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04.08.17 / Königsberger zu Schuldnern erklärt / »Kaliningradteploset« verschickt Mahnbescheide an Kunden – Politik reagiert nicht auf Beschwerden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-17 vom 04. August 2017

Königsberger zu Schuldnern erklärt
»Kaliningradteploset« verschickt Mahnbescheide an Kunden – Politik reagiert nicht auf Beschwerden
Jurij Tschernyschew

Dieser Tage wundern sich immer mehr Königsberger über Post vom Gericht in ihren Briefkästen. Der Grund: Das städtische Energieunternehmen „Kaliningradteploset“, der Wärmelieferant, verlangt Zahlungen für überhöhte Rechnungen.

Wunder gibt es immer wieder, heißt es. So staunten die Mieter von zahlreichen Wohnhäusern in allen Stadtteilen Königsbergs über gerichtliche Mahnbescheide, deren Versand ihr Wärmelieferant veranlasst hatte. Zuvor waren in allen Mehrfamilienhäusern Verbrauchszähler für die Heizung installiert worden mit dem Argument, dass die Mieter damit nur für die tatsächlich verbrauchte Wärme zahlen müssten und nicht mehr wie bisher nach teils unfairen Verteilungsschlüsseln.

Nun gibt es zwar in fast allen Mehrfamilienhäusern gemeinsame Zähler für Wasser und Heizung, aber die Höhe der Rechnungen hat sich in beiden Fällen trotzdem erhöht. Und das in drastischem Maße. Zu Beginn des Jahres schossen die Heizkosten regelrecht in die Höhe. Für die Heizung einer Zweizimmerwohnung mit einer Fläche von 40 bis 50 Quadratmetern beispielsweise waren auf einmal 10000 Rubel (zirka 142 Euro) fällig gegenüber etwa 2500 (knapp 36 Euro) vor der Anbringung der Zähler. 

Die aufgebrachten Mieter stürmten das Büro des Wärmelieferanten, um zu klären, was das soll. Dort erzählte man den erstaunten Kunden, dass man die Daten von Verwaltungsgesellschaften erhalte, die monatlich den Stand der Zähler erfassten und meldeten. Aufgrund dieser Daten würden die Rechnungen erstellt. Bei den Verwaltungsgesellschaften sagte man den Verbrauchern, dass man exakt die Daten übermittele, welche die Zähler aufzeichneten. Niemand konnte jedoch erklären, warum die Rechnungen für Januar und Februar doppelt so hoch waren wie die im Dezember.

Sollte es möglicherweise zu Wärmeverlusten durch marode Rohre gekommen sein, hätten die bauftragten Verwaltungsgesellschaften dem eigentlich nachgehen müssen. Der städtische Energieversorger „Kaliningradteploset“ ließ offenbar keine Untersuchung des Netzes durchführen. Durch diese massiven Beschwerden unter Druck geraten, versuchte das Unternehmen, die Menschen mit hochwissenschaftlichen Erklärungen zu beruhigen. In vielen Gebäuden seien die Pumpen veraltet und mechanische Einheiten installiert, während es in neuen Häusern automatische Ausrüstungen gebe, die besser mit den Übergabepunkten harmonierten als die alte Technik. Darum müssten sich allerdings Fachleute kümmern.

„Kaliningradteploset“ empfahl, die Heizungsanlagen überprüfen und neu einstellen zu lassen. Die Kosten dafür müssten die Mieter tragen. Dabei ist nicht einmal klar, ob dies der eigentliche Grund für den gestiegenen Verbrauch ist. Denn merkwürdig bleibt, dass dieses Phänomen gleichzeitig in einer großen Zahl von Häusern in verschiedenen Stadtteilen aufgetreten ist. Wärmezähler gibt es in vielen Häusern nicht erst seit diesem Jahr. Die Fassaden der Häuser sind dieselben geblieben, es gab keine defekten Fenster und keine undichten Rohre. Dennoch soll laut Zählerablesungen der Verbrauch im Januar 2017 im Vergleich zum Dezember 2016 um 90 Prozent gestiegen sein. Dabei waren die Temperaturen in etwa gleich, und es gab keinen Frost.

In Folge des horrenden Preissprungs für Wärme haben die Mieter Tausende Rubel Schulden angehäuft, weil sie die zweifelhaften Forderungen nicht gleich bezahlt haben.

Ab Mitte Juni verschickt das Unternehmen Kopien von Klageschriften an die säumigen Verbraucher, um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Viele Verbraucher erfuhren überhaupt erst durch diese Briefe von angeblich ausstehenden Beiträgen. Vor dem Gebäude des Unternehmens versammeln sich seit Juli jeden Tag eine Schlange von Menschen, die ungeahnt zu Schuldnern wurden.

„Kaliningradteploset“ nennt sein Vorgehen zynisch „die Zahlungsmoral der Bürger“ fördern. Das Unternehmen schickt monatlich 6000 Anträge ans Gericht, um Forderungen gerichtlich geltend zu machen. Doch im Juni und Juli wurden nur Fälschungen von Klagen an die Bürger geschickt, die in Wirklichkeit gar nicht eingereicht wurden. Sie dienten lediglich dazu, die Verbraucher zu erschrecken. Dabei bleiben selbst diejenigen nicht verschont, die pünktlich gezahlt hatten. 

Vor allem ältere Menschen trifft das harsche Vorgehen des städtischen Betriebs. Unter ihnen gibt es nicht wenige, die Tausende Rubel Schulden angesammelt haben sollen. Woher diese Summen kommen, können sich die Menschen nicht vorstellen. „Kaliningradteploset“ verweist sie an die Verwaltungsgesellschaften, die für die Häuser zuständig sind. Dort schickt man sie zurück zum Energieversorger. Die Stadtregierung sieht keine Eile geboten, den vielen betroffenen Bürgern zu helfen, deren monatliche Rechnung für Heizkosten die ihrer Renten um eine beträchtliche Summe überschreitet.