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04.08.17 / Einstige europäische Paradestrecke vor Renaissance? / Die Berliner SPD kämpft gegen das Drama der Zugverbindungen nach Schlesien

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-17 vom 04. August 2017

Einstige europäische Paradestrecke vor Renaissance?
Die Berliner SPD kämpft gegen das Drama der Zugverbindungen nach Schlesien
Chris W. Wagner

Am 15. Juli rollte bereits zum dritten Mal der nach dem aus Breslau stammenden Begründer der SPD benannte Sonderzug „Ferdinand-Lassalle-Express“ von Berlin nach Schlesien. Erstmals hatte er den Oppelner Hauptbahnhof als Zielstation. Die Berliner SPD wirbt mit den Sonderfahrten unter dem Namen Lassalles für eine schnelle Direktverbindung Berlin-Oppeln. Die „Begrüßungsfahrt“ mit der neuen Zugverbindung EC 249 „Ferdinand-Lassalle-Express“ sollte ein Vorborte der zukünftig drei regelmäßigen Zugverbindungspaare nach Schlesien sein. Neu ist diese: abends Berlin-Oppeln, morgens zurück „Eurocity Ferdinand Lassalle“ mit E-Lok über den Flughafen BER, Hoyerswerda und Horka (gegebenenfalls als Verlängerung des IC Emden-Bremen-Cottbus), Fahrzeit 3:35 Stunden.

In Oppeln stehen die Berliner in Kontakt mit der Demokratischen Linken (SLD). „Unser Wunsch wäre, eine Schnellzugverbindung Berlin-Breslau-Oppeln vielleicht schon im Jahr 2019 einzuführen. So eine grenzüberschreitende direkte Schnellzugverbindung wäre nämlich auch im positiven Sinne konkurrenzfähig gegenüber dem normalen Straßenverkehr auf dieser Strecke”, sagt Pawel Kampa, Sekretär des Oppelner Wojwodschaftsrates der SLD gegenüber der regionalen Tageszeitung NTO.

Wie schnell es tatsächlich geht, davon überzeugten sich die Organisatoren der Aktion. Vier Stunden und zwanzig Minuten dauerte die Fahrt mit Stopps unter anderem in Berlin-Ostkreuz, Cottbus und Breslau. Dabei erreichte der Sonderzug eine Geschwindigkeit von bis 160 Kilometern pro Stunde. Es hätte auch schneller gehen können, doch die Strecke ist noch nicht überall auf dem neuesten Stand. Zwischen Kohlfurth und Horka bei Görlitz ist sie noch nicht elektrifiziert.

Mehr als 161 Jahre lang waren Fernzüge von Berlin nach Schlesien gefahren, bis es mit dem Fahrplanwechsel zum 13. Dezember 2014 erstmals seit dem Bau der Eisenbahn keine Fernverbindung mehr aus Schlesien in die deutsche Hauptstadt gab. Reisende müssen seit Abschaffung des Eurocitys „Wawel“ auf Fernbusse oder Pkw umsteigen. Mit der Ernennung Breslaus zur Europäischen Kulturhauptstadt wurde für ein Jahr der nur am Wochenende verkehrende „Kulturzug“ Dresden-Breslau eingerichtet, der immerhin über Elbflorenz eine Anreise aus Spreeathen in Schlesien möglich macht. Auch die Verbindung Dresden-Breslau hatte sich zuvor zum Fiasko entwickelt. Da die Nachfrage nun aber die Erwartungen übertraf, wurde das Angebot bis Ende 2018 verlängert. Diese Initiative wird in Polen vom „Polnisch-Deutschen Schienenpersonenverkehr“ unterstützt. Diese machte sich bereits für die dauerhafte Reaktivierung der Direktverbindung Dresden-Breslau stark. Reisende aus Oberschlesien müssen hierbei jedoch weiterhin noch in Breslau umsteigen. Marek Dyduch (SLD), Abgeordneter des Niederschlesischen Sejmiks, möchte erreichen, dass man bald von Oppeln auch nach Wien oder Ostrau fahren kann. Für die Berliner hat Schlesien ersteinmal Priorität. „Das Schienennetz wird immer mehr zu einem Flickenteppich und die Lücken sind exakt da, wo die Grenzen sind“, sagte Michael Cramer, der grüne Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Europaparlament bei Einstellung des EC „Wawel“ 2014 gegenüber dem Wochenblatt.pl. Vor allem erbost ihn, dass für eine Fahrzeitreduzierung von zwei Stunden bis Breslau nur 100 Millionen Euro gestemmt werden müssten: „Ich kenne kein weiteres Projekt in Europa, wo man mit 100 Millionen so viel Fahrzeit einsparen könnte. Aber ich kenne Milliardenprojekte wie Lyon-Turin (26. Milliarden) oder Stuttgart 21 (10 Milliarden), während wir mit einem Prozent davon diese Verbindung hier in Schuss bringen könnten.“

Die Fahrzeit von vier Stunden und zwanzig Minuten, die der „Ferdinand-Lassalle-Express“ jüngst erreichte, hatte der „Fliegende Schlesier“ vor dem Krieg jedoch in zwei Stunden und vierzig Minuten geschafft und schrieb damals europäische Hochgeschwindigkeitsgeschichte. „Jeder zweite Berliner ist ein Schlesier“, hatte Roswitha Schieb mit einem Buchtitel 2012 unterstrichen. Man hat den Eindruck, in der Berliner SPD ist der Anteil der Schlesier höher, als 2014 der letzte EC „Wawel“ (Krakau-Berlin) mit einer großen Trauerbegleitung verabschiedet wurde, übrigens ebenfalls eine Initiative der Berliner SPD. Bei den SPD-Begleitern hatte man gar den Eindruck, eine Vertriebenengruppe habe sich der Abschiedsfahrt angeschlossen. Geburtsorte wie Gräfenort, Breslau oder Goldberg und zahlreiche Familienerinnerungen machten damals die Runde. Nun scheint die Trauerphase überwunden zu sein und Oberschlesier können wieder auf eine Direktverbindung nach Berlin hoffen, während die Deutsche Bahn weiterhin ihren IC-Bus bewirbt und damit davon ablenkt, dass sie innerlich Abschied von einer über 160 Jahre währenden Schienentradition genommen hat.