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11.08.17 / Für Müller wird es eng / Berliner SPD steht vor historischem Wahldebakel – »Anti-Sarrazin« schielt auf Chefposten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-17 vom 11. August 2017

Für Müller wird es eng
Berliner SPD steht vor historischem Wahldebakel – »Anti-Sarrazin« schielt auf Chefposten
Norman Hanert

Wenige Wochen vor den Bundestagswahlen steckt die Berliner SPD in einem Umfragetief. Kommt es im September zu einer Wahlschlappe, könnte der Machtkampf unter den Sozialdemokraten wieder neu aufflammen.

Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa kündigt sich für die Sozialdemokraten in der Hauptstadt bei der Bundestagswahl eine krachende Niederlage an. Gut 1000 repräsentativ ausgewählte Berliner machten bei der „Sonntagsfrage“ auf Landesebene die CDU mit 22 Prozent zur stärksten Partei in Berlin. Die SPD verlor dagegen nochmals an Zustimmung und käme bei einer Wahl zum Abgeordnetenhaus nur noch auf 20 Prozent. 

Andere Umfragen sehen die SPD in Berlin im besten Fall bei 22 Prozent. Der CDU ist damit in der Spree-Metropole offensichtlich ein kleines politisches Wunder  gelungen. Erst im vergangenen September hatte die Union mit 17,6 Prozent ihr historisch schlechtestes Ergebnis bei Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus einstecken müssen. Auch die  Sozialdemokraten schnitten im Herbst 2016 mit einem historischen Tiefstwert bei Berlin-Wahlen ab – doch nun zeigt sich, dass es für sie sogar noch weiter abwärtsgeht. 

Das Verpuffen des Schulz-Effekts und die Lage der Bundes-SPD bilden nur einen Teil der Misere. Innerhalb der Rathauskoalition hat die SPD zudem Ressorts wie die Stadtentwick­lung an die Linken oder die Grünen abgegeben, mit denen früher bei den eigenen Stammwählern Punkte gesammelt werden konnten. Eine Rolle spielt auch, dass die SPD an der Spree mittlerweile schon sehr lange Zeit in Regierungsverantwortung steht. Eine Reihe von Wahlversprechen wirken vor diesem Hintergrund nicht sonderlich überzeugend, sondern provozieren eher die Frage, warum eine Umsetzung nicht schon längst erfolgt ist. 

Berlins SPD muss sich für den      24. September aber nicht nur auf eine Wahlschlappe einstellen. Es droht eine doppelte Niederlage. Für den Wahltag ist nämlich auch ein  Volksentscheid zur Offenhaltung des Flughafens Tegel angesetzt (die PAZ berichtete). Die rot-rot-grüne Regierungskoalition hat sich gegen den Weiterbetrieb des Flughafens ausgesprochen und will die Schließungspläne auch bei einem Erfolg des Volksentscheids nicht aufgeben. 

Äußerungen aus den Reihen der SPD deuten darauf hin, dass in den Reihen des Senats ein Erfolg des Volksbegehrens für möglich gehalten wird. Tatsächlich scheinen CDU, FDP und AfD, die seit Monaten eine Kampagne zur Offenhaltung des City-Flughafens unterstützen, ein Thema gefunden zu haben, das bei einem Teil der Berliner gut ankommt. Egal wie das Volksbegehren ausgeht, dem Senat drohen in jedem Fall Blessuren: Ignoriert die rot-rot-grüne Koalition die Tegel-Befürworter einfach, sind weitere Proteste garantiert. Ebenso, dass die Opposition das Thema weiter am Köcheln hält. Eine Kehrtwende vom Anti-Tegel-Kurs ist wiederum dem eigenen Lager kaum zu vermitteln und würde das Dreier-Bündnis vermutlich auf eine Zerreißprobe stellen. 

Obendrein droht der Koalition noch ein anderes Volksbegehren mit ähnlicher politischer Sprengkraft. Eine Initiative um den ehemaligen Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) und den ehemaligen Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) will mit dem Sammeln von Unterschriften beginnen, um ein Volksbegehren zur Videoüberwachung zur Kriminalitätsbekämpfung in Gang zu bringen. Vor allem Grüne und Linke lehnen den Einsatz von Videokameras vehement ab. Die Mehrheit der Berliner steht laut einer Umfrage allerdings hinter dem Einsatz der Kameras. 

Speziell dem Regierenden Bürgermeister und SPD-Landeschef Michael Müller stehen damit schwierige Zeiten bevor. Schon jetzt haben seine Beliebtheitswerte deutlich nachgelassen, während schwere Bewährungsproben wie die Tegel-Befragung noch bevorstehen. Mittlerweile wird ganz offen spekuliert, wann sein größter Konkurrent, der SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh, zum politischen Angriff übergehen wird. Saleh hatte bereits vor Jahren versucht, Müller in einer SPD-internen Wahl auszustechen. Der Vorstoß misslang damals gründlich. Ebenso ging Salehs Versuch daneben, Thilo Sarrazin aus der SPD  ausschließen zu lassen. Erfolg hatte der 40-jährige, in Palästina geborene Saleh allerdings, als er sich eine Mehrheit organisierte, um den Vorsitz der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus zu übernehmen. 

Eine Chance, Müller als SPD-Chef abzulösen, würde sich für Saleh bereits bei den SPD-Parteiwahlen im kommenden Jahr bieten. Eine Vorahnung, wohin es mit Saleh politisch gehen könnte, wenn es ihm gelingen sollte, Müller das Amt des Regierenden Bürgermeisters abzunehmen, liefert ein Buch, das der Sozialdemokrat vor Kurzem veröffentlicht hat. In dem Werk mit dem Titel „Ich deutsch. Die neue Leitkultur“, greift er den Begriff der Leitkultur auf, interpretiert ihn aber in einer bemerkenswerten Weise. Er betont, wie wichtig es sei, die deutsche Geschichte auch als Sohn eines Immigranten anzunehmen. Saleh, selbst Muslim, sieht allerdings auch den Islam als Teil Deutschlands.