweitet wurde.

Es ist geplant, nach der Fußball-WM 2018 das Stadion auf der Lastadie künftig für Massenveranstaltungen zu nutzen.

                Jurij Tschernyschew


Lapidarium in Allenstein
Freiwillige Helfer der Stiftung »Borussia« bergen jüdische Grabsteine

Ehrenamtliche Helfer der Kulturgemeinschaft „Borussia“ begutachteten Grabsteine auf dem alten jüdischen Friedhof in Allenstein. Nach der Schließung des Friedhofs vor 50 Jahren hatten die Steine als Baumaterial zur Befestigung der Böschung im Park bei der Allensteiner Burg gedient.

Laut Ewa Romanowska von „Borussia“ hatten die Helfer die Aufgabe, die Fragmente der Grabsteine mit Inschriften von anderen Elementen zu trennen. Während des der Entfernung der Grabsteine aus der Böschung sind diese jedoch stark beschädigt worden, sodass nur kleine Fragmente erhalten blieben. Zum Teil waren sie erodiert, da sie aus Sandstein bestehen, der für die Verwitterung anfällig ist. Spender hatten die Arbeit der Vereinigung möglich gemacht.

Das Zählen der Grabsteine sowie die Entzifferung der Inschriften durch  Spezialisten sind nötig, um ein Lapidarium (Sammlung von Steinwerken) auf dem ehemaligen jüdischen Friedhof in Allenstein vorzubereiten. Man kann Beerdigungsdaten ablesen, da sie in arabischen Ziffern geschrieben wurden.

Nach Ansicht des Historikers Wiktor Knercer von „Borussia“ existierte ein jüdischer Friedhof in Allenstein von 1818 bis Ende der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts. Zu Beginn der 70er Jahre  wurde er liquidiert und die jüdischen Grabsteine dienten wie die Grabsteine  der zerstörten evangelischen oder römisch-katholischen Friedhöfe als Baumaterial.

Der Historiker Andrzej Wakar schrieb in der Monographie „Allenstein – Geschichte der Stadt“, dass der Zustrom der jüdischen Bevölkerung nach Allenstein in der Ära der napoleonischen Kriege begann. 1820 lebten 56 Juden in der Stadt. Im Jahr 1895 machten sie mit  588 Personen um 2,7 Prozent der Bevölkerung der Stadt aus. Seit 1814 hatten sie ihr Gebetshaus in Allenstein, 20 Jahre später bauten sie eine Synagoge und ein Altersheim. Die Friedhofskapelle wurde 1913 nach Plänen Erich Mendelsohns errichtet. Der gebürtige Allensteiner  zählte später zu den größten Architekten des 20. Jahrhunderts.

Die Inventur der Grabsteine des alten jüdischen Friedhofs ist nur eine von vielen Aktivitäten von „Borussia“. Die Stiftung ist im Nordosten der Republik Polen sehr aktiv. Sie erforscht und vermittelt die Kultur des südlichen Osstpreußens. Seit April 2005 führt „Borussia“ das Pilotprojekt „Internationale Jugendbauhütte in Ermland und Masuren“ durch, das jungen Menschen aus Deutschland, Polen und Russland unter fachlicher und pädagogischer Betreuung die Arbeit in unterschiedlichen Einrichtungen der Denkmalpflege und Kulturvermittlung ermöglicht. 2013 wurde in Allenstein ein offenes Kulturzentrum eingerichtet. Das Gebäude wurde 1913 nach Plänen von Erich Mendelsohn errichtet. Es ist das einzige Werk in seiner Heimatstadt und ist das letzte verbliebene Zeugnis jüdischen Lebens in Allenstein. „Borussia“ will den Ort zu einem Zentrum der Begegnung, Erinnerung und Auseinandersetzung mit aktuellen regionalen Themen ausbauen.      Leszek Chaburski


Opfer der Flammen
Innenraum der Kirche in Eckersdorf zertört

Bereits am 3. Juni vernichtete ein Feuer die Kirche in Eckersdorf, Kreis Osterode. Die Feuerwehr kämpfte über drei Stunden lang, um das Gebäude zu retten. Es ist gelungen, das Dach zu bewahren, aber der Innerraum wurde durch die Flammen komplett vernichtet.

Die Kirche ist ein Denkmal und wurde im Jahre 1796 erbaut. Während des Brandes wurden viele wertvolle Gegenstände vernichtet. Der Holzaltar von 1873 samt dem Gemälde vom Heiligen Antonius, das Tondo, ein kreisförmiges Gemälde, das die Dreifaltigkeit darstellte sowie die Orgeln wurden zerstört. Das Innere muss jetzt komplett wiederaufgebaut werden.

Die Kirche gilt als Kulturerbe, als Element der historischen Landschaft sowie als ein Teil der ostpreußischen Geschichte. Es war eine evangelische Kirche, die nach dem Krieg den Katholiken als Gotteshaus diente. Die Innenausstattung blieb fast unverändert, nur die Kanzel wurde durch einen Altar ersetzt. Somit war die Kirche ein Zeitzeuge. Die Einwohner und Touristen konnten dort die Vergangenheit spüren. Die Gemeinde steht jetzt vor der großen Herausforderung, die Kirche wieder in Ordnung zu bringen. Daher bitten die Gemeindemitglieder mit dem Pfarrer um jede mögliche Unterstützung. Nähere Informationen sind der Internetseite der Gemeinde www.parafiaflorczaki.pl zu entnehmen.               Edyta Gładkowska


MELDUNGEN

Gas statt Kernkraft

Tilsit – Nachdem alle Arbeiten auf der nahe Tilsit gelegenen Baustelle für das Kernkraftwerk „Baltis-kaja“ eingestellt worden sind, bedurfte es einer anderen Form der Energieversorgung. Sie sollte ein paar Nummern kleiner ausfallen und umweltverträglicher sein. Man entschied sich für dezentrale Kraftwerke auf der Grundlage von Erdgas. In einer feierlichen Zeremonie gab dieser Tage der Direktor der Tilsiter Filiale der „Inter RAO Engineering“ als General-auftragnehmer, Nikolaj Denisow, den Startschuss für den symbolischen ersten Spatenstich zum Bau eines Gasturbinenkraftwerks. Zwei Gasturbinen mit einer Leistung von je 78 Megawatt sollen den Energiebedarf des nordwestlichen Teils des Königsberger Gebiets decken. (Zum Vergleich: Das Atomkraftwerk sollte zwei Blöcke mit einer Kapazität von je 1150 MW haben). Der Tilsiter Vizebürgermeister Alexander Burych begrüßte den Bau und hob hervor, dass nach der Inbetriebnahme im Jahre 2018 100 Arbeitsplätze entstehen und erhebliche Grundsteuereinnahmen in den städtischen Haushalt fließen werden. In einer konzertierten Aktion begann zeitgleich der Bau von zwei weiteren Gasturbinenkraftwerken in Königsberg und Gumbinnen, was mit einer Konferenzschaltung der Öffentlichkeit präsentiert wurde.    Dz

 

Königsberg-Kreisel gefordert

Elbing – Eine Gruppe von Bewohnern des Königsberger Gebietes hat die Umbennenung des Elbinger „Kaliningrad-Kreisels“ gefordert. Sie richteten ein entsprechendes Schreiben an das Elbinger Landratsamt. Das Schreiben hatten einige Dutzend Personen unterschrieben, die mit Rustam Wassiljew verbunden sind, der in der Vergangenheit in Königsberg einige Veranstaltungen mit der Forderung nach Rückkehr des historischen Namens „Königsberg“ organisiert hatte. Der Elbinger Historiker Lech Slodownik charakterisiert die Organisatoren als junge Russen, deren Anschauung mehr propolnisch und proeuropäisch ist als pro Putin. In ihrem Schreiben äußern sie die Meinung, die Elbinger hätten es nicht verdient, dass einer der wichtigsten Kreisel nach dem sowjetischen Verbrecher Michail Kalinin benannt ist, dessen Unterschrift sich unter dem Befehl, polnische Offiziere zu erschießen, befindet. Sie hätten selbst Kenntnis von der schwarzen Vergangenheit des Bolschewismus der Sowjetunion und wollten nicht, dass solche Namen weiter verwendet werden. Die Namensänderung könnte im Rahmen eines Gesetzes erfolgen, das der polnische Präsident Andrzej Duda im Mai unterzeichnet hatte. Demnach sollen ab August 2016 im Staatsgebiet Polens im Zusammenhang mit dem Kommunismus stehende Namen von Straßen, Gebäuden und öffentlichen Einrichtungen innerhalb eines Jahres umbenannt werden.       PAZ


S. 14 Ostpreussische Familie

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

haben wir in der letzten Folge über unsere in Estland lebende Freundin Anne Rekkaro berichtet – vielmehr ließen wir sie über ihre in Königsberg und Rauschen gepflanzten Gedenkbäume an ihre verstorbenen Angehörigen erzählen –, so führt auch die erste Frage unserer heutigen Kolumne in das Baltikum, diesmal nach Lettland. Von dort meldet sich Herr Dieter Kroll, der seit einiger Zeit ein aufmerksamer PAZ-Leser ist und deshalb die Zeitung nicht mehr missen möchte. Und so nimmt er auch gerne das Angebot unserer Ostpreußischen Familie an, Wünsche und Fragen an unsere Leserinnen und Leser weiter zu reichen, wenn sie nicht von unserer Redaktion erfüllt werden können. Das ist bei seinem Fragenkomplex der Fall, der sich auf die Heimat seiner Vorfahren bezieht, und die liegt – von Lettland aus gesehen – sehr viel südlicher an der Ostseeküste, im Danziger Werder, in der Tucheler Heide und in Hinterpommern. Es handelt sich um seine mütterliche Linie, die aus Vosshütte, aus der Gegend um Konitz und aus der Tucheler Heide stammt. Herr Kroll bezeichnet Schwazdamerkow im Kreis Stolp als seinen Heimatort. Der Familienname Vanselow – wahrscheinlich früher Vandeloo – weist auf holländischen Ursprung hin. Diese Herkunft wird bestätigt durch die Überlieferung, dass die Vorfahren mit dem Deichbau beschäftigt waren. Auch andere Familiennamen aus seinem Heimatort, wie Vangerow oder Bandemer, deuten auf eine flämisch-holländische Herkunft hin. Es gab dort viele Familiennamen mit der Endung „ke“ wie Manke, Glienke, Witzke, Schielke, aber auch sehr eigenartige wie Dubbersalzke. Diese Familien lebten nahe bei Danzig und führten auch überlieferte Traditionen wie das „Torfstechen“ im Herbst fort. Das sind so einige Ansatzpunkte, die etwas über die Ansiedlung der niederländischen Deichbauer besagen, über deren Geschichte Herr Kroll mehr wissen will, um sie in die eigene Familiengeschichte einbringen zu können. Es geht also nicht nur darum, Namensträger aus den genannten Familien oder sogar Verwandte zu finden, sondern Wissenswertes über deren Traditionen, die sich bis zur Vertreibung erhalten hatten. Und da glaube ich, dass unser Leser in Lettland auf Zuschriften hoffen darf. (Dieter Kroll „Rezes“, LV-3146 Lestene/Lettland, Telefon 00371/26639878.)

„… denn wer nicht will deichen, der soll weichen“ – diese Zeile aus dem „Kulmer Lied“ von Agnes Miegel fällt mir da ein –, und somit habe ich einen guten Übergang zu unserem nächsten Leserbrief, geschrieben von Rosemarie Kulikowski, der eine Ergänzung zu ihrem Schreiben ist, das wir in Folge 27 veröffentlichten. In der ersten Zuschrift bietet die um die Erhaltung unseres Kulturgutes bemühte Ostpreußin aus Hemmingen ihr gesammeltes Liedgut interessierten Singkreisen und Chören an – in dem nun folgenden Schreiben geht sie allerdings nur kurz darauf ein, denn sie kommt vor allem auf den Verfall des Agnes-Miegel-Wohnhauses in Königsberg zu sprechen, der viele Leserinnen und Leser betroffen macht. Roswitha Kulikowski kann da mit einer Erinnerung aufwarten, die für die Geschichte der an dem Haus angebrachten und nun verschwundenen Agnes-Miegel-Plakette von Bedeutung ist. Sie betrifft die feierliche Anbringung der ersten Tafel im Jahre 2004, an der Frau Kulikowski und ihre Schwester teilnahmen:

„Leiter dieser Reise der Agnes-Miegel-Gesellschaft war damals ihr Schatzmeister Heinz Albat. Wir hatten eine wunderbare Schiffsfahrt bis Memel, waren in Nidden und fuhren für drei Tage nach Kaliningrad. In der Hornstraße hatten wir vor dem Haus Nr. 9 eine Feierstunde: Es wurde eine Gedenktafel für Agnes Miegel an dem Haus angebracht. Einige der jetzigen Bewohner sahen aus den Fenstern, verdutzt oder auch interessiert. Es wurden Ansprachen von Heinz Albat und – Russen gehalten! Ein Fernsehteam filmte diese Feierstunde. Das Haus machte auch damals keinen guten Eindruck, der Eingang wurde als Wohnraum genutzt. Der für die neuen Bewohner bestimmte Eingang war auf der hinteren Seite. Zwei Tage später berichtete mir Herr Albat, dass die Gedenktafel bereits am nächsten Tag verschwunden war. Schließlich wurde die Bronzetafel bei einem Altmetallhändler gefunden und in das Rathaus gebracht, dort sollte sie einen sicheren Platz erhalten. Am Haus Hornstraße Nr. 9 sollte eine einfache Tafel angebracht werden. Ob und wie das je geschehen ist, kann ich nicht sagen. Heinz Albat ist inzwischen leider verstorben.“

Also war es damals ein Bronze-Klau gewesen und keine politisch-ideologisch gefärbte Entfernung, wie sie wohl jetzt erfolgte.

Aber nun zu dem eigentlichen Wunsch von Frau Kulikowski, der sie zu diesem erneuten Schreiben veranlasste: Es geht um das erwähnte Liedgut. Da hatte sich bei ihr telefonisch ein Interessent gemeldet, aber es gab Verständigungsschwierigkeiten. Schon der Name des Anrufers - Oswald Massner? – ist, wie man sieht, mit einem Fragezeichen versehen. Der angegebene Telefonanschluss stimmt nicht, und auch der genannte Wohnort – Braßel? – ist im PLZ-Verzeichnis nicht verzeichnet. Also bittet Frau Kulikowski den Anrufer, sich noch einmal bei ihr zu melden. (Roswitha Kulikowski, Arnumer Straße 28 in 30966 Hemmingen, O.T. Harkenbleck, Telefon 05101/2530.)

Seit vielen Jahren versucht Herr Horst Barheier etwas Näheres über seine Großmutter zu erfahren – bisher vergeblich, aber vielleicht können da unsere aus Masuren stammenden Leser helfen, denn in deren Leben, und vermutlich auch im Sterben, spielte Lyck [Ełk] eine entscheidende Rolle. Allerdings führen die Namen und Daten, die uns Herr Barheier übermittelt, in die Zeit um den Ersten Weltkrieg zurück. Danach hatte die Familie Strachowitz, aus der seine Mutter Martha stammte, kaum noch Verbindung zu der masurischen Stadt. Kurz vor Kriegsausbruch wohnten seine Großeltern Gustav Strachowitz und Auguste geborene Michalzik in der Hauptstraße 139, dann in der Kaiser-Wilhelm-Straße [Wojska Polskiego]. Da Herrn Barheiers Mutter Martha 1909 in Skomatzko [Skomack Wielki], Kreis Lyck geboren wurde, müsste die Familie zu jener Zeit in diesem Dorf an der Nordostspitze des Arys-Sees gelebt haben. Es ist zu vermuten, dass ein Großelternteil aus diesem Ort stammt. Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, floh die hochschwangere Auguste vor den Russen bis nach Brandenburg, wo sie in Jüterbog ihren Sohn gebar, der den Namen des Vaters erhielt: Gustav. An den Spätfolgen der am 15. September 1914 erfolgten Geburt soll die junge Mutter verstorben sein. Wie Herr Barheier feststellte, ist Auguste Strachowitz nicht in Jüterbog gestorben. Deshalb nimmt er an, dass die Mutter mit Tochter Martha und dem Neugeborenen nach Lyck zurückgekehrt ist und dort verstarb. Hier setzt nun die gezielte Suche von Horst Barheier ein, dem die Lebensgeschichte dieser so jung verstorbenen Großmutter sehr am Herzen liegt. Er möchte gerne wissen, wo und wann sie als Auguste Michalzik – vermutlich in den Jahren 1880 bis 1890 – geboren wurde, und aus welcher Familie sie stammte. Herr Barheier ist bei seiner Suche im Kreis Lyck auf den Namen Michalzik gestoßen: Er fand in Kechlersdorf [Zocie] einen Bauern Gustav Michalzik, *etwa 1886, in dem er einen Bruder seiner Großmutter vermutet. Auch wenn die Verwandtschaft weitläufiger sein sollte, ist es vielleicht möglich, dass sich Nachkommen dieser Familie melden. Für ihn wäre das schon ein Mosaiksteinchen in seinem so lückenhaften Großmutterporträt. Die Familie war evangelisch. Sollte Auguste nach der wahrscheinlich 1915 erfolgten Rückkehr in Lyck verstorben sein, müsste sie auf den dortigen Friedhof ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Die Familie Strachowitz blieb nicht in der ostpreußischen Heimat, seit 1923 lebte Tochter Martha in Herne, ihr Vater hatte bereits 1918 erneut geheiratet. Herr Barheier schreibt, dass seine Mutter nur noch selten nach Lyck kam, also muss doch noch eine gewisse Verbindung zu ihrem Geburtsland bestanden haben.

Vielleicht bringen ihn da einige Hinweise auf die genannten Familiennamen weiter. Das frühere Skomatzko wurde 1938 in Dippelsee umgetauft. Aus diesen Angaben von Herrn Barheier ist zu ersehen, dass er schon dort geforscht hat – leider vergeblich. Hoffen wir für ihn und mit ihm auf Zuschriften aus unserem Familienkreis. (Horst Barheier, Flottmannstraße 40 in 44625 Herne, Telefon 02323/40390.)

