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28.07.17 / Viel zu tun in wenig Zeit / Die zweite Runde der Brexit-Verhandlungen ist gestartet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-17 vom 28. Juli 2017

Viel zu tun in wenig Zeit
Die zweite Runde der Brexit-Verhandlungen ist gestartet
N. Hanert

Der Brexit-Minister des Vereinigten Königreiches (UK) und der Chefunterhändler der Europäischen Union haben in Brüssel die zweite Runde der Brexit-Verhandlungen gestartet. Die Verhandlungspartner wollen die konkreten Konditionen des britischen EU-Ausstiegs klären. Das Pensum ist groß, zudem stehen die Verhandlungen unter Zeitdruck, denn der britische EU-Ausstieg ist für den 30. März 2019 vorgesehen. 

Bis dahin müssen unter anderem die künftigen Rechte der Briten in der EU, aber auch die Stellung der rund 3,2 Millionen EU-Bürger in Großbritannien geklärt werden. Brüssel fordert, dass EU-Ausländer nach fünf Jahren Aufenthalt ein dauerhaftes Bleiberecht im UK erhalten sowie auch Leistungen aus dem britischen Sozial- und Rentensystem beziehen können. 

Nach den Vorstellungen der britischen Konservativen sollen die Rechte von EU-Bürgern im UK dagegen nicht automatisch lebenslang garantiert werden. Bürger, die noch vor dem Brexit in das UK gezogen sind, will man ihren Sonderstatus belassen. Im Gegensatz dazu sollen EU-Ausländer, die nach dem Brexit kommen, individuell ein Aufenthaltsrecht beantragen müssen. Premierministerin Theresa May will zudem verhindern, dass die EU-Ausländer im UK über den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte alle in der EU gültigen Rechte einklagen können. 

Als ebenso schwierig könnte es sich erweisen, eine Lösung für Irland zu finden. Nach dem Brexit wird eine EU-Außengrenze zwischen dem britischen Nordirland und der Republik Irland verlaufen. Befürchtet werden vor diesem Hintergrund Probleme für die Wirtschaft beiderseits der Grenze, aber auch ein Wiederaufflammen des Konflikts in Nordirland. Offen ist auch noch die Frage einer finanziellen Schlussrechnung nach mehr als 40 Jahren britischer Mitgliedschaft in den Europäischen Gemeinschaften und der EU. Die EU will möglicherweise bis zu 100 Milliarden Euro vom UK fordern. Über das von den Briten gewünschte Freihandelsabkommen soll zu deren Leidwesen erst später verhandelt werden.

Bereits jetzt ist erkennbar, dass die Zeit für die Brexit-Verhandlungen knapp bemessen ist. Im für die Briten günstigsten Fall werden die Gespräche gemäß Artikel 50 des EU-Vertrages fristgemäß erfolgreich abgeschlossen. Sollte es hingegen keine rechtzeitige Einigung geben, würde Großbritannien die EU ohne ein Ausstiegsabkommen verlassen. Dieses Szenario hätte vor allem für die britische Wirtschaft negative Konsequenzen, da sie den bisherigen ungehinderten Zugang zum EU-Binnenmarkt dann automatisch verlieren würde. 

Angesichts der knapp bemessenen Verhandlungszeit und der Komplexität der Materie hat sich der Pressesprecher der Europäischen Volkspartei, der Rumäne Siegfried Muresan, inzwischen dafür ausgesprochen, die Frist für die Brexit-Verhandlungen zu verlängern. Gemäß dem EU-Vertrag ist das möglich. Eine derartige Fristverlängerung würde allerdings das Einverständnis des Europäischen Rates voraussetzen. Entsprechend hoch ist das Risiko, dass eine Fristverlängerung an der Regierung irgendeines EU-Mitgliedsstaates scheitert, die den Brexit nutzen will, um die eigene oder eine andere der in der EU zusammengeschlossenen Nationen zu disziplinieren und von dem Gedanken abzuschrecken, dem Vorbild der freiheitsliebenden Briten zu folgen.