24.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
04.08.17 / Heimatlose Fromme / Evangelische Würdenträger bejubelten die „Ehe für Alle“ – Nun brodelt es in ihrer Kirche

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-17 vom 04. August 2017

Heimatlose Fromme
Evangelische Würdenträger bejubelten die „Ehe für Alle“ – Nun brodelt es in ihrer Kirche
Gernot Facius

Wolf Biermann sang in seinem 1967, noch in der DDR, verfassten Hölderlin-Lied: „In diesem Land leben wir wie Fremdlinge im eigenen Haus.“ Heute borgen sich  fromme Protestanten diese Zeile – und ersetzen „Land“ durch „Kirche“.

Wer sich strikt an die kirchlichen Bekenntnisschriften hält, hat es derzeit schwer, sich gegenüber den Führungsspitzen evangelischer Landeskirchen durchzusetzen. Diese wollen das Verständnis von Ehe „fortentwickeln“ und den Bund fürs Leben für gleichgeschlechtliche Paare öffnen. Nach der Parlamentsabstimmung vom 30. Juni berufen sie sich mit voller Lautstärke auf die Politik. Dabei kann es gar keinen Automatismus geben. Das staatliche Eherecht regelt allein die bürgerliche Ehe. Verpflichtende Auswirkungen auf die Kirche hat das Bundestagsvotum nicht. In Deutschland sind Staat und Kirche seit 1919 getrennt, das bestimmt auch der Artikel 140 des Grundgesetzes, der auf entsprechenden Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung fußt. Seit fast 100 Jahren sind die Zeiten vorbei, in denen der Staat den Kirchenbehörden eine Weisung  erteilen könnte.

Den meisten Amtsträgern sei zudem gar nicht klar, welche Konsequenzen die Bundestagsentscheidung habe, sagt der evangelikale Theologieprofessor Stephan Holthaus aus Gießen. Wer die „Ehe für alle“ wolle, werde in Kürze mit Anträgen auf Anerkennung weiterer Ehekonstellationen konfrontiert werden, auch für die Anerkennung polygamer Ehen, beispielsweise von Muslimen: „Wer wollte dem etwas entgegensetzen. Eine Ablehnung wäre doch Diskriminierung“. Selbst die liberale „Süddeutsche Zeitung“ sah Fragen auf die Kirche zukommen wie „Warum soll nicht das Brüderpaar heiraten und sich um adoptierte Kinder kümmern? Warum nicht die beiden lesbischen Frauen und der Mann, der biologischer Vater ihres Kindes ist – und wenn ja, warum nicht der Muslim und seine beiden Frauen?“ Alles so abwegig? 

Hart ging der Hamburger Pastor Ulrich Rueß mit seiner Kirche ins Gericht: In ihr herrsche die „Diktatur des Zeitgeistes, nicht die Leitung durch den Heiligen Geist“. Desaströs sei es für den Protestantismus, dass sich die EKD-Spitze ausdrücklich hinter die „Ehe für alle“ stelle, schreibt auch Alexander Garth im evangelischen Magazin „idea-spektrum“. Garth ist Pfarrer an der Stadtkirche Wittenberg, wo der Reformator Martin Luther einst predigte. Garth sieht viele Fromme heimatlos werden. Eine bittere Klage: „Wer von den kirchlichen Spitzenkräften versteht überhaupt noch, was in frommen christlichen Gemütern vorgeht? Die frommen, die Kirche weithin tragenden Kräfte können überhaupt nicht nachvollziehen, wie eine Kirche, die Luther im Namen trägt und sich auf ihn beruft, derartig vor dem Säkularismus und der postmodernen Beliebigkeit einknicken kann.“ Die Kirchenspitze führe sich auf wie eine Obrigkeit, die die Bürger „vereinnahmt und entmündigt“.  Muss man sich da noch wundern, dass die Landeskirchen schrumpfen – nicht nur aus den bekannten demografischen Gründen, sondern auch wegen der  theologischen wie ethischen Beliebigkeit in großen Teilen des Protestantismus? 

Wenn ein Berliner Superintendent (Berthold Höcker) in einem schwarzen Kollar-Hemd und um den Hals eine pinke Federboa in einem Kirchenwagen beim 39. Christopher Street Day durch die Berliner Innenstadt fährt, dann ist das für viele, durchaus tolerante, Protestanten auch heute noch eine Zumutung. Zumal, wenn auf besagtem Wagen, wie ein Reporter von „idea“ beobachtet hat, ein nahezu nackter Mann mitfuhr. Er hatte sich einen Kopfschild gebastelt mit Heiligenschein und der Aufschrift „Ehe mit allem“. Auf der Rückseite stand: „Dein Wille geschehe“. 

Die EKD wird an solchen Fehlentwicklungen (noch) nicht zerbrechen, aber sie muss sich auf neue interne Kämpfe einstellen, und an deren Ende könnte eine weitere Marginalisierung des landeskirchlichen Protestantismus stehen. Vor allem wenn sich herausstellen sollte, dass auf Geistliche, die sich einer Trauung oder Segnung von „Homo-Ehen“ widersetzen, disziplinarisch Druck ausgeübt wird.  

Eine weitere Folge des innerprotestantischen Konflikts: Es formieren sich schon heute neue, bislang für unmöglich gehaltene Allianzen – zwischen katholischen Bischöfen und Teilen der evangelischen beziehungsweise evangelikalen Freikirchen.  In vielen dogmatischen Fragen bleiben die Unterschiede bestehen, aber in Sachen Ehe und Familie zeigt sich weitgehende Übereinstimmung. Und beide Seiten hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein klärendes Wort sprechen wird. Wer es noch nicht wahrgenommen hat, der erfährt es jetzt: Seit der von prominenten EKD-Vertretern bejubelten Bundestagsentscheidung vom 30. Juni, unter die der (evangelische) Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach kurzer Prüfung seine Unterschrift gesetzt hat, gehen in Deutschland die ökumenischen Uhren anders.