In vielen Familienchroniken von Vertriebenen gibt es Leerseiten, die eigentlich für die Lebensläufe namentlich bekannter Mitglieder gedacht sind, die aber unausgefüllt bleiben, weil deren Schicksal unbekannt ist – bis heute. Aber noch immer hoffen Angehörige, dass sich doch noch eine Klärung findet, trotz der vielen Jahre, die seit Kriegsende vergangen sind. So auch Frau Carola Heinze aus Forst, die bisher nichts unversucht ließ, etwas über das Schicksal ihres Onkels Gerhard Bormann zu erfahren. „Nachdem ich bei allen offiziellen Stellen nachgefragt habe und zu keinem Ergebnis gekommen bin, wende ich mich an Sie“, schreibt Frau Heinze. „Wenn Sie auch nur einen winzigen Ansatz für mich hätten, dass ich weiter forschen kann, wäre ich glücklich. Es ist ein ungeklärtes Schicksal in unserer Familie wie bei vielen anderen auch. Aber ich möchte die Suche nicht aufgeben.“ Und so wollen wir sie gerne in ihren Bemühungen unterstützen, damit es vielleicht mehr als zu einem „winzigen Ansatz“ kommt. Es handelt sich bei dem Gesuchten um den Bruder ihrer Mutter, Gerhard Bormann, *25. Oktober 1926, der nach offiziellen Angaben als verschollen gilt. Der letzte Brief des Gefreiten, der in Gotenhafen bei der Marinestabsabteilung stationiert war, stammt vom 15. Januar 1945. Der 19-Jährige schreibt darin, dass er sich bei den Panzergrenadieren gemeldet habe, aber noch immer auf eine Bestätigung warte. Von da an kam kein Lebenszeichen mehr, Gerhard Bormann war und blieb verschollen. Da der Gefreite wohl bei der Marinestabsabteilung verblieb, möchte seine Nichte wissen, wo und wie diese in den letzten Kriegsmonaten eingesetzt wurde. Vielleicht gibt es noch Zeitzeugen, die darüber berichten können, oder Angehörige ehemaliger Kameraden, von denen Frau Heinze Hinweise erhalten könnte. (Carola Heinze, Blumenstraße 33 in 03149 Forst, E-Mail: ov-forst@thw.de)

Eure Ruth Geede


Auf Kosten der Deutschen
Eingemeindungen zu Oppeln erinnern an ein nationales Puzzlespiel

Nahezu im Handstreich hat die polnische Regierung die Eingemeindung verschiedener mehrheitlich von Deutschen bewohnter Dörfer und stadtrandnaher Gemarkungen zu Oppeln, der historischen Hauptstadt Oberschlesiens, beschlossen. Die Entscheidung erfolgte am 19. Juli, just am Abend vor dem Tag, an dem eine Gemeinsame Kommission von Regierung und betroffenen Orten im Warschauer Innenministerium ihre Standpunkte erörtern sollte. Warschau machte damit erneut deutlich, wie derzeit Trümpfe ausgespielt werden. Für deutsche Ohren ist ohnehin erstaunlich, dass eine solche Entscheidung ohne Gesetz auskommt und von der Exekutive getroffen wird. Brüssel lässt grüßen.

Das Thema der Eingemeindung wurde bereits seit dem vergangenen Jahr diskutiert (die PAZ berichtete), nachdem der neue Stadtpräsident, Arkadiusz Wisniewski, dieses als sein eigenes Projekt in die Öffentlichkeit gebracht hatte. Wisniewski begründete sein Anliegen damit, dass die Stadt im Wettbewerb mit ähnlich großen Städten Schlesiens konkurrenzfähig sein müsse. Besonders hatte der heute 37-Jährige ein Auge auf das Kraftwerk in der Gemeinde Groß Döbern geworfen, die nun in ihrem Gebietsstand tatsächlich deutlich beschnitten wird. Angesichts des Hau-Ruck-Verfahrens kommentierte Groß Döberns Bürgermeister aus der deutschen Volksgruppe, Henryk Wróbel, den grotesken Tag in Warschau als „schwarzen Tag für die Kommunalpolitik“. Überdies hatten sich letztlich auch 90 Prozent der Bürger im einzugemeindenden Gebiet gegen den Anschluss ausgesprochen.

Vom ersten Tag der Debatte an wurde diese national instrumentalisiert. Die Stadt ist für das mehrheitlich deutsche Umland auch die Hochburg des Polentums – man bleibt gerne auf dem Dorf unter sich. Gleichwohl frisst sich die Woi­wodschaftshauptstadt immer weiter in das Umland hinein, womit der überwiegend deutsche Charakter durch Zuzüge aus der Stadt weiter aufweicht. Die Deutsche Minderheit erkannte folglich: Mit einem Kampf gegen die Eingemeindung lässt sich endlich eine emotionale Mobilisierung generieren. Auch unter Bodenständigen, die sich, sprachlich entwurzelt, nicht wirklich als Deutsche fühlen.

Die deutsche Bürgermeisterin von Proskau, das nur das Dörfchen Wienau an Oppeln abtreten muss, fürchtet für ihre prosperierende Gemeinde noch keine finanzielle Existenzgefährdung, doch sie meint: „Der Appetit Oppelns ist groß, da könnten weitere Begehrlichkeiten folgen.“ Diesmal geht es um 5500 Hektar und 9500 Menschen in den umzugliedernden Orten. Hohe Vertreter der Deutschen Minderheit sprechen sich für rechtliche Maßnahmen aus, womit wohl eine gerichtliche Prüfung gemeint ist. Argumentiert wird dabei mit der Minderheitenrahmenkonvention des Europarates, in der es heißt, dass Maßnahmen, die Bevölkerungsverhältnisse in den betreffenden Gebieten verändern, unzulässig seien – hierzu zählt nach einhelliger Rechtsauffassung auch die Änderung der Verwaltungsgrenzen. Doch wie umfassend dies sein muss, darüber streiten sich die Gelehrten.

Das Argument hatte schon einmal 1998/99 gestochen, als die Woiwodschaft Oppeln die landesweite Verwaltungsreform als nunmehr kleinste Woiwodschaft überlebte. Der Unterschied: Damals sprang die gesamte regionale Elite aus Wahlaktion Solidarność (Akcja Wyborcza Solidarno, AWS), Bündnis der Demokratischen Linken (Sojusz Lewicy Demokratycznej, SLD) und Freiheitsunion auf den von den Deutschen in Fahrt gebrachten Zug auf. Eine 91 Kilometer lange Menschenkette vereinte wohl erstmals nach der sogenannten Wende Deutsche und Polen, ein Mythos aus der Frühphase der anerkannten Deutschen. Heute erkennen immer mehr Menschen der Region, dass der Massenprotest in erster Linie denen nützt, die um ihre Ämter kämpften.

Die Deutsche Minderheit hat der Erhalt der Woiwodschaft bis heute entzweit in eine politische, weil starke, Deutsche Minderheit in der Woiwodschaft Oppeln mit der gleichnamigen Hauptstadt und eine aufgrund ihrer Marginalität nur kulturell agierende oder politisch mit der Autonomiebewegung liebäugelnde Deutsche Minderheit in der sich im Osten anschließenden Nachbarwoiwodschaft mit dem Namen „Schlesien“ und der Hauptstadt Kattowitz. Beide Verbände agieren aneinander vorbei, und in Oppeln hat sich fatalerweise ein ahistorisches Wir-Gefühl als „Oppelner Schlesier“ entwickelt. Das Wort „Oberschlesien“ stirbt gerade unter denen aus, die es als ihr Erbe einbringen müssten.

Das politische Aufreiben in der Eingemeindungsdebatte hat eine interessante Annahme erneut bestätigt. Die Empörung setzt eben dann ein, wenn die ganz kleine eigene Welt in Gefahr gerät. Diese kleine Welt war für die Ostdeutschen nach dem Krieg eine verständliche Nische, die sich tief in der Psyche als Verhaltensstrategie festgesetzt hat. Auf eine produktive gemeinsame Strategie, die Argumente der Verwaltungsreformbefürworter aufgreift, wartet man hingegen bislang vergeblich.           

                Edmund Pander


S. 15 Glückwünsche

Wir gratulieren

ZUM 100. GEBURTSTAG

Well, Charlotte, geb. Keipke, aus Rogonnen, Kreis Treuburg, am 30. Juli

ZUM 99. GEBURTSTAG

Küßner, Edith, geb. Sadlowski, aus Kalthagen, Kreis Lyck, am 1. August

Oltmann, Christel, geb. Runz, aus Sonnenmoor, Kreis Ebenrode, am 30. Juli

ZUM 98. GEBURTSTAG

Ammon, Hans, aus Wenzken,  Kreis Angerburg, am 4. August

ZUM 97. GEBURTSTAG

Curioni, Edith, geb. Worat, aus Schwentainen, Kreis Treuburg, am 4. August

Ruhe, Alfred, aus Woinassen, Kreis Treuburg, am 31. Juli

ZUM 96. GEBURTSTAG

Perlbach, Lieselotte, geb. Raase, aus Groß Schiemanen, Kreis Ortelsburg, am 30. Juli

Steidle, Lotte-Sophie, geb. Lyß, aus Schönhorst, Kreis Lyck, am 3. August

ZUM 95. GEBURTSTAG

Berkowitz, Elly, geb. Matern, aus Nickelsdorf, Kreis Wehlau, am 31. Juli

Gothmann, Klaus, aus Georgenswalde, Kreis Samland, am 31. Juli

Haut, Ulrich, aus Pommern, am 29. Juli

Kurschat, Herta, geb. Augustin, aus Ossafelde, Kreis Elchniederung, am 31. Juli

Nass, Käte, geb. Balzer, aus Kilianen, Kreis Treuburg, am 29. Juli

Röbig, Erna, geb. Kattenberg, aus Deschen, Kreis Elchniederung, am 2. August

Ruddigkeit, Frieda, geb. Brzoska, aus Reuß, Kreis Treuburg, am 2. August

ZUM 94. GEBURTSTAG

Feuerer, Gerda, geb. Rinas, aus Treuburg, am 30. Juli

Krüger, Irmgard, geb. Kerbein, aus Falkenort, Kreis Tilsit-Ragnit, am 2. August

Lewohn, Heinz, aus Dippelsee, Kreis Lyck, am 1. August

Reimers, Herta, geb. Kröhnert, aus Argendorf, Kreis Elchniederung, am 1. August

Schmitter, Selma, geb. Sucht, aus Stucken, Kreis Elchniederung, am 1. August

Schwentzek, Ernst, aus Rosenheide, Kreis Lyck, am 3. August

Seher, Lieselotte, geb. Jonigkeit, aus Bredauen, Kreis Ebenrode, am 2. August

Stahnke, Irmgard, geb. Redwanz, aus Lyck, Bismarckstraße 37, am 30. Juli

ZUM 93. GEBURTSTAG

Faak, Edith, aus Herdenau, Kreis Elchniederung, am 1. August

Jerowski, Ursula, geb. Kewitz, aus Rhein, Kreis Lötzen, und Tapiau, Kreis Wehlau, am 31. Juli

Kneisel, Eva, geb. Czychi, aus Neumalken, Kreis Lyck, am 30. Juli

Pech, Charlotte, geb. Kuhn, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 4. August

Schröder, Margarete, geb. Hamm, aus Leißienen, Kreis Wehlau, am 29. Juli

Siepe, Herta, geb. Haffke, aus Wehlau, am 4. August

Tresp, Rosemarie, aus Glinken, Kreis Lyck, am 30. Juli

ZUM 92. GEBURTSTAG

Eczko, Elfriede, aus Berglingen/Angerapp, Kreis Lyck, am 29. Juli

Heyduck, Karl, aus Treudorf, Kreis Ortelsburg, am 30. Juli

Kremer, Ewald, aus Finkenschlucht, Kreis Ebenrode, am 3. August

Reinhardt, Kurt, aus Ebenrode, am 29. Juli

Thelen, Gertrud, geb. Schröder, aus Prostken, Kreis Lyck, am 2. August

Till, Herbert, aus Wehlau, am 30. Juli

Willuhn, Elisabeth, geb. Schramma, aus Lenzendorf, Kreis Lyck, am 1. August

ZUM 91. GEBURTSTAG

Greiner, Lore, geb. Preuß, aus Lyck, Soldauer Weg 5, am 2. August

Grzywatz, Irmgard, geb. Buyny, aus Königsruh, Kreis Treuburg, am 31. Juli

Neumann, Carl Franz, aus Pregelswalde, Kreis Wehlau, am 3. August

Oelsner, Grete, geb. Petereit, aus Kobilinnen, Kreis Lyck, am 29. Juli

Pladies, Gerda, aus Gutsfelde, Kreis Elchniederung, am 3. August

Schröter, Margarete, geb. Lottermoser, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 29. Juli

Witzke, Hermann, aus Scharfeneck, Kreis Ebenrode, am 30. Juli

Zekau, Günter, aus Grammen, Kreis Ortelsburg, am 30. Juli

ZUM 90. GEBURTSTAG

Beindorf, Herta, geb. Jotzo, aus Funken, Kreis Lötzen, am 2. August

Hawryliw, Marianne, geb. Kischlat, aus Treuburg, am  31. Juli

Hoffmann, Dora, geb. Artschwager, aus Balten, Kreis Elchniederung, am 1. August

Jagemast, Ilse, geb. Böhnke, aus Neukuhren, Kreis Samland, am 29. Juli

Michel, Elfriede, geb. Klahr, aus Nußberg, Kreis Lyck, am 3. August

Nowak, Hans-Georg, aus Grünlanden, Kreis Ortelsburg, am 2. August

Prusack, Edith, geb. Gedack, aus Wehlau, am 30. Juli

Schäfer, Elly, geb. Tallarek, aus Grünfließ, Kreis Neidenburg, am 1. August

Scheffler, Dorothea, aus Goldbach, Kreis Wehlau, am 4. August

Steenken, Erna, geb. Oneßeit, aus Pregelswalde, Kreis Wehlau, am 3. August

Thater, Herbert, aus Neudims, Kreis Rößel, am 2. August

Wenz, Wolfgang, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 29. Juli

ZUM 85. GEBURTSTAG

Boock, Gerda, geb. Auckthun, aus Kuglacken, Kreis Wehlau, am 3. August

Brosziewski, Heinz, aus Lübeckfelde, Kreis Lyck, am 31. Juli

Bylitza, Georg, aus Tannau, Kreis Treuburg, am 29. Juli

Conrad, Horst, aus Groß Engelau, Kreis Wehlau, am 4. August

Filax, Horst, aus Sanditten, Kreis Wehlau, am 29. Juli

Fromm, Ruth, geb. Joh, aus Tilsit, Kreis Tilsit-Ragnit, am 1. August

Gelberg, Magdalene, geb. Willutzki, verw. Rondeck, aus Plötzendorf, Kreis Lyck, am 29. Juli

Gennert, Irmgard, geb. Gollub, aus Statzen, Kreis Treuburg, am 2. August

Herpell, Erdmut, aus Lyck, Memeler Weg 10, am 29. Juli

Karrasch, Erika, geb. Maletzki, aus Erben, Kreis Ortelsburg, am 4. August

Koloska, Elfriede, geb. Westphal, aus Ebenfelde, Kreis Lyck, am 4. August

Larsson, Waltraut, geb. Lagies, aus Klein Friedrichsgraben, Kreis Elchniederung, am 29. Juli

Machander, Ilona, geb. Dobrinki, aus Gut Klein Rauschken, Kreis Ortelsburg, am 3. August

Napiwotzki, Reinhold, aus Roggen, Kreis Neidenburg, am 1. August

Pauloweit, Harry, aus Wehlau, am 2. August

Prill, Hansjürgen, aus Kniprode, Kreis Neidenburg, am 29. Juli

Przysucha, Helga, geb. Kirstein, aus Markau, Kreis Treuburg, am 30. Juli

Schauer, Helga, geb. Tiede, aus Schneckenmoor im Gutsbezirk Schnecken Forst, Kreis Elchniederung, am 3. August

Schmidt-Alpers, Annemarie, geb. Steinhagen, aus Groß Hasselberg, Kreis Heiligenbeil, am 4. August

Scholz, Edeltraut, geb. Rutkowski, aus Treudorf, Kreis Ortelsburg, am 4. August

Seidel, Fritz, aus Birkenmühle, Kreis Ebenrode, am 31. Juli

Sindakowski, Heinz, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 1. August

Vogel, Irma, aus Diewens, Kreis Samland, am 29. Juli

Weigand, Edeltraud, geb. Weinstein, aus Legenquell, Kreis Treuburg, am 3. August

Wunderlich, Waltraud, geb. Lange, aus Eisenberg, Kreis Heiligenbeil, am 29. Juli

ZUM 80. GEBURTSTAG

Beyer, Rosemarie, geb. Münchow, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 31. Juli

Brommer, Ursula, geb. Schulz, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 31. Juli

Göbler, Erika, aus Memel, am 3. August

Ludwig, Elly, geb. Kerlin, aus Bürgersdorf, Kreis Wehlau, am 3. August

Markowski, Paul, aus Allenstein, Sensburger Straße 11, am 27. Juli

Menden, Marianne, geb. Czerwinski, aus Lyck, am 2. August

Müller, Gitta, geb. Stelter, am 29. Juli

Müller, Siegfried, aus Samplatten, Kreis Ortelsburg, am 1. August

Neumann, Erwin, aus Seckenburg, Kreis Elchniederung, am 2. August

Parodat, Alfred, aus Altenkirch, Kreis Tilsit-Ragnit, am 31. Juli

Pidun, Werner, aus Malgaofen, Kreis Neidenburg, am 1. August

Pistor, Ingrid, geb. Ludorf, aus Neumalken, Kreis Lyck, am 30. Juli

Praetorius, Jürgen, aus Neukirch, Kreis Elchniederung, am 31. Juli

Pscholka, Waltraud, geb. Gwiasda, aus Baldenofen, Kreis Neidenburg, am 30. Juli

Rogowski, Arnold, aus Klein Lasken, Kreis Lyck, am 3. August

Rulf, Brigitte, geb. Jurkschat, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 1. August

Sadowski, Ruth, am 3. August

Schmidt, Rosemarie, geb. Groppler, aus Pillau, Kreis Samland, am 29. Juli

Staege, Traute, geb. Kraffzik, aus Funken, Kreis Lötzen, am 1. August

Todtenhaupt, Manfred, aus Allenburg, Kreis Wehlau, am 30. Juli

Tretzak, Kurt, aus Lyck, am 31. Juli

Waschelowski, Brunhilde, geb. Grabowski, aus Bartzdorf, Kreis Neidenburg, am 29. Juli

Wichmann, Hiltraut, geb. Jorzik, aus Reuß, Dziarnowen, Kreis Treuburg, am 2. August

ZUM 75. GEBURTSTAG

Benecke, Margret, geb. Tulowitzki, aus Eichenau, Kreis Neidenburg, am 31. Juli

Dorka, Hartmut, aus Rohmanen, Kreis Ortelsburg, am 29. Juli

Etsch, Monika, geb. Riemann, aus Bürgersdorf, Kreis Wehlau, am 4. August

Fleck, Brigitte, geb. Schienke, aus Klein Engelau, Kreis Wehlau, am 4. August

Gocht, Margret, geb. Gonschorrek, aus Garbassen, Kreis Treuburg, am 3. August

Hermanns, Irene, geb. Schmodat, aus Pelkeninken, Kreis Wehlau, am 30. Juli

Hoppe, Hans-Joachim, aus Roggen, Kreis Neidenburg, am 4. August

King, Rosemarie, geb. Kays, aus Wallendorf, Kreis Neidenburg, am 29. Juli

Klassen, Peter, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 2. August

Kreipe, Helga, geb. Gradke, aus Narzym, Kreis Neidenburg, am 29. Juli

Krüger, Käte, geb. Gruber, aus Grieben, Kreis Ebenrode, am 30. Juli

Lamberty, Wolfhard, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 29. Juli

Lorenz, Ingeborg, geb. Koschinski, aus Soldau, Kreis Neidenburg, am 4. August

Lux, Dietmar, aus Ortelsburg, am 4. August

Macht, Paul Wilhelm, aus Karwik, Kreis Johannisburg, am 23. Juli

Meyer, Helga, geb. Kempka, aus Ortelsburg, am 1. August

Onnasch, Marianne, geb. Stadie, aus Heinrichswalde, Kreis Elchniederung, am 3. August

Piwek, Agnes, geb. Weissner, aus Mensguth, Kreis Ortelsburg, am 29. Juli

Plewka, Siegfried, aus Saiden, Kreis Treuburg, am 30. Juli

Saborowski, Ulrich, aus Satticken, Kreis Treuburg, am 4. August

Schröder, Adelheid, geb. Peterson, aus Heinrichswalde, Kreis Elchniederung, am 30. Juli

Diamantene Hochzeit

May, Manfred, aus Königsberg, und Ehefrau Christa, geb. Ruder, am 4. August


Gauck spricht
3. September – Tag der Heimat in Berlin

Unter dem Leitspruch „Identität schützen – Menschenrechte achten“ lädt der Bund der Vertriebenen (BdV) am Sonnabend, 3. September, in Berlin zum Tag der Heimat. Beginn ist um 12 Uhr im Humboldt-Saal der Urania Berlin, An der Urania 17. Festredner ist in diesem Jahr Bundespräsident Joachim Gauck. Für die musikalische Umrahmung sorgen die Potsdamer Turmbläser. Für den Eintritt zum Festakt ist eine Einlasskarte nötig.

