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01.09.17 / Der Westen fordert von Interpol zweierlei Maß / Schon vor der Verhaftung von Dogan Akhanl? tat sich die internationale Polizeiorganisation schwer mit ihrem Verhältnis zur Politik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-17 vom 01. September 2017

Der Westen fordert von Interpol zweierlei Maß
Schon vor der Verhaftung von Dogan Akhanl? tat sich die internationale Polizeiorganisation schwer mit ihrem Verhältnis zur Politik
Manuel Ruoff

Seit der Festnahme des in der Türkei geborenen und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzenden Schriftstellers Dogan Akhanl? auf Ersuchen seines Geburtslandes ist Interpol einmal wieder in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt. Die Festnahme erfolgte nämlich auf der Basis einer von der Türkei ini­ti­ierten sogenannten Red Notice (Roten Ausschreibung) von Interpol. 

Nun mag man Interpol vorwerfen, sich mit der Red Notice zum Handlanger des Erdogan-Regimes bei der Bekämpfung seiner politischen Gegner gemacht zu haben. Doch das ist weniger als die halbe Wahrheit. Wenn Interpol dem ersten Teil des Akronyms gerecht werden will, dann darf es sich – anders als etwa Europol – nicht auf die Aufnahme von Polizeibehörden aus Staaten mit identischen politischen Systemen beschränken. Deshalb heißt es bereits im dritten Artikel der aus dem Jahre 1956 stammenden Statuten: „Jede Betätigung oder Mitwirkung in Fragen oder Angelegenheiten politischen, militärischen, religiösen oder rassischen Charakters ist der Organisation strengstens untersagt.“ Damit schien eine Zusammenarbeit zwischen nationalen Polizeibehörden über politische Systemgrenzen hinweg möglich. 

Die restriktive Handhabung dieses Artikels, der den Missbrauch der Organisation zur Bekämpfung von unliebsamen politischen Gegnern und Oppositionsgruppen ausschließen sollte, stieß jedoch ausgerechnet im Westen auf Kritik. Zur Hochzeit von im Westen operierenden Untergrundorganisationen wie Rote Armee Fraktion oder Rote Brigaden wurde Interpol fehlendes Engagement im Kampf gegen den Terrorismus vorgeworfen. Die Erwartungshaltung des Westens ist klar: Im Kampf gegen das, was der Westen als Terrorismus bezeichnet, soll Interpol sich voll einbringen, im Kampf gegen das, was Regime wie das türkische als Terrorismus bezeichnen, hingegen strenge Zurückhaltung üben. 

Interpol hat angesichts dieser Erwartungshaltung einen gar nicht einmal so faulen Kompromiss gefunden. Wenn ein Mitglied um die (vorläufige) Festnahme mit dem Ziel der Auslieferung ersucht, wird dieses Ersuchen per Red Notice an die anderen Mitglieder weitergeleitet. Diese Notices stellen jedoch im Gegensatz zum Europäischen Haftbefehl keine Rechtsgrundlage für Exekutivmaßnahmen dar. Jedes Mitglied hat die Entscheidung, ob es dem Ersuchen entspricht oder es bleiben lässt. Die Verantwortung liegt also beim jeweiligen Mitgliedsland, in diesem Falle also bei Spanien.





Wie die »Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation – Interpol« entstand

Die zunehmende Mobilität im Zuge der Industrialisierung machte auch Verbrecher mobiler und ließ eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit der nationalen Polizeibehörden sinnvoll und erstrebenswert erscheinen. 1914 fand deshalb in Monaco der Erste Internationale Polizeikongress statt. Er verlief derart vielversprechend, dass zwei Jahre später ein zweiter in Bukarest folgen sollte, doch der Erste Weltkrieg machte einen Strich durch die Rechnung. 

Stattdessen fand der Zweite Kriminalpolizeiliche Kongress erst 1923 in Österreichs Hauptstadt statt. Dass es dem Wiener Polizeipräsidenten Johannes Schober gelang, seine Kollegen ausgerechnet in seiner Stadt zu versammeln, lag zum einen an dem Renommee und diplomatischen Geschick des späteren Außenministers und Bundeskanzlers wie zum anderen an dem Interesse der anderen Nachfolgestaaten der Donaumonarchie, durch eine Zusammenarbeit mit den Österreichern die noch in deren Hauptstadt liegenden polizeilich relevanten Unterlagen des Habsburgerstaates nutzen zu können. Am letzten Tag des Kongresses wurde die Gründung einer Internationalen Kriminalpolizeilichen Kommission (IKPK) mit Sitz in Wien beschlossen. 

Nachdem die IKPK die Erfahrung hatte machen müssen, dass die Unterstützung vonseiten der österreichischen Polizei stark nachließ, wenn nicht der amtierende Präsident der Bundespolizeidirektion Wien an ihrer Spitze stand, wurde eine Personalunion beschlossen. Damit fiel den Österreichern und nach deren Anschluss den Nationalsozialisten die Besetzung des Präsidentenamtes zu. So übernahm schließlich 1940 Reinhard Heyd­rich als Chef der Sicherheitspolizei und des SD das Präsidium. Der Kommissionssitz wurde von Wien nach Berlin-Wannsee verlegt, wo die IKPK im berüchtigten Haus der Wannseekonferenz unterkam. Aufgrund der engen Verbindung ging mit dem Dritten Reich auch die IKPK in ihrer bisherigen Form 1945 unter. Ihre Akten waren fast vollständig ein Opfer des Krieges geworden.

Der Bedarf an einer grenzübergreifenden Zusammenarbeit war jedoch nach wie vor vorhanden, und so wurde bereits 1946 auf einer Konferenz in Brüssel der Neuaufbau beschlossen. Kommissionssitz wurde Paris, denn die Regierung der im Zweiten Weltkrieg geschlagenen Siegermacht versuchte nach dem Kriege, möglichst viele internationale Organisationen in ihre Hauptstadt zu holen, und zeigte sich entsprechend großzügig. 

Aufgrund der gemachten Erfahrungen wurde jedoch Wert darauf gelegt, dass der Gastgeber nicht erneut eine dominierende Rolle spielen konnte. Diesen Geist atmen auch die heute noch gültigen Statuten von 1956. Ihnen gemäß steht der Präsident, der kein Franzose zu sein braucht, an der Spitze eines Exekutivkomitees, das gemäß einem Gentlemen’s Agreement von 1964 die Vielfalt der Mitgliedschaft widerspiegelt. 

Mit ihren heutigen Statuten erhielt die bisherige Internationale Kriminalpolizeiliche Kommission auch ihren heutigen Namen „Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation – Interpol“. Aus der Kommission war mittlerweile eine Organisation geworden. Und „Interpol“ hatte sich mittlerweile derart durchgesetzt, dass es nun Bestandteil der offiziellen Bezeichnung wurde. Ursprünglich war das Akronym von „International Police“ nämlich nur die Telegrammadresse des Generalsekretariats gewesen.MR.