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25.08.17 / Ansicht eines Insiders / Ex-FPD-Parteifreund rechnet mit Christian Lindner ab

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-17 vom 25. August 2017

Ansicht eines Insiders
Ex-FPD-Parteifreund rechnet mit Christian Lindner ab
Wolfgang Thüne

Der FDP-Parteitag 2015 stand unter dem Motto: „Beta-Republik-Deutschland“. Diese politische Null-Aussage steht für Digitalisierung und Modernität. Dies entspricht der Aussage von Gerhard Papke: „Lindners Tonalität folgt überaus geschmeidig dem Zeitgeist und verfolgt eine Politik systematischer Risikominimierung.“ Seine Positionen hätten etwas „Flüchtiges“. 

Sein Buch „Noch eine Chance für die FDP? Erinnerungen und Gedanken eines Weggefährten“ über die sehr enge Zusammenarbeit und dann das Auseinanderleben der beiden „Freunde“ öffnet zuweilen interessante Einblicke in das politisch-parlamentarische Leben. Papke war wissenschaftlicher Referent in der Theodor-Heuss-Akademie (FDP), als er 1998 gebeten wurde, sich eines „Zivis“ (Zivildienstleistender) anzunehmen, der dort als „Hausmeister“ dienen sollte, aber im Grunde auf eine schnelle Karriere aus war. Christian Lindner habe zwei „linke Hände“ gehabt und sei total desinteressiert an dieser Zivi-Aufgabe gewesen. Der junge Mann habe „Höheres“ vorgehabt. Er war „PR-Berater“, fuhr einen Porsche Boxster und habe einen Sponsor gesucht, damit er „mit eigenem Wagen an der Love-Parade“ in Berlin teilnehmen konnte. Er erklärte „mit der größten Selbstverständlichkeit der Welt, dass er bei der Landtagswahl im Mai 2000 natürlich ins Parlament wolle“. Dieses Selbstbewusstsein motivierte auch Papke, und so begannen beide mit Eifer, systematisch an diesem Vorhaben zu arbeiten. Sie erkannten, dass „Verpackung und Inszenierung“ ihrer beiden Personen wichtiger sei als der politische Inhalt, der ohnehin nur aus „Allgemeinplätzen“ bestehe. Die FDP erzielte bei den Wahlen am 14. Mai 2000 ganz überraschend stolze 9,8 Prozent und beide zogen in den Landtag. „Bambi“ Lindner fiel Jürgen Möllemann sofort auf. Er erkannte das Talent und meinte: „Was ist der Junge doch für ein begnadeter Schauspieler.“ Der war und sei er bis heute. Ständig wechsele er seine Rollen und spiele sie perfekt. 

Das Mitglied des Landtags (MdL)-Gespann Papke/Lindner lief wie geschmiert und umschiffte alle parteiinternen Konflikte, wobei der erfahrene und 18 Jahre ältere Papke der „Ideengeber“ war und Sacharbeit betrieb und Lindner der ehrgeizige „Lehrling“ mit dem Hang der Selbstdarstellung. Papke war von 2005 bis 2012 Fraktionsvorsitzender und danach bis zum 31. Mai 2017 Vizepräsident des Landtags. Lindner war bis 2009 MdL, wechselte dann als FDP-Bundestagsmitglied nach Berlin, um 2012 nach NRW in den Landtag zurückzukehren. Am 7. Dezember 2013 wurde Lindner Parteivorsitzender.

Nach umfangreichen Einblicken in die Alltagsarbeit schildert Papke das sich anbahnende Zerwürfnis mit Lindner. Nach dem bitteren Abschied der FDP aus dem Bundestag mit nur 4,8 Prozent musste sich die Partei „relaunchen“. Nun schlug Lindners Stunde. Er entwarf ein neues Lindner-Bild der Partei und setzte ganz auf „Jugendlichkeit, Dynamik und Internetaffinität“. Die FDP suchte wieder eine stärkere „Bodenhaftung“, doch nun schwebte sie vollends in indifferenten Wolkenkuckucksheimen. „Standfestigkeit“ sei keine Tugend des stets strahlenden Lindner. Ein klares „inhaltliches Profil“ sei bei aller rhetorischen Begabung nicht zu erkennen. 

Papke attestiert Lindner eine „dialektische Sprachkompetenz“, die ihm gestatte, „Konkretisierungen zu vermeiden“, um sich nicht in die Karten schauen zu lassen. Ein Beispiel? „Unser Land wird durch Zuwanderung sein Gesicht ändern. Manche sagen sogar, Deutschland müsse sich ändern. Zweifellos werden die traditionellen Prägekräfte nachlassen, neue werden Einfluss gewinnen.“ Diese Aussage ist inhaltsleer. Lindner zeigt ein so hohes Maß an Flexibilität, dass sich die FDP zu einer egozentrischen „Inszenierungspartei“ entwickelt, die alle ihre Prinzipien so weich formuliert, dass sie jederzeit verdreht und flott dem „Zeitgeist“ angepasst werden können. Papke hat die Reißleine gezogen und kandidiert nicht mehr für den Landtag. 

Lindner trimme die FDP systematisch auf das „Format internetaffiner Jugendlichkeit“. Wie bei der „Piratenpartei“ nehme die Digitalisierung eine Schlüsselrolle ein. Er fordere sogar ein „Digitalisierungsministerium“. Doch man kann nicht den Menschen auf bloße Zahlen, nur noch auf 0 und 1 reduzieren. Deswegen wendet er sich nicht an konservative Wähler und macht sich über die „verstaubte Bürgerlichkeit“ lustig. Aber auch Lindner, der jugendliche Hoffnungsträger, entgeht dem Altern nicht. Er sollte achtgeben, dass er nicht eines Tages als „dummdreister Umfaller“ landet. Er ist der Letzte des „Talente-Triumvirats“ der FDP.


Gerhard Papke: „Noch eine Chance für die FDP? Erinnerungen und Gedanken eines Weggefährten“, Münchner Verlagsgruppe, München 2017, gebunden, 232 Seiten, 19,99 Euro