Im Anschluss an den Festakt findet um 15 Uhr die Kranzniederlegung auf dem Theodor-Heuss-Platz statt. Er lässt sich von der Urania Berlin aus leicht mit der U-Bahn erreichen. Von der Station Wittenbergplatz aus fährt die U2 direkt bis zum Theodor-Heuss-Platz

Weitere Informationen: Bund der Vertriebenen, Godesberger Allee 72–74, 53175 Bonn, Telefon (0228) 810070, Fax (0228) 81007-52, Internet: www.bund-der-vertriebenen.de


S. 16-18 Heimatarbeit

Aus den Heimatkreisen

EBENRODE (STALLUPÖNEN)

Kreisvertreter: Dr. Gerhard Kuebart, Schiefe Breite 12a, 632657 Lemgo, Telefon (05261) 8 81 39, E-Mail: gerhard.kuebart@ googlemail.com.

Am Freitag, 12. August, findet um 17. Uhr im Hotel am Schloßplatz in Winsen (Luhe) die öffentliche Kreistagssitzung statt. Am Sonnabend lädt die Kreisgemeinschaft dann zusammen mit der Kreisgemeinschaft Schlossberg sowie den Landesgruppen Niedersachsen und Hamburg zum Ostpreußentreffen nach Winsen. Das Programm finden Sie auf Seite 18 unter Schlossberg.

Am Sonnabend, 13. August, findet im Rahmen des Ostpreußentreffens auch die ordentliche Mitgliederversammlung der Kreisgemeinschaft statt. Die Mitglieder treffen sich um 14 Uhr im Clubzimmer der Stadthalle Winsen.

 

ELCH-NIEDERUNG

Kreisvertreter: Manfred Romeike, Anselm-Feuerbach-Str. 6, 52146 Würselen, Telefon/Fax (02405) 73810. Geschäftsstelle: Barbara Dawideit, Telefon (034203) 33567, Am Ring 9, 04442 Zwenkau.

Die Landsmannschaft Ostpreussen stellt für hilfsbedürftige Landsleute in Ostpreußen die sogenannte Bruderhilfe bereit. Wir im Kreis Elchniederung haben in diesem Jahr diese humanitäre Hilfe im feierlichen Rahmen überreicht. Bei einer Person mussten wir die Hilfe zu Hause übergeben, in ihrer ärmlichen Wohnung in Kreuzingen

Am Sonntag, 12. Juli, fand im Gemeindehaus in Heinrichswalde ein evangelischer Gottesdienst auf Russisch und auch in Deutsch (übersetzt durch Schwester Helena) mit Unterstützung durch Astrid Romeike statt.

Die stellvertretende Vorsteherin der evangelischen Kirchengemeinde Lydia Lobakina hatte im Gemeindehaus Tee, Kaffee und Gebäck vorbereitet. Dann wurde mit einer kleinen Ansprache die Bruderhilfe und je ein Heimatbrief überreicht. Beim Dank der Empfänger kam ihre große Freude über die erhaltene Geldspende zum Ausdruck.

Auch gibt es viel Neues aus unserer Heimat zu berichten; es geht voran: Die Gasleitungen werden zu den Häusern verlegt, Wasser- und Kanal-Anschlüsse werden erneuert. Die Wasserstelle für das thermalhaltige Wasser des Schwimmbades wurde erneuert. Wir hoffen, dass bald eine Toilette für die Badegäste aufgestellt wird.

Am Freitag, dem 10. Juni, hatten wir, Lydia Lobakina und ich, unser Gespräch beim neuen Bürgermeister, Herrn Panfilow und dem Landrat Herrn Rudenkow. Folgende Themen kamen zur Sprache:

– Die Kirche in Heinrichswalde,

für die ein benötigtes Doku-

ment zum weiteren Ausbau er-

stellt wurde

– Wasserprobe: die chemische

Untersuchung ist bereits durch-

geführt

– Der Meilenstein vor dem Tou-

ristik-Buero muss wegen der

Erneuerung des Bus-Bahnhofes

versetzt werden

– Das alte Denkmal zum Ersten

Weltkrieg in Neukirch soll re-

konstruiert werden

– der Prospekt „Gruß aus Hein-

richswalde / Slawsk“ wird erneuert.

Unsererseits erfolgten noch ausführliche Besuche in verschiedenen Kirchen. Das erste Mal konnten wir auch in die früher verschlossene Kirche in Seckenburg.        Manfred Romeike

 

GERDAUEN

Kreisvertreter: Walter Mogk, Am Eichengrund 1f, , 39629 Bismark (Altmark), Telefon (0151) 12 30 53 77, Fax (03 90 00) 5 13 17. Gst.: Doris Biewald, Blümnerstraße 32, 04229 Leipzig, Telefon (0341) 9600987, E-Mail: geschaeftsstelle@ kreis-gerdauen.de.

Gemäß Paragraf 5 Nummer 4 unserer Satzung vom 29. September 2012 sind wir verpflichtet, den Termin der nächsten Kreistagssitzung, die für den 3. September, 9.30 Uhr, im Hotel Hansen in Rendsburg, Bismarckstraße 29, anberaumt wird, vor der Ladungsfrist in der Preußischen Allgemeinen Zeitung bekanntzugeben. Alle Vorstands- und Kreistagsmitglieder sowie die Mitglieder des Ältestenrates erhalten rechtzeitig die Einladung zur Kreistagssitzung mit den aktuellen Tagesordnungspunkten zugeschickt.

Zu unserem diesjährigen Hauptkreistreffen laden wir alle Landsleute aus dem Kreis Gerdauen sowie alle, die sich unserem Heimatkreis verbunden fühlen oder sich dafür interessieren, am 3. und 4. September in unsere Patenstadt Rendsburg ein. Unser Veranstaltungsort ist das Hotel Hansen in der Bismarckstraße 29, in dem uns Räume zur Verfügung stehen. Folgendes Programm hat unser Festausschuss zusammengestellt:

Sonnabend, 3. September

9 Uhr: Öffnung des Veranstaltungsraumes im Hotel Hansen (Infostand mit Büchern, Heimatandenken und Marzipan; Öffnungszeiten werden vor Ort festgelegt)

9.25 Uhr: Begrüßung

9.30 bis 11.30 Uhr: Kreistagssitzung

10 bis 12 Uhr: Filmvorführungen über Ostpreußen vor 1945 und den Kreis Gerdauen nach 1945

Im Laufe des Tages besteht Gelegenheit zum Kennenlernen und Wiedersehen von Landsleuten aus dem Heimatkreis und zum direkten Kontakt mit Ihren Kirchspielvertretern (nach der Kreistagssitzung)

14 bis 16 Uhr Filmvorführungen über Ostpreußen vor 1945 und den Kreis Gerdauen nach 1945

14 bis 16 Uhr: Möglichkeit zum Besuch unserer Heimatstube in der Königinstraße 1

16.30 bis 18 Uhr: „Das Wiegenlied der Wolfskinder“ – Lesung von Brigitte Trennepohl (Gerdauen/Ibbenbüren) aus dem gleichnamigen historischen Roman von Johanna Ellsworth, der unter anderem auf den Erlebnissen Gerdauener Wolfskinder beruht

18.30 Uhr Begrüßung und gemeinsames Abendessen, anschließend gemütliches Beisammensein mit Musik und kleinen Einlagen (eigene Beiträge der Landsleute sind herzlich willkommen), musikalische Begleitung durch Helmut Randel.

Sonntag, 4. September

9 Uhr Öffnung des Veranstaltungsraums im Hotel Hansen (Infostand mit Büchern, Heimatandenken und Marzipan; Öffnungszeiten werden vor Ort festgelegt)

9.30 bis 10.30 Uhr Möglichkeit zum Besuch unserer Heimatstube in der Königinstraße 1

11 Uhr: Feierstunde im Veranstaltungsraum des Hotels Hansen, musikalischer Rahmen durch Helmut Randel, Begrüßung durch den Kreisvertreter, Festrede des Landrates Rolf-Oliver Schwemer, geistliches Wort und Totengedenken mit dem Rendsburger Propst Matthias Krüger, Schlusswort des Kreisvertreters, gemeinsamer Gesang des Ostpreußenliedes

14 bis 16 Uhr Filmvorführungen über Ostpreußen vor 1945 und den Kreis Gerdauen nach 1945. (Änderungen vorbehalten).

 

GUMBINNEN

Kreisvertreterin: Karin Banse, Wiesengrund 9, 29559 Wrestedt, OT Wieren, Telefon (05825) 642, E-Mail: karin.banse@t-online.de, Internet: www.kreis-gumbinnen.de.

Donnerstag, 4. August, Berlin: Treffen der örtlichen Gruppe um 13 Uhr im Restaurant „Mazedonia“, Hans-Sachs-Straße 41, 12205 Berlin (am S-Bahnhof Lichterfelde). Informationen: Joseph Lirche, Senftenberger Ring 52 d, 13435 Berlin, Telefon (030) 4032681.

 

INSTERBURG − Stadt und Land

Vorsitzender Stadt & Land: Reiner Buslaps, Am Berg 4, 35510 Butzbach-Kirch-Göns, Tel.: (06033) 66228, Fax (03222) 3721953, E-Mail: R.Buslaps@t-online.de. Kreisgemeinschaft Insterburg Stadt & Land e. V.,  Geschäftsstelle, Am Marktplatz 10, 47829 Krefeld, Postfach 111 208, 47813 Krefeld, Tel.: (02151) 48991, Fax (02151) 491141, E-Mail: info@insterburger.de, Internet: www.insterburger.de, Bürozeiten: Montag – Freitag von 8 bis 12 Uhr. Heimatgruppe Kiel: Treffen in jedem Monat am zweiten Donnerstag im Café Rebecca in der Matthias-Claudius-Kirche in Kiel-Suchsdorf. Informationen: Hellmut Jucknat, Telefon (0431) 311972.

Heimatgruppe Köln: Treffen jeweils am vierten Mittwoch im Monat. Die nächste Zusammenkunft ist am 24. August. Informationen: Carola Maschke, Telefon (0221) 796942, E-Mail: C.Maschke@netcologne.de.

Das Thema unseres sechsten Schwägerauer Treffens mit Teilnehmern aus Schwägerau. Waldhausen und Eichenstein waren Heimat, Flucht und Integration. Am 22. Mai reisten alle mit Bahn oder PKW an und trafen sich für insgesamt vier Tage im thürgischen Schmalkalden. Einige mussten aus Gesundheitsgründen zu Hause bleiben. Die Wiedersehensfreude war groß. Wir bezogen unsere Zimmer und trafen uns zum gemeinsamen Essen.

Nachdem uns Siegfried Schulz herzlich begrüßt hatte, und die Eichensteiner vorgestellt hatte, ging das Plachandern los. Es wurde ausgiebig über das zurückliegende Jahr gesprochen und diskutiert. Danach wurden mit Begleitung durch Heinz Fischer auf seiner Gitarre Heimat- und Volkslieder gesungen. Zur Stärkung gab es Königsberger Marzipan und Bärenfang. Nach einer besinnlichen Runde wurde der Abend beendet.

Am Montag nach dem Frühstück trafen wir uns, um zur Tagesordnung überzugehen. Siegfried Schulz trug in Wort und Bild die neusten Informationen aus unserer Heimat vor. Ebenso waren einige Informationen von Reiner Buslaps ausgelegt, wie Neuerscheinungen von Büchern, BJO-Rundbriefe, Probsteiberichte aus Königsberg, Pressemitteilungen des Bundes der Vertriebenen sowie Nachrichten der Landsmannschaft Ostpreußen.

Hiernach würde über die Vertreibung aus unserer Heimat und die Einsiedlung in anderen Teilen unseres Vaterlandes, wie sollte es unter uns Betroffenen wohl anders sein, emotional aber trotzdem faktenbezogen diskutiert. Es war eine große Einsiedlungsleistung von Deutschen in ihrem nach dem zweiten Weltkrieg wesentlich kleiner gewordene Land.

Siegfried Schulz zeigte anschließend auf Grundlage von Publikationen aus Mecklenburg-Vorpommern auf, wie viele Flüchtlinge dort aufgenommen wurden. 1950 lag dort der Anteil der Vertriebenen in der Gesamtbevölkerung bei rund 46 Prozent, was heißt; rund 983000 der insgesamt 2,1 Millionen Einwohner von Mecklenburg-Vorpommern waren Vertriebene. Wer die Einsiedlungsleistungen mit den heutigen anstehenden Integrationsleistungen der Flüchtlinge und Asylanten gleichsetzt, liegt sehr weit daneben. Hier geht es um wenig Vergleichbares und schwer Kalkulierbares, das viele offene Fragen lässt.

Ab 15 Uhr war persönliche Freizeit angesagt. Viele gingen zur Stadt, um sich die Sehenswürdigkeiten anzusehen oder einige Einkäufe zu tätigen. Wie stets klang der Tag nach dem Abendessen mit einem gemütlichen Miteinander und Gesang aus. Am Dienstag erlebten wir einen Diavortrag über unsere Heimat. Die Bilder zeigten sie einerseits vor unserer Flucht und andererseits in der jetzigen Gegenwart. Da Siegfried Schulz mehrmals seinen Heimatort besucht hat, konnte er einiges über Schwägerau, Norkitten, Waldhausen und Insterburg berichten.

Nach einer kleinen Pause hielt Heinz Fischer dann einen Vortrag über den Islam und seine verschiedenen Strömungen. Vergleichender Betrachtung hauptsächlich mit dem Christentum kamen hinzu. Seine Ausführungen in einem kurzen Bericht auch nur annähernd wiederzugeben ist nicht möglich. Je nach Verweltlichung der Religionen und deren Strömungen kann es zu Spannungen und Konflikten zwischen Religionsgemeinschaften und Staatsgemeinschaften kommen, wenn sich deren „Regeln“ widersprechen. Wie kein anderer Mitgliedstaat der EU war Deutschland im Jahr 2015 Ziel von Personen, die unter anderem vor Bürgerkriegen, politischer und religiöser Verfolgung sowie der desolaten humanitären Situation in ihren Heimatländern Schutz und Asyl suchten. Diese Ausführungen waren sehr aufschlussreich, da nicht jeder sich mit dieser Problematik auseinander setzt.

Der Nachmittag war jedem freigestellt etwas nach seiner Vorstellung zu unternehmen. Sehenswürdigkeiten hat Schmalkalden viele. Etliche besuchten die „Viba Nougat Welt“ und haben den Nachmittag mit Kaffee und Kuchen oder mit einem Eisbecher ausklingen lassen. Ein erlebnisreicher Tag mit vielen Eindrücken ging zu Ende. Nach dem gemeinsamen Grillen wurde dann noch einmal über die Eindrücke und Erinnerungen der letzten Tage und Monate gesprochen. Anschließend wurde unser Treffen mit einem gemütlichen Miteinander und Gesang beendet.

Am Mittwoch verabschiedeten wir uns nach dem gemeinsamen Frühstück mit Gesang voneinander und hoffen auf ein gesundes Wiedersehen 2017, denn die Liebe zu unserer verlorenen Heimat verbindet. Der Aufenthalt im Hotel „Jägerklause“ war wieder aufregend und freudig zugleich. Wir möchten uns bei der Familie Jäger und dem Personal für die gelungene Gastfreundschaft und den guten Service recht herzlich bedanken. Wenn wir gesund bleiben, werden wir uns im Luther-Jahr 2017 in Schmalkalden wiedersehen.        Heinz Fischer,

                Siegfried Schulz

 

LYCK

Kreisvertreterin: Bärbel Wiesensee, Diesberg 6a, 41372 Niederkrüchten, Telefon (02163) 898313. Stellvertr. Kreisvertreter: Dieter Czudnochowski, Lärchenweg 23, 37079 Göttingen, Telefon (0551) 61665. Karteiwart: Siegmar Czerwinski, Telefon (02225) 5180, Quittenstraße 2, 53340 Meckenheim.

Am 27. und 28. August findet das 62. Lycker Kreistreffen in unserer Patenstadt Hagen in Westfalen statt. Der Vorstand der Kreisgemeinschaft lädt jetzt schon alle Lycker aus Stadt und Land zur Teilnahme an diesem Treffen herzlich ein. Die Veranstaltungen finden, wenn nachstehend nichts Abweichendes vermerkt ist, im sogenannten Sinfonium der Stadthalle Hagen, Wasserloses Tal 2, statt. Das Programm:

Sonnabend, 27. August

13 Uhr: Öffentliche Kreistagssitzung im Hagener Rathaus,Rat-hausstraße 13

15 Uhr: Öffnung der Stadthalle

17 Uhr: Kranzniederlegung an den Gedenksteinen im Stadtgarten Hagen

19 Uhr: Heimatabend

Sonntag, 28. August

9.30 Uhr: Öffnung der Stadthalle

11 Uhr: Feierstunde

Dazu gehört auch der Programmpunkt „Lyck früher, Lyck heute“, eine Bilderpräsentation von Dr. Rafal Zytyniec, wissenschaftlicher Mitarbeiter des historischen Museums in Lyck.

13 Uhr: Zusammenkunft des Arbeitskreises „Mittlere Generation“ im Clubraum 1 der Stadthalle

14 Uhr Begrüßung und gemütliches Beisammensein

18  Uhr Ausklang

Liebe Landsleute,

bitte kommen Sie, vor allem an Sonntag, zahlreich nach Hagen. Sie zeigen damit, dass wir noch da sind. Besonders hinweisen möchte ich, auf die Präsentation von Rafal Zytyniec vom historischen Museum in Lyck. Sie soll gerade auch den älteren Leuten, die nicht mehr in die Heimat fahren können, ein lebendiges Bild, der heutigen Stadt vermitteln. Es werden in diesem Jahr nicht so viele Reden gehalten, sondern Bilder gezeigt!

