26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
11.08.17 / Literarischer Leckerbissen / Zehn Novellen Pirandellos

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-17 vom 11. August 2017

Literarischer Leckerbissen
Zehn Novellen Pirandellos
Helga Schnehagen

Zum 150. Geburtstag des Literatur-Nobelpreisträgers Pirandello (1867–1936) ist ein Taschenbuch unter dem Titel „Maestro Amor. Römische Novellen“ erschienen, ausgewählt und brillant übersetzt von Martin Hallmannsecker, einem in Oxford lebenden Althistoriker. Die zehn Novellen liegen hier zum ersten Mal in deutscher Übersetzung vor, ihre Auswahl ist ein gelungener Querschnitt durch Pirandellos Themenwelt. Die Erstveröffentlichungen gehen auf die Jahre 1896 bis 1910 in Tageszeitungen zurück. Insgesamt schrieb Pirandello neben Romanen über 250 Kurzgeschichten, die er zu dem unvollendet gebliebenen Zyklus „Novelle per un’anno“ zusammenfasste, der hier auch als Textvorlage diente. 

Die vorliegenden Erzählungen spielen alle in Pirandellos Wahlheimat Rom. Sie kreisen um das ganze Spektrum des Lebens, um Glück und Unglück, um die persönliche Identität, um Größe und Niedrigkeit des Menschen. Oder wie Maike Albath im Nachwort des Bandes schreibt: „Bankrott, verfehlte Liebe, fatale Eheschließungen, gescheiterte Lebensentwürfe, die Festlegung auf eine bestimmte Rolle durch äußere Zwänge, Persönlichkeitsspaltungen, die Familie als Gefängnis, Selbstmord – in den zehn Erzählungen des vorliegenden Bandes klingen alle großen Themen Pirandellos an.“ 

Parallelen zum leidenschaftlich-bewegten Leben des Autors inbegriffen. Pirandello war mit seinem Skandal-Stück „Sechs Personen suchen einen Autor“ von 1921 weltberühmt geworden. 1934, zwei Jahre vor seinem Tod, erhielt er den Nobelpreis für Literatur. Er hatte enorme Summen verdient, aber auch wieder verloren. 1928 klagte er seinem Sohn Stefano: „Ich bin 61 Jahre alt; und ich sehe mich immer noch gezwungen, von der Hand in den Mund zu leben, mit unendlichen Schwierigkeiten ringend, erdrückt von der anhaltenden Sorge, Eure (seiner Kinder) Bedürfnisse befriedigen zu müssen.“

So bestimmt echte Armut, weit unter der in Pirandellos Klagen, gleich die erste Novelle „Auf den Leim gegangen“. Pirandellos Prosa gräbt erbarmungslos tief. Sehnsüchte verwandeln sich in Abgründe. Pirandello erspart sich und anderen nichts. Dennoch sind seine philosophischen Miniaturen durch ihre unerwarteten Wendungen Kabinettstücke der Erzählkunst und trotz der düsteren Thematik von erstaunlicher Leichtigkeit. Sein Blick auf die Menschen ist schonungslos und teilnehmend zugleich.

Luigi Pirandello: „Maestro Amor. Römische Novellen“, C.H. Beck Verlag, München 2016. broschiert, 160 Seiten, 16,95 Euro