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28.07.17 / Wie eine Zitrone / Deutschland schröpft seine Bürger mit der zweithöchsten Sozialabgabenlast aller Industrieländer weltweit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-17 vom 28. Juli 2017

Wie eine Zitrone
Deutschland schröpft seine Bürger mit der zweithöchsten Sozialabgabenlast aller Industrieländer weltweit
Gernot Facius

Vor allem heimliche Steuererhöhungen sind schuld: Der Staat knöpft seinen Bürgern immer höhere Anteile ihrer wohlverdienten Löhne und Gehälter ab. Sogar die Finanzexperten der OECD fordern, Deutschlands Steuerzahler endlich zu entlasten.

Sind Sie am 19. Juli, 3.25 Uhr, aufgewacht und haben mit spitzem Stift ergründet, wie viel Sie bis zu diesem Datum für den Staat und nicht für die eigene Geldtasche gearbeitet haben? Die Rechnung, die der Bund der Steuerzahler (BdSt) aufgemacht hat, treibt vielen Bürgern das Wasser in die Augen. Die Gesamtbelastung, so schätzte der BdSt just an dem von ihm kreierten „Steuerzahlergedenktag“, werde sich 2017 auf 54,6 Prozent belaufen.

Von jedem verdienten Euro blieben somit nur 45,4 Cent zur freien Verfügung übrig. Der Vereinspräsident Reiner Holznagel glaubt auch zu wissen, worauf die im Vergleich zum Vorjahr wieder gestiegene Belastung zurückzuführen ist: vor allem auf „heimliche Steuererhöhungen“. Der vermutete Grund: Weil dank der guten Konjunktur die Löhne steigen, rutschen die Bürger in immer höhere Steuersätze. 2005, im ersten Regierungsjahr von Angela Merkel, hatte die Belastungsgrenze nach den BdSt-Analysen erst bei 49,3 Prozent gelegen. 2016 betrug die Belastung noch 52,9 Prozent. Holznagels Botschaft: Der nimmermüde Fis­kus verschwende das Geld der Bürger. Gerade die Mittelschicht werde über Gebühr belastet.

Der „Belastungscheck“ zeigt noch etwas anderes: Selbst für immer mehr Facharbeiter gilt heute der Spitzensteuersatz. 2005 waren 2,3 Millionen Steuerzahler davon betroffen, inzwischen gilt dieser Höchstsatz für 3,7 Millionen – Singles oder Familien. Zudem hat auch die Belastung durch steigende Sozialausgaben zugenommen, eine Folge der routinemäßig angehobenen Beitragsbemessungsgrenze und steigender Beiträge zur Pflegeversicherung. Durch die sogenannte Energiewende hat sich allein die Umlage zur Förderung alternativer Energien im Zeit­raum 2010 bis 2016 verdrei­facht auf die stolze Summe von 22,9 Milliarden Euro. Diese Abgabe wird über den Strompreis erhoben. Nicht zu vergessen kleinere Umlagen zur Finanzierung der „Energiewende“, die ebenfalls finanziell angezogen haben auf 2,5 Milliarden Euro in diesem Jahr. 

All dies ist mit daran schuld, dass der „Steuerzahlergedenktag“ 2017 weiter nach hinten gerutscht ist. Dieser Tag gilt freilich unter Fachleuten als ein umstrittenes Symbol. Einige Ökonomen äußern Zweifel an der Berechnungsmethode von Holznagel und seinen Mitstreitern. So weise die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für Deutschland im Jahr 2015 beispielsweise eine Steuer- und Abgabenlast von 36,8 Prozent aus. Der Steuerzahlerbund hingegen spreche von 52,4 Prozent. Der Grund für die unterschiedlichen  Angaben: Die Rechenexperten von Holznagels Verein nehmen nicht wie die OECD das Bruttoinlandsprodukt als Grundlage. Sie beziehen sich auf das Volkseinkommen, eine wesentlich kleinere ökonomische Kennzahl. Bei dieser sind allerdings die meisten indirekten Steuern bereits abgezogen. In die Berechnung des Steuerzahlerbundes gehen sie dennoch als Teil der Steuer- und Abgabenlast ein. 

Das gilt im Übrigen auch für Sozialabgaben wie Krankenkassen- und Rentenversicherungsbeiträge, denen teilweise individuelle Leistungen gegenüberstehen. Das wird selbst von BdSt-Präsident Holznagel gar nicht in Abrede gestellt. Natürlich, sagt er, stünden gezahlten Sozialbeiträgen Leistungen gegenüber, etwa als finanzieller Schutz bei Arbeitslosigkeit. Die von seinem Verein genannten Zahlen sollten aber veranschaulichen, „dass die Steuer- und Abgabenlast in Deutschland viel zu hoch ist“, ein Hinweis, dem kaum widersprochen werden kann 

– auch nicht von Kritikern des BdSt. Holznagel kann unter anderem auf die Expertise der OECD verweisen, wonach im internationalen Vergleich die Steuer- und Abgabenlast nur in Belgien höher ist als in Deutschland.

In ihrem Deutschlandbericht schrieb die OECD, die hohen deutschen Sozialabgaben belasteten vor allem die Bezieher niedriger Einkommen, sie müssten deshalb gesenkt werden. Schon jetzt, Wochen vor der Bundestagswahl am 24. September, nimmt die Dis­kussion über Entlastungen Fahrt auf. Unter der Großen Koalition in Berlin, das verhehlt selbst das Bundesfinanzministerium nicht, ist die Steuer- und Abgabenlast für alle spürbar gestiegen. Das lässt sich an Zahlen studieren. Im Zeitraum 2013 bis 2016 ist die Abgabenquote, die den Anteil der Sozialausgaben an der Jahreswirtschaftsleistung ausdrückt, von 39,3 auf 40 Prozent angewachsen. Vordergründig betrachtet sieht das nach wenig aus. Es ist aber der höchste Wert seit 1980. 

BdSt-Präsident Holznagel dringt deshalb auf kräftige Entlastungen, einschließlich der Abschaffung des Solidaritätszuschlags durch die sich nach dem 24. September formierende Bundesregierung. Er wirbt mit einer Beispielrechnung für die steuerpolitischen Vorstellungen seiner Organisation: Würde die Belastung der Deutschen durch Steuern und Abgaben so hoch sein wie im Schnitt der zur OECD gehörenden Staaten, hätte ein Single 6680 Euro mehr im Jahr in der Tasche. 

In Deutschland ist der Steuertarif progressiv gestaltet. Das heißt: Bei steigendem Einkommen ist ein immer höherer Teil an den Staat abzuführen, dadurch steigen die Steuereinnahmen erheblich stärker als die Einkommen. Die Konsequenz: Vom wirtschaftlichen Aufschwung profitiert „Vater Staat“ mehr als seine Söhne und Töchter. Um noch einmal Holznagel zu zitieren: „Das zeigt, dass die Entlastungen der vergangenen Jahre, etwa das Aussetzen der kalten Progression, keineswegs verhindert haben, dass die Steuerbelastung stetig zugenommen hat.“ 

Damit hat Holznagel schon den Auftrag an den nächsten Bundestag und die künftige Bundesregierung formuliert, eine Änderung herbeizuführen. „Nur wenn der Staat knapp gehalten wird, geht die Politik auch effizient mit dem Geld der Steuerzahler um.“