Noch ein Tipp: Wenn Ihnen die Reise allein aus Altersgründen zu beschwerlich scheint, bitten Sie (soweit vorhanden) Ihren Enkel oder Enkelin, Sie nach Hagen zu fahren. Wir haben die Erfahrung, dass Enkel dieses gern tun. Sie wollen nur angesprochen werden. Im Umkreis von etwa 200 Kilometern, das ist Bremen, Hannover, Kassel und Frankfurt, ist es möglich, ohne Übernachtung nach Hagen zu kommen. Morgens hin, spät nachmittags zurück. Also auf Wiedersehen in Hagen!

                Ihre Kreisvertreterin

                Bärbel Wiesensee

 

MOHRUNGEN

Kreisvertreterin:  Ingrid Tkacz, Knicktwiete 2, 25436 Tornesch, Telefon/Fax (04122) 55079. Stellv. Kreisvertreterin; Luise-Marlene Wölk, Schwalbenweg 12, 38820 Halberstadt, Telefon (03941) 623305. Stellv. Kreisvertreterin Monika Buddych, Op de Dümmer 32, 45772 Marl/Westf., Telefon (02365) 691690. Schatzmeister: Frank Panke, Eschen-weg 2, 92334 Berching, Telefon (08462) 2452. Geschäftsstelle Horst Sommerfeld, Lübecker Straße 4, 50858 Köln, Telefon (02234) 498365.

Am 15. Juni sind wir als kleine Gruppe in Richtung Heimat aus verschiedenen Städten, gestartet. Nach der Ankunft in Mohrungen und beim Treffen im Hotel Elektor war die Freude groß. Unser Ziel war: In den darauf folgenden Tagen die Bruderhilfegelder (BHG) der Landsmannschaft Ostpreußen an die bedürftigen Deutschstämmigen für das Jahr 2016 auszuzahlen.

Die Auszahlung, die in den „Mohrunger Stuben“ im historischen Rathaus sowie im Verein der Deutschen Bevölkerung „Herder“ stattfand, wurde von Marlene Wölk und Ingrid Tkacz, vorgenommen. Selbstverständlich suchten wir auch die BHG-Empfängern auf, die aus gesundheitlichen Gründen nicht kommen konnten. Wir fuhren in Orte wie Schwalgendorf, Weinsdorf, Saalfeld und Umgebung.

Wir nahmen uns auch die Zeit, mit den Deutschstämmigen über ihre Sorgen und Lebensart zu sprechen. Sehr gerührt waren wir, als wir von einigen hörten, dass sie sich für das Geld Holz für den Winter kaufen werden. Wir haben vor Ort festgestellt, dass diese Menschen für die finanzielle Unterstützung und die persönliche Überbringung sehr dankbar waren. Überall sind wir herzlich begrüßt worden.

Am Sonnabend, den 18. Juni, fuhren wir gemeinsam mit den Mitgliedern der „Deutschen Bevölkerung Herder“ im Bus zum Sommerfest ins Amphitheater nach Allenstein. Bei guter Stimmung, vielen Darbietungen und guter Atmosphäre, genossen wir fröhlich das Sommerfest.

Da wir einen guten Kontakt zum Bürgermeister Tadeusz Sobierajski in Morag haben, wurden am Montag, den 20. Juni, in seinem Büro einige Themen besprochen. Dazu zählten Pflege- und Beschilderung der Deutschen Friedhöfe sowie die deutsch-polnische Jugendbegegnungen. Im Anschluss an das Gespräch und aus Anlass des zehnjährigen Vertragsabschlusses bezüglich der „Mohrunger Stuben“ zwischen der Stadt Morag und der Kreisgemeinschaft Mohrungen luden wir, Ingrid Tkacz und Marlene Wölk, den Bürgermeister in die Mohrunger Stuben ein. Es gab sogar noch einen weiteren erfreulichen Anlass: Die Übergabe der Fahne mit Wappen des Kreises Mohrungen durch Bernd Krause, den Kreisbetreuer der Berliner Mohrunger-Gruppe, die 1951 gegründet wurde.

Bei einem feierlichen Festakt im Beisein des Mohrunger Bürgermeisters, des Dolmetscher Tomasz Osekowski sowie dem Vorstand und der Mitglieder der Deutschen Bevölkerung „Herder“ sowie der angereisten Gruppe aus Deutschland wurde diese zum Verbleib in den Mohrunger Stuben übergeben. Es war ein gelungener und ergreifender Festakt!

                Der Vorstand

Sonntag, 14. August: 700-Jahr-Feier des Dorfes Miswalde (Myslice) an der Sorge

Sonnabend, 17., und Sonntag, 18. September: Heimatkreistreffen in Bad Nenndorf im Grandhotel Esplanade, Bahnhofstraße 8, Zimmerbuchungen unter Telefon (05723) 798110 bei Familie Pittack oder bei  der Tourist-Information, Telefon (05723) 748560.

Sonnabend, 17. September: Öffentliche Kreistagssitzung. Einladungen werden fristgemäß verschickt.  Die Feierstunde und die Mitgliederversammlung erfolgen am 18. September. Wir laden herzlich dazu ein und würden uns sehr freuen, viele Landsleute, die ehemaligen „Jungen Liebstädter“ und Heimatfreunde in Bad Nenndorf begrüßen zu dürfen.

 

NEIDENBURG

Kreisvertreter: Jürgen Szepanek, Nachtigallenweg 43, 46459 Rees-Haldern, Tel. / Fax (02850) 1017.

In Berenbostel bei Hannover findet am 4. September das diesjährige Heimattreffen statt. Eine recht betagte aber immer noch sehr aktive Landsmännin ist schon seit vielen Jahren dort: Die aus dem Jahre 1633 stammende Glocke der ehemaligen evangelischen Kirche in Neidenburg. Die Wirren des Zweiten Weltkrieges hat sie wie durch ein Wunder überstanden und tut nun ihren Dienst in der evangelisch-lutherischen Silvanus-Gemeinde in Berenbostel. Im aktuellen Gemeindebrief erzählt die dortige Pastorin Gabriele Brand mehr über die stimmgewaltige Neidenburgerin. Hier ist der Abdruck des Artikel:

„Bruder Jakob, Bruder Jakob“ - Sie werden sicher gleich einstimmen können: „schläfst du noch? Hörst du nicht die Glocken ...“

Für die Silvanusgemeinde stimmt der Kanon nur bedingt: Es ist kein Glockendreiklang, der uns am Sonntagmorgen zum Gottesdienst ruft. Aber die eine Glocke hat es verdient, einmal angemessen beachtet zu werden. Das findet sie selber anscheinend auch: In den vergangenen Wochen hat sie sich mehrfach unerwartet und anhaltend Gehör verschafft. Dabei konnte sie gar nichts dafür. Es lag an der Schaltautomatik, und das ist ein kompliziertes Kapitel.

Unsere Glocke hat ein stolzes Alter, sie ist weit gereist und hat viel zu erzählen. Eine Inschrift verrät, dass sie aus Neidenburg in Ostpreußen kommt, wo sie 1633 gegossen wurde. 1942, mitten im Zweiten Weltkrieg, wurde sie abmontiert, um eingeschmolzen zu werden. Kanonen statt Glocken! Sie gelangte auf den Hamburger Glockenfriedhof, wurde jedoch nicht mehr eingeschmolzen.

Nach dem Krieg wurden die verbliebenen Glocken nach Möglichkeit in ihre Heimatorte zurückgeführt. Orte in Ostpreußen hinter dem Eisernen Vorhang waren jedoch nicht erreichbar.

1955 wurde die Stephanuskirche in Berenbostel gebaut. Der Kirchenvorstand beschloss, für den Neubau zunächst eine der verbliebenen Glocken aus Hamburg zu erwerben. Horst Knobloch, ehemaliger Kirchenvorsteher in Stephanus, erzählt, wie der Landwirt Christian Meyer sen. damals ebenfalls Kirchenvorsteher, die Glocke mit einem Pferdefuhrwerk vom Bahnhof Vinnhorst abholte. Ein besonderes Gestell war eigens dafür von dem Berenbosteler Zimmermann Karl Dettmer gebaut worden.

Zunächst wurde die Glocke bei Knoblochs auf dem Hof gelagert. Bei der Grundsteinlegung der Stephanuskirche wurde sie auf ein Gestell gezogen und läutete schon einmal. Geplant war, zu einem späteren Zeitpunkt zwei weitere Glocken gießen zu lassen und das Geläut zu vervollständigen. Als es so weit war, stellte sich jedoch heraus, dass ihr Klang nicht zu den beiden neuen Glocken passte. So wurde sie abgenommen und fand ein neues vorübergehendes Asyl: bei Bauer Meyer in der Scheune. Der Sohn Christian Meyer, damals ein Kind, erinnert sich noch gut an den eindrucksvollen Anblick, wie auch daran, dass aus dem ehemaligen Glockengestell eine Schaukel für ihn und seine Schwester wurde. Zu dem Zeitpunkt Anfang der sechziger Jahre war schon abzusehen, dass mit dem Bau des Wohngebietes Auf dem Kronsberg eine zweite evangelische Gemeinde gegründet werden würde. Als 1968 die Silvanusgemeinde mit der sogenannten „Baracke“ ein vorläufiges Kirchengebäude bekam, fand auch die Glocke wieder ihren Platz. Seitdem läutet sie für uns.

383 sehr bewegte Jahre hat sie schon erlebt. Das hört man ihr auch an: sie hat einen kleinen Riss – eine der typischen Beschädigungen der Glocken auf den Glockenfriedhöfen. Sie waren dort ohne Sorgfalt aufeinander gestapelt und waren Wind und Wetter und vor allem den ständigen Druckwellen der Bombardierungen ausgesetzt. Seitdem ich ein wenig von ihrer Geschichte weiß, berührt mich ihr Klang. Ursprünglich läutete sie im Zusammenklang mit anderen, vermutlich größeren Glocken zum Gottesdienst und zu den wichtigen kirchlichen Anlässen in Neidenburg. Auch wenn die Menschen gewarnt werden mussten, bei einem Großfeuer etwa oder auch bei einem drohenden Angriff, wird sie ihre Stimme mit den anderen erhoben haben. Hier bei uns ist sie die einzige Glocke und lässt ihre Stimme unverdrossen und unbeirrbar hören. Sie hat hier nicht den wunderbaren Weitblick wie in Neidenburg von einem eindrucksvollen Turm in die weite ostpreußische Landschaft. Aber sie hängt dicht über den Internationalen Gärten und ist nicht zu hoch erhaben, sodass sie das fröhliche Leben dort wie auch auf dem Kirchengelände gut mitbekommt. Ich denke, das ist ein guter Platz für eine alte ehrwürdige Dame.

Und nun bekommt sie Besuch! Am Sonntag, dem 4. September findet das Jahrestreffen der Neidenburger Kreisgemeinschaft hier bei uns statt – unter dem Klang „ihrer“ und „unserer“ Glocke. Und sie wird uns zusammenrufen, wie es Aufgabe aller Glocken ist – in Gottes Namen. Gabriele Brand

 

RASTENBURG

Kreisvertreter: Hubertus  Hilgendorff, Tel. (04381) 4366, Dorfstr. 22, 24327 Flehm. Gst.: Patenschaft Rastenburg: Kaiserring 4, 46483 Wesel, Tel. (0281) 26950.

Der Kreis Wesel und die Kreisgemeinschaft der Rastenburger laden am 20. und 21. August zum 60. Hauptkreistreffen nach Wesel. Das Programm:

Sonnabend, 20. August

9.30 Uhr: Abfahrt mit dem Bus am Hotel Kaiserhof zum Friedhof

10 Uhr: Kranzniederlegung auf dem Friedhof an der „Trauernden Vesalia“, Caspar-Baur-Straße

10.30 Uhr: Kranzniederlegung am Ehrenmal an der Schillkaserne in Wesel und Besichtigung der Traditionsstube

14 Uhr: Gemütlicher Nachmittag im Biergarten des Hotels Kaiserhof

19 Uhr: Geselliges und gemütliches Beisammensein in der Niederrheinhalle, Wesel. Musikalische Begleitung durch den Männergesangsverein „Bleibtreu“ aus Hamminkeln.

Sonntag, 21. August

9 Uhr: Einlass in die Niederrheinhalle, Möglichkeit zum Frühstück

9.30 Uhr: Evangelischer Gottesdienst in der Gnadenkirche, Wackenbrucher Straße 82,

10 Uhr: Katholischer Gottesdienst in der Kirche Herz-Jesu in der Feldmark, Wesel

14.30 Uhr: Hauptkreistreffen in der Niederrheinhalle

–             Musikeinführung durch die Blasmusik Lackhausen

Begrüßung durch den Kreisvertreter Hubertus Hilgendorff

Gemeinsames Singen von „Land der dunklen Wälder“

Ansprachen von Heinrich Friedrich Heselmann, stellvertretender Landrat des Kreises Wesel, und von Ulrike Westkamp, Bürgermeisterin der Stadt Wesel

16 Uhr: Großer Zapfenstreich mit der Blasmusik Lackhausen und dem Tambourcorps Wesel-Fusternberg

16.30 Uhr: Geselliges Beisammensein

Zum 60. Hauptkreistreffen gehören auch eine Mitgliederversammlung und eine Kreistagssitzung. Beginn ist am Sonntag,

21. August, um 11 Uhr in der Niederrheinhalle. Die Tagesordnung:

• Begrüßung durch den Kreis-

vertreter

• Feststellung der Anwesenden

und Genehmigung des Proto-

kolls vom Vorjahr

• Bericht des Kreisvertreters

• Kassen- und Prüfungsbericht

• Entlastung des Vorstands und

der Kassenführung

• Haushaltsplan 2017

• Heimatbrief „Rund um Ra-

stenburg“

• Bildband

• Rastenburger Treffen 2016

und 2017

• Verschiedenes

Anträge beziehungsweise Vor-schläge zur Tagesordnung der veranstaltung sind bis zum 10. August einzureichen.

 

RÖSSEL

Kreisvertreter (komm.): Paul Thiel, Haydnstraße 23, 66333 Völklingen, Telefon (06898) 25327. Redaktion Rößeler Heimatbote: Gisela Heese-Greve, 23562 Lübeck, Tel. (0451) 58249090.

5. August, Altenberge: Bischofsteiner-Treffen im Hotel Stüter, Auskunft: Bruno Mücke, Telefon (02505) 2757.

18. bis 21. August, Münster: Treffen der Bischoffsburger-Heimatfreunde im Haus Mariengrund, Nünningweg 131, 48161 Münster. Organisation, Information und Anmeldung bei Horst Ehlert, Arnsberg, Telefon (02931) 7323.

 

SCHLOSSBERG (PILLKALLEN)

Kreisvertreter: Michael Gründling, Große Brauhausstraße 1, 06108 Halle/Saale. Geschäftsstelle: Renate Wiese, Tel. (04171) 2400, Fax (04171) 24 24, Rote-Kreuz-Straße 6, 21423 Winsen (Luhe).

Einen Tag vor dem Ostpreußentreffen am Sonnabend, 13. August, treffen sich dort bereits die Ehemaligen und Freunde der Friedrich-Wilhelm-Oberschule (FWO) im Cubzimmer der Stadthalle in Winsen (Luhe). Los geht’s um 11 Uhr. Vorgesehen ist ein gemeinsames Mittagessen und eine Kaffeetafel. Am Abend um 19 Uhr begeht die Schülervereinigung FWO dann eine gemeinsame Feierstunde. Anlass sind zwei Jubiläen: 50 Jahre Patenschaft mit dem Gymnasium Winsen und 70 Jahre Schülervereinigung FWO.

Am Freitag, 12. August, findet um 16 Uhr in der Heimatstube, Rote-Kreuz-Straße 6, 21423 Winsen (Luhe) die öffentliche Kreistagssitzung statt. 

 Auf nach Winsen an der Luhe! Die Kreisgemeinschaften Schloßberg und Ebenrode sowie die Landesgruppen Niedersachsen und Hamburg laden für Sonnabend, 13. August, zum Ostpreußentreffen. Hier das Programm:

9.30 Uhr: Kranzniederlegung am Ehrenmal auf dem Waldfriedhof durch Kurt Perrey, Pfarrer im Ruhestand

10.30: Feierstunde

– Begrüßung und Totenehrung

durch Michael Gründling, Ver-

treter der Kreisgemeinschaft

Schlossberg

– Chorgemeinschaft „Singzirkel

und Männerchor Winsen“

– Andacht mit Kurt Perrey

– Grußworte der Ehrengäste

– Festvortrag von Hans Heckel,

Redakteur der PAZ

12 Uhr: Gemeinsames Mittagessen und Plachandern

14 Uhr: Ordentliche Mitgliederversammlung der Kreisgemeinschaft Ebenrode im Clubzimmer der Stadthalle Winsen

14 Uhr: Buntes Rahmenprogramm am Nachmittag mit der Kindergruppe des Volkstanzkreises Winsen und Hans-Peter von Deyn (Akkordeon). Wolfgang Tietze berichtet über „Erfahrungen bei Hilfsleistungen für Nord-Ostpreußen“.

