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25.08.17 / Der Piepser war ein Schocker / Ein Satellit namens »Sputnik« öffnete das Tor zum Weltraum

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-17 vom 25. August 2017

Der Piepser war ein Schocker
Ein Satellit namens »Sputnik« öffnete das Tor zum Weltraum
Klaus J. Groth

Ein Dauerpiepser schockierte die westliche Welt. Im Weltraum umkreiste eine Aluminiumkugel die Erde und piepste nervtötend. Jedenfalls für westliche Ohren. Denn was dort den Weltraum eroberte, war ein künstlicher Erdsatellit sowjetischer Bauart. Mit seinem Start begann am 4. Oktober 1957 die Raumfahrt.

Für die USA und die Mehrheit der westlichen Welt war dieser Flug durch den Weltraum ein Schock. Zwar hatte die Sowjetunion einen Satelliten für das Internationale Geophysikalische Jahr, das für 1957 bis 1958 festgesetzt worden war, angekündigt, aber mit einem solchen frühen Start hatte im Westen niemand gerechnet. Das Wort vom „Sputnikschock“ machte bald die Runde. 

„Sputnik“ hatten die Sowjets den Satelliten genannt. Das bedeutet „Begleiter“ oder „Weggefährte der Erde“. Später stand „Sputnik“ generell für künstliche Erdsatelliten. Der durch die piepsende Blechkugel ausgelöste Schock markierte einen Höhepunkt im Kalten Krieg zwischen den Supermächten. Stets waren sich die USA ihres technologischen Vorsprungs sicher gewesen – und nun das! Als im Juli 1955 die Sowjets, vier Tage nachdem US-Präsident Dwight D. Eisenhower den Bau eines Erdsatelliten angekündigt hatte, mit gleicher Ankündigung gefolgt waren, hatte man dies im westlichen Lager nicht ernst genommen. Nun war der Schock umso größer, denn mit dem Start hatten die Sowjets die Leistungsfähigkeit ihrer Raketen bewiesen. Und das in einer Zeit, die mit Ängsten und Sorgen befrachtet war: Wettrüsten, Kernwaffentests, erste Wasserstoffbombe der Sowjets, Massenvernichtungswaffen.

Eisenhower ging nach dem Start des Sputniks demonstrativ Golfen und ließ beschwichtigen: „Niemand wird irgendetwas von einem Satelliten auf Sie herunterwerfen, während Sie schlafen, also machen Sie sich keine Sorgen darüber.“

Ganz so lässig beurteilte die Mehrheit der US-Bürger die Situation allerdings nicht. Hatte der KPdSU-Chef Nikita Chruschtschow nicht gerade vor einem Jahr Richtung USA gedroht: „Wir werden Euch begraben!“? Hatten die Sowjets nicht gerade vor sechs Wochen eine nukleartaugliche Interkontinentalrakete abgefeuert, die binnen 30 Minuten von Mos­kau nach New York fliegen konnte (siehe Seite 10)? Der Sputnikschock hatte seine Gründe.

Dabei waren sich die USA ihres technologischen Vorsprungs ganz sicher gewesen. Sie hatten nicht nur Wernher von Braun und mit ihm zahlreiche Spezialisten des NS-Raketenprogramms. Nachdem die Amerikaner 1945 in Bleicherrode das Mittelwerk besetzt hatten, hatten sie 100 A4-Raketen abtransportiert. Die bildeten den Grundstock des US-Raketenprogramms. Und daran arbeitete Braun. Das Aggregat 4 beschäftigte Braun seit er technischer Direktor an der Heeresversuchsanstalt in Peenemünde gewesen war. 

Nach der Kapitulation 1945 interessierten sich die Amerikaner mehr für die Raketen und Braun als für dessen Vergangenheit. Er half bei der Verladung der Raketen, später flog er in geheimer Mission mit einigen Vertrauten in die USA. In Fort Bliss (Texas) arbeiteten schließlich mehr als 100 Peenemünder. Als der „Sputnik“ geflogen kam, war das längst Allgemeinwissen. Mit einem Team von 1000 Mitarbeitern entwickelte Braun die erste US-amerikanische ballistische Rakete, die auf dem Aggregat 4 basierende „Redstone“. Ein erster Versuch wurde 1953 gestartet. 

Und dann schlug der Piepser ein. Die Sowjets hatten am 4. Oktober 1957 vom Kosmodrom Baikonur in Kasachstan eine weiterentwickelte Interkontinentalrakete gestartet. An Bord „Sputnik“, eine mit Stickstoff gefüllte Aluminiumkugel von 58 Zen­timeterm Durchmesser und einem Gewicht von 83,6 Kilogramm. An den Seiten ragten zwei Antennen heraus, 2,9 und 2,4 Meter lang.

Dieser Start zeigte den US-Amerikanern, dass sie keineswegs den technologischen Vorsprung besaßen, den sie vermutet hatten. Im Gegenteil, offenbar waren ihnen die Sowjets in der Raketentechnik voraus. Erst jetzt wurde zusätzliches Geld für die Raumfahrt bewilligt. Am 1. Februar 1958 stießen dann auch die USA in den Weltraum vor. Eine Jupiter-Rakete, entwickelt aus der Redstone, brachte den Satelliten Explorer 1 in die Umlaufbahn. Im Vergleich zum Sputnik war der Explorer ein Leichtgewicht, er wog nur 13,9 Kilogramm. Aber immerhin, die USA waren nachgerückt, der Anschluss schien geschafft. Das „Time magazine“ setzte Braun auf das Titelblatt: „The Missileman“ (Der Raketenmann). Als Konsequenz aus dem Sputnikschock bündelten die USA nun ihre Raumfahrtaktivitäten, im Juli 1958 wurde die NASA (National Aeronautics and Space Administration ,Nationale Aeronautik- und Raumfahrtbehörde) gegründet. Es war vorgesehen, Brauns Raketenentwicklung komplett zu übernehmen. Das scheiterte vorerst, weil die zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichten. Darum stieß Braun erst mit einem Jahr Verspätung dazu. 

Vorerst aber blieben die Sowjets den USA eine Nasenlänge voraus. Am 3. November 1957 schossen sie das erste Lebewesen in eine Umlaufbahn um die Erde. Sputnik 2 beförderte die Hündin Laika in den Weltraum. Laika (Kläffer) war als Streuner auf den Straßen Moskaus unterwegs gewesen, bevor sie für das Versuchsprogramm eingefangen wurde. Die dreijährige Hündin war ein Mischling aus Husky und Terrier. Mit ihr waren auch zwei andere Streuner gegriffen worden. Laika hatte das Unglück, bei den Versuchen zur Vorbereitung besonders anstellig zu sein. Darum fiel die Wahl auf sie. Die Raumkapsel war gerade so groß, dass der Hund stehen oder liegen konnte. Eine Rückkehr zur Erde war nicht geplant. Der Tag des Starts in den Weltraum war auch zugleich der Todestag des Hundes. Ihr Tod wenige Stunden nach dem Start wurde lange Zeit verschwiegen. Stattdessen wurde Laika mit Sonderbriefmarken wie ein Held des Sozialismus gefeiert. Tatsächlich starb sie schon nach wenigen Stunden an Überhitzung. Ihr Tod lieferte wichtige Erfahrungen, welche die bemannte Raumfahrt ermöglichten.

Der Piepser Sputnik öffnete Welten und Erfahrungen, an die man bei seinem Start noch nicht einmal dachte: die Mikrochips, das Internet, TV-Liveübertragungen sowie Opern- und Ballettübertragungen weltweit und selbstverständlich die Satellitennavigation.