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28.07.17 / Brückenbauerin zwischen Christen und Juden / Vor 75 Jahren starb die aus Breslau stammende Konvertitin Edith Stein im KZ Auschwitz-Birkenau

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-17 vom 28. Juli 2017

Brückenbauerin zwischen Christen und Juden
Vor 75 Jahren starb die aus Breslau stammende Konvertitin Edith Stein im KZ Auschwitz-Birkenau
M.S.

Edith Stein gilt als Brückenbauerin zwischen Juden und Christen. Dazu prädestiniert sie nicht zuletzt, dass sie sich zum Ende ihres Lebens als beides verstand, sowohl als Jüdin als auch als Christin. 

Die gebürtige Schlesierin wurde am 12. Oktober 1891 in Breslau geboren. Sie war das jüngste von elf Kindern einer jüdisch-orthodoxen Familie. Ihr Vater war ein wohlhabender Holzhändler, der die Kinder in strenger jüdischer Tradition erzog und früh verstarb. Die verwitwete Mutter ermöglichte dann aber auch dem Mädchen Edith, das schon im Schulalter eine kritische Haltung zum orthodoxen Judentum entwickelte und zum Atheismus neigte, eine für damalige Verhältnisse umfassende Bildung. Sie wuchs zudem in eine Zeit hinein, in der Mädchen erstmals das Abitur und ein weiterführendes Studium erlaubt wurden. Das nutzte Edith. 

Nach einem überragenden Abitur an der Victoriaschule in ihrer Heimatstadt studierte sie nacheinander dort sowie in Göttingen und Freiburg im Breisgau hauptsächlich Philosophie, Geschichte und Psychologie. Sie hatte herausragende Lehrer wie den Philosophen und Mathematiker und Begründer der Phänomenologie Edmund Husserl, bei dem sie 1916 mit Auszeichnung promovierte. Trotzdem wurde sie nicht zur Habilitation zugelassen. Kurz hintereinander reichte sie an vier verschiedenen Universitäten Habilitationsschriften ein. Ohne Erfolg. 

Über die Lektüre der Lebenserinnerungen der im 16. Jahrhundert in Spanien lebenden Karmelitin sowie Mystikerin Teresa von Ávila fand die zum Atheismus neigende Jüdin zum „tätigen Christentum“. Am 1. Januar 1922 erfolgte in Bad Bergzabern ihr Übertritt in die römisch-katholische Kirche. Anschließend wechselte sie nach Speyer, wo sie an den Schulen der Dominikanerinnen von St. Magdalena als Lehrerin unterrichtete und die Geschichte des christlichen Glaubens studierte. Zu diesem Zweck unterhielt sie von Speyer aus engen Kontakt zum vierten Erzabt der Erzabtei Beuron, Raphael Walzer, den sie im Laufe der Jahre wohl 15-mal besuchte. 

Walzer versuchte Stein davon abzuhalten, Karmeliterin zu werden. Sie sollte mit ihrer Sachkenntnis und ihrem neuen Glauben eher weiter öffentlichkeitswirksam in Erscheinung treten. So blieb Stein bis 1932 in Speyer Lehrerin. Zum Unterricht gesellten sich Vorträge zu Frauenfragen sowie zum tätigen Christsein und einzelne Veröffentlichungen. 

1932 wechselte die Pädagogin an das katholische Institut für wissenschaftliche Pädagogik in Münster. Dort erlebte sie mit wachsendem Entsetzen Übergriffe der Nationalsozialisten, was sie dazu bewegte, Mitte April 1933 einen Protestbrief an den Papst zu verfassen, in dem sie die Pogrome geißelte und eine Reaktion des Heiligen Stuhls darauf verlangte. Pius XI. reagierte nicht. Er wollte wohl die Verhandlungen zum Reichskonkordat nicht unnötig erschweren. Wenige Wochen nach ihrem Brief verließ Stein Münster. Sie trat im Oktober 1933 in den Kölner Karmel „Maria vom Frieden“ ein, wo sie den Ordensnamen „Schwester Teresia Benedicta a Cruce“ erhielt und 1936 ihr philosophisches Hauptwerk vollendete: „Endliches und ewiges Sein“. Darin versucht sie, die Philosophie aus dem Glauben zu begründen. 

Ebenfalls 1936 folgte ihre ältere Schwester Rosa ihrem Vorbild und konvertierte gleichfalls. Als Gast folgte sie ihrer Schwester an den Karmel in der Domstadt. Vor dem wachsenden Antisemitismus wichen die beiden Schwestern 1938 in ein Karmeliterkloster in den Niederlanden aus, in den Karmel in Echt. Nach der deutschen Besetzung des Königreiches und einer verpassten Flucht in die Schweiz wurden die beiden am 2. August 1942 von zwei SS-Offizieren verhaftet, in das Konzentrationslager 

Ausch­witz-Birkenau deportiert und am 9. August in die Gaskammer geschickt. 

Wie die Nationalsozialisten empfand sich auch Edith Stein ungeachtet ihrer Konversion als Jüdin. Im Herbst 1938 schrieb sie: „Ich muss immer wieder an die Königin Esther denken, die gerade darum aus ihrem Volk genommen wurde, um für das Volk vor dem König zu stehen. Ich bin eine sehr arme und ohnmächtige kleine Esther, aber der König, der mich erwählt hat, ist unendlich groß und barmherzig.“ Und eine der letzten von ihr überlieferten Äußerungen sind die Worte an ihre Schwester bei der Abholung durch die Gestapo: „Komm, wir gehen für unser Volk!“