16.30 Uhr: Öffnung der Heimatstuben Schloßberg und Ebenrode, Rote Kreuz-Straße 6, 21423 Winsen.

18.30 Uhr: Veranstaltungsende

 

SENSBURG

Kreisvertreterin: Gudrun Froemer, In der Dellen 8a, 51399 Burscheid, Telefon (02174) 768799. Alle Post an: Geschäftsstelle Kreisgemeinschaft Sensburg e.V., Stadtverwaltung Remscheid, 42849 Remscheid, Telefon (02191) 163718, Fax (02191) 163117, E-Mail: info@kreisgemeinschaftsensburg.de, www. kreisgemeinschaftsensburg.de

An diesem zumindest trockenen Junitag hatten etwa 80 Landsleute den Weg ins Paul-Schneider-Haus in der Ostenschlahstraße 15. Treffen des Kirchspiels Ukta gefunden. Um 10.30 Uhr hieß Kirchspielvertreter Rolf W. Krause die Teilnehmer willkommen. Er führte unter anderem aus: „Zum

15. Treffen unseres Kirchspiels darf ich Sie herzlich begrüßen. Heute schauen wir auf 28 Jahre Ukta-Treffen zurück. Am 4. Juni 1988 hob Frieda Salewski in Lünen das erste Treffen aus der Taufe, das dort auch noch ein zweites Mal stattfand. Alle weiteren Treffen feierten wir hier in Hemer, über viele Jahre organisiert von Walter Kratz. Wir freuen uns über das heutige Treffen mit immer noch relativ hoher Teilnehmerzahl. Unsere Kreisvertreterin Gudrun Froemer grüßt Sie herzlich und wünscht Ihnen schöne und besinnliche Stunden mit Verwandten, Freunden und Gleichgesinnten. Sie bittet aber auch um eine Spende für unsere heimatverbliebenen Landsleute, besonders für Alte und Kranke. Nachdrücklich bittet der Kreisausschuss um Mithilfe beim Kreistreffen am Sonntag, dem 21. August in Remscheid. Nur durch verstärkte ehrenamtliche Mitarbeit können die nicht unerheblichen Kosten gesenkt werden. Auch heute wollen wir wieder einen Beitrag einsammeln für die Anmietung dieser kirchlichen Räume und die sonstigen mit dem Treffen verbundenen Kosten.  Legen Sie ein paar Euro drauf, damit wir auf die Erhebung eines Eintrittsgelds verzichten können. Mein Dank gilt Pfarrer Thomas Braun, mit dem wir gleich im Anschluss den traditionellen Gottesdienst feiern werden, und allen fleißigen Helfern im Team um Norbert Kratz und Friedhelm Hoffmann. Ein herzlicher Gruß gilt dem sicherlich ältesten Teilnehmer unseres Treffens Siegfried Grzanna, der am 14. Juli sein 90. Lebensjahr vollenden wird: er wird begleitet von seiner Ehefrau Gerda, die am 20. Januar ihren 86. Geburtstag feierte. Bevor ich zum Schluss komme: Meine Ehefrau Inge hat mich nach kurzer schwerer Krankheit am 4. April, zwölf Tage vor unserer Goldenen Hochzeit, für immer verlassen müssen. Sie hat mich bei allen 14 vorhergehenden Kirchspieltreffen begleitet und jeweils den Büchertisch betreut.“

Nach der Rede von Rolf W. Krause erhoben sich die Teilnehmer zum gemeinsamen Gesang des Ostpreußenliedes, mit Mandoline und Akkordeon begleitet von Helga und Friedhelm Hoffmann. Pünktlich um 11 Uhr begann der traditionelle Festgottesdienst. Als das Glockengeläut der Uktaer Heimatkirche ertönte, wurde es ganz still im Kirchenraum. Am Schluss wurde der Verstorbenen der letzten zwei Jahre gedacht. Dann kehrte man zurück in den Gemeindesaal, und es konnte nach Herzenslust geschabbert werden. Unter der Regie von Norbert Kratz und seiner Ehefrau Johanna wurde wieder in bester Weise für das leibliche Wohl gesorgt.

Das 15. Ukta-Treffen war wieder ein voller Erfolg. Das 16. Treffen soll nach 30 Jahren als Jubiläumstreffen im Juni 2018 wieder in Hemer stattfinden. Im Heimatbrief 2017 und in der PAZ wird rechtzeitig dazu eingeladen werden.

                 Rolf W. Krause


S. 19 Heimatarbeit

Landsmannschaftliche Arbeit

BUND JUNGES OSTPREUSSEN

Vorsitzender: Marius Jungk, Gst.: Buchtstr. 4, 22087 Hamburg, Tel.: (040) 4140080, E-Post: kontakt@junge-ostpreussen.de, www.junge-ostpreu­ssen.de.

Montag, 8., bis Sonntag, 21. August: BJO-Sommerfahrt ins Memelland. Weitere Informationen: www.junge-ostpreussen.de/47-0-Aktivitaeten.html

Freitag, 30. September, bis Montag, 3. Oktober, Bad Honnef: BJO-Herbstseminar und BJO-Bundestreffen. Thema des Seminars:  „150 Jahre Deutscher Krieg – Preußen und Österreich in Geschichte und Gegenwart“. Weitere Informationen finden Sie unter: www.facebook.com/events/ 1032910313418878/ 2

Donnerstag, 24., bis Sonntag, 27. November: Adventstreffen im ostpreußischen Osterode. Informationen: www.junge-ostpreus-sen.de/47-0-Aktivitaeten.html

Donnerstag, 29. Dezember, bis Dienstag, 3. Januar: Silvesterfahrt nach Ostpreußen: Informationen: www.junge-ostpreussen.de/47-0-Aktivitaeten.html

 

BADEN-WÜRTTEMBERG

Vors.: Uta Lüttich, Feuerbacher Weg 108, 70192 Stuttgart, Telefon und Fax (0711) 854093, Geschäftsstelle: Haus der Heimat, Schloßstraße 92, 70176 Stuttgart, Tel. und Fax (0711) 6336980.

Landesgruppe – Freitag, 5. August, 17 Uhr, Gedenkplatte auf dem Schloßplatz in Stuttgart: Wir begehen die Chartafeier. Alle Landsmannschaften und Heimatgruppen sind herzlich eingeladen zu der Veranstaltung. Um zahlreiches Erscheinen bei dieser wichtigen Feierstunde wird gebeten.

Ulm/Neu Ulm – Sonnabend, 13. August: Gemeinsames Treffen der Gruppe. Weitere Informationen erteilt Hans-Jürgen Jahnke, Telefon (0731) 57219.

 

BAYERN

Vorsitzender: Friedrich-Wilhelm Böld, Telefon (0821) 517826, Fax (0821) 3451425, Heilig-Grab-Gasse 3, 86150 Augsburg, E-Mail: info@low-bayern.de, Internet: www. low-bayern.de.

Hof – Trotz schönstem Sommerwetter fanden sich viele Mitglieder und Gäste zum monatlichen Treffen der Kreisgruppe ein. Der erste Vorsitzende Christian Joachim war darüber sehr erfreut und begrüßte alle Anwesenden herzlich. Mit den besten Wünschen gratulierte er den „Geburtstagskindern“ unter den Kreisgruppenmitgliedern. Nach dem gemeinsam gesungenen Ostpreußenlied hielt er dann nochmals Rückblick auf die erlebnisreiche Fahrt der Volkstanz- und Jugendgruppe Hof-Rehau zu Ostern. Sie traf sich mit der Volkstanzgruppe Saga aus Bartenstein in Heilsberg.

Erlebnisreich war auch der Besuch der Gruppe aus Ansbach/Altmühltal. Gemeinsame wurde die Ausstellung Flüchtlinge und Vertriebene im Hofer Museum besucht. Außerdem ging es zum Deutsch-Deutschen Museum in Mödlareuth. Es konnten enge Kontakte geknüpft werden. Gleichzeitig weilte eine sechsköpfige Delegation mit Landrat Marek Polanski im Landkreis Hof. Es ist die inzwischen siebenjährige Partnerschaft zwischen dem polnischen Landkreis Ilawa und dem Landkreis Hof. Landrat Oliver Bär hatte Christian Joachim in diesen Besuch mit eingebunden.

Langanhaltender Beifall war der Dank für diese interessanten Mitteilungen. Angedacht ist zudem ein gemeinsame Reise nach Ostpreußen: „Helfen Sie mit, vielleicht gelingt es uns doch noch bei einer gemeinsamen Fahrt mit Großeltern, Kindern, Enkeln und Urenkeln unsere angestammte Heimat gemeinsam zu erfahren. Ich wäre dabei! Sie auch?“, erklärte Christian Joachim.

Mit gemeinsam gesungenen Liedern und einer heiteren Geschichte von Siegfried Lenz, ging dieser harmonische Nachmittag vorüber. „Bleiben Sie gesund, verleben Sie erholsame oder erlebnisreiche Ferien“, rief der Vorsitzende allen zu.               Die nächsten Termine in Hof:

Sonnabend, 10. September: 15 Uhr: Monatszusammenkunft.

Sonnabend, 1. Oktober, 10.30 Uhr Jugendzentrum „Q“: Tag der Heimat.

Sonnabend 8. Oktober, 15 Uhr: Erntedank

                Renate Pfaff, Schriftführerin

Landshut – Dienstag, 16. August, 14 Uhr, Gasthof „Zur Insel“, Badstraße 16: Zusammenkunft.

 

BERLIN

Vorsitzender: Rüdiger Jakesch, Geschäftsstelle: Forckenbeck-straße 1, 14199, Berlin, Telefon (030) 2547345, E-Mail: info@bdv-bln.de, Internet: www.ostpreussen-berlin.de. Geschäftszeit: Donnerstag von 14 Uhr bis 16 Uhr Außerhalb der Geschäftszeit: Marianne Becker, Telefon (030) 7712354.

Bartenstein – Anfragen zu gemeinsamen Treffen bei Elfi Fortange, Telefon (030) 4944404, 

Königsberg – Freitag, 12. August, 14 Uhr, Johann-Georg-Stuben, Johann Georg Straße 10, 10709 Berlin-Halensee. Anfragen: Elfi Fortange, Telefon (030) 494 44 04

 

HAMBURG

Erster Vorsitzender: Hartmut Klingbeutel, Haus der Heimat, Teilfeld 8, 20459 Hamburg, Tel.: (040) 444993, Mobiltelefon (0170) 3102815. 2. Vorsitzender: Manfred Samel, Friedrich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg, Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

Landesgruppe – Sonnabend, 13. August, 10.30 bis 18.30 Uhr, Schützenhaus Winsen (Luhe), Luhdorfer Str. 29c, 21423 Winsen (Luhe): Ostpreußentreffen. Informationen zum Programm siehe unter Kreisgemeinschaft Schloßberg, Seite 18. Weitere Auskunft unter Telefon (04171) 73118.

KREISGRUPPEN

Insterburg, Sensburg – Die Heimatkreisgruppe trifft sich jeden ersten Mittwoch im Monat (außer im Januar und im Juli) zum Singen und einem kulturellem Programm um 12 Uhr, Hotel Zum Zeppelin, Frohmestraße 123–125. Kontakt: Manfred Samel, Friedrich-Ebert-Straße 69b, 22459 Hamburg. Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

 

HESSEN

Vorsitzender: Ulrich Bonk, Stellvertretender Vorsitzender: Gerhard Schröder, Engelmühlenweg 3, 64367 Mühltal, Telefon (06151) 148788

Wiesbaden – In stimmungsvollen Filmaufnahmen breitete sich die Kurische Nehrung vor den Augen der Besucher des Monatstreffens aus. Beeindruckend die einzigartigen hohen Sanddünen im Wechsel der Tageszeit und der Anblick der Elche, denen Dieter Schetat Zeilen aus „Abends treten Elche aus den Dünen“ von Heinrich Eichen widmete. Auch nachgebaute Kurenkähne kreuzen wieder auf dem Haff. In der Nehrungsmitte liegt das Dorf Nidden mit seinen oft doppelgiebeligen Fischerhäusern und blauen Fensterläden. Hinter den Baumgipfeln ragt die Backsteinkirche aus dem Jahre 1888 hervor mit dem angrenzenden Friedhof und seinen eigenwillig geformten Grabtafeln.

Der Film mit seinen eindrucksvollen Aufnahmen ließ ein Gefühl für die Schönheit des Landstreifens zwischen Haff und Ostsee entstehen, der bis zum heutigen Tag zauberhaft ist. So ist nicht verwunderlich, dass der Nobelpreisträger Thomas Mann in den 30er Jahren hier sein Haus baute und der große Gelehrte Wilhelm von Humboldt das Bild dieser merkwürdigen Landschaft „in seiner Seele nicht missen wollte“.

Im mittleren Ortsteil Niddens (Skursdin), befand sich das Gasthaus von Hermann Blode. Dort mieteten sich bereits um die Jahrhundertwende Lehrer und Schüler der Königsberger Kunstakademie ein. Mit Ankunft der Maler Ernst Bischoff-Culm und Hans Borschke um 1904 wurde das Haus Blode Keimzelle einer ostdeutschen Kunstepoche und als „Künstlerkolonie Nidden“ zum Anziehungspunkt für Künstler aller Sezessionsgruppen.

Unter ihnen waren weltbekannte Maler wie Lovis Corinth, Max Pechstein, Eduard Bischoff, Hans Kallmeyer, Ernst Bischoff-Culm, und Ernst Mollenhauer, die sich bei Blode, in der sogenannten „Künstler-Ecke“ trafen. Später entstand um das Künstlerzimmer herum die langgestreckte Veranda am Haff mit Aussicht auf die weite Wasserfläche. Bis 1945 diente der Gasthof vielen Malern, Schriftstellern, Musikern und Schauspielern als Treffpunkt und Herberge.

In nachgestellten Spielszenen und mittels alter Dokumente und Kunstwerke zeigte der Film, wie die Maler seinerzeit in Nidden lebten und arbeiteten und gab so den Zuschauern Einblick in das Schaffen der Künstlerkolonie. Das Ende des Krieges bedeutete auch das Ende des Hauses Blode. Maja Mollenhauer, die Tochter des Malers Ernst Mollenhauer, berichtet, dass im Januar und Februar 1945 fast alle Bilder durch russische Truppen zerstört oder verschleppt wurden und später der Abriss der Veranda folgte. Die Künstlerkolonie hörte auf zu existieren. Bedauerlich auch der Verlust der damaligen Gästebücher.

Seit 1991 zieht es wieder Kunstbegeisterte nach Nidden um dort zu malen und zu zeichnen, unter ihnen litauische Künstler, die den Ort nach der Unabhängigkeit ihres Landes verstärkt besuchen. Ein Teil der Künstler hat sich mit ständigem Wohnsitz dort niedergelassen. Inzwischen ist sogar ein Zentrum mit Arbeits- und Ausstellungsgebäude entstanden.#

 

MECKLENBURG-VORPOMMERN

Vorsitzender: Manfred F. Schukat, Hirtenstraße 7 a, 17389 Anklam, Telefon (03971) 245688.

Parchim – An jedem dritten Donnerstag, 14.30 Uhr, Café Würfel, Scharnhorststraße 2: Treffen der Kreisgruppe. Gemütlicher Nachmittag, um über Erinnerungen zu sprechen, zu singen und zu lachen. Weitere Informationen: Charlotte Meyer, Kleine Kemenadenstraße 4, 19370 Parchim, Telefon (03871) 213545

 

NIEDERSACHSEN

Vorsitzende: Dr. Barbara Loeffke, Alter Hessenweg 13, 21335 Lüneburg, Telefon (04131) 42684. Schriftführer und Schatzmeister: Gerhard Schulz, Bahnhofstraße 30b, 31275 Lehrte, Telefon (05132) 4920. Bezirksgruppe Lüneburg: Manfred Kirrinnis, Wittinger Straße 122, 29223 Celle, Telefon (05141) 931770. Bezirksgruppe Braunschweig: Fritz Folger, Sommerlust 26, 38118 Braunschweig, Telefon (0531) 2 509377. Bezirksgruppe Weser-Ems: Otto v. Below, Neuen Kamp 22, 49584 Fürstenau, Telefon (05901) 2968.

Landesgruppe – Am Sonnabend, 12. August lädt die Landesgruppe Niedersachsen zum Ostpreußentreffen nach Winsen (Luhe). Veranstaltet wird das Ereignis gemeinsam mit der Landesgruppe Hamburg sowie den Kreisgemeinschaften Ebenrode und Schlossberg. Das Programm finden Sie auf Seite 18 unter Kreisgemeinschaft Schlossberg.

Rinteln – Donnerstag, 11. August, 15 Uhr, Hotel Stadt Kassel, Klosterstraße 42, 31737 Rinteln: Beim Monatstreffen der Gruppe wird der im  Kreis Stallupönen / Ebenrode geborene Werner Gitt, emeritierter Professor und ehemaliger Direktor an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig, unter anderem über seine Kindheit in Ostpreußen und die Flucht berichten. Interessierte Gäste aus Nah und  fern sind zusammen mit ihren Angehörigen, Freunden und Bekannten ebenfalls herzlich willkommen. – Auskünfte und Informationen zur landsmannschaftlichen Arbeit der Gruppe gibt es beim Vorsitzenden Joachim Rebuschat unter Telefon (05751) 53 86 oder über: rebuschat@web.de

 

NORDRHEIN-WESTFALEN

Vorsitzender: Jürgen Zauner, Geschäftsstelle: Buchenring 21, 59929 Brilon, Tel. (02964) 1037, Fax (02964) 945459, E-Mail: Geschaeft@Ostpreussen-NRW.de, Internet: www.Ostpreussen-NRW.de

Bad Godesberg – Jeweils am ersten Mittwoch des Monats, 15 Uhr, Erkerzimmer, Stadthalle: Treffen der Frauengruppe. – Jeweils am dritten Mittwoch des Monats, 15 Uhr, Erkerzimmer: Stammtisch. Gäste sind herzlich willkommen.

Dortmund – Mittwoch, 13. August, 14.30 Uhr, Gemeindehaus der Katholischen St. Franziskus Gemeinde, Franziskaner Straße 3, 44143 Dortmund: Die Kreisgruppe Dortmund wird auch in diesem Jahr den Tag der Heimat im Wesentlichen gestalten und prägen. Sie lädt alle Mitglieder und Gäste herzlichst zu einem gemeinsamen besinnlichen Nachmittag in Eintracht und im Gedenken an die ostdeutsche Heimat ein. Die Gedenkveranstaltung startet ab 14.30 Uhr mit einem gemütlichen Kaffee-und Kuchenessen. Der offizielle Beginn ist ab 15.30 Uhr. Der Veranstaltungsort ist gut über Bus und Bahn erreichbar. Vor dem Gemeindehaus hält die U-Bahn 43 (Haltestelle Funkenburg). Zudem halten dort die Buslinien 452 und 456 (Haltestelle Funkenburg). –  Montag, 15. August, 14.30 Uhr, Heimatstube, Langrafenschule (Eingang Märkische Straße): Treffen der ostpreußen.

Düsseldorf – Jeden Mittwoch, 18.30 Uhr, Eichendorffsaal, Gerhart-Hauptmann-Haus (GHH), Bismarckstraße 90: Probe der Düsseldorfer Chorgemeinschaft Ostpreußen-Westpreußen-Sudetenland unter der Leitung von Radostina Hristova.

Gütersloh – Der Ostpreußischer Singkreis trifft sich in unregelmäßigen Abständen montags von 15 bis 17 Uhr in der Elly-Heuss-Knapp-Realschule, Moltkestraße 13. Neue „Drosseln“ sind immer willkommen. Kontakt: Renate Thamm, Telefon (05241) 40422.

Witten – Montag, 15. August, 15 Uhr, Versammlungsraum, Evangelisch-Lutherische Kreuzgemeinde Witten, Lutherstraße 6 bis 10: Berichte über Reisen nach Ost- und Westpreußen.

Wuppertal – Sonnabend, 6. August, 14 Uhr, Kolkmannhaus, Hofaue 51, Wuppertal-Eberfeld: Treffebn der Ostpreußenrunde. Die sonst am zweiten Sonnabend im Monat stattfindende Runde wurde um eine Woche vorverlegt. Die Septemberrunde fällt aus, weil am 11. September der Tag der Heimat begangen wird (Beginn ist um 14 Uhr. Veranstaltungsort: JohannGregor-Breuer-Saal, Auer Schulstraße 9, 42103 Wuppertal). 

 

SACHSEN-ANHALT

Vors.: Michael Gründling, Große Bauhausstraße 1, 06108 Halle,  Telefon privat (0345) 2080680.

Magdeburg – Dienstag, 9. August, 13 Uhr, Immermannstraße: Treffen der Stickerchen. 

