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04.08.17 / Einseitiges Geschäft / Die EU-Staaten nehmen der Türkei weit mehr Immigranten ab als im sogenannten Flüchtlings-Deal vereinbart

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-17 vom 04. August 2017

Einseitiges Geschäft
Die EU-Staaten nehmen der Türkei weit mehr Immigranten ab als im sogenannten Flüchtlings-Deal vereinbart
Bodo Bost

Der sogenannte Flüchtlings-Deal mit der Türkei sollte die Lasten zwischen EU und Ankara gerecht verteilen. Ein neuer Bericht der EU-Kommission zeigt aber, dass die EU fünmal so viele Immigranten aus der Türkei aufgenommen wie die Türkei von Griechenland zurückgenommen hat.

Im Sommer 2015 und Anfang 2016 kamen Hundertausende, die sich die teuren türkischen Schlepper leisten konnten, von der Türkei aus über Griechenland nach Europa. Um die Zahl der ankommenden Immigranten zu verringern, hat die EU auf Anregung von Angela Merkel am 18. März 2016 mit der Türkei überstürzt einen Deal ausgehandelt und unterzeichnet. Nach diesem Abkommen sollten die meist begüterten Syrienflüchtlinge auf den griechischen Inseln nach der Prüfung und der Ablehnung ihres Asylbegehrens von Griechenland in die Türkei zurückgeschickt werden. Im Gegenzug sollten wirklich bedürftige Flüchtlinge in gleicher Zahl direkt von der Türkei aus in die EU, sprich Deutschland, verteilt werden.

Die Umsetzung des hastig ausgehandelten Deals begann genauso chaotisch, wie er ausgehandelt worden war. In Griechenland war nämlich gar nicht die Infrastruktur für ein geordnetes Asylverfahren vorhanden, obwohl es die gesetzliche Möglichkeit für ein solches spätestens seit dem Beitritt Griechenlands zur EU 1983 eigentlich hätte geben müssen. Hastig wurden von der EU Entscheidungsstellen und Asylgerichte auf den griechischen Inseln installiert, zusätzlich zu den Aufnahmekapazitäten für Flüchtlinge, die in keiner Weise EU-Normen entsprachen.

In der Hektik begann die Arbeit zunächst mit den Immigranten die in Griechenland von dem Deal und der Grenzschließung überrascht worden waren. Sie glaubten monatelang weiter, doch noch ohne Registrierung nach Deutschland gelangen zu können. Das Chaos-Lager Idomeni an der mazedonischen Grenze, das monatelang den Zugverkehr lahmlegte, spricht dafür Bände. Selbst nach der Auflösung dieses Lagers warteten Immigranten Monate, um überhaupt nur registriert zu werden. Die Lager auf den Inseln quellen über.

Merkel hat mit dem Pakt mit der Türkei und der in Zusammenhang damit von Österreich ausgehandelten Grenzschließung der Balkanstaaten ihre Kanzlerschaft gerettet. Seitdem droht der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan fast jede Woche den Europäern damit, den Deal platzen zu lassen und die Schleusen wieder zu öffnen. 

Allerdings weiß kaum jemand, ob es wirklich der Deal mit Erdogan oder die Balkan-Grenzschließung war, die den Flüchtlingsstrom um fast 90 Prozent zum Erliegen gebracht hat. Doch Erdogan hat in Zeiten einer stagnierenden Wirtschaft und eines einbrechenden Tourismusmarktes tatsächlich gar kein Interesse daran, den Pakt aufzukündigen. Seine Regierung braucht die drei Milliarden Euro an Hilfsgeldern aus Europa heute mehr denn je. Deren Zweck­gebundenheit indes hat Ankara längst unterlaufen, wie Nachforschungen der EU ergaben. Sollte Erdogan den Deal wirklich aufkündigen, verlöre er diese Gelder und damit auch sein stärkstes politisches Druck­mittel gegenüber der EU.

Eineinhalb Jahre nach Abschluss des Deals wurde jetzt bekannt, dass die EU-Staaten ihren Part übererfüllen. Einem Bericht der „Bild“ zufolge nimmt die EU fünfmal so viele Immigranten aus der Türkei auf wie vereinbart. Danach wurden seit Inkrafttreten der Vereinbarung mit der Regierung in Ankara gerade einmal 1210 Personen, die über die Türkei auf die griechischen Inseln gelangt waren, wieder dorthin zurückgeschickt. So viele kamen 2015 manchmal innerhalb einer Stunde in Griechenland an. Im gleichen Zeit­raum haben die EU-Staaten aber bereits 6200 Syrer aus der Türkei auf bisher 15 EU-Länder verteilt. Allein 2300 davon kamen nach Deutschland. Nach dem Flüchtlings-Deal sollte es eigentlich ein 1:1-Verfahren geben. Für jeden von den griechischen Inseln in die Türkei rückgeführten Syrer sollte ein anderer Syrer aus der Türkei in der EU aufgenommen werden.

Als Hauptursache für den schleppenden Rücktransport von Immigranten von den griechischen Inseln in die Türkei nennt der von der „Bild“ zitierte Bericht der EU-Kommission die „langsamen“ Asylverfahren in Griechenland. Ein Großteil der Betroffenen lege Widerspruch gegen die Ablehnung ihres Asylantrages ein, wie das auch in Deutschland die Asylsucher tun. Die griechischen Asyl-Berufungskommissionen bearbeite jedoch im Schnitt pro Woche nur 47 Entscheidungen, heißt es in dem EU-Bericht. Das sei auch eine Ursache für die Überfüllung der Lager auf den griechischen Inseln. Auf die eigentlich 7000 Plätze kommen derzeit 14000 Personen.