20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
04.08.17 / Lewe Landslied, liebe Familienfreunde,

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-17 vom 04. August 2017

Lewe Landslied, liebe Familienfreunde,

manchmal wird es einem doch schmerzhaft bewusst, dass wir Mitläufer der Zeit sind und vieles auf unserem langen Weg durch die Jahrzehnte auf der Strecke blieb, was nun unwiederbringlich verloren ist. Das betrifft nicht nur Materielles, man kann es auch auf die Menschen übertragen, die nun nicht mehr unter uns sind, und die uns fehlen, sehr fehlen – und das betrifft über den eigenen Familienkreis hinaus auch andere Vertraute, deren Rat man gerne einholen möchte. Das bekomme ich auch immer wieder zu spüren, wenn ich bei einer Leserfrage gezwungen bin, mögliche Infor-manten anzusprechen, von denen ich annehme, dass sie über die benötigten Kenntnisse verfügen. Dann greift man zum Hörer – und legt ihn bald wieder auf, denn die sonst immer verlässliche Quelle ist versiegt, man hatte es nur ver-gessen oder nicht gewusst. So sind auch manche Leserinnen und Leser nicht mehr unter uns, die mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung immer anspruchsbereit waren und deren Kenntnisse der Ostpreußischen Familie zu Gute kamen, vor allem wenn es sich um Fragen handelte, die ihre Erinnerungen an die verlassene Heimat betrafen. Das wurde mir mal wieder bewusst, als ich die Suchfrage von Mr. Owen M. Mc Cafferty bekam, der von seinem Wohnsitz im Staate Ohio aus ostpreußische Ahnenforschung betreibt. Er stammt von der Salzburger Einwandererfamilie Salecker ab, und die Suche nach seinem Urururgroßvater, von der wir in Folge 18 berichteten, wurde bereits mit Erfolg gekrönt. Aber es tauchten auch viele Un-gereimtheiten auf, die vor allem den Herkunftsort der Familie am Ufer des Wistyter Sees betrafen. Mal wird er Wischtiten, mal Wistytis genannt, wobei der litau-ische Name in mehreren Varian-ten in den alten Gemeindelisten verzeichnet ist. Die hat nämlich unser eifriger Mithelfer Bernd Dauskardt durchforstet, denn ihn interessiert die Historie dieses Ortes mit seiner wechselhaften Geschichte sehr und stellt nun seinerseits Fragen. Wie waren zur Zeit der Salzburger Einwanderung die Grenzverhältnisse am Wystiter See? Es ist schon interessant, gerade diese östlichsten Zipfel Ostpreußens in seiner wechselhaften Geschichte zu durchleuchten, wie es sich Herr Dauskardt vorgenommen hat, der dem jungen Ahnenforscher in Amerika bereits einige wichtige Angaben über die „Sippe Salecker“ machen konnte. Wieder eine Verbindung, die durch unser „Netzwerk Ostpreußische Fami-lie“ geknüpft wird, worüber wir uns natürlich sehr freuen.

Auch ich bekam einen ganzen Packen Info-Material von Herrn Dauskardt, in der Hauptsache Auszüge aus alten Ortsregistern, in denen der Name Salecker ver-zeichnet ist. Und mit Kartenmate-rial, das auch nicht gerade auf-schlussreich ist, weil der Grenz-verlauf wechselt: Mal gehört der Wystiter See zu Preußen, mal geht die Grenze durch das Gewässer. In diesem Zusammenhang weist Herr Dauskardt darauf hin, dass die offizielle Wandkarte „Ostpreußen“ der LO den See als zu Deutschland gehörend aufzeigt. Was mich aber besonders an dem Info-Material interessierte war die Tatsache, dass Herr Dauskardt eine bisher noch nicht genannte Ortsbezeichnung ins Spiel brachte: Kornberg. Mein Jagdinstinkt war geweckt. Ich zapfte die von ihm benannte Quelle an, die auch für mich eine vielseitige und verlässliche ist – „Langes Geographisches Ortsregister Ostpreußen“, ein fast 1000 Seiten starker Wälzer im Großformat –, in dessen Register ich den Ortsnamen Wystiten nicht gefunden hatte. Aber siehe da: Kornberg war verzeichnet als 350 Seelen-Dorf westlich des Wystiter Sees, das bereits anno 1540 gegründet wurde – na, unter welchem Namen? Wystiten. Es hat ihn im Laufe der Geschichte mehrfach gewechselt, bis 1938 hieß der Ort Kallweitschen, dann wurde er in Kornberg unbenannt. Er gehörte zum Kirchspiel Wehr-kirchen, früher Schittkehmen. Diese Spur gilt es nun weiter zu verfolgen, und das werden wir auch tun. Vielleicht werden wir die Nuss bald knacken, wie Bernd Dauskardt hofft.

