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11.08.17 / Angst vor schleichender »Germanisierung« / Schlechte politische Beziehungen wirken sich auf Kultur-Einrichtungen im Königsberger Gebiet aus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-17 vom 11. August 2017

Angst vor schleichender »Germanisierung«
Schlechte politische Beziehungen wirken sich auf Kultur-Einrichtungen im Königsberger Gebiet aus
Manuela Rosenthal-Kappi

Seit ein paar Monaten schüren einige russische Staatsmedien im Königsberger Gebiet die Angst vor einer „schleichenden Germanisierung“ und zielen dabei auch auf kulturelle Einrichtungen wie das Deutsch-Russische-Haus in Königsberg und das Tilsiter Stadtmuseum ab. 

Seit der Öffnung des Königsberger Gebiets Anfang der 90er Jahre hat sich viel getan in Sachen Völkerverständigung. Gebürtige Ostpreußen besuchten ihre Heimat und knüpften Kontakte zu den heutigen Bewohnern ihrer Heimatorte, die nicht selten in Freundschaften mit gegenseitigen Besuchen mündeten.

Allgemein schätzen Russen die Deutschen für ihren Ordnungssinn, ihre Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit und – nicht zuletzt – die deutsche Kultur. Deutsche Dichter werden in Russland gelesen und geliebt. Im Russland der Nachkriegszeit wurde stets unter­schieden zwischen „Deutschen“ und „Faschisten“, sprich, „diejenigen, die gegen uns gekämpft haben, waren deutsche Faschisten“, so die Denkweise. Im Königsberger Gebiet wird vor allem die deutsche Königin Luise verehrt. Auch auf staatlicher Ebene waren die vergangenen zwei Jahrzehnte von einer Annäherung der einstigen Feinde und einer Überwindung der Gegensätze geprägt.

Seit der Krimkrise und der Annexion der Krim hat sich die Beziehung zwischen Deutschland und Russland deutlich abgekühlt. Die Stationierung von Nato-Truppen im Baltikum und im südlichen Ostpreußen hat die Situation nicht gerade verbessert. 

Die Auswirkungen bekamen zu Jahresbeginn das Deutsch-Russische-Haus in Königsberg zu spüren, dessen Präsident Viktor Hoffmann als „ausländischer Agent“ eingestuft wurde, weil er deutsche Fördergelder erhalte und sich poltisch betätige (Die PAZ berichtete, siehe Nr. 1, 7, 22). Und nun in Tilsit die Direktorin des Museums für Stadtgeschichte, Angelika Spiljowa. Ihr Vergehen: In einer Ausstellung anlässlich des 100. Geburtstags des deutschen Dichters Johannes Bobrowski waren zwei Bilder von dessen Hochzeit zu sehen, die ihn in Wehrmachtsuniform zeigen. Der Lyriker und Erzähler Bobrowski war am 9. April  1917 in Tilsit zur Welt gekommen. Seine Gedichte und Prosawerke zählen zu den bedeutendsten der deutschsprachigen Literatur. In seinen Werken hat er die „Schuld des deutschen Volkes“ anerkannt. Es ging ihm um die Versöhnung und Verständigung mit den östlichen Nachbarn. 

Einen Tag nach der Festveranstaltung, an der Klaus Brähmig, MdB, der deutsche Generalkonsul in Königsberg, Michael Banzhaf, sein litauischer Amtskollege sowie der Kulturamtsleiter der Stadt Tilsit, Oleg Waschurin, ein ehemaliger Fähnrich der russischen Armee, teilnahmen, ging Letzterem, der zu diesem Zeitpunkt noch keinen Anstoß an der Ausstellung (siehe PAZ Nr. 15) nahm, offenbar ein Licht auf, dass darin „die staatlichen Interessen Russlands“ gefährdet würden, weil „faschistische Propaganda“ gezeigt werde. Er ließ die besagten Bilder beschlagnahmen und forderte Spiljowa auf, ein Entlassungsgesuch zu schreiben. Dem kam sie nicht nach, sondern wandte sich an die Öffentlichkeit. 

Man könnte den Vorfall als Kompetenzgerangel in der Provinz betrachten – vielleicht hat ja Waschurin persönlich etwas gegen Spiljowa –, wenn es sich um einen Einzelfall handelte. Doch auch in Cranz wurde ein Verein aufgelöst, der den Schüleraustausch mit dem Kreis Pinneberg organisierte. 

Es sind vor allem die Staatssender „Rossija 1“ und „vesti.kaliningrad“, die antideutsche Ressentiments mit der Angst vor einer Germanisierung schüren. 

Ein Trost für alle, die sich um die Völkerverständigung kümmern, ist die Tatsache, dass die Scharfmacher in der Minderheit sind. Die meisten Menschen im Königsberger Gebiet belächeln die Meldungen der Staatsmedien. „Germanisierung? Was denn für eine Germanisierung? Das Gebiet ist doch heute nicht deutscher als 1991!“ Selbst der amtierende Gouverneur Anton Alichanow sieht keine Anzeichen dafür, dass Deutschland Anspruch auf das nördliche Ostpreußen erheben könnte.