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25.08.17 / Streit um Steuergelder für Air Berlin / Hat Berlin die Interessen der Urlauber in der Ferne oder des Lufthansa-Konzerns in Frankfurt im Sinn?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-17 vom 25. August 2017

Streit um Steuergelder für Air Berlin
Hat Berlin die Interessen der Urlauber in der Ferne oder des Lufthansa-Konzerns in Frankfurt im Sinn?
Peter Entinger

Air Berlin verursachte seit Jahren erhebliche Defizite. Im vergangenen Jahr betrug der Verlust 780 Millionen Euro. Die Lage verschärfte sich Ende März mit der Umstellung auf den Sommerflugplan. Flugausfälle und Verspätungen häuften sich danach. Nun ist das Unternehmen pleite. Was sind die Ursachen, und wie soll es weitergehen?

 

Der amtierende Vorstandsvorsitzende Thomas Winkelmann hat die Schuld an der Insolvenz weit von sich gewiesen. Als einen Grund für die Misere seiner Fluggesellschaft nannte der Vorstandschef die Verzögerungen beim Bau des Berliner Flughafens BER: „Natürlich ist Air Berlin auch ein Opfer der dauernden Verschiebungen um den neuen Flughafen BER.“ Seine Fluggesellschaft habe ihr „gesamtes Konzept der Umsteigeverkehre auf diesen neuen Flughafen ausgelegt“, so Winkelmann. Der 57-jährige gebürtige Hagener hofft trotz der Insolvenz seiner Fluglinie, Schaden von den Mitarbeitern abwenden zu können. Das Ziel sei, „einen Großteil der Jobs zu sichern. Das kriegen wir hin.“ Der Airline-Chef erklärte, es habe keine Alternative zu der Insolvenz gegeben. Nachdem der Hauptaktionär Etihad erklärt habe, keine weitere finanzielle Unterstützung zur Verfügung zu stellen, sei man „zu dem Ergebnis gekommen, dass für die Air Berlin PLC keine positive Fortbestehensprognose mehr besteht“, hieß es seitens des Unternehmens.

Über die Gründe der Air-Berlin-Pleite wurde in den vergangenen Tagen viel spekuliert. So habe sich Unternehmensgründer Joachim Hunold verzockt, als er es nach dem Börsengang vor zehn Jahren plötzlich mit den ganz Großen aufnehmen wollte, statt Air Berlin in ihrer Nische, dem Ferienfluggeschäft, zu belassen. Der frühere Bahn-Chef und spätere BER-Sanierer Hartmut Mehdorn habe es immerhin geschafft, mit Etihad einen Investor zu finden, allerdings sei die Fluggesellschaft aus den Vereinigten Arabischen Emiraten zu wenig interessiert an den deutschen Begebenheiten gewesen. Ein klares Sanierungskonzept habe gefehlt. 

Die Bundesregierung unterstützt Air Berlin mit einem durch eine Bundesbürgschaft abgesicherten Übergangskredit. 150 Millionen Euro schießt sie in der Urlaubszeit zu. Das damit für den Steuerzahler verbundene Risiko rechtfertigt sie damit, dass mehrere zehntausend deutsche Urlauber noch mit der Fluglinie ins Ausland geflogen seien und durch die Staatsintervention der Flugbetrieb wohl für drei Monate gesichert werde. Zudem halte sich das Risiko in Grenzen, da Air Berlin, so Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries, den Übergangskredit des Bundes sicherlich zurückzahlen könne. Dies sollte aus dem Erlös der Start- und Landerechte (Slots) möglich sein, sagte die SPD-Politikerin.  

Ryanair ist umgehend gegen die Staatshilfen für Air Berlin vorgegangen und hat Beschwerde bei den Kartellbehörden eingelegt. Der Insolvenzantrag sei mit dem Ziel arrangiert worden, dass die Lufthansa eine schuldenfreie Air Berlin übernehmen könne, erklärte die Billigfluglinie aus Irland. Dies verstoße gegen deutsche und EU-Wettbewerbsregeln. Reisende müssten künftig höhere Preise für Tickets zahlen, erklärte das Un­ternehmen. Deshalb würden Bun­deskartellamt und EU-Kommission aufgefordert, umgehend Schritte zu unternehmen.

Der sich einst fast vollständig in deutschem Staatsbesitz befindliche Luftfahrtkonzern Lufthansa scheint sich in der Tat auf das Ende von Air Berlin gezielt vorbereitet zu haben. Seit Monaten soll es einen detaillierten Plan geben, demzufolge die Gesellschaft folgendermaßen reagiert: Sie nimmt Verhandlungen mit den Leasinggebern von Air-Berlin-Flugzeugen auf mit dem Ziel, die Maschinen entweder zu mieten oder zu kaufen. Im Erfolgsfall würde ein großer Teil von ihnen dann für die eigene Tochter Eurowings fliegen, die so wachsen könnte. Wie viele der etwa 9000 Arbeitsplätze verloren gingen, hinge dann davon ab, wie viele der rund 100 übrigen Flugzeuge Lufthansa dann für sich selber übernehmen würde. 

„Wenn es tatsächlich zur Übernahme der Routen durch Eurowings kommt, ist Ryanair der große Verlierer. Sie sind künftig Nummer zwei in Deutschland, aber weit hinter der Lufthansa-Gruppe. Und es wird schwer für sie, ihren Marktanteil wie geplant auszubauen. Ein fußkranker Wettbewerber wie Air Berlin ist leichter zu verdrängen als eine wachsende Eurowings“, begründete der bekannte deutsche Luftverkehrsexperte Heinrich Großbongardt das Engagement von Ryanair in dieser Sache.

Die Einleitung eines Insolvenzverfahrens war seines Erachtens „abzusehen und unvermeidlich“. „Air Berlin hatte einen riesigen Schuldenberg mit sich herumzuschleppen. Es gab überhaupt keine Chance, den Kapitaldienst für Tilgung und Zinsen zu leisten, selbst wenn Air Berlin operativ schwarze Zahlen geschrieben hätte“, erklärte der frühere Pressesprecher bei Boeing und Cessna, der seit Jahren die Branche für verschiedene Medien und Unternehmen analysiert. Dass der Staat nun einspringe, sei sinnvoll. Niemandem sei damit gedient, wenn alle Air-Berlin-Maschinen von heute auf morgen am Boden stehen bleiben würden Das Unternehmen wäre sofort tot, 8500 Menschen wären ihre Arbeit los, Hunderttausende Passagiere könnten nicht mehr ihre Reise antreten, bestimmte Routen würden gar nicht mehr bedient. „Das kann niemand wollen“, sagte er gegenüber „Spiegel Online“.