Diese Ausführungen gelten nicht nur dem Thema selber, sondern schlagen auch einen Bogen zu meinen Eingangsworten in dieser Kolumne. Denn gerade zum Wystiter See gab es gute Infor-manten in meiner eigenen Fami-lie, und ich hätte eben nur zum Telefonhörer greifen müssen, um etwas zu erfahren, was uns in dieser Sache weitergebracht hätte. Aber sie leben nicht mehr, sind hochbetagt vor einiger Zeit verstorben, meine Cousine Lene und ihr Bruder Fritz, die einen Teil ihrer Kindheit in Bredauen verbracht haben, auf dem elterlichen Gut ihrer Mutter. Und dieses Bredauen liegt am Nordufer des Sees, meine Cousine hat mir oft von den herrlichen Tagen in ihrem Kinderparadies, der Halbinsel Salis, erzählt. Sie hätten mir mit Sicherheit über den Grenzort Wystiten berichten können, vielleicht auch über die Familie Salecker, die gerade in diesem Raum um Bredauen eine „Hochburg“ hatte, wie Herr Dauskardt entdeckte. Sie wären gute Informanten gewesen, aber die Zeit spulte immer schneller ab. Deshalb bitte ich immer wieder unsere älteren Landsleute, wenn sie als Zeitzeugen gefordert werden, nicht abzuwehren mit einem resignierten „Was soll das noch!“, sondern mit ihren Erinnerungen dazu beitragen, das Bild unserer verlassenen Heimat zu bewahren.

Es ist nicht immer nur der Nachlass eines Verstorbenen, in dem man etwas entdeckt, das einer Veröffentlichung wert wäre, weil es auch das Schicksal anderer Menschen betreffen könnte – man findet selbst im eigenen Umfeld Dinge wieder, die vergessen schienen und die noch heute Bedeutung haben könnten. So erging es Herrn Hans-Egon von Skopnik, als er nach längerer örtlicher Abwesenheit bei Aufräumarbeiten ein altes Foto entdeckte, das nicht nur für ihn einen gewissen Aussagewert haben dürfte. Es zeigt die Abschlussklasse des Königsberger Hufengymnasiums in den Jahren vor dem Abitur 1932/33. Unter den Abiturienten befindet sich auch sein Vetter und Patenonkel Wolf-Dietrich Max-Ferdinand von Skopnik, Erbe des Rittergutes Glittehnen im Kreis Rastenburg. Sein Jahrgang 1917 wurde gemustert und so kam auch er zur Wehrmacht. Bei der Kapitulation von Königsberg am 9. April 1945 geriet er als Oberleutnant der „Schweren Flakabteilung 213“ in sowjetische Gefangenschaft. Wegen des Wortes „von“ in seinem Namen kam er in ein NKWD-Speziallager nach Kasachstan, wo er in einem Kriegsgefangenenlazarett am 3. Februar 1947 verstarb. Dort liegt auch seine Grabstelle. Lange hatte Hans-Egon von Skopnik versucht, das Schicksal seines Verwandten zu klären. Erst als nach der sogenannten Wende ein Büro in Moskau eröffnet wurde, das Auskunft über das Schicksal deutscher Kriegsgefangener in russischen Lagern gab, erhielt er auf Anfrage hervorragende Informationen über die letzte Lebenszeit seines Vetters und dessen Grabstelle in Kasachstan. Wir haben damals in unserer Ostpreußischen Familie seine Erfahrungen und Erkenntnisse weitergegeben in der Hoffnung, dass sie sie auch für ähnliche, bis dahin vergebliche Suchaktionen richtungweisend sein könnten, was dann auch der Fall war. Durch die gemeinsame Teilnahme an LO-Seminaren vertieften sich noch diese Verbindungen, die nun durch das Schreiben von Hans-Egon von Skopnik wieder reaktiviert werden. Und durch das Foto der Abiturienten vom Hufengymnasium, von denen vielleicht auch andere ein vergleichbares Schicksal gehabt haben wie sein Vetter, meint Hans-Egon von Skopnik. Auf dem Foto ist dieser in der mittleren Reihe als Vierter von rechts zu sehen.

