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11.08.17 / »Die Kraft ist gegen mich« / Ungewöhnliche Erklärungsversuche des Phänomens Martin Schulz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-17 vom 11. August 2017

»Die Kraft ist gegen mich«
Ungewöhnliche Erklärungsversuche des Phänomens Martin Schulz
Wolfgang Thüne

Der Rezensent versteht  Schulz nach der Lektüre des Buchs „Verstehen Sie Schulz ...“ nicht. Dabei sollen nach Jan Fleischhauer „alle Erlösungshoffnungen“ der „Linken“ auf Martin Schulz ruhen. Wäre er ein „unberechenbares Politmonster“ geworden, wenn er nicht mit 25 Jahren eine „Häutung“ in einer „psychosomatischen Klinik“ gehabt hätte, die „die konstruktive Energie“ freigesetzt, auf der Schulz seine „nachhaltige und krisenfeste politische Karriere“ aufbaute?

Martin Häusler unterstellt dem „Familiensystem“ hochgradige traumatische Erfahrungen, die nicht verarbeitet wurden und als „transgenerationale Übertragungsphänomene“ auf die Nachkommen einwirken. Die These besagt, dass Traumatisierungen über die DNA vererbbar seien und man „Opfer- wie Täterenergien in nahezu jeder deutschen Familie“ fände. Mit dem „Wissen um die formgebenden Kräfte“ gewinne Schulz „plötzlich klare Konturen“, werde seine „changierende Persönlichkeit“ erklärbar. 

Doch versäumt er es, sein Wissen darzulegen, damit der Leser Schulz verstehen kann. Das „historische Gepäck der Würselener“ reiche von den Kelten über die Römer, die Merowinger bis zu den Karolingern mit Karl dem Großen. Erst „1903 kann sich Würselen aus der Fremdbestimmung“ von Aachen lösen, sodass nach seiner „Häutung“ der Juso Martin Schulz dort 1987 ehrenamtlicher Bürgermeister werden konnte. Der „Europäer“ brach 1994 nach Europa auf, wurde EU-Abgeordneter, stieg bis zum Parlamentspräsidenten auf, um 2017 Vorsitzender der SPD und deren Kanzlerkandidat zu werden.

Schulz wolle „Europa endlich verstehbar machen“. Doch diese „transnationale Demokratie“ bleibt eine Utopie und daran ist er nicht ganz schuldlos. Die „Kräfte des Vollbluteuropäers“ und „Führungsspielers“ reichten nicht aus: „Die Kraft ist gegen mich. Warum, weiß ich nicht, die ist gegen mich.“ 

Auf deutscher Bühne dagegen treibt der „Schulz-Effekt“ die Umfragewerte der Sozialdemokraten in die Höhe. Schulz tritt auf als „Kämpfer der Entrechteten“. Nach Verkündigung des „100-Prozent-Auftrags“ rief er seinen Genossen zu: „Ich glaube, dass dieses Ergebnis der Auftrag zur Eroberung des Kanzleramtes ist.“ 

Doch in allen drei folgenden Landtagswahlen musste Schulz’ SPD herbe Verluste einstecken. Der Autor zitiert den Therapeuten Wolfgang Krüger: „Die Erfüllung der Familienaufträge enthält immer die Gefahr der Selbstüberforderung“. Diese Aufträge bleiben unbekannt. Schulz kann man deswegen nicht verstehen, weil er bis dato keine „programmatische Rede“ gehalten hat, deren Inhalt nicht dem seit 154 Jahren bekannten „sozialdemokratischen Parolenfundus zuzurechnen“ wäre. Neugierige können das Buch lesen, Wissbegierige werden sich eher über die Vita wundern.

Martin Häusler: „Verstehen Sie Schulz. Wie der mächtigste Mann der SPD wurde, was er ist“, Europa Verlag, Berlin 2017, gebunden, 184 Seiten, 14,90 Euro


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