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11.08.17 / Medienversagen in der Krise / Studie untersucht den Vorwurf »Lügenpresse«: Er besteht zu Recht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-17 vom 11. August 2017

Medienversagen in der Krise
Studie untersucht den Vorwurf »Lügenpresse«: Er besteht zu Recht
Bodo Bost

Im November 2015 war der Begriff „Lügenpresse“, der im Jahr zuvor bereits zum Unwort des Jahres gekürt worden war, für viele im allgemeinen Sprachgebrauch angelangt. „Lügenpresse“ war für viele Menschen einfach die Art und Weise, wie Medien über die sogenannte Flüchtlingskrise berichteten, die zu diesem Zeitpunkt ihrem Höhepunkt zusteuerte. Seit damals haftet dieser Vorwurf den Staats- und Konzernmedien an. Wie der Begriff „Unwort“ schon sagt, wurden diejenigen, die das Wort von der „Lügenpresse“ in den Mund nahmen, zugleich als rechtsradikal gebrandmarkt. 

Jetzt haben Wissenschaftler der Hamburg Media School und der Universität Leipzig im Auftrag der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung eine Studie erstellt, die mit wissenschaftlichen Kriterien nachweist, dass die Staats- und Konzernmedien damals flächendeckend über die Hintergründe der Flüchtlingskrise schlichtweg belogen, falsch oder schlecht informiert haben, also anders ausgedrückt, zur „Lügenpresse“ wurden. Leiter der Studie war Michael Haller, selbst Journalist und Medienwissenschaftler (siehe PAZ vom 28. Juli).

Die Wissenschaftler haben mehrere tausend Artikel bundesweiter sowie regional erscheinender Tagezeitungen untersucht, hauptsächlich aus dem Zeitraum von Februar 2015 bis März 2016. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass während der Zuwanderungskrise zu unkritisch über die Zuwanderung berichtet wurde. Viele Medien hätten in dieser Zeit ihren Qualitätsanspruch über Bord geworfen und sich geschlossen hinter Merkels „Wir schaffen das“ gestellt. Dabei hätten sie die Menschen, die mit dieser Thematik unmittelbar konfrontiert waren, außer Acht gelassen. Eine offene Diskussion sei damit bewusst erstickt worden. Das Asylthema sei mit „zu viel Gutmensch-Sentimentalität und zu wenigen kritischen Nachfragen an die Zuständigen“ behandelt worden, so die Studie.

In rund der Hälfte der Berichte sei der journalistische Qualitätsgrundsatz, aus neutraler Sicht sachlich zu berichten, nicht durchgehalten worden. Bis zum Spätherbst 2015 habe kaum ein Kommentar einer etablierten Zeitung die Sorgen, Ängste und auch Widerstände eines wachsenden Teils der Bevölkerung – also ihrer eigenen Leserschaft – aufgegriffen. Wenn doch, dann in belehrendem, gegenüber mitteldeutschen Regionen sogar manchmal verächtlichem Ton. Kaum ein Kommentar habe zwischen Rechtsradikalen, politisch Verunsicherten und angesichts der Zuwanderungszahlen besorgten Bürgern differenziert. Der Begriff Willkommenskultur habe alles überlagern sollen, er sei zu einer Art Zauberwort verklärt worden, „mit dem freiwillig von den Bürgern zu erbringende Samariterdienste moralisch eingefordert werden konnten“, heißt es in der Studie. Wer Skepsis anmeldete, sei in die Nähe der Fremdenfeindlichkeit gerückt worden.

Haller macht als Grund dieses flächendeckenden Medienversagens von sowohl linken, liberalen als auch konservativen Blättern eine „Sinn- und Strukturkrise“ aus, welche die Medienbranche erfasst habe. „Große Teile der Journalisten haben ihre Berufsrolle verkannt und die aufklärerische Funktion ihrer Medien vernachlässigt“, heißt es. Von einer zunehmenden Entfremdung zwischen den Medien einerseits und ihren Konsumenten andererseits ist die Rede. Ob diese Entfremdung auch zu einem Rück­gang in den Auflagenzahlen geführt hat, sagt die Studie nicht. Nachvollziehbar wäre es.