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28.07.17 / Zeit zum Träumen / Auf den Britischen Jungferninseln ist alles entspannt – Auch die Nerven der Geldanleger, die die Inseln als Steuerparadies nutzen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-17 vom 28. Juli 2017

Zeit zum Träumen
Auf den Britischen Jungferninseln ist alles entspannt – Auch die Nerven der Geldanleger, die die Inseln als Steuerparadies nutzen
Uschi von Grudzinski

Kabinen-Charter nennt sich die exklusive Karibik-Kreuzfahrt mit dem Segelkatamaran „The Moorings 4800“. Die Passagiere haben allein oder zu zweit eine von vier Kabinen gebucht. Ein Skipper kümmert sich ums Schiff, organisiert Reservierungen und Landausflüge, ein Koch sorgt fürs leibliche Wohl. 

Hamburg – Paris – Sint Maarten – Tortola. Schreibt sich schnell, reist sich langsam. Und irgendwo zwischen Paris und Sint  Maarten fragt man sich, ob es nicht auch die Ostsee getan hätte. Warum müssen es unbedingt die Britischen Jungferninseln sein, 20 Reisestunden entfernt? Aber dann, zwischen Sint Maarten und Tortola, klebt die Nase am Fenster der kleinen Propellermaschine, und die eben noch müden Augen können sich gar nicht sattsehen an dem unglaublich schönen Sonnenuntergangsblick auf die kleinen Inseln im tiefblauen Meer. Und wenn man nach einer kurzen Autofahrt am Jachthafen von Road Town aussteigt, die warme Luft fühlt, die schicke Kabine auf dem Katamaran bezieht und beim sanften Rauschen des Meeres einschläft, weiß man sofort: Die lange Anreise hat sich gelohnt. 

Am Morgen treffen sich die Passagiere beim Frühstücks-Picknick. Die Luft duftet nach Karibikmeer, Frangipani-Blüten und Sonnencreme. Braungebrannte Segler in kurzen Hosen und Flipflops ge­hen vorbei, grüßen fröhlich. Jetzt gehören wir dazu. Bereit zum Inselhüpfen.

Ingela, Gabi und Ludger outen sich als versierte Segler, Stefan, Barbara und eine Hamburger Reisejournalistin sind Laien. Für die Fahrt zur ersten Insel wirft Andrew, der Skipper, allerdings den Motor an. Wolken türmen sich am Horizont, es regnet leicht, windet ordentlich. Man sitzt auf einer Bank am Vorderdeck. Füße hoch, Blick voraus, Gesicht im Wind. Herrlich!

Ein Strandspaziergang auf Cooper Island ist auch bei Regen reizvoll. Ausrollende Wellen zeichnen immer neue Muster in den feuchten Sand, zwei Vögel untersuchen eine Kokosnuss. Hängematten baumeln gelangweilt zwischen Palmen. Alles irgendwie feucht, aber wunderbar friedlich. Und als wir abends in die Marina Soper’s Hole einlaufen, wölbt sich schon wieder ein blitzblauer Himmel über den karibisch bunten Häuschen an Tortolas Westspitze.

Nach einer ruhigen Nacht beginnt der Morgen bei strahlendem Sonnenschein mit einem Bad im Meer. Dann hisst Andrew die Segel, und die Gäste verziehen sich mit einem Becher Kaffee auf den Bankplatz und genießen. Das Meer. Die Luft. Das Nichtstun. Und nach einer Stunde die Inseln, die wie eine Fata Morgana im Meeresblau erscheinen. Weißer Sand, Türkis umrahmt. In der Mitte ein Tuff aus grünen Pflanzen: Sandy Cay und Sandy Spit. Wir ankern vor Sandy Spit, schwimmen hin, laufen drum herum (500 Schritte), werden an Bord mit einem „Ankerschluck“ belohnt. Der Orangensaft leuchtet hell in den Gläsern. Den Schuss Rum sieht man nicht. Das Leben ist schön.