 

SCHLESWIG-HOLSTEIN

Vors.: Edmund Ferner, Julius-Wichmann-Weg 19, 23769 Burg auf Fehmarn, Telefon (04371) 8888939, E-Mail: birgit@kreil.info

Bad Oldesloe – Thema der Juli-Runde der Ost- und Westpreußen war „Der Oberländische Kanal  Geschichte und Gegenwart“. Schon im 14. Jahrhundert hatten die Saalfelder einen Kanal zum Geserichsee angelegt, der sie mit Deutsch Eylau verbinden sollte. 1825 kam von den Landständen die Idee, die Oberländischen Seen über den Drausensee durch einen Kanal mit Elbing zu verbinden. So entstand eine 195 Kilometer lange Wasserstraße, die dem Transport von Gütern diente: Steinkohle, Gips, Eisen, Baumaterial ins Landinnere. Auf der Talfahrt nach Elbing: Holz, Getreide und Feldfrüchte. Schon 1893 wurde der Kanal durch den Bau der Eisenbahnstrecke Elbing– Osterode für den Güterverkehr unrentabel. Danach – und bis heute – wurde er zu einem beliebten Ausflugsziel. Ein besondere Sehenswürdigkeit sind die Strecken in denen die Schiffe mit Wasserkraft auf Schienen über Wiesen gezogen werden – ein Beispiel für Preußische Ingenieurskunst, die auch nach rund 150 Jahren noch reibungslos funktioniert.

Weitere Ausführungen dazu machte Katharina Makarowski mit Text und Bildern aus „Ostpreußen – unvergleichliche Eigenarten“ von Dietrich Weldt. In der Aussprache wurden eigene Kenntnisse und Erlebnisse erzählt. Der Oberländische Kanal ist nach wie vor Anziehungspunkt für Gäste aus dem In- und Ausland. Geburtstagskinder des Monats waren Hildegard Neppessen, Karla Baltrusch und Ulrich Klemens.           Gisela Brauer

Bad Schwartau –  Donnerstag, 18. August, AWO-Begegnungsstätte, Auguststraße 34a, 23611 Bad Schwartau: Monatstreffen mit Gert Kayser. Der „Stadtjäger“ erzählt von seinen Erlebnissen. Weitere Informationen: Regina Gronau, Telefon (0451) 267069.

Flensburg – Sonnabend, 6. August, 11. Uhr Kirche St. Nikolai: Orgelkonzert zur Marktzeit anschließend gemeinsames Mittagessen im Restaurant Borgerforenigen.

Neumünster – Mittwoch, 10. August, 13.30 Uhr: Stadtrundfahrt im Bus mit der Stadtführerin Rita Peglow. Abfahrt ist um 13.30 Uhr hinter dem Finanzamt, Kaffee trinken dann um 15.30 Uhr in der Stadthalle am Kleinflecken. Anmelden bitte bis zum 3. August unter Telefon (04321) 82314.


S. 20 Heimatarbeit

»In voller Fahrt und mit prallen Segeln«
500 Jahre Reformation werden 2017 gefeiert. Ein wichtiger Punkt: Den Durchbruch erlebte Martin Luthers Lehre in Preußen

Seht das Wunder: In voller Fahrt und mit prallen Segeln eilt das Evangelium nach Preußen!“

Geradezu begeistert kommentierte Martin Luther im April des Jahres 1525 die jüngste Entwick-lung: Nicht nur hielt die reformatorische Predigt erfolgreich in den Kirchen des Ordenslandes Einzug, auch der Landesherr, wechselte die Konfession. Nachdem Albrecht von Brandenburg-Ansbach in Krakau Preußen als erbliches Lehen vom polnischen König Sigismund I. übernommen hatte, kehrte er als evangelischer Herzog eines weltlichen Territoriums in das Land zurück, dass er als Hochmeister des Deutschen Ordens und damit als Oberhaupt eines geistlichen Territoriums verlassen hatte.

Vorgeschichte, Begleitumstände und Folgen der Ereignisse von 1525 vermittelte jüngst in Göttingen der Historiker Udo Arnold (76) seinen gespannt lauschenden Zuhörern. Sein Vortrag fand im Rahmen einer Begegnungstagung statt, die von der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Bonn, und dem Collegium Albertinum, Göttingen, ausgerichtet wurde und die der Lage der deutschen Volksgruppe in Polen und dem nördlichen Ostpreußen gewidmet war (siehe PAZ Nummer 28, Seite 20).

 Die Einladung von Arnold, Professor an der Universität Bonn und Experte ersten Ranges für die Geschichte des Preußenlandes, erfolgte bereits im Hinblick auf das 2017 anstehende 500-jährige Reformationsjubiläum: Bei diesem dürfe, so Hans-Günther Parplies, Ehrenvorsitzender der Kulturstiftung, nicht unterschlagen werden, dass der politische Durchbruch für die Reformation in Deutschland in Preußen erfolgte.

Die Entwicklung von einer korporativen zu einer personalen Herrschaftsform, wie sie dem Geist der Renaissance entsprach, hatte im Ordensstaat bereits lange vor der Wahl des jungen Markgrafen Albrecht von Brandenburg-Ansbach zum Hochmeister im Jahre 1511 eingesetzt. Anlass war die durch innere und äußere Probleme verursachte Schwäche. Zu nennen ist hier insbesondere der Zweite Thorner Frieden von 1466, bei dem der Orden seiner westlichen Landesteile an die Krone Polen verlor. Schon 1497 versuchte man der eigenen Schwäche durch die Wahl eines Ordensfremden zum Hochmeister zu begegnen.

Von dem Reichsfürsten Herzog Friedrich von Sachsen-Meißen erhoffte man sich einen stärkeren Rückhalt im Reich. Friedrich leitete bereits eine Reform der Ordensverwaltung ein, so dass am herzoglichen Hof zu Königsberg bald nicht mehr die Ordensstatuten galten, vielmehr eine moderne Hofordnung. Albrecht, ein Neffe des polnischen Königs Sigismund I., gleichfalls bei seiner Wahl kein Ordensritter, setzte die begonnene Entwicklung fort. Er zentralisierte die Verwaltung des Ordensbesitzes und entledigte sich nach und nach der Ordensgebietiger, also des innersten Rates des Ordens, so dass die Ausbildung eines frühneuzeitlichen, auf das Oberhaupt fokussierten Staates weitgehend vollzogen wurde.

Weiterhin ging es um eine Revision des Zweiten Thorner Friedens, diesmal mit Gewalt. Im sogenannten „Reiterkrieg“ ab 1519 setzten der Orden und die Krone Polen auf Verwüstungszüge, bevor man 1521 einen Waffenstillstand auf vier Jahre vereinbarte, in denen eine Lösung gefunden werden sollte. Albrecht suchte in dieser Zeit Verbündete im Reich für eine militärische Unterstützung zu gewinnen, gegebenenfalls von Seiten der Fürsten, die ebenso wie er selbst der neuen Lehre Martin Luthers zuneigten. Dies gelang indes nicht, so dass eingedenk der militärischen Schwäche eine Unterwerfung unter den polnischen König als letztlich unabwendbar erschien. Albrecht nahm in dieser Zeit auch Kontakt zu Luther auf, um sich hinsichtlich einer Erneuerung der Ordensregel von ihm beraten zu lassen. Auch wenn dessen 1523 verfasste Ermahnung „An die herren Deutschs Ordens“, eigene Familien zu gründen und den Ordensbesitz erblich zu verwalten, den Interessen Albrechts entgegenstand, so folgten doch zwei persönliche Begegnungen mit Luther, bei denen sich Albrecht den Weg weisen ließ: Die Unterwerfung musste verbunden sein mit der Säkularisation und Privatisierung des Ordensbesitzes. Es galt, den Orden aufzulösen und Preußen in ein weltliches Fürstentum umzuwandeln. Wesentlicher Wi-derstand war von zwei wichtigen Seiten nicht zu erwarten. Das Reich war durch den Konfessionsstreit geschwächt. Die beiden anderen Ordenszweige betrieben in Livland und im Reich eine eigene Territorialpolitik und wurden von Albrecht geschickt über seine Pläne im Unklaren gelassen.

Der Akt von Krakau 1525 war letztlich nur noch der Vollzug der längst eingeleiteten Entwicklung: Der Orden hatte im Ordensland ausgespielt. Nicht ein Hochmeister, sondern ein Fürst wurde belehnt. Dass Albrechts Brüder aus dem Hause Hohenzollern mitbelehnt wurden,  macht den dynastischen Aspekt des Aktes deutlich. 1701 ermöglichte er es schließlich, dass sich der brandenburgische Kurfürst in Königsberg die Krone eines Königs von Preußen aufsetzte – weitreichendere Folgen natürlich als Herzog Albrecht sie sich jemals hätte träumen lassen.

Es stellt sich bei Albrecht, dem eine tiefe Gläubigkeit in keiner Weise abzusprechen ist, die Frage nach dem Verhältnis von religiöser und politischer Motivation. Nahm er den Bruch mit Papst, Reich und Orden sowie die Schutzherrschaft der Krone Polen hin, um die neue Lehre zu befördern, oder setzte er den religiösen Legitimationscharakter der Reformation ein, um in Preußen als weltlicher Territorialfürst regieren zu können, auch um den Preis der Unterwerfung unter die Krone Polen.

Es ist, so Professor Arnold, auch persönlich bedingt, welcher Interpretation man zuneigt. Er selbst sieht einen Vorrang der politischen Motivation. Sicher erscheint indes, dass nach 1525 das religiöse Element mehr und mehr zur tragenden Säule der Verteidigung Albrechts gegen den Vorwurf des Rechtsbruchs werden sollte.

Seit 1525, als die lutherische Lehre Grundlage des landesherrlichen Regiments wurde, war das vormalige Ordensland Preußen jedenfalls ein protestantischer Staat – der erste in Europa, noch vor Hessen, Sachsen oder Württemberg. Es war dies eine spannende Zeit, in der sich viel entschied. Für Ostpreußen stellt sie gewiss den tiefsten Einschnitt in der Landesgeschichte bis 1945 dar. Es war dies eine Zeit, in der die Entwicklung im Preußenland geschichtsmächtig wurde für die deutsche und die europäische Geschichte insgesamt.

                Ernst Gierlich


S. 21 Reise

Wo Russland beginnt
Eine Reise durch den Petschory-Bezirk führt durch die »Wiege der russischen Geschichte«

„Russland beginnt hier“ – mit diesem Spruch versucht das Fremdenverkehrsamt Pskow, das Interesse der Touristen zu wecken. Der Slogan ist doppelt gemeint. Zum einen grenzt das Pskow-Gebiet gleich an drei Staaten: Weißrussland, Lettland und Estland. Für viele Reisende aus der EU beginnt die Bekanntschaft mit Russland tatsächlich hier. Zum anderen wird damit auf die geschichtliche Bedeutung der Region als die „Wiege der russischen Geschichte“ hingewiesen.

Viele Jahrhunderte lang war der Petschory-Bezirk ein Grenzland Russlands und gehörte zum Pskow-Gebiet. Nach dem sogenannten Großen Nordischen Krieg (1700-1721) wurde das heutige Territorium Estlands dem russischen Zarenreich einverleibt. Nach der Oktoberrevolution 1917 und dem Zerfall des Zarenreiches wurde der Petschory-Bezirk der neugegründeten Estnischen Republik einverleibt. Im August 1940 wurde Estland genauso wie Lettland und Litauen von der Sowjetunion erobert und einverleibt. Im Januar 1945 wurden der Petschory-Bezirk und einige weitere hauptsächlich von den Russen bewohnte Landstriche von Estland getrennt. So kehrte der Petschory-Bezirk zum Pskow-Gebiet zurück, was der Situation im untergegangenen Zarenreich entsprach.

Ein Geländewagen ist im Leben von Elena Wariksoo kein Luxusartikel, sondern die einzige Möglichkeit, ihren Arbeitsplatz sicher zu erreichen. Die 22-jährige Frau ist Museumsführerin im „Museum der Setukesen“ im Dorf Sigowo (estnisch: Radaja) im Petschory-Bezirk des Pskow-Gebietes. Sigowo ist 14 Kilometer von der Siedlung Isborsk entfernt. Archäologische Befunde zeigen, dass schon im 10. Jahrhundert Isborsk eine entwickelte mittelalterliche Stadt war, die Handelsbeziehungen mit Byzanz und europäischen Staaten unterhielt. 1330 wurde die Festung gebaut, die bis zum Ende des 17. Jahrhunderts mehrere Umbauten erlebte und heute zu den besterhaltenen Festungsanlagen Russlands gehört. Heutzutage leben in Isborsk etwa 700 Personen. 300000 Besucher kommen jährlich hierher. Im Sommer werden hier regelmäßig Ritterturniere veranstaltet. Das ganze Jahr über gibt es Folklorefeste, Handwerkermessen, Konzerte und vieles mehr. In der Dorfmitte entstand ein Museumsviertel. In vier restaurierten Häusern sind archäologische, ethnologische und Kunst­ausstellungen zu sehen.

Die Festung hat sechs Türme, von denen einer bestiegen werden darf. Von oben eröffnet sich ein weiter Blick auf einen See, Felder, Wiesen und Wälder. Innerhalb der Festung befindet sich die schlichte aber eindrucksvolle Nikolaus-Kathedrale, die 1349 errichtet wurde. In Isborsk kann es auch mal hektisch werden. Anders verhält es sich mit dem Ausflug ins Dorf Sigowo. Hierher führt keine befestigte Straße, sondern eine schlampige Piste, die oft für einen Normal-Pkw unpassierbar sein kann. Es ist wohl verständlich, dass unter diesen Bedingungen nur knapp 2000 Besucher pro Jahr den Weg ins „Museum der Setukesen“ finden. Offiziell sind in Sigowo gerade einmal elf Personen registriert. Tatsächlich wohnen hier aber nur zwei ältere Personen ständig. Dementsprechend herrscht in dem fast verlassenen Dorf eine absolute Ruhe.

Das Territorium des Petschory-Bezirks, der an Estland und Lettland grenzt, umfasst 1251 Quadratkilometer. Hier wohnen zurzeit 22000 Menschen. In dieser Gegend lebten und leben Russen und Esten neben- und miteinander, wobei die russische Bevölkerung seit Jahrhunderten in der Mehrheit ist. Bis zum Zerfall der Sowjetunion wohnten hier mehr als 2000 Esten. Heutzutage sind es etwa 500 Personen, von denen 200 zur estnischen Volksgruppe der Setukesen (Seto) gehören. Die Setukesen sprechen einen südestnischen Dialekt. Im Gegensatz zur Mehrheit des estnischen Volkes, das dem evangelisch-lutherischen Glauben angehört, bekennen sich die Setukesen zur russisch-orthodoxen Kirche. Auch hat ihr Dialekt mehr Wörter slawischen Ursprungs als das Standard-Estnische.

Die drastische Abnahme der estnischen Minderheit im Petschory-Bezirk im letzten Vierteljahrhundert hat vor allem wirtschaftliche Gründe. In der benachbarten Estnischen Republik, die zur EU gehört, erhoffen die Menschen bessere Lebensperspektiven für sich.

Das „Museum der Setukesen“ ist eine Filiale des Museums Isborsk. Das Bauernhaus, welches das Museum beherbergt, wurde 1899 gebaut. 100 Jahre später verkaufte ein alleinstehender estnischer Landwirt, der aus Altersgründen den Hof nicht führen konnte, das Gelände an den russischen Staat, damit hier ein neues Museum entstehen konnte.

„Das Museum zeigt das Bauernleben der Setukesen im russisch-estnischen Grenzland“, erzählt Elena Wariksoo. Zu den wertvollsten Ausstellungsstücken gehören die festlichen Trachten sowie der Silberschmuck der setukesischen Frauen. Bis heute tragen sie zu feierlichen Anlässen große, schwere Broschen aus Silber und Halsketten mit vielen Silbermünzen. Diese Schmuckstücke sind nicht nur schön anzusehen, sie klingen und klirren fast wie ein Glockenspiel bei jeder Bewegung. Das Museum verstehe sich „als ein Kulturzentrum der Setukesen und aller Esten im Petschory-Bezirk“. Im August wird jährlich das große setukesische Folklorefest „Setomaa. Perridõ kokkotulõk“ (Familientreffen der Setukesen) veranstaltet.

                Ilja Brustein


Die unbekannte Schöne
Menorca tritt aus dem Schatten der großen Schwester Mallorca und ist auf dem Weg zum neuen Trendziel

Gibt es hier noch mehr dieser extraordinär schönen Strände?“, will die Pariserin mit dem Chihuahua an der Leine wissen. Noch einmal fängt die Dame mit dem lässigen Strohhut die Szene am Strand von Cala Mitjana durch ihre großen Sonnenbrillengläser ein und macht sich auf zum Parkplatz, wo ihr kleiner Fiat-Flitzer schon auf sie wartet.

Sie ist nicht die Einzige, die dem Charme Menorcas verfällt. Die Franzosen entdecken gerade die kleine Schwester Mallorcas, seit es eine direkte Flugverbindung von Paris aus gibt. „Die Insel ist voll von ihnen. Sie nennen Menorca ‚Le Spot’! Aber es sind nicht nur die, die jetzt plötzlich kommen“, wundert sich Alvin, der vor über zehn Jahren auf den Balearen landete und jetzt Touristen aus ganz Europa über das Eiland führt. Der groß gewachsene Belgier, mit einer Einheimischen verheiratet, fällt mit seinen rötlich blonden Haaren im Gewusel des alten Fischmarktes – des Mercado de pascados – in Mahón auf. Seit sich der Markt immer sonnabends in zwei Bereiche teilt, treffen sich Menorquiner und Touristen zum Brunch in dem runden gusseisernen Ensemble von 1927. Auf der einen Seite liegen Fische auf Eis, auf der anderen Seite klingeln die Eiswürfel im Cocktailglas. An den Ständen drängen sich die Leute um Tapas und Longdrinks, Wein und Bier. Dazu spielt eine Liveband im Innenhof. Ziemlich gute Stimmung hier. Alvin ist begeistert: „Früher war die Stadt eher etwas verschlafen!“

Das hat sich grundlegend geändert. Zwar ist Mahón im Gegensatz zu Palma de Mallorca ein gutes Stück kleiner, ruhiger, beschaulicher. Aber seit auch auf Menorca eine neue, junge Generation am Start ist, spürt man eine frische Brise durch die Gassen wehen. Überall wird renoviert, angebaut, aufgestockt. In den alten Haushaltswarenladen der Inselhauptstadt ist gerade eine schicke Modeboutique gezogen. Die betagte Tapasbar hat sich in eine „designte In-Location“ verwandelt. Und den Tischen, Stühlen und Sonnenschirmen vieler Cafés sieht man an, dass sie erst die erste oder zweite Saison hinter sich haben. Mahón will etwas abbekommen vom schillernden Glanz, der die Altstadt von Palma auf der Nachbarinsel in den letzten zehn Jahren zum Strahlen gebracht hat.

„Aber noch sind wir nicht so weit“, sagt Anja Sánchez-Rodrigo Wickers, die deutsch-spanische Besitzerin des bilderbuchschönen neuen Boutique-Hotels „Ses Bruixes“ in der Altstadt von Mahón. Erst vorletztes Jahr hat sie zusammen mit ihrem menorquinischen Mann das Altstadthaus mit zauberhaftem Innenhof nach kompletter Renovierung eröffnet. Vom Stand weg füllte es sich mit internationalen Gästen. Stadtbekannt ist es für den sonntäglichen Brunch in mehreren Gängen.

