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28.07.17 / »Eine generelle Ermutigung zur Gesetzlosigkeit« / Über das Alkoholverbot in den USA bestand weder ein gesellschaftlicher Konsens noch wurde es von der Staatsgewalt durchgesetzt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-17 vom 28. Juli 2017

»Eine generelle Ermutigung zur Gesetzlosigkeit«
Über das Alkoholverbot in den USA bestand weder ein gesellschaftlicher Konsens noch wurde es von der Staatsgewalt durchgesetzt
Wolfgang Kaufmann

Es sollte ein „ehrenhaftes Experiment“ werden, geriet aber stattdessen zum kompletten Fiasko. Gemeint ist die Prohibition in den Vereinigten Staaten, also das landesweite Verbot der Herstellung sowie des Transports und Verkaufs von Alkohol. Den entscheidenden Anstoß zu dieser Maßnahme gab der US-Senat am 1. August 1917.

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts galt der Alkohol in den USA als die Wurzel allen sozialen Übels. Dies kommt beispielsweise in der Prophezeiung von Reverend Billy Sunday über die zu erwartenden Segnungen einer totalen Prohibition zum Ausdruck: „Das Reich der Tränen ist vorbei. Bald werden die Slums der Armenviertel nur noch eine Erinnerung sein. Wir werden die Gefängnisse in Fabriken umwandeln und die Gerichtsgebäude in Lagerhallen. Männer werden nun aufrecht gehen, Frauen werden lächeln und Kinder werden lachen. Die Hölle wird auf Ewigkeit zum Vermieten angeboten.“ Als Vorreiter im Kampf gegen den Alkohol fungierten allerdings nicht nur protestantische Fundamentalisten vom Schlage Sundays, hinter denen die angelsächsische Machtelite stand, sondern auch Frauenverbände wie die Woman’s Christian Temperance Union (WCTU). 

Bis 1916 hatten die Befürworter der Prohibition bereits Verbote in 23 Bundesstaaten der USA durchgesetzt. Nach der Kriegserklärung an das wilhelminische Kaiserreich 1917 holten sie dann zum finalen Schlag gegen den „Saufteufel“ aus, wobei sie nun vor allem die Brauereibesitzer mit deutschen Wurzeln für den Alkoholmissbrauch der Amerikaner verantwortlich machten. Am 1. August 1917 fällte der Senat in Wa­shington mit 65 zu 20 Stimmen eine Vorentscheidung. Nach einigen gesetzgeberischen Schritten trat dann in der Nacht vom 16. zum 17. Januar 1920 das Alkoholverbot landesweit in Kraft.

Das Verbot bewirkte einen deutlichen Rückgang alkoholbedingter Krankheiten und Todesfälle. Das blieb allerdings der einzige positive Effekt. Ihm standen viele negative gegenüber. Beispielsweise starben bis zu 50000 Menschen an illegal hergestelltem Fusel, der das giftige Methanol enthielt. Außerdem sank die Kriminalitätsrate nicht wie erhofft, sondern stieg im Gegenteil deutlich an. Das betraf auch und gerade schwere Delikte, denn die Prohibition erwies sich als perfektes Konjunkturprogramm für das organisierte Verbrechen, weil die Nachfrage nach Alkohol weiter bestand. Mafia-Bosse wie Johnny Torrio, Meyer Lansky und Al Capone bauten schnell eine eigene Spirituosen-Industrie auf und verteidigten ihre jeweiligen Absatzmärkte hernach mit brutaler Gewalt. Ebenso blühte der Schmuggel. Meist kam der begehrte Stoff aus Kanada, Mexiko und Kuba – durch Tunnel, in Schwimmtanks oder Schweinehälften sowie an Bord präparierter Lastwagen und Boote.

Wie erfolgreich die Mafia agierte, illustriert die Tatsache, dass der Konsum von Alkohol nach dessen Verbot nicht etwa sank, sondern von jährlich 530 Millionen Liter auf schließlich 757 Millionen Liter stieg. Eine Ursache hierfür war die geringe Zahl der für die Durchsetzung des Alkoholverbots zuständigen staatlichen Agenten. Mehr als 2300 jämmerlich besoldete und teilweise des Lesens und Schreibens unkundige Aufpasser wollten die Entscheidungsträger partout nicht einstellen. Das waren pro Bundesstaat kaum mehr als 50 Personen. 

Daneben gab es volkswirtschaftliche Effekte, die so nicht beabsichtigt waren. Viele der ersten Autos in den USA fuhren mit aus Getreide hergestelltem Ethanol. Allerdings verschwand dieser Biokraftstoff ab 1920 vom Markt, als die ländlichen Brennereien schließen mussten. Dies führte zum allgemeinen Umstieg auf Benzin oder Diesel, der heutzutage zumindest von den Grünen sehr beklagt wird.

Und dann waren da noch die Steuerausfälle infolge des Alkoholverbots. Alleine die Zentralregierung in Washington büßte elf Milliarden US-Dollar ein. Das verlieh den Gegnern der Prohibition nach Beginn der Großen Depression im Oktober 1929 erheblichen Aufwind. So meinte der General-Motors-Manager Pierre S. du Pont mit Blick auf die Entscheidung von 1917: „Anstelle einer bankrotten Staatskasse hätten wir heute keine Schulden und einen Überschuss von fünf bis zehn Milliarden Dollar.“

Ganz ähnlich sah dies auch der demokratische Präsidentschaftskandidat Franklin D. Roosevelt. Er bezeichnete die Prohibition als „eine generelle Ermutigung zur Gesetzlosigkeit“ und versprach, durch deren Abschaffung sowie die Wiedereinführung der Alkoholsteuer das geplante große Reformprogramm „New Deal“ zu finanzieren. Ziemlich genau ein Dreivierteljahr nach dem Beginn seiner ersten Amtszeit als Präsident, am 5. Dezember 1933, endete die landesweite Prohibition in den USA.

Das letztendliche Scheitern der Prohibition nach fast 14 Jahren zeigt, dass Verbote nicht nur wirkungslos sind, sondern die Gesetzestreue der Gesellschaft untergraben und der Kriminalität Vorschub leisten, wenn der Staat nicht gewillt oder in der Lage ist, ihre Einhaltung zu kontrollieren und durchzusetzen. Außerdem destabilisiert es Staat und Ordnung, wenn der Gesetzgeber aus ideologischen und/oder erzieherischen Gründen etwas kriminalisiert, was ein Großteil der Bürger als recht und billig, also legitim betrachtet. Damit sind Widerstand und Obstruktion programmiert. Inwieweit das historische Wissen um die Geschichte der Prohibition in den USA und ihres Scheiterns lehrreich für die aktuelle Diskussion hierzulande über den Sinn oder Unsinn einer Legalisierung von weichen Drogen sein könnte, sei dahingestellt.