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11.08.17 / Lewe Landslied, liebe Familienfreunde,

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-17 vom 11. August 2017

Lewe Landslied, liebe Familienfreunde,

dreimal war Frau Christel Meurer bereits an ihrem vermutlichen Geburtsort Mühlhausen im Kreis Pr. Holland gewesen, hatte das Standesamt im heutigen Mlynary aufgesucht, aber keine Unterlagen über ihre Geburt gefunden. Die war auf der Flucht erfolgt, denn die Eltern stammten aus dem Kreis Angerapp, wo der Vater als Gärtner tätig war, Sie waren mit dem Treck vor den Russen geflohen und in Mühlhausen gelandet. Aber in welchem Mühlhausen? Einen gleichnamigen Ort gab es auch im Kreis Pr. Eylau. Auf dem Stempel in der Geburtsurkunde von Christel Dagmar Jäger steht lediglich „Standesamt Mühlhausen Ostpr.“ Wir behandelten diesen Fall ausführlich in Folge 29, wobei ich auch meine Überlegungen zur Diskussion stellte, die zu dem im Krs. Pr.Eylau gelegenen Mühlhausen tendierten. Christel war nämlich in einem Flüchtlingslager in Kopenhagen getauft worden, die Familie – so vermutete ich – wäre dann über Pillau im Rahmen der Aktion „Rettung über See“ herausgekommen. Klang logisch, war es aber nicht. Denn eine glaubhafte Lösung kam nun von unserem Leser Herbert Skroblin aus Wächtersbach, der uns Folgendes mitteilt:

„Bei dem Standesamt Mühlhausen Ostpr. handelt es sich tatsächlich um Mühlhausen im Kreis Preußisch Holland. Die Familie Jäger stammte aus dem Kreis Angerapp, wo auch mein Vater Gärtner war. Der Kreis Pr. Holland war als Aufnahmekreis für Flüchtlinge aus dem Kreis Angerapp vorgesehen. Nach dem Einfall der Sowjetarmee sind die Trecks östlich des Flusses Angerapp am 21. Oktober 1944 aufgebrochen und erreichten in der Regel Anfang November den Aufnahmekreis. Dieses Mühlhausen hatte wahrscheinlich ein Krankenhaus. Wenn es sich nicht um eine Hausgeburt gehandelt hat, ist Christel wohl dort zur Welt gekommen.“ Da es nun feststeht, dass der Kreis Pr. Holland die Trecks aus dem Kreis Angerapp aufnehmen musste, ist somit dieses Mühlhausen gemeint. Frau Meurer ist also im Bereich des Standesamtes Mühlhausen, Kreis Pr. Holland zur Welt gekommen, als „Christkind“, denn die kleine Christel wurde am 25.12.1944 geboren – erhielt sie deshalb ihren Namen? Leider hat ihre Mutter kaum darüber gesprochen. Frau Meurer bezieht ihre Grundlagenkenntnisse aus den wenigen Papieren, die über alle weiteren Fährnisse gerettet werden konnten Und von denen gab es viele, denn der Kreis Pr. Holland war nicht wie damals geplant, eine sichere Auffangstation für die Angerapper, die in ihre Heimat an der Grenze zurückkehren sollten, wenn sie wieder frei war, sondern lediglich eine Zwischenstation, wie Herr Skroblin weiter berichtet:

„Am 13. Januar 1945 begann die sowjetische Winteroffensive. In der Nacht vom 21. zum 22. Januar ist unser Treck aus Schönberg, dem Nachbarort von Mühlhausen, aufgebrochen und erreichte über das nahe Elbing das Danziger Werder noch vor der Abschnürung Ostpreußens. Später gestartete Trecks mussten über das Eis des Frischen Haffes in Richtung Danzig flüchten. Wir können also davon ausgehen, dass die Familie Jäger über Danzig oder Gotenhafen nach Dänemark gelangt ist.“, wo das Baby in einem Flüchtlingslager getauft wurde, wie wir schon in unserem ersten Suchbericht schrieben. Ist dies also nun ein zweiter Bericht mit Fragezeichen – oder birgt er tatsächlich die Lösung? Aufgrund der detaillierten Schilderung des Fluchtweges der eigenen Familie muss man Herrn Skroblin dankbar zugestehen, dass er sie erbracht hat, zumal er noch über weitere Unterlagen verfügt. So über eine Karte des nordwestlichen Teiles des Kreises Pr. Holland mit Mühlhausen, auf der die Wege zu den einzelnen Aufnahmeorten für die Flüchtlinge farblich markiert sind. Aufgrund dieser detaillierten Angaben steht nun für Christel Meurer fest: Ich kam in Mühlhausen Kreis Pr. Holland zur Welt! Ähnliches hatte sie schon aufgrund der vielen Anrufe und Zuschriften aus unserem Leserkreis angenommen, mit denen sie überrascht wurde, aber es waren doch zumeist Vermutungen, bis Herbert Skroblin ihr mit seinen authentischen Angaben Gewissheit verschaffte. Ich habe mit Frau Meurer lange gesprochen und ihr geraten, sich telefonisch an Herrn Skroblin zu wenden, denn im direkten Gespräch kann man noch viel mehr erfahren. Das ist inzwischen geschehen, Frau Meurer war sehr glücklich über das informative Gespräch, die Verbindung bleibt erhalten. Herr Skroblin wird ihr Kartenmaterial über die Fluchtwege der Angerapper Trecks zukommen lassen – man sieht, die Ostpreußische Familie lebt. Vielleicht wird ja auch noch geklärt, wo die Familie Jäger in Mühlhausen Unterkunft fand und ob Christel in diesem Flüchtlingsdomizil zur Welt kam. Wir geben noch einmal ihre Anschrift mit Telefonnummer bekannt: Christel Meurer, Bocksteinweg 7 in 76597 Loffenau, Telefon: 07083/3573, E-Mail:  meurer-loffenau@oneline.de

Auch ein anderes auf der Flucht geborenes Kind hat uns in den vergangenen Jahren beschäftigt – nun ein Mann im gesetzten Alter, aber immer noch auf der Suche nach seiner Familie, obgleich er sie eigentlich schon aufgegeben hat. Aber unterschwellig klingt doch noch ein Funken Hoffnung mit in der erneuten Bitte, mit der sich Herr Reinhold Kalisch aus Baden-Baden an uns wendet. Blenden wir zurück: Vor vier Jahren brachten wir seine erste Suchfrage, in der er auch auf seine Herkunft einging. Seine Mutter Lieselotte Kalisch geb. Müller stammte aus Königsberg und war Ende des Krieges bei der Organisation Todt in Rastenburg tätig gewesen. Hochschwanger musste sie auf die Flucht gehen und brachte am 30. Januar 1945 in Schweidnitz ihren Sohn Reinhold zur Welt, den sie schon kurz darauf in andere Hände gab – warum? Das hat sich Herr Kalisch oft gefragt, aber wer kann die Entscheidungen nachvollziehen, die damals in den Wirren der Zeit getroffen wurden? Soviel ist dem Sohn bekannt, dass seine Mutter später in die USA ging und dort geheiratet hat. Von ihrem ersten Ehemann, dessen Namen er trägt, weiß Reinhold Kalisch immerhin, dass dieser aus Allenstein stammte und die Familie zeitweilig dort gelebt hat. Von den vier Kindern kennt Herr Kalisch die Vornamen – Klaus, Rosemarie, Günter, Hannelore –  einige sollen zu Pflegefamilien gekommen sein. Die Suche nach Informationen über diese Familie in unserer Kolumne erbrachte leider nichts bis auf einen „seltsamen Anruf“, wie Reinhold Kalisch schrieb, aber zugleich teilte er uns mit, dass er mit großer Wahrscheinlichkeit das Grab seines Vaters auf dem Friedhof von Palmnicken gefunden hätte. Ein Rolf Kalisch sei dort begraben, „der im Alter von 27 Jahren sein Leben für einen sinnlosen Krieg lassen musste“. Damit sei das Thema eigentlich für ihn erledigt. „Ich habe halt meine Wurzeln in Ostpreußen und bin auch stolz darauf“, beendete er unsere länger währende Korrespondenz.

