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11.08.17 / Wirtschaftskrieg gegen Europa / US-Sanktionen zielen nicht nur auf Russland, sondern den ganzen europäischen Kontinent

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-17 vom 11. August 2017

Wirtschaftskrieg gegen Europa
US-Sanktionen zielen nicht nur auf Russland, sondern den ganzen europäischen Kontinent
Florian Stumfall

Der Wirtschaftskrieg zwischen den USA und Europa, der hier und da ahnungsvoll prophezeit wird, ist schon in vollem Gange. Europa aber ist in diesem Fall geografisch zu begreifen, nämlich als eine Zusammenfassung von EU und Russland. Mit Russland kommen die jüngsten Sanktionen der USA ins Spiel. Deren eigentlichen Wirkungen auf die europäischen Länder lassen sich nicht einfach als Kollateralschäden abtun.


Da ist zunächst die Begründung der Sanktionen: Russland habe im US-Wahlkampf zugunsten des späteren Wahlsiegers Donald Trump gehackt, es führe in der Ukraine Krieg und ebenso in Syrien. Im ersten Fall, der Hackerei, wollen uns die US-Medien weismachen, Russland habe Trump mit unlauteren Methoden zur Präsidentschaft verholfen und müsse daher jetzt von ebendiesem Präsidenten abgestraft werden. Was die Ukraine angeht, so haben die USA seit viereinhalb Jahren keinen einzigen glaubhaften Beweis für die Anwesenheit auch nur eines einzigen russischen Soldaten in der Ukraine erbracht. Und Syrien? Dort hat Russland als einziges Drittland zu Recht eingegriffen, weil es von dem legitimen Präsidenten Bashar al-Assad gerufen wurde – ganz im Gegensatz zu den USA, deren Krieg dort völkerrechtswidrig ist. 

So viel also zu den Begründungen der Sanktionen gegen Russland, von denen keine etwas taugt. Erklärbar werden sie erst, wenn man die Absichten ansieht, die damit verbunden sind. Und hier steht zweifelsfrei fest, dass es um Erdgas geht, und darum, wer die EU damit versorgen soll, wie seit Jahrzehnten Russland – oder aber die USA.

Aktuell ist die Frage deshalb, weil derzeit an der Gas-Pipeline Northstream 2 gebaut wird, die von Russland durch die Ostsee nach Deutschland führt. Von hier aus sollen die anderen EU-Länder versorgt werden. Das wollen die USA nicht zulassen. Sie haben schon begonnen, Flüssiggas nach Polen zu verschiffen und wollen die Verteilung Warschau überlassen. Auch das war ein Grund für den Jubel um Trump, als er vor dem G20-Gipfel Polen besuchte. So treiben die USA einen weiteren Keil zwischen Russland und Deutschland, was zu den wenigen festen Größen der Außenpolitik Washingtons gehört.

Die küstennahen Verdichtungs-Stationen für das US-Erdgas und die Terminals für die Verschiffung in den Atlantik-Häfen sind bereits unter der Ägide von Trumps Vorgänger Barack Obama gebaut worden. Der Wirtschaftskrieg gegen die Europäer und gegen Russland war also vorher schon geplant. Der Begriff Wirtschaftskrieg ist auch keineswegs übertrieben. Beugt sich im Regelfall Brüssel ebenso wie Berlin allen Vorgaben, die von den USA gesetzt werden, und gehören auch ansonsten die transatlantischen Treue-Schwüre zur britischen Parlamentsgeschichte, so ist doch jetzt Widerspruch laut geworden – Widerspruch gegen die USA.

Eine Sprecherin der EU-Kommission erklärte, Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker habe darauf hingewiesen, dass das US-Gesetz unbeabsichtigte Auswirkungen auf die EU-Interessen im Bereich der Energieversorgungssicherheit haben könnte. Deswegen habe die Kommission beschlossen, innerhalb weniger Tage angemessene Maßnahmen zu ergreifen, falls ihre Bedenken nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt würden. Bei aller ungewohnten Zivilcourage übt sich Juncker dennoch im Bauen goldener Brücken: „Unbeabsichtigt“ seien die „Auswirkungen auf die EU-Interessen“, und er scheut dabei keinen Spott. Es ist hier nämlich wie bei der Zebra-Jagd: Man schont das Wild nicht, wenn man vereinbart, man schieße nur auf die schwarzen Streifen und lasse die weißen unberührt. Die Sanktionen haben nämlich eine ganz klar ausgerichtete Konstruktion. Formal richtet sich das Verdikt gegen alle russischen Firmen, die am Bau von North­stream beteiligt sind. Nun ist es aber so, dass jede dieser russischen Firmen mit ausländischen Unternehmen zusammenarbeitet, meist mit deutschen. Legt man also den Russen das Handwerk, haben die Deutschen denselben Schaden. Nur so aber wird erreicht, was das Ziel des amerikanischen Angriffs ist: Russland soll zugunsten der USA aus dem Gas-Geschäft gedrängt werden, und Polen soll die wichtige Rolle des Verteiler-Zentrums zufallen 

– zum Schaden Deutschlands.

Das Argument für das Vorgehen der USA ist schwach. Man sorge sich um die Sicherheit der Energieversorgung Europas, heißt es. Dabei sollte in Rechnung gestellt werden, dass sich sogar die Sowjetunion in den kältesten Zeiten des Kalten Krieges als zuverlässiger und vertragstreuer Partner erwiesen hat. Davon abgesehen, gewinnen die USA ihr Erdgas durch das umweltschädliche Fracking und unter anderem deshalb sind sie deutlich teurer als die Russen.

Doch das mindert das Staunen über Junckers Ermannen ebenso wenig wie die Tatsache, dass ihm der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel darin gefolgt ist. Unterstützt von seinem Genossen Christian Kern, dem österreichischen Kanzler, verurteilte er tapfer die USA, es sei das wahre Ziel der Sanktionen, die Russen vom EU-Markt zu verdrängen und US-Arbeitsplätze zu sichern.

Da konnte Kanzlerin Merkel nicht mehr anders, und ließ ihren Sprecher den Eindruck erwecken, das sei auch ihre Meinung. Die Kanzlerin teile die Bedenken, so ihr Regierungssprecher Steffen Seibert, der sich zudem in halbherziger Kritik an die Adresse der USA versuchte: „Es ist, vorsichtig gesagt, ein eigenwilliges Vorgehen des US-Senats.“

(siehe Kommentar Seite 8)