25.04.2024

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04.08.17 / Scharfe Bereicherung / Im Deutschen gibt es einen neuen Buchstaben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-17 vom 04. August 2017

Scharfe Bereicherung
Im Deutschen gibt es einen neuen Buchstaben
Thomas W. Wyrwoll

Die deutsche Sprache wurde offiziell um einen Buchstaben reicher: das Große Scharfe S. Der ursprünglich aus einer Ligatur von Langem S und Z entstandene und daher als Eszett bekannte Buchstabe wird zwar momentan nirgends am Wortanfang verwendet, wo es zu einer regelgerechten Großschreibung kommen könnte. Allerdings dienen Großschreibungen aller Buchstaben der Hervorhebung eines Wortes und sind daher nicht selten. Bisher hatte man sich in solchen Fällen zumeist damit beholfen, indem man hier ein Doppel-S setzte. Eine den Wurzeln entsprechende alternative Auflösung in „SZ“, welche der Duden ursprünglich vorsah, wurde erst lange nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Variante „SS“ ersetzt, wobei die SZ-Schreibung zunächst noch bei missverständlichen Worten beibehalten werden konnte. Erst die reformierte Rechtschreibung der jüngsten Zeit stieg dann ganz auf eine SS-Lösung um.

Da solche Ersatzbehelfe nicht wirklich befriedigen, bemühten sich Schriftgestalter bereits ab dem 19. Jahrhundert um die Schaffung eines großen beziehungsweise Versal-Eszetts. Hierbei wurden verschiedene Formen durchgespielt, von denen inzwischen weithin ein verbreitertes kleines Eszett als beste Lösung betrachtet wird. Offizielle Anerkennung hatten diese Bemühungen lange Zeit nicht gefunden. Allerdings begannen die bundesdeutschen und österreichischen Meldebehörden mit der Zeit, im Sichtbereich von Ausweisen einen typographischen „Mischsatz“ zu verwenden, in dem das klein-Eszett zwischen Großbuchstaben eingefügt wurde, um etwa Frau WEIß von Frau WEISS unterscheiden zu können. Schön sah das nicht aus. 2007 wurde dann endlich ein großes Eszett als Buchstabe nach den DIN- und ISO-Normen kodifiziert und damit in seiner Existenz anerkannt. 2010 verfügte der quasi-amtliche Ständige Ausschuss für geographische Namen in seinen „Empfehlungen und Hinweisen für die Schreibweise geographischer Namen“ die Verwendung des nun verfügbaren Versal-Eszetts für Ortsnamen. Schließlich schlug im Dezember vergangenen Jahres der Rat für deutsche Rechtschreibung unter Verweis auf den behördlichen Sprachgebrauch und eine von diesem indirekt angestoßene Verwendung des Versal-Eszetts in der Werbung, welche dann wiederum von den Medien und sogar in Schulbüchern übernommen worden sei, die Einführung des Buchstabens in die allgemeine Sprache vor. Wie der Rat kürzlich mitteilte, hätten in den letzten Monaten alle zuständigen Stellen der offiziell deutschsprachigen Länder und Gebiete – mit Ausnahme der Schweiz und des Fürstentums Liechtenstein, die das Eszett nicht verwenden – die von ihm vorgeschlagenen Regelungen angenommen, so dass das große Eszett nun erstmals offiziell verwendet werden könne.

Wir haben dem Rat noch eine weitere Errungenschaft zu verdanken: Ab sofort können eigenbegriffliche Verbindungen aus Adjektiv und Substantiv durch eine Großschreibung des Adjektivanfangs herausgestellt werden. Man „darf“ daher jetzt amtlich sowohl „Goldene Hochzeit“ als auch „goldene Hochzeit“ schreiben. Auch zuvor in ihrer Schreibweise umstrittene Begriffe wie der des „Heiligen Vaters“ werden dank der neuen Regeln ab sofort in allen Fällen mit staatlichem Segen groß geschrieben.