Aber jetzt meldete er sich doch noch einmal in dieser Angelegenheit bei uns zu Wort - und mit Bild: Die Aufnahme zeigt eine Privatklinik aus Zittau „Dr. Noebels Sanatorium für Herzkrankheiten“ – und fast möchte man das „e“ aus dem Namen weglassen, denn sie sieht wirklich nobel aus. Und in diese Heilstätte, die sicher weit übe Zittau hinaus bekannt war, wurde im März 1945 der zwei Monate alte Säugling eingewiesen, denn das Haus war kein Sanatorium mehr, sondern kriegsbedingt ein Heim für Waisenkinder geworden. Ob die Mutter ihren Sohn dort abgegeben hatte oder jemand anders, ist nicht bekannt. Kurze Zeit später erkrankte der Säugling an Thyphus und kam in das Krankenhaus Zittau. Nach seiner Genesung kehrte das Kind wieder zurück in das Waisenhaus und verblieb dort bis 1947, als es in Pflege gegeben wurde. Bei seinen Pflegeeltern Weberling in Ruhland fand es dann endlich ein Zuhause. Geblieben ist aber ein Leben lang die Suche nach seiner leiblichen Familie.

Ob Herrn Kalisch da unsere heutige Veröffentlichung weiterbringt, ist fraglich. Aber er würde sich schon freuen, wenn sich jemand melden würde, der das schöne Haus in der Lessingstraße 11 kannte, vielleicht dort auch als elternloses Kind gelebt hat oder ihm einige Informationen mitteilt, die seine frühe Kindheit erhellen. (Reinhold Kalisch, Sonnenweg 7 in 76530 Baden-Baden, Telefon: 07221/28719, mobil: 0170-5882371.)

Jetzt hat sich also auch Herr Peter Perrey aus Neustadt zu Wort in unserem Puzzle-Spiel „Wystiter See“ gemeldet und er wird nicht der Letzte sein, der seinen Teil dazu beiträgt. „Ein interessantes Thema, das die Herren McCafferty und Dauskardt aufgreifen. Und glücklicherweise keine harte Nuss, die da zu knacken wäre“, schreibt Herr Perrey, und er geht gleich auf den strittigen Grenzverlauf ein. „Ist es nicht logisch, dass der preußische König, der seine ‘kleinlitauischen’ Lande nach der Pest wieder ‘peuplisieren’ wollte, dies nur auf seinem eigenen Territorium machen konnte? In dem Zusammenhang dürfte es vollkommen egal sein, ob die Grenze zwischen Preußen und seinen Nachbarn zur fraglichen Zeit östlich, westlich oder in der Mitte des Wystiter Sees verlief. Richtig ist, dass eine Reihe von Landkarten, die zu verschiedenen Zeiten entstanden waren, unterschiedliche Grenzverläufe zeigen – auf manchen ist sogar noch eine Extra-Fischereigrenze südlich der litauischen Stadt Wystiten im See eingetragen. Doch um den tatsächlichen Grenzverlauf zu erkunden, darf man sich nicht auf Wand- oder Schulatlaskarten verlassen, die keinen international verbindlichen amtlichen Charakter besitzen. Man darf sich nur auf amtlich erstellte Karten beziehen, die für administrative oder militärische Zwecke erstellt wurden“. Die legt Herr Perrey auch gleich für den Wystiter See vor, indem er sich auf die Karte KDR 100 Nr.78 von 1839 – die sogenannte Generalstabskarte im Maßstab 1: 100.000 – bezieht. Sie zeigt den Grenzverlauf auf der Ostseite des Sees mit abgesetzter Fischereigrenze. Selbst die heutigen Karten zeigen den Grenzverlauf zwischen Litauen und dem Oblast Kaliningrad nahe des Ostufers des Wystiter Sees. Soweit einige Ausführungen in der Mail von Herrn Perrey zu dem Thema Grenzverlauf, auf andere, in dem Zusammenhang gestellte Fragen werden wir in einer der nächsten Folgen eingehen.

Eure Ruth Geede