Nur kurz hatte ich in Folge 29 erwähnt, dass Frau Irmtraut Sigrid Bließner aus Neuss gerade dabei ist, alte Fotos aus Neidenburg in ein Internet-Archiv einzuscannen. Das erweckte das Interesse von Frau Marianne Pielka aus Berlin, denn ihre Eltern stammen beide aus Neidenburg. Ihr Vater, der Fleischermeister Otto Tonski, ist bereits verstorben, aber ihre Mut-ter Christel lebt noch, ist heute 92 Jahre alt. Die Familie konnte Fotos aus Neidenburg retten und bis heute bewahren. Nun will Frau Pielka sie Frau Bließner zukommen lassen, denn dann bleibt ihr Erinnerungswert erhalten.

„Wir suchen die Nadel im Heuhaufen“, schreibt Frau Ute Eichler, und es wäre wirklich ein kleines Wunder, wenn sich diese „Nadel“ finden würde. In unserer Leserschaft, und da können wir den „Heuhaufen“ schon etwas abladen, indem wir den Kreis der möglichen Informanten eingrenzen, denn es dürfte sich in erster Linie um frühere Bewohner von Lötzen handeln. Da wurde nämlich der Ehering gefunden, um den es in dieser Suchfrage geht. Herr Bernd Sawatzki hatte diesen „Fund“ Frau Eichler mitgeteilt, und sie gab nun den Suchwunsch weiter an uns. Es geht also um einen alten Ehering, der am Stadtrand von Lötzen (heute Gizycko) auf einem Grundstück gefunden wurde, das an der früheren Feldstraße (heute ul.Wiejska) liegt. Er trägt die Datumsgravur 6.3.32 und das Monogramm T.P. Wer war dieser T.P?, ist nun die Frage. „Vielleicht gibt die Vergangenheit frei, wann und unter welchen Umständen dieser Ehering verloren wurde? Welche Ehegeschichte könnte sich daraus ergeben?“, fragt Frau Eichler. Soweit wollen wir noch gar nicht denken sondern wären froh, wenn der Ehering der Familie zugeordnet werden könnte, aus der dieser Ringbesitzer stammte. Natürlich sollte man sich nicht auf die Lötzener Bürger, speziell auf die ehemaligen Bewohner der Feldstraße, beschränken. Er könnte auch einem Angehörigen der Wehrmacht oder einem Flüchtling aus einer anderen Ortschaft gehört haben. Da die Heirat 1932 stattfand, dürfte das Ehepaar P. zur Zeit der Vertreibung, in der wahrscheinlich der Ring verloren ging, schon mehrere Kinder gehabt haben. Aus diesem Kreis erhoffen wir uns Hinweise.

Wir haben in unserer Familiengeschichte bereits einen ähnlichen Fall zu verzeichnen, der allerdings fast ein Vierteljahrhundert zurückliegt. Damals ging es auch um einen Ring, der in Ostpreußen gefunden wurde und zwar auf einem ehemaligen Gasthofgelände in Kreuzburg. Ein russischer Offizier hatte ihn gefunden und ihn bewahrt, bis er einen ehemaligen Kreuzburger fand, dem er den Ring übergab mit der Bitte, den ehemaligen Besitzer aufzuspüren. Dieser übergab der Ostpreußischen Familie den Suchwunsch. Es gelang, die Tochter des ehemaligen – leider vermissten – Besitzers zu finden, die sehr glücklich über dieses unerwartete „Erbe“ war.

Eure Ruth Geede