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04.08.17 / Siebenarmige Göttinnen / Anna Kaminsky gewährt tiefe Einblicke in das Alltagsleben von DDR-Frauen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-17 vom 04. August 2017

Siebenarmige Göttinnen
Anna Kaminsky gewährt tiefe Einblicke in das Alltagsleben von DDR-Frauen
Silvia Friedrich

„Selbstbewusst, klug und umsichtig vollbringen Frauen hervorragende Leistungen im Beruf, bei der Erziehung ihrer Kinder und der Lenkung und Leitung unseres Staates“, hieß es in der DDR-Parteipropaganda 1961 bei der Beschreibung der gesellschaftlichen Rolle der Frau in der DDR. Bis Ende der 1980er Jahre waren 90 Prozent der DDR-Frauen im Beruf. Das Regime wurde nicht müde zu verkünden, dass nirgendwo Familie und Beruf so gut zu vereinbaren waren wie im ersten sozialistischen Staat auf deutschem Boden. 

Doch wie war es nun wirklich als Frau im Sozialismus? Die in Gera geborene Autorin Anna Kaminsky geht in ihrem Buch „Frauen in der DDR“ dieser Frage nach. Offiziell sorgte der SED-Staat vorbildlich für den weiblichen Teil der  Gesellschaft. Jedoch wird schnell deutlich, dass Frauen in ihren vielfältigen Rollen oftmals zerrissen waren. Kaminsky, seit 2001 Geschäftsführerin der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, stellt den propagandistischen Leitbildern eine Realität gegenüber, die so gar nicht zu den Verlautbarungen der SED-Führung passte. 

„Die Mehrzahl der Frauen, die nach 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone lebten, waren in der Weimarer Republik und Nazideutschland sozialisiert worden“, heißt es im Kapitel „Arbeite mit – plane mit – regiere mit“. Frauen, die von alten Rollenbildern geprägt waren, sie hatten erfahren, dass sich Systeme und Weltanschauungen änderten, aber von ihnen immer verlangt wurde, die neuen Gegebenheiten bedingungslos zu unterstützen. Auch jetzt wurde von ihnen erwartet, die ihnen zugedachten Rollen ohne Widerspruch zu übernehmen. Taten sie dieses, gehörten sie zu den fortschrittlichen Kräften des Staates. Verweigerten sie die Annahme, konnte es Repressionen und politische Verfolgung nach sich ziehen. Der Abschnitt „Wir müssen schreien, damit man uns hört“ gibt weitreichend Aufschluss über ein dunkles Kapitel der Nachkriegs- und DDR-Geschichte.

Kaminsky wirft einen Gesamtblick auf die Bedingungen, in denen die DDR-Frauen lebten, was sowohl das Berufsleben als auch das Leben im Privaten einschließt. Frauen kommen zu Wort, berichten über ihre Lebensläufe und geben tiefe Einblicke in ihre Lebenssituationen. Nicht vergessen wird, die für Frauen besonders schwierige Lage nach der Wende zu beleuchten, da Frauen weit mehr von den veränderten Lebensumständen betroffen waren.

Das  Buch ist ein ausgezeichneter historischer Abriss, der eine Wahrheit jenseits der Verklärung zeigt.


Anna Kaminsky: „Frauen in der DDR“, Ch. Links Verlag, Berlin 2016, gebunden, 320 Seiten,25 Euro