Ob in Mahón oder Ciutadella auf der anderen Seite von Menorca – überall wird kräftig an den Fassaden gearbeitet. Dass man hier auf andere Touristen wartet als früher, sieht man an den Schaufenstern der Boutiquen genauso wie in den Bars, Clubs und Restaurants unten am Hafen. Neues Design, eine moderne Küche, Mode-Drinks. Sogar die Loungemusik hat sich auf ein junges, hippes Klientel eingestellt. Und das kommt. Seit Jahren sind es pro Saison drei Prozent mehr. Die spanische Billigfluglinie Vueling verbindet die Baleareninsel mit immer weiteren europäischen Zielen.

Aber auch auf dem Land tut sich was. Da putzen sich die für die Insel so berühmten traditionellen Schumacher heraus und beweisen Modeinstinkt. Die Avarcas, die für Menorca so typischen Ledersandalen, gibt es plötzlich in  den angesagten Farben der aktuellen Sommersaison. Auch einige der Landgüter setzen auf ein neues, schickes Image. David Casals von der Bodega Hort de Sant Patrici in Ferreries, ziemlich in der Mitte der Insel, empfängt seine Gäste im schwarzen Freizeitoutfit. Der Mitte-30-Jährige hat das Herrenhaus seiner Familie von außen nur mit Farbe aufgefrischt. Innen aber setzte er supermoderne Gästezimmer ganz in Weiß hinein. „Wollen Sie auch unsere Käserei sehen?“, fragt der dynamische Gastgeber und zeigt Käselaibe und Weinflaschen wie in einer überdimensionierten Schmuckvitrine.

Im Süden Menorcas gibt es ein weiteres Beispiel dafür, wie cool sich Weingüter heute aufstellen: Etwas versteckt hinter Sant Lluis geht von der Straße ein Weg zu den Bodegas Binifadet ab – ein junges Weingut, das seine Gäste mit einem Restaurant überrascht, das im Stil genauso gut in San Francisco hätte eröffnet werden können. Selbst die Weine, die zum Essen gereicht werden, sind ganz „modern style“.

Auf seinem Weg zum neuen Trendziel im Mittelmeer tut Menorca dennoch gut daran, sein Image als Naturinsel zu pflegen. Weite Teile der hügeligen Landschaft sind schon vor Jahren zum Naturschutzgebiet erklärt worden. Die Ferienhäuser, die sich im Grün verstecken, wechseln jetzt verstärkt die Besitzer. Die Finanzkrise hat auch hier zugeschlagen. Aber die felsgerahmten Buchten, die waldumsäumten Strände, die widerstehen jeder Krise und trotzen jeder Mode – ob nun Französinnen kommen oder nicht.

                Brigitte Jurczyk

Anreise zum Beispiel mit Vueling über Barcelona: www.vueling. com. Übernachten zum Beispiel im ardí de ses Bruixes Boutique Hotel in der Altstadt von Mahón: www.hotelsesbrui-xes.com. Oder Hort Sant Patrici, ein supermodern ausgebautes Hotel auf einem Weingut: www.santpatrici.com. Allgemeine Informationen: www.menorca.es. Die Reise wurde unterstützt von Tourspain und Vueling Airlines.


Der »Kopf vom Fisch« wird 150

Congratulations, Wellington“ heißt es am 26. Juli 2015: Neuseelands Metropole feiert ihren 150-jährigen Jahrestag als Hauptstadt, seit 1865 ist hier der Sitz des Parlaments. Wellington ist die südlichste Hauptstadt der Welt. Der erste Name der Siedlung war Te Upoko o te Ika a Maui, auf Deutsch „der Kopf von Mauis Fisch“. Nach einer Maori-Legende angelte der Polynesier Maui einen gigantischen Fisch, der sich an der Wasseroberfläche auf magische Weise zu einer Insel wandelte, der heutigen Nordinsel Neuseelands. Dank Sir Peter Jackson trägt die Stadt seit 2003 den Spitznamen „Wellywood“. Denn sie ist das Zentrum der neuseeländischen Filmindustrie und Sitz von Jack­sons Produktionsfirma auf der Miramar-Halbinsel. Zu den bekanntesten Filmen zählen die Trilogien „Herr der Ringe“ und „Der Hobbit“.

Das Meer ist fast immer zum Greifen nah. Beinahe jeder Einwohner Wellingtons lebt nur drei Kilometer von der Meeresküste entfernt. Wellington hat über 400 Bars und Cafés. Das sind im Vergleich pro Einwohner mehr als in New York. Hier gewinnen sogar öffentliche Toiletten Auszeichnungen. Die Kiwis bezeichnen sie aufgrund ihres Aussehens als „Lobster WCs“ – aber die Leser und Initiatoren der Website „Design Curial“ haben die stillen Örtchen nahe des quirligen Hafenviertels als drittbeste der Welt ausgezeichnet. Und schließlich ist das Old Government Building von 1876 das größte Holzgebäude der Südhalbkugel.             PAZ


S. 22 Neue Bücher

Mutiger Denkanstoß
Autor kritisiert Ökonomismus

Glück-wunsch jedem Autoren, der den Mut hat, den eigenen Verstand zu benutzen und den Finger in offensichtliche Wunden zu legen. Wenn ein Volkswirt die „Entmachtung der Ökonomen“ fordert, dann muss das seinen tieferen Grund haben. Dies, so Peter Ulrich in seinem Vorwort, brauche man nicht „als Diffamierung einer ganzen akademischen Profession“ zu verstehen. Worauf es in Wirklichkeit ankomme, sei die „Entmachtung des Ökonomismus“, des „Glaubens der ökonomischen Rationalität an nichts als sich selbst“.

Dieses Ziel geht der Autor zielstrebig an und fragt nach den tieferen Wurzeln der vielfältigen Krisen wie hohe „Staatsverschuldung, Eurokrise und Deflationsängste“. Je geringer die kritische Distanz zu ihrer Disziplin ist mit ihrer kindlichen Vorliebe für mathematische Modelle, desto „betriebsblinder“ fielen ihre Analysen aus.

Eine der größten Fehlleistungen sei die Tabuisierung des Zinses als mögliche Krisenursache. So lautet das erste Kapitel „Vorsicht Lehrökonomie! Von blinden Flecken und nutzlosen Modellen“. Niessen rekapituliert sein Studium. Die Lehrbücher seien „voll mit Modellen, Grafiken, und Rechnungen, die allesamt präzise, korrekt und logisch schlüssig sind“. Doch diese formalen Lehrbuchweisheiten seien „nutzlos“, weil sie mit der sozialen Wirklichkeit nicht hinreichend korrespondieren. Er erwähnt die „Klimamodelle“ nicht, die ebenfalls aus den gleichen Gründen nutzlos sind.

Im zweiten Kapitel behandelt er die „Wirtschaftswissenschaft als Herrschaftssystem“. Er prangert den naiven Wachstumsoptimismus an und die auf regenerative Ressourcen setzende Konsistenzstrategie. Aber: Aus Wind und Sonne könne man zwar Energie gewinnen, doch „aus Sonnenstrahlen oder bewegter Luft hat noch niemand ein stoffliches Produkt geformt“.

Doch dann verfällt der Autor allzu idealistischen Visionen, wenn er fragt, warum es in der „Altsteinzeit keine Arbeitslosigkeit“ gab und meint: „Rein theoretisch kann man sich eine kollektivistisch organisierte Ökonomie doch auch als freiheitlich-demokratisches Gebilde vorstellen.“ Mit dem Appell an die „Offenheit des Denkens“ fällt er in die „Marxsche Utopie“ zurück. Er fordert die „Regulierung von Sozialprodukt, Einkommensströmen und Bevölkerungszahl“ und aus Gründen von Natur- und Umweltschutz eine „regulierende Wirtschaftspolitik“ per Lizenzverfahren. Er fragt, „wie und wann sich die Menschheit jemals zu einer wirklich funktionierenden ,Global Governance‘, geschweige denn zu einem ,Global Government‘ durchringen wird“.

Schade, dass der Autor in einen Globalismus verfällt und vom „menschheitshistorischen Nutzen utopischen Denkens“ träumt und damit sein anfänglich rationales Plädoyer gegen den Ökonomismus zunichtemacht. Seine Flucht in „ein Engagement für das Utopische“ und seine Tendenz für eine alles regulierende Weltregierung sind eine Flucht aus der Realität in eine heile utopische Welt. Auch der kleine Mutmacher „Warum weniger mehr sein kann“ kann den Unmut nicht beseitigen. Dennoch ist das Buch als „Denkanstoß“, wenn auch nicht als „Rezept“, empfehlenswert.                 Wolfgang Thüne

Frank Niessen: „Entmachtet die Ökonomen! Warum die Politik neue Berater braucht“, Tectum- Sachbücher, Marburg 2016, broschiert, 184 Seiten, 17,95 Euro


Dem Terror entflohen
Wolfgang Bauer suchte Boko-Haram-Opfer in Nigeria auf

Mädchen in Nigeria werden wie die Opfer des IS im Nordirak und Syrien verschleppt, vergewaltigt, entehrt oder getötet. Als die Terrororganisation Boko Haram 276 Schülerinnen aus einem Internat des Dorfs Chibok entführte, wurde die Welt erst darauf aufmerksam, dass der islamische Terrorismus weite Teile Afrikas erreicht hat.

Das Schicksal der zahllosen Frauen, denen Ähnliches widerfährt, bleibt dagegen unbeachtet. Sie leben in Dörfern, die auf keiner Karte verzeichnet sind, verankert in jahrhundertealten Traditionen. Ein Teil bekennt sich zum Christentum, ein Teil zum Islam. Daneben existieren Naturvölker, die ihre eigenen Götter verehren. Bevor Boko Haram ihre Heimat überfiel, hatten sie in der Regel ein bescheidenes Auskommen.

Um den Frauen von Nigeria ein Gesicht und eine Stimme zu verleihen, reiste der „Zeit“-Reporter Wolfgang Bauer nach Nigeria und interviewte diejenigen, die den Mut hatten, mit einem Ausländer zu reden. Sie trafen sich unter sorgfältigen Sicherheitsvorkehrungen in den Räumen einer Kirchengemeinde, immer auf der Hut, dass die Terroristen sie nicht aufspürten oder jemand aus dem Dorf sie denunzierte. Zunächst begegneten die Frauen dem Reporter zurückhaltend und misstrauisch, doch der Wunsch, gegen ihre Peiniger auszusagen, überwog. Sie schilderten unvorstellbare Szenen: Die Islamisten gehen immer nach dem selben Schema vor. Sie dringen in ein Dorf ein, jagen alle aus ihren Häusern und versammeln die Menschen auf der Straße. Die Männer müssen sich niederknien. Wer sich nicht zum Islam bekennt und sich Boko Haram nicht anschließen will, wird vor den Augen der Frauen und Kinder enthauptet. Weil sie den Männern mit Säbeln die Köpfe von hinten nach vorne abtrennen, kann solch eine Massenexekution Stunden dauern. Die Frauen werden in einen Wald getrieben, wo sie zu Hunderten unter Bäumen schlafen müssen. Die der al-Kaida nahestehenden Boko-Haram-Kämpfer verheiraten die geraubten Mädchen in der Absicht, Nachwuchs für ihren Dschihad zu zeugen.

Gelingt es der staatlichen Miliz, ein Dorf zurückzuerobern, ergeht es den Frauen nicht viel besser. Bei den Kämpfen wird keine Rücksicht darauf genommen, ob sich Zivil-personen in den Häusern befinden. Die Miliz schießt einfach drauf los.

Wie genau Boko Haram organisiert ist und ob der als Anführer auftretende Abubakar Shekau überhaupt noch lebt, ist nicht sicher bekannt. Nigeria und das benachbarte Kamerun haben mehrfach berichtet, er sei bei Kämpfen getötet worden. Dennoch tauchen immer wieder Videobotschaften Shekaus auf, deren Echtheit jedoch angezweifelt wird.

Bauers Buch zeigt Schwarz-Weiß-Aufnahmen der befragten Frauen. Wenn es ihnen auch gelungen ist, vor Boko Haram zu fliehen, so gibt es für sie keine dochSicherheit. Auch werden sie nie die Möglichkeit haben, sich wie unzählige afrikanische Männer nach Europa abzusetzen. Sie verfügen gerade über das Notwendigste zum Leben und können vielleicht noch das Schulgeld für ihre Kinder aufbringen.               Manuela Rosenthal-Kappi

Wolfgang Bauer: „Die geraubten Mädchen. Boko Haram und der Terror im Herzen Afrikas“, Suhrkamp Verlag 2016, gebunden, 189 Seiten, 19,95 Euro


An den Außengrenzen Europas
Autoren reisten dorthin, wo Asylsuchende den Weg in den Wohlstand suchen

Es ist noch nicht lange her, dass man sich in Europa über fallende Grenzen freute. Die Länder sollten zu einer Gemeinschaft heranwachsen, nicht mehr getrennt durch Mauern und Kontrollen. Mit der steigenden Zahl von Asylsuchenden steht Europa vor einer Renaissance der Grenzbefestigungen. Einige europäische Staaten planen neue Zäune und Barrieren. Andere haben diese längst errichtet. Zäune in Ungarn, Bulgarien, Spanien und Griechenland sollen den Asylsuchendenstrom aufhalten. Doch die Realität zeigt, dass sich die Reisetrouten nur verschieben. Die Asylsucher wählen gefährlichere Wege und Schleuser nutzen die Not für sich aus.

2014 reisten der Journalist Dietmar Telser und der Fotograf Benjamin Stöß drei Monate entlang der Außengrenzen Europas. Was sie an den Routen von Bulgarien nach Griechenland, in der Türkei, Italien, Tunesien und Marokko erlebten, veröffentlichten sie in dem Buch „Der Zaun. Wo Europa an seine Grenzen stößt“.

Telser, Politikredakteur mit Schwerpunkt Asylpolitik und arabische Welt, ist seit 2005 für die „Rhein-Zeitung“, Koblenz, tätig. Er beschreibt im Vorwort, dass beide drei Monate nichts anderes machten, als mit den Menschen an Europas Außengrenzen zu sprechen. Sie hörten von den Hoffnungen und Träumen der Asylsuchenden und von der Verzweiflung der Helfer. Das Buch will keine Antworten geben oder Schuldige finden. Es bietet keine Lösungen, sondern nur einen Eindruck, wie sich das Leben für die Menschen an den Außengrenzen anfühlt. Basierend auf zahlreichen Interviews mit Asylsuchern, Ärzten, Helfern, Grenzpolizisten, Menschenrechtlern, Politikern und EU-Beamten, zeichnet der Autor ein facettenreiches Bild der Problematik. Benjamin Stöß’ beeindruckende Fotos berühren und unterstützen die Reportagen eindringlich. „Man kann in den Augen oder in den Gesichtern der Menschen lesen, welches Grauen sie wahrscheinlich auf dieser Flucht erlebt haben, und das sind Momente, die einem sicher sehr, sehr nahe gehen“, sagt der Autor. Die Verzweiflung der Menschen sei viel größer als jede Grenze, meint Telser.

Das Buch entstand aus der mehrfach preisgekrönten Multimedia-Dokumentation „Der Zaun“, die in Zusammenarbeit mit der „Süddeutschen Zeitung“ entstand. Dieses Projekt wurde 2015 in Brüssel mit dem „CIVIS“, Europas Medienpreis für Integration, und in Österreich mit dem „Prof.-Claus-Gatterer-Preis“ für sozial engagierten Journalismus ausgezeichnet.

                Silvia Friedrich

Dietmar Telser: „Der Zaun. Wo Europa an seine Grenzen stößt“, Styria Premium, Wien 2016, Hardcover, 176 Seiten, 24,90 Euro


Minderheiten in Polen: Anspruch und Realität
Jahrbuch des Deutschen Polen-Instituts liefert umfassende Informationen, lässt aber Wichtiges unberücksichtigt

17 polnische und drei deutsche Autoren behandeln das Thema Minderheiten im heutigen Polen. Ohne Bezug auf die Geschichte des Landes seit den Teilungen im 18. und 19. Jahrhundert und die Etappen bis zum Ende der kommunistischen Diktatur 1989/90 kann die Thematik nicht behandelt werden. Das gilt auch für die Jahre seit der politischen „Wende“, die ebenfalls stark Bewusstsein und Einstellung der Menschen zu ethnischen Nicht-Polen prägten.

In Polen gehören nur etwa 1,5 Prozent der Bevölkerung nationalen und ethnischen Minderheiten an. Die mit Abstand größten Gruppen sind Oberschlesier, Deutsche und Kaschuben, während Juden zahlenmäßig eine zu vernachlässigende Minderheit darstellen. Litauer, Weißrussen, Ukrainer, Tataren und Lemken sind weitere kleine Volksgruppen. Dieser prozentuale Anteil ist ein absoluter Einbruch im Vergleich zur Zwischenkriegszeit: Noch 1939  gehörten mehr als ein Drittel der polnischen Bevölkerung nationalen Minderheiten an. Millionen von Ukrainern, Weißrussen, Juden und Deutschen wurden 1919 im wiederentstandenen polnischen Staat zu Staatsbürgern. Polen war ein Vielvölkerstaat, obwohl es sich als Nationalstaat verstand. Das führte zu einer restriktiven Minderheitenpolitik.

Wie begründen nun die Herausgeber ihre Entscheidung, den „marginalen“ Gruppen ein aktuelles Jahrbuch Polen zu widmen? Die Frage wird geradezu staatsmännisch beantwortet: „Das demokratisch-pluralistische Polen bekennt sich seit dem politischen Umbruch der Jahre 1989/90 zu seinen Minderheiten.“ Das hat zu einer großzügigen Minderheiten-Gesetzgebung geführt, die auch in der polnischen Öffentlichkeit interessiert unterstützt werde. Die Beiträge der polnischen Autoren über Oberschlesien, die polnisch-ukrainischen Beziehungen, über jüdisches Leben im heutigen Polen müssen nun zeigen, ob der hohe Anspruch erfüllt wird. Sie vermitteln durch viele Details die Erkenntnis, dass die Realitäten im normalen Alltag häufig sehr kompliziert sind. Nehmen wir das Beispiel der wechselvollen Vergangenheit und vielschichtigen Gegenwart der Region Oberschlesien. Hier existiert eine Gemengelage von Menschen, die sich als Polen, Deutsche oder Oberschlesier fühlen. Natürlich gibt es eine Fülle an Konflikten wie zweisprachige Ortsschilder, Schul- und Kitaprobleme und Fragen der politischen Mitwirkung. Für den Gesamtstaat Polen ist die Problematik einer eigenständigen Region Oberschlesien von nicht zu unterschätzender Bedeutung.

Kritisch muss angemerkt werden, dass kein Autor aus der deutschen Volksgruppe herangezogen wurde, um die Sichtweise der Deutschen in Oberschlesien zu erfahren, schließlich ist es ein Jahrbuch, das in Deutschland vertrieben wird. Eine wichtige Erkenntnis für Deutsche muss sein, dass die Einstellung der Polen gegenüber den Minderheiten in hohem Maße von der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und der deutschen Besatzung beeinflusst wird. Das gilt im besonderen Maße gegenüber Deutschen. Vor allem in der älteren Generation sind Vorbehalte noch stark entwickelt, und bekanntlich werden bis heute Ressentiments gegen Deutschland politisch instrumentalisiert.

