Pro Jahr stürzen etwa 19000 kleinere Meteoriten auf die Erde, ohne besondere Schäden zu verursachen. Aber die Boten aus dem Weltall können durchaus auch ganz beachtliche Verwüstungen anrichten, wenn sie einen Durchmesser von mehreren Dutzend oder gar hundert Metern haben. Das zeigen nicht zuletzt die beiden markantesten Impaktstrukturen auf deutschem Boden, nämlich das Nördlinger Ries und das Steinheimer Becken.
Die Szenerie vor 14,6 Millionen Jahren, also während des Erdzeitalters des Miozän, muss nachgerade apokalyptisch gewesen sein: Mit einer Geschwindigkeit von rund 72000 Kilometern pro Stunde raste ein etwa 1,5 Kilometer großer Stein- oder Eisenbrocken
– genaueres weiß man nicht, weil das Objekt beim Aufprall komplett verdampfte – auf das heutige Grenzgebiet zwischen der Schwäbischen und Fränkischen Alb zu und schlug dann dort im 30-Grad-Winkel in das Deckgebirge aus Kalk und Ton ein.
Nach neuesten Berechnungen entsprach die Explosionskraft dabei der von 18 Millionen Hiroshima-Bomben beziehungsweise dem 90-fachen der Energie des verheerenden Seebebens im Indischen Ozean Weihnachten 2004. Infolgedessen entstanden ungeheure Drücke und Temperaturen von bis zu 30000 Grad Celsius, die sogar zur Bildung winziger Diamanten führten – zudem wirbelten 150 Kubikkilometer Gestein durch die Luft, als der Meteorit den Boden kilometertief zermalmte. Manche der geschmolzenen Trümmerstücke flogen bis zu 450 Kilometer weit und regneten dann als sogenannte Moldavite in Böhmen und Mähren nieder, wo man die bizarren flaschengrünen Tropfen lange Zeit für Edelsteine hielt.
Direkt am Einschlasgort des kosmischen Unheilbringers wiederum entstand ein kreisrunder Krater von nahezu 25 Kilometern Durchmesser und 500 Metern Tiefe, in dem das erhitzte Gestein wahrscheinlich 2000 Jahre benötigte, um wieder auf Normaltemperatur abzukühlen. Anschließend sammelte sich giftiges Salzwasser in der Wunde an der Erdoberfläche, bevor diese im Laufe der nächsten zwei Millionen Jahre verlandete und dann während der letzten Eiszeit mit Löß befüllt wurde, von dem die Landwirtschaft vor Ort bis heute profitiert.
Doch damit nicht genug: Der Hauptmeteorit hatte mindestens einen Begleiter von 150 Metern Größe, welcher rund 40 Kilometer südwestlich des heutigen Nördlinger Rieses niederging, wodurch das Steinheimer Becken entstand, das immerhin auch noch dreieinhalb Kilometer Durchmesser aufweist. Darüber hinaus könnte im Zusammenhang mit dem Ries-Impakt ein weiteres Dutzend kleinerer Rund-Strukturen bei Kipfenberg, Ellingen, Ihrlerstein und Altmannstein sowie am Bodensee entstanden sein. Ja, der Würzburger Geologe Erwin Rutte meinte sogar, dass damals Millionen größere und kleinere Brocken auf das Gebiet zwischen der Alb und Böhmen niedergeprasselt seien, was die Eisenvorkommen in der Region erkläre. Dies wurde von seinen Kollegen allerdings stark in Frage gestellt, da bisher noch nie eine derartig dichte Wolke kosmischen Materials auf die Erde traf.
Auf jeden Fall aber zeitigte der Einschlag vor 14,6 Millionen Jahren verheerende Auswirkungen: So löschten die Druckwellen und die extreme Hitze jedes Leben im Umkreis von mehreren hundert Kilometern aus. Damit handelte es sich bei dem Ries-Ereignis, dessen Knall übrigens rund um die gesamte Erde hörbar gewesen sein muss, um die Urkatastrophe Süddeutschlands schlechthin.
Trotzdem aber erkannten die Menschen lange Zeit nicht, was die Landschaft so gewaltsam umgeformt hatte. Sie glaubten fest an eine vulkanische Entstehung des Kraters, bis dann Ernst Werner 1904 kosmische Ursachen anzunehmen begann. Endgültige Gewissheit erbrachten allerdings erst die Untersuchungen der beiden US-amerikanischen Wissenschaftler Eugene Shoemaker und Edward Ching-Te Chao. Sie fanden 1960 im Inneren des Kraters die seltenen Minerale Stishovit und Coesit, welche nur unter den extremen Bedingungen eines Meteoriteneinschlags in Quarzgestein, aber niemals durch Vulkanismus entstehen können.
Neben dem Nördlinger Ries wurden in der Vergangenheit zunächst auch viele der anderen, rund 100 großen irdischen Meteoritenkrater beziehungsweise Impaktstrukturen nicht als solche angesprochen, weil sie entweder der Erosion zum Opfer gefallen oder unter dicken Eis- und Sedimentschichten verschwunden waren. Das gilt insbesondere für die älteren Spuren von Einschlägen, wie den 320 mal 180 Kilometer messenden Vredefort-Krater in Südafrika, der bereits vor über zwei Milliarden Jahren entstand, oder den Chicxulub-Krater auf der mexikanischen Halbinsel Yucatan mit etwa 200 Kilometern Durchmesser. Dabei ist der letztere immerhin das Überbleibsel des Impakts eines über zehn Kilometer großen Himmelskörpers vor rund 66 Millionen Jahren, der heute allgemein für das Verschwinden der Dinosaurier sowie 75 Prozent aller anderen damaligen Tierarten auf unserem Planeten verantwortlich gemacht wird.
Ebenso vermuten die Wissenschaftler, dass das Massenaussterben im Übergang vom Perm zum Trias vor 250 Millionen Jahren auf einen Meteoritentreffer zurückging. Möglicherweise versteckt sich hinter der 2006 unter dem Eis der Antarktis entdeckten, 480 Kilometer großen Wilkesland-Schwereanomalie der damals entstandene Krater.
Ganz sicher aber wurde die Erde in regelmäßigen Abständen von etwa 200 Millionen Jahren von großen kosmischen Objekten verwüstet, die nicht nur die Tier- und Pflanzenwelt in erheblichem Umfang dezimierten, sondern sogar die Gestalt der Kontinente veränderten. Kleinere Einschläge, wie der in Süddeutschland, erfolgten dahingegen alle 500000 bis 10000 Jahre. Das heißt, dass der Mensch bereits Zeuge solcher Ereignisse gewesen ist, wobei das bisher recht glimpflich für ihn abging, weil nur dünnbesiedelte und abgelegene Regionen betroffen waren, wie beim Tunguska-Ereignis in Sibirien von 1908.
Deutlich dramatischer wäre es dahingegen, wenn heute ein Meteorit von der Größe des Ries-Impaktits Deutschland heimsuchen sollte: Abgesehen von der fehlenden radioaktiven Verseuchung könnte ein Atomkrieg kaum viel schlimmere Folgen haben.