Gemütlich visieren wir unser nächstes Ziel an, die White Bay auf Jost van Dyke, wo wir in der berühmten Soggy-Dollar-Bay einen Rum-Cocktail trinken wollen. Berühmt, weil das süffige Nationalgetränk hier vor mehr als 50 Jahren erfunden wurde. Be­rühmt aber auch für die Wäscheleine voller Geldscheine, die dort zum Trocknen hängen. Denn die meisten Gäste schwimmen von ihrem Schiff zum Strand und zahlen mit Salzwasser-durchtränkten Dollars. Sogar die Rolling Stones. Und wir auch. 

In einem Liegestuhl am Strand dösen die Urlauber vor sich hin. Nebenan schaukeln drei süße Zopf-Mädchen in einer Hängematte, eine Frau liest in einem Buch, leise Reggae-Rhythmen ziehen vorbei. Wurde das Wort „relaxen“ vielleicht auf den British Virgin Islands, wie die Jungferninseln hier heißen,  erfunden? 

Am nächsten Tag weht es uns nach Norman Island, die Insel, die Robert Louis Stevenson vor 130 Jahren zu seinem Buch „Die Schatzinsel“ inspirierte. Da­mals versteckten Piraten ihre Beute auf den unbewohnten Eilanden. Noch so mancher Schatz soll hier verbuddelt sein. So wie die Gelder, die clevere Ge­schäftsleute auf diese Inseln vor Steuerbehörden in Sicherheit bringen. Die verträumten In­seln, die so unschuldig im Meer schlummern, sind eines der größten Steuerparadiese der Welt. Es hat zwar nur 29000 Einwohner, aber dafür etwa 600000 Briefkastenfirmen. Sagenhafte 50 Milliarden Dollar werden hier verwaltet.

Nun ja, Geld allein macht nicht glücklich. Aber es beruhigt. Sicher auch Virgin-Boss Sir Richard Branson, dessen noble Privatinsel Necker Island wir auf unserem Weg nach Virgin Gorda passieren. Unser Ziel: die Bitter End Marina. Doch der Bilderbuch-Palmenstrand steht in Kontrast zum Namen. Bitteres Ende? Mary Joe, Managerin des Jachtklubs, erklärt: Früher war die Marina für Segler meist die letzte Anlaufstelle vor der Abreise. Dann hieß es Abschied nehmen. Bitter. Uns versüßt ein Stück Limonenkuchen den Abschied. Eine Spezialität des Hauses, die schon so manchen Skipper zum Kurswechsel veranlasst hat. 

Wir nehmen jetzt Kurs zur Levericks Bay, steigen um in einen bunten, offenen Mini-Bus mit Holzbänken und knattern über die Insel zum 418 Meter hohen Gorda Peak. Und zum Lokal-Restaurant „Sugar & Apple“. Dort sitzen wir auf wackligen Stühlen an wackligen Holztischen und verputzen mit großem Appetit Cynthias Hähnchen-Eintopf. Mit Liebe gekocht, mit Hingabe gewürzt. Köstlich. 

Gut gestärkt fahren wir zur Attraktion The Baths am südlichen Zipfel der Insel. Zwischen der mystischen Landschaft aus riesigen Granitfelsen, malerischen Palmen und weißem Sand hatte auch Topmodel Heidi Klum schon mal einen Fototermin. Wir klettern – wahrscheinlich weniger fotogen – zwischen den Felsen herum, waten durch kleine Seen, zwängen uns durch Grotten und landen in einer himmlischen Strandbucht. Kristallklares Wasser, angenehm kühl, leuchtend Türkis. Auf dieser Reise kommt man ins Träumen. Und selten war man so entspannt. Stress? Hektik? Was soll das sein?

Der letzte Abend unseres Segeltörns ist angebrochen. Im Coco Maya Restaurant ist ein Tisch reserviert. Direkt am Strand mit Feuer, Fackeln, Felsen und Füßen im Sand. Wieder so ein Traum-Gefühl. Die Rückreise nach Europa? Kein Thema. Zeit zum Träumen.