Ein eigenes Kapitel behandelt die Situation der Polen, die in den östlichen und westlichen Nachbarländern leben. Es sind Menschen, die Polen verlassen haben, als auch Personen, die im Ausland geboren sind, aber auf ihre polnische Herkunft und ihre Verbindungen zu Polen nicht verzichten wollen. Für diesen Personenkreis wird der Begriff „Polonia“ gebraucht. In Deutschland sind es etwa 1,5 Millionen Menschen. Im Beitrag werden die einzelnen Fallgruppen beschrieben – etwa Arbeitsmigration in das Ruhrgebiet Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts oder politische Emigranten nach 1945 im Rahmen der Familienzusammenführung sowie Arbeitsimmigranten nach dem polnischen EU-Beitritt.

Die polnischen Regierungen verlangen seit Jahren unter Hinweis auf die Deutsche Minderheit in Polen die Anerkennung einer polnischen Minderheit in Deutschland, so wie das bei den Sorben der Fall ist. Das wird von deutscher Seite bisher abgelehnt. Die Polen in Deutschland seien nicht vergleichbar mit den deutschen Volksgruppen in Oberschlesien oder Masuren, die dort seit Jahrhunderten leben. Dieses Argument hätten die Autoren bringen müssen.

Für alle Minderheiten in Polen ist die Frage nach ihrer Zukunft von existenzieller Bedeutung. Etwas resignativ lautet die Antwort, dass sie ständig einem Assimilationsdruck ausgesetzt seien; das zeige sich beim Schulwesen und in den Apparaten der Behörden, wo von den Angehörigen der Minderheiten die fließende Beherrschung der Amtssprache verlangt wird. Hinzu kommen die Interessenlage der heranwachsenden Generationen, die nicht unbedingt den Leitbildern ihrer Eltern, Großeltern und Vorfahren folgen.

Eingerahmt wird das Jahrbuch zu Beginn und am Ende durch Beiträge deutscher Autoren. Hans-Jürgen Bömelburg, Historiker und Polenexperte, sieht in der Geschichte Polens, lange vor den Teilungen, Modelle für gelungenes historisches Miteinander und einen historischen Multikulturalismus, der nur von den aktuellen Akteuren aufgegriffen werden müsste. Das zielt auf die gegenwärtige Asyldis-kussion. Man kann diese Position vertreten, vielleicht hätte aber ein polnischer Autor diesen Beitrag schreiben sollen. Schließlich schildert Matthias Kneip vom Deutschen Polen-Institut in Darmstadt interessante Eindrücke von Fahrten in Ostpolen, wo er Menschen tatarischer, weißrussischer und litauischer Minderheiten traf. Ein Ausflug nach Westpolen, nach Landsberg an der Warthe, führte zu Begegnungen mit Zigeunern; diese Bezeichnung ist offensichtlich bei den Nachbarn „politisch korrekt“.

Als Fazit kann festgestellt werden, dass dieses Jahrbuch eine Fülle an Informationen liefert, über die selbst Polen-Kenner nicht verfügen. Schon deshalb wird die Lektüre empfohlen, zumal die einzelnen Kapitel gesondert gelesen werden können. Der Band ist reich bebildert, hier sind kurze Bildunterschriften zu empfehlen, wie auch eine Übersichtsskizze über die Verteilung der Minderheiten in Polen, die zur räumlichen Orientierung hilfreich sein würde. Die Autoren des Jahrbuches werden kurz vorgestellt, sie bleiben also nicht anonym.       Karlheinz Lau

„Jahrbuch Polen 2016 – Minderheiten“, Herausgegeben vom Deutschen Polen-Institut Darmstadt, Otto Harrassowitz Verlag 2016, broschiert, 231 Seiten, 11,90 Euro


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S. 24 Panorama

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Wir Zyniker / Wie man den Terror politisch korrekt einordnet, warum einfache Fragen von Übel sind,  und wieso wir uns das alles nur einbilden

Wann ist jemand eigentlich ein „verwirrter Einzeltäter“ oder „traumatisiert“ oder einfach nur „kriminell“, und wann dagegen lässt seine Untat auf den üblen Charakter einer Weltanschuung und ihrer Anhänger schließen? Das ist das Rätsel, das momentan das Land aufwühlt. Eine Legion von Experten wägt diese Frage hin und her, dabei ist die Antwort ganz einfach: Es hängt allein davon ab, welche Weltanschauung dem Täter zugeordnet werden kann.

Der Mann, der die heutige Kölner Oberbürgermeisterin totstechen wollte, konnte als irgendwie „rechts“ identifiziert werden. Deshalb, nur deshalb, war er kein verwirrter Einzeltäter, sondern wurde sozusagen als bewaffneter Arm von Pegida, AfD und Konsorten veranschlagt.

Beim norwegischen Massenmörder Breivik fand sich ein Zettelkasten mit 1500 Blättern voller Texte von allen möglichen Leuten zu allen erdenklichen Themen. Jeder Autor, der in dem wirren Konvolut aufgestöbert werden konnte, wurde – gewissermaßen von hinten durch die Brust ins Auge – von gewissen Kreisen wie ein „Stichwortgeber“ des Monsters behandelt, was nicht weit entfernt ist von der Verurteilung als „geistiger Brandstifter“.

Die Täter von Nizza, Würzburg und Ansbach waren dagegen islamisch motiviert. Daher verbietet sich jeder Verdacht auf weltanschauliche, in diesem Falle religiöse Hintergründe. Wer dennoch danach sucht, ist ein Hetzer.

Beim Münchener Massaker war die Motivlage des Mörders zunächst nicht ganz klar, was für Verunsicherung sorgte. Wer einen religiösen Antrieb bei dem Deutsch-Iraner befürchtete, den brachten die verantwortungsvollen Stimmen im Lande schnell zum Schweigen: Wer diese Vermutung äußere, der schlachte die Tat skrupellos aus. Schon wegen seiner Herkunft und seiner Religion konnte es sich bei dem            18-Jährigen um nichts anderes handeln als einen verwirrten Einzeltäter.

Dann jedoch fiel die Aufmerksamkeit auf das kurze Wortgefecht, das der Amokläufer vom Dach eines Parkhauses aus mit einem aufgebrachten Bürger führte. Was hatte er da gesagt? „Ich bin Deutscher!“ Daraus ließ sich doch etwas machen, schloss Julia Schramm von der Amadeu Antonio Stiftung blitzgescheit und fragte auf „Twitter“: „Was muss eigentlich passieren, damit rechtsmotivierte Morde nicht mehr als ,Drama‘, als ,Amok‘, als ,Einzelfall‘ verharmlost werden?“

Treffer! Wenn (was nach dem Stand der Ermittlungen nicht zu erwarten steht) im Nachlass des Schlächters doch noch etwas gefunden werden sollte, was auf eine radikal-islamische Gesinnung schließen ließe, können wir ja immer noch zum „psychisch kranken Einzeltäter ohne politische oder religiöse Motive“ zurück­kehren. Da sind wir ganz flexibel.

Zunächst aber zurück zu den Hetzern. Das sind die „mit den einfachen Antworten“, belehrt man uns. Noch übler als einfache Antworten erscheinen uns einfache Fragen, wie sie der polnische Außenminister Witold Waszczykowski stellt. Der Lümmel von der Weichsel erwartet von den deutschen Politikern, dass sie ihm bitteschön erklären, wie es zu den Anschlägen überhaupt kommen konnte, denn, so zitiert ihn die „Welt“: „Uns wurde versichert, dass die Aufnahme so vieler Flüchtlinge in Europa keine Probleme verursacht.“ Stimmt, uns haben sie das auch versichert.

Es ist dann etwas anders gekommen, was die Politiker vor eine „neue Lage“ stellt, die angeblich niemand habe vorhersehen können. Ausgenommen natürlich die Hetzer, die schon vor Jahresfrist auf die Gefahr hinwiesen, dass mit den unkontrolliert hereinströmenden Asylsuchern auch Terroristen einreisen könnten. Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen tat das als großen Blödsinn ab, und der musste es ja wissen. Ebenso sah es der Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler. Wobei „sah“ vielleicht das falsche Wort ist, denn „gesehen“ haben beide Herren offenbar nicht sehr viel.

Oder doch? Als die Geheimdienst-Bosse wegen der Attentate von Paris im November splitternackt im Wind standen, weil dort mindestens drei als „Flüchtlinge“ eingereiste Mörder beteiligt waren, mutmaßte der „Tagesspiegel“,  möglicherweise seien „die Einschätzungen (Maaßens und Schindlers) gewissermaßen pädagogisch zu interpretieren: Aus der Wahrheit könnten die falschen Schlüsse gezogen, einem Ende der Willkommenskultur das Wort geredet werden.“

Sie haben uns zwar belogen, soll das heißen, dies aber nur mit den fabelhaftesten Absichten. Dem blöden Bürger darf man nicht die Wahrheit sagen, wenn er dadurch die Regierungslinie verlassen und zu den Hetzern überlaufen könnte. Zu jenen finsteren Gestalten also, welche Fragen stellen, Antworten verlangen und auf Widersprüche hinweisen.

CDU-Generalsekretär Peter Tauber frohlockt inmitten fast täglich neuer Terrornachrichten laut „ntv“, Merkels „Wir schaffen das“ sei aus seiner Sicht „teilweise Wirklichkeit“ geworden, denn „die, die zu uns kommen, zu versorgen, ihnen ein Dach über dem Kopf zu geben, ihnen etwas zu essen zu geben, das haben wir geschafft“.

Ihnen gehen auch gerade ein paar sehr derbe Kraftausdrücke durch den Kopf? Gut, die behalten wir aber schön für uns, ebenso wie die Frage, ob Herr Tauber und die Seinen eigentlich wissen, wem sie da ein „Dach über dem Kopf“ gegeben haben. Das wissen sie nämlich nicht, weshalb die Frage unhöflich und hetzerisch wäre.

Der Würzburger Axtschwinger war nur einmal polizeilich kontrolliert worden, und das in Ungarn. Die deutschen Behörden haben die wahre Identität des jungen Mannes, dessen Aufnahme und „Integration“ in wenigen Monaten fast 50000 Euro verschlungen haben soll, nie überprüft. Da können wir schon verstehen, wenn sich die obersten Geheimdienstler um das „Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung“ sorgen und uns daher mit frommen Märchen hinters Licht führen.

Ganz fürchterlich sind jene Leute, die angesichts der Blutspur trocken feststellen, dass eine ganze Menge Menschen noch am Leben sein könnte, wenn unsere Politiker statt euphorisch „Wir schaffen das“ zu rufen unsere Grenzen korrekt hätten schützen lassen. So etwas zu sagen sei „zynisch“, werden wir belehrt.

Und außerdem völlig realitätsfern, wie uns Merkels Regierungssprecherin Ulrike Demmer gerade versichert hat. Denn, so Demmer laut „Frankfurter Rundschau“,  die meisten Anschläge der vergangenen Monate seien nicht von Flüchtlingen verübt worden. Die Gefahr, die von Schutzsuchenden ausgehe, sei nicht größer als die von anderen in Deutschland lebenden Menschen.

Endlich, das ist die Erlösung aus diesem blutigen Albtraum. In Wirklichkeit passiert gar nichts Besonderes! Die plötzliche Häufung bestialischer Terror-Akte haben wir uns bloß eingebildet, denn wenn von den orientalischen Neuankömmlingen eine um keinen Deut größere Gefahr ausgeht als vom Durchschnittsdeutschen, der hier schon immer lebt, dann kann es ja auch unmöglich eine plötzliche Terror-Welle geben.

Oder es gibt sie doch, aber dann haben es die Durchschnittsdeutschen eben nur versäumt, ihren statistisch angemessenen Anteil an willkürlichen Metzeleien beizusteuern, was wiederum rein gar nichts über ihre wahre Gefährlichkeit aussagt.

Ich weiß, das ist jetzt wirklich zynisch. Aber ist es nicht herzzerreißend, welche abenteuerlichen Pirouetten diese Leute drehen, um jeder realistischen Ursachenforschung aus dem Weg zu tanzen?

Gerade kommt die Nachricht rein von dem alten Priester, dem sie in seiner Dorfkirche bei Rouen die Kehle durchgeschnitten haben. Warten wir ab, welche „anderen dort lebenden Menschen“ das wohl getan haben.

Ja, man wird zynisch. Aber irgendwann läuft jedes Fass einmal über.


MELDUNGEN / ZUR PERSON

Erdogan-Fans sollen ausreisen

Wien – Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz hat Pro-Erdogan-Demonstranten die Ausreise in ihre Heimat Türkei nahegelegt. In der Alpenrepublik waren Gefolgsleute des türkischen Machthabers für ihr Idol auf die Straße gegangen. „Wer sich in der türkischen Innenpolitik engagieren will, dem steht es frei, unser Land zu verlassen“, so der konservative Politiker. Die CSU kritisiert Erdogan-Demos in Deutschland mit dem gleichen Argument, türkische Innenpolitik habe auf deutschem Boden nichts zu suchen.           H.H.

 

Wegen Negerkuss fristlos gefeuert

Berlin – Weil er in der Kantine einen „Negerkuss“ bei einer aus Kamerun stammenden Mitarbeiterin bestellt hat, hat der Reisekonzern Thomas Cook einem Mitglied des mittleren Managements fristlos gekündigt, meldet „ntv“. Grund: Der Ausdruck sei diskriminierend. Der Betroffene hat in erster Instanz erfolgreich gegen die Kündigung geklagt.                  H.H.

 

Einseitige Kulturwächterin

Eine starke Frau, kämpferisch, streitbar und unbeirrbar“ – diese Eigenschaften bescheinigt „Deutschlandradio Kultur“ der deutschen Journalistin, Menschenrechtsaktivistin sowie Gründerin und Vorsitzenden der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane. Die 62-Jährige versteht  sich selbst als Wächterin über die demokratische Kultur in Deutschland, ihre Ende der 90er Jahre gegründete Stiftung sieht sie als „eine Art Projekt und Denkfabrik für wichtige Themen, die demokratische Kultur entwickeln sollen, zum Beispiel auch im Internet“.

Anspruch und Wirklichkeit liegen oft weit auseinander, so auch bei der selbsternannten Kulturwächterin Kohane. Ihre Denkfabrik verkörpert das Negativbeispiel einer Organisation, die genutzt wird, um die Gesellschaft einseitig zu beeinflussen. Die Amadeu Antonio Stiftung ist auf Unmutsbezeugungen und Hassbotschaften im Internet fokussiert, vor allem, wo sie als „rechts“ verortet werden. Die reale Welt des linken Terrors, den die Hauptstadt Berlin seit Monaten zu spüren bekommt, religiös motivierten Terror sowie die von Gewalt und Hass begleiteten Vorgänge im Nato-Land Türkei bleiben unkommentiert. Anstatt die Sorgen der Menschen, vor allem in ihrer mitteldeutschen Heimat, ernstzunehmen, kritisiert Kahane, dass im Osten der Bundesrepublik zu wenig Schwarze lebten.

Ein besonderes Geschmäckle erhält  Kohanes  Schnüffelei durch ihre Vorgeschichte als inoffizielle Mitarbeiterin der Stasi. Die hatte die in Ost-Berlin Geborene 1974 nach dem Abitur angeworben. Sie  arbeitete acht Jahre lang für den Geheimdienst. Als ihre Vergangenheit bekannt wurde, gab Kahane 2012 ein Gutachten beim Politikwissenschaftler Helmut Müller-Enbergs in Auftrag. Darin attestiert ihr dieser, dass ihre Stasi-Tätigkeit niemandem geschadet habe.        MRK


MEINUNGEN

Henryk M. Broder bezieht im Streitgespräch mit der Islamwissenschaftlerin Eva Marie Kogel in der „Welt“ (21. Juli) deutlich Stellung zum radikalen  Islam, zu Terror und Intoleranz:

„Ich verweigere jede Art von Verständnis für diese Art von Kultur. Ich will sie auch nicht importieren. Ich will keine Debatten führen über Kopftücher im öffentlichen Dienst, über Schwimmunterricht für Mädchen, über Männer, die Frauen keine Hand geben wollen, über Schweinefleisch in Kantinen und ,kultursensible Pflege‘ in Krankenhäusern.“

 

 

Abdel-Hakim Ourghi, Leiter des Fachbereichs Islamische Theologie und Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg im Breisgau, kritisiert im „Cicero“ (20. Juli) die konservativen islamischen Verbände scharf:

„Auch wenn es ironisch klingt, droht die Gefahr nicht von den Salafisten ... Viel gefährlicher sind die sogenannten ,moderaten Islamisten‘, die nichts für den sozialen Frieden unternehmen und ständig betonen, dass es keinen Extremismus in ihren Gemeinden gibt. Mit Pathos wiederholen sie, dass der Islam mit dem Islamismus nichts zu tun hat. Zu diesen bequemen Apologeten gehören die konservativen Dachverbände wie die Ditib und der Zentralrat der Muslime.“

 

 

Der Wiener Journalist Werner Reichel erschrickt im Magazin „Eigentümlich frei“ (20. Juli) vor der Hilflosigkeit und Verlogenheit des politischen Establishments angesichts des islamischen Terrors:

„Die Situation ist explosiv. Die verängstigten Bürger erwarten konkrete Taten, Maßnahmen und Handlungen, doch alles, was das politische Establishment ihnen anbieten kann, sind Worthülsen, Phrasen und Alibiaktionen. Damit die Bevölkerung nicht zu laut murrt, wird immer härter gegen all jene vorgegangen, die es wagen, die politisch korrekten Dogmen in Frage zu stellen. Das kann nicht mehr lange gutgehen.“

 

 

Karim Dabbouz, im Ruhrgebiet lebender Autor arabischer Herkunft, geht die deutschen Islamverteidiger im Portal „Achse des Guten“ (21. Juli) scharf an:

„Ich persönlich mache mir da keine Illusionen: Mein Ruf als Mensch mit arabischem Migrationshintergrund in Europa ist auf Lebzeiten zerstört. Und das verdanke ich nicht dem latenten Rassismus des Europäers, sondern den schlechten Vorbildern aus meinen Reihen ... sowie den vornehmlich linken Islam-Apologeten (Islam-Verteidigern), die die Täter und ihre religiös verklärten Herrschaftsansprüche decken.“

 

 

Ex-Focus-Herausgeber Helmut Markwort lobt in dem Magazin (23. Juli) den britschen Außenminister Boris Johnson:

„Er ist nicht nur ein origineller Redner in vielen Sprachen, sondern auch weit über den Durchschnitt intelligent, gebildet und belesen ... Die Londoner haben ihn zweimal zu ihrem Stadtoberhaupt gewählt. Eine solche Entscheidung ist allerdings in der deutschen Parteienlandschaft schwer vorstellbar. Ein Typ wie Boris Johnson würde schon auf Kreisebene wegen auffälliger Unangepasstheit ausgesondert.“