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11.08.17 / Ein Künstler-Tod in Flandern / Er war ein Hoffnungsträger der Moderne – Das kurze Leben des Malers Wilhelm Morgner

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-17 vom 11. August 2017

Ein Künstler-Tod in Flandern
Er war ein Hoffnungsträger der Moderne – Das kurze Leben des Malers Wilhelm Morgner
Martin Stolzenau

Den ganzen August über tobte vor 100 Jahren im Ersten Weltkrieg die Dritte Flandernschlacht. Als am 16. Au­gust die Briten eine Offensive gegen deutsche Stellungen in der bei Ypern gelegenen Ortschaft Langemark unternahmen, stellte sich ihnen ein deutscher Soldat tapfer entgegen. Er widersetzte sich einer Gefangenschaft und  wurde erschossen.

Auf diese Weise endete das Leben eines verheißungsvollen Künstlers. Er hieß Wilhelm Morg­ner stammte aus Soest in Westfalen, entwickelte sich in der Malerkolonie in Worpswede zum Künstler und gedieh unter dem Einfluss von Wassily Kandinsky zum pionierhaften Expressionisten. In seiner kurzen Schaffenszeit schuf er rund 235 Bilder und über 1800 grafische Blätter. Viele seiner Arbeiten gehören inzwischen zu den Kostbarkeiten der frühen deutschen Moderne. Au­ßer im Wilhelm-Morgner-Haus in Soest finden sich zahlreiche Schöpfungen des Künstlers in den Sammlungen von Münster, Essen, Dortmund, Bochum und Berlin.

Morgner wurde 1891 in Soest geboren. Sein Vater, ein Militärmusiker und Eisenbahnschaffner, verstarb bereits ein Jahr nach der Geburt des Jungen. Die verwitwete Mutter hatte es mit dem zeichnerisch begabten Knaben nicht leicht, ihn auch für andere Schulfächer zu begeistern. 

Morgner absolvierte das Archigymnasium seiner Vaterstadt, zeichnete und malte, wann immer das möglich war, und kam in Kontakt zum gebürtigen Soester Otto Modersohn, der zu den Malergrößen in Worpswede gehörte und ihm eine Malausbildung empfahl.

Das „Einjährige“ – ein mit freiwilliger Meldung zum Wehrdienst vorgezogener Schulabschluss – musste er aber vorher in der Schule schaffen. Dann gab die Mutter ihr Einverständnis zur Übersiedlung nach Worpswede, wo das Maltalent ab Frühjahr 1908 die Malschule von Georg Tappert besuchte. Aber der Un­terricht erwies sich wider Erwarten als harte Arbeit. Unter „Zähneknirschen und mit Tränen“ eignete sich Morgner die abgeforderten Mal- und Zeichentechniken an. Doch dabei wurde zwischen dem Lehrer und dem Schüler aus dem anfänglichen Spannungs- ein Freundschaftsverhältnis, das über die Worpsweder Zeit hinaus von Dauer war. 

Nach seiner Rückkehr nach Soest arbeitete der junge Maler als freischaffender Künstler. In dieser ersten Werkphase dominierten bei ihm in Anlehnung an die Worpsweder Freilichtmalerei Landschaftsbilder mit arbeitenden Menschen. 1911 weilte Morgner für längere Zeit zur weiteren Vervollkommnung nochmals bei Tappert, der seine Malschule inzwischen nach Berlin verlegt hatte. Dabei festigte sich für kurze Zeit ein eigenwilliger Malstil, der durch einen „gestückelten Farbauftrag in der Nachfolge van Goghs“ gekennzeichnet war und als seine zweite Stilphase empfunden wird. Er empfand seine Malweise des „monumentalen Pointillismus“ als „subjektive Um­formung seiner Naturerfahrung“. Sie fand ihren Niederschlag in Bildern wie „Lehmarbeiter“ und „Holzarbeiter“, die bei der vierten Ausstellung der „Neuen Sezession Berlin“ 1911 für Aufsehen sorgten. Dazu kam die Bekanntschaft mit Franz Marc, der ihm den Kontakt zum Kandinsky-Kreis in München vermittelte.

Kandinsky, der maßgebliche Mitbegründer der Künstler-Vereinigung „Blauer Reiter“, gab Morgner neue Impulse. Er wagte sich an unkonventionelle Farbexperimente heran, schuf ornamentale sowie „organisch-abstrakte Kompositionen mit leuchtenden Farben“ und verarbeitete dabei auch religiöse Motive auf neue Art.

Zwischendurch entstand die heute als sein Hauptwerk interpretierte „Komposition mit Ak­ten“, die inzwischen zum Bestand des „Museums am Ostwall“ in Dortmund zählt. In Herwarth Waldens Zeitschrift „Sturm“ sowie in Franz Pfemferts „Aktion“ erschienen parallel expressionistische Holzschnitte und Zeichnungen von seiner Hand. Er war auf dem besten Wege zum künstlerischen Erfolg und zur deutschlandweiten Bekanntheit.

Im Herbst 1913 aber riss ihn die Einberufung zum Militär aus dem aufstrebenden Künstlerwirken. Nun ging es Schlag auf Schlag. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges im August 1914 brachte ihn zunächst an die West- und dann an die Ostfront, ehe er nach einem Intermezzo als Bataillonszeichner in Bulgarien und einer Rück­versetzung an die Westfront in der Schlacht bei Langemark fiel. Zu dem Zeitpunkt war der Hoffnungsträger der Moderne, der schon vor dem Krieg die Ahnung hatte, „ich könnte auf irgend eine Art zu Tode kommen, ohne daß ich mich erlebt hätte“, 26 Jahre alt.